H^ ^<^. Versten. Das Land und seine Bewohner. Ethnographische Schilderungen «oil 0l. Iakob Eduard polak, ehemaligem ^civaizt dl'o Zchal» uun Prrsicn und Lchirr nn dcv mrdicmijchril -chulc ;u Teheran. (5rstcr Thcil. Leipzig: ^. A. Brock I) aus. 1865. Persien. Das Land und seine Bewohner. Erster Theil. Perfien. Das Land und seine Bewohner. Ethnographische Schilderungen von vl. Jakob Eduard Polak) ehemaligem Leibarzt des Schah von Persicn und Lehrer an der mcdicinischen Schule zu Teheran. Erster Theil. Leipzig: F. A. Vrockhaus. 1865, Vorwort. ^>n vorliegendem Werk versuchte ich, ein Bild voll dem Charakter, von den Sitten und der Lebensweise eines der interessantesten Völker der Erde zu entwerfen, eines Volts, dessen Ruhm zwar in den Thaten ferner Vergangenheit liegt, das aber noch nicht gealtert, vielmehr berufen scheint, in der Welt- und Culturgeschichte der Zukunft eine nicht unwichtige Rolle zu spielen. Ich schilderte mit besonderer Ausführlichkeit das Leben am Hofe des Schah von Persien, weil die Sitten und Moden des ganzen Volks im wesentlichen sich nach ihm richten, während andererseits die Dynastie, obwol aus türkischtatarischem Stamm hervorgegangen, dem Einfluß des persischen Elements sich nicht verschließen konnte. Mchstdem gab ich Andeutungen und Regeln für das diätetische Verhalten der Ankömmlinge und Reisenden aus Europa; denn ich hatte gesehen, wie die meisten aus Unkenntniß derselben erkrankten und nach kurzer Zeit den Krankheiten erlagen, welche sie bei einiger Vorsicht hätten vermeiden können. VI Ich spreche dabei aus Erfahrung; die anfängliche Vernachlässigung hygienischer Maßregeln brachte mich selbst an den Rand des Grabes, und nur durch Zufall entging ich dem nahen Tode. Viele wurden durch meinen Rath gerettet, andere befolgten ihn nicht: sie fanden den Tod, den ich ihnen vorhergesagt. Man kann wol behaupten, daß der Europäer im Orient sein Pferd naturgemäßer behandele, als seinen eigenen Körper; er sündigt in und außer den Mauern und pflegt dann die unausbleiblichen traurigen Folgen dem ungewohnten Klima allein zuzuschreiben. Leicht mag der Tourist ein anziehendes Gemälde von dem Lande, welches er durchstreift, entwerfen. Ihm ist alles neu, die Eindrücke sind frisch und jugendlich; manchen leitet auch ein richtiger Instinct, der auf den ersten Blick das Wahre herausfindet. So waren auch die Briefe, welche ich kurz nach meiner Ankunft in Persien an die Freunde, in der Heimat schrieb, voll lebhafter Anschauungen. Mit der Zeit jedoch merkte ich, daß die Schlüsse, zu denen ich mich anfangs berechtigt glaubte, bedeutender Modifications bedurften. Als ich im Jahre 1851 ins Land kam, fand ich großes Gefallen an der iranischen Gesellschaft, an den schönen Wendungen und Feinheiten des Gesprächs; das artige Benehmen der Gebildeten sagte mir ungemein zu. Später mußte ich leider wahrnehmen, daß viel Falschheit, Lug und Trug hinter den geschmeidigen Formen sich verberge; ich fing an das Volk zu verachten. Wieder einige Jahre später wurde ich in meinem Urtheil irre; ich konnte nicht unter- VII scheiden, ob die guten ödet die schlechten Eigenschaften überwiegen, ob letztere in der Organisation des iranischen Typus begründet, oder auf Rechnung des langen despotischen Drucks, dein das Volk unterworfen, zu stellen seien. In meinem Buch habe ich mich bemüht, die Verhältnisse frei von aller Voreingenommenheit möglichst objectiv darzustellen. Ein neunjähriger Aufenthalt im Lande, die Kenntniß der persischen Sprache und der einschlagenden Literatur, die ich mir daselbst angeeignet, meine Stellung als Lehrer an der medicinischen Schule zu Teheran und später als Leibarzt des Schah, vielfache Reisen in die verschiedenen Städte und Provinzen, setzten mich in die Lage, die Hauptstadt sowol wie alle Gegenden des weitgestreckten Reichs, seine nach Abstammung, Sprache und Religion vielgestalteten Bewohner, die politischen, ethischen und Culturzustände, soweit es dem Fremden möglich ist, kennen zu lernen. Es versteht sich außerdem von selbst, daß über den weiblichen Theil der Bevölkerung, sowie über das Familienleben im Orient überhaupt, nur der Arzt einen auf eigener Anschauung fußenden Bericht zu geben im Stande ist. Ich vermied bei der Abfassung, fremde Quellen zu benutzen; ich wollte, daß das Buch mir gehöre, daß ich allein für seine Vorzüge und seine Fehler einzustehen hätte: Besser steht mein eigen Wams, geflickt, Als erborgtes, reich mit Gold gestickt. (Saadi.) Ich darf daher wegen mancher Lücken um Nachsicht bitten; jeder, der die Verhältnisse kennt, wird einräumen. VIII wie schwer es dem Europäer wird, ins orientalische Leben, besonders in das der Familie einzudringen oder von den Landesbewohnern zuverlässige Auskunft darüber zu erlangen. Was die Orthographie der persischen Worte betrifft, so suchte ich sie der deutschen Aussprache möglichst anzupassen. Den eigenthümlichen Laut des langen a, welches ungefähr dem a im englischen Wort all entspricht, bezeichnete ich durch ii.; das kurze a, dem deutschen ä sich nähernd, durch w, so in pNässr, der Vater; für das arabische Khaf bediente ich mich des tz; den Unterschied des Ain und Ghain aber glaubte ich um so eher unberücksichtigt lassen zu dürfen, als es selbst dem Perser selten gelingt, diese den Arabern eigenthümlichen Laute richtig wiederzugeben. Schließlich fühle ich mich verpflichtet, meinem Gefährten und Freunde vi-. I. C. Häntzsche, welcher Leid und Freud in Persien mit mir getheilt, für einige von ihm erhaltene werthvolle Notizen an dieser Stelle meinen Dank auszusprechen. Wien, im Februar 1865. Dr. I. E. Polak. Inhalt des ersten Theils. Seite Vorwort......................... v Znr Einleitnng. .....................xm I. Vollszahl, Abstammung und Stände. Schätzung der Seelen-zcchl. Bestandtheile der Bevölkerung. Perser und Meder (Körperbildung, Charakter der Fuzul, Freimaurerei, Gruß und Titel, Schimpfworte und Flüche, Betheuerungcu). Turko - Tataren. Kurden. Armener. Juden (Charakter und Beschäftigung, das Estherdenkmal in Ecbatana, Echtheit des Buches Esther). Gebern. Turkomanen. Afghanen und Beludscheu. Zigeuner. Die Colonie der Europäer. Prinzen. Prinzen früherer Dynastien. Chane. Ehrentitel. Schreiber. Sciide. Lutis. Derwische. Soldaten (die Wehrkraft, Offiziere, Artillerie, Angriff, Scalpe. Schlußbcmerknng).................... 1 II. Wohnhäuser, Städte, Gärten, Sommcrsitzc und Zeltlager. Ausdehnung der Wohnungen. Rascher Verfall. Baumaterial. Bauleute. Innere Einrichtung. Ventilation. Heizung. Aborte. Höfe. Frauengemächer. Die Stadt Teheran (Lage, Befestigung, Stadtviertel, Gassen, Beleuchtung, Reinigung, Bazare und KaravanseraiS, Bäder, Moscheen und Madrasses, Amphitheater, Plätze, Miethswohnungen, Hunde, Fliegen, Mücken, Zecken, Skorpione und Solpugen). Die Citadelle von Teheran. Physiognomie anderer Städte (Ispahan. Die beweglichen Minarets). Gärten. Sommersitze. Zeltlager.............49 III. Speisen und deren Zubereitung. Mahlzeiten. Nationalgerichte: Tschillaw, Pillaw und Asch. Brot. Fleisch, Wild, Geflügel. X Ecite Fische.. Speisegesetze. Milch, Käse. Sauere Conserve« und Scherbets. Silßigkeiten. Früchte. Gemüse. Getränke. Eis und Eisgruben. Gewürze. Küche und Küchengeräthe. Tafelgeschirr. Die Mahlzeit. Gastereien uud Trinkgelage. Die königliche Tafel. Volköverpflegung. Billigkeit und Theuerung der Lebensmittel....................106 IV. Kleidung, Schmuck und Waffen. System der Bekleidung in Bezug auf die Gesundheit. Die Kopfbedeckung. Das Hemd. Das Taschentuch. Das Wams. Der Rock. Der Gürtel. Der Leibrock. Der Ueberwurf. Die Beinkleider. Fußbekleidung. Handschuhe. Hoftracht der Magistratspersonen. Haustleidung des Schah. Allgemeine Regeln für die Bekleidung. Pelze. Der Shawlstoff. Kleidung verschiedener Stämme. Schmucksachen (Uhr, Roseukranz, Petschafte, Ringe. Edelsteine und Perlen). Waffen. Kleidung und Schmuck der Frauen , . . 138 V. Ruhe nnd Bewegung. Jagd. Gymnastik. Sitzen und Stehen. Schlafcn und Wachen. Kneten. Schlafstelle. Wo soll der Europäer schlafen? Gcheu uud Laufen. Reiten. Reiseu. Reiterspiele. Jagd (die Falkenjagd, königliche Jagden, Jagd-abenteuer, Verschenken des Wildes, Kamelkampf, die jagdbaren wilden Thiere). Gymnastik (Heilgymnastik, Turuanstalten, die verschiedenen Uebungen, Saadi's Erzählung, Schwimmen, Fechten, Schießen). Schlußbetrachtung..........163 VI. Das Familien- und Geschlechtsleben. Ernährung und Pflege der Kinder. Beschneidnng. Vornamen. Unterricht im Anstand. Frühes Heirathen. Ehen unter Verwandten. Die Menstruation. Die Brüste. Leichtigkeit des Heirathens. Die Aldi und die Sighe. Polygamie und Monogamie. Der Trauungsact. Das Hochzeitsfest. Die Iungfrauschaft. Scheidungsgründe. Häufigkeit der Empfä'ugniß. Sterblichkeit der Kinder. Abortus. Verhalten während der Schwangerschaft. Die Entbindung. Körperbeschaffenheit und Charakter der Perserinnen. Aberglaube. Der Harem (der Arzt, Beschäftigung und Behandlung der Frauen). Das patriarchalische System. Der Harem des Schah (Prinz Muzzäfer edbin und fein Bruder Kasein Chan. Trauriges Los der königlichen Frauen). Aberrationen des Geschlechtslebens..............194 VII. Diener, Sklaven und Eunuchen. Große Zahl der Diener. Ihr Lohn und indirectes Einkommen. Patriarchalisches Ver- XI Seite hältniß zum Herrn. Strafen. Unbrauchbarteit europäischer Diener im Orient. Kategorien der Dienerschaft. Milde Be« Handlung. Schwarze und weiße Sklaven. Verwendung und schonende Behandlung derselben. Frühzeitiges Absterben der Schwarzen. Ihre Sprache und Bildungsfähigkeit. Preise der Sklaven. Eunuchen (schwarze und weiße, Freie und Sklaven, lilnstliche und natürliche). Körperbeschaffenheit und Charakter der Eunuchen. Geschichte des Eunuchen-Chefs Baschir Chan. Der Eunuch Cosruw Chan. Abnahme der Zahl und des Einflusses der Eunuchen..................238 VIII. Vildung, Wissenschaften und Kiinste. Bildungscrforbernisse. Sprache. Schrift. Dialekte. Aussprache. Die Schreibschrift. Kalligraphie. Schreibmaterial. Elementarschulen und weiterer Unterricht. Einfluß der Nationaldichter. Die neuern Poeten. ?oeta laursaw«. Gafsenpoesie. Chronogramme. Erdkunde. Geschichte und Geschichtschreibung. Buchdruck und Lithographie. Manuscripte. Bibliotheken. Officielle Zeitung. Macht der Presse. Stil und Form der Briefe. Die Munschi. Arith« metik. Alchemie. Astrologie. Zeitrechnung und Kalender. Philosophie. Studien in den Madrasses. Abnahme der Bildung. Schrift der Armener, Chaldaer und Juden. Malerei. Die Bildergalerie des Schah. Gesang, Musik und Tanz. . . 262 IX. Versuche zur lkiufiihrung der europäischen Civilisation. In- structoren der Armee. Engländer und Franzosen. Reform-destrebungen des Emir Nizam. Berufung der Oesterreicher. Unsere Neise. Ankunft in Teheran und ungünstige Auspicien. Sturz und Tod des Emir. Gründung der Militärschule und der Lehranstalt für Medicin. Meine Lehrlhätigkeit. Die Poly-tlinil. Meine Lehrbücher der Anatomie und der Chirurgie. Operationen. Mein Plan zu einem Spital. Die Ausführung. Meine Sanitälsinstruction für Offiziere. Persische Stubirenbe der Medicin in Paris. Leprosenhä'user. Der Geniehauptmann Zatti. Der Mineur Czarnotta. Baron Gumoens. Colonel Matrazzo. Der Artilleriehauptmann Krziz. Der Cavalerie-offizier Nemiro. Unser Abschied. Gespräch mit dem Schah. Französische Mission unter Commandant Brognart......294 X. Religion uud Gcfel). Snnniten und Schiiten. Die Priesterschaft. Die Mulas als Richter. Ihre Verderbniß. Die Scheriet und das Urf. Strafen. Tortur. Gebet. Der XII Seite Muezzin. Wallfahrten. Almosen und Bettler. Fasten. Feste und Feiertage. Die Passionsspiele. Verbote. Hazardfpiel. Schachspiel. Wucher. Aberglaube. Sekten (die Scheichi; die Ali Allah; die Babis).................320 XI. Bäder «nd Vcgriilmißstätten. Oeffentliche Bäder. Der Dalak (Vadebiener). Das Färben der Haare. Badeproceduren. Die Frauenbäder. Vorzüge und Nachtheile des persischen Bades. Tod und Beerdigung. Friedhöfe. Transport der Leichen nach den heiligen Orten.............3"'' Xll. Der Nauruz (Das Neujahrsfest). Zeitrechnung. Vorbereitungen zum Feste. Investitur der Gouverneure. Derwische. Salam für die Priester und Würdenträger. Aelteste Gebräuche. Neujahrscour beim Großvezier. Gratulationscour der Gesandten. Oeffentliche Audienz. Das Volksfest. Der Fraueu-salam. Besuche. Pferderennen. Der letzte Festtag.....367 Zur Einleitung. Das gegenwärtige Persien ist zwar nicht so groß, daß der Schah mit dem jungen Cyrus sagen könnte: „Das Reich meiner Väter dehnt sich gegen Süden bis in jene Gegenden ans, welche die Hitze unbewohnbar macht, und gegen Norden bis an die zu Eis erstarrten Länder; was dazwischen liegt, ist den Satrapen, den Freunden meines Bruders, unterworfen." Doch rühmen sich die Perser, daß ihr Reich alle Klimate in sich vereinige, vom heißen tropischen bis zum eiskalten des Nordens, welche Behauptung in dein Satz: „Irüu kwttaMm äüisä" (Iran hat sieben Klimate) ihren Ausdruck findet. Da die Hochebenen ringsum mit hohen Gebirgen umgeben sind, ist dic Möglichkeit geboten, in wenigen Stunden aus dem heißen Dattellando auf Höhen zu gelangen, in deren Klüften sich ewiger Schnee birgt, und in Bergthäler, die nur während der vier Sommermonate von Nomaden besucht werden können. Seine Wüsten theilt Persien mit Afrika, seine Tiefländer am Kaspischen Meer gleichen hinsichtlich ihrer Zeugungskraft und Fülle der Vegetation dem reichen Boden Indiens; einzelne reizende Thäler wetteifern an Schönheit mit dem vielgepriesenen Kaschmir, während Arabistan und Laar an Arabien erinnern und auch uur unter arabischen Colonisten gedeihen können. Dank diesen Bodenverhältnissen, vereinigt Persien in seinen Grenzen, oder könnte es wenigstens vereinigen, alle Products des Südens und Nordens von der Palme und Banane bis zu den unter XIV ewigem Eis fortwuchernden Gräsern. Arm an Wald, wie das Land jetzt ist, erzeugt es doch in den Provinzen um den Kaspischm See Akazien, Eichen, Buchen, Jumpern u. s. w. von seltener Mächtigkeit, welche ausgedehnte Werften mit Bauholz versorgen könnten; ebenso harrt sein unermeßlicher Reichthum an Kohlen-, Eisen- und Kupferlagern nur der Ausbeute, um eine mächtige Industrie, wozu auch die Betriebsamkeit und der Kunstfleiß des iranischen'Arbeiters einladet, zu Tage zu fördern. Ein französischer Diplomat fand sich durch diese Wahrnehmungen sogar zu der Bemerkung ver-' anlaßt: wenn einst die Industrie in Persien sich zur Blüte entfaltete, würde nicht nur die Einfuhr aus Europa auf Null sinken, sondern es wäre dann bei den billigen Arbeitslöhnen auch nicht unmöglich, daß persische Products auf den europäischen Märkten mit Erfolg concurrirten. Im allgemeinen mangelt es dem Lande zwar an Wasser, weil die hohen Gebirge jeden Niederschlag zurückhalten; allein durch Zertheilen der Bäche, durch Anlage von Kanälen und Leitungen wissen die Bewohner hinlängliche Mengen zur Bewässerung herbeizuschaffen, und so fehlt in den Ebenen, obgleich dort oft acht Monate hindurch kein Regen fällt, nicht Wasser, sondern nur genügender Schutz, um die Leitungen vor Eingriffen der Machthaber sicherzustellen. Nicht minder mannichfaltig als seine Gegenden sind auch die Bewohner Persiens, vom Iraner reinsten Bluts bis zum Turkomanen der mogulischen Nasse; die Bewohner des Tafellandes unterscheiden sich sehr wesentlich von denen am Kaspischen See und von den Kindern des Gebirges, die bei einem Wechsel des Aufenthalts sich im eigenen Lande erst acclimatisiren müssen. Die Auseinandersetzung dieser verschiedenen Verhältnisse bildet den Vorwurf unsers Buchs. I. Volkszahl) Abstammung und Stände. Schätzung der Seelenzahl. Bestandtheile der Bevölkerung. Perser und Meber (Körperbildung, Charakter derFuzul, Freimaurerei, Gruß und Titel, Schimpfworte und Flüche, Betheuerungen). Turko - Tataren. Kurden. Armener. Juden (Charakter und Beschäftigung, das Esther» dentmal in Ecbatana, Echtheit des Buches Esther). Gebern. Turko-manen. Afghanen und Beludfchen. Zigeuner. Die Colonie der Euro« Päer. Prinzen. Prinzen früherer Dynastien. Chane. Ehrentitel. Schreiber. Sciide. Lutis. Derwische. Soldaten (die Wehrkraft, Offiziere, Artillerie, Angriff, Scalpe, Schlnßbemerkung). ^. Volkslahl. Die Größe der Bevölkerung Persiens läßt sich äußerst schwer bestimmen, da keine Geburts- und Sterbelisten geführt werden, auch niemals eine Volkszählung vorgenommen wurde. Wollte man nach der Zahl der Familien und Häuser, welche sich allenfalls ausmitteln ließe, auf die der Bevölkerung schließen, so würde man, namentlich in den Städten, leicht auf bedeutende Irrthümer gerathen, weil eine Familie mit Dienerschaft, Sklaven und Clienten, die entweder gekauft ober sonst der Familie einverleibt wurden, oft auf 80—100 Personen anwächst. Dieses Verhältniß gilt jedoch Pollll. Pcrsicn. I. 1 2 nur von der seßhaften Bevölkerung, bei welcher Polygamie vorherrschend ist. Fragt man z. B. verschiedene Perser über die Einwohnerzahl der Stadt Teheran, so wird man als Antwort eine beiläufige Zahl erhalten, welche zwischen 60000 bis 500000 variirt. Trotzdem wäre es in den größern Städten bei einiger Sorgfalt möglich, die annähernd richtige Zahl festzustellen. Es muß nämlich für den IcaiNiutOr (Polizeihauptmann) die Anzahl der Gestorbenen, welche von den inui'äa8<)kui'8 (Todtenbeschauern und Wäschern) besichtigt wurden, verzeichnet werden. Derselbe kennt ferner aus der Menge der Consumtion, nach den Erträgnissen der Accise, ziemlich genau die fluctuirende Bevölkerung. Auf alle meine Fragen aber konnte ich von diesem Manne Aber die Bevölkerung der Hauptstadt nichts erfahren; er hielt immer mit der Antwort zurück, oder sprach vag und ausweichend „äH^'r d688ikr ädää 68t" (die Stadt ist sehr bevölkert). Religiöses Vorurtheil, die Furcht vor dem bösen Auge, scheint, wie zu Zeiten des Königs David, der Grund dieser Zurückhaltung zu sein, welche sich auch der im Jahre 1859 vom Schah angeordneten Volkszählung hartnäckig entgegensetzte. Dieses Vorurtheil erstreckt sich beim Perser ebenso auf die Angabe seines Alters; auf die Frage darüber, antwortet er unbestimmt: „schon 30 oder 40 Jahre vorüber", oder „M-e-merä 6iu" (ich bin ein Greis), weil er das wahre Alter entweder nicht angeben will oder wegen Mangel an Aufzeichnung nicht angeben kann. Anders verhält sich die Sache mit den Nomaden (U, t8okää6r-ii68okiii). Ihr Chef, der Ilchani, kennt genau, wieviel Zelte sein Stamm enthält; ihm liegt daran, dessen Stärke, Seelenzahl und Viehstand zu kennen, die Abnahme zu verhindern und den Zuwachs zu fördern. Da sie bestimmte, unveränderliche Weideplätze innehaben, sich höchst selten mit andern Stämmen mischen und meist in Monogamie g leben, so kann durch Zählung der Zelte die mittlere Bevölkerung leicht bestimmt werden. Die. umfassendsten Aufklärungen über diese Stämme befinden sich in dem Buche der Lady Sheil, besonders in den Noten des Colonel Sheil, welche als Appendix beigefügt sind. Rechnet man den Flächenraum des jetzigen Reichs Iran, ohne die bestrittenen Nebenländer, auf circa 22000 Quadratmeilen, bedenkt man die ungeheuern Strecken wüsten Landes, welche entweder ihrer Bodenbeschaffenheit wegen keine Cultur zulassen oder, obzwar sie culturfähig sind, aus Mangel an Arbeitskräften brach und unbebaut liegen; berücksichtigt man die Entvölkerung der einst so großen Städte wie Ispahan, Ray, Kaswin, Schiraz, Sultanieh, Hamadan, Meschhed, ferner daß die Ortschaften zerstreut und vasenförmig in Ebenen und Thälern gelegen, daß ganze Provinzen, so der östliche Theil des Reichs, durch Einfälle der Turkomanen, Afghanen und Beludschen beinahe verwüstet sind und ihre Bevölkerung in die Sklaverei geschleppt wurde, daß selbst in der Nähe der Hauptstadt Teheran große Strecken brachen Bodens sich vorfinden, weshalb die Nomaden sie zum Durchzug benutzen, so kann die Bevölkerung nicht sehr hoch angeschlagen werden, und die Annahme von durchschnittlich 400 — 450 Seelen auf die Quadratmeile dürfte nicht als zu gering erscheinen, welches eine beiläufige Bevölkerung von 9—10 Millionen ergäbe. . Der Reisende könnte zwar durch den Anblick der vielen leeren Strecken und zerstörten Dörfer in den entgegengesetzten Irrthum verfallen und die Bevölkerung gar zu niedrig anschlagen. Stellt man aber dem entgegen die schönen, fruchtbaren Bergthäler, den ergiebigen Boden, welcher bei natürlicher oder künstlicher Bewässerung einen sehr reichen und fast sichern Ertrag gewährt, die vielen Früchte und Gemüse, die Producte, welche die Hecrden sowol zur Nahrung als 1* 4 auch zur Kleidung liefern, erwägt man, daß allein die Nord-und Westprovinzen an 150000 Mann guter Truppen stellen können, ohne daß der Anbau durch den Abgang von Arbeitskräften gänzlich unterbrochen würde, so kann man eine gar zu geringe Seelenzahl nicht annehmen. . L. Abstammung. Der Abstammung nach ist die Bevölkerung folgendermaßen zusammengesetzt: , 1) Ureinwohner, die Perser und Meder.*) Als l Prototyp der erstern gilt die kleine Zahl der Gebern in Dezo und Kirman, ihnen am nächsten im Typus stehen die Luren, Legs und die Einwohner von Kirman, Iezd und Schiraz; als Prototyp der Meder, doch durch die Sumpfluft ziemlich modiftcirt, sind die Einwohner am Kaspischen Meere anzusehen, die Mazanderaner (Topyren) um Balafrusch (Tabe-ristan) und Gilan'er. Beide UrVölker finden sich auch häufig zerstreut, in Turkistan und Afghanistan unter dem Namen , der Tädschik, in Indien als Parsis. 2) Türkisch-tatarische Stämme wohnen vorzüglich ^ in Azerbeidschan bis gegen die Mitte Irans, doch sind auch .große Stämme und Zweige in den verschiedenen Gegenden des Landes vertheilt, so um Hamadan (Ecbatana), Schiraz u. s. w. Sie datiren von den Einbrüchen des Dschengis-Chan und Teymur leng (Tamerlan). Auch in den russischen Besitzungen von Transkaukasien sind die Turko-Tataren überwiegend. *) Der Name Perser (iai^i) hat sich wohl erhalten, jener der Meder aber ist jetzt im Lande gänzlich unbekannt, weil sie durch Irruption türkischer Stämme fast ganz verdrängt wurden. Doch versteht mau gewöhnlich unter Farsi nur den Einwohner der südlichen Provinz Fars, denn der Perser nennt sich Irani und fein Land Iran. b 3) Mischlinge aus den häufigen Kreuzungen der Ureinwohner mit den Turko-Tataren. Und zwar erhielt sich in den Städten mehr der persische, auf dem Lande mehr der türkische Typus, weil die Gewerbtreibenden stets den Iranern angehören. 4) Kurden. Sie blieben meist in ihren Stammsitzen im Elwendgebirge; einzelne Zweige wurden zwar auch in andere ferne Provinzen versetzt, so nach Chorassan u. s. w., sie hielten jedoch überall fest an Namen, Sprache und Sitte ihrer Stammesgenossen. 5) Araber, bestehend aus einzelnen zersprengten eingewanderten Stämmen, die zum großen Theil zu Zeiten der Eroberung durch die Moslems im Lande zurückblieben; sie behielten zum Theil ihre Sprache bei, zum Theil nahmen sie das Persische an. Ihr Hauptsitz ist am Persischen Meerbusen. 6) Armener und Kaukasier, welche theils freiwillig ins Land zogen, theils mit Gewalt dorthin versetzt wurden; selbst zu Ende des vorigen Jahrhunderts wurden nach der Eroberung von Tiflis durch Aga Muhamed Chan noch viele Familien nach Nähawend und Käkawend versetzt und zur Annahme des Islams gezwungen. 7) Abkömmlinge aus den Kreuzungen der Ureinwohner mit Armenern und Kaukasiern, besonders von mütterlicher Seite. Die Perser besitzen nämlich eine besondere Vorliebe für blendendweiße Hautfarbe und nahmen sich häufig Weiber aus diesen Stämmen, sei es durch Güte oder mit Gewalt, daher in den angesehenen Familien viel armenisches Blut zurückblieb. Die hellblaue oder meergrüne Farbe der Iris spricht oft deutlich für solche Vermischung, manchmal gelingt es auch durch Nachfrage sie festzustellen. 6) Nestorianer oder Chaldäer. Sie nähern sich dem Araber-Iudentypus und wohnen um den Urumiehsee, auch zerstreut in Kurdistan. 6 9) Juden. 10) Wenige Afghanen und Beludschen. 11) Turkomanen, rein mogulischer Rasse. Sie wurden meist als Gefangene und Geiseln ins Land gebracht, wo sie dann blieben. 12) Abkömmlinge aus Kreuzungen mit den Mogul en, in den nordöstlichen Grenzprovinzen vorkommend, so in Chorassan. 23) Zigeunerstämme. 14) Zengebarer und Abyssinier, als Sklaven eingeführt. 15) Eine sehr kleine Zahl von Berbern, aus der Nähe von Kabul. Sie bewohnen in Teheran ein eigenes Viertel, das Berbernquartier genannt. 16) Nachkömmlinge von Russen und Polen, welche in frühern Zeiten desertirten, sich zum Islam bekehrten und sich im Lande ansiedelten. 17) Die kleine Colonie der Europäer, welche sich zeitweilig im Lande aufhalten. 18) Früher war eine große Anzahl Hindu (Banianen), meist Kaufleute, im Lande, jetzt beschränkt sich ihre Zahl nur auf wenige Derwische. Der Ureinwohner (Perser und Mcder) ist von ziemlich dunkler Hautfarbe, nie so weiß wie der Europäer oder der unter ihm lebende Armener; die Iris ist hellbraun (selten schwarz), das Haar schlicht (nie kraus) und dunkelkastanienbraun, der Bart sehr entwickelt und dicht, der Schädel schön oval, die Stirne nur mäßig hoch und an den Schläfen abgeplattet; die Augen sind groß mit gewölbter Hornhaut und langem obern Lid, das oft einen großen Theil der Cornea bedeckt, die Augenbrauen bogenförmig gewölbt, über der Nase zusammengewachsen, die Wangen wenig 7 fleischig ohne Incarnat, die Lippen dünnanliegend, das Kinn schmal, der Hals nie lang, der Kehlkopf wenig hervorragend, der Brustkorb breit und entwickelt, die Hüften und das Becken der Frauen weit, die Knochen dünn, die Extremitäten gut entwickelt, um die Gelenke zart, die Hände und Füße von besonderer Schönheit, der Haarboden sehr dicht, der Körper stark behaart. Er setzt unter keinen Verhältnissen des Lebens viel Fett an, während man andererseits exquisite Magerkeit ebenso selten findet. Ich sah im ganzen nur drei fette Perser, doch auch nicht in dem Maße beleibt, daß ihnen das Reiten sehr beschwerlich gefallen wäre. Seine Statur ist über der mittlern Infanteriegröße; auffallend hohe und schlanke, andererseits sehr kleine Individuen finden sich selten. Meinen Landsleuten, den Herren Offizieren, war dieses Verhältniß so auffallend, daß sie mich oft darauf aufmerksam machten. Seine Gesichtszüge sind ernst, doch weder so scharf noch andererseits so schlaff oder carnkirt wie die mancher Europäer; denn der Perser läßt sich nicht durch heftige Gemüthsaffecte erregen, vielmehr ist es ihm Sache des Studiums uud der Gewohnheit, sich wenigstens äußerlich zu beherrschen, daher vermeidet er Geberdenspiel und Gesticulationen, die ihm am Europäer vor allem auffällig sind. Im ganzen bietet er in seiner Körperbildung den schönen kaukasischen Typus und unterscheidet sich dadurch unverkennbar von den mit ihm zusammenwohnenden Nationalitäten, besonders von den Tataren, Armenern und Juden; auch in seinem Wesen findet sich nichts von alledem, was den Südländer und den Semiten zu charakterisiren Pflegt, j Unter den höhern Klassen, ferner unter den Beamten und Schriftgelchrten, den sogenannten mir^a, inustM (Secretäre), niu1iaii-6i- (Stilisten), ivuuäclii (Correctoren), sowie unter den zahlreichen Luxusdienern, begegnet man häufig Charakteren, deren Prototyp in dem Noman „Hadschi 8 Baba" von Morrier unübertrefflich geschildert ist. Der Perser hat einen eigenen Namen für sie geschaffen, er nennt sie üi2u1, und ihr Benehmen, ihr ganzes Thun und Lassen ku2uU. Der Fuzul ist ein Mensch, der sich den verschiedensten Verhältnissen anzupassen, überall aber auf seine Weise Profit (uiNääebei) zu machen und fremdes Gut an sich zu ziehen, nach persischem Ausdruck „zu essen" versteht. Er ist vorwitzig, zudringlich, kennt alle Stadtneuigkeiten und trachtet sie auszubeuten. Kriechend wie ein Wurm vor den Obern, ist er voll Anmaßung gegen den Untern, den er seine Autorität bei jeder Gelegenheit fühlen läßt. < Er lügt aus System, spricht nur dann die Wahrheit, wenn es ihm von großem Nutzen sein kann, verbreitet falsche Nachrichten, intriguirt und verleumdet; er sucht auf alle Weise denjenigen niederzudrücken, der ihm einst nützlich war, denn er will nicht dankbar sein; er kann es nicht ertragen, eine Verpflichtung gegen jemand zu haben. Er weiß einige Gedichte, Verse und Epigramme zu citiren, und hat stets eine geeignete Bemerkung in Bereitschaft. Er schickt sich in alle Lagen des Lebens und ist zu allem brauchbar, zum Minister wie zum Pferdeknecht. Er betheuert jedes Wort durch einen Eid; auf der Unwahrheit ertappt, bekennt er ohne Scheu und ruft: „6au obui-ä6m!" (Ich aß Koth!) In Ispahan besonders gibt es Fuzuls von reinstem Wasser, daher Morrier weislich den Helden seines Romans dort erziehen läßt. Ein Muster von Fuzul war der vorige Großvezier, Mirza Aga Chan, selbst für die Perser ein Phänomen, man nannte ihn luxui idns lu2^1 (Fuzul Sohn des Fuzul). Er gelangte unter Mehmed Schah in den Staatsdienst; der damalige Minister, Hadschi Agassi, gegen den er intriguirte, äußerte sich über ihn: „Wenn der Diw von Demawend^) auf die Ebene Teherans herabsieht *) Der Berg Demawend bominirt bekanntlich die Ebene von Rages 9 und daselbst den Aga Chan bemerkt, so zieht er sich bescheiden zurück, denn er erkennt, daß er einen Meister gefunden." Der europäische Reisende kommt meist mit Leuten dieser Kategorie in Berührung, er ist daher leicht geneigt, die Caricatur Morrier's für Wahrheit zu nehmen und das Charakterbild einer gewissen Menschenklasse irrthümlicherweise auf den Kern der Nation zu übertragen. Der Perser ist im allgemeinen habgierig, er liebt, viel / Geld zu erwerben, ohne die Nechtmäßigkeit der Erwerbsquelle zu prüfen, doch gibt er es ebenso leicht wieder aus, um Luxus zu entfalten. In gewisser Beziehung geizig, kennt er doch in Sachen der Liebe keine Sparsamkeit. Er klammert sich fest an seine Familie, an seinen Stamm, jedes Glück oder Unglück, jede Erhöhung oder Erniederung als solidarisch betrachtend. Verrath in der Familie ist fast unerhört, und findet dann die allgemeine Verachtung, selbst wenn er^ zum allgemeinen Besten diente. Für Tugend, Dankbarkeit, Neue, Ehre und Gewissen hat die persische Sprache kein Wort, trotzdem sie sonst sehr fein ausgebildet ist. Tugend wird gewöhnlich mit tsskxvü. übersetzt, doch dieses Wort bedeutet Frömmigkeit, d. h. einen dem Ritualgesetz gemäßen Lebenswandel; das Wort liunusr bedeutet nicht Iionoi-, sondern die Fähigkeit und Tüchtigkeit zu einem Gewerbe, daher sagt man ustü, Iiunusr äüreä (der Meister hat Nefähignng); nemeks Iisslki und nsuielcs Iissru.ni (erlaubtes und unerlaubtes Salz), welches man gewöhnlich gleichbedeutend mit Dank und Undank nimmt, bezieht sich buchstäblich auf Erwiderung und Vernachlässigung der Gast-frenndschaft; p68- der Bibel), und zur innern Bekleidung einen moirirten Seidenstoff, okäi-z (^^). Es ist hiernach klar, daß die Uebersetzung dieser Worte mit Farben leine richtige fein kann. 27 Eingang des Buchs ist so vortrefflich, daß es höchst wahrscheinlich ist, der Autor habe sich an Ort und Stelle befunden. 3) Die Könige residirten allerdings in Susan, dem soimsod (Schön) der Perser. Diese Stadt liegt in Arabistan; im Winter ist der Aufenthalt dort sehr angenehm, dagegen soll er, nach der Aussage vieler Augenzeugen, besonders des Gouverneurs Chanler Mirza, im Sommer unerträglich sein; die Hitze ist dann so groß, daß sich während des Tags kein Raubthier aus seiner Höhle herauswagt. Es war daher der persischen Sitte angemessen, daß der König in einer Berggegend sein Lagerzelt aufschlug. Zu diesem Zweck findet sich in der Nähe kein günstigerer Platz als Hamadan, am Fuße des Elwend, wo zahlreiche Bäche sich in die Ebene ergießen und sie befruchten. Der Perser rechnet noch heute diese Ebene zu den Deiloks, Sommerquartieren der Nomaden. Die Juden zeigten mir vor der Stadt einen geebneten Hügel, Mussella genannt, auf dem des Königs Ahasverus Zelte gestanden haben sollen. Möglich also, daß Esther während des Sommeraufenthalts starb und dort begraben wurde. 4) Nach orientalischen Verhältnissen ist es nichts Ungewöhnliches, daß ein König im Rausche oder wegen einer Laune ein Weib hinrichten läßt, daß er dann ein Mädchen aus dem Volke, ohne nach deren Herkunft und Charakter zu fragen, heirathet, und daß diese ihn durch ihre Körper- oder Geistesvorzüge derart für sich einzunehmen Weiß, daß sie Einfluß auf die Staatsangelegenheiten ausübt. 5) Ebenso ist die Scene mit Haman, wo ein bis dahin allmächtiger Minister sammt seiner Familie ins Verderben gestürzt wird, unter dem Vorwande, daß er seine Augen bis zur Sultanin zu erheben gewagt, eine solche, wie sie sich im Orient jeden Tag wiederholen könnte und in der That während meiner Anwesenheit in ähnlicher Weise sich zu- 28 getragen hat. Nasser-eddin Schah heirathete ein Mädchen von niederm Stande, Dscheiram Chanum; bald war ihr Einfluß über den König so mächtig, daß alle Frauen verdrängt und ihr Sohn als legitimer Erbe erklärt wurde. Großvezier war Mirza Agha (5han. Als kurz darauf der Kronprinz erkrankte, berief die Mutter zu seiner Behandlung den Iudenarzt Hak-Näzar. Sie schöpfte Verdacht, der Knabe sei durch Vermittelung des Großveziers vergiftet worden, und in diesem Verdacht bestärkte sie der Arzt. Der Knabe starb. Nun wollte sich der Großvezier an dem Arzte rächen und dessen Familie ins Verderben stürzen. Doch die einflußreiche Mutter schützte denselben und brachte es vielmehr dahin, daß der Minister selbst gestürzt wurde. Nur durch Zufall konnte er sein Leben retten. Der König fragte die Sultanin, was sie noch begehre? Sie antwortete: „Die Kinder, Brüder und Onkel des Ministers sind mir im Wege." Und alle wurden zwar nicht wie die Söhne Haman's an den Galgen geschlagen, aber gefoltert, ihres Vermögens beraubt und ins Exil geschickt. „Und Mordechai (d> i. Hak-uisLar) war groß und angesehen unter seinem Volke" (Buch Esther, X, 3). Tie Gebern oder Zerduschti, d. i. Zoroastriner, wie sie sich nennen, leben noch in kleiner Seelenanzahl in den Städten 2)ezd und Kirman. Angeblich Götzendiener, wären sie schon längst ausgerottet worden, wenn sie nicht einen Freibrief vom Khalifen Ali besäßen*) und unter dem Schutz der indischen Pharsis ständen. Letztere schicken ihnen jährlich erhebliche Summen, um den Erpressungen der Gouverneure zu ge- 5) Er wird in der Stadt Yezd aufbewahrt. 29 nügen, denn es liegt ihnen sehr daran, daß ein kleiner Rest ihrer Glaubensgenossen im Mutterlande zurückbleibe und das heilige Feuer wahre, deshalb trachten sie, eine gänzliche Auswanderung zu verhüten. Ein Delegat, der Manuktschi Sahib, wurde von ihnen nach Teheran geschickt, der für die persischen Gebern die Erlaubniß auswirken sollte, erstens die Steuern von Indien aus zu zahlen, zweitens eine Erziehungsschule zu gründen. Beide Gesuche aber hat die Negierung abgelehnt, das erstere, weil sie einen Eingriff in die Souveränetät darin erblickte; das letztere, weil sie keine Un-terrichtsanstalt zum Götzendienst gestatten könne. Vorzüglich leiden die Gebern dadurch, daß man ihnen ihre schönen Töchter entlockt oder mit Gewalt entführt und dann unter dem Vorwande, sie seien bereits Muselmanen geworden, deren Zurückgabe unbedingt verweigert. Unter diesen Verhältnissen und wenn die Bedrückung in derselben Weise fortdauert, ist vorauszusehen, daß binnen nicht ferner Zeit das Land von Christen, Juden und Gebern gesäubert sein wird; „man bedenkt nicht, welcher Schaden dadurch für den Schatz des Königs erwächst" (Buch Esther, VII, 7). Die Gebern stehen als Kaufleute und Oekonomen im Ruf des Fleißes, der Ausdauer und Redlichkeit; sie vermitteln den Handel mit Indien und haben eigene Karavanserais in Teheran, Ispahan und Schiraz. Sie sprechen untereinander altpersisch, ihre Priester heißen Mabeds. Als Begräbnißstätten, dergleichen sie eine bei Teheran haben, dienen ihnen isolirte Plätze, wo die Todten bekanntlich den Raubvögeln zum Fraß ausgesetzt werden. Nach dem persischen Gesetz für unrein geachtet, dürfen sie nicht die öffentlichen Bäder besuchen, sondern nur die der Armener und Juden. Von religiösen Festen haben sie mit den Persern nur das Neujahrsfest (Nauru?) gemein, oder besser gesagt, diese mit ihnen, weil die Perser es von den Gebern beibehielten. Obwol der Schah von anderer Religion ist, betrachten sie ihn äs faew doch als legitimen Herrscher, und zollen ihm als Nachfolger von Käüs nnd Dschemschid Verehrung. Ihre Seelenzahl beträgt, nach genauer Zählung, zwischen 8 und 9000. Tnrlomanen. Mogulen reinen Bluts, Abkömmlinge von Turtistan, sind wenige als Geiseln aus dem Stamme der Goklan in Teheran zu finden. Sie zeichnen sich aus durch gelbliche Hautfarbe, breite Backenknochen, breite Stirn, schiefe, kleine Augen, breite Nasenwurzel, sodcrß oft dio Augen mit dieser in einer Fläche zu liegen scheinen, und langen, dünnen Schnurr« und Knebelbart (i-isolis kusssk) bei vollkommenem Abgang des Backenbarts. Als Geiseln beziehen sie zum Theil vom Staate eine Pension, zum Theil leben sie als Kurschmiede und verfertigen als solche schöne Pferdedecken und Waschbeutel. Ihr Leben ist sonderbar mit dem des Pferdes verwebt, für welches Thier sie eine eigene Zärtlich--keit an den Tag legen. Ich sah oft acht- bis zehnjährige Gotlankinder auf hohen Turkomanenrossen; während des schnellsten Galops umhalsten die kleinen Reiter ihre Pferde und bezeigten ihnen allerhand Liebkosungen. An vielen Einwohnern von Chorassan ist die Kreuzung mit der turkoma-nischen Rasse nicht zu verkennen. Nach officieller Zählung vom Jahre 1855 gab es in Persien 22475 Turkomanen-Familien oder richtiger Zelte (Kar»,-t8ok».Hin6 okii-sk) und an Mem entschlossenen Auftreten zu erkennen. Sie leben nur in kleiner Zahl, als Flüchtlinge, von Stipendien des Schah, daher man sie unter dem Volke spottweise inusoiw-oliaLinsli, d. i. die Mäuse des Staatsschatzes, nennt. Neludschen sind nur hier und da, als Sklaven, zu finden, sie nähern sich dem Hindutypus. Kreuzungen des Iran'schen und Ve-ludschenblutes aber trifft man sehr häufig an, namentlich in Sistan. Zigeuner (lil»i!i, kus»lzcbl) finden sich als wandernde Stämme (ils) in, vielen Theilen des Reichs. In Physiognomie, Sitten, Gebräuchen, Lagerung, Lebensweise, Annahme jedweder Religion und Halten an keiner, gleichen sie vollkommen ihren Stammes-genossen in Europa. Sie sind bekannt als muntere Tänzer *) Die meisten statistischen Angaben über Turkomanen verdanke ich meinem Freunde Dr. I. C. Hä'ntzfche, welcher acht Jahre in Rescht am Kaspischen See als Arzt gelebt hat. und Musikanten; sie prophezeien aus den. Lineamenten der Hand, aus dem Würfeltnochen der Schafe, oder aus einem gedruckten Blatt.*) Sie treiben das Schmiedehandwerk, machen schöne Ketten und Siebe, flicken Kessel, verzinnen Geräthschaften und bilden eigene Ils unter einem Nomaden-chef. Sie gelten auch als gute Läufer, daher alle Schatirs (Läufer) des Königs ihrem Stamm angehören. Dic Ncinc Colunie der Europäer umfaßt, mit Ausschluß der Gesandtschaften und Consulate der verschiedenen Mächte, eine beschränkte Anzahl von Kaufleuten (Franzosen, Griechen, Deutsche, Schweizer und Russen), einige im Dienste des Königs stehende Offiziere, Aerzte und mehrere zugewanderte Handwerker, im ganzen kaunl mehr als hundert Individuen. Sie leben in Tabris , und Teheran, drei Familien in Rescht, eine in Schiraz. / Der Europäer findet sich hier nicht heimisch, sondern isolirt l und von den Eingeborenen gemieden. Mancher ist unfreiwillig im Lande geblieben und liegt in persischer Erde begraben, aber disjetzt kam kein Fall vor, daß ein Europäer Persien als zweites Vaterland adoptirt hätte, wie dies in Aegypten und der Türkei häusig der Fall ist. Durch. die Schwierigkeit der Communication mit Europa von der civilisirten Welt abgeschnitten und ganz auf sich beschränkt, von der weiblichen Bevölkerung durch Gesetz und Sitte so vollständig getrennt, daß er kaum in Jahren ein ') So erzählte mir vi. Cloquet: „Als ich im königlichen Lager zu Sultanieh war, tam eine Zigeunerin und wollte mir aus einem großen Blatte wahrsagen; ich erkannte eine Nummer des «Journal lie« DädHts», die ihr, wie ich später erfuhr, General Ferner filr einen geleisteten Dienst geschenkt hatte." Polal. Persic». I. ' 3 34 unverschleiertes Gesicht erblickt, ändert der hier lebende Europäer mit der Zeit seinen Charakter und seine Lebensweise; er verliert die Thatkraft, nimmt viel von den Gewohnheiten des Landes an, wird ungesellig und mürrisch, und lebt in steter Feindschaft mit seinen Leidensgenossen. Wenn der Auswanderer aus Europa in den Orient kommt, findet er den fetten Boden brach liegen; er glaubt daher, bei mitgebrachter Energie und gutem Nilleu bald eiueu guten Anbau machen zu können, und erwartet mit Zuversicht eine reiche Ernte. Nach einiger Zeit wähnt er sich auch wirtlich dem angestrebten Ziele näher und bereits eine durch seinen Einfluß hervorgebrachte Aenderung zu verspüren; aber nach Verlauf von Jahren muß er zu seinem Schmerz bekennen, daß nicht die Orientalen sich geändert haben, sondern daß er selbst sich geändert, daß er selbst ein halber Orientale geworden ist. Nur der gebildete Manu mit wissenschaftlichem Streben und Interesse für Land und Volk findet hier für längere Zeit Befriedigung; der Ungebildete wird bald des Lebens müde, ergibt sich, wie es häufig der Fall ist, um sich zu betäuben, dem Rausch, oder begeht Handlungen, die eines moralischen Menschen unwürdig sind. Leider gibt niemand so rasch seinen Nationalcharakter in der Fremde auf wie der Deutsche. Schon nach knrzer Zeit affectirt er, seine Muttersprache vergessen zu haben, er macht Fehler im Geschlecht der Hauptwörter, spricht mit fremdländischer Betonung, oder zieht es vor, französisch oder italienisch zu radbrechen, und schämt sich seiner Neuangekommenen „weniger gebildeten" Landsleute. In der Türkei und in Aegypten konnte ich Aehnliches vielfach beobachten. Solche Leute geben sich als Affen dem Gelächter jedes Verständigen preis. 