Beilage zur Laibacher Zeitung. »N 25. Siebenter Jahrgang. 2tt. Juni 5863. Vcr Heimat Jauber. «Wenn der Heimat Bild dir vor Nngcn schwebt. Dir der Heimat Wonne im Herzen bebt; Wenn ins Vaterhaus dn dich träumst zurück, Wo du still empfunden der Jugend Glück: Ach, die Seele, sie ist dann so weich, so reich, Von den Wangen gleiten die Thränen gleich. Wenn mit leisem Rauschen der Wald dich grüßt, Und das Vächlcin murmelnd vorüber fließt; Wcnn dem Blutenkelche der Duft entquillt, Und des Windes Kuß dir die Wange kühlt: Ach, dann hält ein Zauber dich fest umstrickt, Dcine Heimat hat dich an's Herz gedrückt. Wenn die heimischen Berge dein Ange schaut, Dich die Sagen nmgankcln gar lieb und traut, Jene goldenen Sagen aus alter Zeit, Die des Kindes Her; schon so hoch erfreut: Ach, dich laßt der liebende Arm nicht los, Der dich freundlich zieht in dcr Heimat Echooß. Wcnn im Herzen der Heimat, Zanbcrschcin Dir erglänzt, so wahre ihn still und rein! Wcnn mit linder Wehmnth er dich umflicht, O, dann halte ihn und verscheuch' ihn nicht! 5'aß die lctzte Blüte ihn sein, die fällt Vcr dem kalten, eisigen Hauch dcr Wclt! l/(?,l^>,l^I, (.leck,«. Li ebeswege. Eine Geschichte von E. H ° cfc r. (Schluß.) ^Kndem stand Paul, dessen Kommen ich nicht gehört, plötzlich an mcincr Seite und sprach mit leiser, aber wunderbar deutlicher Stimme: „Die Excellenz wird sicher Teinen Willen erfüllen, Gustav, ocnn die Frau Gräfin weiß gar wohl, das; nicht sie die Herrin dieses Hauses, sondern Diejenige, welche l ' >r drinnen auf den Tod liegt. Tarf ich die Frau Gräfin um ein Paar Worte unter uns bitten," sehte er mit einer leichten Verbeugung hi,^,. ^^. wir wollen in ein Zimmer gehn." Und mit einer ucucn Vcrbcnguug ging er an dem Paare vor unä vorüber und schritt dem Vorderhause zu. Die ölte Tame war bei seinem Erscheinen und dann nochmals bei sciucn ernsten Worten zusammengefahren : dann hatte sie ihn mit w,r.-lc-.n Vlick angestarrt und sah ihn an sicb vorbei gehn, als wissc oder wage sie leinen Einwand. Doch machte sie auch tcn'.e Bewegung ihm zu folgen / und erst als die Kammerfrau heftig sägte: „Aber Excellenz!" — warf sie dieser einen finstern < Vlick zn nnd wandte sich plötzlich Paul nach, welcher die Thür ihres Wohnzimmers geöffnet batte und unserer wartend daneben stand. Wir traten ein. Die alte Dame ging bis zum qroßen runden Tisch, wandte sich zu uns um, stützte die Hand auf die Platte und fah erst Paul, dann mich finster an. Plötzlich fagte sie: „Auf Ihr Gewissen, Herr Doctor — ist meine Tochter wirklicb ernstlich krank?" Ich schaute verwundert auf — diese gerade Frage war mehr, als ich irgeno — selbst unter diesen Umständen — für möglich gehalten. Kopfschüttelnd entgegnete ich daher auch: „In der That, Ercellenz! Es ist leider seit vierzehn Tagen mehr als eine ernstliche Krankheit — noch vor einer Stunde hatte ich nicht die leiseste Hoffnnng mehr. Jetzt — scheint mir Rettung nicht unmöglich. Uebrigcns hat die Wärterin der Emntcß von Anfang an meine Ansicht gekannt." — Sie drehte ihre Augen langsam der Kammerfrau zu und fragte finster: „Wcßhalb sagt man mir das nicht?" — Und ohne eine Antwort abznwartcu, fuhr sie gegen Panl gewendet in einem von ihrem frühern fchr verschiedenen Tone sort: „Und nun, mein Herr — was haben ^ic mir zu sagen?" Er schaute sie eine