M] R J AM POLZER-SRIEN Z Minderheitenpolitik am Beispiel der Roma in ausgewählten staaten südosteuropas Die wachsende Sensibilisierung von Politikern und Wissenschaftern gegenüber der Lage von Roma und Sinti gibt Anlass zur Hoffnung, dass die komplexen Fragen, die im Zusammenhang mit Roma und Sinti auftreten, zur Zufriedenheit von Roma und Nichtroma gelöst werden können. Dennoch sind oft politische und rechtliche Maßnahmen zum Schutz der Roma und Sinti von einer engstirnigen und stereotypen Betrachtungsweise beeinflusst. Die Konzentration auf soziale Probleme lässl den Einfluss von permanenten Vorurteilen, Diskriminierung, Rassismus und Gewalt gegenüber Roma und Sinti außer Acht. Andererseits greifen jedoch die besten legistischen Maßnahmen )ticht. wenn nicht das soziale Umfeld der Roma und Sinti berücksichtigt wird. Auf nationaler und internationaler Ebene greifen daher vermehrt Maßnah Dien, die sowohl sozio-ökonomis-che, sicherheitspolitische als auch politische und rechtliche Aspekte berücksichtigen. Mensche)!- und Minderheitenrechte, Maßnahmen zum Schutz vor Diskriminierung und Gewalt und die Einbeziehung von Roma und Sinti in die Erarbeitung von langfristigen Konzepten sind Grundpfeiler einer effektiven 'Romapolitik". Stichwörter: Roma, Siniti, manjšinska zaščita 172 Al.I SE DISKRIMINACIJA DO ROMOV IN SlNTOV KONCl'jE? AKTUALNI POLITIČNI IN PRAVNI UKREPI NA NACIONAI.Nl IN MEDNARODNI RAVNI V zadnjih letih je zanimanje politikov in znanstvenikov vseh strok za Romsko vprašanje naraslo. Problemi Romov so kompleksni in njihova obravnava iz različnih perspektiv olajša tudi razumevanje za to vprašanje. Povečana senzibil-nost za položaj Romov tako navdaja k upanju, da se bodo problemi rešili v zadovoljstvo Romov in Ne-Romov. Kljub temu tudi določene najnovejše ukrepe za izboljšanje položaja Romov na narodni in mednarodni ravni determinirajo stereotipi in ozkosrčno mišljenje. Osredotočenje samo na socialna vprašanja izključuje permanentne predsodke, diskriminacijo, rasizem in nasilje do romske populacije. Prav tako najboljša zakonodaja ne učinkuje, Če ne upošteva socialnega položaja Romov. Na državni in tucli mednarodni ravni so uspešni predvsem ukrepi, ki upoštevajo tako socio-ekonomske, varnostnopolitične kot tudi politične in pravne aspekte. Človekove in manjšinske pravice, ukrepi proti diskriminaciji m nasiljem in integracija Romov pri izdelavi dolgoročnih konceptov zaščite so torej temeljni kamni za efektivno zaščito Romov. Ključne besede; Romi, Siniti, manjšinska zaščita 173 "Die Gewohnheit kann Menschen mit der Verletzung ihrer natürlichen Rechte so vertraut machen, dass keiner von jenen, die sie verloren haben, auch nur daran denkt, diese Rechte zu fordern, oder glaubt, dass ihm. eine Ungerechtigkeit widerfährt..... Entweder hat kein Individuum der menschlichen Gattung wahre Rechte, oder aber alle haben die gleichen! Und jeder, der gegen das Recht des anderen stimmt, welcher Religion, welcher Hautfarbe oder welches Geschlecht dieser auch haben mag, hat von da an auch seinen eigenen Rechten abgeschworen." Antoine Condorcel 1. EINLEITUNG: ZIGEUNER ODER ROMA? Wer kennt sie nicht, die romantische Vorstellung des geigespielenden Zigeuners, der dem Instrument sowohl sensible, berührende als auch temperamentvolle dynamische Harmonien gekonnt entlockt und daneben die schöne dunkejhäutige, beschmückte, tanzende Frau, deren tragische Figur wohl in Georges Bizets Oper Carmen, die zu den meistaufgeführten Werken des internationalen Opernrepertoires gehört, eindrucksvoll verewigt wurde. Zu dieser weit verbreiteten Vorstellung über Roma gehört auch ihre Bezeichnung als"Zigeuner" und Beschreibung als ein durchs Land ziehendes, ungebundenes und teilweise kriminell lebendes Volk. Diese und ähnliche Stereotype sind wenig rationale aber dafür umso verbreitetere beschränkte Informationen der Mehrheitsbevölkerung über eine besondere pan-europäische Minderheit - die Roma. Stereotype Vorstellungen haben selten mit der tatsächlichen Lebenswelt von Roma zu tun und beruhen oft auf mangelnder Kenntnis von Tatsachen und auf Vorurteilen. Um diese stereotypen Konnotationen mit dem Begriff Zigeuner zu vermeiden, setzt sich der Begriff Roma als Oberbegriff für alle "Zigeunergruppen" durch. Obwohl die Herkunft der Roma klar zu sein scheint, bestehen aber verschiedene Deutungen, welchen Ursprung die Bezeichnung "Zigeuner" hat. Der Begriff geht einerseits vermutlich auf das Griechische "thinganein" (»berühren«) zurück; als "atsinganoi" bzw. "athinganoi" (>Unberührbare<) wurden im byzantinischen Reich die Mitglieder einer Sekte in Phrygien und Lykaonien bezeichnet. Crowe1 geht andererseits davon aus, dass die Bezeichnung "fahrende * * * 1 Crowe M. David. Roma in Ost -und Mitteleuropa. Migration, Staatsbürgerschaft und Asyl in: Osteuropa, 52/Juni 2002, 774-789 174 Mir;grr; Polzer-Srienz: Minderheilenpolilik am Beispiel der Roma in ousgewöhlten Weissager" oder "Zauberer" bedeutet. Die Bezeichnungen "Zigeuner", "Tsigane" und "Cigany" haben ihren Ursprung in "Atsinganoi". Mittelalterliche und frühneuzeitliche Chronisten nannten die Roma wegen ihrer dunklen Hauefarbe und der unbekannten Herkunft aber auch "Ägypter". Aber auch die Bezeichnungen "Ägypter" sowie die Ableitung "Gypsy" haben die gleiche negative Konnotation wie die Bezeichnung "Zigeuner". Roma selbst bezeichnen sich als "Rom". Rom bedeutet Mensch bzw. Mann während Nichtroma als "Gadje" bezeichnet werden. Wie stellt sich die Situation der Roma nun im europäischen Raum dar? Bis zum Fall des Eisernen Vorhangs bestanden in West- und Osteuropa unterschiedliche Romapolitiken. Nach den grausamen Erfahrungen des 2. Weltkriegs,2 in dem Roma ebenso wie Juden und andere Minderheiten Opfer der nationalsozialistischen Vernichtungsmaschinerie waren, blieben im Westen Roma auch nach Kriegsende weiterhin aus der Gesellschaft ausgeschlossen. In den kommunistischen Staaten wurden Roma sozioökonomisch zwar integriert, doch wenn es sein mussce auch durch Zwang. Beide Politiken erwiesen sich aber nicht als besonders hilfreich zur tatsächlichen Verbesserung der Lage der Roma. Somit stellt sich die Situation der Roma in den meisten Staaten Europas nach der Wende 1989 ähnlich dar und kann generalisierend mit denselben Schlagworten beschrieben werden: - Ghettoiesierung, - Diskriminierung, - Segregation, Rassismus und zwar in allen gesellschaftlichen Bereichen, wie in der Wirtschaft, Politik, Kultur, Bildung und Information. 2. DIE LAGE DER ROMA IM SÜDOSTEUROPÄISCHEN RAUM Mit dem Zerfall Jugoslawiens und anderer kommunistischer Staatensysteme begann im südosteuropäischen Raum eine neue Ära der Romapolitik. Internationale Organisationen, Menschenrechtsaktivisten, neu entstehende Romavereine und Verbände sowie die akademische Welt begannen sich der Probleme der Roma vermehrt anzunehmen. Der Europarat, die EU, die OSZE, und UNO, sowie internationale und nationale NGO's begannen sich intensiv mit der Frage der Roma auseinander zu setzen. Trotz zahlreicher Bemühungen auf internationaler und nationaler Ebene im politischen und rechtlichen Bereich * * -* 2 Siehe dazu den Deiirag von Zolian Barany, Memory and Experience: Anii-Roma prejudice in Eastern Europe, im East European Srudies Occasional Paper, nr 50/1998 Razprave in gradivo, Ljubljano. 2002. št. A \ 17) blieb die tatsächliche Lage der Roma in Südosteuropa aber größtenteils unverändert. Auf jeden Fall können wir von einer weitgehenden Sensibilisierung der Öffentlichkeit sowie der politischen Entscheidungsträger sprechen, obwohl die Durchsetzung von Empfehlungen und Maßnahmenprogrammen häufig am fehlenden politischen Willen auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene scheitern. 2.1. Gleich Behandlung und Diskriminierungsverbot Im ehemaligen Jugoslawien wurden Roma schon 1974 in den Republiksverfassungen von Serbien und Montenegro als ethnische Gruppe anerkannt und Makedonien garantierte den Angehörigen der ethnischen Gemeinschaften Gleichberechtigung mit dem makedonischen Volk und u.a. auch die gleichberechtigte Vertretung im Parlament. Bosnien und Herzegowina anerkannte Roma sogar als Nationalität.3 Trotz der rechtlichen Anerkennung in den genannten Republiken waren Roma aber noch 1990 ökonomisch, sozial, kulturpolitisch und politisch desintegriert.4 Die wachsende wissenschaftliche5 und politische6 Auseinandersetzung mit Romafragen seit Ende der 198o-er Jahre sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene führte zu einem zunehmend detaillierteren Verständnis der komplexen Situation der Roma. Die Romafrage kann demnach einerseits als soziales Problem betrachtet werden und andererseits im Kontext der Diskriminierung und der Verletzung von Menschen -und Minderheitenrechten. Dabei darf der Einfluss von permanenten Vorurteilen, Diskriminierung und Gewalt auf die Lage der Roma nicht vergessen werden. Einige positive Trends sind nun in der Politik betreffend Roma zu erkennen. Das Background Paper 4 der OSZE "Public Policies Concerning Roma and Sinti in the OSCE Region" deutet auf einen neuen Abschnitt der Romapolitik auf nationaler sowie internationaler Ebene hin. Es werden vermehrt Sicherheitsfragen und sozioökonomische Aspekte gemeinsam mit Maßnahmen zur Bekämpfung von Diskriminierung und Rassismus behandelt. * * * 3 Liht Sonja, Die jugoslawischen Roma zwischen autoritärer und demokratischer Emanzipation, in Bau bock/Baumgartner et al (Hg.), ...und rau«. bist Du!, Wien 1988, lööff ^ Barany Zoltan, Minderheilen. EthnopoÜük und die osteuropäischen Roma, in: Eilinos Nation, 1994/2, 5 5 Siehe beispielsweise auch Bauböck/Baumgnriner (Hg.), ....und raus bist Du! Ethnische Minderheiten in der Politik, Wien 1998; Rose/Weiss, Sinti