35 0. Stande. Es gibt in Persien durchaus keine grellen Kasten- oder Ständeunterschiede, keinen eigentlichen alten Adel. Einen Stammbaum besitzen nur einige Chefs von Nomadenstämmen, welche ihr Geschlecht aus- den Zeiten Dschengi's, Tamer-lan's und selbst von den Sassaniden ableiten. Man hört zwar oft das Wort iiLäkoK^bst (Adel) und nkääckid (adelich); es wird jedoch darunter mehr die Stellung, welche das Individuum in der Gesellschaft einnimmt, verstanden. Bei dem fabelhaft schnellen Glü-ckswechsel, wie. man ihn nur in diesem Lande sieht, steigt eine Familie plötzlich, nimmt alle Civil- und Militärstellen ein und wird nedschib, um ebenso rasch zu sinken und in Vergessenheit zu gerathen. So gibt es im Lande wenige Familien, welche durch drei Generationen (pu8«1it äar pu8vi8 (Schreiber des Heeres) zu, welcher vom Brot des Soldaten „mitißt". <"^ Die Seiiden, d. i. Abkömmlinge des Propheten, bilden /wenigstens den fünfzigsten Theil der sämmtlichen Bevölkerung; es gibt ganze Ortschaften, welche nur aus Seiiden bestehen. Sie sind unter allen Ständen verbreitet: Priester, Kaufleute, Beamte, Gewerbs- und Landleute, und unterscheiden sich durch die blaue oder grüne Farbe des Gürtels oder des Turbans. Sie besitzen in der Regel einen eigenen, die arabische Abstammung verrathenden Typus; doch sah ich auch einen Seiiden — er kam als Gesandter von Buchara nach Teheran —, welcher den mogulischen » Typus zeigte. Es genügt ein grünes Tuch um die Lenden zu schlagen, um an einein fremden Ort als Send zu gelten. Die Abstammung in Frage zu ziehen, ist schon deshalb Blasphemie, weil man damit einen Abkömmling des Propheten, wenn auch nur momentan, für einen Bastard erklären l würde. Zufolge der Straflosigkeit, welche die Seiiden meist ^ vor dem Gesetz genießen, hat sich unter ihnen eine hübsche Anzahl von Schurken, Gaunern und Urkundenfälschern herausgebildet. Daher sagt das Sprichwort: „Der Seiide ist ohnehin schwer zu behandeln; war er jedoch noch über- 39 dies in Mekkeh, so ist er dem Teufel zu schlecht." Besonders mag sich der Europäer hüten, mit dieser Klasse in Streit zu gerathen; er kann sich leicht böse Händel zuziehen, nnd trachte daher, ihnen womöglich auszuweichen. Lutis entsprechen den Rowdies in Nordamerika; es sind Leute, die den biblischen Lot zu ihrem Schutzpatron erwählt haben, nachts auf Beute und Händel ausgehen, dem Wein und Spiel anhängen, und gern Verwirrung, oft nur des Spaßes, oft aber auch des Vortheils halber anstiften. Sie tragen im Gurt einen Tscherkessendolch als Waffe, die Mütze sitzt ihnen schief auf dem Kopfe. Man findet ihrer in allen Städten und unter allen Ständen-; vorzüglich gehören ihnen die Athleten (Mki^vtwg), Affen-, Bären-und Löwentreiber, Tänzer u. s. w. an. Als sehr unternehmende Lutis sind die von Täbris, Schiraz und Ispahan berüchtigt. Die Protection einiger Lutis kann dem Europäer zu zeiten sehr nützlich sein! Denvische. In frühern Zeilen gingen aus dieser Klasse die edelsten Denker und die begabtesten Poeten hervor; wir wollen nnr an die gefeierten Namen eines Saadi und Hafts erinnern. Doch jetzt bilden sie eine Klasse von Landstreichern, Bänkelsängern und Märchenerzählern ohne besondere Bildung. Für jeden Erwerb zu indolent, entsagen sie dem Besitz und leben sorglos von einem Tag auf den andern. Viele von ihnen sind Hindu, andere sind Perser, selbst Söhne angesehener Familien, einige sogar Prinzen; der Bruder des Finanzministers schloß sich ihnen an. Unbekümmert um Habe und Vermögen, durchstreifen sie mit dem Stock, dessen Griff die' Worte M ali bildet, mit der Derwischmütze, einem Tigerfell, einem Steinbockhorn und der Bettelschale aus Kokos (kMäoliKnI) die verschiedensten Länder und Gegenden. Mit dem Nufe ^ Kak (o Wahrheit) hält der Derwisch dem Europäer seine Schale hin und 40 verlangt ein 8akid Kran (etwa ein halber Gulden); gibt man ihm weniger, so wirft er es oft stolz von sich. Manche von ihnen treiben sich halbnackt und barhäuptig in den Ruinen herum; andere beobachten eine gewisse Eleganz in der Kleidung, diese nennen sich akls ilxää (die freien Leute). Fast alle rauchen das Beng (ein Haschischpräparat); viele werden davon stumpfsinnig, mehr dem Thier als dem Menschen ähnlich. Obwol es bekannt ist, daß sie weder an Mohammed noch Ali glauben, sondern im Herzen Theisten oder Pantheisten sind und an die Seelenwanderung glauben, so z genießen sie doch überall eine gewisse Achtung unter dem Volk. Niemand wagt es, sie barsch abzuweisen oder sie gar rauh zu behandeln. Ein Derwisch durchzog viele Jahre lang die Straßen Teherans, selbst die Plätze der königlichen Burg, und rief mit lauter Stimme „Alian, Alian!", ein mystisches Wort, dessen Bedeutung niemand verstand; or störte nachts die Ruhe der Bewohner, doch niemand wagte, ihm zu nahe zu treten, ja er fand mit der Zeit Verehrer, der Schah selbst konnte seine Ercursionen nicht hindern. Viele von ihnen geben vor, Alchymie zu treiben, locken als Adepten bedeutende Summen ab und verschwinden dann spurlos. Als Bänkelsänger und Märchenerzähler sind sie unübertrefflich. Durch wohlbemessene Pointen wissen sie die Aufmerksamkeit des Publikums zu fesseln. In dem spannendsten Moment der Entwickelung unterbrechen sie ihre Erzählung — gerade wie in den Nächten der arabischen Märchen —, um die Spende einzusammeln und am andern Tage fortzufahren. Dieso Erzählungen, in gutem Stil und reiner Sprache vorgetragen, verbreiten die Kenntniß der persischen Sprache und Poesie unter dem Volke, und leisten in dieser Beziehung unendlich viel mehr als unsere Landbühneu, die leider nicht selten sogar den Verderb der Sprache befördern. Soldaten heißen persisch »si-da?, d. i. Leute, welche 41 mit dem Kopf spielen, ihn einsetzen, obwol der Name maäsdäx (die den Magen einsetzen) richtiger wäre, denn sie > sind nebst den Rayets die wahren Schmerzenskinder des Landes. Sie werden meist aus den türkischen Stämmen des Nordens genommen, ans Azerbeidschan, Märageh, Hama-dan und Chamseh; nur einige Regimenter stammen aus Irak und Kurdistan. Die Kaschaner sind seit jeher von der Beisteuer zum Contingent befreit, weil sie als furchtsam gelten; von ihnen circulirt die Anekdote, daß einst ein heimkehrendes Regiment Kaschaner einige Mann Bedeckung zur Sicherheit auf dem Marsche verlangt habe. Christen und Gebern sind ebenfalls vom Kriegsdienst befreit; der Emir nizam hatte zwar ein Regiment aus den Chaldäern aus» gehoben, sie wurden jedoch unter dem folgenden Großvezier wieder entlassen. Dies hindert indeß nicht, daß mehrere Armener als höhere Offiziere und Generale in der Armee dienen, so Dawud Chan Gurdschi, Dschibrail Chan, u. a. Letzterm hat der König sogar im Sommer 1859 die Obhut über das königliche Lager in Niaveran und hiermit die Sicherheit seiner Person und seines Harems anvertraut. Die gesammto Wehrkraft des Landes zerfällt in die! reguläre (ni?üm) und irreguläre (iNäil) Truppe. Die/ Nä'oifs bestehen aus Fußvolk mit Flinten bewaffnet (w> i'6nkt8c1ii) und aus Cavalerie (^väreli i'-cciik); sie sind meist zum Schutze der Grenzen gegen feindliche Einfälle bestimmt. Diese Truppe muß sich selbst equipiren; sie erhält erst dann die Löhnung, wenn sie, für den Dienst oder eine Expedition (»stLr» verwendet, die Musterung des Königs oder des Gouverneure» passirt hat. Es ist genau bestimmt, wieviel Mannschaft ein jeder Stamm stellen und ausrüsten muß; auch die Dienstzeit ist festgesetzt. Da jeder Chef seine Leute kennt und es auch in seinem Interesse liegt, schöne, schlagfertige Truppen zu haben, so sind sie meist stattlich 42 betleidet und auf guten Pferden beritten. Ich begleitete oft den König zur Nevue. Die Mannschaften sahen gut und tüchtig aus; fast alle Flinten waren mit Silber beschlagen, die Pferde kräftig und wohlgenährt. Ihre Bestimmung ist ahnlich wie die der Kosacken; sie plündern, schaffen Proviant, beunruhigen den Feind, machen nächtliche Uederfälle, und leisten besonders gegen die Angriffe der irregulären Cava-lerie der Turkomanen die vortrefflichsten Dienste. Ueberhaupt wurde jede tapfere Waffenthat während meiner neunjährigen Anwesenheit nicht von der regulären, sondern von der irregulären Truppe ausgeführt. Sie stehen immer unter dem Commando ihres Tribuschefs oder seines Sohnes. Die reguläre Truppe besteht aus Fußvolk (piädek uiöäni), Artillerie (tubokänsk) und aus etwa 300 Mann Cavalerie (8vüx<3il) ist nicht über 7 Fuß hoch; die Thür, mit großen eisernen Nägeln beschlagen, ist immer ver-'chlossen und öffnet sich nur auf den Schlag eines daran befestigten Fallhammers. Man gelangt in eine kleine gewölbte Vorhalle (äiUiw), den Sitz des Thürhüters (lz^Molii), und von dort in den viereckigen Hof des Männergemachs; denn jede Wohnung ist in zwei Abtheilungen geschieden: in das Birun oder Männergemach, den Aufenthaltsort des männlichen Gesindes, wozu auch dem Fremden der Zutritt gestattet wird, und in den Enderun oder Harem, welcher nur den Frauen, dem Hausherrn und einigen wenigen (malirnm) zugänglich ist. Der Hof (iiwM) bildet ein Parallelogramm, an dessen drei Seiten, zwei Fuß über der Boocnfläche, Zimmer und Cabinete sich befinden. Die Zimmer (5MK) sind alle sepa-rirt und communiciren nicht miteinander, so zwar, daß man von einem ins andere nur durch den Hof gelangen kann, weshalb ein jedes mit einigen Stufen zum Aufgang versehen ist. Diese Zimmer dienen zur Wohnung für das Gesinde, zu Küche, Magazinen, Kaffee-, Thee- und Rauchcabmcten. 58 Gegenüber dem Haupteingang befindet sich der große Saal (täi5n-), wo der Herr des Hauses die Gäste empfängt und die Tagesgeschäfte abmacht. Er ist sehr hoch und geräumig, mit vielem Luxus ausgestattet, mit Wandmalereien geschmückt und mit den kostbarsten Teppichen bedeckt. Zu beiden Seiten des Saals führen Treppen auf eine kleine Estrade, von wo der Eingang in den Talar stattfindet. Der Saal (^) bildet ein Parallelogramm mit vorspringendem Raum (F) gegen den Hof. Die vordere Wand (ckch besteht aus einem großen Fenster (ui-u«i). Auf dieses Fenster wird viel Kunst und Sorgfalt verwendet, es kostet oft die Summe von 2—300 Dukaten; die obere Hälfte desselben wird nämlich durch feingefügtes, einer zierlichen Stickerei ähnliches Holzwerk ausgefüllt, in verschiedenen geometrischen Figuren Sterne, Poligone und Flechtwerk der originellsten Art bildend, und dem Künstler liegt es ob, stets neue Muster zu erfinden, damit nie ein Fenster dem eines andern Hauses gleiche. In die Lücken des Flechtwerks werden verschiedenartig gefärbte Gläser eingesetzt, sooaß der Gesammtanblick den Figuren eines Kaleidoskops entspricht. Die untere Hälfte der Fensterwand wird durch fünf bis sieben senkrechte Balkensäulen unterbrochen, in welchen sich schwere Coulissenfenster bewegen, die zwar einfacher, doch ebenfalls mit buntfarbigen Gläsern versehen sind. Diese kostspieligen Fenster bieten 5l> zwar einen imposanten Totaleindruck, doch lassen sie sich wegen ihrer Höhe und delicaten Zusammensetzung sehr schwer rein halten und waschen; auch habe ich nie bemerkt, daß ein Perser es nothwendig fand, eine ähnliche Manipulation daran vorzunehmen. Daher füllen sich in kurzer Zeit alle Fugen mit Staub; die kleinen Glasstücke lösen sich ab, und der Wind pfeift dann ungehindert durch den Saal. Trotzdem wird nie ein Fenster ausgebessert, es wäre dies wider den Grundsatz des Persers. Im schlimmsten Fall werden die Lücken im Winter mit Papier verklebt, daher die Behauptung, das Fenstermachen sei cin dem Perser angeborenes Handwerk. *) Während des Tags werden die Fenster fast nie geschloffen, und es kommt dem Europäer sonderbar vor, im Winter bei offenen Fenstern ein lebhaftes Kaminfeuer brennen zu sehen. Das Schließen wäre auch wegen der vielen Lücken nur eitle Mühe. Dem schlechten Verschluß der Fenster und Thüren ist es zuzuschreiben, daß, obgleich die Erwärmung bei den ärmern Klassen mittels eines Kohlenbeckens geschieht, doch Fälle von Asphyrie durch Kohlenoxyd fast unerhört sind. Dank dieser mangelhaften Einrichtung ist der Geruch in persischen Zimmern nie so penetrant wie in Europa in den Wohnungen der Armuth, sowie auch deshalb die Skro- *) Der Emir tnbchane, Commandant dor Artillerie, wurde zum Aorwand einer Gelderpressung vom Großvezier aufgefordert, sämmtliche Rechnungen aus den dreißig Iahrcu seiner Verwaltung vorzulegen. Der arme Manu. der kaum nothdürftig schreiben konnte, war in großer Verlegenheit. Gedrängt wegen des Ausweises, sagte er endlich: ,,Da müßte ich ja alle Fenster hertragen lassen, denn an ihnen sind die Rechnungen aufgeklebt." Ein Geschenk von 5>000 Dukaten an den Vezier überhob ihn der Mühe de« Trausports. Als ausgezeichnetes Klebemittel dient das Pulver der Wnrzel von ^,»i)Iwä»lu8 (sei-igcii), welche sich häusig in den hoben Bergthälern findet. 60 fulose seltener und Erkältungskrankheiten fast gar nicht vorkommen. Zur Abhaltung der Kälte von 2—5 Grad N. dient ferner ein langer Rollvorhang, der die ganze fehlende Wand zu bedecken vermag. Die Thüren (clwr) bestehen aus zwei mit eleganten Arabesken, Vögeln und andern Thieren bemalten Flügeln. Sie haben eine wenigstens einen Fuß hohe Schwelle und sind fo niedrig, daß der Europäer, der an diese Einrichtung nicht gewöhnt ist, entweder mit dem Schienbein oder mit dem Kopf anrennt. *) Sie drehen sich nicht in Angeln, sondern um Zapfen, und werden nicht mittels Schnallen, sondern durch ein Kettchen, obeu an dem Querbalken, geschlossen. Uebrigens findet das Schließen der Thür während des Tags nie statt, welches auch bei der beschriebenen» Construction unnütz sein würde. Des Anstands halber ist an jeder Thüre ein Vorhang (pkräeli) angebracht, bei den Armen aus leichtem Baumwollstoss, bei den Reichen jedoch aus persischem oder indischem Shawl. Durch das gleichzeitige Oeffnen aller Thüren und Fenster, sodaß die Luft ungehindert von allen Richtungen eindringt, wird der europäische Ankömmling oft sehr beängstigt, denn er fürchtet die Zugluft; allein dies ist etwas, das der Perser nicht begreifen kann, er hat in seiner Sprache kein Wort für Zugluft; von Jugend auf daran gewöhnt, fühlt er vom Zug keinen nachtheiligen Einfluß. Dem Gast wird in heißen Tagen derjenige Ort als Ehrenplatz angewiesen, wo der *) Eg kamen mir bei Europäern Fälle schwerer Contufionen und selbst leichte Gehirnerschütterungen infolge des Anstoßens gegen den Thürbalken vor; doch nie begegnet ein ähnlicher Unfall einem Perser, weil er an die Construction gewöhnt ist, eine hohe Mütze trägt, deren Herabfallen ihn an die Pfoste mahnt, und der allgemeinen Sitte gemäß beim Paffiren durch einen engen Raum den Kopf nicht vorwärts, sondern rückwärts neigt, um das Hinderniß stets im Auge zu behalten. 61 Wind von allen Seiten durchstreicht und die Luft abkühlt. Tritt der Perser in ein geschlossenes Gemach/ so ruft er aus: „(^Mök 68t!" (Es ist erstickend!) und läßt sogleich alle Zugänge öffnen.*) Die innern Wände dieser Säle sind prächtig hergerichtet; eine Reihe Nischen (tHkt«oks), mit reliefartigen Gewinden und Arabesken verziert, zieht sich daran hin. Diese Reliefs werden aus freier Hand mit Kohle gezeichnet und dann geschickt in Stuck abgeformt; ich sah deren viele in Ispahan, welche an Leichtigkeit und Eleganz der Zeichnung wie an Feinheit der Ausführung alle Vorstellungen überboten. Um die Nischen herum, wie an den Karniesen und Vorsprüngen, überall befinden sich Malereien, Blumensträußchen, Blütenbüschel, Vögel und Frauengestalten in lieblichen Verschlingungen darstellend, die zwar der Perspective und des Schattens ermangeln, aber durch die anmuthige Erfindung und die Frische der Farben einen besondern Reiz gewähren. Den Glanzpunkt der Malerei und der Stuccaturarbeiten bildet der Plafond, auf dessen Ausschmückung die meiste Sorgfalt verwendet wird. Aus feinstem Spiegelglas gefügte künstliche Figuren wechseln hier mit bunten Gemälden in goldenen Rahmen, mit Porträts von Monarchen, Generalen, Frauen und Knaben, sodaß das Ganze einem Quodlibet nicht unähnlich sieht, Em^s«lcher Plafond mit seinen Stuccaturen, Malereien und Vergoldungen kostet oft 500—800 Dukaten, und bedenkt ^man dazu, daß die flachen Dächer selten einem anhaltenden Regen widerstehen, die durch Nässe entstehenden Beschädigungen aber niemals restaurirt werden, so muß man über die kin- *) Ich kannte nur zwei Perser, welche gegen Fugluft empfindlich waren; doch beide hatten als Gesandte lange Zeit in Europa gelebt, wo sie auf deren Schädlichkeit aufmerksam gemacht wurden. 62 dische Verschwendung staunen. In der Neuzeit begann man allerdings den Saal mit einem schrägen Dach (öckii^vüiii) zu versehen, allein das schlechte Bauholz verleiht auch diesem selten die nöthige Festigkeit. Der Estrich ist nicht gedielt, sondern nur mit einer glatten Gipslage überzogen; er wird mit den berühmten persischen Teppichen und Filzen bedeckt. Einen Teppich nach europäischer Weise über das ganze Zimmer zn spannen, ist nicht Sitte, weil die persischen Teppiche wegen ihrer Dicke und Dichtigkeit zu schwer gehoben oder transportirt werden könnten.*) Man belegt die Seiten mit zwei dicken Dezder-Filzen (IcsLnKi-L); zwischen beide wird ein feiner, gemusterter Teppich aus Farahan (^-Ui) gebreitet, und an die Thür kommt wieder ein schmaler Filz (86i'Q68t:liiii). Der oben mit F bezeichnete Naum am Fenster erhält den kostbarsten Teppich, den LclilUi-ne^cinn, d.i. Königs- oder Herrensitz. In einem der Seitenwinkel liegt noch ein dicker, feiner Flanell (paw),-meist carminroth, worauf der Eigenthümer oder Vorsitzende Platz nimmt. Bei den minder Wohlhabenden ersetzt die Stelle der theuern und schweren Teppiche ein steifes, festes, buntfarbiges Gewebe, welches sehr dauerhaft, zum Niedersitzen auf persische Weise aber nicht weich genug ist. Man nennt es 36liin, und es gilt sprichwörtlich als Zeichen der Genügsamkeit und *) Auf meiner Durchreise durch Ispahan wurde ich im Schlosse Anguristan einquartiert. Der Gouverneur befahl, mir einen Teppich unterzubreiten; elf Farasche (Diener und Aufwärter) schleppten sich damit, vermochten ihn aber nicht zu heben, sondern er mußte durch das Fenster hereingezogen werden. Dieser Teppich, von Schah Abbas stammend, war mehr als zweihundert Jahre alt und noch so gut erhalten, die Farben so frisch, die Zeichnung so zart, wie ich in dieser Art nie etwas Aehnliches gesehen. «3 der sich reich dünkenden Armuth der Derwische; so singt Saadi: Die ganze Welt genügt nicht dem Eroberer; Ein halbes Vrot und ein Gelim dem Derwisch. Ist ein Zimmer gehörig mit Teppichen versehen, so ist es auch nach persischen Begriffen vollkommen möblirt, denn von Möbeln und ihrem Gebrauch versteht der Perser nichts. Er schafft wol, in Nachahmung der Europäer, einige Sessel, an, macht aber fast nie Gebrauch davon; geschieht es ja einmal, so vergißt er sich beim Niedersetzen, schlägt die Beine unter und hat dann beim Aufstehen die größte Pein, sich zu erheben und das Gleichgewicht zu behalten. Als Schränke dienen die in den Mauern angebrachten Nischen; in diese werden die zum täglichen Gebrauch bestimmten Kleider, in Tücher (düelit^olik) eingewickelt, hineingelegt, während der übrige Vorrath in Koffern (^cliclün) aufbewahrt wird. Unter dem Talar befindet sich ein kellerartiges Gemach (2ir-26miii), der gewöhnliche Aufenthalt des Persers während der heißen Sommertage. Es herrscht darin eine angenehme Kühle, die jedoch dem Europäer nicht zusagt, er bekommt Kopfschmerz uud zieht bald die Hitze dieser künstlichen Kühle vor. Der Fremde thut daher wohl, das Zir-zemin zu jeder Tageszeit zu meiden. Abends und nachts ist der Aufenthalt darin auch dein Perser absolut schädlich, welcher ihn dann mit jenem auf der Plateforme oder dem Dache vertauscht. Um die nöthige Ventilation im Kellerund im Hauptgeinach zu unterhalten, ist eine eigene Vorrichtung angebracht; man nennt sie dl^ir (Windgreifer, Windfänger). Sie besteht in einem langen Schlauch, der, vom Keller aufsteigend, das Haus thurmartig 8—20 Fuß überragt. In der Mitte ist er durch Kreuzwände in vier gleiche Räume abgetheilt, während nach oben die Seitenwände fehlen und das Ziegelkreuz offen steht. Der Wind, 64 von welcher Richtung er auch kommen mag, verfängt sich darin; es entsteht zwischen der obern und der Kellerluft eine Circulation, oft in dem Maße, daß ein poröses, mit Wasser gefülltes Thongefäß, kurze Zeit dem Luftstrom ausgesetzt, frisch und kalt wird. An der Stelle, wo der Schlauch in den Keller mündet, hat der Boden des Saals eine vergitterte Oeffnung; dadurch entsteht auch dort ein starker Luftzug, der in einiger Entfernung erfrischend wirkt. Eine andere Einrichtung, um die Luft abzukühlen, ohne die unangenehme Nebenwirkung des Kelleraufenthalts ertragen zu müssen, findet sich in Häusern der Reichen, wo fließendes Wasser vorhanden ist; sie heißt «srä-üd und besteht aus einem ebenerdigen, etwas vertieften Zimmer oder vielmehr Durchgang, dem gegen die Gärten zu beide Wände fehlen. Durch die Mitte läuft eine Rinne mit fließendem Wasser. Der Durchzug der Luft, verbunden mit der Strömung und Verdunstung des Wassers, machen dieses Gemach zu einem sehr angenehmen, erquicklichen Aufenthaltsort in heißen Sommertagen. Für die Heizung wird, wie in allen südlichen Ländern, sehr wenig Sorge getragen; nicht etwa daß es in Per-fien nicht kalt oder die Kälte nicht empfindlich wäre, aber sie dauert zu kurz, und sich wegen einer vorübergehenden Un-gemächlichkeit in Mühe und Unkosten zu versetzen, das widerstrebt der Natur des Persers. Nur in Häusern der Reichen befinden sich einige kleine/ niedrige Winterzimmer, m welchen Kamine (duek5i-i) angebracht sind. Dieselben bestehen aus einer Höhlung in der Maue^, von wo ein Schlauch gegen das Dach steigt; die äußere Verkleidung ist mit Stuccaturen, Vergoldungen, Arabesken und mit Versen verziert. Man hüllt sich, wenn es kalt ist, in Pelzwerk, kauert nahe am Kamin zusammen und zieht so direct die Wärme ein, ohne viel von Rauch 6b belästigt zu werden, da dieser ungehindert durch die offenen Thüren und Fenster seinen Ausgang nimmt. Europäische Oefen behagen dem Perser nicht, denn er findet sich unbehaglich in geschlossenen Räumen, er klagt über stickende Luft und den unerträglichen Ofendunst (bucdär äüreä). Dagegen liebt er die europäischen Kamingeräth-schaften, womit er gern das Feuer schürt. Auf den ausgebrannten Kohlen pflegt er sich das in Stückchen geschnittene und auf den Spieß (siel,) gesteckte Fleisch selbst zu braten (8ie1ikNkäd), ein Geschäft, welches sogar der Schah zuweilen höchsteigenhändig verrichtet. Das Brennholz ist schlecht und theuer und verdient kaum diesen Namen, denn es besteht aus Gestrüpp und Wurzeln von verschiedenen Kräutern, wie Artemisien (Musokau), Astragalen (ßewenu) u. s. w., und aus dürren Aesten von Fruchtbäumen. Hier und da benutzt man das Holz der Bergcyprcsse und der wilden Mandelbäume. Es wird nach dem Gewichte gekauft; ein Chalvar (530 wiener Pfund) kostet durchschnittlich 0,8 bis 1,0 Dukaten. In sehr reichen Häusern wird manchmal ein großes Kohlenbecken mit wohlausgeglühten Kohlen (manual) ins Zimmer gestellt, doch ist dieser Gebrauch wegen der Kostspieligkeit seltener als in der Türkei. In den Harems hat man einen eigenthümlichen Wärmeapparat, den Kursi oder Tendur. Ueber ein kleines, mit Asche bedecktes Kohlenbecken wird ein Tischchen gestellt, darüber werden schwere, gut wattnte Wolldecken gebreitet. In dem dadurch gebildeten Naum finden vier Frauen, ins Kreuz gelagert, vollkommen Platz; nur der Kopf und die Hände bleiben frei; im Nucken dient ein Bündel Wäsche oder ein Polster zur Lehne. Sehr viele Perserinnen schlafen während des Winters unter dem Tendur. Die Gewohnheit macht sie fast unempfindlich gegen den schädlichen Einfluß; daß jedoch Polal, Peisien. I. 5 66 manche Genitalleiden von dieser Sitte herrühren, M wol nicht zu bezweifeln. Handwerker und Kaufleute, welche frei im Bazar hantieren, zünden ein kleines Kohlen- oder Holzfeuer an und erwärmen sich abwechselnd die erstarrten Finger. Der Verbrauch an Kohle ist in Persien sehr bedeutend; sie ist zur Bereitung von Thee, Kaffee, Narghile, Käbab (Braten) sowie für verschiedene Gewerbe unentbehrlich. Man bringt sie aus den Wäldern Masanderans nach Teheran, wo das Chalvar zwischen 1,8 bis 2,3 Dukaten kostet. Auch Steinkohlen finden sich in bedeutenden Lagern uud vortrefflicher Qualität. Wegen der mangelhaften Einrichtung der Oefen, und da sie zum Anzünden des Narghile untauglich sind, weiß man sie jedoch nicht zu verwerthen. Unralhskanäle hat man in den persischen Städten nicht, sondern tiefe Senkgruben, welche in einer gewissen Tiefe horizontal ausgebuchtet nnd erweitert sind. In Ispahan und andern Agriculturbezirken endet der Schlauch in ein minder tiefes, kellerartigcs Gewölbe, von wo aus die Excremente, mit Stroh und Abfällen gemischt, von den Landleuten als Dünger weggeführt werden. Wenn diese Transporte nur des Nachts geschähen und die Räumung in kurzen Fristen sich wiederholte, so wäre die Einrichtung in Städten von mittlerer Bevölkerung sowol für die Agricultur als auch für den Gesundheitszustand gewiß die zuträglichste. Der Abort besteht in einem kleinen Appartement über dem Schlauch, in dessen Mitte auf dem Boden ein länglicher Ausschnitt sich befindet, zu beiden Seiten mit einem Ziegel zum Daraufstellen der Füße versehen. Der Perser verrichtet die Nxcretio aivi 6t urinas in hockender Stellung, aus Furcht, seine Kleider zu beschmuzen, wodurch er gesetzlich unrein würde. Nichts ist ihm am Europäer unausstehlicher, als daß dieser die Nxoretia uriuae stehend verrichtet 67 und die Reinigung der Mi-W» nicht, wie er, mittels Wasser oder in der Wüste mit Sand bewirkt. Bei dem ungenir-ten Nennen der geheimen Theile selbst in guter Gesellschaft von Männern und Frauen darf es nicht befremden, daß Europäer vielfach eben in diesem Punkte gefragt und zur Rede gestellt werden. Unter Feth Ali Schah interpellate einst der Premierminister den Gesandten einer Großmacht darüber, ward aber in derd englischer Weise von dem Befragten abgefertigt. In dem Werk des berühmten Reisenden Barth findet sich folgende Stelle (II, 376: „Mit großem Behagen und in einer Weise, die mich herzlich lachen machte, beschrieb Agid Burku eine Sitte der Heiden, welche mit der der civi-lisirten Europäer übereinstimmt, aber in den Augen der Mohammedaner als ein Greuel erscheint und dem Europäer, wenn er ihr nicht entsagt, unter Fanatikern leicht das Leben kosten kann, — ich meine die Gewohnheit, ein kleines Bedürfniß im Stehen zu verrichten." Dasselbe Verhältniß waltet in Persien ob. Der Prinz Ikbaleh Dawleh, englischer Unterthan aus dem indischen Königshaus Aud, kam auf seiner Reise nach Ispahan in das Städtchen Natans. Obwol sonst ein sehr eifriger Muselman, verrichtete er, durch eine organische Krankheit dazu gezwungen, die Excretion im Stehen. Darüber entstand ein Tumult, das Volk warf mit Steinen, und einer aus der Suite des Prinzen wurde schwer verwundet; ich behandelte ihn in Ispahan an einer gefährlichen Kopfverletzung. Auf Einschreiten der englischen Gesandtschaft verstand man sich später zu der geforderten Satisfaction. Von einem in Paris weilenden Perser hinterbrachte man dem König, um seine Emancipation und Abtrünnigkeit vom Gesetz zu beweisen, daß er Schweinefleisch esse und stehend die Function verrichte. Nach geschehener Excretion wäscht sich der Perser die 5* 68 Theile mit der linken Hand, während die rechte sorgfältig geschützt bleibt. Zu dem Behufe trägt jeder eine Kupferkanne mit langem Rohr bei sich oder läßt dieselbe voin Diener nachtragen. Niemand unternimmt eine Reise oder den kleinsten Ausflug, ohne die unerläßliche Kanne mit sich zu führen. Das Ritualgesetz schreibt vor, daß man womöglich die Evacuation am Ufer eines stießenden Baches oder im Wasser selbst vollbringe. An schattigen Punkten kann man daher fast nirgends einen ungestörten Ruheplatz finden, selbst die Gegenwart des Schah wird nicht respectirt. Weit zweckmäßiger war das mosaische Gesetz, welches in Lagerplätzen die Aborte auf ferne Stellen zu verlegen und das Excret mit Erde zu beschütten befahl; der weisen Gesetze eines Zerduscht gar nicht zu gedenken, daß. überall das Wasser in seiner Reinheit bewahrt werden solle. Der Hof (KaM) des Hauses ist in mehrere Gärtchen und Beete getheilt, worin Bengalische Rosen (Zulk l68cliti), Jasmin, Schneeball- (duäak) und andere Bäume, Gesträuche und Blumen angepflanzt find. Des Schattens halber werden hier und da die Gänge mit Rebenspalieren und Lauben versehen. Wasser, sowol zu den gesetzlichen Waschungen bei den Gebeten als zur Kühlung und zum Aufspritzen unentbehrlich, fehlt in keinem persischen Hause. Ein großes Bassin (kau?), welches mit einer Wasserleitung in Verbindung steht, nimmt die Mitte des Hofes ein. Es bildet entweder ein viereckiges, 6 — 7 Fuß tiefes Becken oder verschiedene polyedrische Figuren, und ist dann möglichst flach und ausgedehnt, um die Oberfläche des Wassers und seine Verdunstung zu vermehren. Das Becken wird mit Ziegelsteinen ausgelegt und mit einem wasserdichten Cement überkleidet. Man bereitet letztern, indem man frischen Kalk zu gleichen Theilen mit Kieselerde haltender Badeasche aus verbranntem Pferdemist, oder mit 69 kazms von ^i-unäo äou^x vermengt, dann die Masse durch zwei bis drei Tage mit,Keulen schlägt, bis sie gleichmäßig wird. Er erhält sich bei steter Feuchtigkeit vortrefflich, springt jedoch im Trockenen, wird auch von der Kälte spröde und brüchig, weshalb das Bassin im Winter bedeckt und mit Dünger verwahrt werden muß. Infolge der mangelhaften Construction der Kanäle verdirbt das Wasser sehr rasch; es füllt sich mit thierischen und pflanzlichen Organismen, und wird dann die Quelle von Intermittens und Dysenterie, welche in manchen Häusern endemisch grassiren. Besonders nachtheilig wirkt in dieser Hinsicht auch die Sitte, wonach häufig ein über dem Bassin errichtetes Gerüst als Schlafstätte für die Hausleute benutzt wird. Hier und da gibt es in den Höfen noch eine Cisterne (äbamdn,!'), welche entweder ebenfalls durch geleitetes oder durch Regenwasser gespeist wird. Das Wasser erhält sich mehr oder weniger rein darin, je nach ihrer baulichen Anlage, der Beschattung und Reinigung. Seitwärts vom großen Saal oder von einem andern Zimmer aus führen von beiden Seiten symmetrisch steile, enge Treppen zu zwei Gemächern im ersten Stockwerk, Ba-lachane genannt (d. i. über dem Hause, daher der Name Balkon), welche gewöhnlich zum Frühj^hrsaufenthalt dienen. Die Dächer (pusoktediun) sind, wie erwähnt, flach und bestehen aus einer dicken Schicht Thonmörtel, der mit Stroh gemischt*), dann gestampft und gewalzt wird. Während der heißen Sommernächte bieten sie die angenehmste Schlafstelle. Der Europäer fürchtet anfangs den Schlaf in freier *) Dieser Mörtel heißt kakxil (Thonstroh); angefeuchtet, verbreitet er den bekannten Thongeruch. Er gilt den Persern als besonders wirk' fames Analepticum, daher bei Ohnmachten feuchtes Kahgil unte'r die Nase gehalten wird. 70 Luft, und versucht es im Zimmer, höchstens bei offenen Fenstern, zu schlafen; allein die Hitze sowol wie die Mücken belästigen ihn dergestalt, daß er sich ganze Nächte schlaflos herumwälzt und endlich erkrankt. Besser also, man ahmt die Landessitte nach und versucht nicht das Unmögliche. Da die Luft fast beständig trocken ist, schadet das Schlafen auf dem Dache nicht, nur muß man sich gehörig zudecken, weil ohne diese Vorsicht die plötzliche Abkühlung der Luft nach Mitternacht leicht Fieber erzeugt. Gegen Sonnenuntergang begeben sich alle Bewohner des Hauses einschließlich der Frauen auf das Dach. Aus diesem Grunde bestimmt das Gesetz, daß jedes Haus zur Abwehr neugieriger Blicke mit überragenden Feuermauern versehen sei, sowie es auch streng verboten ist, die Augen auf ein fremdes Dach hinüberschweifeu zu lassen: ein Verbot, das Europäern nicht genug eingeschärft werden kann, wollen sie nicht muthwillig sich großer Gefahr aussetzend) Desgleichen ist es verboten, ein Haus so hoch anzulegen, daß man von dessen Dach das des Nachbars überschaut. In den weitläufigen Häusern der Prinzen und hohen Beamten besteht noch ein eigener Seitenhof mit besonderm Eingang und mchrern feingemalten Zimmerchen (okaivet, Geheimgemach). Hierher zieht sich der Besitzer zurück, wenn er ungestört sich mit jemand unterreden oder, Geschäfte vorschützend, dem cloice lar nienw sich überlassen will. Von dem dirun (Männergemach) oder manchmal schon von dem Hauptthor aus führt ein Gang zum I^rsin, (Frauengemach). Dieser Gang, häufig im Zickzack angelegt. *) Ich gab im Jahre 1854 einem Europäer Gastfreundschaft. Ob-wol ich ihn mit der Landessitte bekannt machte, konnte er doch in mel-ner Abwesenheit der Neugierde nicht widerstehen. Es erfolgten Steiu-würfe'und andere Unannehmlichkeiten, sodaß ich große Miihe hatte, die Aufregung beizulegen. 71 ist am hintern Ende mit einem Vorhang verschlossen, welcher die Grenze dor Wciberabtheilung bezeichnet, und nur von Frauen, Eunuchen, dem Ehemann und auf jeweilige specielle Erlaubniß vom Arzt gelüftet werden darf. Auf Anfrage hebt der Eunuche den Vorhang und ruft ,M8 iniiiaii!" (Im Namen Gottes!); der Vorhang fällt nieder, und man befindet sich im Enderun. In Bauart und Einthcilung unterscheidet sich das Enderun wenig vom Birun, nur sind die Höfe zur Unterkunft der vielfachen Frauenwirthschaften mannichfaltiger, die Zimmer der Favoritefrau pompöser eingerichtet, die Seitenteppiche zuweilen auch mit kostbarem indischen Shawl bedeckt, die Thürvorhänge von Shawl oder von gemusterter Seide aus 3)ezd. Besonders auffallend ist die in der Nische und auf den Gesimsen stehende Mengc von bemaltem Glas und Porzellan, chinesischer wie europäischer Arbeit: Spiegolchen, Schüsseln, Thee- und Milchkannen, Schalen, Vecher und Näpfe in den verschiedensten Größen, Formen und in den buntesten Farben. Von den Bädern und von den oft sehr ausgedehnten Gärten, welche zu den Häusern reicher und angesehener Personen gehören, wird am geeigneten Ort die Rede sein. Desgleichen über Stallungen und deren Einrichtung. Außer den Pferden wird kein Hausthicr im Stall untergebracht; Rinder, Schafe und Ziegen übernachten im Hofe des Hauses. N. Die Stadt 3chrran. Wenn sich o'er Reisende einer europäischen Hauptstadt nähert, so mahnen ihn die vielfach convergirenden und sich kreuzenden Straßen, das muntere oder tumultuarische Treiben der zu- und wegfahrenden Wagen und Kutschen, die reichen Dörfer und Flecken, die städtische Tracht, Gesittung und Verfeinerung der Bewohner, die Fabrikgebäude und end- 72 lich der Anblick von Monumenten, ausgedehnten Friedhöfen, hervorragenden Thürmen und Kuppeln, daß er sich gegen das Centrum des Landes bewege. Nichts von alledem darf man bei Teheran erwarten. In einer schlecht bewässerten Ebene gelegen, nahe dem Rande der Wüste, ohne alle Straßen und Verbindungswege außer denen, welche der Tritt der Saum- und. Lastthiere bezeichnet hat, bietet die Stadt kein öffentliches hervorragendes Gebäude, keine Thürme und Minarets, keine hochgewölbten Moscheen; die Häuser aus grauem Thon und die stachen, fahlen Dächer geben ihr den Anblick einer Gruppe von unregelmäßigen Erdhügeln. Dörfer befinden sich zwar zahlreich in der Umgegend, aber sie sind wie Oasen in der weiten Ebene zerstreut oder am Fuße des Elburz durch eine Hügelkette mastirt. Die Stadt hat absolut keine Industrie, daher auch kein Fabrikgebäude, der Handel beschränkt sich rein auf das locale Bedürfniß, daher kein lebhaftes Zuströmen von Waaren; kurz nichts erinnert an eine Großstadt. Als ich bei meiner Ankunft im Jahre 1.851 in unmittelbare Nähe der Stadt gelangt war, ja als ich bereits die Thore passirt hatte, wegen Unkenntniß der Sprache aber keine nähern Erkundigungen einziehen konnte, schien es mir unglaublich, daß ich wirtlich die Residenzstadt vor mir hätte. Teheran, in der trockenen Hochebene am südlichen Abhang der Elburzkette, 3308 Fuß über dem Meeresspiegel gelegen, bildet ein unregelmäßiges Polygon, von neun geraden Linien begrenzt; seine größte Ausdehnung ist von Ost nach West. Das heutige Teheran isl streng genommen nur eine Fortsetzung oder Verrückung der alten mächtigen Stadt Rages oder Nay, welche vielfach durch Kriege verheert, von den Mogulen unter Dschengis und Tamerlan zerstört, endlich ganz unter Trümmer begraben wurde, und deren Wiederaufbau Aberglaube und Vorurtheil verhinderten, indem die 73 Sage ging, sic sei wegen ungastlicher Aufnahme eines Nachkomme,: des Propheten Ali von diesem verflucht. Dagegen vergrößerte sich allmählich das daranstoßende Dorf Teheran. Noch jetzt wird in Urkunden der städtische Grundbesitz mit dem Beisatz „in Teheran auf dem Boden Nays (oti«,k>6-^7)" einregistrirt. Bekanntlich wählte der Gründer der jetzigen Kadscharendynastie, Chadsche Mehmed Aga, nach dem Untergang der Hcrrscherfamilie Zend, mit Hintansetzung der Städte Ispahan und Schiraz, Teheran zur Residenz. Es leiteten ihn dabei mehrere Motive. Erstens war es in Persien"/ ' von jeher Grundsatz der Begründer einer neuen Dynastie ge-/ Wesen, eine andere Stadt zur Residenz zu erheben, sie reich, und mächtig zu machen und eine neue Bevölkerung von Gunst- ^ Ungen und Clienten um sich zu versammeln, dagegen die frühere Hauptstadt sammt den dort seßhaften Anhängern der / alten Dynastie zu schwächen. So hatten auch die frühern Dynastien jede die Residenz gewechselt und nacheinander Tabris, Märageh, Sultanieh, Kaswin, Ispahan, Schiraz u. s. w. be-woynt. Sodann wollte der Gründer der Kadscharendynastie ^ seinem Tribus, welcher um Astrabad seßhaft und an Zahl ziemlich gering war, näher sein, um bei einem etwaigen Haud-' streich oder einer Empörung nöthigenfalls in dessen Mitte Zu-slucht und Schutz zu finden. Endlich mochte ihn wol auch die Lage des Orts zu der Wahl bestimmen. Denn wie trostlos unfruchtbar und wasserarm die Gegend auch zu sein scheint, so ist doch die Ernährung der Population daselbst leichter als an irgendeinem andern Punkte Persiens. Durch das nahe Gilan und Masanderan wird die Stadt mit Reis, Fischen und Südfrüchten, durch die Chamse mit Getreide und Hülsenfrüchten, durch die Nomaden vom Elburz, Elwend, Demawend und Laridschan mit Vieh und den beliebten Milch-producten, durch Ispahan, Kaschan, Kum und deren Umgebung mit Trauben, Melonen und anderm Obst, durch 74 Tabris, Ispahan, Kaschan und Hamadan mit Manufacturen und Waaren versorgt. Das mangelnde Wasser kann leicht durch künstliche Leitungen mittels unterirdischer Kanäle, selbst im großen durch Ableitung der Flüsse Dschedscherud und Keretsch und des Sees Tar, oberhalb der Stadt Demawend, beschafft werden. Die zahlreichen Gedirgsdörfer am Fuße und in den Thälern des Elburz bieten die herrlichsten Plätze für Sommerquartiere und Lager; die fetten Triften von Laar geben hinreichendes Futter für die königlichen Pferde; der Bedarf an Holz nnd Kohlen ist durch Anbahnung von Wegen aus den Urwäldern am Kaspischen Meere herbeizuschaffen; schöne Glanzkohle findet sich in mächtigen Lagern wenige Meilen östlich von der Stadt am Fuße des Gebirgs, sie streicht zwar nur in schwacher Schicht vor Teheran vorbei, erscheint jedoch an den südlichen Abhängen in unermeßlichen Lagern wieder; die grauen Marmorhügel bei Ray liefern einen vortrefflichen Bau- und Kalkstein, weiterhin ziehen sich mächtige Gipslager, der Thon ist plastisch nnd eignet sich zum Erdbau. Diese letztern Umstände, obwol sie bei der Wahl der Hauptstadt gewiß am wenigsten berücksichtigt wurden, hatten auch den Bestand der alten, volkreichen Stadt Nages ermöglicht, welche zwar unter günstigern Bodenverhältnissen gelegen und yor den Westwinden mehr geschützt war, aber doch nur den erwähnten Vortheilen ihre Größe verdankte. Im Umfang von 4000 Klaftern ist die Stadt Teheran durch einen Erdwall aus gestampftem Lehm, worauf hundert Thürme (durci8H) errichtet sind, und von einem Graben (diilnäek) umgeben. Ein östliches, ein nordöstliches, zwei südliche und zwei nördliche Thore — das eine der letztern das Citadellenthor — führen in das Innere; sie heißen Der-waze Dawleh, D. Schemiran, D. Dulab, D. Nau und D. Kaswin. Sehenswerthe öffentliche Gebäude besitzt Teheran fast gar nicht; die wenigen Mofcheen und Madrasses (Schulen) können mit denen von Ispahan keinen Vergleich aushalten. Am bemerkenswerthesten ist noch die Mestfchede-Schah, von Feth Ali Schah gebaut, mit einer fchwervergoldeten Kuppel, und die Madrasfe-Emir. Beachtung verdienen nur die Fayence-Ziegel und Platten, mit denen die Dächer der Kuppeln und die innern Wände der Madrasses, Mofcheen und des königlichen Palastes bekleidet sind. Mittels künstlicher Einfügung und Zusammenfetzung derselben werden ganze rings um das Gebäude laufende Inschriften, Iagd-scenen, Thierstücke u. f. w. gebildet, die an Schönheit der Zeichnung wie an Glasur und Farbe ihresgleichen suchen. Meisterstücke dieser Fabrikation besitzt Ispahan, besonders prächtig ist die hellblaue Farbe. Man behauptet sogar von einem solchen Ziegelstein in der Moschee Dschameh in Ispahan, daß man lange in Zweifel gewesen, ob er aus einem Stück Türkis oder aus glasirtem Thon bestehe. Auch in den Ausgrabungen von Rages sindet man schöne Bruchstücke dieser Art. Eine ebenso große Zierde der öffentlichen Gebäude sind die Platten von weißem Marmor snis,rni6r), der an vielen Orten in Persien lagert. Als der vorzüglichste gilt der von 3)ezd, dann der von Maraga bei Tabris und von Knm. Bedenkt man, daß diese oft enormen Massen auf ungebahnten Wegen meist durch Menschenhände fortbewegt werden mußten, so wird man die Macht des despotischen Willens oder die fromme Opferwilligkeit der Unterthanen bewundern. Auffallend zahlreich sind die tokkisli» (Amphitheater), kleine, viereckige mit Ziegelmauern umgebene Räume, in 6* 84 deren Mitte eine gemauerte, etwa 4 Fuß hohe Plateforme sich befindet. In ihnen werden im Monat Muharrem die Passionsspiele aufgeführt, zum Andenken an die unglückliche Schlacht bei Kerbelah, wo die Aliden dnrch die Ieziden beinahe gänzlich ausgerottet wurden. Sie mehren sich durch Fundationen und fromme Legate noch von Tag zu Tag; als Bauwerke verdienen sie kaum Erwähnung. Von öffentlichen Plätzen hat Teheran nur einen einzigen aufzuweisen: das Säbsimeidan. Er ist unter der Regierung des jetzigen Königs geebnet und gepflastert worden. Ringsum von hübschen Läden mit Estraden und Verandas umschlossen, macht er einen recht angenehmen Eindruck. Einige kleine Plätze dienen zum Verkauf von Victualicn oder als Friedhöfe. Es ist Sitte, daß, mit Ausnahme der ärmsten Klassen, nur je eine Familie in einem Hause wohnt, wenn dieses auch noch so groß ist. Jeder trachtet danach, ein eigenes Haus zu besitzen; nur Fremde nehmen manchmal ein Haus in Miethe. Der Miethzins ist in der Hauptstadt nicht unbeträchtlich, er beläuft sich unter Umständen auf 200—365 Dukaten jährlich. Hat jedoch jemand ein Haus mehrere Jahre bewohnt, so hält es schwer, ihn daraus zu verdrängen, selbst wenn er die Miethe nicht bezahlt, denn er hat durch längeres Wohnen gleichsam ein Eigenthumsrecht erworben. Daher vermeidet es der Wirth, den Mietheontract auf mehrere Jahre zu verlängern. Wenn um ein Haus Proceß geführt wird, so sucht jede der streitenden Parteien factisch Besitz zu ergreifen, und dies wird als geschehen angenommen, sobald es ihr gelingt, ein Geräth hineinzustellen. Es wird zu diesem Zweck oft ein Möbelstück über das Dach ins Haus geworfen. Ich wohnte mehrere Jahre in einem solchen be-strittenen Hause, und meine persischen Freunde belehrten mich, daß ich nicht allein keine Miethe zu entrichten hätte. 