Weile mit seinen dunklen Augen fest an, bevor er versetzte: „Ich erlaube mir, Ihnen anzuzeigen, daß ich seit einigen Tagen meine Anstellung erhalten habe uno wcnn Comtcsi Lucie geneset, sie auffordern werde, endlich die Meine zu sein." — Es zuckte wieder der alte Hohn und Hochmuth über ihr Gesicht, und auch ihre Stimme war wieder scharf wie je, als sie cntgcgnete: „Der Herr kennt längst seine Antwort. Zwischen einer Comteß Nöder und — einem Herrn Nheinwald kann nie eine Vereinigung stattfinden. Meine Tochter hat dem Herrn übrigens selbst einmal Aehnliches gesagt." — „Was ich widerlegen kann," erwiderte er kalt, „selbst wcnn sie es widerholen wollte. Auf sie selbst kann durch das', was sie nicht verschuldet, kein Makel fallen. Von Ihnen ist sie längst getrennt gewesen, — also kann eine gänzliche Trennung beiden Theilen gleichgültig sein." — Sie lächelte finster. „Gleichgültig — vielleicht! — Gestattet aber nicht," sagte sie. „Ich verbiete diese Verbindung." Er zuckte die Achseln. „Erccllcnz vergessen, das; Lucic seit beinahe vier Jahren vollkommen frei und selbstständig ist und nur aus einigen ganz eigenthümlichen Gründen in diesem Hause verweilte. Tiese Gründe fallen hinfür fort." — Ihr Vlick ward noch stechender, und ihre Stimme bebte vor kaum zu unterdrückender Aufregung, als sie bitter antwortete: „Ach! majorenn oder nicht — auf unsere Stellung zu einander hat ! das keinen Einfluß." — „Oh — doch!" sagte er hart. „Crccl- ^ lenz vergessen nur, daß Ihr verstorbener Herr Gcmal dieß ! Kind nur aus ganz besonderer Rücksicht und unter sehr be- ! stimmten Bedingungen als das Seine anerkannte, das; er es ! vollkommen unabhängig machte von Ihrem Haß oder Ihrer ! Liebe, schon bevor es das gesetzmäßige Alter erlangt, daß er ! es überhaupt nur darum unter Ihrer Vormundschaft ließ, um — die besondern Verhältnisse seines Hauses nicht in die Oeffent-lichkcit zu bringen; daß er auch Ihnen Bedingungen machte, die hundertfältig gebrochen wurden, zumal damals, als man dem jungen Mädchen zumuthete, sich der Herrschaft eines — allmächtigen Dieners in diesem ihrem Vatcrhause zu uutcrwerfen. — Excellenz vergessen das," schloh er mit finsterem Lächeln. „Ich finde es begreiflich! Wer würde nicht gern dergleichen vergessen, wenn er so unglücklich ist, es in seiner Vergangenheit zu haben? Aber ich — ich weiß davon und meine, daß die Zeit der Schonung vorbei ist. Man hat es nicht anders gewollt. Excellenz können übrigens ruhig sein. Haus und Vermögen bleiben Ihnen! — Komm, Gustav!" setzte er hinzu und ging mir voran zum Zimmer hinaus. Ich mochte keinen Blick zurückwerfen auf die alte Frau, die da mit lebendem Körper, mit unheimlich starrem Blick am Tische lehnte. Wir hatten den Vorplatz noch nicht bis zur Hälfte durch-messen, als uns ein lauter Schrei Halt machen und umkehren ließ. — Die Excellenz lag auf dem Boden, da der schwere Körper den schwachen Armen der alten Kammerfrau entglitten war. Ihre Augen blickten gläsern. Zum Leben brachten wir sie wieder, allein das Bewußtsein kehrte nicht mehr zurück: da war jede menschliche Hilfe vergebens. Gegen Morgen starb sie. Wir weilten die ganze Nacht in dem alten Hause, da Paul nicht vom Bett der Geliebten weichen wollte, und ich dort und am Lager der Excellenz immer von Neuem zu beobachten , zu verordnen