U Hochgeborner Graf! Die W>ihlcil für ve» constituirendeii Reichstag sind eingeleitet und ich überlasse mich der Hoffnung, daß Euere Excelleuz lhren Verlauf mit gespannter Aufmerksamkeit im Auge be¬ halten, und im wahren constitutionellen Sinne jeden Anschein einer Einwirkung der Staats¬ verwaltung in ihr Ergebniß hintanzuhalten bemüht seyn werden, und allen Organen ihre stren¬ ge Pflicht gegenwärtig halten sich jedes Einflusses auf dieselben zu enthalten und die volle Freiheit jedes zur Theilnahme Berechtigten zu schützen. Dieß schließt jedoch die Nothwendigkeit nicht aus, die Wähler und Wahlmänner ins¬ besondere auf dem flachen Lande über die hohe Wichtigkeit der von ihnen vorzunehmenden Wah¬ len mit aller Offenheit zu belehren, sie durch ruhige besonnene und ihr Vertrauen genießende Männer über die Wesenheit einer Constitution über die, durch dieselbe festzustelleuden Rechte und Pflichten aller Staatsbürger und über die dem ersten Reichstage zustehende Berathung, der ihr zum Grunde zu legenden Urkunde so wie über die vielen wichtigen Aufgaben, welche demnächst zu losen seyn werden, aufzuklären. , Vor Allem wird es aber dabei nothwendig, in ihnen die Ueberzeugung zu begründen, daß nur eine auf der gewissenhaften Gleichstellung und Achtung aller Rechte gegründete und gleiche Bürgschaft gegen Anarchie wie gegen Willkühr und Gesetzlosigkeit gewährende Verfas¬ sung dem von allen Wohlgesinnten getheilten Wunsche einer glücklichen dauernden Zukunft der innern Stärke, der äußeren Achtung und der freien Entwickelung aller schlummernden Kräfte unseres schönest Vaterlandes zu entsprechen vermag. Die Aufgabe des constituircnden Reichstages mit deren Lösung er sich unmittelbar nach seinem Zusammentritte beschäftigen wird, besteht in der Berathung der, für die Monar¬ chie zu crtheilenden Verfassung. Erst aus dem Ergebnisse dieser Berathung kann die Beantwortung der Frage hervor¬ gehen, ob dieser constituirende Reichstag in ein oder der anderen Art oder mit welchen allfäl¬ ligen Modifikationen weitere Gegenstände der Gesetzgebung, organische Einrichtungen, oder wich¬ tigere Verwaltungsfragen in Berathung nehmen kann. Das Ministerium erkennt die Dringlichkeit vieler Gesetze, ohne welche weder die Ord¬ nung im Staatshaushalte hergestellt, noch der Grund zum organischen Ausbau einer im kon¬ stitutionellen Geiste geführten öffentlichen Verwaltung gelegt und jedem Staatsbürger die gleich¬ mäßige Theilnahme an allen ihm durch die Verfassungs-Urkunde in Aussicht gestellten Rechten und Freiheiten nicht gesichert werden kann. Wir bedürfen dringend eines umfassenden Finanzgesetzes, um die gesammten Bedürf¬ nisse und Bedeckungsquellen des Staates zu überseben und zur Gleichstellung derselben, so wie zur Berücksichtigung der allseitig laut gewordenen Wünsche in beiden die unerläßlichen Acnde- rungen vornehmen zu können. Ohne einem, auf möglichst breiter Basis ruhenden Gemeindeqesetze, ist ein Ueberqang zu einer einfachen volkstümlichen, den Gemeingeist belebenden Gemeinde- und Landesverwal¬ tung nicht möglich. Die große Verschiedenheit der bisherigen Gemeindezustände und der Stufe der politischen Bildung in den einzelnen Provinzen bietet darin bedeutende Hindernisse dar. Gleichwohl muß Alles daran gelegen seyn, diese möglichst zu überwinden, und durch die Auffassung