85 sondern auch gerechte Ansprüche auf dessen Besitz erheben könne. Die Häuser in den Städten zahlen keinerlei Abgaben, weder an den König noch an den Staat. Jeder Hausbesitzer hat das Necht, das in der Gasse fließende Wasser in sein Haus abzuleiten; doch entscheidet hier das Rccht des Stärkern, und es entstehen daher wegen der Wasservertheilung oft böse Händel. Als Regel gilt, daß die Nachbarschaft eines Großen oder eines Priesters den Aufenthalt in einem Hause sehr verleidet, und daß in der Nähe der Polizei und ihrer Agnaten die Sicherheit des Eigenthums am meisten in Frage gestellt ist. Zu den unvermeidlichen Bestandtheilen dcr orientalischen Städte gehören auch die Straßenhunde, Insekten und andere Thiere, welche die Häuser bevölkern. Die Hunde sind in allen persischen Städten auf Gassen, Plätzen, Friedhöfen und in den Bazars ebenso häufig wie in Konstantinopel. Obgleich von den Mohammedanern für unrein gehalten, werden ihnen doch in die Winkel der Häuser Neste von Speisen und Brot hingeworfen. Während des Tags halten sie sich unter den Dächern dor Bazars und in andern Schlupfwinkeln auf; nachts kommen sie der Nahrung halber hervor und säubern die Stadt von Aas. Sie sind meist sehr zahm und fallen selten jemand an, nie einen Perser, höchstens einen Europäer wegen der ungewöhnlichen Kleidung oder Ausdünstung. Sie werden nie wüthend; ob-wol ich viele Bißwunden gesehen, kam doch kein Fall von Wuth zu meiner Kenntniß. Wie in Konstantinopel, bewachen sie eifersüchtig ihr Revier; ein Hund, dcr sich aus einem fremden Viertel in das ihrige wagt, wird mit Bissen verfolgt und unter stetem Bellen über die Grenze geWiese,,. Die Fliegen belästigen vorzüglich im Frühling und Herbst; während der starken Hitze des Hochsommers nehmen sie in dcn Städten ab, erscheinen aber in desto größerer 86 Menge in den höher gelegenen Dörfern. Es kam mir immer vor, als ob diese Thiere im Hochsommer nach dem Gebirge auswanderten, ja sogar als ob sie die dahin ziehenden Lastthiere benutzten, um sich von ihnen forttragen zu lassen. Stärkere Peiniger sind die Mücken li^clw), besonders eine kleine Art von Hanfkorngröße (oliüki). Der nicht Acclimatisirte wird von ihnen hart mitgenommen. Stehendes faulendes Waffer in den Bassins und dichtes Gesträuch in den Höfen begünstigt ihre Vermehrung. Umgekehrt wie die Fliegen sind sie in den Bergdörfern von geringer Anzahl und belästigen dort kamn mehr als die Mücken in Europa. Flöhe sind in den trockenen Tafelländern nicht so häufig, dagegen in den feuchten Provinzen am Kaspischen Meer in erstaunlicher Menge. Dort wächst indeß das ??-i'6tlii'um ro86uin (kß^vascil), mit dem nch zu versehen immer rathsam ist. Häufiger finden sich Läuse (zclni'iscll), welche man nur dnrch stetes Wechseln der Kleider abhalten kann. Uebrigens erregt dieses Insekt den Persern weit weniger Ekel als dem Europäer; es wird selbst in guter Gesellschaft nicht übel genommen, wenn man eine Laus wegwirft, um sie auf Kosten anderer zu versorge«. Die eigeut-liche Bettwanze fand ich nirgends; die als giftig verschriene Wanze von Mianeh (ksilned, mallen, deren Stich tödlich verlanfen soll, ist eine Zecke, ^rga» pmÄcn», welche außer in Mianeh auch in andern Städten Persiens, wie in Tabris und in den Stationen gegen Meschhed, vorkommt. Ihr Stich ist schmerzhaft, doch weder giftig noch tödlich. Fast in allen Reiseberichten wird erzählt und von allen Eingeborenen berichtet, daß der Stich dieser Zecke im Herbst bei nicht Acclimatisirten, also bei Fremden und Durchreisenden, tödlich verlaufen könne, während er den Bewohnern Mianehs unschädlich sei. Diese Angabe dünkt mich an und 87 für sich höchst unwahrscheinlich, sie wird aber auch durch folgende Thatsachen widerlegt: 1) nach anatomischer Untersuchung besitzt dieses Thierchen kein Giftorgan; 2) die Stiche desselben sind in andern Städten unschädlich; 3) ich sah viele Individuen, welche von Zecken gestochen waren und doch nicht die mindeste Beschwerde empfanden; die Stiche markir-ten sich nur durch eiue leichtumschriebene Blutunterlaufung; 4) andere aus Mianeh Zugereiste, an denen durchaus keine Spur eines Stichs zu bemerken war und die aus Furcht vor den Zecken außerhalb der Stadt in Zelten, campirt hatten, litten doch an solchen Zufällen, wie sie den Mianch-Zecken gemeinhin zugeschrieben werden. Die Erklärung dieser vielfachen Widersprüche dürfte darin zu suchen sein, daß in Mianeh das continuirlich remittirende Fieber im Herbst endemisch herrscht, und daß Fremde häufig davon ergriffen werden, ihm auch oft unterliegen, während Einheimische, an die Schädlichkeit des Klimas gewöhnt, dem Uebel leichter widerstehen. In der That verliefen alle Fälle der angeblichen Vergiftung, welche mir zur Beobachtung kamen, ganz wie das continuirliche Fieber; die Erkrankten wurden auch alle durch Chinin gerettet. So steht allerdings das Factum st'st, daß ein Herbstanfenthalt in Mianeh dem Fremden leicht tödlich werden kann; der giftige Stich der Wanze von Mianeh gehört aber deswegen nicht minder ins Reich der Fabel. , Sehr gefürchtet im ganzen Lande sind die Skorpione (akiNd) und die Solpugen (rutsiiH); erstere finden sich sehr häufig zwischen Steinen, letztere lauern auch zwischen dem Bettzeug, den Kleidern, nnter den Teppichen u. s. w. Die schwarzen Skorpione von Kaschan sind wegen ihrer Größe und Giftigkeit im ganzen Orient gefürchtet; auch der kleine, gelbliche Skorpion (wkiad ä^iisrins) von Arabistan gilt für sehr gefährlich. Es ist nicht zu leugnen, daß Stiche 88 dieser Thiere in der Halsgegend vermöge der starken Anschwellung und der schnellen Resorption des Gifts tödlich verlaufen können; doch sind die Fälle äußerst selten. Ich sah viele von diesen Thieren Gestochene, nnd nur drei Individuen gingen daran zu Grunde. In Kaschan fragte ich einen gelehrten persischen Arzt über den Befund, auch er berichtete mir, daß tödliche Fälle äußerst selten vorkämen, daß jedoch oft bedeutende Anschwellung der gebissenen Glieder erfolge und leichte, allgemeine Vergiftungssymptome sich zeigten; ein Fall sei ihm bekannt, wo ein Knabe, der im Schlaf von einem Skorpion hinter dem Ohre gestochen worden, innerhalb zwei Stunden erlag. Nach meinen eigenen Erfahrungen in Persien und Aegypten, und nach glaubwürdigen Berichten von Aerzten in Persien, Aegypten und Tunis ist hiermit festgestellt, daß der Stich des Skorpions und der Solpnge äußerst selten tödlich verläuft, daß indeß (,'inzelne Fälle mit lethalem Verlauf vorkommeu, und zwar 1) wenn der Stich am Hals oder Kopf stattfand, 2) im zarten Kindesalter. Uebrigens sind gefährliche Folgen überhaupt nur in heißen Sommermonaten zu befürchten, in anderer Jahreszeit ist der Verlauf durchgängig ein sehr milder. Die Behandlung seitens der Eingeborenen besteht in sofortigem Aussaugen der Wunde, wonach ein poröser, Eiter aufsaugender Stein angeklebt wird; Zum innerlichen Gebrauch reicht man Erdpech, Mumiai und Teriak. Mir leistete gewöhnlich die unmittelbare örtliche Anwendung vou Salmiakgeist gute Dienste. Dem ängstlichen Reisenden ist für alle Fälle zu cmpfchlen, daß er mit einem Fläschchen dieser Substanz versehen ''ei. 0. Vie Citadelle von Teheran. Von dem Hauptplatz der Stadt, ßiVdsi-iueiäan genannt, gelangt man Vermittcio einer kleinen Brücke über den Graben 89 in die Citadelle. Innerhalb dieser steht die königliche Residenz mit allen ihren Gärten, Höfen, Kiosks und Harems; sie ist im Umfang von 6000 Klaftern mit einer hohen Lehmmauer umschlossen. Außerdem enthält die Citadelle noch mehrere Paläste, die des ersten Ministers und des Kriegsministers, das russische Gesandtschaftshotel, die Militärakademie, ein neueingerichtetes Geschützdepot, vom österreichischen Major Krziz reorganisirt, und einige kleine Lehmhütten, bestimmt zur Aufnahme der als Geisel zurückgehaltenen Turkomanen. ^) Sämmtlicher Grund und Boden der ausgedehnten Citadelle gehört dem König; es steht ihm das Recht zu, denselben nach Willkür, ohne Entschädigung für die darauf errichteten Gebäude, in Besitz zu nehmen, und obwol er nur selten ^^) von seinem Vorrechte Gebrauch macht. ^) Zu Zeiten Feth Ali Schahs wurden diese Familien, vom Stamme der Tekke-Turkomanen, durch den Prinzen Seif u dauleh nach Teheran geschickt; sie erhielten Quartiere und eine Brotration. Doch erwies sich die Maßregel als zwecklos, denn die Nomadenstämme ließen sich dadurch nicht von fernern Einfällen abhalten. Die Nachkömmlinge, den Nomadensitten treu, Pflegen Pferde, dienen als Curschmiede und erzeugen einige Gewebe der Steppenbewohner. Anch Tracht und Kopfbekleidung behielten sie bei. Sie sind Sunis und fchon deshalb bei den Persern verachtet. Ihre Physiognomie bietet den reinmogolischen Typus mit schiefen Augen, starken Backenknochen, kargem Bartwuchs (ri8etis Ku886), starkem Schnurrbart und Mangel an Backenbart. Die Frauen, obwol von gelblicher Farbe, sind in der Jugend ziemlich hübsch, werden aber in vorgerückterm Alter auffallend häßlich. ^) Es geschah dies meines Wissens nur zweimal: nach gedämpfter Empörung des Rebellen Salär wurden sämmtliche Häuser der Familie und der Angehörigen desselben gestampft uud der Gruud eingezogen; und während des letzten englisch-persischen Kriegs wurde das Palais des englischen Sckiiitzlings, des Prinzen Seif-eddauleh. znr Erweiterung der königlichen Residenz verwendet. Auch nach dem Friedensschluß tonnten die Engländer leine Einsprache thun, weil das Eigenthumsrecht des Königs auf den Boden feststeht. 90 so ist doch der Werth dieser Besitzungen eben wegen der möglichen Confiscation sehr gering. Gleich über der Brücke führt eine kleine Gasse dnrch das Thor der Nagare Chane*) auf den großen Platz (nisi-6»n-6-8c1iaIi), der in der Länge 120, in dcr Breite l)0 Klafter mißt. Es ist der Exercirplatz der Artillerie; ringsherum sind Logen für die Artilleriemannschaft angebracht; in der Mitte erhebt sich eine Plateformc (56ku), wo die drei unter Schah Abbaö den Portugiesen abgenommenen großen Kanonen (tude mui-vüricl) aufgestellt sind. Diesen Kanonen wird besondere Verehrung erwiesen; sie gelten als Asyl für Verbrecher und werden bei großen Schießübungen auf Befehl des Königs vor die Stadt geführt. Auf diesem Platze finden auch die Revuen der irregulären Truppen sra6if), die Feuerwerke und öffentlichen Spiele bei großen Festen und Feierlichkeiten statt. Zu dem Zweck befindet sich daselbst eine hohe Tribüne, auf welcher der Schah, die Würdenträger und Gesandten als Zuschauer beiwohnen. Seitwärts in der Ecke bemerkt man auch ein kleines Thürmchen, von wo aus der König oft unbemerkt mit dem Fernrohr die Vorbeiziehenden mustert und die Exercitien der Artillerie beobachtet. Durch ein zweites gegenüberliegendes Thor (nali Kapi, hohes Thor) gelangt man, einen winkelig gebrochenen Gang passirend, ill den ersten Hof (l)üge 8nlüm, Salamgarten; so genannt, weil dort der große Salam abgehalten wird). Er ist sehr geräumig, mit hohen, stämmigen Platanen bepflanzt und wird dnrch den großen Salamsaal in zwei gleiche Hälften getheilt. Von hier kommt man wieder durch einen großen Thorweg in den zweiten Hof, die eigentliche Residenz des Königs, genannt 6inlw. 91 zwei Hälften oder Gärten scheidet. Im vordern Garten ergießt sich die große königliche Wasserleitung mit einem mächtigen Schwall, der mittels Rinnen durchs ganze Schloß geleitet wird. In der Mitte des vordern Gartens steht der große Kiosk (kui-lk li-suzi), wo die Feier des Iahresan-tritts (n3,g^i-6 Hüne) abgehalten wird. Im hintern Theil des Hofes befindet sich das nüriuä^oliistau (Orangerie), das große Bassin und das große Vogelhaus. Der linke, nördliche Tract enthält die Winterzimmer des Königs sowie einen ganz mit großen Spiegeltafeln bekleideten Saal, worin ein besonders reichverziertes Bassin von europäischer Arbeit und der prachtvolle mit Gold beschlagene, mit Topasen, Rubinen und Smaragden besetzte Thronsessel sich befindet. In dem nlittlern parallelen Tract liegen: die Schatzkammer, der große Einpfangsaal, die Gemäldegalerie, die Waffen- und Rüstkammer, und der neue Große Saal, mit schönen persischen Arabesken, Malereien und Stuccaturen ausgeschmückt. Die Schatzkammer (eli^ins^) ist ein kleines Gemach, denn sämmtliche Kostbarkeiten und Juwelen werden in festen Schränken verwahrt. Von Diamanten sieht man hier den sogenannten 5^ri5l nnr; tafelartig geschliffen, von reinstem Wasser, aber wegen des Schliffs ohne viel Feuer, machte er auf mich stets den Eindruck einer reinen Eistafcl; der König läßt ihn manchmal in ein Armband fassen; ferner sehr reiche, ganz mit Diamanten incrustirte Säbelscheiden und Griffe; viele Diamantgürtelplatten von hohem Werth; Smaragde von enormer Größe, doch selten tiefgrün und nie ganz rein; orientalische Rubine, worunter der wallnußgroße aus dem geplünderten Palast von Delhi, auf dessen Rückseite die Namen aller Dynasten der Mogulen von Delhi eingravirt sind. Sehr zahlreich und schön sind die Kubi» wiai^ vertreten, fast gar nicht dagegen die Türkise, obwol sie im Lande gefunden werden und besonders geschätzt sind. Perlen enthält 92 der Schatz von vorzüglicher Größe, aber etwas gelb, wie sie aus alter Zeit datiren. Die vielen goldenen mit Juwelen besetzten Gefäße, die aus Gold prächtig emaillirten Trinkgeschirre, die ganz mit Edelsteinen incrustirten Gürtelplatten, das Neichsscepter und das Neichsschild n. s. w. müssen jeden Kenner zur Bewunderung hinreißen. Der Empfangsaal, der größte im ganzen Schlosse, stellt eigentlich eine offene Halle dar, denn die beiden Hauptwände fehlen und werden durch mächtige Säulen ersetzt. Zwei Gobelinteppiche von höchster Meisterschaft, ein Geschenk des Königs Ludwig Philipp, und der berühmte Pfauenthron (wekts-tüus), welchen Nadir Schah von der Plünderung Delhis nach Persien brachte, fallen hier zumeist ins Auge. In diesem Saal werden Audienzen ertheilt und Gesandtschaften empfangen. Die zwei seitlichen Thüren führen in die Bibliothek nnd in die Rüstkammer. In der Nähe befindet sich auch die königliche Bildergalerie, deren Beschreibung wir an einem andern Orte geben. Aus der Diwan chaneh gelangt man durch einen Zickzackgang in das königliche Ende run. Es besteht aus drei großen und einem kleinen Hofe, die alle von Wohnungen für die königlichen Frauen, ihre Sklavinnen und ihr Gesinde umgeben sind. Nach außen wird es durch sehr hohe Lehmmauern abgegrenzt und durch aufgestellte Posten sorgfältig bewacht. Weder der Bau noch die Ausschmückung verrathen eine Spur von orientalischem Luxus, wie man sich ihn vorzustellen Pflegt. Die Einrichtung der Zimmer ist einfacher als in andern Harems der Stadt. Erst in den letzten Jahren ließ der König für seine Lieblingsfrau im ersten Hofe ein nach persischem Geschmack prächtiges Gebäude aufführen. Dasselbe leidet jedoch an allen Mängeln der neuern inländischen Baukunst; die Lehmmauern sind mit Gips und Marmor überkleidet, die mit Stuck übertünchten Säulen sind 93 dünn und schmächtig, die Treppen stell und eng, die vielen Fenster, Thüren, Erker, Nischen, Balköne und Galerien mahnen an ein Kartenhans, das beim leisesten Stoß zusammenzubrechen droht. 0. Physiognomie anderer persischer Städte. Nicht viel verschieden von der Teherans ist die Physiognomie der andern großen Städte, wie Tabris, Kaswin, Hamadan, Kum, Kaschan u. s. w. Ueberall dieselbe Bauart, dieselben Ruinen, derselbe Schmuz in den Gassen, und dasselbe Treiben und Leben in den Bazaren und Karavanserais. Ueberall Häuser im Verfall und andere im Aufbau. Eine Ausnahme bildet Ispahan, welches seine großartigen Ruinen, seine Moscheen, Gärten, Brücken, Karavanserais, Bazare, Fabrikanlagen, sein Acker- und Gartenbau, seine Weingärten und Melonenfelder sehenswerth machen. Es ist der einzige Ort Persiens, der auf den Namen einer Haupt- und Residenzstadt Anspruch erheben kann, und jede vernünftige Regierung wird in Zukunft dort ihren Stütz- und Centralpunkt suchen. Ueber die Ruinen Ispahans ist in neuester Zeit so viel geschrieben worden, daß ich es für überflüssig erachte, auf den Gegenstand näher einzugehen. Ich will hier nur von den beweglichen Minarets sprechen, deren Beschreibung ich überall vermisse, während doch ihre Construction dem scharfsinnigsten Beobachter unbegreiflich erscheinen muß. Etwa eine Stunde von Ispahan, in dem Flecken Chaledan, steht eine Moschee von mäßiger Größe; sie ist gewölbt und birgt in ihrem Innern das Grab eines Santon. Ueber der Wölbung, welche an mehreren Stellen Risse zeigt, erheben sich zwei Thürmchen (Minarets) von etwa 15 Fuß Höhe, durch einen Zwischenraum von etwa 20 Fuß voneinander getrennt. Umfaßt man eins dieser beiden Thürmchen und rüttelt daran, so bewegt es sich merklich, und diese Bewegung theilt sich 94 dem andern Thürmchen, dem Gewölbe sammt allen daran befestigten Gegenständen und den Wänden des Tempels mit. Ich hatte, auf dem Gewölbe stehend, während mein Diener an dem Thürmchen rüttelte, das Gefühl, als wanke, durch ein Erdbeben erschüttert, der Boden unter mir. Und trotz der öftern Bewegung, trotz der vielfachen Risse des Gewölbes behauptet sich der Bau schon durch mehrere Jahrhunderte. Ob die Beweglichkeit desselben im ursprünglichen Plan des Baumeisters lag, oder sich erst später durch Zufall einstellte, weiß man nicht. Kein europäischer Reisender hat bisher das Räthsel der sich schüttelnden Minarets (miners äsHundkn) zu lösen vermocht; die Perser aber schreiben sie der Wunder-kraft des Heiligen zu. Einigermaßen abweichend von den Städten des kahlen Hochlandes ist nur die Bauart in der von einer reichen Vegetation, von üppigen Banmgruppen umgebenen Städten am Kaspischen Meere, indem hier die häusigen Regen zur Anlage schräger Ziegeldächer nöthigten. N. Gärten. Die Gärten der Stadt Teheran umfassen nach Messung des österreichischen Major Krziz ein Areal von 80000 Quadrat-Klafter. Die größten und üppigsten sind im südwestlichen und nordöstlichen Stadttheil gelegen. Gewöhnt an die Kargheit der natürlichen Vegetation, namentlich den Mangel an Bäumen in der Ebene, setzt den Perser ein Bächlein mit fließendem Wasser in Entzücken, an dessen Rand er unter einigen Weiden- oder Pappelbäumen Schatten findet, seine frugale Mahlzeit einnehmen und im Sommer sein Nachtquartier aufschlagen kann. Sieht er gar in einer Umzäunung eine Gruppe von Wald- und Fruchtbäumen und einige Rosensträuche, so erklärt er den Garten für herrlich, für paradiesisch, zur Poesie begeisternd. Doch 95 darf man sein Entzücken nicht in dem Sinn auffassen, daß er sich für die Schönheiten nnd Phänomene der Natur lebhaft interessire, dies ist keineswegs der Fall. Ein Vulkan, eine mit Schnee bedeckte Bergkette, eine eigenthümliche Formation der Felsen und Thäler erregt kaum feine Aufmerksamkeit, er huldigt auch hierin dem nil aäinirai-i; der Baum und das Bächlein machen nur insofern einen besondern Eindruck auf ihn, als er dort Kühlung, die gewünschte Ruhe und die Befriedigung seiner leiblichen Bedürfnisse findet. Was wir Naturschönheiten nennen, dagegen verhält er sich vollkommen gleichgültig. Kein einziges Haus in Teheran ist ohne einen Hof, kein Hof ohne einige Blumenbeete (düzcl8oks) und strauchartige Bäume. Begüterte und angesehene Personen haben jedoch neben diesen Hofgärten noch andere oft ziemlich ausgedehnte Gärten (d^z) innerhalb der Stadt. Die Anlage der letztern ist freilich sehr einfach. An Bäumen enthalten sie einige Alleen von Platanen (tsHsnär), Pappeln (86Ü-ä^i), Eschen (2ndkQ Funä8e1ii8iti11aria imp. (ßulo 8yrn6ßun), Nii-adili8 ^a1«.pa (IÄ ada88i), einfache Hyacinthen 96 (siimdul), Tuberosen (susan), einfache Nelken (miclislc), Iri8 pei'äioa und Koi'6ntina (xsemdsic). Den Herbstblumenflor bilden fast ausschließlich die Astern (zuls äanuäi). Der Perser ist um den Namen von Blumen und Pflanzen, die er nicht kennt, keineswegs verlegen; wird er nach dem Namen einer schönen ihm unbekannten Blume gefragt, so nennt er sie 8okak pN88Rnä (wohlgefällig dem König), während er die nichtschönen gui Kai-26 (Unkraut) nennt. Frischer Rasen und üppiger Graswuchs läßt sich selbst durch anhaltende Bewässerung nicht erzielen, daher fehlt eine Hauptzierde europäischer Gärten, die man vergebens durch Anbau von niedrig gehaltenem Klee zu ersetzen sucht. Mit dem Klee untermischt sieht man häufig das I^pavsr Kkoeas (gcbsLzäili), auch fälschlich IÄ6 (Tulpe) genannt. Zu Lauben wird ansschließlich der reich vegetirende Weinstock gezogen. Der Boden Teherans und seiner Umgebung eignet sich vorzüglich zur Anpflanzung der Platane (tsHsonsn-), die sich hier besonders schön uud rasch entwickelt. Einzelne Stöcke davon, in die Erde gesteckt, treiben wie die Weiden rasch saftige Triebe. Eine uralte Platane im -Dorfe Teschrisch gehört wol zu den größten Baumexemvlaren der Erde. Pietro de la Valle nennt Teheran die Platanenstadt. Doch liebt der neuere Geschmack nur in die Höhe treibende Bäume; man beraubt den Baum, der nach naturgemäßer Eutwickelung eine Honzontale Ausdehnung der Krone sucht, durch Kappen aller seiner Zweige, mit Ausschluß eines kleinen Büschels, und zwingt ihn, sich in die Längendimension zu entfalten. Die Bäume erscheinen dadurch wie Besenstiele; ihrer Ath-mnngsorgane beraubt, widerstehen sie nur schwer einer mäßigen Dürre, sondern trocknen von der Spitze herab ein, während der naturwüchsige Baum eine große Resistenz besitzt. Dieses Verfahren hat höchstens da eine Berechtigung, wo 97 man Platanen des Bauholzes halber pflanzt und einen kräftigen, geraden Stamm auf relativ kleinem Raume erziehen will; daß es aber zur Modesache geworden und selbst in dm königlichen Gärten einem so verkehrten Geschmack gehuldigt wird, ist nicht zu entschuldigen. Wenn der Perser einen neuen Garten anlegt, sucht er, stets der Vergänglichkeit des Besitzes eingedenk, sehr rasch starke und schattige Bäume zu erzielen, was bei dem langen, warmen Sommer und einer jährlichen Vegetationsperiode von neun Monaten allerdings auch leicht gelingt; in Zeit von fünf bis sechs Jahren — nach unsern Begriffen von Wachsthum eine. unglaublich kurze Zeit — sind die Bäume eines Gartens vollkommen aufgewachsen. Natürlich gehört dazu eine fortwährende reichliche Bewässerung; hierdurch verwöhnt man aber die Pflanze, sie verliert ihre natürliche Resistenz und stirbt schnell ab, sobald ihr minder reichlich Wasser zugeführt wird. Da nun die erste Folge vom abnehmenden Einfluß einer Familie die ist, daß man ihren Besitzungen das Wasser entzieht, so gehen häufig diese künstlich gezogenen Gärten mit ihren Eigenthümern gleichzeitig zu Grunde. Der Ulme (nanvwnü) wird durch Pfropfreiser ein eigenthümlich merkwürdiges Wachsthum gegeben. Zweige und Laubwerk werden so dicht, daß während des ganzen Tags kein Sonnenstrahl hindurchdringen kann und sie dem stärksten Windstoß wie eine Mauer widerstehen. Die Aeste und Verzweigungen nehmen eine kugelige Form an, und der weitausgedehnte Baum mit seinem relativ schwachen Stamm sieht einem großen Pilz ähnlich. Er gibt vortrefflichen Schatten; doch häufen sich, da das dichte Laub weder durch Wind noch Regen gereinigt wird, Massen von Staub und Schmuz darin an. Polal, Persitn. I. , 7 98 Eine besondere Vorliebe hat der Perser für den Weidenbaum (biä); er behauptet, der Schatten und die Ausdünstung desselben sei der Gesundheit sehr zuträglich, darum lagert er gern unter Weiden und pflanzt sie in seinem Garten um die Bassins, vornehmlich die Trauerweide. Das Vorurtheil gegen das Lagern unter Nußbäumen (giräu) theilt er mit dem Europäer. Die Cypresse (öinäker) gedeiht nicht besonders gut in Teheran; sie trocknet bei bester Pflege ein, sobald sie eine gewisse Höhe erreicht hat; dagegen ist ihr Wachsthum vortrefflich bei Kaschan im Garten Fin. Nebst den gewöhnlichen Rosen und Jasminen bilden die Zierde der persischen Gärten: die chinesische Rose (Zuls-nH8t3,ra,n) und die volle Granatäpfelblüte (ßu1näre.kar8i); jene zieht man mittels eines Spaliers zur Höhe von mehrern Klaftern; die zahlreichen Blüten, welche an den hängenden Aesten wie Blumengewinde erscheinen und das herrlichste Aroma ausströmen, dauern fast durch den ganzen Sommcr und verleihen ihr nach der Rose den ersten Preis. Die volle Granatblüte, zwar ohne Duft, überbietet an Farbenpracht und Fülle der Blätter sogar die Schönheit der Camellien. Ein Theil des Gartens ist mit Fruchtbäumen verschiedener Art besetzt, welche im Frühling durch ihre Blütenfülle entzücken, aber während der übrigen Zeit des Jahrs dem Europäer einen schlechten Begriff von persischen Luxusgärten geben. In der Mitte jedes Gartens steht ein Kiosk (kuIZ. ü-engki, europäischer Hut), innen und außen mit heitern Arabesken, Thierkämpfen u. s. w. reich decorirt. In ihm bringt der Eigenthümer die Morgen- und Abendstunden zu, seine Geschäfte abmachend oder Gäste empfangend. Mit großem Luxus ist in den Gärten reicher Besitzer 99 die Orangerie (n^rinä8eki8tiw) ausgestattet. Südfrüchte gedeihen zwar zu Teheran wegen des rauhen Winters nicht im Freien, doch bedürfen sie nur des geringen Schutzes eines Breterverfchlags oder einer Vertiefung mit darüber ausgespanntem Zelt und eines mäßigen Kohlenfeuers zu ihrer Erhaltung. Außerdem stellt man Orangeriebäume in die vordere vertiefte Hälfte des nach Süden liegenden Winterwohnzimmers, wo die vom Kaminfeuer ausgestrahlte Wärme ihuen zugute kommt. In den königlichen Orangerien dagegen stehen die Bäume in einer bedeutenden Vertiefung und die Oefen einige Klafter höher, infolge dessen die Bäume fast in jedem Winter erfrieren und dann mit großen Kosten wieder ersetzt werden müssen, was eine stete Quelle des Erwerbs (mnäaoksi) für die Hofbeamten bildet. Auch außerhalb der Stadt gibt es umfangreiche Gärten. Sie gehören meist dem König; denn entweder wurden sie auf Regierungskosten angelegt, wie der Garten Lal hezar, Negaristan Kasser-Kadschar, oder zwar von Privaten gepflanzt, aber nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge von der Negierung confiscirt; dahin gehören die Gärten Nabi Chan, Nizamieh, Dawudieh, Ilchani. Von Privatgärten ist der des Chan Baba Chan Sardar, ehemaligen russischen Schützlings, der ausgedehnteste und am besten bewässerte und cultivirte. Der Garten Kasser-Kadschar bildet mit seinem hübschen Schloß, den grünen Terrassen, seiner guten Bewässerung und schönen Fernsicht einen der schönsten Punkte in der Umgebung der Stadt; leider ist die parkähnliche Anlage sehr vernachlässigt, die großen Platanen wurden in neuester Zeit zu Bauholz gefällt. Der Garten in Kent, zwei Meilen von Teheran, zeichnet sich durch herrliche Baumgruppen aus, ebenso der Garten Daulet-abad in der Nähe der Ruinen von Ray (Rages); 7* 100 beide sind aber ebenfalls behufs Gewinnung von Bauholz stark geplündert. Uebrigcns muß der König das Bauholz aus seinen eigenen Gärten theuer bezahlen. Der Garten bei Fin (Kaschan), berühmt als Schauplatz der Ermordung des mächtigen Ministers Mirza Taghi Chan, weist einen kräftigen Baumwuchs auf und ist von klaren, frischen Bächen durchzogen. Kein Reisender sollte versäumen, das Bad, wo der Emir ermordet wurde, und die schlanken Cypressen anzusehen. Die einst berühmten Gärten von Ispahan: Tschehil-sutun, Tschehar bag, Hezar Dscherib, Anguristan u. s. w., von frühern Reisenden so sehr gepriesen, sind jetzt ganz in Verfall; sie werden mit Getreide, Taback und Gemüsen bepflanzt. Einer bessern Pflege erfreuen sich die Gärten von Schiraz, weil sie dem Strahlenglanz der geheiligten Majestät und den Blicken der raubsüchtigen Cohorten ferner gerückt sind. Die reiche Vegetation der Orangen, Limonen, Mandarinen, Cedras u. s. w., die weithin ihre Düfte verstreuenden Blüten mahnen uns an Saaoi und Hafis, deren Poesie sich an ihrer Schönheit begeisterte. Die Grabmäler dieser beiden Dichter, von gutbewässerten Parkanlagen umgeben, laden die Bewohner von Schiraz zu fleißigen Pilgerfahrten dahin ein. ?. Sommerlitze und Zeltlager. Bei der gänzlichen Verabsäumung aller Sanitätsmaßregeln für Reinigung der Stadt werden ini Sommer die Straßen so schmuzig und unflätig, die Luft so pestilenziös, heiß und drückend, das Wasser in den Bassins so faul und stinkend, die Mücken und Fliegen so belästigend, daß es unumgänglich nöthig ist, während der Sommermonate einen 101 Landaufenthalt zu nehmen. Die Landsitze für die Bewohner Teherans befinden sich am Fuße der Elburztette, in den verschiedenen Dörfern, die unter dem Gesammtnamen Schemiran bekannt sind. Ihre Lage, durchschnittlich 4500—5500 Fuß über dem Meeresspiegel, die reiche und üppige Vegetation, die mäßige Temperatur, die Frische des Wassers, die Kühle der Nächte, das Krystalleis von den naheu Bergen, die vielen Landhäuser und Gärten, und insbesondere das relativ mildere Auftreten von Fiebern, Dysenterien und Cholera, die geringe etwa 1 — 2 Meilen betragende Entfernung von der Stadt bilden die Vorzüge und Reize dieser Ortschaften. Der König selbst hat dort zwei Sommerpalais inne, das zu Niaveran und das neuere von Sultan-abad. Hier residiren auch während des Sommers die Vertreter der europäischen Mächte; der russischen und englischen Gesandtschaft sind von früherer Zeit her zwei ganze Dörfer (Zcrgen-deh und Gulahek) zum Sommeraufenthalt eingeräumt, während die Bevollmächtigten anderer Staaten sich größere Landhäuser miethen. Da fast die gesammte Einwohnerschaft Teherans nur vom Hofe, den Besoldeten und deren Clienten lebt, so richten sich alle Verhältnisse nach jenen des Hofes; daher bezieht niemand den Sommersitz O^iok) vor dem 10. Juni, weil bis dahin der Schah in der genannten Hauschane der lieblichen Kühlung genießt, oder wegen der in der Regel unvollendeten Baulichkeiten erst um diese Zeit eine Aenderung des Wohnsitzes wünschenswert!) findet. Dann aber verläßt wenigstens ein Drittheil der Einwohnerschaft auf einmal die Stadt. Mobilien, Teppiche, Zelte, Frauen, Kinder, Gesinde, Eßwaaren, Geschirre, alles.bunt durcheinander, wird auf dem Rücken der Maulthiere und Kamele transportirt; der Zug ist oft mehr ats eine Meile lang. Man muß eine solche Auswanderung gesehen haben, um sich' von dem wirren Treiben einen Begriff zu machen. Der 102 momentane Bedarf an Lastthieren ist dann außerordentlich groß. Alle fremde Maulesel- und Kameltreiber, deren man habhaft werden kann, selbst die Karavanenführer, werden meist unentgeltlich zu dem Zuge gepreßt; man überlastet ihre Thiere und sorgt nicht einmal für hinreichendes Futter. Daher suchen sie vorher aus der Stadt zu flüchten; sie verstecken ihre Thiere in Ruinen oder treiben sie in hohe Berge, bis die Gefahr vorüber ist. Den europäischen Gesandtschaften wird es leichter, Lastthiere Zu bekommen, weil man weiß, daß sie den Dienst nicht ohne Bezahlung verlangen. Es ist selbstverständlich, daß sich um das königliche Dorf Niaveran die meisten Beamten und andere Stadtbewohner scharen. Darum wird in kurzer Zeit auch hier Luft und Wasser so verpestet, daß der Aufenthalt keine Erfrischung mehr gewährt. Alsdann bricht der Hof nach den fernen Bergen auf, nach dem Engthale Laar, in das wasserreiche Kesselthal Amameh, nach Lauroscheristanek am südlichen Abhang des Elburz, in die Nähe der Stadt Demawend u. s. w.; und da es dort keine Behausungen gibt, so werden Zelte aufgeschlagen und ein Lager bezogen. Dem Perser klebt noch so viel vom Nomadenthum an, daß er sich in Zelten heimisch und behaglich fühlt, auch weiß er sie bequem und wohnlich einzurichten, und nicht mit Unrecht sagt man, sein Zelt gleicht einem Haus, sein Haus einem Zelt. Der zum Lager bestimmte Platz, an einem frischen Bach oder an einer wasserreichen Quelle gelegen, wird mit Leinwandwänden (^i-apsi-äs) umspannt, deren innere Seite mit allerhand Figuren bemalt ist. Für die königlichen Zelte wird ein Ort gewählt, der leicht von den.Wachen abgesperrt und übersehen werden kann. Für die übrigen wird der Boden durch aufgeworfenes Erdreich erhoben und geebnet. Um die Sonnenstrahlen abzuhalten, besteht jedes Zelt aus einem äußern und einem innern. Das äußere (pusckt), aus rother Leinwand gcfer- 103 tigt — eine Prärogative des Königs —, überragt das con-centrische innere; der freie Raum zwischen beiden, t^dsi genannt, beträgt in der Regel 4 Fuß. Das innere Zelt ist mit prächtigem, gemustertem Brocat von Iezd überzogen und am Karnies geschmackvoll mit Quasten und Troddeln verziert. Durch Scheidewände wird der innere Raum in mehrere Cabinete getheilt. Die Außenwände können leicht je nach der Richtung der Sonne gespannt oder herabgelassen werden. Im Aufschlagen und Fertigen der Zelte besitzen die Perser großes Geschick, sowol was Festigkeit als was Eleganz und bequeme Einrichtung betrifft. Aeußerst selten geschieht es, daß der Sturm, und sei er noch so heftig, ein Zelt umreißt. Andeutungen darüber finden wir schon im Buche Esther, erstes Kapitel. Die Zeltbalken werden mit künstlichen Malereien, Vergoldungen und Arabesken decorirt. Vor jedem Zelte wird ein Bassin mit fließendem Wasser gegraben, denn der Perser kann sich ohne solches kein Wohlsein (äskta) denken. Die abgesonderte kleine Hälfte des königlichen Zelts nimmt der Harem ein. Es gilt als Regel, daß der Schah nicht mehr als eine oder zwei Frauen ins Lager mitnimmt, während die andern im Sommerschloß zurückbleiben. Der Begleitung ist streng verboten, Frauen mitzuführen, was Veranlassung zu vielen Misbräuchen und widernatürlichen Vorgängen gibt. In einiger Entfernung um das Zelt des Königs grup-Piren sich die der Minister, Prinzen, Wachen und Hofbeamten, jedes Wohnung, Küche und Raum für Dienerschaft enthaltend. Sie sind zum Theil ebenfalls mit vielem Luxus ausgestattet, sodaß ein einziges Zelt oft 500 Dukaten kostet. Statt mit Seide werden sie oft nut Indiennes persischer oder indischer Fabrikation überzogen. Wie beim Bau der Häuser trachtet man auch in Bau und Decorirung der Zelte nach 104 Neuem und Originellem; keines gleicht völlig dem andern. So gibt es Zelte mit einem oder zwei Balken (?6k.äii-86i-j), mit einem oder mehrern Cabineten Oanäukekansli), mit drei, fünf oder sieben Fensterthüren. In angemessener Entfernung steht ein eigens dazu eingerichtetes Abortzelt. Um auf Reisen, an der Station angelangt, ein fertiges Zelt vorzufinden, besitzen die Großen zwei vollständige Zelte, von denen eins immer abwechselnd vor der Ankunft an der nächsten Station aufgeschlagen wird. Für kleine Ausflüge hat man Zelte mit vier zerlegbaren Säulen und nach allen Richtungen leicht beweglichen Wänden; man nennt sie alt^d ^siaun (Sonnenwende). Die Ausgaben für Zelte nebst Zubehör find, zumal bei der raschen Abnutzung durch den Transport, sehr bedeutend und kaum zu erschwingen. Eine größere Reise des Hofs ruinirt fast alle Bedienstete, die nicht unmittelbar nut aus der Quelle des Raubes schöpfen. Da außerdem der Unterschleif beim Bau der königlichen Zelte in wahrhaft kolossalem Maßstab getrieben wird, so bildet die Ausgabe dafür einen der wichtigsten Theile des Staatsbudgets. Von einer Anhöhe aus gesehen, gleicht ein persisches Campement mit feinen spitzen Dächern, bunten Farben und mannichfaltigen Formen der Zelte, mit seinem Bazar und dem regen Treiben der Diener, Pferde und Lastthiere, einer großen Stadt aus Leinwand, während umgekehrt eine persische Stadt mit ihren Lehmdächern einer Gruppe von Erdhügeln nicht unähnlich sieht. Am liebsten campirt der König im Laarthal in einer Höhe von 7500 Fuß. Die kühle Luft, welche von den Eisfeldern des Demawend herüberstreicht, der schöne, forellenreiche Bach Heras, in weiten Windungen zum Kaspischcn Meere fließend, das saftige Futter machen den Ort für einen 105 Lagerplatz sehr geeignet, um so mehr als Wechselfieber und Dysenterie dort nicht vorkommen und die Cholera sich noch nie dort gezeigt hat. Eine große Menge von Argalis, Antilopen und Wildschweinen bietet Gelegenheit zu ergiebiger Jagd. Allein bei dem Abgang aller Ordnung und Aufsicht über Reinigung des Lagers wird selbst hier zuletzt die Luft verdorben, die Forellen wandern aus oder sterben ab, und so sieht sich der König gezwungen, den Lagerplatz entweder weiterhin zu verlegen oder gänzlich zu verlassen und mit einer andern Gegend zu vertauschen. Gegen Ende August kehrt der Hof ins Lustschloß am Fuße des Elburz zurück, um im Monat October wieder die Stadt Teheran mit seiner Gegenwart zu beglücken. Der Rückzug geht nicht minder tumultuarisch vor sich wie die Hinreise. Sind die astrologischen Zeichsn für den Eintritt in die Stadt ungünstig, so wartet der König einige Tage in einem nahegelegenen Garten, gewöhnlich in Negristan oder Nizamieh, bis glücklichere astrologische Konstellationen ihm den Eintritt durch ein bestimmtes Thor erlauben. III. Speisen und deren Zubereitung. Mahlzeiten. Nationalgerichte: Tschillaw, Pillan, und Asch. Vrot. Fleisch, Wild, Geflügel. Fische. Speisegesetze. Milch, Käse. Sauere Conserven und Scherbets. Süßigkeiten. Früchte. Gemüse. Getränke. Eis und Eisgruben. Gewürze. Küche und Küchengeräthe. Tafelgeschirr. Die Mahlzeit. Gastereien jind Trinkgelage. Die königliche Tafel. Volks« Verpflegung. Billigkeit und Theuerung der Lebensmittel. Ner Perser ist sehr einfach in seiner Lebensweise, und im allgemeinen mäßig in Speise und Trank. Cerealien, Reis, Vegetabilien, Obst und Milchproducte bilden seine Hauptnahrung; Fleisch genießt er wenig. In den Städten, namentlich unter den wohlhabenden Klasse^, dient der Reis als das wichtigste Nahrungsmittel; ebenso in einigen Provinzen am Kaspischen Meer, wo Cerealien aus vorgefaßter Meinung, daß sie nicht gedeihen, gar nicht angebaut werden und Brot daher vom Volke kaum gekannt ist. Aus Reis werden die drei Nationalgerichte: Tschillaw, Pillaw und Asch bereitet; sie spielen im Haushalt des Persers eine große Rolle, und ohne Ambrosia-Pillaw vermag er sich kein Paradies zu denken. *) Nachstehend eine ausführliche Beschreibung derselben. *) Ich las einst mit meinem Mirza (Privatschreiber) ein Kapitel 107 Unter Tschillaw versteht man in Wasser abgesottenen, nur wenig fetten Reis; er wird entweder als besonderes Gericht oder als Ingredienz an Ragouts, Fleischsorten und Milchproducten verzehrt und ist eine leichtverdauliche Speise, die selbst Kranke und Reconvalescenten gut vertragen. Man ißt sich ihn, wie das Brot, nie zum Ueberdruß; es gibt Leute, die ihr ganzes Leben lang jeden Tag zweimal Tschillaw genießen, und denen er nebst etwas Fleisch, Brot und sauerer Milch fast als ausschließliche Nahrung dient. Auch Europäer gewöhnen sich daran, essen ihn ein- bis zweimal des Tags und befinden sich wohl dabei. Die Art der Bereitung ist folgende: Man nimmt Reis von guter Qualität, vorzüglich die nur wenig mucilaginöse Sorte von Masanderan (Amberbu) oder von Schiraz (Tschampe), läßt ihn 1—1'/2 Stunden in kaltem Wasser stehen, um den Rest der mucilaginösen Bestandtheile zu entfernen, und seiht ihn dann durch. Hierauf füllt man einen großen Kupfertopf ^4 zur Hälfte ^ mit gesalzenem Wasser und stellt ihn, durch einen gewölbten, genau schließenden Hut F bedeckt, an offenes) starkes Feuer. Sobald das Wasser siedet, wirft man schnell den Reis hinein, läßt ihn 8—10 Minuten lang kochen und macht dann die Probe; fängt er an etwas zu schwellen, sodaß er zwischen den Fingern zerdrückt werden kann, so gießt man das Wasser ab und läßt aus Saadi, das über Genügsamkeit handelt; ich verstand eine Stelle nicht, da erklärte der Mirza, um mir die Sache deutlich zu machen, den Sinn folgendermaßen: „Du mußt nicht jeden Tag einen fetten Pillaw essen, sondern dich auch manchmal mit Brot und Käse begnügen." 108 ihn wieder ganz trocken werden. Nun thut man etwas Butter, etwa 1 Loth auf 1 Pfund Reis, in dm Topf, löscht sie, nachdem sie gehörig braun geschmort ist, mit ein wenig Wasser, und streut den Reis locker darauf. Alsdann wird der Topf vom Feuer zurückgezogen und mit dem Hut bedeckt; die Fugen a a werden mittels eines feuchten Lappens oder mit Thon hermetisch verschlossen. In diesem Zustand stellt man den Topf über glühende Kohlen, deren man auch oben auf den Hut zu legen pflegt, und läßt ihn 1—1V2 Stunde stehen, bis der Reis im Dampf gehörig gar geworden. Die Eigenschaften eines guten Tschillaw sind folgende. Der Reis darf durchaus nicht zusammenkleben, sondern muß in einzelne Körner gesondert, er muß zweitens ganz weiß von Farbe und drittens so elastisch sein, daß er sich nach leichtem Druck wieder erhebt. Trotz der einfachen Bereitung dieser Speise ist es doch schwer, allen Anforderungen, die der Perser daran stellt, zu genügen; ein Feinschmecker behauptete, es gäbe in Teheran nur drei Köche, welche einen Tschillaw zu kochen verstünden! Von dem Tschillaw unterscheidet sich der Pillaw dadurch, daß im zweiten Act der Bereitung mehr Butter und außerdem Früchte, als: Quitten, Berberis, Aepfel, Mandeln, Rosinen, Datteln, Aprikosen, Bucharapflaumen, oder Gemüse, als: Bohnen, Linsen, Erbsen, geröstete Wicken, Saubohnen, Fenchel-, Dill- und Petersilienkraut, oder aromatische Substanzen, als: Zire-Kümmel, Orangeschalen, Safran u. s. w. zugesetzt werden, von welchen dann die verschiedenen Pillaw-Arten ihren Namen empfangen. Er wird auch mit verschiedenen Fleischsortcn zusammengekocht und gilt als ein selbständiges Gericht, während der Tschillaw nur als Beigabe zu andern Ragouts dient. Berühmt ist der Afghanen-Pillaw, das einzige Andenken, welches den Persern von der Eroberung von Herat 109 und von der Einmischung in die afghanischen Angelegenheiten übrigblieb. Es wird nämlich ein ganzes Lamm in der Haut, nachdem sie sorgfältig von Wolle gereinigt worden, gebraten, auf eine große chinesische Schüssel gelegt und mit in Fett schwimmendem Pillaw bedeckt. Dieses Gericht kam im Jahre 1857 und 1858 in Mode; auch der Schah machte mehrmals den Versuch, davon zu genießen, kam aber bald zu dem Ausspruch, cö sei eine zu billige Kost, denn, einmal damit gesättigt, könne man acht Tage nichts mehr essen. Der Reis wird auch, besonders im Frühling, mit Milch gekocht und mit etwas Rosenwasser versetzt. Es ist dies ein unter den: Volk beliebter Leckerbissen (solurbirinäsok). Milch-reis gilt jedoch für schwerverdaulich; zur Zeit der Cholera-Epidemie will man beobachtet haben, daß nach seinem Genuß häufig Individuen von der Krankheit ergriffen wurden. Das Neismehl (5lrä6 birwäscli) wird zu verschiedenen Gallerten, Süßigkeiten und Breien verwendet, worunter die in rhombischen Täfelchen geformten, mit gestoßenem Zucker und Pistazien bestreuten Gallerte sehr gesucht sind; man nennt sie ^Nck äivi- kekigolit (Gelee des Himmels). Ein Brei von Reismehl und gestoßenen Mandeln (Kni-ire dkälim) wird Neconvalescenten verabreicht. Die dritte Nationalspeise ist eine mit mucilaginösem Reis unter Zusatz von Gemüsen oder Früchten dickeingekochte Asch (Suppe); sie wird meist mit verschiedenen Säuren, als: Limonensaft, Grüntraubensaft, Buttermilch u. s. w. versetzt. 6.8c1i i)H8, d.i. der Asch-Kocher*), heißt im Persischen der Koch, weil in der schmackhaften Bereitung und Lonsistenz dieser Suppe die Kunst des Meisters sich äußert. Gourmands finden selten eine Asch ganz nach ihrem Geschmack; auf künst- *) Von dem Worte puedts (gekocht) und p»2 (kochen) ist sowol das deutsche „backen" als auch das slawische duobt» und pa^it abgeleitet. 110 lich bereitete Aschs werden besondere Einladungen geinacht. Der König ließ sich mehreremal des Jahrs in seiner Gcgen-' wart von dem Haushofmeister (I^äscdid-e-äa^is) im Schloßhof die Asch bereiten, und rief von Zeit zu Zeit in Ekstase: „^.clLolied ü3e1i 63t!" (Sie ist wunderbar!) Sie wurde dann in großen chinesischen Schüsseln aufgetragen, auf der Oberfläche schwammen mit aller Gemächlichkeit drei ungeschälte Orangen. Auch die Asch wird nach den verschiedenen Ingredienzen benannt, die nebst dem Reis aus Pflaumen, Bohnen, Linsen, Wicken, geschälter Gerste, Citronen, sauerm Traubensaft, Buttermilch, Oxymel, Essig, Dill, Fenchel, Kürbis, Scorzonera, Rothe Rüben u. s. w. bestehen können. Für die arbeitende Klasse dient jedoch das Brot (Mn) als Hauptnahrungsmittel. Das Nan wird aus Weizenmehl gebacken. Man unterscheidet dreierlei Sorten: 1) Xiw6 56NF6K. Der weiche, gegorene Teig wird in Galetten ausgezogen und in den Backofen auf erhitzte Kieselsteine geworfen, wo er in wenigen Momenten ausgebacken ist. Dieses Gebäck gilt als Luxusbrot; es wird zumeist in den Städten genossen und nach Wunsch mit Mohn, Sesam oder Nigella-samen (siak-älweli) bestreut. 