hatte. Zugleich hielt ich es auch für gerathen, daß bei der Unruhe im Hause Jemand auf das Sorgfältigste über den Schlaf der Comteß wache. Denn Lucie fchlief Gottlob noch immer friedensvoll die Nacht durch und in den Morgen hinein, während draußen und zumal im Vordcrhause an keine Ruhe zu denken war. In der Nacht erzählte mir Paul, als er einmal auf einige Zeit herauskam und mit mir auf dem großen Vorplatz auf-und abging, einige Parthicn aus den Mysterien des Hauses. Es war ein dunkles Stück Familienleben, von dem ich hier aber nur wenig anführen kann. Als ocr alte General entdeckt , daß Lucie nicht sein Kind, hatte er sich aus dem Dienst und der Welt zurückgezogen und sich in S. niedergelassen, der Familicnehre wegen seine Frau neben sich geduldet und das Kind als das Seine erziehen lassen. Da er die Kleine wirklich lieb gewonnen, hatte er ihr das Haus und alles Vermögen hinterlassen, über das er verfügen konnte — seine Güter waren Majorat — zugleich aber bestimmt, daß sie bei einem Verwandten fern von der Mutter erzogen werde, zeitig selbstständig sein und in den Besitz ihres Vermögens treten folle. Das war im Geheimen festgesetzt worden, und außer der Gräfin wußte nur noch Paul's Vater davon, der auch die Mittel besah, die Dame zur Erfüllung der ihr gestellten Bedingungen zu zwingen. Als er plötzlich starb, sorgte sie dafür, daß das betreffende Dokument aus seinen Papieren verschwand. Sie wußte freilich nicht, das; der Mann, als habe er dergleichen geahnt, cür Duplikat besaß, welches er zwar keinem Andern übergeben konnte, das jedoch einige Jahre später, als Paul auf der Forstakademie einmal über die Papiere des Vaters kam, in des Sohnes Hände fiel. Gegen Lucie hatte man, da sie in's Vaterhaus zurück-kebrte und von Paul nicht lassen wollte, alle möglichen Mittel in Bewegung gesetzt, unter andern ihr auch vorgespiegelt, daß die Mutter ohne das väterliche Vermögen eine Bettlerin fei, Mehr als Alles hatte das Mädchen aber die Entdeckung cv schlittert, daß ihre Mutter eine Unwürdige sei, welche selbst damals noch nicht ihren Leidenschaften zu gebieten wußte. Doch wozu näher auf das eingehn, was der Leser auch ohne weitere Ausführung versteht. Als Paul sie von dem wirklichen Sachvcrhalt und ihren Rechten, so wie von dem Spiel unterrichtete, das man mit ihr getrieben, wurde ihre Trennung von der Mutter noch entschiedener, und sie setzte es durch, daß der Bevorzugte der Excellenz das Haus verlassen mußte. / Von einem Einschreiten gegen die gewissenlose Mltter wollte sie jedoch Nichts hören. Sie wollte die Ehre des Vaters vor der Welt aufrecht erhalten. Paul wußte noch jetzt nicht, ob sie sich entschließen werde, ihm offen anzugehören. Doch hoffte er, da jetzt durch seine Anstellung cer Weg gebahnt war, -auf dem sie das väterliche Haus mit Ehren verlassen konnte, während das väterliche Vermögen zugleich der Mutter überlassen blieb. In der heutigen Nacht nun hatte der Tod der Alten freilich Alles verändert. Es lag fortan die Entscheidung in Lncien'ß Hand allein. Nach unserer Ueberzeugung konnte sie nicht zweifelhaft sein. Die Nacht verging, und der Tag brach an, ohne das; die Kranke erwacht wäre. Ich ging und kam um zehn Uhr wieder — sie schlief noch. Aber als ich leise an ihr Bett trat, schlug sie die Augen auf und schaute mit freundlichem