und Roma im ' Dritten Reich" - Das Programm der Vernichtung durch Arbeit, Göttingen 1991; Thurner Erika, Zigeuner: Diskriminierung ohne Ende?, in: Henke (Hg ), Leben lassen ist nicht genug, Wien 1988; Štrukelj Pavla, Etnološke raziskave romske populacije v Sloveniji, in: Razprave in Gradivo 25, Ljubljana 1991; Taneer Mladen, Vzgoja in izobraževanje Romov na Slovenskem. Maribor, 1994; Klopčič/Polzer (iz.), Poti za izboljšanje položaja Romov v srednji in vzhodni Evropi. Ljubljana 1999 ^ Siehe insbesondere die AJoivitäten der OSZE im Rahmen des Koniakrpunkies für Roma und Shuifrayen (OSCE Contact Point for Roma and Sinti Issues) hirp://www.osce.org/odihr/cprsi/index.php3','s-3; auch der Europarat setzt weitreichende Akzente mit der "Specialist Group on Roma/Gypsies in der internationalen Ro m a pol i t i k, h ttp://www.soci al coe. i n t/e n/co h es ion/act io n/rom a htm 169__Mir;grr; Polzer-Srienz: Minderheilenpolilik am Beispiel der Roma in ousgewöhlten "Wie sooft bei Minderheiten beeinflussen mehrere Faktoren deren Status. Besonders augenscheinlich ist dies bei der Minderheit der Roma, wo Verletzungen von Menschen- und Minderheitenrechten sowie Diskriminierungen aufeinander treffen. Das wirkt sich unweigerlich auf den sozioökonomischen Status der Roma aus. Dieser Teufelskreis kann daher nur durchbrochen werden, wenn sowohl rechtliche, politische als auch soziale Faktoren gleichzeitig bei der Erarbeitung von Maßnahmenprogrammen berücksichtigt werden. Der effektive Schutz von Personen, die Minderheiten angehören ist aber auch von wesentlicher Bedeutung für die Durchsetzung von Menschen- und Grundrechten und somit wesentliche Garantie für einen stabilen demokratischen Staat und dauerhaften Frieden in Europa. Voraussetzung hierfür ist vorerst auf formaler Ebene die Anerkennung von Differenz, denn nur auf dieser Grundlage können Maßnahmen gesetzt werden, die eine angemessene Anwendung des in allen Verfassungen verankerten Gleichheitssatzes garantieren. Der Gleichheitssatz als zentrale Grundrechtsnorm demokratischer Staaten ist für den Minderheitenschutz von besonderer Bedeutung, denn gerade im Zusammenhang mit Minderheiten stellt sich die Frage, wie die Besonderheit von Menschen/Individuen und/oder Gruppen geschützt werden soll, vor allem dann, wenn man als Vergleichsmaßstab die Gleichheit von Gruppen heranzieht. Denn Ungleichbehandlungen von einzelnen Menschen lassen sich oft erst dann feststellen, wenn man die Auswirkung von gesetzlichen Regelungen auf eine gesamte Gruppe untersucht. Minderheitenangehörige sind häufig trotz oder gerade wegen der formalen Gleichbehandlung faktisch Ungleichheiten ausgeliefert. An den gewaltsamen Auseinandersetzungen im ehemaligen Jugoslawien sieht man, dass nicht irgendwelche Bürger, sondern insbesondere Angehörige von Minderheiten Zielscheiben von Angriffen waren bzw. sind. Kollektive Rechte der Mehrheit bedeuten also nicht automatisch die Gleichheit aller Bürger! Vom Verständnis des Gleichheitssatzes entweder als individualistische, formal am Prozess orientierte oder aber als gruppenbezogene und materiell an den Ergebnissen der politischen Prozesse orientierte Gleichheit hängen die konkreten rechtlichen und politischen Lösungsmöglichkeiten ab. die letztlich vom Differenzierungsverbot bis hin zum Differenzierungsgebot reichen können. In diesem Zusammenhang soll auf die Antidiskriminierungsrichtlinien der EU7 (2000/43/EC und 2000/78/EG) als Bestandteil des Acquis communautaire hingewiesen werden. Diese Richtlinien verpflichten nicht nur die EU- Mitgliedsstaaten, sondern im Rahmen des EU-Integrationsprozesses auch Staaten, die der * * * ^ Siehe dazu Trener Hannes, Veronika Leila Szente Goldston, European Parlament holds hearing on Roma rights, in: Roma Rights 4/2001 Rozprove in qradivo, Ljublana, 2002 sl 41 177 EU beitreten wollen.8 Die bedeutendsten Merkmale der Richtlinien sind u.a. das Verbot unmittelbarer oder mittelbarer Diskriminierung auf Grund rassischer oder ethnischer Abstammung. Gemeint ist hierbei die formale Gleichbehandlung. Mittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn durch eine formale neutrale Maßnahme erheblich mehr Träger eines bestimmten persönlichen Merkmals tatsächlich nachteilig betroffen werden. Die vom EuGH erarbeiteten Kriterien zur Diskriminierung aufgrund des Geschlechts werden auch im Falle der Diskriminierung auf Grund der Abstammung herangezogen. Für den Beweis des Vorliegens einer mittelbaren Diskriminierung wird die Vorlage statistischer Materialien zugelassen. Damit kann eine mittelbare Diskriminierung bewiesen werden, wenn aufscheint, dass eine scheinbar neutrale Bestimmung Angehörigen einer Minderheit schlechtere Chancen bietet als Angehörigen einer anderen Gruppe. - der Diskri minierungsschutz gilt sowohl im privaten als auch im öffentlichen Bereich. Spezifische Regelungen müssen vor allem im Bereich der Arbeitswelt, des Wohnungsmarktes, beim Zugang zu Waren und Dienstleistungen und zur Bildung und kulturellen Aktivitäten erlassen werden. Positive Maßnahmen: Besondere Maßnahmen zur Erreichung der vollen Gleichberechtigung in der Praxis können erlassen werden Beweisverschiebung: Bei Glaubhaftmachung der Diskriminierung durch die klagende Partei muss die beklagte Partei beweisen, dass das Gleichbehandlungsgebot nicht verletzt wurde. Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat sich in seinen Entscheidungen immer wieder mit dem Gleichheitssatz auseinander zu setzen gehabt. Wegweisend für künftige Entscheidungen in Minderheitenfragen ist hierbei in Romafragen die Entscheidung Thlimmenos v Greece (6.4. 2000) in der bestätigt wird, dass unrechtmäßige Diskriminierung entstehen kann, wenn Staaten gleiche Maßnahmen in verschiedenen Situationen anwenden. Die Entscheidung Chapman vUK (18.1.2002) des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte9 erlangte für alle Staaten in denen Roma siedeln, Bedeutung. In diesem konkreten Fall wurde die Verletzung des Artikel 8 EMRK (Achtung des * * * 8 Siehe die Siaatenbei iehie über die Umsetzung der europäischen Ajiti-Diskrimiiiierungsgeserzgebung der Migration Policy Group ^ttp://wwv.'.niigpnlgr<)tip.com/]Hiblicationi/dL,raiilt.;isp?action=pubtypelist&Pub Type]I>4:12.11.2002 (Ab frage dämm) 9 Die Entscheidung ist auch über die Homepage des Europaraies abrufbar: hrrp://hudoc.echr.eoe.ini/ hudoc/default.asp 178 Mir;grr; Polzer-Srienz: Minderheilenpolilik am Beispiel der Roma in ousgewöhlten Privat- und Familienlebens) mit einer Entscheidung von 10:7 Richtern verneint. Bei der Entscheidung ging es maßgeblich um die Frage, inwieweit allgemein akzeptierte europäische Standards hinsichtlich der Behandlung von Minderheiten bereits bindenden Charakter aufweisen. 10 von insgesamt 17 Richtern verneinten das Bestehen eines diesbezüglichen generell akzeptierten Standards in Europa. Zwar kann man davon ausgehen, dass eine wachsende Übereinstimmung zwischen den Vertragsparteien des Europarates hinsichtlich der Anerkennung der besonderen Bedürfnisse von Minderheiten und eine Pflicht zum Schutz der Sicherheit, Identität und der Lebensart besteht doch die Übereinstimmung ("Consensus") ist nicht genug konkret, um daraus Richtlinien abzuleiten. Besonders hervorhebenswert ist in dieser Frage die Analyse des Abstimmungsverhaltens der einzelnen Richter. Von den 7 aus Mittel- und Osteuropa stammenden Richtern stimmten 6 gegen den Tatbestand einer Verletzung der EMRK! Anerkennung von Differenz hat auch noch einen anderen Aspekt und zwar die Integration der Differenz. Integration setzt also die Anerkennung der Verschiedenheit der ethnischen Gemeinschaften voraus.10 Je nachdem, wie die anerkannte Differenz der Minderheit bei der Konstitution von Einheit behandelt wird, sind aber zwei idealtypische Modelle denkbar: - Die "Konstitution von Identität durch die Exklusion von Differenz" und - "die Aufrechterhaltung der Autonomie durch Inklusion von Differenz.'11 Während die Fiktion der Identität von Individuen und Nation die politische und rechtliche Anerkennung von Differenz ausschließt und die Assimilation oder/und die Segregation zur Folge hat, ermöglicht die rechtliche Anerkennung von Differenz die Aufrechterhaltung von Autonomie und Integration.12 ■k * * Näheres zur Bedeutung der Integration ethnischer Minderheiten in den Staats verband in Brems Michael, Die politische Integration ethnischer Minderheiten aus staats- und völkerrechtlicher Sicht, Frankfurt am Main 1995, 5, der sich auch näher mit der Integrntionslehre von Smend in: Smend Rudolf, Staatsrechtliche Abhandlungen, 2. Aufl., Berlin 1968 und Verfassung und Verfassungsrecht, München und Leipzig, 1928 auseinandersetzt. Vgl. dazu auch Kelsens kritische Auseinandersetzung milder Integralionslehre von Smend in: Kelsen Hans, Der Staat als Integration, Wien 1930 11 Marko Joseph. Autonomie und Integration-. Rechisinsiirute des Nationalitlienrechis im funktionellen Vergleich, Wien, Köln.. Graz, 1995, 163 12 Siehe Marko, Autonomie und Integration, 108ff Rozprave in grodivo, [jubljana. 