2) Xäus iNnäsoli. Der Teig ist dem vorigen ähnlich, nur wird er in dicken Fladen ausgewalzt und an die Wände eines krugähnlichen erhitzten Thongefäßes (teum-) angeklebt, bis er herabfällt; er ist meist nicht durchgebacken und schwer verdaulich. 3) Mus äeliäti (Bauernbrot). Der ungegorene Teig wird dünn ausgewalzt und auf einem erhitzten Stein oder einer Metallplatte gebacken. Die ganze Bereitung nimmt höchstens eine halbe Stunde in Anspruch. Der Europäer kann sich nur schwer an das persische Brot gewöhnen, sowie umgekehrt der Perser das seinige dem europäischen vorzieht. Darum lassen die in der Fremde accredi- Ill . tirten Gesandten häufig Brot nach ihrer Landessitte backen. Frisch ist die persische Galette erträglich, schon nach wenigen Stunden aber wird sie zäh, bitter und kaum genießbar. Zur Mitnahme auf Reisen wird eine Art Zwieback (näus-s-okuLckk) bereitet, von ziemlich gutem Geschmack. Dem europäischen Reisenden ist anzurathen, sich damit zu versehen, weil er unterwegs oft schlechtes, ungenießbares Brot findet. Das Brot dient dem Perser noch zu andern Zwecken als zur Nahrung; es erspart ihm: den Löffel, in eine flüssige Suppe wird so viel Brot gebrockt, bis sie mit den Fingern gegessen werden kann; den Teller, man legt die Portionen darauf vor; die Serviette, man wischt sich während des Essens die fettigen Finger daran ab; sogar das Packpapier, da Braten oder sonstige fette Speisen für die Reise darin eingehüllt werden. Somit ist es begreiflich, warum das europäische Brot ihm unbequem oder zweckwidrig erscheinen muß. Es fehlt in Persien nicht an Wassermühlen (äsiä); doch wird das Getreide nur grob gemahlen, und das Mehl (art) nur unvollkommen von den Kleien (sssdu?) befreit. In vielen Haushaltungen bedient man sich noch der primitiven Handmühlen, aus zwei Steinen bestehend, von denen der obere eine Handhabe, der untere einen Ausschnitt zum Abstießen des Mehls besitzt. Auf diesem wird auch eine Art grober Grütze (bsiFdui-) bereitet, welche besonders bei den türkischen Einwohnern beliebt ist und ihnen die Stelle des Reises vertritt. Windmühlen sah ich nirgends in Persien. Die ärmsten Klassen auf dem Lande bereiten ihr Brot aus Gersten- oder Hirsemehl. Gerstenbrot (uiws äsHian) gilt als Sinnbild der Genügsamkeit des Derwischlebens und kommt in diesem Sinn oft bei den Dichtern vor. 112 Außer zu Brot wird jedoch das Mehl zu keinem andern Gericht verwendet. Von Fleischsorten ißt der Perser fast ausschließlich Schaf-, Lamm- und Hühnerfleisch. Nur diese bezeichnet er gewöhnlich mit dem Worte FU8cKt (Fleisch). Andere Sorten, wie Rind- und Büffelfleisch, werden, weil sie infolge der unzulänglichen Viehfütterung zäh und trocken find, nur von den ärmsten Klassen während der Wintermonate genossen. Oft sagte mir der König, er könne nicht begreifen, wie man anderes Fleisch essen könne, wenn man hinlänglich Lämmer, Schafe und Hühner habe, er beklage das traurige Los der Europäer, welche zum Rindfleisch greifen müßten. Es möge hier bemerkt sein, daß die Perser eigenthümliche Begriffe von den Preisen der Lebensmittel in Europa haben, welche ihre diplomatischen Agenten zu dem Zweck verbreiten, um größere Repräsentationskosten berechnen zu können. So wird beispielsweise allgemein angenommen, daß ein Ei 1 Franc kostet; man fügt dann im Gespräch wohlgefällig bei: „vsr Iräu Wl2äni 68t." (Im Iranschen ist es billig.) Von eßbarem Wild findet sich selbst in der Nähe der Hauptstadt: 1) das Argali (^»ksnäs kuki), welches oft in kleinen Heerden auf dem Bergrücken des Elburz zu sehen ist. 2) Der westasiatische Steinbock ^.s^icoros H.6zaZro8 (du26 kuki) mit mächtigen Hörnern, ziemlich häufig am Demawend und in den Gebirgen von Laridschan, während die Gemse (du?) nicht selten im nahen Jagdrevier Dschedscherud erlegt wird. 3) Die Gazelle (äku, äFcbnramI)) hält sich zahlreich in den ausgedehnten Ebenen auf, denn sie liebt wie das Schaf salziges Futter; ihr Fleisch ist nicht besonders geschätzt. 4) Der Hirsch (msoi-ki und F^s kulii) und das Reh (sckulcä), nur in den Wäldern am Kaspischen Meer. 5) Der Hase (HssrguZcii). 6) Das Wildschwein (Zurax okulc), seltener in den Ebenen, desto zahlreicher in den 113 Wäldern am Kaspischen Meer und in den Sümpfen um Schi-raz; sein Fleisch wird aus gesetzlichen und Sanitätsgründen nicht genossen. Dagegen besteht das Vorurtheil, die Anwesenheit eines Wildschweins im Stalle befördere das Gedeihen der Pferde, und es wird deshalb in jedem großen Stall ein Schwein gehalten. Die Pferde verrathen mit der Zeit eine eigene Anhänglichkeit an dieses Thier. Die Menge des Wildes ist in manchen Gegenden so groß, daß Wildfleisch billiger als das von zahmen Thieren ausgeschrotet wird. Von Geflügelwild gibt es die Wachtel (biläsi-tgokin), mehrere Arten Rebhühner: die ^linotts (kwdlc), ein kleines Rebhuhn mit sehr delicatem Fleisch (wiku), ein anderes mit schwarzer Brust (KaraFUZob), ferner das Sandhuhn (?t6roel65 6xii8tu8). Sehr gesucht ist das Fleisch des Frankolins (äui-lUäok), der Oti8 lludarrsli, am meisten jedoch des 1'6tra0ßa11u8 kaukasicus (kökpki äerri). Enten in mehreren Varietäten (ui-äek, murF^di) kommen viele auf den Markt von Teheran, weniger Gänse (352), deren Fleisch nicht geschätzt ist, daher sie auch fast nirgends gezähmt zu finden sind. Truthühner (dukalaiuu) sind erst in neuerer Zeit eingeführt worden; ihr Fleisch ist zum Halim sehr gesucht, doch sind sie noch sehr selten. Schnepfen und Becas-sinen werden ebenfalls wenig geschätzt und fast nur von Europäern gekauft. Sehr beliebt hingegen sind die Sperlinge (Fuuä8cki8ekk); Suppen davon gelten als besonders stärkend für Rcconvalescenten, auch als bewährtes ^pbi-oäsia-oum. Fasanen (gar^nl) sind sehr zahlreich in den Wäldern am Kaspischen Meer. Wilde Tauben (kNdutsr) werden in der Umgebung der Wasserleitungen mittels Schlingen gefangen. Von Fischen (mälu) werden nur solche Arten verzehrt, welche Schuppen, Floßfedern und ein Knochenskelet besitzen. Polal, Pl-rsn-n. I. 6 114 Es ist klar, daß im Flachland die Fische selten sind, mit Ausnahme der zahlreichen Forellen (Kiailulu) in den Berg. wässern und den kleinen Weißfischen, welche sich in allen Kanälen finden, ohnc daß man sich ihr Erscheinen an den gegrabenen Wasserleitungen zu erklären weiß. Anders verhält es sich am Kaspischen See und dessen Zuflüssen, deren Fischreichthum beispiellos ist. Die Fischerei ist dort an die Russen verpachtet und bildet eine wichtige Staatseinnahme. Fische sind in den Provinzen Gilan und Mazanderan nebst etwas Neis die ausschließliche Nahrung der Bewohner; sie werden auch, gesalzen und geräuchert, weit ins Land verschickt. Caviar genießt der Perser nicht, weil er von einem unerlaubten Knorpelfisch herrührt. Von Krebsen ißt man nur eine Art kleiner, gesalzener und getrockneter, Garnelenkrebse aus dem Persischen Meerbusen, vorzüglich bei Trinkgelagen, um die Lust zum Wein zu vermehren; man nennt sie mg^ßu. Im allgemeinen unterscheidet der Perser erlaubte (dw-lal) und unerlaubte (kwrani) Fleischspeisen, und unter erstern wieder jene, deren Genuß zwar erlaubt, doch unschicklich (mwkruk) ist. Zu letzterer Kategorie gehören der Hase und der Maygu-Krebs (inwki-uli), welche daher nur von minder scrupulösen Leuten gegessen werden. Er hält sich zumeist an die mosaischen oder besser vor-mosaischen Speisegesetze, welche von den Bedürfnissen des Klimas, der Hygiene und einer oberflächlichen zoologischen Kenntniß dictirt wurden. Selbst dem Grundsatz „im Blut ist die Seele oder das Lebensprincip" scheint er zu huldigen, obwol nicht ganz in dem rigorosen Sinn wie die Juden. So ißt er nur von solchen Thieren, dem vor dem Tode die Blutadern aufgeschnitten wurden und wo das Blut noch flüssig herauskam. Die andern faßt er unter dem Namen „erstickt" zusammen und meidet sie. Iagdwild soll streng genommen nur dann 115 gegessen werden, wenn es noch mit einigen Lebenszeichen aufgefunden und ihm die Halsadern geöffnet wurden. Dieselben Regeln gelten auch für den Genuß der verschiedenen Geflügel und Fische. Wirbellose Thiere sind ganz verboten, mit Ausnahme des Mavgu und der Heuschrecke, welche von den Arabern verzehrt werden. Pferde- und Eselfleisch essen die Perser nicht, doch gilt das Fleisch vom wilden Esel (ßui'-s-okgLi-) als Leckerbissen. Die Chiwaner und Usbeken essen jedoch auch Pferdefleisch mit besonderer Vorliebe, trotzdem sie ausgezeichnetes Schaffleisch haben. Hochgestellte Gäste und Gesandte werden von ihnen durch Vewirthung mit den verborgenen Theilen des Pferdes*) besonders geehrt. Bereitung des Fleisches. Alles Fleisch, gleichviel von welcher Thiersorte, wird immer frisch geschlachtet^*) zubereitet, selbst das Wild wird gleich nach seiner Erlegung genossen. Der sogenannte Wildgeschmack oder Hautgout widersteht dem Perser; daher der häufig zu hörende Vorwurf, daß Europäer stinkendes Fleisch und Frösche äßen. Da nur kleine Thiere, meist Schafe und Lämmer geschlachtet werden, so ist der baldige gänzliche Verbrauch des Fleisches leicht ermöglicht, es bleibt nur selten ein Stück für den nächsten Tag übrig. Nur ausnahmsweise liegt des Nachmittags noch Fleisch in den Bazars fcil, weil man da schon fürchtet, daß es *) kart-iliu« 8sxua!idu8. So erzählte mir der als Schriftsteller und Historiograph in Persien berühmte Mirza Rezy Kuli Chan, daß er, von Mehmet? Schah als Botschafter nach Chiwa geschickt, vom Chan (Fürst von Ehiwa) dadurch ausgezeichnet wurde, daß ihm derselbe mit höchst eigener Hand diese Theile vorlegte, und daß er sich nur mit großer Mühe entschuldigen tonnte. Aehnliches berichtete auch der englische Secretär Taylor Thomson. **) In wenigen Städten besteht, wie in Teheran, eine Schlachtbank lk2e8übcdu,l-e) außerhalb der Stadt; in Ispahan z. B. nichi, doch Wirten dort die faulenden Thierreste weniger schädlich, weil sie bei der ausgedehnten Anwendung des Düngers bald auf die Felder geführt werden. 8* 116 unverkauft bleibe. Deshalb fühlt man auch nicht das Bedürfniß nach Eiskellern oder kühlen Aufbewahrungsplätzen für das Fleisch. Die Eingeweide, Herz, Leber, Lunge und Gedärme, werden entweder weggeworfen, wo sie dann den zahlreichen Hunden zur Speise dienen, oder fast umsonst an die ärmsten Klassen abgegeben. Die Milz jedoch wird immer den Hunden überlassen. 1) Das Fleisch wird in Wasser abgekocht und mit Küchererbsen versetzt, die Brühe heißt dann nwokuä ad oder üde-FU8okt; sie wird mit einem Theil des Fleisches servirt, der größte Theil desselben wird jedoch vor dem vollen Garwerden herausgenommen und dem Pillaw einverleibt. Wird die Brühe mit Reis und mit Früchten oder Gemüsen versetzt, so nennt man sie Asch (s. oben). 2) Das Fleisch wird in dünne Scheiben geschnitten, die mit Schichten Fettschwanz vom Tatarenschafe abwechseln, an den Spieß oder Ladstock gesteckt und über Kohlen gedreht, zuweilen auch mit Butter und Citronensaft bestrichen und mit etwas Pfeffer bestreut, bis es gebraten ist. Hierauf wird es in einen dünnen Fladen Brot eingehüllt zu Tisch gebracht. Diese ist die beliebteste und schnellste Fleischbereitung der Perser; der Braten fehlt daher bei keiner guten Mahlzeit. Frisch genossen ist er in der That äußerst schmackhaft und leicht verdaulich; man nennt ihn 8io1i-kwd5b (Spießbraten). Junge Hühner und große Stücke zarten Lammfleisches werden unzerschnitten auf diese Weise zubereitet. 3) Das Fleisch wird mit gleichen Theilen Zwiebeln zu einem feinen Brei gehackt, hierauf auf einem schwertartigen Spieß geformt, über Kohlen gebacken und mit dem Pulver von Kims ooriaria ssum-ik) bestreut. Dieses ist die Lieblingsspeise der mittlern Klassen; sie heißt 3eIÜ8ek-kWdkd, 117 ist jedoch wegen der vielen Zwiebeln und wegen der Zermalmung der Fleischfasern schwer verdaulich. 4) Das Fleisch wird zu einem Brei zerhackt und, mit Küchererbsen, Reis und andern Vegetabilien versetzt, in Butter gebraten. Das Gericht heißt'Kults, wenn aber in Täfelchen geformt 8obu,iui. 5) Das kleingehackte, mit Vegetabilien und Gewürzen versetzte Fleisch wird in die Höhlung von Gurken, Kohl, Auberginen u. s. w. gelegt, oder mit Weinlaub oder Malvenblätter umhüllt und mit etwas Citronen- oder Grüntraubensaft versetzt. Diese bei Türken wie Persern sehr gesuchte Speise heißt äu1m,6. 6) Das Fleisch wird in Stücke geschnitten, mit verschiedenen Vegetabilien, als: Rüben, Kohl, Carotten, Zwiebeln, Pflaumen, Küchererbsen, in Butter geschmort, und gibt dann die beliebten Ragouts (otmrisoli); sie sind sehr fett und werden deshalb mit dem magern Tschillaw zusammen genossen. Die Ragouts von Küchererbsen mit Zwiebeln, gehacktem Fleisch und getrockneten Citronen von Oman in Arabien (K6^m6ii), desgleichen die mit Roob und Kernen von Granaten und Walnüssen (üsinäsHän) versetzten erfreuen sich einer besondern Beliebtheit. 7) Das Fleisch, besonders von Geflügel, wird in einem zugedeckten Topf 24—36 Stunden anhaltend gekocht, bis es sich ganz zu Brei aufgelöst hat (Isk goliuä). Vor dem Genuß noch reichlich mit einer Butterschicht übergössen, gilt es als besonderer Leckerbissen und heißt IiNÜN, ist jedoch äußerst schwer verdaulich, weshalb es nur im Winter gegessen wird. Bei jeder der verschiedenen Bereitungsarten des Fleisches ist stets die erste Anforderung, daß es vollkommen gar und weich sei und sich leicht vom Knochen löse, da der Perser nie Messer und Gabel benutzt, auch nie den Knochen abnagt. )18 sondern die Stücke mit den Fingern losschält. Zur Aufbewahrung geräuchert oder eingesalzen wird das Fleisch nicht, nur in Azerbeidschan bewahren die Einwohner, weil dort während des Winters der Zutrieb von Schlachtvieh sehr erschwert ist, das halbgekochte Fleisch, mit einer dicken Fettlage umgeben, in Fässern auf; solches Fleisch heißt Zurmeii. Alle Speisen müssen nach dem Geschmack des Persers sehr fett sein; gewöhnlich schwimmt eine fingerdicke Schicht Fett, aus frischer Butter (ru^an) erzeugt, auf der Oderfläche. Nur arme Klassen behelfen sich mit dem Fettschwauz des Schafes. Olivenöl wird gar nicht genossen.*) In Fett schmort man das Fleisch, die Fische, die Gemüse; mit Fett bereitet man die Eierspeisen und die beliebten Pfannkuchen (kuku, nimruk). Vielfach in Anwendung sowol als selbständige Speise wie als Zusatz zu andern Gerichten kommen die verschiedenen Milchprodncte, namentlich sauere Milch (Kürt, K68e1ilc, karaZut). Die fette Sahne wird abgedampft und in tellerförmige Kuchen (k67ina.k) geformt, welche bei den Nomaden sehr beliebt sind. Auch die verschiedenen Käsearten (pssnir) bilden einen wichtigen Factor der Nahrung; bei unzureichendem Appetit zieht der Perser Käse und Brot jeder andern Speise vor. Ich sah, wie der König in solchem Zustand alle aufgetragenen Gerichte verschmähte und sich lediglich mit Käse und Brot begnügte, in steter Bewunderung ausrufeud: „^.«ilsclied pssnir 68t!" (Welch köstlicher Käse!) Hohe Beamte, selbst Minister, wenn *) Wegen der schlechten Qualität des inländischen, übelriechenden Olivenöls kann der Perser kaum begreifen, daß der Prophet (Moham-med) eine besondere Vorliebe für dasselbe hatte. Angemachter Salat ist deshalb nicht in Gebrauch; man ißt die Blätter der Pflanze roh, ioder taucht sie in Oxymel. 119 sie oft stundenlang in den königlichen Gärten auf Audienz harren, genießen zum Frühstück Käse und Brot mit etwas Grünzeug, von den Dienern im nächsten Bazar gekauft und ins Schnupftuch eingewickelt überbracht. Eine besondere Rolle in der Ernährung spielen die Säuren und sauern Conserven. Von Jugend auf daran gewöhnt, scheint dem Perser ohne sie keine Verdauung möglich. Er verzehrt von diesen Säuren (tursoki) unglaubliche Quantitäten, sowol roh als auf verschiedene Weise gekocht. Dagegen vermeidet er sie in allen Krankheiten der Nespirationsorgane, ebenso bei Wechselfiebern, aufs sorgfältigste, er hält sie dann sogar für lebensgefährlich. Es gehören dazu die vielen unreifen Früchte, als: Pflaumen, Aepfel u. s. w., die mit etwas Salz genossen werden, sauere Milch und Butter, Citronen-, Orangen-, Cedros-, Trauben-und Granatäpfelsaft, die sauern Sprossen von Ii1i6uni i-i^as, Oxalsäure, die sauern Noobs von Granatäpfeln und Mi6um riwg.8, unreife Tamarinden von Guzerat (tamsr Fnäseki^t); ferner die Essigconserven (wi-8clii), welche durch den vortrefflichen Weinessig und durch das öftere Wechseln desselben eine besondere Güte erlangen und daher als Ausfuhrartikel sehr gesucht sind. Man verwendet zu denselben allerlei Früchte und Gemüse, vorzüglich Kapern, Bergzwiebeln (mu-sir), Gurken, Auberginen (solauuin msiaiwFena), Trauben, Sprossen von Umbelliferen, so das Gulper (Usi-aeisum 8MN6Q86), das Dschawschir (v^piotsria oaeliriäilolia,), das Viwaze, eine Umbellifere von Kurdistan.*) *) Dieses Doldengewächs, welches sich häufig im Elwendgebirge, vorzitglich in Kurdistan im Bezirk Saudschbelag findet, ist als Gemüse sebr geschätzt. Die bohnengroßen Samenkörner verbreiten einen sebr angenehmen Duft, ähnlich dem Peruvianbalsam. Leider kam der Same, welchen ich nach Wien an den Botanischen Garten schickte, nicht zur Keimung. 120 Hierzu sind auch die verschiedenen Scherbets zu rechnen. Unter Scherbet versteht man einen mit Zucker versetzten, zur Sirupconsistenz eingekochten sauern Saft, welcher mit Eiswasser vermischt wird. Er bildet das Lieblingsgetränk der Perser. Man unterscheidet je nach den mannich-faltigen Ingredienzien den Scherbet von Essig oder Oxymel, von KK611U1 ri>vH8, von Citronen, Granaten, unreifen Trauben, Quitten, Weichselkirschen, unreifen Tamarinden, Ber-beris u. s. w. Neben den Säuren werden die Süßigkeiten («odiriui) von groß und klein mit Vorliebe genossen; sie sind zu jeder Festlichkeit unerläßlich, jede Gabe, jedes Geschenk wird von ihnen begleitet. Der Perser bereitet sie mit besonderer Ge-schicklichkeit, ja die persischen Zuckerbäcker (kWuuääi) halten sich in ihrem Fach für die ersten Künstler der Welt. Die besten Sorten kommen aus Ispahan und Dezd. Als Ingredienzien verwendet man den rafftmrten oder yezder Zucker, zu den mittlern Sorten auch Honig, Melasse und eingedickten Traubensaft. Der Zucker wird mit Reismehl, ranzigem Fett, Stärke, Citronensaft u. s. w. gemischt und in verschiedene Formen gegossen. Dem Europäer munden die Schirini nicht. Die überzuckerten Früchte heißen nnki, die Erzeugnisse in Zeltchenform Kur». Als vorzüglichstes Schirini gilt das Peschmek; der Zucker wird mit Fett geknetet, und die daraus entstandene elastische Substanz von zwei kräftigen Personen mehrere Stunden lang wie Strähne ausgezogen, bis sie der Flachsfaser ähnlich ist, daher der Name 1)68Hiu6lc (Wollfaser). Andere Süßigkeiten, als: das Baghlewa, Mascati u. s. w., sind ebenfalls beliebt und fehlen bei keinem Fest. Selbst der Kandiszucker (n^dat) erfreut sich einer besondern Gunst; es werden aus demselben Schüsseln mit stalaktitartigen Säulen ankrystallisirt und als Angebinde überreicht. Ein Stück Kandis fehlt selten in der Tasche des 121 Persers.*) Als schmackhafteste Süßigkeit gelten die Fladen aus der (-62-uig.unll, (6626uß6l)in), welche mit Mandeln, Pistazien, (^räHWoiuum versetzt, im Ofen gebacken, mit Mehl und Kätzchen von Lalix 8^ß08tsmum bestreut und im ganzen Lande verschickt werden. Wenn Zucker, zur Sirupconsistenz gekocht, mit wohlriechenden Substanzen versetzt wird, sodaß eine zähe, schmierige Masse entsteht, so heißt er kssivä. Man verwendet dazu die Blumenblätter von gelben und rothen Rosen, die Blüten von Aepfeln, Quitten, Jasmin u. f. w., wonach das Hälwa verschiedene Namen empfängt. Unter i-ud versteht man dickeingekochte Pflanzensäfte von Granatäpfeln, NIisum rivas u. s. w. Der Honig (assai) ist vom Volk sehr geliebt und wird häufig verwendet; es gelten eigene Vorsichtsmaßregeln für dessen Genuß, da er bei unzeitigem Gebrauch durch seine erhitzenden Eigenschaften schwere Krankheiten erzeugen soll. Auch von giftigem Honig habe ich erzählen hören. Zu den Bestandtheilen eines guten Mahls gehören auch die verschiedenen in Zucker eingemachten Früchte, in deren Bereitung die Perser Meister sind; sie heißen Mnr«dd5.. Für die besten gelten die von Quitten, Aepfeln, Orangen, Cedratschalen, Ingwer, Berberis von Chorassan u. s. w. Eine wichtige Rolle unter den Nahrungsmitteln des Volks fällt den Früchten (miwsk) zu, die wegen ihrer Billigkeit auch dem Aermsten zugänglich sind und oft, nebst etwas Brot und Käse, seine einzige Nahrung ausmachen. In den Sommermonaten hält die arbeitende Klasse mit Feigen (aQä8oIiir), Maulbeeren (wt), gelben Pflaumen (Äu-26rä), Melonen, Trauben ihren ersten Imbiß und verzehrt *) Der Zucker gilt für „warm" (erhitzend), der Kandis für „lalt" (kühlend), daher die Getränke fiir Fieberkranke mit letzterm versüßt werden. 122 davon staunenerregende Quantitäten. Von den verschiedenen Obstsorten wird am geeigneten Ort die Nede sein; hier sei nur noch erwähnt, daß außer im Monat April die verschiedenen Früchte fast nie vom Markt verschwinden. Nebst den Obstgattungen verspeist der Perser viele rohe Gemüse, vorzüglich Gurken (olükr), Lnowoa (kn,Iiu) und 8e0r2on6ra (seinnlc); zum Braten und zum Käse: Nettichblätter (turp), Gartenkresse (t,ei-ti886k), vraeunoulu» (tsr-olmn), Zwiebeln (pia^) und Münze (nwnk). Außer den früher genannten Hülsenfrüchten bilden folgende Gemüse: die Let«. (t8cliuFunci6r), die vaucms carottg, (26I-66K), die Kürbisse verschiedener Art (Kwäu), Usianozena, (dääinäsckän), Spinat ^flniktsol,), der Kopfkohl (ivVlwm), die Kohlrübe (K^I^ins guini-i), die Wasserrübe (8klät zusammen. Frauen lieben in den Intervallen der Mahlzeiten, sich mit verschiedenen in Salz gerösteten öligen Samen (üciscliii) die Zeit zu vertreiben und ihre Zähne zu üben, mit Mandeln, Haselnüssen, watschen Nüssen, Kernen von Kürbissen, Melonen und Mahalebbirnen (Änä8ckuä8<:lislc), gerösteten Küchererbsen (nsoliuä^kk), Hanf- und Weizenkörnern. Getränke. Für den Bedarf an Wasser (lid, au) ist allerdings in den Städten durch Wasserleitungen, und durch große Cisternen in den verschiedenen Stadttheilen, welche meist frommen Stiftungen ihr Dasein verdanken, gesorgt; allein da die Leitungen schlecht und unbedeckt sind, wird es bald verunreinigt und kaum genießbar. Daher pflegen wohlhabende Familien eigens zum Zweck des Wassertrans- 123 ports ein Lastthier zu halten, welches in zwei Schläuchen (i-Ä^ioli) aus Iuchtenleder das Trinkwasser aus der außerhalb der Stadtmauern befindlichen Mündung der Leitungskanäle herbeischleppt. Für die minder bemittelten Klassen bestehen Wasserverkäufer (8^1ck), welche jedoch dem armen Volk unter dem Vorgeben frischen Wassers, oft fanliges verkaufen. Auf gutes Trinkwasser hält der Perser sehr viel; er schreibt ihm, mehr als der Luft, die bessere Verdauung, den bessern Gesundheitszustand in den Bergen zu, während er die meisten Krankheiten von verdorbenen: Wasser herleitet. Bekanntlich ließen sich die alten persischen Könige auf ihren fernen Expeditionen das Wasser des Flusses Zab nachführen, wie in neuester Zeit Said Pascha auf seiner Reise nach Europa Nilwasser mit sich führte; Nassereddin Schah ließ sich mehrere Monate das Trinkwasser von jenseit des Elburz-gebirgs holen. Trotzdem versäumt man es, das Wasser in den Leitungen vor Schmuz zu bewahren, denn sie sind zumeist offen und laufen mitten in den Straßen; ja selbst am Ursprung (86i-.t8^68c1im6) der Leitungen wird schmuzige Wäsche gewaschen! Nebst dem Wasser dienen die verschiedenen Sorbets Oekerdst) und Emulsionen von sauerer Milch (äu^k) häusig als Tischgetränk. Nicht selten werden den Scherbets schleimig aufquellende Samen von Plantago (mHuis ä^ierdot), etwas Rosen- oder Moschusweidenwasser (ZLrLkks diämi8ckk) zugesetzt. Nach Beimengung von geriebenen Apfelstückchen oder Stärkesago heißen sie iioluäsll, ein Getränk, das beim Volk sehr beliebt ist und in den Bazars feilgeboten wird. Das Eis (.,Nc?i) ist dem Perser zu seinen Getränken unentbehrlich; dem ärmsten Stadtbettler fällt es äußerst schwer, ihm zu entsagen; es wird selbst im Winter zu allen Getränken beigemischt. Für seine Anschaffung, Erhaltung und Billigkeit wird viel Sorge getragen. Der Preis wird durch 124 polizeilichen Tarif festgestellt. Zur Bereitung des Eises bestehen in der Stadt und deren Umgebung Eisgruben (Mek t8okä1), parallelogrammartige Vertiefungen von etwa 2—300 Quadratklafter, deren drei Seiten mit einer hohen Lehmmauer eingefriedet sind, während nur die vierte, nach Norden gelegene, offen bleibt, sodaß die Sonnenstrahlen nicht eindringen können. Im Winter füllt man diese Gruben mit Wasser, und sobald sich nachts eine dünne Eiskruste bildet, wird sie immer durch aufgegossenes Wasser frisch berieselt, bis das Eis zur gehörigen Stärke anwächst; es wird dann in Tafeln zerschlagen und im Keller aufbewahrt. Infolge der trockenen Luft erhält es sich den ganzen Sommer und Herbst hindurch, in Ispahan sogar zwei Jahre lang. Ich sah in letzterer Stadt einen Eiskeller, dessen Gewölbe eingestürzt war, und in dem dennoch das Eis, nur mit einer Schichte Stroh und Reisig bedeckt, den ganzen Sommer hindurch nicht aufthaute. Das ill der Stadt künstlich bereitete Eis ist unrein, weil die Gruben im Sommer zur Ablagerung von Kehricht und Aas benutzt werden; man reinigt sie zwar im Herbst, doch hindert dies nicht, daß auf dem Grund eine dicke Humuslage zurückbleibt. Das Eis enthält daher organische Substanzen, welche um so schädlicher wirken, da der Perser seine Getränke nicht in Eis abkühlt, sondern Stücke desselben hineinwirft. Viele Fälle von Dysenterie sind gewiß dem Genusse unreinen Eises zuzuschreiben. Weit vorzüglicher ist das Eis, welches jede Nacht frisch von den hohen Schneegebirgen geholt wird, an deren Fuß die meisten größern Städte liegen. Auch Teheran liegt in der Nähe eines solchen Gletschers, äariü. ^aok (Eismeer) genannt. Den Persern ist der beständige Genuß des Eises eine Nothwendigkeit, und ich bemerkte bei ihnen nie, die Reinheit des Eises vorausgesetzt, eine schädliche Wirkung davon. Anders bei den hier lebenden Europäern, welche sich an dasselbe nicht 125 gewöhnen können, weil es ihnen Gastralgie verursacht. Für sie sind in Eis gekühlte Getränke vorzuziehen; wenigstens dürfen sie nur sehr kleine Quantitäten Eis unter das Getränk mischen, sonst entsteht leicht, besonders wenn der Körper erhitzt ist, eine krampfhafte Zusammenziehung der Speiseröhre. Um das Wasser längere Zeit kühl zu erhalten, setzt man es auch in porösen Thongefäßen aus Kum dem Luftzug aus. Gewürze (aciwijkb) werden in der persischen Küche nicht viel angewendet, hrer und da etwas Pfeffer (Wlui), Zimmt (Mrt^kini) und lüaräamoiuum (bil), am meisten Safran (^atckrun), welcher dem Neis und selbst dem Luxus -brot beigemischt wird. Desto häufiger ist der Gebrauch der aromatischen Kräuter, Wurzeln und Samen, wie Majoran (wNi-86uä8oI,u8ok), Quendel (1iü8o1in), Kümmel (xii'sd), Fenchel, Münze, Zwiebeln und Knoblauch. Der Consum von Knoblauch ist in den Marschländern am 'Kaspischen Meer erstaunlich groß. Rohe Zwiebeln sind auch bei den bessern Klassen beliebt. Mahlzeiten hält der Perser mir wenige. Früh morgens nimmt er als ersten Imbiß (t8olik8o1it) ein Täßchen^ bittern Kaffee oder eine Tasse Thee, zuweilen mit einem Stückchen Zwieback und etwas Käse. Das Volk ißt mit nüchternem Magen Früchte in erstaunlichen Massen. Man hält das Obst in den Morgenstunden am zuträglichsten, während man es nach der Mahlzeit genossen für schädlich erklärt. Gegen 11 Uhr wird das Frühstück (nwl^i-) eingenommen. Die Hauptmahlzeit bildet das Abendbrot (»cimm), einige Stunden nach Sonnenuntergang. In reichen Häusern pflegt man noch nachmittags als Zwischenmahlzeit Thee und Früchte zu genießen (asi-iwLk); im allgemeinen aber hält der Perser nur zwei Mahlzeiten, die andern können wegen ihrer geringen Qualität und Quantität kaum als solche gelten. In 126 den gewerb- und handeltreibenden Klassen wird nur einmal des Tags warm gespeist, sonst begnügt man sich mit früher zubereiteten kalten Speisen (1isL2Nri). Die Kücheneinrichtung (kselipsssolikneli) ist sehr einfach. Da alle Speisen bei offenem Feuer bereitet werden, kann jedes Zimmer in kurzer Zeit zur Küche umgewandelt, ja eine solche rasch im Felde oder unter dem Zelte improvisirt werden, indem man zwei parallele Dämme aus Lehm aufführt, zwischen ihnen Feuer anzündet und die Töpfe daraufsetzt. Die Kochgeschirre (sesd^b) sind alle aus Kupfer, werden jedoch immer gut verzinnt, sodaß Fälle von Kupfervergiftung äußerst selten vorkommen, obgleich das Geschirr nach dem Gebrauch nur unvollkommen gereinigt wird und man an den angesetzten Krusten die darin bereiteten Pillaws abzählen kann. Weil man es nach kurzem Gebrauch wieder neu verzinnen läßt, hält man jede gründliche Reinigung für überflüssig. Ueberhaupt darf man nicht Reinlichkeit nach unsern Begriffen erwarten. Der Perser ist zufrieden, wenn nur die Speisen rein auf den Tisch kommen. Bei Gastmählern, wo die Köche sehr beschäftigt sind und die Zahl des geschlachteten Flügelviehes groß ist, geräth wol mitunter irrthümlich ein Huhn unausgeweidet in den Pillaw. Nach der Einnahme Herats wurden die in Teheran residirenden Afghanen zum Kriegsminister geladen. Ein Afghane ergriff zufällig ein unausgeweidetes Huhn, und stellte in naiver Einfalt an den Gastgeber die Frage, ob es in Teheran Sitte sei, das Geflügel auf diese Art zu bereiten. Das Birun (Männer-) und das Enderun (Frauengemach) haben jedes eine Küche für sich; ersterer steht ein Koch, letzterer eine Sklavin vor. Die schwarzen Köche sollen einen ausgebildetern Geschmack haben, und so einfach die 127 Küche scheint, sind doch gute Kochkünstler rar und werden mit enormen Preisen bezahlt. Besondere Speisezimmer gibt es in persischen Häusern nicht; ebenso wenig bindet man sich an eine bestimmte Speisestunde, sondern wo es dem Herrn beliebt und wann Geschäfte und Appetit es zulassen, befiehlt er die Tafel herzurichten. Alsbald entsteht ein Hin- und Herrennen unter den Dienern; jeder beeifert sich, seiner Verpflichtung nachzukommen. Der eine breitet ein ledernes, nach außen mit blumigem Kattun überzogenes Tuch über den Teppich, welches nie gewaschen wird, übrigens weder Fett noch Flüssigkeiten durchläßt. Andere tragen auf großen, runden, kupfernen oder auch silbernen Plateaux (ruaäsoluns), die mit einem kleinen Shawltuch bedeckt werden, um die Speisen während des An-richtens und Uebertragens warm zu erhalten, die verschiedenen Speisen und Getränke herbei. Flache und tiefe Schüfsein mit Netz, Suppen, Ragouts, Braten, Scherbets, sauerer Milch-Emulsion, sauern und süßen Conserve«, Grünzeug und Früchten werden reihenweise auf dem Tischtuch aufgestellt. Die Gefäße, oft von enormer Größe, sind meist aus echt chinesischem Porzellan, wofür der Perser eine besondere Vorliebe besitzt und sehr hohe Preise zahlt. Der Reis wird auf stachen Schüsseln servirt, die er in kühn aufsteigender Pyramide überragt; die Ragouts sind mit einer singerdicken Fettschicht bedeckt; die Scherbets kommen in tiefen Schüsseln, deren jeder ein feingeschnitzter hölzerner Löffel mit langem, durchbrochenen, künstlich geformten Griff beigefügt ist. Diese Löffel werden in den Bergdistricten Nätäns und Abadeh mit besonderer Kunst und vielem Geschmack gefertigt. Messer und Gabeln, desgleichen Trinkgläser fehlen ganz und sind allerdings überflüssig, wo man die Hand für ausreichend erachtet. Sämmtliche Speisen werden auf einmal aufgetragen, daher sie, weil das Anrichten wenigstens eine halbe 128 Stunde in Anspruch nimmt, fast kühl genossen werden. So liebt sie aber der Perser; heiß (ä^zli) will er nur den Thee und Kaffee. Sind die Vorbereitungen geendet, so gibt der Hausherr das Zeichen zum Niedersitzen mit dem Ausruf „llismiMd!" (Im Namen Gottes!) Die Anwesenden kauern mit unterschlagenen Beinen hin und machen sich an die Arbeit. Natürlich halten die Frauen separirt im Endorun ihr Mahl. Dem angenommenen Gebrauch der Gastfreundschaft gemäß ist die Tafel frei; jeder nimmt ohne Umstände daran theil; jemand abzuweisen, gilt für unerhört, höchstens daß die Diener unliebsame Personen vom Tische fernzuhalten suchen. Daher finden sich eine Masse Clienten, Derwische u. s. w. ein, die lediglich des Mahls wegen erscheinen; man nennt diese Art Schmarozer eku8ckked6nä, d. i. die fest anbinden und nicht loslassen. Kommt zufällig auch ein Europäer bei Beginn des Mahls, so geräth der Perser in Verlegenheit, Venn ihn abzuweisen verbietet der Anstand, ihn zuzulassen hat insofern seine Schwierigkeit, weil die von einem Ungläubigen berührten Speisen für unrein gelten. Trotzdem ergeht auch an ihn die Einladung zum Niedersitzen. Der Erfahrene lehnt sie ab, indent er sich damit entschuldigt, daß er bereits sein Mahl genommen habe. Wer sich aber mit niedersetzt, den weiß der kluge Perser so zu bedienen, daß er unter dem Anschein besonderer Aufmerksamkeit gauz isolirt seine Speisen empfängt. Der Hausherr bestimmt nämlich besonders gute Schüsseln und Getränke für ihn, greift in die Ragouts und legt ihm mit eigener Hand eine reichliche Portion vor. Bald sieht sich der Europäer von Speisen ganz umringt, welche die andern Anwesenden nicht berühren unter dem Vorwand, sie seien ihm speciell vom Wirth verehrt worden. Der mit persischer Sitte Unbekannte fühlt sich dadurch wirklich geschmeichelt, während man doch nur auf diese Weise dem Dilemma 129 auswich und nach Tisch über die Einfalt des sich geehrt Dünkenden seine'Glossen macht. Die übrigen Tischgenossen langen ein jeder nach dem, was ihm gerade gut dünkt. Man greift mit den Fingerspitzen der rechten Hand (die linke bleibt, als minder rein, weil mit ihr die geheimen Theile gewaschen werden, müßig nach rückwärts gelehnt) in die Schüssel, holt sich etwas Ragout und macht aus diesem und etwas Reis eine Kugel, die man in den Mund schiebt. Jeder unterminirt von seiner Seite die Reispyramide, bis sie endlich zusammensinkt. Während des Essens herrscht vollkommene Stille, alle sind nur von dem augenblicklichen Bedürfniß in Anspruch genommen; denn die Eßzeit ist kurz zugemessen, sie dauert höchstens 15 Minuten. Da es keine Servietten gibt, wischt man zeitweilig die fettigen Hände an den: vor jedem Gast liegenden Brotfladen ab. Gegen Ende des Mahls schöpft man einen oder zwei Löffel Scherbet aus der gemeinschaftlichen Schüssel; während des Essens wird nicht getrunken. Ist der Hausherr gesättigt, so späht er umher, ob etwa die andern noch bei Appetit seien; dann nimmt er kleine Bissen (lukms), was als Zeichen gilt, daß man sich mit dem Essen zu beeilen habe. Endlich sinken alle Arme; der Herr ruft: „ Hl Kauiäu lilak", d. i. Gott Lob, und winkt den Dienern, das Waschbecken V6l!2680il). 179 L. Hagd. Die Jagd ist im ganzen Lande jedermann gestattet, mit Ausnahme einiger königlichen Reviere in der Nähe der Hauptstadt, wo Iagdwächter aufgestellt sind, die nur gegen Bestechung dort Jäger zulassen. Allein bei den ausgedehnten, von hohen Bergen umschlossenen Ebenen, der dünnen Bevölkerung des Landes und der geringen Bewaffnung ist trotz aller Iagofreiheit das Wild ziemlich häufig, besonders in einiger Entfernung von der Hauptstadt. Dazu trägt noch bei, daß gute Schießwaffen wegen der theuern Preise dem Volke wenig zugänglich sind, daß Wildfleisch, weil alles Fleisch frisch genossen wird, nicht besonders geschätzt ist und ihm das der Hausthiere unbedingt vorgezogen wird — so findet z. B. das Fleisch der vom Schah in dem könig-ligen Park erlegten Hirsche, das jedem, der davon holen will, verabreicht wird, kaum in den besten Stücken Abnehmer —; ferner, daß man die Felle der jagdbaren Thiere, mit Ausnahme jener des wilden Esels und des Argalischafes, nicht zu gerben versteht, daher sie fast als werthlos weggeworfen werden. Die unermeßlichen Ebenen machen auch das Verfolgen des Wildes nur mit ausgezeichneten Pferden und arabischen Hunden (t^i) möglich, denn das meiste Hochwild stellt Wachen aus, die bei Annäherung von Menschen warnen. Endlich verursacht die Jagd bedeutende Kosten, sodaß nur reiche Leute diesem Vergnügen nachgehen können. Manche Gegenden sind daher vom Wild sehr belästigt, indem es die Cultur des Bodens und der Gärten beeinträchtigt. So leidet z. V. in dem Kesselthal Seid Ismail, auf dem Wege' nach Schiraz, der Weinstock durch die vielen Bären und Füchse, und es müssen eigene Wächter zum Verscheuchen des Wildes gehalten werden. Als Jagdgewehr bedient sich der Perser selten der ein- 12* heimischen, vortrefflichen Flinten mit damascener Läufen (trckuk-s-äscliklieri), weil sie zu schwer und kostspielig, außerdem auf Feuerstein eingerichtet sind, sondern der europäischen, die man englische (tuksuk-e-inZiis) nennt. Zur gewöhnlichen Jagd braucht man einige berittene Bediente, die das Wild zutreiben, und arabische Hunde stä^i), welche es verfolgen. Letztere laufen so vorzüglich, daß ihnen selten ein Hase entwischt, es sei denn, was allerdings in dcn Ebenen häufig geschieht, daß er sich in die Löcher der Wasserleitungen flüchtet. Sie sind auch die einzige Hundevarietät, welche der Perser pflegt und im Winter mit einer Decke zum Schutz gegen die Kälte versieht, während er alle andern als unrein zu berühren scheut. Bei gröhern Jagden bedient man sich auch der Falken (da?, ßutäeli), vorzüglich zum Jagen von Geflügel, seltener von Gazellen. Die Falkenjagd besteht, ähnlich wie bei uns im Mittelalter, noch in ziemlicher Ausdehnung; es gibt ganze Abhandlungen (dä^-uäinsk) über Pflege und Dressur der Falken. Ihre Zucht ist jedoch sehr kostspielig, denn der Falke verlangt sorgsame Pflege, einen eigenen berittenen Diener, der stets seiner Richtung folgt und ihn vom Verzehren des gefangenen Wildes abhält, da man es nicht'versteht, ihn so abzurichten, daß er die Beute verschont und dem Herrn überläßt; außerdem verirrt er sich leicht, und es kostet dann große Mühe, ihn wieder einzufangen, oder er wird von einem der großen Bergadler (karazuäcii) verspeist. Es bietet ein eigenthümliches Schauspiel, wenn der Falke, dessen Anblick das sanfte Nebhuhn dermaßen in Schrecken setzt, daß es sich wehrlos den Krallen des Todfeindes überliefert, nun selbst seinen Meister findet; der 'kühne Aar schwebt majestätisch in der Höhe und schießt plötzlich auf sein Opfer herab, das, vor Angst kaum mehr die Flügel regend, seine sichere Beute wird. , Alles das, besonders aber der 181 Kostenpunkt, da Unterhaltung und Bedienung eines Falken jährlich wenigstens 100 Dukaten kosten, ist Ursache, daß die Falkenjagd immer mehr in Abnahme kommt. Doch gehört es noch zum guten Ton, daß man sich einen Falken hält, der im Hof auf einem silbernen Postamente sitzt, und einen Jäger dazu, welcher ihn stets mit frischem Geflügelwild zu versorgen hat. Die besten Falkenzüchter sind ans dem Stamme der Zergeri, welche ihre Abkunft von den zurückgebliebenen Macedoniern ableiten. Der jetztregierende Schah ist ein passionirter Iagdlieb-haber; er unternimmt häusig Ausflüge in die Ebene von Teheran und Nagcs, wo er, unfern von den Ruinen letzterer Stadt, auf einem Hügel (clkZekün tiNpps) ein kleines Jagdschloß besitzt. Doch hat hicr infolge der öftcrn Besuche die Menge des Wildes sehr abgenommen; die Ausbeute beschränkt nch zumeist auf einige Hasen, rothe Nebhühner (linotts), hier und da auf eine Gazelle; einmal wurde eine Hyäne und eine wilde Katze, mehrmals Füchse und Schakale erlegt. Entferntere Jagdreviere befinden sich im schönen Bezirk Kent, im grasreichen Laarthal und am nördlichen Abhang des Elburz in Laro-Scheristanek. Die wichtigste Hofjagd findet cinmal im Jahre gegen Ende des Monats December im Thal des Dschedscherud-flnsscs statt, wo ebenfalls ein kleines Jagdschloß (80inkkrFü,k, auch nl6clit8eliii-) steht. Am bestimmten Tag werden früh einige Kanonenschüsse als Signal abgefeuert, worauf die Auswanderung der halben Einwohnerschaft beginnt; denn nicht allein die jagdlustige Welt, sondern auch alle Minister und Staatssecretäre, alle Beamten, hohen Militärs, Prinzen und Chane ziehen mit ins Iagdlagcr des Königs. Dort sind längs des Flusses Zelte für sie errichtet, welche weit die Ebene bedecken und von der Ferne den Anblick einer Stadt aus Leinwand gewähren. Wegen der vorgerückten Jahreszeit 182 haben die Großen, die Prinzen und Chane, außer den Leinwandzelten noch kleine, kuppelartige, dichtschließende und mit Filz bedeckte Zelte <>wt8ok6k), die mittels Kohlenbecken (inVngai) und des Kurfi geheizt werden. Die niedere Klasse, die Diener und die Soldaten, begnügen sich, frischgefällte Tamariskensträucher vor den Zelten zu verbrennen. Der Rauch des lamarix soll übrigens nach persischem Glauben den Augen wohlthätig sein. In der nächst der Burg zu Teheran gelegenen Gasse versammeln sich die königlichen Diener und der Hofstaat, um dem Schah das Geleit zu geben. Der König erscheint und besteigt ein prächtig gezäumtes arabisches Roß. Zu seiner Seite schreiten die Läufer in ihrer Phantasietracht, der Polizeimeister, die Staatssecretäre mit der Tiara und dem Scharlachgewand. Hofdiener, mit langen Ruthen versehen, rufen „Vorn beri dkru!" (Weicht aus!) und treiben das müßig zuschauende Volk in die seitlichen Straßen, während einige von ihnen die platten Dächer besteigen, um auf etwa böswillige Individuen zu fahnden. Hinterdrein reitet der Troß von Kämmerlingen, Kammerdienern und allen, welche für den Mundvorrath der Majestät zu sorgen haben. So bewegt sich der Zug bis zum Stadtthor. Der Schah schaut furchtsam um sich her, denn seit dem Attentat von 1852 sieht er jeden Fremdling mit argwöhnischen Blicken an und erlaubt niemand, den er nicht persönlich kennt, sich ihm auf Schußweite zu nahen. Vor dem Thor erwartet ihn ein Galawagen, dem 500 mit Flinten bewaffnete Diener zu Pferde (8u1Z.m-s-8eIiaKi) unter Anführung des »e^s-LoliiktLolii da8olii (Oberster der Leibwache) und des ^o88kü1 dascki voransreiten, an ihrer Spitze die königliche Standarte tragend, eine lange, mit rothem Tuch überzogene und oben mit einer goldenen Hand gekrönte Stange. Einige Stunden früher rückten bereits 183 ein Regiment Infanterie und eine Compagnie Artillerie zur Bewachung des königlichen Lagers aus, well in frühern Zeiten das Lager mehrmals nachts von einem feindlichen Stamm überfallen wurde. Der König fährt rasch, und die Berittenen begleiten den Wagen in leichtem Galop; nur zwei "äufer, einen kleinen, vergoldeten Stab in der Hand haltend, machen den Weg zu Fuß mit. Nach etwa zwei Stunden langt der Zug beim Jagdschloß an; der König wird von dem Chef der Läufer (seiiatii- d^cki) aus dem Wagen gehoben und begibt sich in die Zimmer, deren Tcppiche er mit Süßigkeiten, die zu seinem Empfang hingesetzt wurden, bedeckt findet. Der Aufenthalt am Iagdplatze dauert durchschnittlich bis sieben Tage, während welcher diejenigen, die nicht mit einem kostspieligen Filzzelte versehen sind, in offenen Zelten, oft bei Schnee und Unwetter, campiren müssen, ebenso bleiben die Reit- und Lastthiere unter freiem Himmel; genug, man lebt im Vivuak und empfindet alle Unannehmlichkeiten desselben. Jeden Morgen wird das Zeichen mit der Kanone gegeben. Die Begleitung des Königs, die Leibgarde und alle Bedienstete, sammeln sich und erwarten ihn zu Pferde. Ihnen folgt der Troß der Leibdiener und Leibjäger (tu-kouktscki) mit den Falken und einer zahlreichen Hundemeute. Dann schließen sich die Prinzen und Chane an, gewöhnlich auch einige Poeten, welche beim Frühstück ihre neuen Geistesproducte vortragen. Der Schah, fest im Sattel sitzend, sprengt mit seinem ausgezeichneten arabischen Rosse in vollem Laufe bergauf bergab, sodaß die Begleitung ihm sehr schwer zu folgen vermag. In Bezug hierauf sagte der Großvezier Sader Azam, als er eingeladen wurde, den Schah zu begleiten: „Seine Majestät möge eine Ziege zu Ihrem ersten Minister machen." Am bestimmten Iagdplatz haben bereits vorher zahlreich ausgestellte Treiber und 184 Soldaten die dominirenden Hügel beletzt; sie treiben nun dem König das Wild zu, damit er es mit gesegneter Hand erlege. Nennt ein Argali oder eine wilde Ziege vorüber, so wird von mehrern Schützen aus seiner Umgebung zugleich darauf geschossen. Natürlich ist es immer die Kugel des Schah, welche das Wild erlegte. Ich war Zeuge einer Scene, die von den sonderbaren Schmeicheleien, womit man den Schah bei solchen Gelegenheiten überhäuft, einen Begriff geben mag. Im Jahre 1856 befanden wir uns am äußersten Ende des beschriebenen Jagdreviers. Auf einem isolirten Hügel war ein kleines, prächtig oecorirtes Zelt aufgeschlagen, worin der König das Frühstück einnahm; vor dem Hügel gähnte ein mehrere Klafter breiter Abgrund, auf dessen Boden ein Bach dahin-rauschte; jenseit des Baches stieg eine Felswand jäh und schroff empor. Plötzlich erscholl der Ruf, ein Argali habe sich ins Lager verirrt. Das arme Thier war von einem Wolf gehetzt worden, der bei Ansicht des Lagers umkehrte, und flüchtete in seiner' Angst auf den Punkt zu, wo es das mindeste Gedränge wahrnahm, auf den Hügel mit dem königlichen Zelte. Rasch ergriff der Schah eine Flinte, ich und einige Leibjäger folgten ihm. Er war kaum zwanzig Schritt von dem Wild entfernt, dem nur die Wahl blieb, entweder in verzweifeltem Kampf sich gegen seinen Angreifer zu wenden oder in den Abgrund hinabzustürzen. Der Moment war kritisch, und der König in augenscheinlicher Gefahr. Allein in diesem entscheidenden Augenblick zog das Thier die Füße wie in einen Knäuel zusammen und sprang mit mächtigem Satz auf einen hervorragenden Punkt des gegenüberliegenden Felsens zu. Noch ehe es sein Ziel erreichen konnte, fielen mehrere Schüsse; das Thier rollte tödlich getroffen in den Abgrund; es war ein prächtiger Widder mit sechzehn Jahresringen. In dem allgemeinen Jubel be- 185 hauptete die Umgebung des Königs, ein solcher Sprung liege im Bereich der Unmöglichkeit, lediglich die Kugel des Schah habe durch die vis a tergo den Widder hinabgeschleudert.'