Lächeln von Einem zum Andern, bis ihr Blick auf Paul haften blieb, der sich nicht hatte zum Gehen entschließen können und nun nebea dem Stuhl stand, in dem er die Nacht gewacht. Ihr Lächeln ward noch viel milder und inniger. „Paul!" flüsterte sie, und da er zu ihr trat und neben dem Bett nieder-tnieend ihre Hand faßte und küßte, setzte sie hinzu: Ich wußte wohl, daß Du da wärst — all' die bösen Träume waren fort, ich habe so gut geschlafen, mir ist so friedlich!" — Die Ve-wegnng übermannte ihn, die Thränen stürzten ihm aus den Augen. Da erhob sie die Hand und strich damit schmeichelnd Über sein Haar und sagte: „Nicht weinen, Paul, nicht weinen! Sei ruhig, ich sterbe Dir noch nicht. Aber bleibe bei mir, wenn ich schlafe — ich habe dann Frieden." Und nach einem neuen Lächeln schlössen sich ihre Augen wieder zum Schlummer. Ihre Genesung machte von da an schnelle Fortschritte, und e? war fast, als ob mit der besiegten Krankheit auch ocr schwere düstere Druck von ihr gewichen sei, den ich früher an ihr gefunden. Sie war ganz milde Heiterkeit, ganz liebreizende Heiterkeit, und nur zuweilen, wenn in ihrer Gegenwart diese oder jene hänslichen Zustände oder Vorkommenheiten erwähnt wurden, flog es wie ein Schatten über ihr schönes Gesicht,— sie sah dann wohl mit einem dunklen Vlick zu Paul hinüber und schüttelte leise den Kopf. Nach der Mutter hatte sie noch nicht gefragt. Erst da sie schon wieder im Zimmer umherging , und Paul, wie begreiflich und wie auch sie es natürlich zu finden schien, nicht mehr zu ihr kam, wagte ich ihr von ihm und ihrer Mutter zu reden. Sie war sehr erschüttert und schwieg lange Zeit, und als sie endlich den Kopf aus ihrem tiefen und traurigen Sinnen wieder aufhob, sagte sie leise: „Was hilft das Alles, Doctor? Ich könnte ja Paul doch nichts Anderes zubringen , als ein verkümmertes Leben. Ich bin zu alt für ibn und nicht mehr fröhlich genug. Und ich tann die Ehrlosigkeit nicht vergessen, aus der ich selber hervorgegangen, die mich so lange umgeben." Davon ging sie nicht ab, und ich ward ernstlich bange. Aber Paul sorgte nicht. Iu ihm war oie ganze Heiter-' teit, das ganze Vertrauen der Jugend erwacht, und ich sah ihn vor mir, wie er in unserer Knabenzeit gewesen. Wie es ihm gelungen, die Skrupel der Geliebten zu besiegen, weiß ich nicht. Nach einigen Tagen stürzte er aber freudestrahlend in mein Zimmer und jauchzte: „Sie ist mein! — Niemand wider Gott und die Liebe!" — Jetzt leben sie schon seit manchen Jahren vereint in seiner stillen, waldumgebenen Oberförsterei. Ich kenne kein schöneres, lein glücklicheres Paar. „Zur Vefnndheit." Sie niesen — und ich sage: „Gott helf'!" oder: „Zur Gesundheit!" Im Alterthum schon war das Niesen eine gute Vorbedeutung: als Telemach nieste, da Penelope von der Rückkehr des Odysseus sprach, nahm sie es für ein glückliches Zeichen in Hinsicht auf ihren Wunsch. „Du hast es beniest, es wird wahr!" sagt man noch heute. Dock legten die Alten das Niesen vielfach verschieden aus: günstig in der Zeit von Mittag b's Mitternacht, ungünstig im umgekehrten Falle. Auch war ?Z für die Anwesenden ein Zeichen des Glücks oder des Unglücks , je nachdem man rechts oder links nieste. Immer aber betrachtete man es als etwas Heiliges, weil nach einer alten Tradition der erste Mensch als erstes Lebenszeichen