2002. Sl. 41 179 3. NATIONALE UND INTERNATIONALE ROMAPOLITIK 3-1. intf.gration von roma auf regierungsebene in bulgarien Als Beispiel zur Veranschaulichung der theoretischen Überlegungen zur Gleichbehandlung, Chancengleichheit und positiven Diskriminierung soll hier das bulgarische "Rahmenprogramm zur Integration von Roma in die bulgarische Gesellschaft" angeführt werden. Diese Vereinbarung wurde von Romavertretern und der bulgarischen Regierung (dem nationalen Regierungsrat für ethnische und demographische Angelegenheiten) am 7. April 1999 abgeschlossen und trat am 22.April mit dem Erlass des Rahmenprogramms durch den bulgarischen Ministerrat in Kraft. Die Brisanz vieler rechtlicher und dogmatischer Fragen lässt sich am Zustandekommen des bulgarischen Rahmenprogramms erkennen. Die langjährige Tradition, Romafragen ausschließlich als soziale Fragen zu behandeln und die strikte Verweigerung, permanente Diskriminierungen von Roma anzuerkennen, konnte im bulgarischen Rahmenprogramm gebrochen werden. Von immenser Wichtigkeit für das Entstehen des bulgarischen Rahmenprogramms ist die geeinte Stellungnahme von Romavereinen zum Rahmenprogramm. Eine Integration dieser Anliegen in das Regierungsprogramm konnte aber nur mit Hilfe von internationalen Organisationen und durch mediale Aufarbeitung durchgesetzt werden. Der zaghafte politische Wille zur Durchsetzung des Rahmenprogramms könnte das Rahmenprogramm auf eine politische Willenserklärung ohne Garantie auf Umsetzung reduzieren. Es fehlen im bulgarischen Rahmenprogramm detaillierte Aktionspläne. Noch folgenschwerer ist jedoch das fehlende Finanzierungsprogramm für die vorgesehenen Maßnahmen. Es bleibt daher abzuwarten, wie der erste hoffnungsvolle Schritt, d.h. die Erarbeitung des Rahmenprogramms mit Hilfe der Romavertreter auch tatsächlich umgesetzt wird. Nichcsdestotrotz ist aber dieser Schritt ein Beweis dafür, dass eine Sensibilisierung im Bereich der Romapolitik bereits eingetreten ist. Wesentlich ist dabei, dass die Erkenntnisse der Wissenschaft bezüglich Gleichheit und Anerkennung von Differenz und in diesem Zusammenhang die Integration unter Aufrechterhaltung einer bestimmten Autonomie von ethnischen Gruppen bei politischen Aktivitäten berücksichtigt werden. 3.2. Integration der Roma durch Partizipation lm staatlichen Willensbildungsund Entscheidungsprozess in Mazedonien Wird der moderne Staat im Sinne Renans'3 Aussage als ein tägliches Plebiszit verstanden, so setzt dies notwendigerweise die Integration aller Staatsbürger mit * * * Kenrin Ernesr, Was ist eine Nation?, in: Gall/Koch (Hg.), Der europäische Liberalismus im 19. Jahrhundert, Bd.3, l-rankfurt/Main; Berlin; Wien 1981. 132IT 173__Mirjom Polzer-Srienz'. Minderheilenpoiüik om Seispiel der Romo in ousgewählien ein, dh auch Minderheiten, da ansonsten der Staat selbst an einem Legitimationsdefizit leidet. Die Legitimationsgrundlage des Staates wird dadurch getragen, dass die Staatsgewalt das gesamte Volk zu repräsentieren hat und keine ethnische Gruppe über eine andere eine institutionelle Herrschaft darstellen darf. Oeter meint die Staatsgewalt leidet im Falle rechtlich diskriminierter Minderheiten, bzw. bereits im Falle auf krasse Weise faktisch diskriminierter Minderheiten an einem ganz fundamentalen Legitimationsmangel.14 Das Minderheitenangehörigen nicht das allgemeine und gleiche Wahlrecht abgesprochen werden kann, ist angesichts der geltenden internationalen und nationalen Rechtslagen kaum zu bestreiten. Dass aber eine Gruppe auf verschiedenste Art und Weise von der effektiven Teilnahme am politischen Prozeß, formal gerechtfertigt abgehalten werden kann, zeigt der Einfallsreichtum der amerikanischen "Gleichbehandlung" der schwarzen Bevölkerung.15 Zwar ermöglicht eine formale Gleichbehandlung von Minderheiten im Wahlrecht die Teilnahme am staatlichen Willensbildungs- -und Entscheidungsprozess, aber sie wird nicht garantiert. Da der Staat meistens von der größten Nation dominiert wird und zumeist diese Nation ihre Interessen durchsetzt, ist für einen umfassenden Minderheitenschutz die Repräsentation und Partizipation zur Wahrung der eigenen Interessen der Minderheit, sowohl in der Gesetzgebung als auch in der Regierung unabdingbar. Der politischen Integration in den staatlichen Willensbildungs- und Entscheidungsprozess kommt größte Bedeutung zu, denn die Mitbestimmung und die Übernahme von Mitverantwortung im Staat garantiert der Minderheit, über das eigene Schicksal selbst bestimmen zu können. Die Minderheit ist nicht mehr als Objekt einer Mehrheit ausgeliefert. Effektive Partizipation setzt aber auch die Einräumung von kollektiven Rechten ein, denn Rechte auf Partizipation, wie das Recht auf parlamentarische Repräsentation und auf Regierungsbeteiligung sind nur als Gruppenrechte denkbar. Der Schutz durch individuelle politische Teilhaberechte, insbesondere deren kollektive Ausübung, kann zwar eine politische Vertretung ermöglichen aber nicht garantieren. Der Einzug in gesetzgebende Körperschaften ist für Minderheiten oft aussichtslos, wenn im entsprechenden Wahlrecht keine Rücksicht auf Minderheiten genommen wird. So kann z.B. das Wahlvorschlagsrecht und die Wahlkreiseinteilung besonders zerstreut siedelnde Minderheiten im politischen Kampf um Repräsentation einschränken.16 + ■* * 14 Siehe Oeter Stefan, Selbstbestimmungsrecht im Wandel: Überlegungen zur Debatte um Selbstbestimmung, Sezession und "vorzeitige" Anerkennung, in ZAÖRV 52/1992, 759 15 Siehe Marko, Autonomie und Integration, 43öff ^ Siehe dazu Polzer-Srienz Mirjam, Reprezentacija in participacija etniinih skupin v zakonodajinih organih. in: Razprave in Gradivo 36/37. Ljubljana 2000, 227-255 und dieseSb., Die Repräsentation ethnischer Gruppen Rozpfove in qradivo. Ijubljona. 