! — Der König gab Befehl, den Wolf nicht zu verfolgen, weil er ihm ein so kostbares Wild zugetrieben. Auf Geflügel schießt der König in der Negel allein; ob-wol etwas kurzsichtig, ist er doch, wie fast alle Perser, ein guter Schütze. Jedes Nebhuhn, worauf er zielte, wird ihm, wenn er es auch nicht getroffen, von der Begleitung gebracht, denn es ziemt sich nicht, daß der Schah einen Fehlschuß gethan. Zu diesem Zweck führt das Gefolge frischgeschossene Nebhühner in den Jagdtaschen, welche in erlaubter Täuschung als von königlicher Hand erlegt prooucirt werden. Einmal versah sich jedoch eiu Jäger und brachte ein Nebhuhn als frischgeschossen, dessen Federn sich bereits lösten und das an den Seiten schon grünlich angelaufen war. Das erlegte Wild wird.täglich sofort durch Expressen an die verschiedenen Würdenträger im Lager und in der Stadt, auch an die europäischen Gesandtschaften geschickt, begleitet von einem Schreiben des Haushofmeisters, worin sämmtliche Stücke als von königlicher Hand erlegt bezeichnet werden. Diese Zusendung gilt als ein Zeichen besonderer Gunst und für hohe Ehre, die Unterlassung für einen Beweis der königlichen Ungnade. Der Ueberbringer erhält für die Spende zwischen 5 — 20 Dukaten. Dem europäischen Leibarzt fallen alle Hasen zu, welches Geschenk ihm einen hübschen Theil seines Gehalts kostet. Uebrigens reicht bei dem durch diese Sitte veranlaßten großen Bedarf das an einem Tage erbeutete Wild nicht aus, sondern es werden aus der ganzen Umgegend Massen in das königliche Lager gebracht, weshalb man um diese Zeit kein Stück Wildpret in den städtischen Bazars zum Verkaufe vorräthig findet. Ist die Ausbeute eines Tags schlecht gewesen, und der 186 Schah deshalb misnmthig, so wird eine Jagd improvisirt. Man gibt vor, auf einem steilen Hügel einen Leoparden gesehen zu haben. Von allen Seiten werden Jäger ausgeschickt; der König bewaffnet sich von Kopf bis Fnß; er strotzt von Dolchen und Revolvern. In seiner unmittelbaren Nähe halten Leibjäger mit Spitzkugeln geladene Flinten bereit; man sucht ganze Stunden, der Schah prüft jeden Fels; endlich heißt es, der Leopard sei in einem entfernten Revier gesehen worden, und es sei ihm gelungen, durchzubrechen. Tausend Flüche, wie peäer 8uo!it6 pelsnk (Leopard, dessen Vater Giaur), folgen dem Phantafiethier nach. Doch der Zweck ist erreicht: der König wurde in Emotion und Spannung versetzt. Oder es wird eine eingefangene oder zahme Gazelle auf den Iagdplatz getrieben und als vorgebliches Wild gejagt. Ich sah einmal, wie ein solches zahmes wildes Thier, das sich sehr ungelegen voll Anhänglichkeit an seinen Herrn schmiegte, nur durch heftige Streiche von demselben getrennt werden konnte. Abends vertreibt sich der König die Zeit mit Schachoder Kartenspiel; die Prinzen und Granden werden dazu geladen und ihnen zugleich die Summen vorgeschrieben, welche sie mitzubringen haben. Natürlich begünstigt das Glück immer den König; den Gewinn vertheilt er.unter die Dienerschaft. Gegen Ende der Jagd, gewöhnlich am fünften Tage, pflegt man zwei brünstige männliche Kamele zum Kampf vorzuführen. Diese sonst so sanften Thiere werden wüthend (msL8t) gemacht, der Schaum quillt ihnen aus dem Munde, die kleinen Augen funkeln, und sie erspähen, ein häßliches Gebrüll ausstoßend, den Augenblick, wo sie sich mit dem langen Halse umwinden können. Dann suchen sie sich gegen- 187 fettig niederzudrücken, und lassen nicht eher vom Kampf ab, als bis sie durch Gewalt auseinandergebracht werden. Nach beendigter Jagd kehrt der König mit demfelben Pomp zurück, mit dem er ausgezogen; die Astrologen bestimmen die Stunde und das Stadtthor, durch welches er Passiren muß; die Stadtbehörden gehen ihm eine halbe Meile entgegen, und er empfängt die üblichen Geschenke und Süßigkeiten. Als jagdbare wilde Thiere kommen zur Zeit in Persien vor: die Hyäne (kalter), ziemlich häufig in der Nähe der Hauptstadt und wenig gefürchtet, weil sie niemals Menschen angreift; der Wolf (zurk), das gefährlichste Raubthier, selbst den Löwen und Tiger nicht ausgenommen, häufig in allen Gegenden des Landes; der Schakal OcliwFiU), wol das verbreitetste Thier in ganz Persien, das sogar in den Städten, wie in Teheran, Ispahan u. f. w., nachts sein widerliches Geheul vernehmen läßt; der Fuchs (rudiUi) und der Marder (äaiiel,), ebenfalls häufig und den Hühnerställen sehr gefährlich; der Tiger (dadei), nicht seilen in den Wäldern Masan-derans, soll jedoch die Kinder, welche daselbst das Vieh hüten, beinahe nie angreifen; der Gepard (^U8 iisißuk), früher zu Jagden abgerichtet, ebenfalls in den Wäldern Masanoerans; der Luchs desgleichen; der Löwe (scliir) ohne Mähne, in Arabistan und in dem Gebiete am Persischen Meerbusen; der Leopard (Msulc), ebendaselbst häusig, einzeln auch an andern Orten auf Hügeln im Tafellande; der Bär (diii-s), auf den Bergen des Elburz, El-wend u. s. w., ziemlich klein, schmuzigbraun, wird häuftg 188 eingefangen und uon den Schirazern zur Volksergötzung im Lande herumgeführt. Endlich werden die Fischotter (56km5lki) und der Biber (ägckunäs-diäkgtsr) hier und da erlegt und verwerthet. 0. Gymnastik. In den persischen Städten wird viel Gymnastik getrieben, sowol des Vergnügens halber als zu Heilzwecken, und es gibt eigene öffentliche wie Privatanstalten dafür. Erstere bestehen in einer mäßig großen Arena, worin ein octogoner, etwa 7 Fuß vertiefter Raum sich.befindet, dessen Boden elastisch ist, indem man ihn 2 Fuß hoch mit dürrem Reisig bedeckt und einen Filzteppich darüber spannt. Rings nm die Vertiefung sind Bänke angebracht zum An- und Auskleiden, und eine kathederartige Ei höhung für den Trommelschläger, der den Takt angibt. Dcr Eintritt ist für ein kleines Entgeld gestattet; den Unterricht ertheilt ein altcr, erfahrener Ringer (palii^vim). Hier werden die Pahlewans (Vorturner, Turnlehrer) ausgebildet; sie erhalten nach erlangter Fertigkeit leicht eine Bedienstung in großen Häusern, wo sie jungen Männern, die eine gewisse Geschmeidigkeit und Kraft der Glieder sich aneignen wollen, Privatunterricht ertheilen. Am häufigsten werden sie jedoch von Personen besucht, denen Leibesübungen (ml05ckk) als Mittel gegen allgemeine Schwäche nach erschöpfenden Krankheiten, gegen schwere Verdauung, Constipation, und besonders gegen Milzanschoppungen infolge von Wechselfieber und Hämorrhoidalleiden verordnet sind. Und in der That sah ich von diesen Uebungen oft die schönsten Erfolge, wie sie durch den Gebrauch von Medicamenten nicht erzielt werden konnten. Auf ärztlichen Rath steigen ernste Leute von vorgerücktem Alter, oft weit über fünfzig Jahre, mit Turban und grauem Bart — falls er nicht gefärbt ist — in die 189 Arena, um sich dort mit einigen Schalken zu balgen und herumzutummeln. Da sich indeß viel liederliches und lustiges Volk in diesen öffentlichen Anstalten einfindet, so werden sie von jungen Leuten aus guten Häusern nicht besucht; man zieht es vor, im eigenen Hause ein Zimmer zum Turnen einzurichten und daselbst uuter Anleitung eines Lehrers die Uebungen vorzunehmen. Auch der Schah, welchem ich das Turnen wegen häufiger Indigestion verordnete, übte sich jeden Morgen nach dem Bade, und hat in allen seinen Landhäusern besondere Turnzimmer. In der Arena augelaugt, entledigt sich der Turner seiner Kleidung und Zieht nur eine steife, lederne Hose (tunnS-Icek) an, welche die zarten Theile beim Ringen vor Verletzungen schützt. Sobald er gehörig abgekühlt ist, begibt er sich in den vertieften Raum. Der Trommelschläger schlägt auf der Kesselpauke (tälniisk) oder dem Tamburin den Takt, der Pahlewan beginnt den Reigen, die andern ahmen seine Bewegungen nach, deren Schnelligkeit immer zunimmt, bis eine kleine Pause eintritt und nach derselben zu einer andern Uebung geschritten wird. Die persischen Turngeräthe sind sehr einfach. Von den Uebungen sah ich die folgenden am häusigsten: Hüpf- und Stampfbcwegung (M^wäeu). Alle Mitturnenden beugen den Arm im Einbogen, sodaß die Vorderarme parallel mit der Achse des Körpers stehen, und hüpfen so, je zwei und zwei gegenüber, anfangs in laugsamem, später in schnellerm Takt, bis die Anzahl der Bewegungen zwei- bis dreihundert erreicht hat. Oder man stellt sich gegen die Mauer des Octogous und stampft mit einem, im Knie und Hüftgelenk gebeugten Fuß eine Zeit lang die Mauer, dann mit dem andern Fuße abwechselnd. Die Bewegung mit Keuleu (mil). Man schwingt zwei hölzerne Keulen, jede im Gewicht von 10 — 20 Pfund, 190 in wirbelnden Bewegungen über dem Kopf; Geübtere werfen bald die eine bald die andere in die Höhe und fangen sie geschickt wieder auf. Diese Bewegung stärkt besonders die Arm- und Brustmuskeln, welche daher bei den renom-mirten Pahlewans von besonderer Mächtigkeit sind. Bewegung mit Tafeln (senz). Man legt sich auf den Rücken, zieht die Schenkel etwas an, ergreift zwei schwere Holztafeln, jede von etwa 50—70 Pfund Gewicht, in deren Mitte ein Loch mit einem Querholz sich befindet, und bewegt dieselben über der Brust nach innen und außen hin und her. Diese schwierige, anstrengende Uebung nimmt nebst den Brust- und Bauchmuskeln auch jene des Rückens sehr in Anspruch. Schwimmbewegung (sokinü). Man legt sich dergestalt auf den Boden, daß man ihn nur mit den Zehen und Handtellern berührt, der übrige Körper aber freischwebt; dann beginnt man eine Bewegung, wo abwechselnd die Zehen oder die Hände den Stützpunkt abgeben und beim Vorwärtsschieben (sogenanntem Katzenbuckel) die Stirn immer ganz dicht über den Boden streift. Ich sah von Pahlewans diese anstrengende Uebung an achthundertmal hintereinander machen. Es sind die Rückenmuskeln und insbesondere die in der Lendengegend, welche vorzüglich dabei in Thätigkeit kommen. Der Bogen (ksdääs). Ein eiserner, an 40 Pfund schwerer Bogen, dessen Sehne eine eis?rne Kette vertritt, wird abwechselnd gespannt und gelöst. Das Ringen (Icnsckti), meist nur durch Ringer von Profession ausgeführt. Es kommt hierbei nicht blos auf Kraftentfaltung an, sondern auch auf richtige Anwendung der Kunstgriffe, mittels welcher der Gegner, ohne daß er es sich versieht, zu Boden geschleudert wird. Nur durch stete Uebung kann man sich die erforderliche Gewandtheit aneignen 191 und erhalten; der beste Ringer, wenn er einige Zeit die Uebung aussetzte, wagt nicht eher einen neuen Kampf, als bis er sich wieder mehrere Tage versucht und vorbereitet hat. Bekannt im ganzen Orient ist die von Saadi so vortrefflich erzählte Geschichte: „Ein Turnlehrer des Schah hatte einen besonders fähigen Schüler; er lehrte ihm 365 verschiedene Kniffe, wie der Gegner angefaßt und zu Boden geschleudert werden könne. Als der berühmte Pahlewan alt geworden, prahlte sein indessen kräftig herangewachsener Schüler, der Ruhm seines Lehrers sei eitel, er wolle ihn mit Leichtigkeit im Kampf bezwingen. Dem Schah kam die Rede zu Ohren, und er befahl, beide sollten miteinander in die Arena steigen. Der alte Meister, obgleich ihm sein Gegner an Kraft weit überlegen war, streckte denselben mittels eines dreihundertsechsundsechzigsten Kunstgriffs zu Boden, und auf dessen Klage, daß er ihn nicht in allen Kunstgriffen unterrichtet, erwiderte jener: «Allerdings war ich nicht so albern, mir gar nichts für meine alten Tage vorzubehalten. Womit ich dich heute bezwang, das war der vorbehaltene Schalttag.» Der Schah lobte die Vorsicht des Alten und gab ihm den Siegespreis, das Chalaat." Die Lehre, welche der Dichter daraus zieht, ist die, daß man seinen Kindern gegenüber nicht den letzten Griff aus der Hand geben solle. Sind die Uebungen geendigt, so legt sich der Turner, ehe er die Kleider wieder anzieht, auf eine Bank und läßt sich so lange kneten, bis der Schweiß abgetrocknet ist. Andere Leibesübungen werden nicht so systematisch betrieben. Zum Schwimmen bietet sich wegen Mangel an Flüssen und Bächen wenig Gelegenheit; doch gibt es viele Naturschwimmer, fast alle Pahlewans verstehen sich darauf. Das Bogenspannen (tir-e-kssman) wird noch hier und da geübt; der Schah spannt vortrefflich den Bogen und 192 schnellt den Pfeil mit besonderer Fertigkeit ab. In der Praxis wurde jedoch der Bogen überall durch Feuergewehre verdrängt. Auffallend ist die große Anzahl alter Pfeilspitzen, welche man bei den Ruinen aller' großen Städte einsammeln kann; sie deutet auf dort stattgefundene anhaltende Kämpfe. Das Fechten sieht der Perser nicht als eine eigene Kunst an. Er meint, daß es dazu nichts als einer gewissen Kraft und eines guten Säbels bedürfe, und da er beides zu besitzen glaubt, so hält er sich für den besten Fechter (»eksm,-koliiri), höchstens räumt er den Afghanen einen Vorzug hierin ein. Eine eigenthümliche Art, die Güte eines Säbels zu prüfen, besteht darin, daß man ein Schaf mit einem Hieb in die Lende in zwei Hälften zu. spalten sucht. Es erfordert dies nicht blos außerordentliche Kraft des Arms, sondern auch große Gewandtheit, da der Hieb sich in den Weichtheilen des Bauchs abstumpft. Einst befand ich mich bei einer kleinen Jagd in der Begleitung des Schah. Er war bei guter Laune, und als man ihm einen neuen Säbel von Schiraz brachte, ließ er fünf Schafe holen, um den Probehieb zu thun. An dreien mislang der Versuch. Da wendete er sich zu mir und sagte: „llsekim, denssn!" (Hekim, haue ein!), indem er mir den Schemschir reichte. Ich entschuldigte mich mit meiner zu geringen Kraft; der Schah be-harrtc; endlich gestand ich offen, daß ich kein Blut vergieße, worauf er scherzend antwortete: „Du vergießest ja genug Blut (auf meine Operationen deutend) und töotest sogar Menschen." Ich entgegnete jedoch: „Dies thue ich stets nur in Absicht der Hülfe und Lebensrettung", und schlug hiermit sein Ansinnen rund ab. Schießübungen (tir ielicläui) werden häufig auf den Landsitzen oder Spaziergängen angestellt. Zum Ziel nimmt man gewöhnlich eine in gewisser Entfernung hingesetzte Tatarenmütze, die mit der Kugel umgeworfen werden soll. Oder 198 es wird mit aufgelegter Flinte nach einem Ei geschossen. Oder man wirft eine Münze in die Höhe und sucht sie im Fallen mit der Kugel zu treffen; in diesem Manöver wird oft Sehenswerthes geleistet. Alles vorstehend Erzählte beweist, daß beim Perser die eigenthümlichsten Verhältnisse zwischen Ruhe und Bewegung obwalten. Nachdem er sich durch Umstände zu mehrjähriger Ruhe verurtheilt sah, während welcher Zeit er, um nicht Verdacht zu erregen, kaum einmal sein Haus zu verlassen wagte, an vierzehn Stunden des Tags schlief, und die andere Zeit im Harem müßig zubrachte, treibt ihn der Wechsel der Verhältnisse ms entgegengesetzte Extrem: er schläft nur fünf bis sechs Stunden, ist rastlos chätig in seinem Geschäft, unterzieht sich den anstrengendsten Strapazen, ist mit einem Wort unermüdlich, bis er, durch abermaligen Wechsel genöthigt, wieder in den alten Zustand zurückfällt. Aber was auch kommen mag, er nimmt alles mit Gleichmuth auf, denn „Allah ist groß und seine Verfügungen sind unergründlich." PoldI, P«is««-n. 1. 13 VI. Das Familien- und Geschlechtsleben. Ernährung und Pflege der Kinder. Beschneidung. Vornamen. Unter-richt im Anstand. Friihes Heirath'en. Ehen unter Verwandten. Die Menstruation. Die Brüste. Leichtigkeit des Heirathens. Die Aldi und die Sighe. Polygamie und Monogamie. Der Trauungsact. Das Hochzeitsfest. Die Iungfrauschaft. Scheidungsgriinde. Häufigkeit der Empfängniß. Sterblichkeit der Kinder. Abortus. Verhalten während der Schwangerschaft. Die Entbindung. Ko'rperbefchaffenheit und Charakter der Perserinnen. Aberglaube. Der Harem (der Arzt, Be-schäftigung und Behandlung der Frauen). Das Patriarchalische System. Der Harem des Schah (Prinz Muzzafer eddin und sein Bruder Kasem Chan. Trauriges Los der königlichen Frauen). Aberrationen des Geschlechtslebens. Wenn bei allen Völkern der Erde das Geschlechtsleben eine mächtige Rolle spielt, so ist dies um so mehr bei den Muselmanen der Fall, welche dasselbe als Vorspiel und als Quelle der himmlischen, im künftigen Dasein nie endenden Genüsse betrachten. Begreiflicherweise hält es im Orient äußerst schwer, eine genaue Kenntniß und Einsicht in die hier einschlagenden Verhältnisse zu erlangen, und nur der Arzt ist nach mehrjährigem Aufenthalt und anhaltender Beobachtung einiges 195 davon zu erforschen im Stande. Ebendeshalb dürfte die Mittheilung/der Erfahrungen, welche ich in Persien über diesen Gegenstand gesammelt, von besonderm Interesse sein. Das Kind (bsLtkLlisIi) erhält in den- ersten zwei Tagen keine andere Nahrung als etwas Butter; vom dritten Tag an wird es zwei volle Jahre hindurch von der Mutter, in Ausnahmefällen von der Amme gesängt. In ganz seltenen Fällen, wenn die Mutter erkrankt und sich in der Eile keine Brust zum Säugen findet, wird es einige Tage lang mit Kuh- oder Ziegenmilch genährt; von der eigentlichen künstlichen Ernährung der Kinder aber hat man glücklicherweise in Persien keinen Begriff; ich wurde mehrmals von dortigen Müttern über die Möglichkeit einer solchen befragt. Mein Zögling Mirza Abdul-Wahab, welcher sich seit mehrern Jahren in Paris aufhält, schreibt mir über dieses Thema: „On rapport? espOnäant, conini6 sxsinpis äan8 lg. 80161106, ä63 6nla,nt8 a1i5,it,68 par 1a oilövi'6 hui out 8ur-V60U." Ist das Kind schwächlich, oder sind die Aeltern sehr besorgt und ängstlich wegen seines Gedeihens, so geschieht es sogar, daß es erst zu Ende des dritten Jahrs entwöhnt wird. Nicht selten hatte ich Gelegenheit, Kinder an der Mutterbrust zu sehen, welche zu gleicher Zeit ein tüchtiges Stück Melone in der Hand hielten und abwechselnd Milch oder Melone genossen. Als Ammen (ääjsli)*) liebt man Nomadenweiber vom Lande. Der Pflegling bewahrt oft bis ins reife Alter eine liebevolle Pietät gegen die Amme, die ihn gesäugt, nimmt sie in ihren alten Tagen in sein Haus auf und betrachtet sie fast als eine zweite Mutter. Ehen zwischen zwei Personen, welche von derselben Amme gesäugt *) vi^eli von Husokiäen (melken), slavisch äo^it,; von dieser Wurzel stammt äüoktei' (Tochter) und äü^eli (Amme). 13* 196 wurden (1iVM8kii-6li, Milchgenossen), sind gesetzlich verboten. ' An Händen und Füßen ziemlich fest gewickelt, wird das Kind in eine Wiege (FnvÄw-sIi)? zumeist jedoch in eine Hängematte gelegt, weil die Schwingungen der letztern anhaltender sind und der Mutter längere Entfernung gestatten. Zur Beförderung des Schlafs wird ihm häufig »etiNi-bets ekK8i6j, d. h. nur auf eine vertragsmäßige Zeit. Da die Sklavin ihrem Eigner mit Leib und Vermögen gehört, so kann von einer eigentlichen Heirath'bei ihr keine Rede sein; doch sind ihre Kinder gesetzlich anerkannt und genießen volle Gleichberechtigung mit denen der andern Frauen. Auch hört sie mit dem Augenblick ihrer Niederkunft auf Sklavin zu sein. Die Akdi entspricht ganz unserer Ehefrau; gesetzlich darf der Perser deren nicht mehr als vier zu gleicher Zeit haben; nach dem Tode oder nach Verstoßung der einen ist es ihm erlaubt, diese Zahl wieder zu ergänzen. Sighe heißt ein Weib, welches durch Vertrag auf bestimmte Zeit, die von einer Stunde bis zu 99 Jahren*) variiren kann, gegen *) Durch den Vertrag auf 99 Jahre wird die Sighe dem Aldi- 208 ein gewisses Entgeld und gegen festgesetzte Entschädigung bei eintretender Schwangerschaft geheirathet wird. Während dieser ftxirten Zeit genießt sie die vollen Rechte einer legalen Ehefrau. Nach Ablauf des Vertragstermins aber ist sie, wenn derselbe nicht verlängert oder erneuert wird, dem Manne gesetzlich verpönt. Für die mit ihr erzeugten Kinder ist der Mann zu sorgen verpflichtet, weshalb sich die Sighe nicht eher als vier Monate nach der Trennung an einen andern verheirathen soll, doch wird dieser Punkt häufig umgangen. Es ist Sitte, daß der Perser auf Reisen, Expeditionen oder Bedienstungen in der Provinz nie seine Frau mitnimmt, sondern fast an jeder Station, wo er länger verweilt, eine Sighe heirathet. In der Stadt Kirman Pflegen die Mulas jedem Ankömmling, der nur einige Tage sich dort aufhält, ein Weib zur Sighe anzubieten. Hierdurch entstehen oft sehr ernste Verwickelungen, indem junge Leute aus fernen Provinzen mit wahren oder gefälschten Documenten zugereist kommen und Ansprüche auf Erbschaft erheben, womit sie auch, wenn der Vater den Nachweis des Alibi nicht zu führen vermag, bisweilen reussiren. Die Kinder aller dieser drei Klassen sind nach dem Gesetz bei der Erbschaft gleichberechtigt; doch finden hierin auch willkürliche Ausnahmen statt. So nimmt z. B. eine verwitwete Prinzessin oft für sich und ihr Kind die ganze Erbschaft in Beschlag, obgleich der theo-demokratische Islam eigentlich keinen Unterschied der Stände anerkennt. Dem Vorstehenden gemäß könnte der Perser Weiber in unbeschränkter Zahl nehmen, was auch von einigen Großen Weib gleichgestellt. Ein solcher wird gewöhnlich nur da abgeschlossen, wo bereits vier legale Frauen vorhanden sind; auf diese Weise umgeht man das Gesetz, denn da« fünfte Weib ist nun den übrigen eben« bürtig. 209 wirklich geschieht. Feth-Ali Schah hatte mehrere hundert Weiber, und da ihm alle Kinder gebaren, ist die Menge seiner männlichen Descendenz jetzt, nach etwa 80 Jahren, bereits auf über 5000 angewachsen. Er erhielt deshalb den' Beinamen ^äaui'<3-88ani (Adam II.). Nur wenige der Prinzen konnten es zwar ihrem Vater gleichthun, immerhin aber heiratheten viele von ihnen gegen vierzig Weiber. Dieser Fall gehört indeß zu den seltenen Ausnahmen. In den Städten heirathen nur Chane und Bedienstete drei bis vier Weiber; der Handel- un5 Gewcrbsstand kann die Last der damit verbundenen Ausgaben nicht erschwingen; er scheut auch die Unordnung und Verschleuderung im Hauswesen und lebt daher meist in Monogamie. Auf dem Flachland und bei den Nomadenstämmen ist die Monogamie vollends Negel, höchstens nimmt sich ein Häuptling zwei bis drei Weiber. Heirathet ein Chan eine Prinzessin, oder wird ihm eine solche als Frau octroyirt, so verlangt es der Usus —nicht das Gesetz, welches keinen Unterschied zuläßt —, daß er kein anderes Weib neben ihr habe, ja er ist sogar gezwungen, allen andern Weibern, die er früher besaß, den Scheidebrief zu geben oder sie wenigstens aus dem Hause zu schicken und jeder fernern Cohabitation mit ihnen sich zu enthalten. Im allgemeinen kann angenommen werden, die Monogamie sei die Negel, die Polygamie die Ausnahme. Wäre die Vielweiberei so häufig, wie man in Europa gewöhnlich glaubt, so müßte wegen der Verschiedenheit der Mütter nothwendig nach einigen Generationen die Nasse erlöschen; daß dies nicht der Fall ist, muß der auch im Orient überwiegenden Monogamie zugeschrieben werden. Als eine bemerkenswerthe Thatsache sei noch angeführt, daß auch bei den in Persien lebenden Juden die Polygamie zulässig ist. Bei der Sekte der Sums hingegen ist die Sighe-Ehe nicht erlaubt. Polal, Persien. I. 14 210 Sind die Präliminarien zwischen dem Bewerber und den Aeltern des Mädchens vereinbart, so wird zur Hochzeit geschritten. Der Trauungsact selbst (kkä-snnikak) ist nach muselmanischem Gesetz — ähnlich dem jüdischen — sehr einfach; es genügt, daß der Mann dem zur Pubertät gelangten Mädchen den Antrag macht und diese darauf zur Antwort gibt: „Ich übergebe mich dir." Das Aussprechen dieser Formel reicht auch ohne die Anwesenheit von Zeugen zur Schließung einer legalen Ehe hin. Aus Besorgniß jedoch, daß später Zweifel über die Gültigkeit der Ehe erhoben werden könnten, und weil nach dem Gesetz diese Formel in gutem arabischen Accent gesprochen werden muß, was ein Perser selten im Stande ist, wird immer ein Mula zu dem Trauungsact zugezogen. In reichen Häusern wird die Hochzeit mit vielem Pomp gefeiert und dauert meist sieben bis acht Tage. Während dieser ganzen Zeit werden sowol im Hause des Bräutigams als auch im älterlichen Hause der Braut Gastereien und andere Ergötzlichkeiten veranstaltet. Am ersten Tage findet die eigentliche Trauung statt. Der Bräutigam begibt sich in Begleitung zweier Zeugen zu den Aeltern der Braut und bringt gewöhnlich die behandelte Ueberlassungssumme, das Milchgeld, mit. Hierauf wird der Ehecontract (akä-knnillali) niedergeschrieben und darin der Abfindungsbetrag (mskrisk), welchen die Frau im Sierbe- oder Scheidungsfall zu erhalten hat, genau verzeichnet. Es versteht sich von selbst, daß dieses Actenstück, da es die Ansprüche der Frau feststellt, in ihrer Verwahrung oder in der ihrer Aeltern verbleibt. Der Mula liest nun das Gebet (diutdsk) und fügt auch einige Worte der Ermahnung hinzu. Dann setzt sich der Vater der Braut oder im Ermangelungsfall dessen Vertreter (vekii) dem Bräutigam gegenüber, sie reichen sich die rechte Hand und der Mula spricht dabei die arabische 211 Formel vor, welche der Vekil nachspricht: „Ich verheirathe dir meine Tochter, die Jungfrau Namens N.", worauf der Bräutigam, ebenfalls vom Mula soufflirt, antwortet: „Ich gehe die Heirath ein, ich nehme deine Tochter unter meine Obhut und verpflichte mich, ihr Schutz zu gewähren. Ihr, die ihr gegenwärtig seid, mögt es bezeugen." Mit einigen «all^t (Preis Gottes und der Propheten) und Segenswünschen (mNdarsk b^ä) seitens der Umstehenden schließt die Ceremonie. Bei den ärmern Klassen wird die Neuvermählte schon in der folgenden Nacht in das Haus ihres Mannes geführt; bei den Reichen und Vornehmen aber erst am siebenten oder achten Tage, welche Zwischenzeit, wie erwähnt, durch stete Gastereien, Schlagen der Kesselpauken und Tamburins (tainds^), nächtliche Illuminationen und, bei königlichen Vermählungen, auch durch Kanonensalven abwechselnd ausgefüllt wird. Solange diese Festlichkeiten dauern, darf der Mann die ihm Angetraute noch nicht besuchen, sie nicht einmal sehen; dennoch geschieht es häufig, daß er ungesehen (!) trotz aller Wachen, Diener, Eunuchen und Sklavinnen sich verstohlen zu ihr schleicht, wobei die Mutter der Braut ihm sogar behülflich zu sein pflegt; man nennt dies nZ.ui2Nädk2i (Tändeln der Verlobten). An Hochzeitsfesten der Großen werden nicht allein die Freunde des Hauses, sondern nach und nach Leute aus allen Kategorien zum Pillaw geladen; am ersten Tage z. B. die Priester, am zweiten die Offiziere, dann die Kaufleute u. s. w. Auch mir wurde mehrmals die Ehre einer solchen Einladung zu-theil. Natürlich darf dabei nach persischem Gebrauch niemals ein Ueberfluß an Süßigkeiten fehlen. Am letzten Tage begibt sich die Braut in Begleitung ihrer Gespielinnen ins Bad; zu dieser Gelegenheit schickt ihr der Bräutigam eine Quantität Henneh zum Färben der Haare und Nägel. Auch der Mann verfügt sich, von seinen 14* 212 Freunden begleitet, ins Bad. Unterdessen werden die Habseligkeiten der Frau, bestehend in Teppichen, Kleidern, Kupfergeschirr und anderm Hausrath, aus dem älterlichen Hause in jenes des zukünftigen Gemahls gebracht. Mehrere Maulthiere, kostbar gezäumt, sind je mit einem Paar Koffer ^aodään) beladen, über welche sich ein rother Tuchteppich breitet. An ihrer Seite ziehen die geschenkten Sklaven, voran der künftige Eunuche des Hauses. So durchschreitet der pomphafte Zug unter Trommelwirbel die Straßen. Diese Mitgabe der Frau heißt ä^olislis^; sie bleibt immer und unter jeder Bedingung deren ausschließliches Eigenthum. Man strebt danach, den Zug möglichst groß erscheinen zu lassen, um den Reichthum der Dame kundzugeben, daher sehr häufig die Iachoans leer oder nur mit Ballast gefüllt sind. Erst gegen Mitternacht wird die Braut zu Pferde, untev Trommelschlag und Flintenschüssen und unter Vortrag von Windlichtern (m^ci^I), durch ihre Genossinnen ins Haus des Mannes geleitet, der sie nun endlich zum ersten mal zu sehen bekommt.^) Der Anstand verlangt, daß er sie mit Gewalt entschleiere, und daß sie dabei Widerstand leiste. In dem Momente, wo sich der Schleier lüftet, ruft der Mann: „Liämiiiak err^man sri-atnin!" (Im Namen Gottes, des Barmherzigen!) Nach einem herrschenden Vorurtheil wird derjenige von den Gatten, welchem es gelingt, zuerst auf den Fuß des andern zu treten, die Oberhand im Hause haben, daher man sich beiderseits in eifrigem Wett- ^) Daß es hierbei an Enttäuschungen, welche dann das Stadtgespräch bilden, nicht fehlt, ist erklärlich, um so mehr als die Aeltern eine häßliche Tochter vor jedem profanen Blick zu verbergen suchen und sich auch wol den unschuldigen Betrug erlauben, beim Besuche des Bräutigams eine andere, wohlgebildete Dame vor ihm passi'rcn zu lassen, welche zufällig (!) den Schleier lüftet und dann mit größter Wahrscheinlichkeit von ihm für seine künftige Gemahlin gehalten wird. 213 streit darin zuvorzukommen sucht. Während dieser Scene poltern die Frauen in den Nebenzimmern und rufen: ,,^uä Verheirathet sich ein Mädchen, so muß sie Jungfrau und mit dem Hymen versehen sein (äückwi'-s-dükei'?); für den Mangel des letztern gibt es keine Entschuldigung (vgl. Fünftes Buch Moses, Kap. 22), vielmehr kann die Frau in solchem Fall, auf die einfache Aussage des Mannes hin, nach der ersten Nacht verstoßen werden: ein grausamer und ungerechter Brauch, denn er wird oft benutzt, um aus böser Absicht und zum Zweck der Gelderpressung den Ruf einer Frau zu beflecken. Andererseits trägt er nebst den frühen Verheira-thungen viel dazu bei, daß fast alle Mädchen in physischer Virginität zur Ehe gelangen.*) Hat aber das Unglück der Defloration bei einem Mädchen stattgefunden, so werden Anstalten getroffen, um die Schande von ihr wie von den Aeltern abzuwenden. Man verheirathet sie nämlich an einen armen Mirza unter der Bedingung, daß er sich nach kurzer Zeit von ihr scheiden läßt, um sie dann einem angesehenern Mann zuzugesellen; oder man gibt sie einem ganz jungen, unerfahrenen Knaben zur Frau; oder es wird am Tage der Entscheidung durch einen operativen Eingriff, worauf sich einige persische Chirurgen wohl verstehen, nachgeholfen. Die Scheidung (tMK) erfolgt entweder nach gegenseitigem Uebereinkommen oder beim Ergreifen der Frau in thränte äsUew, oder auch ohne alle Veranlassung, sobald der Mann bereit ist, der Frau das zugeschriebene Heiraths-gut (moi-ioli) auszuzahlen, nur in den seltensten Fällen aber auf Klage der Frau wegen Vernachlässigung der ehelichen *) Ich operirte mehrere Mädchen wegen I^tbiazis, doch ward die Operation nur dann zugelassen, wenn ich mich verbürgte, daß das Hymen unverletzt bleiben werbe.. 214 Pflichten von feiten des Mannes. Außer dem zuletztgenann-ten Grund kann der Mann zur Ertheilung des Scheidebriefs nicht gesetzlich angehalten werden, doch wird er oft durch Machthaber mittels Drohung und Prefsion dazu gezwungen. Folgender Fall, der zugleich als Beitrag zur Sittengeschichte des Hofs dient, liefert hiervon einen eclatanten Beweis. Als Nassereddin Schah im Jahre 1848 auf den Thron kam, zwang er seine Schwester Melik-zadch, den Premierminister, den vielgenannten Emir, zu heirathen, um ihn durch Familienbande fester an sich zu ketten. Die Prinzessin, ein zwölfjähriges Mädchen, widerstrebte lange, weil der Emir, zwar ein schöner, kräftiger Mann, doch schon in ziemlich vorgerücktem Alter stand und bereits aus erster Ehe einen erwachsenen Sohn hatte. Allein sie mußte endlich nachgeben; der Emir verabschiedete seine erste Frau und heirathete die Schwester des Schab. Durch seine Energie und Geisteskraft wußte er die Prinzessin bald dermaßen zu fesseln, daß sie ihm, als er drei Jahre später in Ungnade fiel und exilirt wurde, wider alles Erwarten ins Exil folgte, aus Furcht, daß er vergiftet werden möchte, ihm selbst die Speisen bereitete und ihn keinen Augenblick aus den Augen verlor. Dennoch gelang es, einen Moment der Trennung des Paars zu benutzen, um dem Emir im Bade die Adern zu öffnen. Melek-zadeh kehrte nach Teheran zurück. Einige Monate später zwang sie der Schah, den Sohn des neuen Premierministers zu heirathen. Die Verbindung war ihr aus mehrern Gründen verhaßt; einmal trug die Familie Schuld an dem Tode ihres geliebten Mannes, sodann war der ihr aufgedrungene Bräutigam ein unerfahrener, geistesarmer junger Mensch. Sie fügte sich dem Befehl des Königs, jedoch mit den Worten: „Ich gebe dir die Erlaubniß, mich mit Kasem Chan und mit allen folgenden Ministern zu verheirathen." Wie vorauszusehen, war die Ehe keine glückliche. Ich 215 besuchte die Prinzessin öfter, und erhielt auf alle Fragen, was ihr fehle, zur Antwort: „Mir thut das Herz weh." Nach Verlauf einiger Jahre erfolgte der Sturz des zweiten Premier; er und seine Familie wurden gleich seinem Vorgänger mit Geldstrafen belegt und ezilirt. Jetzt verlangte der König, daß Kasem Chan seiner Schwester den Scheide-bricf gebe, damit sie wieder einen andern Minister Heirathe. Natürlich mußte jener gehorchen und bei der Scheidung auch das stipulirte Heirathsgut auszahlen, wodurch er beinahe sein ganzes Vermögen einbüßte. Die Prinzessin aber wurde in dritter Ehe an ihren Cousin, genannt das „Auge des Reichs", verheirathet. Ertappt der Mann seine Frau in üaFi-ants äoUotu, so dürfte er sie, streng genommen, todten. Da aber der Beweis mittels Zeugen sehr schwer zu führen, ja nach der Forderung Ali's: „Xeoesss 68t viäoro Lt^luin in pixiäs", kaum möglich ist, zieht man die Scheidung vor; selbstverständlich muß dann die Frau den Ansprüchen auf ein Heirathsgut entsagen. Wenn man bedenkt, daß dem Mann in jedem Fall die Sorge für Erhaltung der Kinder obliegt, daß er bei der Trennung die der Frau zugeschriebene, meist beträchtliche Summe baar zu erlegen verbunden ist, ferner daß die Ver-heirathung mit einer neuen Frau sehr viele Kosten verursacht, endlich daß es immer zur Schande gereicht, eine Frau aus der Familie oder aus dem Tribus zu verstoßen, so wird man die verhältnißmäßige Seltenheit der Scheidungen begreiflich finden. Die Scheidung erfolgt in der Regel nur, wenn die Frau kinderlos bleibt und ihr die Ursache davon zugeschrieben wird, zweitens wenn sie liederlich und der Untreue verdächtig ist, oder drittens wenn sie der Mann bsä knaäom (von bösem Schritt) glaubt, d. h. wenn bald nach ihrem Eintritt ins Haus ein Unglücksfall sich ereignet; man 216 hält sie dann für ein böses Omen und sucht sich ihrer zu entledigen. Eine verstoßene Frau kann der Perser nach bestimmter Frist wieder ins Haus nehmen, nach der zweiten Scheidung jedoch nur in dem Fall, wenn sie indessen an einen andern verheirathet war und von diesem den Scheidebrief erhielt. Um dem Gesetz hierin Genüge zu leisten, wird gewöhnlich irgendjemand gewonnen, der einige Tage als Mann figurirt. Freilich kann niemand zur Ertheilung des Scheidebriefs gesetzlich gezwungen werden, und ich erlebte wirklich einen Fall, wo die formelle Verbindung zu einer bleibenden wurde. Bei der Sighe kommt die Scheidung nicht in Frage, da der Vertrag mit ihr von selbst nach bestimmter Zeit abläuft. Dem Mann ist ferner gestattet, eine Frau, die er als Akdi verstoßen, als Sighe wieder zu heirathen. Als der jetzige König, der bereits vier legitime Frauen hatte, mit einer Sighe, der Mutter des Kronprinzen, sich legitim ver-heirathen wollte, erhielt eine seiner Akois den Scheidebrief und blieb dann unter dem Namen einer Sighe im Harem, womit dem Gesetz genügt worden war. Frauen, welche für ihre Kinder Ammen halten, empfangen rasch nacheinander und gebären fast jedes Jahr, während in den ärmern Klassen, wo das Kind bis zum dritten Jahr von der Mutter gesäugt wird, Empfängniß und Geburten sich langsamer folgen; doch geschieht es auch, daß Frauen während und trotz der Lactation im zweiten Jahr wieder men-struirt werden und, allerdings zum Nachtheil des Säuglings, empfangen. Leidet eine Frau während des Säugens am Wechselfieber, so nimmt die Milch ab und schwindet endlich ganz, und das Kind erkrankt an der Nuhr. Durchschnittlich gebären die Perserinnen sechs- bis achtmal; danach sollte man auf eine rasche Zunahme der Bevölkerung schließen. 