genießt haben solle: die Erschütterung habe befürchten lassen , daß die Menschengestalt darüber zerbersten werde, daher die Götter gerufen: > „Jupiter sei Dir gnädig!" Die Christen wandelten den Zuruf 'n „Gott helfe dir!" um. Warum indessen das Niesen als eine Vorbedeutung guter oder böser Art angesehen wurde, darüber gingen schon im Alter-Unnn die Meinungen auseinander. Als Alexander der Große Aristoteles nach dem Ursprung der Sitte, sich beim Niesen Gesundheit zu wünschen, fragte, wußte ihm dieser denselben nicht anzugeben. Eine jüdische Legende erzählt: Als Adam aus dem Paradiese vertrieben wurde, befahl Gott, daß der sündige Mensch im Augenblick seines Todes niesen solle; deßhalb ordneten die Priester Gebete für die an, welche niesen würden. Heutzutage steht es anders; das Niesen wird jetzt eher als ein Zeichen der Genesung, als des Todes angesehen. Das Volt behauptet sogar, daß jeder Patient in einem Krankenhause, der sich durch dreimaliges gesundes Niesen bemerkbar macht, für gesund erklärt und aus demselben entlassen werde. Die Sia-mcscn erklären die Bedeutung des Niesens noch in anderer Art. In der Hölle, sagen sie, ist ein Tribunal mit einer schwarzen Kanzlei unausgesetzt beschäftigt, die Sündenregister der Menschen zu führen und sie vollständig zu erhalten. Der Vorsitzende dieser unheimlichen Behörde liest fortwährend die eingereichten Conduitcnlisten der Sterblichen; diejenigen nun, mit deren Sünden er gerade beschäftigt ist, müssen auf Erden in dem Augenblick, wo er ihren Namen nennt, niesen. Wie wichtig ist es darum, in solchem Moment dem Armen ein „Gott helf!" zuzurufen, damit die Macht des Teufels wenigstens zum Theil gebrochen werde. Die Soldaten des Cyrus mußten den Hut abnehmen, wenn ihr Führer nieste. Unter dem Kaiser Tiberius war es üblich, sich bei seinem Niesen stumm zu verbeugen. Im Königreich Senaar in Afrika besteht die Sitte, sich, wenn der Kömg niest, umzudrehen und sich auf den rechten Oberschenkel einen lautschallenden Schlag zn geben, um das Geräusch des Niescns zu überbieten. So müssen auch alle Hofleute in Mono-motapa am Zambeze, sobald der Kaiser niest, ein solches Geräusch erheben, das dem des Niescns gleichkommt; dasselbe muß von Allen nachgemacht werden, die es hören, so daß es von Zimmer zu Zimmer, von Haus zu Haus, von Straße zu Straße fortklingt, bis die ganze Residenz davon erschallt. Trotzdem aber, daß die Redensart: „Zur Gesundheit!" bei uns nicht mehr wie eine an den Himmel gerichtete Bitte betrachtet wird, ist sie dennoch eine Formel der Höflichkeit geblieben. Seit unserer Kindheit haben wir immer von uns nahe stehenden und geliebten Personen diesen freundlichen Wunsch des Alterthums wiederholen hören, und uns selbst unbewußt sagen wir oft: „Zur Gesundheit!" sobald wir niesen. Der Pole sagt: „Hundert Jahre!" Der eben geniest hat, erwidert: . „Ich bitte zum Begräbniß!" Jahrhunderte sind verflossen, unzählige Schnupfen mit ihnen und der Gebrauch vererbt sich von Geschlecht zu Geschlecht. Nur in den Salons der vornehmen Gesellschaft kommt diese Höflichkeit aus der Mode, höchstens verbeugt man sich wie zu des Tiberius Zeiten stumm dem Niesenden gegenüber. Der unglückliche Soldat aber, der, in Neih und Glied stehend, während des Exercierens niest, bekommt einen Tag Arrest. Pathologisch