2002. st. 4 1 181 In diesem Zusammenhang muss der Unterschied zwischen politischen und ethnischen Minderheiten beachtet werden. Politische Minderheiten müssen nicht immer in der Minderheit bleiben; gelingt es ihnen, eine gute Oppositionspolitik zu betreiben, kann sich das Mehrheits-Minderheitsverhältnis bei den nächsten Wahlen ändern. Ethnische Minderheiten sind hingegen in der permanenten Situation der Minderheit und laufen so Gefahr ihre Interessen nicht wahren zu können, denn "Minderheit ist vorrangig kein Zahlen -, sondern ein Macht bzw. eine Herrschaftsverhältnis". Die Minderheit ist eine Gruppe minderer Macht und oft auch geringeren Rechts, eine Gruppe, gegenüber der die "Mehrheit" - der herrschende Teil einer Gesellschaft - immer einen Dominanzanspruch erhebt.17 Mazedonien bietet im Hinblick auf die Vertretung von Roma in gesetzgebenden Körperschaften sowohl auf staatlicher als auch auf lokaler Ebene einige interessante Merkmale. Nach den letzten Parlamentswahlen 1998 waren 2 Roma im Parlament vertreten.18 Am 13- August 2001 wurde im mazedonischen Ort Ohrid ein politisches Rahmenabkommen zwischen Vertretern der albanischen Bevölkerungsgruppe in Mazedonien und führenden mazedonischen Parteien durch den mazedonischen Präsidenten und die vier Parteiführer unterzeichnet. Das Rahmen- oder Friedensabkommen von Ohrid hat die Integration und ein friedliches Zusammenleben der unterschiedlichen Bevölkerungsteile in Mazedonien als Ziel.'9 Gemäß dem Friedensplan von Ohrid wurde auch die Verfassung geändert und Mazedonien als Staat aller Bürger definiert. In der Präambel der neuen Verfassung werden nun die Albaner und andere in Mazedonien lebenden Minderheiten, so auch Roma, als "Völker" bezeichnet. Zur Erfüllung von Sprachenrechten in Verwakungseinheiten ist mindestens ein 20%iger Bevölkerungsanteil erforderlich. Dieser Prozentsatz stellt für die zerstreut siedelnde Romabevölkerung ein Problem dar, denn nur in der Gemeinde Suto Orizari liegt der Bevölkerungsanteil der Roma über 20%.20 Nach Schätzungen liegt der Bevölkerungsanteil der Roma in der 1996 gegründeten Gemeinde Suto Orizari sogar bei 80%. Seit 1996 ist ein Rom Bürgermeister, der auch in den Wahlen von 2000 wiedergewählt wurde. * * -k im staatlichen Willensbildungs- und F.ntseheidungsprozeß, Kin Rechtsvergleich Österreich-Slowenien, Diss. Graz 1999 17 Reiterer Alben, Kärntner Slowenen: Minderheit oder Elite?, Klagenfurt 1966, 18 18 hup://www.sinf.gov.mk/Macedonia/EN/Poliiical.htm 20.11.2002 '9 Siehe http://www.bundesregierung.de/emagazine_entw,-6484-VPolitische-Eniwicklung-in-Maze.htm 20.11.2002 20 http://errrs.org/rr_nrl_2002/snap 18.shtml 23.10.2002 182 Mirjom Polzer-Srienz'. Minderheilenpoiüik om Seispiel der Romo in ousgewählien Am 15-September 2002 wurden aufgrund des Ohrid-Abkommens auch neue Parlamentswahlen durchgeführt. In diesem Zusammenhang wurden auch drei neue Gesetze erlassen: - das Parlamentswahlgesetz - das Wahllistengesetz und - die Wahlkreisordnung. Das Wahlgebiet der Republik Mazedonien besteht aus sechs Wahlkreisen. Die Mandatshürde wurde beseitigt, u.a. auch mit dem Ziel kleineren Minderheiten und Parteien eine Repräsentation zu ermöglichen. Auch Romaparteien beteiligten sich an der Wahl 2002 in der Koalition "Gemeinsam für Mazedonien", deren größte Koalitionsparteien die "Sozialdemokratische Union Mazedoniens" und die "Liberale Demokratische Partei" waren.21 4. ROMA-POLITIK VON UND FÜR ROMA 4.1. Vereins- und Versammlungsfreiheit Die Integration der Roma hängt nicht nur von der Durchsetzung rechtlicher und politischer Maßnahmen ab, sondern auch vom Willen der Romabevölkerung, am Prozess der Integration mitzuarbeiten. In dieser Hinsicht ist deshalb zuerst die Zusammenarbeit von Roma untereinander von Bedeutung. Vereins -und Versammlungsfreiheit bieten dazu im allgemeinen den rechtlichen Rahmen und ermöglichen den Roma in der Gruppe Meinungen zu formulieren, Interessen zu artikulieren und zu bündeln. Wesentlicher Zweck von Vereinen ist jedoch die Förderung, Stärkung und Weiterentwicklung der eigenen Identität, welche eine unabdingbare Grundlage für ein selbstbewusstes politisches Auftreten von Roma ist. Um effektiv am politischen Leben teilnehmen zu können, ist es notwendig, dass Roma gegenüber staatlichen Institutionen geeint auftreten. Dies setzt jedoch eine funktionsfähige Organisationsstruktur von Romavereinen voraus. Der Zusammenschluss von Romavereinen mit dem Ziel, im politischen Prozess effektiv aufzutreten, setzt ein hohes Maß an Kooperation und Koordination voraus. Die Organisation auf vereinsrechtlicher