217 denn die Kinder sind wohlgebildet und kräftig; allein von sechs Kindern bleiben, vorzüglich in den Städten, in der Regel kaum zwei, manchmal keins am Leben. Tagtäglich kamen Frauen in meine Wohnung, welche ein Mittel zur Fruchtbarkeit von mir verlangten; auf die Frage, ob sie denn noch keine Kinder geboren hätten, erhielt ich fast stereotyp die Antwort: „Ich hatte deren fünf oder fechs (der Perser gibt immer die beiläufige Zahl an), aber sie starben alle." Die Mehrzahl der Kinder unterliegt im zweiten Lebensjahre, und in den meisten Städten weist die Bilanz zwischen den Geburten und Todesfällen ein Minus der erstern auf, weshalb ein steter Zuzug aus den Provinzen nothwendig ist. Im Frühling 1859 starben allein in Ispahan über achthundert Kinder an den Blattern. Unter diesen Umständen ist die Menge der kinderlosen Frauen groß und gibt es Geschwister von mütterlicher Seite selten. Es dürfte im Durchschnitt kaum mehr als ein lebendes Kind auf eine Frau zu rechnen sein. Eine Prinzessin in Teheran bildete das Stadtgespräch, weil sie acht Kinder am Leben hatte, und man fragte mich oft, ob ich je in Europa ähnliches gesehen! Wenn ein nnverheirathetes Mädchen, eine Witwe oder eine Geschiedene gebaren sollte, so wäre ihr der Tod gewiß. Der Fall ist aber unerhört; ein uneheliches Kind (kwrum, -idäk) findet sich nirgends unter den Schiiten, das Wort wird nur zum Schimpf gebraucht. Alle außerehelichen Schwangerschaften enden mit adorws, indem nian die Ei-Häute mittels Haken sprengen läßt. Von den Hebammen soll diese Operation mit besonderer Gcschicklichkeit ausgeführt werden, wenigstens sind in Teheran mehrere deshalb renom-mirt und viel besucht. Uebrigens wird die Sache ziemlich publik betrieben und ihr kein Hinderniß in den Weg gelegt. Nur einzelne unglückliche Geschöpfe wollen sich selbst helfen; 218 sie setzen massenhaft Blutegel an, machen Aderlässe an den Füßen, nehmen Brechmittel aus 8u1la3 Oupri, Drastica oder die Sprossen von Dattelkernen; und fruchten alle diese Mittel nicht, so lassen sie sich den Unterleib walken und treten. Viele gehen an den Folgen dieser rohen Behandlung zu Grunde. Sehr häufig erwiderten mir solche Unglückliche, wenn ich ihnen die Bitte um ein Abortivmittel unter Verweisung auf meinen geleisteten Eid abschlug: „Euer Eid mag wol für Frengistan gut sein, wir aber können nicht gebären, sonst werden wir sammt dem Kinde getödtet." Wer möchte es ihnen unter solchen Umständen verargen, wenn sie sich an einen gefälligern Fachmann wandten? Hingegen herrscht der Misbrauch, welcher in den höhern Ständen der Türkei allgemein ist, daß die Frau, nachdem sie zwei Kinder geboren hat, mit Wissen ihres Mannes von nun an Äb0i-tu8 hervorruft, theils um ihre Körperschönheit zu erhalten, theils um die Nachkommenschaft zu verringern, nirgends in Persien. Denn erstens ist es außerordentlich selten, daß eine Perserin mehr als zwei Kinder am Leben erhält, sie strebt daher nach Ersatz; und zweitens setzt sie einen Stolz darein, eine zahlreiche Nachkommenschaft zu besitzen, die ihr in ihren alten Tagen zur Stütze dienen kann. Wenn Unfruchtbarkeit von den Frauen' aller Länder als ein Misgeschick angesehen wird, so ist dieselbe in Persien wirklich das größte Unglück; die Unfruchtbare wird fast immer vom Manne verstoßen, von andern Frauen des Harems verhöhnt, und steht in ihren alten Tagen, wo die Mutter gewöhnlich das Obdach ihres Kindes in Anspruch nimmt, isolirt und hülflos da. Nur in den ärmsten Klassen kommt es bisweilen vor, daß eine Mutter ihr Kind heimlich an die Schwelle einer Moschee aussetzt; doch findet es dort immer einen Abnehmer, denn der Orientale, welcher dem Hunde, obgleich er ihn für unrein hält, Brot zum Fraß hinwirft, erbarmt sich sicher 219 eines Kindes. Und in fast allen Fällen, die mir zur Kenntniß kamen, reclamirte nach einiger Zeit die Mutter ihr Kind. Während der Schwangerschaft hält die Frau auf angemessene Diät, sie hütet sich vor Magenüberladung und vermeidet übermäßige Bewegung; das Reiten jedoch wird als unschädlich betrachtet und fortgesetzt. Sie besucht öfter den Arzt, um sich den Puls fühlen und vergewissern zu lassen, ob die Frucht ein Knabe oder ein Mädchen sein werde. Aderlassen ist nur in einigen Städten üblich, und nie in den ersten drei Monaten der Schwangerschaft. In den letzten Monaten nimmt die Schwangere viel Tabaschir-Magnesia und andere wohlschmeckende Erden zu sich. Mein Schüler Mirza ei Wähab schreibt mir darüber aus Paris: „van» 168 äsux äerniLr» moi» äs 1c». zro836886 1a nlg,Fii«8i6 6t 1a wi'i-6 oäo!'iKnliit6 (turdut) üattsnt lour zoüt." Sobald die ersten Wehen bei der Gebärenden sich einstellen, wird die Hebamme (mäuiü.) geholt, welche ihr einige Glas eines emollirenden mucilaginöson Dococts heiß zu trinken gibt. Beim Beginn der Treibwehen muß sie das Bett verlassen und in hockender Stellung — ita ut, in äske-oationo — auf je drei parallel übereinander gelegten Ziegelsteinen Platz nehmen, wobei sie sich mit den Händen an die Umstehenden klammert. In dieser Stellung verharrt sie so lange, bis das Kind ausgetrieben ist. Eine Unterstützung des Mittelsteisches findet nicht statt, selten ist Nachhülfe von feiten der Hebamme erforderlich. Die Perserin findet diese hockende Stellung, weil sie von Kindheit auf an eine ähnliche Art des Sitzens gewöhnt ist, nicht besonders lästig; den Europäerinnen aber, welche im Lande gebären, ist sie äußerst qualvoll und fast unerträglich. Man erachtet sie jedoch für die einzig richtige; wo ich eine andere Lage anordnete, entfernte sich die Mama und erklärte, daß sie für 220 nichts einstehen könne. Während dieses Geburtsactes werden Gebete für die glückliche Entbindung vom Dache des Hauses ausgerufen (i^kt). Nach der Entbindung wird die Wöchnerin ins Bett gebracht; in den ersten drei Tagen erhält sie nur vegetabilische Nahrung, mit Zucker uud Fett vermischt, und wird sorgfältig vor Erkältung gehütet. Nach sieben bis zehn Tagen führt man sie, falls sowol die allgemeinen wie die örtlichen Symptome sich güustig zeigen, ins Bad und salbt daselbst den Körper mit frischer Butter und einem Zusatz von verschiedenen Gewürzen, besonders Astloaria, bis sie gehörig in Schweiß kommt. Alsdann darf sie die Moschee besuchen, ihreck Manne ist sie jedoch erst nach Verlauf von vierzig Tagen wieder erlaubt. Die Hebamme badet das Kind, führt dabei ihre mit heiliger Erde bestrichenen Finger in dessen Mund und drückt sie gegen den Gaumen, um diesem die gehörige Wölbung zu geben, auch die Gaumenbeine, falls dieselben getrennt wären, zusammenzufügen (!) Das Volk setzt einen solchen Glauben in die Wirkung dieser Operation, daß ein Wolfsrachen stets der ungeschickten Manipulation der Mama zugeschrieben wird. Ich nahm schon früher Gelegenheit, der leichten Entbindung der persischen Frauen, besonders der Nomadenweiber zu erwähnen. Krankhafte Zustände während der Schwangerschaft gehören zu den Seltenheiten, ebenso An-' schwellungen und Krampfadern, wenigstens wurde ich nie deshalb consultirt, und das Volk kennt keinen Namen für dieses Leiden. Die wenigen Fälle von Kindbettfieber, welche mir in meiner dortigen Praris vorgekommen, hatten meist einen gutartigen Verlauf. Obwol mir, keine statistischen Angaben zur Hand sind, steht es doch nach genauen Erkundigungen fest, daß die Anzahl der Frauen, welche beim 221 Gebären oder im Wochenbett unterliegen, äußerst gering anzuschlagen sei. Die persische Frau ist von mittlerer Statur, weder mager noch fett. Sie hat große, offene, mandelförmig geschlitzte, von Wollust trunkene Augen — das t8e1is8ornn6 okuinä,i' lyrischer Dichter — und feingewölbte, über der Nase zusammengewachsene Brauen; ein rundes Gesicht wird hochgepriesen und von den Dichtern als Mondgesicht (inad-rnjO) besungen. Ihre Extremitäten sind besonders schön geformt; Brust und Hüften sind breit, die Hautfarbe etwas brünett (eine weiße Haut, sehr geschätzt und beneidet, finder sich selten); die Haare sind dunkelkastanienbraun, der Haarboden sehr üppig. Man trachtet durch künstliche Mittel die Körperschönheit zu erhöhen; das Gesicht wird roth und weiß geschminkt, Haare und Augenbrauen werden schwarz, die Handteller, Nägel und Fußsohlen orangegelb gefärbt. Außerdem tätowiren sich manche an verschiedenen Stellen des Körpers, am Kinn, Kehlkopf, zwischen den Brüsten und am Bauche; früher war diese Operation (okÄ kudiäen) allgemeine Sitte, jetzt hat sie sich nur noch hier und da in den Mittelklassen erhalten, in den höhern aber ganz aufgehört. In Haltung und Bewegung ist die Perserin graziös, ihr Gang ist leicht, frei und flüchtig. Sie ist sehr neugierig, kokett und putzsüchtig, und da ihre Kleidung bei den vermögenden Klassen meist aus Shawl, Seide, Goldtressen und schwerem Brocat besteht, so- führen ihre Ausgaben für die Toilette oft den Nuin der Familie herbei. Sind noch dazu mehrere Frauen im Hause, so suchen sie in guten Zeiten soviel als möglich für die Zukunft auf die Seite zu legen, und so gehen meist die durch Erpressung und Betrug angehäuften Schätze des Mannes in kurzer Zeit wieder verloren. Sie liebt Abenteuer .und weiß sie sehr geschickt einzuleiten. In hohem Grad abergläubisch, gibt sie viel auf Zauber, Hexereien, 222 Glücksstern, bösen Blick (86in- u äsotmäu, dNekt, ba>ä n6X6r), besonders in Sachen der Liebe, und wendet allerlei Mittel und Amulete von sonderbarstem Inhalt an, um sich einen Mann zu verschaffen, seine Liebe zu fesseln, den bösen Blick zu beschwören, fruchtbar zu werden oder die Fruchtbarkeit ihrer Genossinnen zu hindern. Berühmt ist ein Minaret, genannt Kun6-bii-iuä8clii (natidus a6i'6i8), in der Nähe von Ispahan, zu welchem Mädchen und Witwen, um einen Mann zu bekommen, wallfahrten. Es führen zwölf Stufen hinan; auf jede derselben wird eine Nuß gelegt, welche die Pilgerin poäicß knacken und dabei folgende Strophe recitiren muß: Ai minar-e-kun-e-birindschi Hserfet mizsenem neraendschi Hftwenk-e-men deste michuähed Mferd-e kemer beste michuähed. Oh minaretum podicis aerei Tecum loquor non irascere Mortarium meum pilum vult Virum renibus cinctis vult. In gleicher Absicht setzen sich die Mädchen auf die Deichsel einer von Pferden getriebenen Papiermühle und lassen sich darauf zweimal um die Säule ziehen. Wird eine Frau, ohne ihr Wissen, mit Schweinefett beschmiert, so glaubt man, sie werde unfruchtbar, und da Schweinefett schwer zu haben ist, wurde ich häufig von Nebenbuhlerinnen um eine Portion desselben angegangen. Muscheln, obscöne Theile von der Hyäne, vom Hasen u. s. w., die Früchte von ^,naoaräium werden als Amulete getragen. Bei der Geburt eines Knaben erscheint nach dortigen Vorstellungen in der Nacht die Fee Aal, um das Kind zu todten; man spaltet deshalb mit einem Schwert die Luft 223 gegen alle vier Windrichtungen und meint, die böse Fee werde von den Streichen getroffen. Ein ähnlicher Gebrauch herrscht, wenn ich nicht irre, bei den Juden. Der vom Aberglauben dictirten Vorschriften in Bezug auf Empfang und Verabschiedung eines Gastes an bestimmten Tagen, über die Speisen, die man ihm vorsetzen soll, über die Art ihrer Bereitung u. s. w. sind unzählige; sie bilden das Thema einer sehr interessanten Abhandlung, Xuislim naiwii betitelt. Ferner sollen gewisse Auslagen nicht mit eigenem, sondern mit erbetteltem Gelde bezahlt werden, und manche hohe Dame verschmäht es nicht, im Bettleranzug die Vorübergehenden um Almosen anzusprechen. Sehr oft bemerkte ich an der feingeformten Hand und dem durchschimmernden Armband, daß ich es nicht mit einer gewöhnlichen Bettlerin zu thun hatte. Außerdem hat jeder Tribus wieder seine besondern Vor-urlheile, seine glücklichen und unglücklichen Tage, die sich an freudige oder traurige historische Erinnerungen dieses Stammes knüpfen; eine reiche Auswahl davon besitzt der regierende Stamm der Kadscharen. Das Weib darf nur vor ihrem Mann und einigen nächsten Anverwandten unverschleiert erscheinen; löst sich auf der Gasse durch einen Zufall der Schleier, so gebietet die Sitte, daß der ihr Begegnende sich abwende, bis sie ihn wieder befestigt hat. Selbst die alte Straßenbettlerin zeigt sich nicht ohne Schleier. Europäerinnen, welche sich unver-schleiert in den Straßen sehen lassen, sind ein Gegenstand der allgemeinen Neugierde, auch wol des Mitleids. Nur die Nomadenweiber tragen das Gesicht frei, vermeiden es aber von Fremden sich anschauen zu lassen. Zum Aufenthalt für die Weiber dient das innere Gemach (arabisch karsm, persisch 6u66run). Das Wort Harem 224 bedeutet gacrum, das Heiligthum, zu welchem jedem Fremden der Zutritt streng verboten ist. Der Eindringling kann leicht sein Unternehmen mit dem Tode büßen. Sind mehrere Frauen im Hause, so bewohnt jede eine besondere Abtheilung, in den Häusern der Reichen mit eigenem Hof, eigener Bedienung und Küche, eigenen Sklaven und Eunuchen. Stets eine boshafte Absicht fürchtend, berührt keine Frau, weder für sich noch für ihr Kind, die Kost ihrer Nebenbuhlerin. Weil der Perser das Enderun als Heiligthum betrachtet, spricht er nie in Gesellschaft von seinen Frauen oder Kindern; er nennt nie den Namen einer Frau, sondern bezeichnet sie im Nothfall als die Mntter dieses oder jenes Kindes, als Tochter seines Oheims u. s. w. Es wird selbst als grober Verstoß angesehen, wenn der europäische Arzt beim Manne nach dem Befinden von dessen kranker Frau oder Tochter sich erkundigt. Als vor Ausbruch des englisch-persischen Kriegs auf Befehl des englischen Botschafters Farasche zur Vornahme der Pfändung in einen Harem drangen, drohte ein Aufruhr in der Stadt. Die Farasche mußten sich flüchten, um ihr Leben zu retten. Hingegen ist es ungegründet, daß der Arzt, wie man gewöhnlich annimmt, nur den Puls einer Patientin zu fühlen bekommt; er darf, wo er es für nothwendig erklärt, auch die weitere physikalische Exploration vornehmen. Das allerletzte jedoch, was ihm die Kranke zeigt, ist ihr Gesicht, sie glaubt sich dadurch zu ftrostituiren; allein auch dafür weiß die wahre Tochter Eva's ein Auskunftsmittel; sie hat zuerst an den Zähnen etwas zu verbessern, und hebt den Schleier bis zur Nase; dann findet sich ein Fleck auf der Stirn, und sie senkt die obere Hälfte des Schleiers, sodaß der Arzt nur zu addiren braucht, um die Totalsumme zu erhalten. Der Titel, welcher einer Frau von Rang zukommt, ist ckänuui; Frauen untergeordneten Ranges werden deguin 225 oder li^äLcin (Schwester), die ärmsten und niedrigsten s^ls (die Schwache) genannt. Der Titel didi (gnädiges Fräulein), früher sehr üblich, ist jetzt außer Gebrauch. Die Beschäftigung der Frauen ist verschieden je nach dem Stande und nach dem Aufenthalt in der Stadt oder auf dem Lande. Bei den ärmern Klassen verrichten sie alle häuslichen Geschäfte; die übrige Zeit füllen sie mit Spinnen von Wollengarn ans, und zwar nach jener uralten Wcise, wobei der Nocken unter dem Arm gehalten wird und der abgesponnene Faden an der freihängenden Spindel herunterläuft. Aus dem gesponnenen Garn weben sie Strümpfe, Teppiche und Pferdedecken. Die Frauen der höhern Stände verbringen fast alle ihre Zeit mit Baden, Nauchen des Narghiles, Abstatten und Empfangen von Besuchen, Essen verschiedener süßen und öligen Früchte, Thee- und Kaffeetrinken; selten beschäftigen sie sich mit Lesen eines Buchs oder Schreiben von Billets. Im Ausgehen genießt die Perserin ziemlich große Freiheit. Vürgersfrauen, ja selbst Angesehenere besuchen incognito allein die Bazars, den Arzt u. s. w.; sehr reiche Damen machen ihre Besuche zu Pferde, begleitet von einer zahlreichen Dienerschar; hinter ihnen reitet ihre alte Gesellschafterin (318 86ää), der Eunuche oder ein anderer Diener führt die Zügel des Pferdes. Als beliebtes Mittel der Zerstreuung werden die Wallfahrten in die geheiligten Imamzadis benutzt, bei welchen nicht selten neben den heiligen auch weltliche Zwecke mitunterlaufen. Von feiten des Mannes erfreut sich die Frau im allgemeinen einer guten Behandlung; körperliche Züchtigungen sind fast unerhört. Trotz ihrer Abgeschiedenheit und Verborgenheit übt sie Einfluß auf alle Geschäfte; sie mischt sich sogar in die politischen Angelegenheiten, und mancher Sturz eines Gouverneurs oder eines Vezicrs ward durch fein angesponnene Fäden im Enderun vorbereitet. Der größte 226 Schmerz, welcher der Frau widerfahren kann, ist eine neue Heirath ihres Mannes oder Vernachlässigung von feiten desselben, indem er einer andern mehr Liebe fpendet als ihr. Sie ist dann trostlos; viele kamen in dieser Noth zu mir, um ärztlichen Rath zu holen, und auf die Frage, was ihnen fehle, gaben sie an: „Lää-s-Wräx äärsin!" (Ich habe Anwandlungen von Kummer!) Wird eine Frau gewahr, daß ihr Mann mit Heirathsideen umgeht, so versucht sie durch Drohungen, Weinen und Bitten ihn davon abzubringen; gelingt ihr dies nicht, dann beginnt sie die Auserwählte zu verunglimpfen und zu verdächtigen; endlich aber ergibt sie sich in ihr Schicksal und schließt mit ihrer Nebenbuhlerin (kävsk) Frieden. Es tritt eine Art Compromiß, selbst Freundschaft zwischen ihnen ein, und beide rächen sich durch Untreue an dem Mann. Im Sommer 1853 ritt ich nach Hamadan; unterwegs überholte mich eine Dame, welche mittels Kurierritts, eine von Frauen höchst selten unternommene Anstrengung, ebendahin reiste. Sie gab sich für eine Prinzessin aus. In Hamadan angekommen, hörte ich, die Pseudo-Prinzessin sei die Frau des königlichen Elefantentreibers, und auf die Kunde, daß ihr Mann sich dort ver-heirathen wolle, auf schnellstem Wege zu ihm geeilt. Sie hatte 35 Meilen in zwei Tagen zurückgelegt und war wirklich so glücklich, die Sache rückgängig Zu machen. In der Regel nimmt diejenige Frau, welche aus der Verwandtschaft ist, den obersten Rang ein; sie führt das Hauswesen, vertheilt die täglichen Portionen Reis, Holz, Brot u. s. w., bestimmt selbst das >8 uootis und übt oft eine solche Autorität über die andern Frauen aus, daß diese in ihrer Gegenwart ohne Erlaubniß nicht niedersitzen und nicht rauchen dürfen. Hat jedoch nur eine der Frauen Kinder geboren oder allein das Glück gehabt, sie nicht durch den Tod zu verlieren, so pflegt sie statt der aus der 227 Verwandtschaft stammenden die Bevorzugte zu sein. Einer geborenen Prinzessin müssen alle andern den Platz räumen und sich glücklich schätzen, wenn ihnen und ihren Kindern ein bescheidenes Plätzchen im Harem gegönnt wird. Wenn ein Sohn des Hauses hoirathet, so folgt ihm der Sitte gemäß seine Mutter, um ihre Tage bei ihm zu beschließen. Sie entgeht dadurch der Zurücksetzung, die ihr sonst im Alter, wenn der Mann sich inzwischen eine jüngere Frau genommen, widerfährt. Die persische Frau altert rasch; mit 35 Jahren ist sie bereits eine Matrone. Häufig hört man daher die Klage: ,,^i >vä.i ä^sw^iii i-uelt!" (O weh, die Jugend ist hin!) Das Kind bezeigt der Mutter Liebe, dem Vater Ehrfurcht und Gehorsam: so verlangt es das patriarchalische System, welches in Persien noch zum großen Theil Geltung hat. Der Vater wird als Chef des Hauses betrachtet; in seiner Gegenwart darf der Sohn, auch nachdem er bereits erwachsen und bejahrt ist, sich nicht niedersetzen, nicht rauchen, ohne besondere Erlaubniß dazu eingeholt zu haben, und diese wird nicht immer ertheilt. 'Alles Eigenthnm qehö'rt dem Vater, daher nie der Fall eintreten kann, wic es in Europa geschieht, daß der Vater in ärmlichen Verhältnissen lebt, während der Sohn in Reichthümern und Genüssen schwelgt. Ein fünfundachtzigjähriger Greis zu Teheran, der sein Vermögen durch Wallfahrten aufgezehrt, heirathete ein junges Mädchen und nahm vom Hause seines Sohnes Besitz. Dieser, ein Maurer, hatte es durch Fleiß und Sparsamkeit dahin gebracht, daß er sich zwei Häuser sammt Weingärten taufen konnte. Er wollte den Einzug seines Vaters in das Haus nicht dulden und wandte ein, er habe von demselben nichts geerbt, sondern alles sich selbst erworben. Wegen dieses Benehmens wnrde er von dem Nichter, zur Bastonnade verurthcilt; der weise Urtheilsspruch lautete: der Sohn 15* 228 müsse sich glücklich preisen, daß der Vater ihm noch ein Haus gelassen, da er beide hätte nehmen können. Die Glieder einer Familie bilden unter sich ein Ganzes, und schließen sich als solches wieder an ein hervorragendes Stammhaupt an, welches als Chef sämmtlicher dazu gehöriger Familien (ssr-k-Miis) verehrt wird. Gelangt der Chef zu einer besonders einflußreichen Stellung, Z. B. Zur Würde eines Großveziers, so trachtet er zunächst, mit Hintansetzung aller Fremden, die ganze Schar seiner, selbst entferntesten Verwandten aus der Dunkelheit hervorzuziehen und sie mit den verschiedensten Aemtern in der Hauptstadt wie in den Provinzen zu versorgen. Freilich werden auch andererseits alle wieder in seinen Sturz mit hineingerissen. Man konnte dies in Persten sehen, als rasch nacheinander, das Los der aus ihnen hervorgegangenen Minister theilend, der Stamm von Matu, von Nur, von Farahun ans Nuder kamen und ebenso schnell wieder sanken. Der Perser kann nicht begreifen, wie man lange Zeit fern von seiner Familie leben oder dieselbe vernachlässigen könne. So fragte mich einmal der Großvezier, ob ich denn in Europa keine Anverwandten hätte, und bemerkte, nachdem ich die Frage bejaht, spöttisch: „Nszer «lü^L-zaum-e kaä^kari ääri?" (Du hältst es wol mit der kadscharischen Familie?) 5) Stirbt ein Familienvater, so gilt es als selbstverständlich, daß die Hinterbliebenen Witwen und Waisen das Haus seines Bruders beziehen und dort Unterhalt und Pflege empfangen; eine Verweigerung in solchem Fall wäre unerhört. Einem Fortreisenden, der einen Bruder im Lande *) Die kaoscharische, d.i. königliche Familie, steht nämlich in dem Nuf, daß sie in sich zerrissen sei und ihre Mieder sich gegenseitig nicht unterstützen. 229 zurückläßt, vertraut man jede Summe, weil, man sicher ist, daß er keine Schande über das Haupt seines Bruders bringen werde. In Teheran lebten zwei Brüder, Engländer, namens Burges. Der eine erbot sich, für die Regierung Gewehre in London anzukaufen, und erhielt zü diesem Zweck 80000 Dukaten unter keiuer andern Bürgschaft, als daß der andere Bruder in Teheran zurückbleibe. In England verlor er aber bedeutende Summen an der Börse und flüchtete sich nach Amerika. Der Bruder ward mehrere Jahre als Geisel in Teheran gehalten, denn nach patriarchalischen Begriffen gab man die Hoffnung nicht auf, der Schuldner werde sich wieder einstellen. Allein dies geschah nicht; und als der Zurückgebliebene klagte, daß ihm die Mittel zur Subsistenz abgingen, bewilligte ihm die Negierung sogar ein Iahrgehalt, das er bis zum Ende seines Lebens bezog. So fest wurzelt der Perser in der Familie; er thut alles für sie, steigt und fällt mit ihr, und empfindet Ehre oder Unehre jedes Familiengliedes wie seine eigene. Nach der Familie (ckisck-u-gHuin) kommt ihm sein Stamm (t^iks), dann seine Provinz. Er rühmt sich: „ OKi^-u-gHum u t^il6 äü,r6iu", d. i. „Ich habe Verwandte und gehöre einem Stamm an"; er kennt alle irgendwie hervorragenden Männer seines Stammes und ist stolz darauf, wenn einer aus demselben als Thronprätendent auftritt, so schmählich auch das Unternehmen enden mag. Unter Vaterland (vvettsn) versteht er immer die Provinz, in welcher er geboren ist; ein Gesammtvaterland kennt er nicht. Er schwärmt zwar in der Fremde für das cliiUc-L-iruli, den iranischen Boden, doch meint er damit die Sehnsucht nach der trockenen, constanten Temperatur und dem heitern iranischen Himmel, nicht die Anhänglichkeit an das Vaterland. Wir erwähnten schon früher, daß sämmtliche Glieder einer Familie denselben Stadtthcil bewohnen und alle darin 230 gelegenen Grundstücke anzukaufen trachten, und daß dies die Ursache sei, weshalb ein Stadttheil plötzlich aus der Dunkelheit sich erhebt, um mit dem Sturz des Chefs wieder zu verfallen. Die ganze Geschichte Irans ist nur eine Reihe von Episoden einzelner Familien, deren Glück oder Unglück das Los ganzer Stämme in sich schließt. Ver Harem des Schal). In dem königlichen Harem befinden sich die Frauen und Kinder des Königs, die Sklavinnen uud die übrige weiße und schwarze Dienerschaft der Frauen. Er besteht aus drei großen, miteinander in Verbindung stehenden Höfen nebst einer besondern Abtheilung für die Königin-Mutter Valideh, auch Mädeh-aliah. An der Spitze der Verwaltnng steht der Chadsche baschi, der oberste Eunuche, dem acht andere Eunuchen untergeben sind; allen gebührt der Titel Agha. Außerdem enthält der Harem das Bad und die königliche Privatschatzkammer, deren Schlüssel meist der erste Eunuche aufbewahrt. Der Schah hatte im Sommer 1860, als ich die Hauptstadt verließ, vierzehn Frauen: drei legitime Akoi und elf Sighes (Vertragsfrauen). Die erstern waren Prinzessinnen aus der Dynastie des Feth-Ali Schah, die andern Töchter des Volks aus Tabris und Teheran; zwei davon hatte er zum Geschenk aus Schiraz erhalten. Er erfreute sich einer zahlreichen Nachkommenschaft, soviel ich erfuhr, vierunddreißig Kinder, von denen aber nur vier Knaben und fünf Mädchen am Leben waren. Der älteste überlebende Knabe, nach den neuesten Nachrichten zum Kronprinzen ernannt, heißt Mnzzäfer-eddin; seine Mutter ist eine Tochter des Prinzen Feth nllah. Von den drei andern Knaben sind zwei, Sultan Masud Mirza und Sultan Hussein Mirza, Söhne einer Sighe aus Tabris, Tochter der königlichen Amme, welche der Schah in 231 letztgenannter Stadt heirathete. Der vierte, betitelt Najib-e sultaneh*), ist ebenfalls der Sohn einer Sighe, der Tochter eines Baumeisters (niLemar bN8«Iii), in Teheran. Die übrigen Kinder starben an ll^äroospKawZ, Cholera und auf andere mir unbekannt gebliebene Weise. Das Schicksal des Kronprinzen ist ein so seltsames und wirft ein so helles Streiflicht auf die innern Zustände des königlichen Hofes, daß ich hier genauer in den Gegenstand eingehen will; doch ist es zum Verständniß der Sachlage nothwendig, etwas weit auszuholen. Nasser-eddin Schah, dessen eigene Schicksale als Kronprinz später erzählt werden sollen, hatte bis zum Jahre 1856 bereits zwei zur Thronfolge bestimmte Prinzen durch den Tod verloren, und es blieb nur noch der früher genannte Muzzäfer-eddin Mirza als derjenige übrig, welcher alle Bedingungen der Thronfolge in sich vereinigte, denn er war nicht nur der älteste Prinz, sondern auch mütterlicherseits aus dem Kadscharen-stamm, übrigens ein schöngestalteter Knabe von ausgebildetem Kadscharentypus, nur etwas schwächlicher Constitution. Allein der Schah liebte dessen Mutter nicht und haßte leidenschaftlich den Großvater Feth-ulla Mirza. Wahrscheinlich deshalb hegte er auch gegen den Knaben einen Widerwillen. Seit einigen Jahren hatte der Schah seine Neigung an eine Frau, *) Der Titel Najib-e sultaneh ist der höchste, welcher einem Prinzen zugelegt werden kann, denn er bedeutet Prinz-Regent. Berühmt unter diesem Titel war Abbas Mirza, Sohn von Fcth-Ali Schah, welcher wegen seiner Reformen und seiner Tapferkeit noch immer in lebhafter Erinnerung des Volts lebt. Er war zum Thronfolger bestimmt, starb jedoch schon bei Lebzeiten des Vaters, daher sein Sohn Mehmed auf den Thron gelangte. Es ist sehr zu bedauern, baß Nasser-eddin Schah den einen Sohn zum Kronprinzen und den andern zum Prinz-Regenten ernannt hat, dadurch entsteht tödlicher Haß zwischen den Brüdern, weil, im Fall beide den Vater überleben, der neue König seinen Bruder todten oder criliren läßt. 232 Namens Dschayramb-Chanum verschenkt, später fl!ruFl,6 Zultimek (die Fackel des Königthums) genannt, die Tochter eines armen Tischlers aus dem Dorfe Tcdscherisch, nahe bei Teheran. Sie war Tänzerin der Königin-Mutter gewesen und weder schön noch anmuthig; auf der linken Wange hatte sie eine große Boutonnarbe. Dennoch gewann sie so großen Einfluß auf den Schah — man schrieb es einem Zauber zu —, daß sie alle die andern legitimen Frauen, welche nun in Trübsal und Zurückgezogenheit leben mußten, aus seiner Gunst verdrängte. Ihr Vater wurde Gouverneur einer Provinz, ihr Bruder und Schwager, obgleich beide nicht schreiben konnten, wurden Kämmerlinge des Königs. Sie gebar zwei Söhne und eine Tochter, der ältere Sohn erhielt den Namen Kascm Chan. Als nun im Jahre l85N der zweite Kronprinz an der Cholera gestorben war, beschloß der Schah, mit Hintansetzung des Prinzen Muzzäfer-eddin, ihren Sohn, Kasem Chan zum Thronfolger zu ernennen. Da jedoch der Vertrag im Wege stand, wurde ich angegangen, ein Document des Inhalts auszustellen, daß Muzzäfer-eddin körperlich und geistig schwach, daher zur Thronfolge unfähig sei. Ich wies natürlich dies Ansinnen, das nur von einem Agenten des Großveziers zukam, mit Entrüstung zurück; auch glaube ich nicht, daß es vom König selbst ausging. Wie dem auch sei, Kasem Chan wurde wirklich zum Thronfolger ernannt. Es herrschte damals große Eifersucht zwischen der russischen und englischen Gesandtschaft wegen der Verwickelungen mit Herat; beide vermieden deshalb, die Wünsche des Königs zu durchkreuzen. Die ehemalige Tänzerin stieg nun auf den höchsten Gipfel der Macht; ihr Einfluß machte sich in allen Staatsangelegenheiten geltend; der König lebte nur für sie und ihren Sohn Kasem Chan; ihren zweiten Sohn ernannte er in der Wiege zum Commandanten der Artillerie (6mir-6-tud<:Iiü,ll6k), während er die Kinder seiner andern 233 Frauen vernachlässigte. Besonders wuchs seine Abneigung gegen den Prinzen Muzzäfer-eddin; begegnete er dem Knaben zufällig in den Hofräumen, so mußte ein Mantel über denselben geworfen werden, damit der königliche Blick ihn nicht treffe. Ich erinnere mich, wie der Unglückliche nach einer schweren Krankheit dem König während des Frühstücks vorgestellt wurde; er vermochte sich vor Schwäche kaum auf den Beinen zu halten, aber der König beachtete es nicht und hieß ihn nicht niedersitzen. Kasem Chan, der auch zugegen war, belustigte sich damit, einm Falken auf ihn loszulassen; der Kleine bedeckte die Augen mit der Hand und rief in kläglichem Ton: „8(?küli mitarssui!" (König, ich fürchte mich!), worauf zwar der Schah dem Kronprinzen einen Verweis gab, von diesem aber die Bosheit noch dreimal wiederholt wurde, bis der Reconvalescent ohnmächtig zusammensank. Apathisch befahl der König, daß man ihn wegtrage. Plötzlich, im Frühling 1859, begann Kasem Chan, bis dahin ein kräftiger Knabe, zu kränkeln; die Ursachen seines Siechthums blieben dunkel und sind noch jetzt nicht aufgeklärt; er erbrach sich öfters, bekam Schielen und Krämpfe, und starb nach drei Monaten unter Symptomen von Wasserkopf. Sein jüngerer Bruder war ihm kurz vorher ins Grab vorangegangen, und einige Monate darauf folgte ihm auch die Schwester, das letzte Kind Furughe Sultaneh's. Diese sah sich somit vom höchsten Gipfel des Glücks in den tiefsten Abgrund des Elends gestürzt; sie überlebte den Schlag nicht lange, sondern starb bald aus Gram. Nach ihrem Tode milderte sich die Abneigung des Schah gegen seinen ältesten Sohn Muzzäfer-eddin in etwas, aber ganz erloschen war sie noch nicht; denn unter dem Vorwande, daß es der Dengnation eines Thronfolgers nicht bedürfe, überdies eine solche von böser Vorbedeutung sei, legte er dem vierten Sohn den Titel näjid-e-suItHnsIi (Gehülfen in der Regie- 234 rung) bei, hoffend, derselbe werde sein Nachfolger auf dem Throne werden. Vor einiger Zeit lasen wir jedoch mit Befriedigung in den Zeitungen die Nachricht, daß endlich dem ältesten Prinzen sein gutes Recht geworden, indem ihn der Schah nach vielen Wandlungen zum Thronfolger und zum Gouverneur von Tabris ernannt, wohin er sich, in Begleitung seiner Mutter und eines ehrlichen kurdischen Generals, Aziz Chan, begeben habe. Im ganzen ist das Los der königlichen Frauen kein be-neioenswerthes. Nicht allein daß der König sich gewöhnlich an Eine hält und die andern vernachlässigt, so leben sie in vollkommener Absperrung, beinahe in Gefangenschaft, und dabei fließen ihnen selbst die Subsistenzmittel äußerst spärlich zu. Der durchschnittliche Gehalt von etwa 50 Dukaten monatlich reicht kaum zur Bestreitung der nothwendigen Ausgaben hin, da jede vermöge ihres Ranges und ihrer persönlichen Sicherheit wegen eine eigene Küche führen und eigene Dienstboten zum Verkehr mit der Außenwelt unterhalten muß. Außerdem werden sie von ihren Aeltern und Brüdern in Anspruch genommen, welche gewöhnlich ganz von ihrer Unterstützung leben wollen. Es gilt zwar nach Landessitte nicht für unschicklich, daß die Schwäger des Königs im Bazar ein Geschäft oder Handwerk treiben und in ärmlichen Verhältnissen leben; doch suchen sie natürlich von dem hohen Rang der Schwester möglichsten Nutzen zu ziehen. Die kostbaren Shawlkleioer und die Juwelen, welche die Frauen des Königs erhalten, bleiben Kroneigenthum und können nicht veräußert werden, höchstens geht wol einmal durch Zufall ein Stein verloren. Wehe vor allen denjenigen unter ihnen, welche unfruchtbar sind oder das Unglück hatten, ihre Kinder durch den Tod zu verlieren; sie ermangeln des Trostes, im Alter den Harem verlassen und bei einem verheiratheten Sohn ihre Jahre beschließen zu können. 235 Man geht daher in guten Häusern der Ehre aus dem Wege, eine Tochter ins Enderun des Königs zu liefern, indem schöne Mädchen von den Aeltern sorgfältig verborgen gehalten werden, damit sie nicht die Aufmerksamkeit der königlichen Familie auf sich lenken, oder man sucht sie, falls dies dennoch geschehen, schnell zu verheirathen, um so mehr als es sich schon öfter ereignet hat, daß der Schah nach einigen Tagen die junge Frau mit einer kleinen Geldentschädigung ins älterliche Haus zurückschickte, in welchem Fall sie nur mit besonderer Erlaubniß der Königin-Mutter sich wieder verheirathen darf. So leben in Teheran zwei solcher vom König geschiedenen Frauen, deren eine später einen Buchbinder, die andere einen Schüler aus dem königlichen Collegium gehei'rathet hat. Die äußern Gemächer des königlichen Schlosses dürfen für gewöhnlich von den Frauen nicht betreten werden; nur manchmal entläßt der König seine gesammte männliche Umgebung und erlaubt dann den Frauen, sich im Schloß zu ergehen; man nennt dieses Icuruk. Unternimmt der König eine Neise oder eine Expedition, so läßt er sich nur von einer Frau begleiten; die andern müssen unterdessen einen seiner Landsitze beziehen. Wenn eine königliche Dame ausreitet, was nur auf Reisen oder bei Uebersiedelungen geschieht, da ihr sonst nicht gestattet ist, das Schloß zu verlassen, so müssen alle dem Zug Begegnenden auf den Ruf der Eunuchen sich verbergen oder weite Umwege nehmen. Ein Weigerungsfall seitens eines europäischen Diplomaten führte einst zu sehr complicirten Erörterungen und ernstem Notenwechsel. Die jetzige Königin-Mutter, Valideh, erfreut sich eines großen Einflusses, welchen sie besonders bei Besetzung der Gouverneurstellen, bei einem Ministerwechsel und bei den Heirathen des Schahs geltend macht. Ihre Abenteuersucht 236 gibt reichen Stoff zu bösem Leumund; übrigens soll sie viel Witz und Geist besitzen, auch im Dichten und Vlumenmalen sich versuchen. Die jungen Prinzen erhalten eine Amme und werden von der Mutter sorgsam überwacht. Man läßt ihnen die Wohlthat der Impfung angedeihcn, doch sterben die meisten in zartem Alter wegen Mangel unzuträglicher Diät, wcil die Mütter, in der Meinung, dadurch ihr Wachsthum zu fördern, sie mit Nahrung zu überhäufen pflegen. Die meisten Kinder des jetztregierenden Schah haben Anlage zu H^ära- Mit dem fünften Jahre wird der Prinz einem Ludi-magister (lalek) übergeben, welcher ihn in den ersten Elementen des Wissens und in den Regeln des Anstands (aäNd) unterrichtet. Sehr früh führt er einen eigenen, von dem der Mutter getrennten Haushalt. Sobald er aber eine selbständige Stellung einnimmt, folgt ihm die Mutter in sein Haus. Dadurch, daß der König einzelne seiner Söhne vor den übrigen bevorzugt, erwächst Haß zwischen den Brüdern verschiedener Mütter, der bei Gelegenheit in Thätlichkeiten übergeht und nicht selten zu Brudermord führt. So wurden viele Söhne des Feth-Ali Schah auf Befehl ihrer Brüder geblendet, andere endigten im Kerker oder Exil. Auch der Bruder des jetzigen Königs befindet sich im Exil zu Bagdad. Welches Los die den Vater überlebenden Söhne des Schah erwartet, wird die Geschichte lehren. Wir hätten in diesem Abschnitt noch übcr die Prostitution und die Aberrationen des Geschlechtslebens überhaupt zu sprechen; doch sind dieses Gegenstände, welche nur unter Fachmännern zur Sprache kommen sollten. Diese verweisen wir auf unsern Aufsatz über „Prostitution in Persien" (Wiener Mcdicinische Wochenschrift, 1861, Nr. 32). 237 Im allgemeinen sei hier nur bemerkt, daß weder Eunuchen noch sonstige Ueberwachung die Tugend der Frauen zu schützen vermögen, daß widernatürliche Laster leider in den Städten sehr verbreitet sind, und daß sie nicht so allgemeine Entrüstung hervorrufen, wie es im Interesse der ganzen Menschheit zu wünschen wäre. Selbstverständlich jedoch gibt es unter allen Klassen auch sehr ehrbare Frauen, die selbst durch Verirrungen dcs Mannes sich nicht bewogen fühlen, nur einen Schritt breit vom Pfade der Pflicht und ehelichen Treue abzuweichen. Besonders zeichnen sich die Fraucn der Nomadenstämme in dieser Hinsicht rühmlich aus. VII. Diener, Sklaven und Eunuchen. Große Zahl der Diener. Ihr Lohn und indirectes Einkommen. Patriarchalisches Verhältniß zum Herrn. Strafen. Unbrauchbarkeit europäischer Diener im Orient. Kategorien der Dienerschaft. Milde Behandlung. Schwarze und weiße Sklaven. Verwendung und schonende Behandlung derselben. Frühzeitiges Absterben der Schwarzen. Ihre Sprache und Bildungsfähigfeit. Preise der Sklaven. Eunuchen (schwarze und weiße, Freie und Sklaven, künstliche und natürliche). Körperdeschaffenhcit und Charakter der Eunuchen. Geschichte des Eunuchen-Ehefs Baschir Chan. Der Eunuch Eosruw Chan. Alinahme der Zahl und des Einflusses der Eunuchen. ^. Diener. Au dem orientalischen Pomp, welchen der Perser mit dem Worte t68ckü,elickü8 bezeichnet, gehört nebst den Pferden, Zelten, Teppichen, Gewändern und Schmucksachen auch eine Schar von Dienern (naulcer) und Sklaven männlichen und weiblichen Gcschlechts, von Pagen und Eunuchen. Ihre Zahl übersteigt in Häusern der Reichen alle Vorstellungen, welche wir in Europa von Dienerschaft haben. Die männlichen Didner werden selten zu häuslichen Arbeiten verwendet, sondern fast nur zum Luxus gehalten. Sie 239 begleiten ihren Herrn bei seinen Ausritten in der Stadt; ein Theil geht paarweis dem Pferde voran, einige vertrautere schreiten einzeln neben demselben her, der Troß folgt, mit Flinten bewaffnet, nach. Je größer die Schar der Diener, desto größer ist auch der Teschachchus und die Würde des Herrn. Unter dem steten Ruf: „Lsri! Leru!" drängen sie jeden Entgegenkommenden aus dem Weg; er muß sich entweder Platt gegen die Wand stellen oder einen andern Ausweg suchen. So lassen sich einzelne Chane, Gouverneure und Prinzen von vierzig bis sechzig Dienern begleiten; der Groß-vezier erscheint nicht selten von zwei- bis dreihundert umgeben. Doch sind nicht alle besoldet, sondern viele schließen sich als Clienten an und folgen monate- oder jahrelang, in der Hoffnung, daß sie der Machthaber endlich eines gnädigen Vlicks würdigen werde: die einen, um unter seinem einflußreichen Schutze vor Beeinträchtigungen ihres Eigenthums sicher zu sein, die andern, um im Gegentheil ungestraft Eingriffe in die Rechte anderer sich erlauben zu dürfen. Aus letzterer Kategorie besteht das zahllose, meist den verworfensten Klassen angehörige Gefolge der Priester höhern Ranges, des Imam-dschumeh, der Mulschtehiden und Scheichs-ul Islam: Leute, die unter dem Mantel der Heiligkeit die abscheulichsten Verationen ausüben. Bei den Gesandtschaften melden sich sogar Personen aus den besten Familien als Diener, um deren Fürsprache und Protection zu genießen. Der Diener (nauker) wird auf ein Jahr — von einem Nawruz zum andern — in das Haus aufgenommen. Er erhält 8—10 Dukaten Lohn (mu^äscliib), freie Kost und etwas Getreide und Reis (äLcbirsk) für seine Familie; denn fast alle sind verheirathet oder heirathen, sobald sie einen guten Dienst gefunden. Einmal des Jahrs erhalten sie außerdem ein neues Gewand. Doch fällt der fixe Gehalt wenig in die Wagschale; als 240 guter Dienst gilt nur ein solcher, der viel x^r ^ 6t netas abwirft. Man nennt dieses indirecte Einkommen niaMcliLi. So viel Lohn auch ein Diener bekommt, er fühlt sich unbehaglich, wenn die Quelle des Mädachel nicht reichlich fließt; mismuthig klagt er: „Nmä^kei Ii6in 68t!" (Der Gewinst ist gering!), und ist er ein Mann von Grundsätzen und Consequenz, so verläßt er bald wieder das Haus. Viele Diener hoher Beamten beziehen gar keinen Lohn und beanspruchen auch keinen, denn sie leben aus fremdem Säckel und von gelegentlicher Beute. Sie werden mit verschiedenen Commissionen betraut, oder tragen kleine Geschenke von Obst, Wild u. s. w. aus, wofür sie je nach der Stellung des Mannes, von dem sie gesendet werden, 1—5 Dukaten als Geschenk (iuaam) erhalten. Andere werden mit Briefen oder Aufträgen in die Provinzen geschickt, so namentlich die Diener der Minister, und gelangen auf diese Weise zu einem Einkommen, welches das der höchsten Staatsbeamten in Europa übertrifft und ße in den Stand setzt, selbst einen großen Haushalt mit mehrern Frauen zu führen und ihrerseits wieder Diener zu unterhalten. Hiernach ist es erklärlich, daß bei einem Chan oder Prinzen, dem plötzlich eine neue Würde übertragen worden, schon am andern Tage eine Cohorte von mindestens hundert Dienern sich einstellt, um den neuaufgehenden Stern zu begrüßen; daß sie gar nicht abwarten, bis er sie in seinen Dienst aufnimmt, sondern in der Hoffnung auf Protection oder des zu erwartenden Mä-dachels ihn begleiten. Auch Europäer sehen sich unaufgefordert mehrere Tage lang von einem unbekannten Diener begleitet, der auf die Frage, was er eigentlich wolle, antwortet: „Naukeri mikuii6i!i!" (Ich thue Dienste!); wird er nicht ausdrücklich fortgeschickt, so rechnet er sich zur Zahl der Bediensteten und verlangt die Gewährung der Emolumente. Die meisten Chane nehmen jedoch Bediente aus ihren: 241 Tribus und ihrer Heimat, theils weil diese besser mit ihren Gewohnheiten vertraut sind, theils weil sie sicherer auf deren Treue rechnen können; denn der Perser bewahrt für den Chef seines Stammes unter allen Umständen Verehrung und Anhänglichkeit, auch wenn ihm nicht die beste Behandlung zu-theil wird. In der That sind die Fälle nicht selten, daß solche Diener, nachdem ihr Herr in Ungnade gefallen und in ziemlich drückenden Verhältnissen sich befindet, treu bei ihm ausharren, mit ihm darben, niemals ihm den Respect versagen, ihm die geliebten alten Titel und Schmeicheleien beilegen und abwarten, bis wieder eine glücklichere Constellation für ihn eintritt. Alsdann unterläßt auch andererseits der Chef nicht, sie für die ihm bewiesene Treue und Ausdauer zu belohnen. Mancher Chan, der in seinem Vermögen ganz hcrabgekommen ist, rafft noch die letzten Mittel zusammen, um den Haushalt der Diener aufrecht zu erhalten; wie abgenutzt auch ihr Gewand sein mag, er freut sich, ihre Zahl noch complet zu sehen. Ueberhaupt steht der Diener 'in einem gewissen patriarchalischen Verhältniß zu seinem Herrn. Er kennt dessen Hoffnungen und Besorgnisse, denn dieser hat vor dem vertrauten Diener (naukei'-y inNln-Nm) kein Geheimniß, sondern bespricht alles mit ihm sowol zu Hause als auch während der langsamen Nitte durch die Stadt. Der Perser findet es ganz in der Ordnung, daß, während er eine wichtige Angelegenheit mit jemand verhandelt, ein Diener zwischen der Thür oder vor dem Fenster steht und eifrig zuhört; ja daß sich derselbe in das Gespräch mischt, ungefragt seine Meinung abgibt und die seines Herrn durch Argumente unterstützt. Ich war oft Zeuge, daß während der wichtigsten amtlichen Transactionen der Diener des Großveziers Sader-azam das Wort nahm und sogar scine Misbilligung auszusprechen wagte. Auf der andern Seite erwartet auch der PolllI, Prrsü-n. l. 16 242 Diener, daß sich der Herr mit seinen Angelegenheiten befasse, ihn über seine Zustände ausfrage und ihn familiär behandle; wo dies nicht stattfindet, fühlt er sich fremd im Hause und bleibt nur unwillig in einem solchen Dienst. Den Begriff des patriarchalischen Communismus pflegt er selbst auf die Kasse seines Herrn auszudehnen. Gibt man ihm z. B. mehrere Dukaten zu Einkäufen, so wirft er das Gold in ein Beutelcheu, in dem bereits einige kleine Münze sich befindet; kurz darauf zurückgerufen und befragt, wie viel Geld er habe, summirt er in seiner Antwort das Empfangene mit dem frühern Inhalt seiner Börse. Auf dem Markte macht er dann alle Ausgaben, sowol die für sich als die für den Herrn, aus der gemeinschaftlichen Kasse. Um die Rechnung ist er nie verlegen, denn der Sitte gemäß darf er für jeden Einkauf 10 Procent mehr ansetzen als wirklich bezahlt worden, und wegen des darüber noch fehlenden Betrags hat er stets Ausflüchte und Lügen bei der Hand. Ebenso macht er sich kein Gewissen daraus, Mundvorräthe aus dem Hause zu tragen; wird er dabei ertappt, so trifft ihn keine große Strafe, weil er gleichsam als zur Familie gehörig angesehen wird. Hat er aber einen schweren Fehler begangen, so will er nicht, daß man ihn schimpfe, da die gebräuchlichen Schimpfworte den Vater im Grabe oder seine Frauen entehren, sondern er wirft sich platt auf den Rücken, hebt die Füße in die Höhe und ruft: „6Äk Hui-äsm!" (Ich aß Koth, d. i. Ich fehlte!), zum Zeichen, daß er die Vastonnadö zu empfangen bereit sei. In jedem Hause mit zahlreicher Dienerschaft befindet sich ein Bastonnadenpfahl (tsokudsli-isisk); nur durch den zeitweiligen Gebrauch oder wenigstens durch den steten Anblick desselben ist es möglich, sie in Zucht zu erhalten. Die Bastonnade empfangen (tseliud Huräeu, d. i. den Stock essen) gilt übrigens durchaus nicht für eine Schande. Nach überstandener Strafe erhält vielmehr der 243 Gezüchtigte ein Ehrenkleid, womit er dann vollständig re-habilitirt ist. Vorzugsweise träge zeigt sich der persische Diener in Verrichtung der Hausarbeiten, was darin mit seinen Grund haben mag, daß wegen der großen Zahl der Diener der einzelne wenig zu thun hat und deshalb auch dies Wenige zu thun versäumt. So z. B. ist mau mit zehn Dienern kaum im Stande, ein Zimmer ohne Möbel rein zu erhalten; sie begnügen sich, einmal des Tags die Teppiche abzukehren, während in den etwas höher gelegenen Nischen der Staub monatelang liegen bleibt und nur einmal im Jahre abgefegt wird. Ich konnte so fest auf diese gewohnte Nachlässigkeit rechnen, daß ich oft mehrere hundert Dukaten, die ich im Koffer nicht sicher glaubte, frei auf die erhöhte Nische legte und auch stets unberührt wieder vorfand. Sie geben sich nicht einmal die Mühe, alle Tage das Kehricht zu entfernen, sondern verbergen es häusig unter dem Teppich, und fast nie bekommt man ein sauberes Gefäß oder eine reingewaschene Kaffeeschale. Auf Reisen und in Lagerplätzen hingegen ist der Diener unermüdlich und fortwährend in Thätigkeit; da versteht er es, in der ödesten Gegend seinem Herrn eine erträgliche Existenz zu bereiten. Den ganzen Tag läuft er, selbst bei dem stärksten Sonnenbrand, vor dessen Pferd her, ohne über Ermüdung zu klagen. An der Station angelangt, liebt er es abcr, schwatzend und rauchend auf dem Teppich zu liegen. Er wartet unverdrossen an einer Stelle ganze Tage und Nächte hindurch wie ein Hund auf seinen Herrn. Soll er vor demselben erscheinen, so zieht er sein bestes Kleid an -und reibt beim Eintritt den Unterschenkel vom Knie bis zur Ferse mit der Hand, als Zeichen der Unter-thänigkeit; nie erlaubt er sich eine unhöfliche Aeußerung gegen ihn, selbst wenn er mit ungerechten Vorwürfen überhäuft wird. 16* 244 Dem in Persien sich aufhaltenden Europäer werden diese Diener sehr lästig. Ihr stetes Hernmspioniren um seine Person, die Gütergemeinschaft, die Unmöglichkeit im Hause nur einen Schritt zu gehen ohne von einein Diener gefolgt zu sein, selbst beim Gang znm geheimen Gemach, oder auf der Straße sich zu bewegen ohne immer einige vor sich hergehen zu haben, sind Belästigungen, an die man sich nur nach langer Zeit gewöhnt. Im Begriff auszugehen, muß man so lange verweilen, bis sich die Diener gesammelt und in die gehörige Positur gesetzt haben. Kein Besuch findet Einlaß, ehe er sich von den Dienern die Erlaubniß verschafft oder durch Geld erkauft hat, sonst schläft der Herr oder er ist im Enderun. Anfangs wird man wol, wie auch ich es that, öfter mit den Leuten wechseln; allein man überzeugt sich bald, daß alle desselben Schlags sind und man dabei nicht gewinnen, höchstens verlieren kann. Dazu kommt die Erheblichkeit des Kostenpnnkts. Ein Diener erhält monatlich 2V2 Dukaten Lohn, mit den Geschenken und Aneignungen aber beläuft sich die monatliche Ausgabe auf 4 Dukaten; man verausgabt also, da vier Bediente der geringste Personalbestand sind, jährlich eine Summe von 200 Dukaten, und erntet dafür nichts als Verdruß und Unannehmlichkeiten. Nun meint man vielleicht, es sei am zweckmäßigsten, einen Diener aus Europa mit ins Land zu bringen oder einen solchen dort in Dienst zu nehmen; allein unter allen Uebeln würde man damit das größte gewählt haben. Dem europäischen Diener, der Landessprache unkundig, ist jeder Verkehr mit seinesgleichen abgeschnitten, dazu selbst-der Anblick eines weiblichen Wesens versagt, auch sein Herr spricht nach europäischer Sitte wenig mit ihm; so befindet er sich in vollkommener Isolirung, kaum anders wie im Zellengefängniß. uEr wird dadurch störrig und unleidlich, verfällt in Melancholie 245 oder ergibt sich dem Trunk, und man sieht sich nach kurzer Zeit gezwungen, ihn mit schweren Geldopfern in die Heimat zurückzuschicken. Nur in den Gesandtschaftshotels, wo viele europäische Diener zusammenleben, ist es möglich, einigermaßen mit ihnen auszukommen, obwol auch da von Zeit zu Zeit Transportationen ins Mutterland stattfinden müssen. Daher mögen europäische Reisende unter allen Umständen vermeiden, sich von einem Diener aus der Heimat begleiten zu lassen; die Unannehmlichkeiten sind für beide Theile unausbleiblich. In Teheran nehmen die Europäer ihre Diener meist aus der Sekte der Dawudi, weil deren Dogmen dem Christenthum näher stehen, namentlich die strengen Begriffe von Reinem und Unreinem, wie sie dem Muselman vorgeschrieben sind, von ihnen nicht anerkannt werden, daher sie sich leichter den europäischen Bräuchen anbequemen. Die Hausdienerschaft besteht aus folgenden Kategorien: 1) Die piäcIi-odsänistZ (Kammerdiener) melden die Fremden an, ordnen die Zimmer und reichen den Gästen Pfeifen und Kaffee. Sie empfangen guten Lohn und schöne Kleidung; ihr Chef, gewöhnlich Verwalter des ganzen Hauses (nu^ir), trägt sogar ein theueres Shawlkleid, über das er aber, wenn er vor dem Herrn erscheint, einen langen Tuch-talar wirft; er vermittelt allein den Verkehr des Herrn mit der Außenwelt. 