betrachtet, entsteht das Niesen durch einen Reiz der die Nase inwendig bekleidenden Schleimhaut; es ist mit einer plötzlichen Zusammenzichung dcr Muskeln des Unterleibes und derer, welche auf die Lunge wirken, verbunden; die Luft wird gewaltsam ausgestoßen und bringt das Geräusch hervor. Untcr dcn Thieren niest einzig und allein der Hund, und zwar vollkommen wie der Mensch. Ein anhaltendes, heftiges Niesen, durch das Einziehen von Tabak oder sonstigen fremden, die Nascnschlcimhäute reizenden Substanzen erzengt, oder in,Krankheiten vorkommend, kann bei schwächlichen Personen gefährlich sein; hier würde der Wunsch; „Gott helf'!" sehr am Platze sein; hilft dieser aber nicht, so hilft am sichersten das Einziehen lauwarmer Milch oder warmen Wassers. Neuere Forscher glauben, das; die Sitte: „Zur Gesundheit!" zu sagen, in Folge einer gefährlichen Epidemie entstanden ist, bei der das Niesen als erstes Symptom der Genesung die glücklich überstandene Krisis andeutete. Mikroskopische Photographien. Die 1855 zuerst von Danccr in Manchester dargestellten mikroskopischen Photographien, welche dem bloßen Auge nur cincn kleinen Schmuzfleck, dem bewaffneten aber ein Porträt cder eine Scene zeigten, hatten den Uebclstand, das; man stets cine^ Vergrößerungsglases bedürfte, um sich an dem Miniatur-Kunstwerk zu erfreuen; sie blieben daher meist unbeachtet in den Ateliers. Seitdem aber ein französischer Photograph, Herr Dagron, den glücklichen Gedanken fand, diese kleinen Photographien gleich mit einem Vergrößerungsglase zu versehen, haben sie die grüßte Verbreitung gewonnen. Man findet jetzt in Paris fast leine Verloqueo mehr, die nicht tief innen verborgen ihr kleines Bild haben. Auch in den Knöpfen der Spazier-slöckc für Dandi« werden derartige Photographien als beson-dcrs anziehendes Moment hineinprakticirt. Der Absatz aller dieser Bijoutericartikcl ist schon jetzt ein ganz außerordentlicher. Treten wir, um das interessante Experiment der Tarstellung dieser kleinsten Kunstwerke zu sehen, in die Rne neuve des Petits-Champs in Paris ein! Man stellt zuerst nach einem Porträt oder Kupferstich in Visitcnkartenformat ein Negativ anf Collodium her, setzt dasselbe dem vollen Tageslicht aus und läßt das durchgehende ! Licht auf ein etwa 3 Fns; davon entferntes Objectiv von fehr ^ turzcr Brennweite fallen. Hinter demselben bildet sich dann ein ,' genaues, aber sehr verkleinertes negatives Bild. Dieß wird ! auf einer empfindlich gemachten Collodium-Glasplatte anfgcfan- ! gen, die groß genug ist,, um mindestens 24 mikroskopische ! Bilder aufzunehmen. Um das Bild genau einstellen zu können, ! ist an dem Chüfsis für die Glasplatte ein Mikroskop angebracht. ! Vermittelst einer seinen Mikrometcrschraube steckt man die cm- ^ psindliche Platte genau in dasselbe eiu. Die Dauer der Ve- ! strahlung für cin mikroskopisches Abbild währt nur 2—3 Secun- j den. Durch einen zweiten Mechanismus verschiebt man die ! Platte und nimmt ein zweites Bild auf, und so fort, bis die ^ ^anzc Platte mit Bildern bedeckt ist. Man firirt die Bilder alsdann mit unterfchwefeligsaurem Natron. Mit einem Tia- ! niantcn zerschneidet man die Glasplatte und erhält nun 24 > ticinc Glasplättchen von 2 V» Millimeter Seitenlänge, jedes ! mit einer Photographie versehen. Gleichzeitig sind 24 Glas- stäbchcn von