der aus gleichmäßigen Interessen entspringenden Stellung aus einem gemeinsamen Gesichtspunkte zu einem für die Leitung aller Gemeindeangeleqenheiten befriedigenden Zustande zu gelangen. Die, in dem Entwürfe der Verfassungs-Urkunde zngesicherte volle Gleichstellung aller Nationalitäten macht den Fortbestand besonderer die provinziellen Bedürfnisse auffassenden Lan¬ desvertretungen höchst wünschenswert!), um auf diesem Wege die Centralverwaltnng auf die Bedürfnisse der einzelnen Landestheile näher aufmerksam machen, und darauf gegründete Wün¬ sche und Petitionen einbringen zu können. Eine gänzliche Umstaltung der ständischen Institutionen in den Provinzen, in welchen sie bisher bestanden, und die analoge Aufgabe hatten, so wie die neue Bildung dort, wo sie früher nicht vorhanden waren; erscheint als ein unverkennbares Bcdürfmß, und das Ministe- «MM» / d^- M rium steht mit gespannter Erwartung den in erster Beziehung von den Ständen erwarteten trägen entgegen, um sie würdigen und wenigstens in ihren Grundzügen in einem Gesetzentwurfs dem Reichstage vorlegen zu können. Nicht minder dringend sind die Gesetze, welche die allgemeine Wehrpflicht, die Ein¬ führung des öffentlichen und mündlichen Verfahrens bei Civil-Streitigkeiten mit Schwurge¬ richten im strafgerichtlichen Verfahren; die Stellung und organische Gliederung der National¬ garde; die Ablösung der, auf den unterthänigen Besitzungen haftenden Lasten und die völlige Lösung des herrschaftlichen Unterthansverbandes; die Aufhebung der Parrimonial-Gerichtsbar- keit und die Einführung von landesfürstlichen Behörden zu erzielen bestimmt sind. Die Berathung eines dcsinitiven Preßgesetzes, eines Gesetzes, welches die Ausübung des Petitions-- und Affotiationsrechtes, so wie 'das Verfahren bei Verhaftungen und Haus¬ suchungen regelt; ferner zur Behebung der bestehenden Verschiedenheiten der bürgerlichen und politischen Rechte einzelner Religionsconfeffionen, zur Aufhebung der Beschränkung in der Er¬ werbung des Grundbesitzes feste Normen ertheilt, war so wie die Ertheilung eines Regent- schaftgesetzes und eines Gesetzes über die Verantwortlichkeit der Minister in dem Entwürfe der Verfassungs-Urkunde dem ersten Reichstage Vorbehalten. Ungeachtet durch die Tagesereignisse die Zeit und Aufmerksamkeit der Minister fort¬ während in Anspruch genommen wurde, haben sie sich dennoch mit der Vorbereitung von Ge¬ setzentwürfen beschäftigt, deren mehrere schon jetzt zur Berathung vorliegen. Es lag in der Pflicht des Ministeriums und in seiner Auffassung der allgemeinen In¬ teressen mit Entschiedenheit die Bahn des Fortschritts zu verfolgen, und es wird dankbar jede Unterstützung, welche ihm zur Förderung seiner schmierigen und umfangreichen Arbeit gewähret wirb, insbesondere dann erkennen, wenn die, von den Provinzen gewählten Abgeordneten in die Lage gesetzt werden, schon vorläufig von diesem Stande der Dinge Kenntniß zu nehmen, um die Aufgabe, welche dem ersten Reichstage, der zur Geschäftsverhandlung berufen werden wird, bevorsteht, zu übersehen, und über die Lösung desselben ihre eigenen Ansichten vor ihren Wählern auszusprechen oder Die Erwartungen und Wünsche derselben zu vernehmen. Wien am 5. Juni 1848. Pillersdorfs mgp. An Seine des Herrn Gouverneurs von Illyrien Grafen von Welsersheimb Exccllenz.