2) Die Farasche haben für die Teppiche und Zelte zu sorgen; sie ebnen den Boden, schlagen die Zelte auf und schaffen das Brennholz herbei. 3) Die Gulams werden mit den Aufträgen für die Provinz betraut; sie sind bewaffnet, um im Fall eines Angriffs sich vertheidigen zu können. 4) Die ^8ek-x8.2 (Köche) bereiten die Speisen und erfreuen sich, da sie für Künstler gelten, besonders guter 246 Behandlung und vieler Nachsicht. Ihrem Chef liegt nur die Ueberwachung und die letzte Vollendung der Speisen ob, während zahlreiche Küchenjungen (aZclipns Lcküzirä) die gröbere Arbeit verrichten. 5) Der Kahwedschi sorgt für den Thee, Kaffee und Narghile. Auf Reisen reitet er ein Maulthier; vor sich hat er einen Quersack mit dem Mundvorrath für den Herrn, während von einer Seite ein Becken mit glühenden Kohlen, von der andern Seite ein Wasserschlauch (küdu1-inNNFl>1) herabhängt, sooaß er in jedem Moment die Pfeife in Bereitschaft setzen kann. 6) Der miiäoliur, d. i. Herr der Krippe, hat die Obhut über den Stall. Bei Ausritten hilft er dem Herrn in und aus dem Sattel und geht, eine reiche, aus verschieden gefärbtem Tuch mosaikartig zusammengesetzte sin-pusak (Satteldecke) über der Schulter tragend, unmittelbar vor dem Pferde her. Der Kauf oder Verkauf eiues Pferdes kann nur durch seine Vermittelung gcscheheu; umgeht man ihn dabei, so weiß er stets den Handel zu vereiteln oder derart zu wenden, daß derselbe zum Schaden des Herrn ausschlägt. Ihm unterstehen die Pferdeknechte (msKwi-L), deren jedem die Sorge für zwei bis drei Pferde übertragen ist. 7) Die 8u1ü,mk6t,8ei56k (Pagen) sind meist körperlich schöngebildete Knaben, welche den Verkehr zwischen dem Harem und dem Virun (Männerabtheilung) vermitteln, übrigens häufig Anlaß zu bösem Leumund geben. Auch sie erhalten kostbare Kleidung. 8) Der ^äpt8odi (Portier) ist stets ein hochbejahrter Mann, welcher die Zugänge zum Harem mit Argusaugen bewacht. 9) Xarknis (Soldatenwachen) werden häufig den Großen von den Regimentern zugetheilt, um zur Vermeh- 247 rung des Pomps (t68HHeta laursatus. Gassenpoesie. Chrcuogramme. Erdkunde. Geschichte und Geschichtschreibung. Buchdruck und Lithographie. Manuscripte. Bibliotheken. Officielle Zeitung. Macht der Presse. Stil und Form der Briefe. Die Mnuschi. Arithmetik. Alchemie. Astrologie. Zcit^ rcchnung nnd Kalender. Philosophie. Studien iu den Madrasses. Abnahme der Bildung. Schrift der Armencr, Chalbä'er und Juden. Malerei. Die Bildergalerie des Sckab. Gesang, Musik nnd Tanz. Aon der Ansicht ausgehend, erstens alle Naturvhä'no-mene lassen sich specnlativ erklären, zweitens mit den Griechen und Arabern habe das menschliche Wissen seinen Abschluß gefunden, widmet der Perser den exaclen Wissenschaften geringe Pflege. Seine Anforderungen an eine gute Erziehung beschränken sich auf oberflächliche Kenntniß der arabischen Sprache (aradist), des Briefstils und der Nationaldichter. Wer überdies die Regeln des Anstands (näsd) innehat und hier und da ein Gelegenheitsgedicht zu machen versteht, der ist zu allen Würden nnd Aemtern befähigt. Zum General sowol wie zum Großvezier; und hat er das Glück, Chef eines Tribus zu sein, so kann er unter günstigen Umständen 263 den Blick noch höher erheben und nach der Krone greifen Damit man den üblichen Bildungsgang richtig verstehe, muß ich etwas ausführlicher über Sprache und Schrift handeln; denn obwol diese nur als Mittel zur Erlangung von Kenntnissen dienen sollen, begnügt sich der Perser, das Mittel mit dem Zweck vertauschend, eben nur sie sich anzueignen. In den verschiedenen Theilen des Reiches Iran wird Hwar Persisch (xnbanL iarsi), türtisch, kurdisch, armenisch, chaldä'isch und arabisch gesprochen, doch nur die persische erhob sich zur Schrift- und zur Literatursprache. Nächst ihr ist die türkische am meisten verbreitet, ja in einzelnen Bezirken spricht und versteht das Volk nur türkisch. Diejenigen aber, welche des Schreibens kundig sind, und zwar nicht blos in Persien, sondern auch fast alle Gebildeten in Tur-tistan, Afghanistan, Sistan, Beludschistan und selbst Indien, bedienen sich des persischen Idioms zur Correspondent Die persische Sprache ist der germanischen am meisten verwandt, was dem Deutschen die Erlernung des Persischen sehr erleichtert. Nicht allein daß viele Worte identisch sind, sondern anch die Fügung der Sätze und die Art, die Gedanken in Worte zu kleiden, sind häufig analog. Dies veranlaßt den Perser, das Wort German von Kerman abzule.i-ten. Wie dem auch sei, soviel wird jedem unbefangenen Beobachter, der längere Zeit im Lande lebte, aus Physiognomie, Gebräuchen, Sprache, Sitten und Traditionen klar, daß der persische und der germanische Stamm in der Urzeit wenigstens lange zusammengelebt haben müssen. Mit dem Islam wurde der persischen Sprache und Schrift das fremde arabische Element aufgedrungen, das aber der Perser niemals gehörig verdauen konnte. Nur mit großer Anstrengung vermochte er die Zisch- und Kehllaute 204 nachzuahmen; er adoptirte daher die Worte, ohne jedoch seine bisherige Aussprache oder die Syntax wesentlich umzuwandeln. Aus diesem Grunde ist es äußerst schwierig und nur nach langem Studium der arabischen Grammatik möglich, das Persische richtig zu schreiben. Bezeichnenderweise gibt es auch zwar verschiedene, im Lande gedruckte arabische Grammatiken und Syntaxen, aber keine einzige persische Grammatik. Uebrigcns klingt die Sprache, wie sie von den Gebildeten gesprochen wird, schön und kräftig; sie eignet sich zum poetischen Ausdruck wie zu schönen Wendungen und Wortspielen. Auch die meisten Leute vom Volk, obwol sie untereinander ihren Jargon sprechen, verstehen doch die Sprache der Gebildeten. Fast jede Stadt hat ihren eigenthümlichen Accent (laaa^ksli), woran die Einwohner erkannt werden; am schärfsten betonen die Kaschaner, am wohlklingendsten sprechen, die Schirazer. Da der Perser die K.enntniß seiner Sprache nicht durch grammatische Studien erwirbt, sondern, außer durch Umgang, durch das Lesen und Hören der guten Poeten, so macht sich in seiner Nede stets ein gewisser poetischer Schwung bemerkbar; er beobachtet unwillkürlich die Gesetze der Euphonie und Prosodie; er sucht den Satz abzurunden und fügt, wo es der Wohlklang Zu erheischen scheint, tautologische Wörtchen ein. Dictirte ich meinem Mirza einen Brief oder selbst ein Kapitel aus der Anatomie, so setzte er oft sinnentstellende Worte zu, und wenn ich ihm dann befahl, sie wieder zu streichen, las er meinen Satz laut vor und sagte, plötzlich mit der Stimme stockend: „Sahib, hier fehlt etwas!" So opfert der Perser häufig den Sinn einer Nede dem schönen Klang der Worte auf. Als Zeichen feiner Bildung gilt es, viele arabische Epitheta anzuhäufen und Synonyma zu brauchen, die sich miteinander reimen. Man nennt dies 265 idürets Kk88i (beredter Stil); überladener Stil heißt idärsto Doch hat sich in manchen Gegenden das Pählewi noch ziemlich unverfälscht vom Arabischen erhalten, so in Masan-deran. Talisch, Nätans (Gebirge bei Kaschan) Ein gründliches Studium dieser Dialekte würde viele linguistische Aufschlüsse geben. Folgende Worte führe ich als Probe des Nätans-Dialekts an: Tochter, äuta; Knabe, pura; Mutter, INUN6; Baum, dsna; Frau, ^6na,; Wasser, au; gehe! bN8eIis! Fleisch, grollt; Hculs, Icis; Hof, kagts; Henne, k^rzs; Erde, xemiii; Sonne, Hrlkta,u; Tag, i-u^ar; Nacht, 8edu6; Stein, ksmsr; alt, pira; Weide, ^iä; ich hatte, clariinö; ich schlief, dsliu/imö; Maus, mu8c;1i; Hund, i8p6 (slawisch P68); Katze, inuIcl3Lkin; groß, Furä; klein, ^i8Lliut8o^; jetzt, Ilwt; Augenbrauen, msi-uä; Gesicht, äim; Backe, dui^; Wolle, poims; Garten, rax; Wind, ^vaä; Nrin, t8eUur (dem Slawischen ähnlich). Obwol die Sprache im allgemeinen leicht zu erlernen ist, gelingt es dem Europäer doch selten, sie mit solcher Reinheit und Eleganz zu sprechen, daß er sich nicht als Fremd-länder verriethe. Der Franzose und der Italiener erlernen sie nie, die Laute liegen ihrer Sprache zu fern, namentlich können sie das 1i und ck nicht aussprechen; der Deutsche verwechselt oft cl nnd t, b und p, ebenso trifft er selten die richtige Nuancirung der Vocale, z. B. des a und 5k; am besten lernt sie der Slawe sprechen. Zum Schreiben bedient sich der Perser der arabischen Schriftzeichen (eknt), deren Reproduction große Sorgfalt verlangt. Man sagt, für jeden Buchstaben sei ein Jahr der Uebung nöthig, ehe man ihn vollkommen gut ausführe; ja selbst der geübte Schreiber verliert, wenn er einige Tage nicht übt, die Geläufigkeit. Eine schöne Handschrift ist das erste und wichtigste, oft einzige Merkmal einer guten 260 Erziehung. Es ist unglaublich, welche Zeit vergeudet wird, um z. B. die gehörige Abrundung des Buchstaben nuu (n) zu erlernen. Jeder einzelne Buchstabe hat seine genau bestimmten Dimensionen und besondern Regeln; daher übt sich mancher Perser bis ins siebzigste Jahr seines Lebens im Schreiben und benutzt jeden müßigen Augenblick, um Buchstaben auf einen Streifen Papier zu malen. Gelungene Schreibübungen der Kinder wcrden als Beweis ihres Fortschritts im Unterricht vom glücklichen Vater den Besuchenden gezeigt. Der verstorbene Mehmed Schah wird noch heute als Schönschreiber (eliuseli uwnis) gepriesen; der jetzige König, dessen Erziehung nicht sorgfältig genug war, um ihm eine schöne Handschrift beizubringen, kann es sich doch nicht versagen, bisweilen einige Buchstaben hinzumalen und sie von den Höflingen bewundern zu lassen, wobei er sich zu , entschuldigen pflegt, daß ihm wegen der Negierungsgeschäfte nicht die gehörige Zeit zur Uebung (inlv8oUIv) bleibe. Schöne Schreibexempel (rskksLm) werden zierlich vergoldet, unter Glas und Nahmen gebracht und sorgfältig aufbewahrt. Dergleichen finden sich hier und da in Europa in Sammlungen orientalischer Bücher; so erinnere ich mich, deren einige in der Bibliothek des Baron Hammer von Purgstall gesehen zu haben. Wohlhabende Perser sammeln solche Tableaux aufgespannt in Mappen und erwerben sie zu fabelhaften Preisen. Es gibt dreierlei Schriftarten: 1) Das Näs'sch oder Kurani, womit die arabischen nnd gelehrten Bücher, auch der Koran abgeschrieben werden; 2) das Nästalik, mit feiner Abrundung und Verbindung der Buchstaben, die eleganteste Schrift, worin man die poetischen und Geschichtsbücher copirt; 3) das Schikäste, eine Art Stenographie, dessen Charaktere so eng verschlungen sind, daß es unsägliche Mühe und Uebung kostet, sie zu entziffern. Diese Schreibweise, 867 welche früher in den löniglichen Firmans angewandt wurde, kommt wegen ihrer Schwierigkeit und Unlesbarkeit immer mehr außer Gebrauch, denn auch der Geübteste kann sie nicht pi'ima viäw lesen, und man bedient sich jetzt dafür einer Mittelschrift, des Schitaste-Näftalik. In den Annalen der Kalligraphie werden viele berühmte Meister genannt, des vorzüglichsten Nufes jedoch er-frenen sich zwei, welche vor etwa zwei Jahrhunderten lebten, nämlich Mir in Nästalik und Derwisch in Schikäste. Ihre Schriften (Chäte Mir und Chäte Derwisch) werden von Sammlern besonders emsig gesucht und, in kleine Stückchen zerschnitten, mit einem Dukaten für die Zeile bezahlt; sie dienen als Schreibuorschriften bei den Uebungen (mlssodic). Jeder des Schreibens Kundige setzt den Titel Mirza vor seinen Namen, z. B. Mirza Iakub, während dasselbe Wort hinter dcm Namen „Prinz" bedeutet. Mirza ist die Abkürzung von Mir- oder Emir-zadch (von Emir abstammend), was darauf hinweist, daß in frühern Zeiten die Schreibekunst nur den höchsten Ständen zugänglich war; doch haben sich die Verhältnisse sehr geändert, denn die Anzahl der Schreibckundigen in den Städten dürfte uicht viel geringer sein als in den Städten des civilisirten Europa. Die Mirzas führen als Zeichen ihrer Würde ein Tintenfaß und eine Nolle Papier im Gürtel; sie nennen sich Niiis kninui (Leute der Feder), zum Unterschied von sLnie 8ck6in8o1iii- (Leute des Säbels, d. i. Militär). Das Tintenfaß (6Nv^t) ist ein längliches Papierkästchen, nach außeu mit Blumen und Figuren zierlich bemalt, in dessen Inncrm an einem Ende ein Tintcnbehälter (mui'Nkobäiw) befestigt ist, während der übrige Raum einige Nohrfedern (ka^ui), eine Schere mit ineinandergreifenden Schenkeln, ein Federmesser, Löffelchen und Hornspatel beherbergt. Die Tinte (mui-wksd) wird aus Nuß, Gummi und Zucker zusammcngerieben und beim Gebranch mit Wasser 268 angefeuchtet, zu welchem Zweck das Löffelchen dient. Zu der persischen Schrift ist eine dickflüssige, sndstantiöse Tinte erforderlich; die europäische ist dazu nicht anwendbar. Das Papier (liäg.^) wird vor dem Gebrauch sorgfältig geglättet (nnn-eli), weil sich nur auf solchem die persischen Schrift-züge mit Leichtigkeit zeichnen lassen; es ist meist europäisches Fabrikat, dem man eine blaue oder gelbliche Färbung zu geben liebt. Chinesisches Papier (c>1mn Imle^) findet sich selten, ist aber wegen seiner Festigkeit zu Urkunden sehr gesucht. Begibt sich ein Miiza ans Schreiben, so beobachtet er eine ceremoniöse Umständlichkeit, welche die Größe seiner Anfgabe an den Tag legen soll: er setzt sich nach persischer Weise auf den Teppich nieder, schlägt ein wenig die Aermcl zurück, stellt das Tintenfaß vor sich anf den Boden, löst aus der Nolle ein Stückchen Papier, glättet es noch einmal, und schneidet sich das Kalam. Endlich beugt er den rechten Unterschenkel, unterstützt das Papier mit der linken Hand und schreibt so ohne feste Unterlage, das Papier hin- und herschiebend, um die Abrundung der Buchstaben zu erreichen. Auf einem Tische oder einer andern Unterlage ist es ihm unmöglich schön zu schreiben. Interpunktionen gibt es in der persischen Schrift nicht, die einzelnen Worte werden nicht einmal durch Zwischen-ränme getrennt, sondern ohne Unterbrechung aneincmder-gehängt. Rechnet man noch hinzu, daß auch sämmtliche Vocale ausgelassen werden, so wird man es begreiflich finden, daß genaue Kenntniß der Sprache und eine wenigstens beiläufige des Inhalts znm Lesen der Schrift unbedingt erforderlich ist. Freilich thut die Gewohnheit sehr viel; denn der Perser ist umgekehrt z. B. die in London mit Interpunktionen und Zwischenräumen der Worte gedruckte Bibel nur schwer zu lesen im Stande. 269 Der Knabe erhält in seinem sechsten Jahre einen laisli (Hauslehrer) oder wird zu einem Schnlhalter (äckun) geschickt. Die Mädchen zu unterrichten, wurde in früherer Zeit für ganz überflüssig gehalten, doch greift jetzt die Sitte immer mehr um sich, auch diese an dem Unterricht theil-nchmen zu lassen. Es besteht kein Schulzwang, auch geschieht von feiten der Negierung nichts zur Förderung des Elementarunterrichts; diese Angelegenheit bleibt vielmehr ganz den Aeltern anheimgestellt. Für die ärmern Klassen existiren gemeinschaftliche Schulen (lüNlctiLd), in denen die Kinder gegen Entgelt Unterricht empfangen; doch sind alle Schulen Privatunternehmungen, und es steht jedem des Schreibens kundigen Mann frei, in einem zu dem Zweck gemietheten Laden des Bazar den ihm anvertrauten Kindern Unterricht zu ertheilen. Dort sitzen die Kleinen längs der Wände mit untergeschlagenen Beinen, in der Mitte der Achun, einen Turban auf dem Kopf und mit einem kleinen Stäbchen bewaffnet. Da Kinder verschiedenen Alters gleichzeitig die Schule besuchen, so nimmt sie der Lehrer gruppenweis vor; er spricht laut die Lection in einem näselnden, singenden Ton, und die zu der Gruppe gehörigen Schüler müssen Wort für Wort laut nach-fprechen, dabei mit dem Oberleib sich bewegend. Während so die eine Gruppe unterrichtet wird, wiederholen die andern ebenfalls laut ihr Pensum und suchen durch Schreien ihren Fleiß zu bekunden; dazu kommt, da der Unterricht bei offenen Fenstern nnd Thüren geschieht, das Geräusch der Vorübergehenden und der Lärm des Bazar; es ist darum kaum zu begreifen, wie der Lehrer sich verständlich machen kann. AIs ich einst einen Achun darüber befragte, antwortete er mir: „Das ist alles Gewohnheitssache. In Kaschan, im Bazar der Kupferschmiede, hämmern vierhundert Arbeiter zugleich, und dennoch vermögen sie mit den Arbeitern der 270 gegenüberliegenden Werkstätte sich zu unterhalten — alles Gewohnheitssache." Vou Zeit zu Zeit läßt der Achun sein Stäbchen auf den Fußsohlen der Nachlässigen und Säumigen tanzen, theils um sie auf die kommenden Dinge vorzubereiten, theils um seinen Eifer im Lehren zu documentiren. Denn nach der herrschenden Ansicht muß der Unterricht, wenn er haften soll, mit Strenge beigebracht werden. Man beruft sich dabei auf eine sinnige Erzählung Saadi's. „Ich zog", so erzählt derselbe, „eine» Tags au einer Dorfschule vorbei und fand die Schüler, Kinder mit wahren Engel-gesichtchen, in Fleiß und Thätigkeit, aber seufzend unter dem Druck eines Pedanten, eines strengen Schultyrannen. Es wurden deshalb Klagen gegen den Lehrer laut, und man fand sich bewogen, statt seiner einen Lehrer von mildem Charakter anzustellen. Ein Jahr später kam ich wieder durch dasselbe Dorf. Da fand ich die Rollen vertauscht: der Lehrer wurde von den Kindern tyranmsirt, aber an Stelle des frühern Fleißes waren Faulheit und Nachlässigkeit eingerissen." Der Unterricht beginnt mit dem ^dcl^dscl (A-b-c); sobald das Vuchstabiren eingeübt ist, begibt man sich an das Lesen des Korans, welcher vom Lehrer mit arabischem Accent und in näselndem Ton vorgelesen, von den Kindern ohne Uebersetzung oder Verständniß des Inhalts nachgesprochen und auswendig gelernt wird. Gleichzeitig nimmt der für das Leben wichtigste und zugleich schwerste, der Schreibunterricht, seinen Anfang. Der Achun' schreibt eine Zeile mit dazu passend scheinenden Worten vor, und die Schüler haben die Aufgabe, die Schriftzüge auf einem Blatt Papier in geschildeter Weise nachzubilden. Ist der Koran ein- bis zwcimal durchgelesen, so gibt man den Kindern Saadi's „Gulistan" in die Hand. Sie lesen die vielen schlüpfrigen Erzählungen des,Werks, ohne 271 sich von deren Inhalt eine Vorstellung zu machen, und prägen die einzelnen treffenden Epigramme ihrem Gedächtniß ein. Diese bilden die vornehmste Basis der Erziehung (tiNrdiet), denn jede feine Conversation muß mit Citaten daraus reichlich versehen scin. Nach der herrschenden orientalischen Sitte oder Unsitte werden die Knaben strenge bewacht und keinen Augenblick aus den Augen gelassen; würde ein Knabe von gutem Hause allein auf der Straße gesehen, so gäbe dies Anlaß zu übler Nachrede. In dieser Zcit erhalten sie auch Unterweisung in den Regeln des Anstands (aässb), im Sitzen, Tragen der Kleider, Empfangen von Gästen, im Nepräsentiren, im Verbergen jedes Affects, wie Bewunderung, Staunen, Zorn, Freude u. s. w. Mit dem zehnten Jahre treten die weniger Bemittelten in das Geschäft des Vaters ein, oder suchen einen Dienst als Pagen (zuimn diNtZckeli); den Wohlhabenden hingegen wird ein Mula als Lehrer zugesellt, der sie in der arabischen Grammatik (nnkw n 8Wrk) und im Brifstil (inscka) unterrichtet, ihnen schwierige Stellen aus den Legenden (kacligg) und dem Gesetz (»cliei-ist) erklärt und die mystischen Poesien des Mula Numi, das Schahnameh von Ferdausi und die Oden des Hafts mit ihnen liest. Hiermit, gewöhnlich im fünfzehnten oder sechzehnten Jahre, ist die Erziehung vollendet; dem jungen Mann wird ein Amt oder eine Offizier-stelle übertragen, häufig auch schon ein Weib gegeben. Man sieht, die Poesie (»cllNLi-) macht den Kern der persischen Bildung aus. Wol keine andere Nation hat Dichter aufzuweisen, welche auf Charakter und Lebensweise des Volks so bleibenden, unverwischbaren Einfluß geübt und dessen Sprache zu so vollendetem Abschluß gebracht haben, wie die Perser sie in Saadi, Ferdausi und Hafts besitzen. Ihre Verse leben im Munde des gesammten Volks, der 272 Gebildeten wie der Ungebildeten. In Saadi, dem didactischen Dichter, welcher fast alle möglichen Lebensverhältnisse bespricht und in Epigrammen (d^t) weise Verhaltungsmaßregeln gibt, sucht und findet der Perser, so oft er an einem Scheideweg steht, analoge Fälle, an denen er sich Nath erholen kann. Die Bücher des Hafts offenbaren ihm sein Los (täl); er sticht hinein, und der Satz, der sich zufällig bietet, dient ihm als Orakel, welchem er blindlings folgt. Der göttliche Ferdausi begeistert ihn dermaßen, daß er dessen Fabeln für historische Facta nimmt, an den durch mehrere Jahrhunderte fortgesetzten Kampf Rustam's mit Turan glaubt und ernsthaft die Frage aufwirft, ob Nustam's Thaten oder die des verehrten Chalifen Ali größer gewesen seien! Beim Necitiren von Versen achtet der Perser sorgfältig auf den Rhythmus, besonders die Reime betonend; ohne die Regeln der Prosodie zu kennen, markirt er stets die Cäsur. Nicht leicht entgeht ihm ein Fehler des Verses; doch aufgefordert denselben anzugeben, antwortet er nur: „In 3^3861- nist!" (Das ist nicht Poesie!) Ich hatte einst, ich erinnere mich nicht mehr bei welcher Veranlassung, einige persische Verse gemacht, die wegen ihres satirischen Inhalts sehr gefielen; aber trotz der correctcn Reime mußte ich die beschämenden Worte hören: „In seuner nist!" Freilich hat die Poesie und die Beschäftigung mit ihr auch ihre Auswüchse; die Zahl der Versifexe ist in Persien Legion; sie überbieten sich in bombastischen Epitheten und erzwungenen Wortspielen, und kommt ja einmal ein guter Gedanke zum Vorschein, so ist er sicher frühern Poeten entlehnt; sie betrachten die Poesie als Erwerbszweig des Bettels, um einen neuen Rock oder einen Schmaus zu erbeuten. Als ich einst dem König vorlas, wie Pcter der Große bei seiner Anwesenheit in Paris von den Poeten so sehr belästigt 273 wurde, daß er eiligst die Stadt verließ, bemerkte der Schah: „Wahrlich, ich werde auch zuletzt genöthigt sein, meine Hauptstadt der Poeten wegen zu verlassen." Selbst Könige machten Anspruch, unter die Zahl der Poeten gerechnet zu werden. Einige Gedichte von Feth AU Schah würden in der That, vorausgesetzt, daß sie von ihm herrühren, den Anspruch rechtfertigen. Auch der jetzige König ergeht sich bisweilen in poetischen Versuchen, und man kann seinen Reimen wenigstens Correctheit nicht absprechen. Am Hofe befindet sich stets ein ?06ta, iHui'6atu8, welcher nach alter Sitte ein Epitheton als Namen wählt, unter dem er dann in der Literatur bekannt wird; der jetzige nennt sich 8ckiNin868oIi-8oIiH6i'Z. (die Sonne der Sänger). Seine Aufgabe ist es, glückliche Ereignisse und Feste des Hofs zu besingen. Doch reichen zu gleicher Zeit auch andere, mehr oder weniger armselige Poeten ihre Ghaselen ein und erbetteln sich damit ein ncues Gewand. Es fehlt auch nicht an einer von unbekannten Autoren ausgeübten Gassenpoesie (1i3,ä8c1iVv und teLnitsk), durch welche unliebsame Persönlichkeiten oft recht bitter und witzig gegeiselt, skandalöse Vorfälle ins Publikum gebracht oder Regierungs-maßregeln einer beißenden Kritik unterworfen werden. Ein großes Ereigniß, z. B. die Einnahme einer Stadt, den Tod des Monarchen u. s. w., beeifern sich die Poeten des Landes durch ein treffendes Chronogramm zu fixiren, wozu die Sprache, da bekanntlich die arabischen Buchstaben auch Zahlen bedeuten, sich besonders eignet. So wurde z. B. für das Todesjahr Nadir Schahs der Satz gefunden: „Naäii-äorsk i-Ni't!" (Nadir zog in die Hölle!), für den Tod des vom Volk verehrten Emirs Mirza Taghi Chan: ,,^i näi Nmii- i'mlt!" (O weh, der Emir schied!) Für das gelungenste Chronogramm erhält dor Dichter ein entsprechendes Geschenk. " Polal, Persicn. I, 18 274 Im ganzen ist von der heutigen poetischen Production zu sagen: Obgleich hier und da gute Verse geschrieben werden, welche die Zeitgenossen hochpreisen und den Arbeiten der besten frühern Meister zur Seite stellen, und obgleich fast jeder König eine Sammlung (cU>vü,n) von modernen Poesien veranstaltet — so Feth Ali Schah den Diwan Ateschkädeh, und der jetzige König, der einen Diwan auf Staatskosten drucken ließ —: so sind doch diese Erzeugnisse denen der alten Meister nicht im entferntesten ähnlich, sondern nur ephemere Erscheinungen, die alles innern Werths entbehren. Von der Erdkunde (iini-6 ä^okeagr^pIM) haben die Perser sehr spärliche Kenntnisse; sie glauben noch an das Ptolemäische System und halten die Erde für eine vom Ocean (äariä mudit) umgebene Scheibe. Von Europa kennen sie weiter nichts als die Namen der Nationen, mit denen sie in Berührung kommen oder die einst Repräsentanten an den Hof schickten, also die Namen: Inzii», I'i-33N86d, ^6M86 (Oesterreich), ^rn» (Rußland), I^kiswn (Polen), Italia, Vai6ncli8 oder I'iamsnk (Holland), l8MniuI (Spanien), endlich ?0rwFlü wegen der Orangen, welche mit diesem Namen bezeichnet werden. Auch der Name li-u88 ist ihnen bekannt, und sie lieben ihn, weil er mit ^ru8 reimt; doch können sie nie begreifen, daß der pa,äi8ckük au^ti-i^ und der kra.1-6-iiru88 ^) beide Nemseh sein sollen. Wenn ich den Schah in der Geographie unterrichtete, war dies seine *) Dem Stolze orientalischer Potentaten kostet es viel Ueberwindung, einem europäischen Monarchen, mit dem sie nicht in naher Beziehung stehen, den Titel Padischah zu geben; er konnte in früherer Zeit erst nach vielen diplomatischen Verhandlungen filr den deutschen Kaiser erlangt werden; sie behelfen sich mit dem slawischen Wort Kral. Filr den König von Preußen braucht man erst seit kurzem, nachdem die preußische Regierung einen Repräsentanten an den persischen Hof gesandt, den Ausdruck pl^iLcknIi. 275 stehende Frage. Alle meine Erklärungen leuchteten ihm nicht ein; er argnmentirte immer: „Wenn ich der Padischah von Iran bin, kann es doch nicht zu gleicher Zeit ein anderer sein!" Etwas gründlichere und praktischere Begriffe besitzen sie von der Geographie Asiens, obwol ihnen der Name „Asien" vollkommen fremd ist. Durch Pilgerfahrten, Kriege, Berichte von Derwischen und sonstige Beziehungen lernten sie die Distanzen und die beiläufige Richtung eines Orts nach der WeUgegend kennen, sodaß sie anzugeben wissen, wieviel Tagreisen ungefähr zur Erreichung dieses oder jenes Orts erforderlich seien. Die Städte von Rum (Osmanisches Reich), von Turkistan, Afghanistan, Beluoschistan und Vorderindien kennen sie meist von frühern Kriegszügen her, ebenso den Kaukasus. Die Lage der Städte in Iran weiß fast jeder Perser anzugeben, ebenso die Stationen auf dem Wege dahin. In Afrika sind ihnen Mis'r (Aegypten), Habesch und Zengebar durch den Sklavenhandel bekannt. Amerika wird mit dem türkischen Namen .lengi äuni:,. (Neue Welt) bezeichnet, wovon der Name Jankee abgeleitet sein soll. Einzelne Gelehrte haben allerdings genauere Begriffe von der geographischen Breite und Länge (ar8 n tule dwi^H); letztere bestimmen sie nach den kanarischen Inseln (V3o1i6/5ür 6-«kÄ6äkt). Im 12. Jahrhundert besaß Persien den berühmten Geographen Ishak Kaswini. Mehr Sinn wie für die Geographie hat der Perser für das Studium der Geschichte (t^ridi); doch kümmert er sich weder um die Chronologie noch um die Oertlichkcit, wo sich eine Begebenheit zutrug, ihn intercssirt stets nur irgendeine Persönlichkeit, und so knüpft sich seine ganze Geschichtskenntniß an einzelne Individuen, an deren Wohl und Weh er Antheil nimmt. Die eigentliche Geschichte beginnt bei ihm 18» 276 erst mit dem Islam; was sich vorher begeben, conccnlrirt sich für ihn in jener Neihe von Sagen, die er im Heldenlied Ferdansi erzählt findet. Philipp (IMKus) nnd Alexander (lancier) von Macedonicn kennt er in mythischer Hülle, da die Züge des letztern ins Reich der Finsterniß (^alumiU) das Lieblingsthema vieler epischen Gesänge bilden. Von den eigenen Kämpfen der Perser mit den Griechen, von der Dynastie der Selenciden, von den Parthcrn (meluk ol tmvüLf) und ihren glorreichen Kämpfen mit den Römern finden sich nur die dürftigsten Spuren. Erst mit den Sassa-niden dämmert das historische Licht, doch erst mit dem Islam beginnt die eigentliche Geschichte oder Chronik. So gründlich gelang es dem Islam, alle frühern Quellen, die Erinnerungen an glorreiche Perioden und Dynastien, die Zeitrechnung, die Münze, die Schrift, die Jahrbücher des Volks zu vernichten und an ihre Stelle sich selbst zu setzen. Der gebildete Perser liest fleißig die Geschichte der mu-selmanischen Epoche in dem berühmten Buche „Iluxet 68 8i6kä", von Mirchand. Fast in allen guten Häusern findet sich dieses Buch; es erlebte mehrere Auflagen in Bombay und Teheran; der Schah läßt sich während des Frühstücks oft ein Kapitsl daraus vorlesen, und weiß es daher fast auswendig. In der Geschichte der Säfavieh-Dynastie scheint die persische Geschichtsschreibung viele Lücken zu haben, wenigstens erfahren wir aus derselben viel weniger, als von einigen europäischen, wahrheitsliebenden Reisenden dieser Epoche, von Charoin, Tavernicr, Olearius u. f. w. berichtet wird. Die Geschichte Nadir Schahs wurde vortrefflich von seinem Secretär Mirza Mcihdi niedergeschrieben, sie ist jedoch wegen der zu gewählten, viel mit Arabisch vermischten Diction nur äußerst wenigen zugänglich. Unter der Negierung des vorigen Königs wurde die Geschichte Napoleou'Z nach dem Buche von Walter Scott, sowie 277 die Peter's des Großen (I>6tsr kackii-) und Karl's XII. nach Voltaire ins Persische übersetzt. Da die letzten zwei Werke in gelungenen Lithographien stark verbreitet sind, so kennt sie jeder gebildete Perser sehr genau. Dies diene dem europäischen Reisenden zur Nachricht, damit er sich Verlegenheiten erspare; denn sicher lenkt der Perser das Gespräch auf die in jenen Büchern behandelten Perioden, und entdeckt er eine Lücke in Kenntniß der Daten, so legt er es als grobe Unwissenheit aus. Unter der jetzigen Negierung geschah Vorzügliches für die Verbreitung historischer Kenntnisse. Nassereooin Schah ließ nämlich durch zwei Schriftgelehrte, den Neichshistoriker Mirza Taki, genannt I688ün sin-inulk (Zunge des Neichs) und MirZa Nezy Kuly Chan, benannt Leleh-baschi, die Fortsetzung des „Ii,u26t 63 3lM" bis auf die Gegenwart schreiben, sowie eine besondere Geschichte des Stammes und der Dynastie der Kadscharen ausarbeiten. Leider wurde bei dem jetzt herrschenden verderbten Geschmack der Stil so schwulstig und so sehr mit Wortspielen/ Citaten, Epigrammen und Knittelreimen überladen, daß er selbst den Persern lächerlich erscheint und gegen den ziemlich einfachen Stil des Nii?6t 68 8N^ sehr unvortheilhaft absticht. , Der Schah läßt sich, wenn er guter Laune ist, ein Kapitel aus dem Machwerk vorlesen und bricht, sobald der Vorlesende zu einer besonders barocken Stelle oder einem schlechten Reim gelangt, in lautes Gelächter aus, in das alle Höflinge ex v u 8SLrl), Rhetorik (6l maanZLni ^va-i-da^an), Pro-sodie (3,ru8), Logik (mWntiK), Theologie (taukicl), Auslegung des Korans (tlNtÄr), die Traditionen (Kaäi8), Jurisprudenz (ßi-KKK), Arithmetik (si IiNsab) und Algebra. Gegen früher hat die Bildung im ganzen an Extensität zu-, an Intensität aber abgenommen. Es gibt jetzt mehr Leute, welche lesen und schreiben können, sehr wenige aber, die ernstlich dem Streben nach wissenschaftlichem Fortschritt huldigen; außer einigen sophistischen Thesen über religiöse Dinge wird nichts Neues geschrieben. Perser selbst gestanden mir, wenn hier und da ein Mula aus Buchara nach Teheran komme, setze er alle Schriftgclehrten Persiens in Verlegenheit, da er sie, obgleich ein Suni, in Kenntniß dcr arabischen Sprache und in den humanistischen Zweigen der Bildmtg weit übertreffe. Zu erwähnen wäre noch, daß fast alle im Lande lebenden Armenier ihre kleinen winkeligen, und ebenso die Chal-däer ihre großen quadratischen, den hebräischen ähnlichen Lettern sehr elegant Zu schreiben verstehen. Die Kinder der erstern werden in den Schulen der Keschischs (Geistliche) unterrichtet, die der letztern von den Missionaren der amerikanischen Methodisten in Selmas und der katholischen Laza-risten in Urumieh. Die in Persien lebenden Juden schreiben das Persische mit hebräischen Buchstaben. Die Perser haben Talent zum Zeichnen und Malen; viele würden bei gutem Unterricht Erkleckliches darin leisten. 291 Porträtähnlichkeit treffen sie leicht, doch mangelt ihnen alles Verständniß der Perspective, sodaß sie nicht im Stande sind, besonders im Gebiet des Landschaftlichen, ein perspectivisch richtiges Gemälde von einem schlechten Machwerk zu unterscheiden. Der Schah selbst zeichnet recht gut, wenigstens richtiger als die meisten andern einheimischen Künstler. Er besoldet einen eigenen Hofmaler (nWk^oli dü,8dii), von dem er öfter sein Porträt malen läßt. Da es ihm jedoch an Zeit zu langen Sitzungen gebricht, so wartet er gewöhnlich nur bis der Künstler den Schnurrbart vollendet hat, die Aufgabe, das Gesicht daranzuhängen, ihm allein überlassend; als Büste wird stets die von Kaiser Nikolaus I. copirt, welche dem Schah besonders wohlgefällt. In gleicher Weise beschäftigt er auch einen russischen Maler aus dem Kaukasus. Es darf daher nicht befremden, wenn die Formen etwas kolossaler' gerathen, als sie in Wirklichkeit sind. Während meines dortigen Aufenthalts befahl der Schah, eine Bildergalerie nach europäischem Muster einzurichten; es wurde ein großer Saal ausgeräumt und die vorzüglichen Porträts der Königin Victoria und ihres Gemahls, des Kaisers Nikolaus, Ludwig Philipp's, Napoleon's u. s. w., welche sich als Geschenke von den betreffenden Höfen in: Schlosse vorfanden, darin aufgehangen. Da sie aber zur Bedeckung aller vier Wände nicht hinreichten, wurden aus dem Bazar berliner farbige Lithographien: „Badende Mädchen" und dergleichen, angekauft und die Lücken damit ausgefüllt. Ein Prinz verkaufte dem Schah das von Swo-boda in Oel gemalte Porträt einer pariser Soubrette, indem er es für ein Werk Rafael's (k5r-6-kalHi1) ausgab, und auf die Klage, daß der Preis von 200 Dukaten zu hoch sei, erwiderte er: „Rafael's Gemälde werdm in Europa mit 5000 Dukaten bezahlt." Anderc schöne Künste werden fast gar nichi getrieben. 19* 292 Der Perser liebt zwar über die maßen Gesang, Musik und Tanz, hält es aber nicht für schicklich, als freier Mann diese Künste selbst zu üben, sondern will sie nur für Entgelt von andern sehen und hören. Bei öffentlichen Festen, Wettrennen, Hochzeiten u. s. w. werden Künstler gemiethet, welche durch ihre Productionen das Publikum oder die Gäste unterhalten müssen. Sie singen meist einige Lieder von Hafis oder Strophen aus Ferdausi, mit dem oft wiederholten Refrain: „väd di äää, ainün amän amän." Gute Sänger sind sehr geschätzt und werden hoch honorirt. Man rühmte mir besonders einen Sänger mit den Worten^ „Wenn er singt, läßt sich ein Bulbul auf seine Schultern nieder." An Instrumenten dienen zur Begleitung eine Art Guitarre (tär) und eine Zither (ksutär). Der beste Tarspieler in Teheran heißt Ali-etber. Europäische Musik ist dem Orientalen völlig unverständlich, ja ein Greuel, und die Anekdote, daß ein Orientale das Stimmen des Orchesters für die Ouvertüre hielt, ist gewiß buchstäblich zu nehmen. Sah ich doch selbst eine hochgestellte Person, weil die Tasten, welche sie anschlug, tönten, in Entzücken darüber ausbrechen, daß sie das Piano spielen könne. Weder die Zeit noch ein längerer Aufenthalt in Europa kann hierin eine Aenderung hervorbringen. Wic bestimmt er es auch in Abrede stellen mag, jede Oper wird den Perser langweilen; und doch rühren ihn heimische Weisen bis zu Thränen. Tänze (rg.k8) werden in den Harems von gemietheten Frauen und Sklavinnen ausgeführt; in öffentlichen Cirkeln der Männer sind es unbärtige Jünglinge, welche, als Frauen gekleidet, durch ihre obscönen Stellungen und wirbelnden Bewegungen das Publikum ergötzen. Die Tänze mit Castagnetten gleichen der italienischen Tarantella. Sänger und Tänzer gelten für Leute, die es mit den Vorschriften der Religion und Sittlichkeit nicht genau nehmen, namentlich 293 das Verbot von Wein und andern Spirituosen als nicht für sie vorhanden ansehen, in welchem Betracht man sie mit den Lutis in eine Kategorie zu stellen pflegt. Die meisten Tänzerinnen sind vom Stamme der Susmani und kommen aus der Umgegend von Kirmanschah in Kurdistan. Die Honorare für dergleichen Productionen übersteigen oft alle Vorstellung; außer mit bedeutenden Geldsummen belohnt man die Künstlerinnen auch noch mit kostbaren indischen Shawls. Eine Sängerin in Kairo erntete bei jedesmaligem Auftreten 100 Pfd. St. In Sachen der Liebe und in der Belohnung von Sang und Tanz kennt der Orientale keine Sparsamkeit. IX. Versuche zur Einführung der europäischen Civilisation. Instructoren der Armee. Engländer und Franzosen. Reformbestre-bungen des Emir Nizam. Berufung dcr Oesterreicher. Unsere Reise. Anknnft in Teheran und ungünstige Auspicien. Sturz und Tod beS Emir. Gründung der Militärschule und der Lehranstalt für Medicin. Meine Lehrthätigkeit. Die Polyklinik. Meine Lehrbücher der Anatomie und der Chirurgie. Operationen. Mein Plan zu einem Spital. Die Ausführung. Meine Sanitä'tsinstruction für Offiziere. Persische Sty-dirende der Medicin in Paris. Leprosenhäuser. Dcr Genichauptmann Zatti. Der Mineur Czarnotta. Baron Gumoens. Colonel Matrazzo. Der Artilleriehauptmann Krziz. Der Cavalerieoffizier Nemiro. Unser Abschied. Gespräch mit dem Schah. Französische Mission unter Commandant Vrognart. Während des englisch-persischen Kriegs rief der Schah einmal voll tiefen Unmuths aus: „O hätte doch nie ein Europäer seinen Fuß in mein Land gesetzt, dann wären uns alle die Quälereien erspart worden; da die Fremdlinge aber nun leider eingedrungen sind, will ich sie wenigstens so viel und so gut als möglich benutzen!" In diesen Worten liegt der Schlüssel aller Maßregeln, welche er zur Verbreitung europäischer Bildung ergriffen hat; er fühlt den Druck der Großmächte auf sich lasten und strebt danach, sie mit ihren 295 eigenen Waffen zu bekämpfen. Das erste, was in dieser Richtung geschah, war, daß man durch europäische Instructors die Armee bilden und die Kriegswerkzeuge yerbessern ließ. Erst in der neuesten Zeit wurde die Nothwendigkeit erkannt, auch einiges von den Künsten des Friedens einzuführen, und zwar weil die inländische Industrie in höchster Gefahr stand, durch die wachsende Concurrenz fremder Erzeugnisse gänzlich vom Markt verdrängt zu werden. Bei der schnellen Auffassungsgabe des Persers und seinem praktischen Sinn konnte es, trotz dcr in religiösen Vorurtheilen wurzelnden Abneigung gegen die Ideen des Auslands, nicht fehlen, daß europäische Bildung sich einigen Eingang verschaffte; ja man kann behaupten, wenn Persien, wie die Türkei, an Europa grenzte, wäre es schon fast im vollen Besitz der abendländischen Civilisation. Einen Umstand darf man freilich nie aus'dem Auge verlieren, daß nämlich Künste und Wissenschaften in Persim keinen jungfräulichen Boden finden. Das Land trägt bereits einen ganz bestimmten Charakter, welchen ihm seine nationalen Dichter des Mittelalters, deren Einfluß noch mächtig fortwirkt, aufgeprägt haben. So schwer es diesen ihrerzeit geworden, sich an die Stelle der Griechen: eines Plato, Aristoteles, Ptolemäus, Euklides, Hippokrates, Galenus zu setzen, ebenso schwierig ist es, die Bildung des heutigen Persien in andere Bahnen zu leiten; denn man glaubt die menschliche Erkenntniß zum Abschluß gebracht und keines Fortschritts mehr bedürfend. Irrthümlich dagegen ist die Annahme, daß der bekannte Satz: „Alles Wissenswerthe ist im Koran enthalten", in Persien den Stein des Anstoßes bilde. Der Koran ward hier nur der Form nach angenommen, er drang nie in Mark und Blut des Volks und war daher der Bildung weder förderlich noch hinderlich; die Gelehrten und Dichter wußten immer davon Umgang zu nehmen, sie legten 296 höchstens eine formelle Verwahrung ein, wo ihre Ideen mit jenen „des göttlichen Worts" nicht übereinstimmten. Der als Reformator berühmte Abbas Mirza, Sohn des Feth Ali Schah, nahm mit Bewilligung der englischen Regierung einige englische Offiziere als Instructors der Armee in seinen Dienst. Daß es meist tüchtige und ihrer Aufgabe vollkommen gewachsene Männer waren, dafür sprechen die Namen eines Colonel Shiel und eines Nowlinson, welche beide später als Botschafter ihr Land am persischen Hofe vertraten. In der That ist das wenige von Disciplin, was sich noch in einigen persischen Regimentern besonders in der Artillerie erhalten hat, auf ihre Bemühungen zurückzuführen. Gleichzeitig wurden mehrere junge Perser nach England geschickt, um dort ihre Studien zu machen. Einer derselben, Mirza Baba, ward nach der Rückkehr Leibarzt Mehmed Schahs; ein anderer, Mirza Dschafer Chan, schrieb ein gutes Lehrbuch der Arithmetik und Algebra und bekleidete zweimal den persischen Gesandtschaftsposten in London. Allein als unter der Regierung Mehmed Schahs und seines den Russen ergebenen Veziers Hadschi Mirza Agassi die Verwickelungen mit Herat eintraten, quittirten die englischen Offiziere den Dienst. Statt ihrer berief man mehrere Franzosen ins Land, worunter auch der Sartip (General) Ferner, der sich später durch sein Buch über Afghanistan bekannt gemacht hat. Bei der Planlosigkeit der damaligen Regierung dienten die Europäer jedoch nur zur Schau, etwa wie Elefanten und Giraffen; sie bezogen zwar ansehnliche Gehalte, ihre