Basis stößt aber insofern auch an * * * 2' Wie viele Roma tütsächlich Mandate erhalten haben, liissi sich aus den bisher bestehenden Berichten nicht genau eruieren. Der OSZlv/ODllIK Bericht spricht lediglich von 30 Parlamentariern von insgesamt 120, die Minderheitenangehörige sind. Siehe dazu lntp://www,osce.org/odihr/documents/reporE.s/(rlection_reports/ mk/mk_par_sep2002_efr.php3(r 10 22.11.2002 Seite 14 Razprave in grodivo, Liubljono, 2002. st. 4 1 183 Grenzen, wenn konkurrierende Vereine bestehen, da keine rechtliche Möglichkeit besteht, diese Vereine zu koordinieren. Indem die Vereinigungsfreiheit nicht der Minderheit als solcher kollektive Rechte zuspricht, sondern nur der Gesamtheit der einzelnen Angehörigen der Minderheit Rechte verleiht, ein Kollektiv zu bilden, unterscheidet sich die private Minderheitenvereinigung von der alternativ denkbaren öffentlich-rechtlichen Körperschaft der Minderheit.22 Öffentlich-rechtliche Minderheitenorganisationen haben den Vorteil, dass in ihrem Rahmen ein auf dem demokratischen Prinzip beruhender Willens-bildungs- und Entscheidungsprozess stattfinden kann, der auch die innere Vielfalt der Roma berücksichtigt, aber dennoch nach außen gegenüber staatlichen Organen ein einheitliches Vorgehen ermöglicht. Diesen Organisationen kann der Staat auch verschiedene Aufgaben übertragen, sodass die Minderheit dann autonom in gewissen Belangen ihre eigenen Angelegenheiten erfüllen kann. Die autonome Verwaltung (Selbstverwaltung) von eigenen Angelegenheiten ermöglicht es den Roma in ihrer Gruppe auf demokratische Art und Weise Entscheidungen zu finden und durchzusetzen, wahrend im Gegensatz dazu die Partizipation und Repräsentation ethnischer Gruppen die Integration von ethnischen Gruppen im staatlichen Willensbildungs- und Entscheidungsprozess ermöglicht. Autonomie und Integration garantieren daher beides: einerseits den Erhalt, die Förderung und Weiterentwicklung der eigenen Identität und Kultur und andererseits die Mitbestimmung an allgemeinen Angelegenheiten, die sowohl die Mehrheits- als auch die Minderheitsbevölkerung betreffen. Autonomie und Integration bedeutet daher nichts anderes als die Übernahme von Verantwortung, sowohl im Bereich der Minderheitenselbstverwaltung als auch im Bereich der staatlichen Entscheidungsprozesse. 4.2. Selbstverwaltung und Integration durch Partizipation am Beispiel Slowenien Wie eine Kombination von Selbstverwaltung in gewissen Bereichen (z.B. Schule und Kultur) und Integration durch garantierte Mitbestimmungsrechte konkret aussehen kann, soll hier am Beispiel der Regelung in Slowenien demonstriert werden. Das Konzept ist zwar vorwiegend für die autochthonen Minderheiten der Italiener und Ungarn konzipiert worden, es findet aber teilweise (bisher nur auf der Gemeindeebene) auch für Roma Anwendung. -k -k -k 22 Richter Dagmar. Vereinigungsfreiheil und Parteienrechi, in: Frowein/Hofman/Oeter (Hg), Das Minir; hi-itenrcchi europäischer Staaten, Teil 2, Berlin, Heidelberg. New York 1994, 452 177 Mirjom Polzer-Srienz'. Minderheilenpoiüik om Seispiel der Romo in ousgewählien Romavertretern werden in Slowenien reservierte Plätze in den Gesetzgebungskörperschaften auf lokaler Ebene garantiert.23 Die sogenannten "Virilmandate" garantieren die Integration von Minderheiten in den staatlichen Willensbildungs- und Entscheidungsprozess, während die Errichtung von Selbsrverwaltungsgemeinschaften dazu dienen sollte in eigenen Belangen selbständig und alleinverantwortlich auch staatliche Aufgaben zu erfüllen. Nicht zuletzt hat eine garantierte Repräsentation folgende positive Nebeneffekte: Das Beispiel Slowenien zeigt, dass in jenen Gemeinden in denen auch Roma in den Gemeindeorganen vertreten sind, Roma eher als Teil der Gesellschaft akzeptiert werden. Die Konfrontation mit Romavertretern im Rahmen der politischen Prozesse auf Gemeindeebene führt zur Sensibilisierung der Mehrheitsbevölkerung in Romafragen und führt auch zur politischen Emanzipation der Roma selbst. Derartige Regelungen wie kurz am Beispiel Sloweniens angedeutet, ermöglichen eine friedliche und auf demokratischem Wege legitimierte Konfliktlösung. 