Crownglas vorbereitet, 5—6 Millimeter lang und 2 Millimeter stark; das eine Ende ist flach, das andere wird in einer kleinen Tchleifschale von passender Biegung zu einer starkgetrümmten convcxen Fläche geschliffen. Das Plättchen mit der Photographie wird mit canadischem Balsam anf die schwache Endfläche des Stäbchens gekittet, die vorspringenden Ecken werden abgeschlissen, so daß man einen kleinen Glascylinder er-hält, der auf der cinen Seite eine planconvcre, auf der andern, in der genauen Brennweite derselben, das mikroskopische Bild enthält. Kürzlich ging der Erfinder noch weiter. Betrachtet man nämlich das Bild ohne Linse, so ist cs nur ein dunkles Pünktchen. Herr Tagron nahm cinen Glasstab mit zwei geraden Endflächen, kittete anf beiden Seiten zwei verschiedene mikroskopische Photographien, mit dcn Bildseiten nach innen, auf und schliff die etwas starken Gläser in der Schleifschale zu Linsen zu. Nach dieser Procedur sieht man zwei verschiedene Bilder, je nachdem man das Glas wendet. Er setzt auch eine kleine Linse in der Mitte einer Metallfassung ein, an deren beiden Enden er mikroskopische Photographien befestigt. Die Linfe dient dann zum Sehen der einen oder andern Photographie, je nachdem man das eine oder andere Ende vor das Auge bringt. Zwei Personen können somit die verschiedensten Dinge zu sehen bekommen und, sich ans das heftigste über dcn Gegenstand streiten. Sehr merkwürdig ist es, daß diese Miniatur-Photographien, wenn sie von körperlichen Gegenständen entnommen sind, ein sehr starkes Nelicf zeigen, daher ähnlich wie die Stereoskopen auf das Auge wirken und die Meinung hervorrufen, man habe ein solches vor sich; doch ist das, wie so vieles im Leben, nur eine optische Täuschung. Gespenster. Ein Engländer^ Henry Dirks, hat eine optische Erfindung gemacht, welche.die Möglichkeit gewährt, Personen erscheinen zu lassen, welche ganz wie Gespenster aussehen. Dieselbe unmögliche Verbindung des Unkörperlichen und doch Sichtbaren, welche die Sage jenen Gästen aus dem Grabe beilegt, wohnt diesen Erzeugnissen der Optik bei. Man konnte sie für Wesenhaft halten, wenn man nicht plötzlich sähe, daß sie einen Tisch, einen Stuhl durchschneiden, oder daß ein Lebender mitten durch sie hindurchgeht. In der Londoner polytechnischen Anstalt gibt Professor Peftper Vorstellungen mit diesen Gespenstern. Auch die Bühne hat sich ihrer bemächtigt, und schon hat der Schau-spieldirector Lane in Harton eigens ein Drama für Gespenster schreiben lassen. Eine Pfarrerswitwe erscheint Nachts einem Baron, der sie ermordet hat. Er glaubt von einem Feinde getäuscht zu werden, zieht den Degen, stürzt sich auf die Erscheinung und durchbohrt die Luft. Die Wirkung dieser Scene soll eine ungeheure sein. Wir zweifeln keinen Angenblick an der Einwanderung des Gcspcnstcrdrama'Z nach Deutschland, und freuen uns' keineswegs, die rohen Mittel, durch welche heut zu Tage auf die Masse gewirkt wird, abermals um eines vermehrt zu sehen. Das geben wir aber zu, daß einzelne Stücke, z. V. Macbeth (Banquo's Geist) und die Ahnfran, dnrch die Benützung der Erfindung (welche übrigens bereits Eckartshausen im vorigen Jahrhundert in München praktizirte) gewinnen werden. Vn-antwortlichrr Redacteur I. v. Kleinmayr. — Druck und Vcrlan von Jan. v. Mcinmayr b» F. Bambcra in Laibach.