4.3- Politischi: Parteien Um positive Veränderungen zu erreichen, müssen daher auch Roma selbst verstärkt an einer Integration Interesse zeigen und mitarbeiten. Zum Teil geschieht dies bereits durch die Gründung von eigenen Minderheitenparteien zum anderen Teil erfolgt der Versuch durch Integration in bestehende politische Parteien am politischen Leben zu partizipieren. Die zunehmenden Bemühungen in der Politik zu partizipieren, haben bisher aber nur wenige positive Ergebnisse gebracht. Einerseits ist die Integration in bestehende Parteien schwierig, da Roma häufig eher auf hinteren, nicht wählbaren Listenplätzen gereiht werden, zum anderen haben Parteien häufig noch immer Anti-Romaressentiments und fürchten, durch die Aufnahme von Roma auf sichtbaren Plätzen in den Wahllisten, Wählerstimmen zu verlieren. Für Romaparteien stellt sich vor allem das Problem, dass ein Parteiprogramm alle Ideologien und Strömungen zusammenfassen sollte und so die Interessen und Forderungen der Romaminderheir als Ganzes repräsentieren sollte. Ein solcherart gestaltetes Parteiprogramm ist aber angesichts der Vielfalt der Romabevölkerung beinahe undenkbar. Angesichts der großen Bevölkerungszahl der Roma ist ihre Partizipation am politischen Willensbildungsprozess schon aus demokratiepoüschen Gründen * * * 23 Siehe Polzer-Srienz, "Protection of Roma in Slovenia - a Legal Analysis wiih Comparative References 10 ihe Siiuaiion of Roma in Ausiria, in: Information and Documeniarion Cenire on ihe Council of Europe/Instituie for liilinic S lud ¡es / Ausirian Institute of EaLs and Southeast Euiopean Siudies (Co-Publisher). "Slovenia and European Standards for ihe Protection of National Minoruies", Ljubijana 2002. 67-77 Razpfove in gradivo, Ljubljano. 2002, št. 41 J185 notwendig. Die Teilnahme von Roma an Initiativen, welche die Lage der Roma betreffen, ist unabdingbar. Niemand kann in Romabelangen ein kompetenterer Ansprechpartner sein als Roma selbst. Zudem ist das Recht auf Selbstbestimmung ein wesentliches Recht, das nicht nur für die staatskonstituierenden Völker, sondern auch für andere in einem Staat lebenden ethnischen Gruppen gelten muss. 4.4. Die Rolle der NGO's Eine Mobilisierung in Roma-Belangen ist aber auch außerhalb des Rahmens der Regierung und Gesetzgebung notwendig. Protestbewegungen, das Eintreten für die Rechte der Roma durch NGO's, die Bereitstellung von Rechtsbeistand, das Ergreifen außerparlamentarischer Maßnahmen um Politiker, Parteien, sonstige öffentliche Entscheidungsträger und Medien zu informieren sind nur einige Möglichkeiten um eine Sensibilisierung der allgemeinen Öffentlichkeit in Romafragen zu erreichen. Roma haben traditionell wenig Erfahrung mit Öffentlichkeitsarbeit. Um rasche Ergebnisse zu erzielen, ist es daher unabdingbar, dass nicht nur im Erziehungs- und Bildungsbereich für Kinder und Jugendliche besondere Förderprogramme initiiert werden, sondern auch im Bereich der Erwachsenenbildung. Politischen Einfluss können Roma insbesondere über NGO's ausüben. NGO's spielen eine zunehmend wichtige Rolle für die Formierung von politischen Strategien und insbesondere auch für die Überwachung der staatlichen Regierungspolitik. Tatsächlich bestehen sowohl auf internationaler als auch auf nationalstaatlicher Ebene zahlreiche NGO's, die im Menschenrechts- und Minderheitenbereich und insbesondere in Romafragen tätig sind. Das wachsende Interesse von internationalen NGO's wie zum Beispiel Human Rights Waich, Soros Foundation, European Roma Rights Center und das Project on Ehnic Relations (PER), half den verschiedenen Romavertretern, ihre Interessen und Forderungen im Jargon der Menschenrechte zu formulieren. Internationale NGO's und private Fonds haben in den vergangenen Jahren auch beachtliche finanzielle und technische Ressourcen für Roma in den neuen Demokraci en Mittel-, Ost- und Südosteuropas zur Verfügung gestellt. Nichtsdestotrotz kann jedoch die wachsende Aufmerksamkeit von NGO's und internationalen Organisationen nicht die Integration von Roma in den staatlichen Willensbildungs- und Entscheidungsprozess ersetzen. Die Integration ist von essentieller Bedeutung für eine Verbesserung der Lage. NGO's und internationale Organisationen, wie z.B. die OSZE können zwar den Prozeß der Einbindung unterstützen, die Romabevölkerung muss jedoch durch eigene Romavertreter unmittelbar am politischen Prozeß beteiligt sein, denn nur so können originäre Romainteressen auch berücksichtigt und verwirklicht werden. 186 Mirjom Polzer-Srienz'. Minderheilenpoiüik om Seispiel der Romo in ousgewählien 5. ZUSAMMENFASSUNG UNO, EU, Europarat, OSZE und zahlreiche Staaten in Südosteuropa haben vielfältige Initiativen zur Verbesserung der Lage der Roma gesetzt. Einzelne Aktivitäten können jedoch nicht systematische, langfristige Konzepte ersetzen. Diverse rechtliche und politische Maßnahmen wurden mittlerweile in den meisten südosteuropäischen Staaten getroffen, leider fehlt aber bis dato der Wille zur Umsetzung dieser Regelungen. Besondere Aufmerksamkeit verdient in diesem Zusammenhang die Mitwirkung von Roma. Partizipation darf daher nicht eine leere Phrase bleiben, sondern muss tatsächlich die Integration, Mitwirkung und Selbstbestimmung garantieren. Integration fordert daher vor allem den demokratischen Machthaber, denn dieser hat die Macht und die Pflicht gegen negative Vorurteile, Diskriminierungen, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit vorzugehen. Der Staat hat die faktische Macht Menschen- und Minderheitenrechte umfassend zu verwirklichen!