Dienste aber wurden nie in Anspruch genommen, und so ist, einige Anekdoten abgerechnet, kein Andenken an sie zurückgeblieben. Eine Ausnahme machte nur Dr. Ernest Cloquet, der sich stets durch Biederkeit des Charakters und besonders in den ersten Jahren durch sein wissenschaftliches Streben auszeichnete. AIs tüchtiger Operateur ward er vom 297 Schah zum Leibarzt ernannt, und selbst als mit dem Tode Mehmed Schah's sämmtliche Europäer, weil man sie für nutzlose Brotesser ansah, die überdies aus Mangel an Beschäftigung allerlei Händel und Processe mit der Negierung suchten, aus dem Dienst entlassen wurden, bestätigte man ihn, wenn auch erst nach mannichfachen Schwierigkeiten, in seinem Amt. Mehrere persische Jünglinge, die um diese Zeit zu ihrer Ausbildung nach Paris gingen, brachten nichts als dürftige Kenntniß der französischen Sprache von dort heim. So lagen die Verhältnisse, als im Jahre 1850 der damalige Großvezier Mirza Taghi Chan Attabek, genannt Emir Nizam, den Entschluß faßte, in Teheran eine Militärschule nach europäischem Muster zu errichten und damit eine Lehranstalt für Medicin zu verbinden, an der sowol Militär-als Civilärzte gebildet werden sollten. Ungeachtet bitterer Erfahrungen und der entschiedensten Abneigung gegen jeden fremdländischen Einfluß hatte er sich doch überzeugt, daß ohne Heranziehung europäischer Lehrkräfte das Ziel nicht zu erreichen sein würde. Er war ein seltener Mann, der das in Persien sonst unbekannte Beispiel eines Patrioten darbot, da der Fortbestand und die Entwickelung des persischen Staats ihm aufrichtig am Herzen lag. Wirklich gelang es ihm während seiner kurz zugemessenen Verwaltung die verwickelten Verhältnisse und die zerrütteten Finanzen zu regeln, den Nepotismus mit seinen vielen Pensionen und unnützen Besoldungen zu beschränken, die Armee zu reorganisiren und zu bewaffnen, die Erpressungen in den Provinzen und die Willkür der Gouverneure zu mäßigen, die Sicherheit der Wege und des Eigenthums herzustellen, endlich die Prätendenten zu Paaren zu treiben und die in mehrern Provinzen ausgebrochene Revolution daniederzuschlagen. Für Hebung der Population besorgt, führte er, um den Verheerungen der Blattern Schranken zu setzen, im ganzen Lande die Impfung 298 ein; er ließ eine Instruction aus dem Englischen übersetzen, lithographiren und vertheilen; er schickte Impfärzte mit guter Bezahlung in die verschiedenen Provinzen. Seiner Absicht nach sollten die zu berufenden Lehrer den politischen Verhältnissen des Landes möglichst fernstehen, damit sie sich mit ungetheiltem Interesse ihrer Lchrthätigkeit widmeten. Deshalb nahm er von den Russen und Engländern wie von den Franzosen Umgang, und schickte einen ihm ganz ergebenen, sehr achtbaren Mann, Mirza Dawuo Chan, einen Armenier, nach Wien, um dort die geeigneten Kräfte anzuwerben. Binnen kurzem gewann derselbe die österreichischen Offiziere: Hauptmann Zatti für das Geniewesen, Hauptmann Gumoens für die Infanterie, Oberlieutcnant Krziz, jetzt pensionirter k. k. Major, für die Artillerie, Oberlieutenant Nemiro für die Cavalerie. Für das Montanisti-cum wurde Hr. Carnotta engagirt, und durch gütige Verwendung der wiener Professoren von Dumreicher und Dietl fiel auf mich die Wahl als Lehrer der Arzneiwissenschaft. Da die kaiserliche Militärbehörde bei dem Mangel einer directen diplomatischen Vertretung Oesterreichs in Persien unliebsame Verwickelungen besorgen mochte, wurde den Herren Offizieren vor ihrer Abreise eröffnet, daß man ihre Unternehmung als reine Privatangelegenheit ansehe; es bleibe ihnen zwar vorbehalten, nach der Zurückkunft in ihre re-spectiven Chargen wieder einzutreten, bis dahin jedoch hörten sie auf, zur kaiserlichen Armee zu zählen. Dieser Zwitterzustand war, wie jede halbe Maßregel, für die ganze Expedition — der Name Mission würde nicht passen, weil jeder auf eigene Hand zu wirken hatte — unheilbringend, indem er die Offiziere des nöthigen Stützpunkts beraubte. Die österreichische Negierung brauchte sich nicht im geringsten weiter um sie zu kümmern, und hat auch in der That nicht ein einziges mal weder direct noch indirect 299 über das Befinden ihrer Landeskinder in Persien Erkundigung eingezogen, was äußerst schädlich auf unsere Verhältnisse und Stellungen einwirkte; denn man ist gewohnt, daß z. B. die französische Regierung von Zeit zu Zeit Anfragen über ihre dort bediensteten Angehörigen ergehen läßt und dieselben durch Ordensverleihungen oder andere offtcielle Auszeichnungen in den Augen des fremden Hofs zu heben sucht. Diese Vernachlässigung stempelte uns von vornherein zu Parias, welche nur des Brotverdienstes wegen in die Freuide gingen. Außerdem schadete es unsern Offizieren, daß sie zu bescheiden waren, sich einen höhern militärischen Rang beizulegen, da in Persien jeder junge Mann von gutem Hause wenigstens als Major oder Obrist in die Armee tritt. Wir begaben uns im August 1851 nach Konstantinopel; dort rasteten wir einige Tage und setzten dann unsern Weg von Trapezunt aus mittels Karavane über Armenien fort. Mit den vielen Ungemächlichkeiten einer solchen Reise nicht vertraut, litten wir ungemein, zumal wir versäumt hatten, einen Dolmetscher mitzunehmen und daher, ohne Kenntniß der Sprache, auf Zeichen und die wenigen einstudirten Worte angewiesen waren. Ferner begingen wir den Fehler, uns nicht mit gehörigem Schutz weder gegen die intensiven Sonnenstrahlen des Tags noch gegen die empfindliche Kälte der Nacht zu versehen; wir badeten nach europäischem Gebrauch in jedem Berg ström, an dem wir vorbeikamen, was in diesen Klimaten unvermeidlich schwere Krankheiten nach sich zieht und bekanntlich Alexander dem Großen fast das Leben kostete. Infolge dessen erkrankten mehrere unserer Expedition, worunter auch ich, am Wechselfieber. Meine Leidensgenossen behandelte ich mit Chinin und sistirte oder milderte wenigstens dadurch ihre Leiden; an mir selbst aber war ich nicht im Stande eine Diagnose zu machen, denn 300 viele in den medicinischen Lehrbüchern angeführte Symptome des Fiebers fehlten; ich hatte nnr hier und da bald Hitze, bald einen flüchtigen unregelmäßigen Schauer, doch keinen Schweiß, dagegen nahmen Mattigkeit und Mangel .an Appetit in einem Grade zu, daß ich apathisch dem nahen Tod entgegensah. In diesem Zustand mußte ich gleichwol reitend Tag für Tag dem Zuge folgen, denn zurückzubleiben war unmöglich. Endlich, vier Stationen vor Teheran, übermannte mich die Schwäche vollständig; ich sank vom Pferde und schlief auf dem Felde ein. Der Führer hielt in einiger Entfernung mit den Thieren. Etwa nach einer Stunde erwachte ich und ließ mich wieder auf das Pferd heben. Abends an der Station angekommen, ward ich erst gewahr, daß mir 40 Imperiales, die ich bei mir getragen, fehlten; sie mußten mir während der Lethargie entwendet worden sein. Meine Gefährten drangen in mich, ich möge strenge Durchsuchung anstellen; allein ich gab ihnen, wie ich mich erinnere, zur Antwort: „Ich zweifele, daß ich lebend in Teheran ankommen werde, brauche also kein Geld; sollte aber meine Vermuthung sich nicht bestätigen, so werde ich dort verdienen, soviel ich bedarf." Am 24. November 1851 langten wir in Teheran an. Der Empfang war kalt; niemand kam uns zur Begrüßung entgegen, und bald erfuhren wir, daß die Scene sich inzwischen sehr zu unserm Nachtheil verändert hatte. Einige Tage vor unserer Ankunft war nämlich der Emir infolge von Palastintriguen, besonders von feiten der Königin-Mutter, einer erbitterten Gegnerin seines energischen Strebens nach Fortschritt, in Ungnade gefallen. Der unzeitige Schutz, den ihm eine europäische Gesandtschaft aufdrang, gab seinen Feinden, obgleich er ihn consequent zurückwies, weitere Waffen in die Hand, um ihn vollends ins Verderben zu stürzen; er wurde im Schlosse Fin, nahe bei Kaschan, gefangen gehalten 301 und zwei Monate später auf königlichen Befehl hingerichtet.*) Als er unsere Ankunft vernahm — es war am zweiten Tage seiner Haft — berief er den inzwischen auch aus Europa wieder eingetroffenen Mirza Däwud Chan zu sich und sagte ihm: „Auf meine Veranlassung sind die armen nsmss (Deutschen) hierhergekommen; ich würde zu ihrer Zufrieden-' heit für sie gesorgt haben, wäre mir die Macht geblieben. Nun fürchte ich, daß es ihnen schlecht gehen werde. Suche du nach Kräften ihr Los zu erleichtern." So unglückliche Auspicien waren es, unter denen die Expedition ihren Einzug hielt! Der Emir sah richtig voraus,- daß wir unsere Aufgabe weder in seinem noch unserm Sinn würden erfüllen können. Mirza Agha Chan, genannt Sader-Azam, der neue Großvezier, war ein Intriguant sondergleichen und jedem Fortschritt, insbesondere jeder Schöpfung seines Vorgängers, principiell feindlich gesinnt. Er wollte die Errichtung einer Schule nach europäischem Muster verhindern, und da man contractlich gewisse Verpflichtungen gegen uns eingegangen war, versuchte er es, uns. durch eine Entschädigung abzufinden, womit er um so eher zu reussiren glaubte, da au.ch der damalige englische Gesandte, Colonel Justin Shiel, der mit mehrern italienischen Emigranten wegen der uns zugesagten Stellen in Unterhandlung stand, unsere Mission nicht begünstigte. Diesen Planen trat jedoch der Schah entgegen, welcher die Anordnungen des Emir, seines Wohlthäters und Lehrers, nicht fallen lassen wollte. Den Befehl zu dessen *) Da ihm von stillem Henker, einem frühern Schützling, die Wahl der Todesart freigestellt worden war, ließ er sich im Bade die Adern öffnen. Ich besuchte im Jahre 1859 dieses Badezimmer nnd fand noch an den Stellen der Wand, wo sich die Blutspureu befunden hatten, den Kalt abgeschürft; niemand nalim sich die Mühe, durch einen neuen Anwlirf die Lücken auszugleichen. 302 Hinrichtung legte er als Act der Nothwehr aus, indem das Ansehen des Emir so hoch gestiegen war, daß nur er vom Volk gekannt und gefürchtet wurde, die Autorität des Königs aber ganz in den Schatten trat. Allerdings mochte die Ve-sorgniß nicht ungegründet sein, daß trotz der Ergebenheit und Uneigennützigkeit des Emir derselbe mit der Zeit durch die Verhältnisse dahin getrieben worden wäre, die Rolle eines Usurpators zu spielen. Dergleichen Beispiele finden sich in der persischen Geschichte ziemlich häufig, und gerade um dieselbe Zeit war der Vezier von Herat auf ähnliche Weise zum Chanat gelangt. 5) Man beschloß daher, uns zu dulden. Wir wurden in einer öffentlichen Audienz vom König gnädigst empfangen, besonders zeigte er großes Interesse an den mitgebrachten Instrumenten und Apparaten, welche er sich durch einen Dolmetscher erklären ließ. Allein der Minister wußte es zu verhindern, daß wir die üblichen Ehrenkleider (odalat) erhielten; auch die Wohnung und Kost, welche uns als Gästen zukam, war unserm Range nicht entsprechend. Auf Befehl des Schah trat eine Commission zusammen, um über die Statuten der Schule zu berathen. Durch Dolmetscher verständigte man uns über den Gang der Verhandlungen. Dieselben drehten sich um die wichtige Frage des Brückenbaus, obwol das Land keinen einzigen namhaften Fluß besitzt und die Schüler kaum über das Einmaleins *) Als ich später viel um den König war, konnte ich bemerken, daß er geflissentlich jede Erwähnung des Emir vermied. Nur ein mal fragte cr mich, ob ich denn nie von dem Emir habe sprechen hören. Ich antwortete ausweichend, worauf er nur die Worte sprach: „^äsm-e-LWclit. buä!" (Er war ein harter Mann!) und sogleich das Gespräch auf einen andern Gegenstand lenkte. Seinem Sohn war er jedoch sehr gnädig; er hielt ihn zwar fern vom Hof, übertrug ihm aber Aemter und Würden. 303 hinaus waren; ferner um die noch wichtigere Frage, welche Decoration man für die Schüler einführen sollte. Unsere Meinung in Bezug auf den Unterrichtsplan zu hören, siel niemand ein, denn dies hätte dem Stolz des Perfers widerstrebt. Endlich kam man überein, jedem Lehrer solle eine Anzahl Schüler behufs ihrer völligeu Ausbildung übergeben werden; nur den Unterricht in der französischen Sprache solle ein besonderer Lehrer, Richard, ein sehr achtbarer Franzose, ertheilen. Zum Director der Schule wurde ein gelehrter Perser, Mirza Nezy Kuli, ernannt, während dem Kriegsminister und ersten Adjutanten des Königs (aHutiw dZHvuk) und zahlreichen Verordnungen des Teymur leng (Tamerlan) hervorgeht. Das einzige von allem aber, das sich erhalten hat, ist das reich fundirte Hospiz in Meschheo zu Ehren des Imam Neza, „des Protectors der Fremden".^*) Sonst finden sich nur in Azerbeidschan, Chämseh und Chal-chal einige Asyle für die Leprösen (äscde^ami). Es sind elende, in weiter Entfernung von den Städten stehende *) I)e la Polyurie, par le Dr. Mirza Reza ben Mokim (PartS I860); Du diagnostique et du traitement des hydropisies .enkystees, par le Dr. Mirza Ali Nagln (18G1). **) Dar et nolieela, d. i. Pforte der Gesundheit, ist der schöne Namc für Spital; möchte doch dic Wirklichkeit dem Namen entsprechen ! ***) Mit dem Hospiz ist ciue Speiseanstalt verbunden, wo die Reisenden im Namen des Imams bewirthet werden. Daher Hört man oft erzählen: „Wir wurden vom Propheten (Ky-ret) mit Reis, Thee, Kaffee u. s. w. bewirthet." 312 Lehmhütten, die eher den Schlupfwinkeln der Raubthiere, als menschlichen Behausungen gleichen. Die Unglücklichen, denen sie zum Auftnthalt dienen, leben von milden Gaben der Umgegend oder der an ihrer Colonie vorbeiziehenden Fremden. Bisweilen spendet ihnen zwar der Schah einige hundert Ladungen Getreide; allein gewöhnlich ißt, wie man mir sagte, der Gouverneur die ganze Sendung, und den Unglücklichen kommt kein Körnchen davon zu. Betteln können sie nur von den vorüberziehenden Karavanen; in Städten und Flecken werden sie nicht eingelassen, denn sie gelten für unrein und ihre Krankheit für erblich. Man kann sich kaum einen Begriff von dem traurigen Zustand dieser Elenden machen, für welche der Tod die größte Wohlthat ist. Einmal gelang es mir, einen meiner Schüler zu den Levrosen-häusern abzuschicken; er sollte sehen, was sich thun ließe, und wenigstens das Todte vom Lebenden scheiden. Nach sechs Monaten kehrte er mit glänzenden Zeugnissen und Berichten von seinen glücklichen Curen zurück; doch fürchte ich sehr, daß alles erlogen war. Auch hier muß man also die Hoffnung auf Besserwerden in die Zukunft setzen, nach dem biblischen Spruch: „Es fällt kein Tropfen vom Himmel, der nicht, ehe er verdunstet, die Erde befruchtet." Im Jahre 1858 bewog ich einige angesehene Chane in Teheran, zu einem Spital für Zugereiste zusammenzusteuern. Ich fand auch ein leerstehendes, passendes Local, der reichsten Prinzessin des Landes, der Zieh sultaneh, gehörig. Sie willigte anfangs in die Ueberlasfung der Räume zu dem genannten Zweck, fragte mich aber dann, ob niemand in dem Spital sterben werde, uud da ich diese Versicherung nicht geben konnte, zog sie mit dem Ausruf: „Ihr könnt doch nicht verlangen, daß mein Haus zu einer Leichenkammer (murä68oliiir oli^nsli) gemacht werde!" ihr Wort zurück. Der vielgenannte Emir hatte in seinem letzten Willen der 313 Stadt Teheran eine bedeutende Summe zur Gründung eines Spitals vermacht; nach seinem Ableben wurde jedoch das Testament unigestürzt und das Geld zur Erbauung einer N2käi-2e886ii (Priesterseminar) verwendet. Es bleibt mir noch übrig, auch einiges über das Schicksal meiner Gefährten mitzutheilen. Der Hauptmann Zatti hatte im zweiten Jahr nach unserer Ankunft das Unglück, an Kohlendunst zu ersticken. Mir fiel die Obduction zu, die erste, welche in Persien stattfand. Dem Wirken dieses tüchtigen, wenn auch etwas exal-tirten Mannes war somit, nachdem es kaum begonnen, ein Ziel gesetzt. An seine Stelle trat später der k. k. Oberst Karaczay, der aber, ein hinfälliger Greis von 70 Jahren, trotz seiner fast krankhaften Thätigkeit wenig zu leisten vermochte. Bald nach dem Hauptmann Zatti starb auch der Mineur Czarnotta. Düstern, melancholischen Temperaments, glaubte sich derselbe überall von Geistern und Feinden verfolgt. Er unternahm mehrere geologische Erforschungsexpeoitionen, darunter eine auf den Vulkan Dämawend. Bei Besteigung des Giftfels ließ er sich. aus Furcht vor seiner Umgebung von niemand begleiten; er verirrte sich im Gebirge und brachte die Nacht, um sich vor Kälte zu schützen, in der Höhle einer Solfatara zu. Früh ward er fast leblos aufgefunden; man trug ihn hinab und erwärmte seine erstarrten Glieder. Er kam wieder zu sich; doch war seit dieser Zeit seine körperliche wie geistige Kraft gebrochen. Auf einein neuen Ausflug in die Kupferminen von Karadagh, in der Nähe des Kaspischen Meers, erkrankte er an Intermittens. Er behandelte sich selbst homöopathisch, versäumte deshalb die Anwendung des wirksamsten Mittels, des Chinin, und starb kurz nach seiner Rückkehr nach Teheran an Continuo-Nemittens, combinirt mit Leberabsceß. Seine Tagebücher hatte er aus Argwohn 314 in Chiffren geführt; die hinterlassene reiche Mineraliensammlung wurde nach Wien geschickt, langte jedoch daselbst nicht an. Sein Tod und schon vorher seine verkehrte Geistesrichtung waren für den wissenschaftlichen Erfolg unserer Expedition von unberechenbarem Nachtheil, denn, von der Regierung mit allen Mitteln reichlich ausgerüstet, hätte er für die Geognosie Persiens Großes leisten können. Durch den Verlust der Mineralien ging auch die letzte Spur von seinem Wirken unter. Baron Gumoens, ein geborener Schweizer, widmete sich dem Dienst der Infanteöie. Als Offizier von geradem, offenem Charakter begann er den Kampf gegen die Unter-schleife, den Nepotismus in Besetzung der Offizier stellen und die vielen andern bestehenden Misbrä'uche. Allein die Verhältnisse waren stärker als er, zumal er es versäumte, das Terrain, auf dem er wirken sollte, und die Leute, mit denen er es zu thun hatte, zu studiren. Hauptsächlich aber wurde seine Wirksamkeit durch den Umstand gelähmt, daß bald nach uns anf englische Verwendung ein Colonel Matrazzo mit noch fünf Offizieren in persische Dienste trat. Dieser Matrazzo, gewandt und schlau (»mart), ein Ionier und als solcher ein halber Orientale, wußte sich gleich in den ersten Tagen zurechtzufinden und die Verhältnisse zu seinem Vortheil auszubeuten. Er errichtete ebenfalls eine Schule für die Infanterie, kleidete seine Zöglinge in goldgestickte Uniformen und umgab sich mit einer Leibgarde, die er Generalstab nannte. Knaben, die es kaum bis zum Einmaleins bringen konnten, gcrirten sich dabei als Generale und empfingen sogar entsprechenden Gehalt, während fähige und fleißige Schüler übersehen und zurückgesetzt wurden. Auch Manöver veranstaltete er, Schlacht von Marengo, Austerlitz u. s. w. getauft; und da er unsere Offiziere zwingen wollte, als Subalterne bei denselben mitzuwirken, kam es zu 315 Reibungen, in denen der listige Charlatan natürlich immer die Oberhand behielt. Dies bestimmte Gumoens, ihm den Platz zu räumen, froh, nach einem Aufenthalt von fünfzehn Monaten Persien wieder verlassen zu können. Bedeutenderes leistete der Artillerieoffizier Krziz während seiner achtjährigen Thätigkeit. Er bildete seine Schüler zu tüchtigen Mathematikern aus und machte sie mit allen theoretischen wie praktischen Hülfsmitteln des Fachs bekannt. Für jeden Gegenstand gab er ein selbstverfaßtes Lehrbuch mit den nöthigen Tafeln in Lithographie heraus, wobei er an seinem Dolmetscher Mirza Zekv Chan, der in Paris studirt hatte,, eine sehr brauchbare Stütze fand. Außerdem führte Krziz die Telegraphic in Persien ein, indem er das Schloß des Königs mit dessen Garten vor der Stadt durch eine Telegraphenlinie verband und alle dazu erforderlichen Requisiten nach seinen Angaben und unter seiner Leitung in Teheran anfertigen ließ. (Als später die Telcgraphcuverbin-dung zwischen Teheran und Sultanieh angelegt wurde, mußte man den ganzen technischen Apparat aus Paris kommen lassen.) Er war auch der erste, der einen Plan von Teheran aufnahm und durch trigonometrische Messungen die Höhe des Demawend und anderer Gebirgsspitzen bestimmte. Sein civilisatorisches Wirken erfreute sich ziemlicher Anerkennung seitens der gebildeten Perser; der König zeichnete ihn durch Verleihung des Titels und der Decoration eines Särtip (General) aus. Von der österreichischen Negierung erhielt er die große Medaille für Kunst und Wissenschaft; doch da diese Auszeichnung nicht officiell dem Hof zu Teheran angezeigt wurde, blieb sie ohne Einfluß auf seiue dortige Stellung. Beschränkt und unvollkommen dagegen waren die Resultate, welche der Cavalerieofftzier Nemiro zu erzielen vermochte. Ihm stand die Meinung der Perser entgegen, daß 316 sie die besten Reiter und Fechter der Welt seien und daher keines Reit- und Fechtunterrichts bedürften. Wie kann überhaupt eine reguläre Cavalerie bestehen, wo der Sold so unregelmäßig gezahlt wird, daß der Soldat, um sein Pferd zu ernähren, oft genöthigt ist, Waffen und Reitzeug als Pfand zu versetzen? Auch er wurde übrigens mit dem Särtiptitel und der entsprechenden Decoration beehrt. Machten unsere Offiziere dem Großvezier Vorstellungen über das, was zu ihrer gedeihlichen Wirksamkeit mangele, so fragte er seinen Secretär, ob die Herren ihren Gehalt richtig erhalten hätten, und wurde dies bejaht, so erwiderte er ihnen: „Sähib (Herr), ich begreife die Ursache Ihrer Klagen nicht, da Sie ja pünktlich bezahlt werden." Wol blieben bei so unüberwindlichen Hindernissen unser aller Leistungen im ganzen weit hinter unsern Absichten zurück; dennoch können wir behaupten, daß die von uns ausgestreute Saat nicht ganz auf unfruchtbaren Boden gefallen ist, daß wir unserm Mutterland, obgleich es uns beharrlich ignorirte, Ehre gemacht, daß während der ganzen Zeit von keinem Mitglied der Expedition ein Schritt geschah, der ihm zur Schande gereicht hätte, und daß vor uns noch niemals Instructoren in Persien so tüchtig ihre Aufgabe erfüllt haben. Die persische Regierung hielt die gegen uns übernommenen Verbindlichkeiten dem Wortlaut nach ein, aber freilich war sie weit entfernt, den Pflichten, welche sie uns als Lehrern und als von einer befreundeten Negierung anvertrauten Gästen schuldig war, in jeder Hinsicht nachzukommen. Wir schieden gegenseitig sine oclio et amors. Zur Bestätigung des Gesagten mag das folgende Gespräch dienen, welches am 35. April 1860 zwischen dem König und mir bei Gelegenheit meiner Abschiedsaudienz stattfand. 317 Schah: „Du hast wol viel Geld gesammelt?" Ich: „Ich habe wenig Bedürfnisse, ich bin ein Derwisch." >,Hast du ^0000 Dukaten?" „Ich will dein Opfer sein; mache'selbst die Rechnung. In den ersten vier Jahren bezog ich 900 Dukaten jährlich als Professor, später gegen 3000 Dukaten; die Geschenke waren nicht bedeutend, die Einnahmen aus meiner Praxis sehr mäßig." „Würdest du, im Fall dein Land Krieg führte, Militärdienste nehmen?" „Allerdings." „Wenn aber eine Kugel deine Kullah (Mütze) träfe?" „Um die Kullah wär's nicht schade, aber ein Kopf findet sich nicht alle Tage wieder." „Was macht Karaczay?" „Er genießt eine gute Pension; ich glaube etwa 200 Dukaten." „Das nennst du gut? Warum verlangen dann die Frengis soviel Geld von mir5" „Ich selbst habe nie etwas verlangt. Die Europäer wollen in dcr Fremde Geld zurücklegen, denn den Lebensunterhalt verdienen sie auch zu Hause; und da ihnen im persischen Dienst keine Pension in Aussicht steht, suchen sie im Gehalt Entschädigung." „Wenn dich dein Kaiser zum Minister des Aeußern machte?" „Das würde ich nicht annehmen." „Warum nicht?" „Ich fühle in mir einige Fähigkeit zum Hekim, aber keine zum Vezier." „Und doch —" „Großc Minister des Aeußeru, wie Pitt in England, 318 Talleyrand in Frankreich und — Mirza Seid Chan*) in Persien, sind rar." „Was wirst du in Europa anfangen?" „Ich werde reisen, um die Spitäler zu besichtigen." „Komme bald mit deiner Frau zurück." „Inschallah." Um dieselbe Zeit kam auch eine französische Mission unter Leitung des Commandanten Hrn. Brognart ins Land. Wir Oesterreicher waren schon nicht mehr neu, wir waren abgenutzt; neue Formen und neue Physiognomien wurden gewünscht. Die Franzosen, meist Offiziere'der afrikanischen Armee, konnten sich jedoch viel weniger in die Verhältnisse schicken; von Disciplin und Subordination war bei ihnen keine Rede. In Bezug auf den Commandanten Brognart ward das Bonmot in Umlauf gesetzt: „Die österreichische Mission reussirte nicht, weil sie keinen, die französische, weil sie einen Commandanten an der Spitze hatte." Fast alle verließen sie nach kurzer Zeit wieder ihren Posten, ohne irgend Nennens werth es ausgerichtet zu haben, wie überhaupt der Franzose nur wo er 6n mg,88s und in steter Verbindung mit seinem Vaterland, speciell mit Paris auftritt, sich nützlich machen kann; isolirt in einem uncivilisirten Lande, wird er sich nie, weder geistig noch körperlich, acclimatisiren. Von dem Erfolg der civilisatorischen Bestrebungen der Missionäre zu Urumieh und Selmas konnte ich nirgends etwas wahrnehmen; sie scheinen sich auf Verbreitung religiöser Lehren und einiger Kenntniß der englischen und französischen Sprache zu beschränken. Nachdem ich mich zur Genüge überzeugt, wie wenig unter den obwaltenden Umständen von im Lande selbst ge- *) Er wird von den europäischen Diplomaten statt ministrs »ux aMires etran^öres spottweise ministrs ätranFer »ux »Kaire« genannt. 319 gründeten Schulen für die Cultur der Einwohner zu hoffen fei, daß überhaupt der Unterricht nicht hinreiche, fondern mehr durch das Beifpiel civilisirter Länder gewirkt werden müsse, bewog ich im Jahre 1858 den damaligen Minister Feruch Chan, eine weitere Anzahl von Jünglingen nach Frankreich zu fchicken, um sie dafelbst in Künsten, Gewerben und Wissenschaften ausbilden zu lassen. Hoffentlich werden diefe Landeskinder, welchen durch vorherigen Unterricht in der französischen Sprache ihre Aufgabe erleichtert wurde, bei ihrer Rückkehr in die Heimat das Erlernte mittheilen und in weitere Kreise verbreiten. Allzu viel darf man sich jedoch auch hiervon nicht versprechen; denn der Orientale hat einen scharfen Blick für die Schäden und Mängel unserer modernen socialen Zustände, verniag aber nicht den sittlichen Kern, der bei alledem den Grundcharakter der europäischen Gesellschaft bildet, zu entdecken; daher man ihn häufig von den Europäern sagen hört: „Sie sind ärger als wir." Und es ist eine in der Türkei und in Aegypten allbekannte Thatsache, daß folche Eingeborene, welche in Europa erzogen wurden, bei ihrer Rückkehr das europäische Element in weit höherm Grad hassen und verachten als diejenigen, welche niemals ihr Land verließen. Möchten meine Zöglinge von dieser Erfahrung eine erfreuliche Ausnahme machen! Nach den neuesten unparteiischen Berichten aus Paris berechtigen mehrere derselben, sowol in der polytechnischen und Militär-Schule als auch in den gewerblichen Etablissements, zu den besten Hoffnungen, daß sie ihrem Vaterlande als Träger künftiger Bildung und Gesittung dienen werden. X. Religion und Gesetz. Sunniten und Schiiten. Die Priesterschaft. Die Mulas als Richter. Ihre Verderbniß. Die Scheriet und daS Urf. Strafen. Tortur. Gebet. Der Muezzin. Wallfahrten. Almosen und Bettler. Fasten. Feste und Feiertage. Die Passionsspiele. Verbote. Hazardspiel. Schachspiel. Wucher. Aberglaube. Sekten (die Scheichi; die Ali Allah; die Babis). Ner Perser ist bekanntlich Schiite. Als solcher rühmt er sich: „Nusuliuan 6in!" (Ich bin Mohammedaner!), welchen Namen er den Sunniten nicht zugesteht. Man vergleicht oft den Schiismus des Islam, weil er die Sunna/ die Interpretation des Korans, nicht anerkennt, mit dem Protestantismus des Christenthums. Der Vergleich paßt aber nicht; denn die Schiehlehre ist im Gegentheil die com-plicirtere, sich mehr vom Monotheismus entfernende und von den widersinnigsten Sagen (lissäis) entstellte, während die Sunna den ursprünglichen Islam nur insoweit umgestaltet hat, als es nothwendig war, um das für Nomaden gegebene Gesetz den Verhältnissen einer seßhaften Gesellschaft anzupassen. Der Sunnite betet: „I^ä ilad ii aUak mukaiunisä rasui aiiali!" (Es gibt kein göttliches Wesen außer Allah, und 321 Mohammed ist sein Apostel!) Er braucht nicht an die Wunder Mohammed's zu glauben, weil seine einfache und klare Lehre aller Wunder leicht entbehren kann. Der Schute aber setzt zu obiger Formel noch hinzu: ,,^Ii vnii aiillii!" Das Wort >va1i hat, wie viele andere arabische Worte, die verschiedensten Bedeutungen: Sklave, Diener, Vertrauter, Stellvertreter u. s. w., und in den verschiedenen Bedeutungen dieses Worts liegen auch die mannichfachen Nuancen der Schieh-lehre. Die meisten nehmen es in dem Sinn des locum t6N6U8; andere aber betrachten Ali als Incarnation Gottes, lie schreiben ihm zahlreiche Mirakel zu und stellen ihn hoch über Mohammed. Der Perser ruft daher nie den Namen Mohammed an; sein gewöhnlicher Ruf, den er fast bei jedem Schritt und jeder Bewegung wiederholt, den man an alle Wände geschrieben, in die Rinde der Bäume eingeschnitten findet, ist: „5ä ^1i!" Nur selten vernimmt man daneben: ,,^i cliuää!" (O Gott!) Dem Ali zunächst genießt sein Sohn Hussein die größte Verehrung, derselbe, welcher in der Schlacht zu Kerbelah ums Leben kam. Das Dogma der Schiiten besteht eigentlich nur in Negationen. Sie leugnen das Successionsrecht Omer's, die Legitimität der drei ersten Chalifen Abubekr, Osman und Omcr, indem das Chalifat rechtmäßig dem Ali gehört habe, und die Ehrbarkeit Ayscha's, der Frau Mohammed's. In Betreff Omer's stützen sie sich auf die Sage: „Ein gottes-fürchtiger Mann sah einst im Traum einen verstorbenen Missethäter hoch im Himmel sitzen und erhielt auf die Frage, wie sich das schicke, zur Antwort, derselbe habe noch in der Sterbestunde die Formel «Fluch dem Omer» ausgesprochen." Deshalb unterlassen sie nie, dem Namen Omer „I.gHnet der!" (Fluch dem Omer!) beizufügen. Sie dichteten diesem Helden von historischer Sittenreinheit allerhand obscöne Geschichten an und behaupten, sein Mörder Abu Lulu sei Polat, Porsicn. I. - 21 322 nach gelungener That mittels einer nächtlichen Himmelfahrt nach Kaschan versetzt worden. Dort wurde letzterm ein Mausoleum erbaut, welches bis auf den heutigen Tag viele fromme Gläubigen anzieht; als ich selbst im Juni 1859 daran vorbeizog, zeigte mir mein Führer voll Andacht den geweihten Ort. Ein Mittwoch im Jahre wird als Gedenktag der Ermordung Omer's im ganzen Land durch Freudenfeuer, Feuerwerk und Flintenschüsse gefeiert (aicls omer-Ku8oki, Fest der Omertödtung); in manchen Gegenden wird eine Omer vorstellende Puppe auf einem Esel unter Musikbegleitung von Lutis durch die Straßen geführt und mis-handelt, was an Orten, wo sich Sunniten befinden, häufig Anlaß zu Zank, Streit und ernstlichen Thätlichkeiten gibt. Die Regierung verbot zwar zur Vermeidung dieses Unfugs mehrmals dergleichen Processionen, allein nie mit dem nothwendigen Ernst, weil sie nicht wagte, gegen eine im religiösen Dogma begründete Ceremonie mit Strenge einzuschreiten. Der Sunnite verrichtet nicht gern in einem Zimmer sein Gebet, wo unverzerrte Abbildungen von Menschen oder Thieren sich befinden; soweit geht seine Scheu vor dem Bilderdienst. Ich sah häufig, daß Afghanen, welche während der Verwickelungen mit Herat in Teheran lebten, z. B. der feingebildete Mir Alem Chan, ein Neffe des Fürsten von Kandehar Kohendil Chan, alle Bilder verdecken oder aus dem Zimmer schaffen ließen, ehe sie ihr Gebet sprachen. Anders die Schiiten: sie lieben die Bilder, und fast in jedem Hause des Volks ist ein schlechter Holzschnitt, den Propheten Ali vorstellend, zu finden. Da man jedoch sagt, sein Gesicht sei von so vollkommener Schönheit gewesen, daß kein Maler sich daran wagen könne, wird er immer verschleiert dargestellt. Der König glaubt sich im Besitz des wahrhaften Conterfeis Ali's. Es soll ihm aus Indien zugekommen sein ,323 und wird in einem goldenen Kästchen mit feiner Emaillirung aufbewahrt; wenn dasselbe durchs Zimmer getragen wird, verneigen sich alle Höflinge, auch der Schah macht eine tiefe Verbeugung gegen den heiligen Schrein. Vor einigen Jahren stiftete er sogar einen Orden des heiligen Ali und machte sich zu dessen Großmeister. Die Ceremonie wurde mit der größten Feierlichkeit vollzogen, und um ihr eine religiöse Weihe zu geben, wurden selbst Priester dazu entboten; diese fanden sich jedoch nur mit Widerwillen ein, weil sie mit Necht in dem Act einen wirklichen Bilderdienst erblickten, von dem der Koran so eindringlich abmahnt. Nasser-cddin Schah erhob den Geburtstag Ali's zu einem Feiertag, was er bis dahin nicht gewesen war. Aus dem allen geht hervor, daß die Schiehlchre vom reinen Monotheismus abweicht, und gewiß würde der Chalif Ali, wenn er noch lebte, sie deshalb als Götzendienst verdammen, wie er es mit einer Sekte that, welche ihn schon bei Lebzeiten als göttliches Wesen verehrte. Nach einem beglaubigten Häois ist es dem Perser erlaubt, in Fällen, wo ihm durch deren Bekennung ein Nachtheil erwachsen könnte, seine Religion zu verleugnen (tsekkisli 6in). Häufig geben sich daher Perser in türkischen Ländern, für Sunniten aus und verrichten nach Art der letztem ihr Gebet. Diese für erlaubt gehaltene Heuchelei herrscht auch im Verkehr der Perser untereinander; man überbietet sich in Betheuerungen seines Glaubens und Anpreisungen der „gereinigten Religion" (mw2liWd-6-inutü1i6!'6k), so sehr man auch gegenseitig von der Täuschung überzeugt ist. Dasselbe gilt von den Priestern. Gleich den römischen Auguren innerlich über sich lachend, jammern zwei Mulas einander die Misgeschicke Hussein's und Hassan's vor. Die Religion ist zur leeren Formel herabgesunken. Unter den Gebildeten glaubt niemand an den Koran; die einen setzen gar nichts 21* 324^ an dessen Stelle, die andern bilden sich eigene individuelle Ansichten oder adoptiren das philosophische System von Derwischen, die sie dann als ihre Leiter (mur^eliiä) verehren. Ans den letztern bestehen die zahlreichen Sekten der Snfts; doch gelten alle äußerlich für Schiiten. Nach dein Grnndsatz des Täkkieh glanbt sich jeder Perser zur Scheinheiligkeit berechtigt; überdies gebietet ihm schon seine bekannte Vorsicht, mit der wahren Meinung zurückzuhalten, bevor er das Terrain genau sondirt hat, und selbst dann verclausulirt er sich noch in einer Weise, daß man ihni nicht leicht beikommen kann. So darf behauptet werden, daß der Schiismus, obgleich die in Persien herrschende und verbreitetste Religion, die wenigsten Anhänger aus Ueberzeugung zähle. Man könnte demnach zn der Annahme versucht sein, das Land müsse einen günstigen Boden zur Verbreitung des Christenthums bieten, allein man würde sich hierin täuschen. Fast noch nie hat sich ein Muselman aufrichtig zum Christenthum bekehrt; das Dogma der Trinität ist ihm unfaßlich, ebenso der Begriff christlicher Tugend und Entsagung. Man lese die ehrlichen Berichte der Missionare, und man wird in die Wahrheit des Vorstehenden keinen Zweifel setzen. Die mit so bedeutenden Kosten gedruckten, eingebundenen und gratis vertheilten Bibeln werden von den Empfängern sofort aus den Deckeln gerissen und im Bazar als Maculatur verbraucht. Der einfache Bibelstil ist dem Orientalen zuwider; er liebt pomphafte Worte', eine blumige, bilderreiche Sprache, der er gern Gedanken und Inhalt aufopfert. Zuweilen ließ sich der Schah zur Belustigung einige Kapitel aus der Bibel vorlesen, und jedesmal brachen er und die Höflinge sehr bald in lärmendes Gelächter aus, sodaß an ein Fortsetzen der Lektüre nicht zu denken war. Damit dem Koran nicht trotz seiner Heiligkeit ein ähnliches Schicksal zutheil werde. 325 ist es bekanntlich verboten, ihn ins Persische zu übersetzen. Die Religion Mohammed's kennt keinen Priesterstand im eigentlichen Sinn, ebenso keinen Tempel; jedermann ist befugt mit lauter Stimme das Gebet (a-än) vorzutragen, und jeder Ort kann dazu gewählt werden. Noch heute geschieht es, daß irgendein mit guter Stimme begabter Mann auf den Giebel des Hauses oder auf die Plattform (mu8WUä) des Bazars tritt und die Nachbarschaft zum Gebet einladet. Wenn sich trotzdem eine Priesterschaft ausbilden konnte, so geschah es, weil der Koran, welcher das Gesetz enthält, in arabischer Sprache geschrieben, also nnr den Gelehrten zugänglich ist, und weil nach dem strengen Ritus Gebete und Trauungs-formeln mit reinem arabischen Accent ausgesprochen werden sollen, was der persischen. Kehle nur nach jahrelanger Uebung oder vielmehr nie ganz gelingt. So entstanden die Scheich ul islam, die Imam-dschumeh, die Mutschtehio und der Troß der Mulas; die drei erstgenannten müssen aus dem Stamm des Propheten, letztere können auch aus dem Volk hervorgehen. Anfangs waren es durch Frömmigkeit und Kenntnisse ausgezeichnete Männer, deren viele sich in der Literatur berühmt gemacht haben. Nach und nach aber misbrauchten sie ihre bevorzugte Stellung; sie verdrängten die Kazis (weltliche Richter) und maßten sich ausschließlich die Befugniß Recht zu sprechen und Processe (mNi-atsli) zu schlichten an; sie verfälschten Testamente, verdrehten das Recht, ließen sich bestechen, beraubten Witwen und Waisen, borgten unter der Hand Geld auf hohe Zinsen und ergaben sich in geschlechtlicher Beziehung den gröbsten Ausschweifungen. Sie verstanden es, die niedern Volksklassen an sich zu fesseln, indem sie Verbrechern ein schützendes Asyl gewährten und, selbst ungläubig, die Menge fanatisirten. Es ist soweit gekommen, daß kein Testament vor ihren Praktiken sicher ist,.und daß 326 notorisch das Gut der Witwen und Waisen von ihnen „verspeist" (ekuräk) wird. Während sie vor der Welt Armuth und Demuth heucheln, sammeln sie für sich, ihre Familie und die Moscheen Reichthümer an; denn auch die Erträgnisse des Moscheenguts (m5chuAt) fallen ihnen zu. Sie suchen glänzende Verbindungen, selbst mit Prinzessinnen einzugehen. Die ärgsten Rabulisten und mit allen Spitzfindigkeiten des Gesetzes vertraut, beugen sie das Recht, zumal oft beide Parteien durch denselben Priester-Richter vertreten sind, nach der Seite derjenigen Partei, welche ihnen am meisten zahlt. Da es in Persien keine Grundbücher gibt und der Besitz nirgends registrirt, sondern einfach in einem Contract (^NdiliLd) von einzelnen Mulas bestätigt wird, kann sich leicht jemand durch Bestechung ein.es Mula ein falsches Document frühern Datums verschaffen, auf Grund desselben den Besitz eines längst in andere Hände übergegangenen Grundstücks in Anspruch (iäö^) nehmen und, falls es ihm nicht gelingt, seine fingirten Ansprüche durchzusetzen, doch eine hohe Abfindungssumme erpressen. Denn das muselmanische Gesetz kennt kein Verjährungsrecht; vor sechs Jahren wurde zwar ein solches, auf 20 Jahre lautend, vom König gegeben und durch das officielle Organ promulgirt, es erlangte jedoch, wie viele andere Gesetze, keine Rechtskraft. Manche Häuser in der Stadt Teheran, ja ganze Dörfer finden deshalb keine Käufer und verfallen, weil man die Gel-tendmachung veralteter Ansprüche seitens irgendeines frühern Besitzers fürchtet. Kaum verbreitet sich die Kunde, daß dieser oder jener Chan der Gunst des Hofs verlustig gegangen sei, als auch schon von allen'Seiten Rechte auf seine Vesitz-thümer angemeldet werden. Mein Nachbar in Teheran kaufte eine Ruine; er baute sich an deren Stelle ein schönes Haus und hatte es bereits zehn Jahre lang inne, da kam 327 ein Derwisch zugereist, der einen alten Contract präsentirte, und der Besitzer mnßte froh sein, daß sich der unerwartete Prätendent mit einem Pferd und 15 Dukaten abfinden ließ. Haben die Mulas im Pöbel uns unter den Lutis mächtigen Anhang, so sind sie dagegen vom Bürgerstand gehaßt und verachtet, weil sie häufige Beispiele geben, daß die Vollstrecker des Gesetzes selbst gegen dasselbe freveln, von der Negierung aber als Anstifter von Meuterei und Aufruhr gefürchtet. Es ist allerdings nicht zu leugnen, daß die Furcht vor ihnen den Despotismus der Machthaber einigermaßen in Schranken hält; allein es fragt sich sehr, was ver-abscheuungswürdiger sei: das Werkzeug, oder das dadurch bekämpfte Uebel. In der öffentlichen Meinung ist der Stand der Mulas sehr gesunken; man spricht allgemein von inuin-diiLi (Mularänken); sie werden häufig in obscönen Bildern als handelnde Personen dargestellt und in den beliebten Farcen (xaM6t) ihrer spitzfindigen Gesetzinterpretationen wegen verspottet. Schon Nadir-Schah begünstigte die Priesterschaft nicht; er zog einen großen Theil ihrer kirchlichen Fundationen ein, besonders solche, die für Kerbeiah (türkisches Gebiet) bestimmt waren; doch erst unter Mehmeo Schah (starb 1848) begann eine eigentliche Controle der Mulas durch Aufhebung des Asylrechts für Verbrecher. Der Großvezier Emir nizam (starb 1851) versetzte ihnen sodann den herbsten Schlag. Er citirte den Scheich ul islam von Tabris nach Teheran zur königlichen Audienz. Der Scheich, Böses ahnend, ließ sich von mehrern tausend Lutis aus Tabris begleiten, wurde aber vom Emir bedeutet, der Schah wünsche ihn „allein" in einer Privataudienz zu empfangen, und so sah er sich in der Alternative, entweder offen als Rebell anfzutreten oder Gehorsam zu leisten; er wählte das letztere und wurde mit Pension ins Exil geschickt. Der Emir setzte ferner die 328 Richter-Priester (muttjcktskiä) auf festen Gehalt und vin-dicirte der Krone das Recht der Investitur. Mit dem Amtsantritt seines Nachfolgers, des Sader Aazam, athmeten die Priester wieder freier auf; von neuem wurden die Asyle re-spectirt, und das Ansehen des Imam-dschumeh von Ispahan stieg zu bedrohlicher Höhe. Diesen günstigen Umschwung ihrer Lage verdankten sie dem Umstand, daß von den Babis ein Attentat auf den König verübt worden war und er nun zu seiner Sicherheit die Religion oder vielmehr das Ansehen der Priester stärken zu müssen glaubte; es entstand ein förmlicher Ali-Fanatismus. Doch bald erntete der Schah die bittern Früchte dieses Beginnens. Die Provinz Nescht wurde durch den Mutschtehid Hadschi Mula Raft zum Aufruhr gereizt, dessen Dämpfung viel Menschenblut kostete. Nun strebte man, die Priestermacht wieder einzuschränken. Da drohten die Mutschtchids das Land zu verlassen; viele waren bereits nach Schah abdulazim ausgewandert, sie wurden aber unter Versprechungen zurückgerufen. Im Jahre 185<> war es endlich beiden Theilen klar, daß weder die Regierung sich auf die Priester stützen könne, noch diese der Regierung vertrauen dürften. Neben der priesterlichen Rechtspflege (8ek6ri6t) wurde eine weltliche (urk) eingeführt, welche von dem König, den Gouverneuren und dem hohen Gerichtshof (cNnün-cliiinsIi) gehandhabt wird. Man kann das Urf nicht eigentlich Gesetz nennen, weil es sich weder aus Antecedenzien noch feste Normen grüudet, sondern nur auf augenblicklichem Bedürfniß, Staatsrücksichten und auf Willkür beruht. Welche Angelegenheiten der Scheriet, welche dem Urf zufallen sollen, darüber gibt es keine Regeln. Die Mulas erkennen natürlich die Competenz des Urf nicht an; sie erklären dessen Decrete für ungesetzlich; allein der König übt die Gerichtsbarkeit äe lacw aus. Ja selbst als von drei Sektirern ein Attentat auf den 329 Schah verübt worden, bestrittm einige Mulas das Recht, dieselben zu todten, indem sie geltend zu machen suchten, daß die Mörder, drei an Zahl, nach der Satzung des Koran sich durch eine bestimmte Geldsumme loskaufen könnten. Dem Urf verfallen meist politische Verbrechen: Auflehnung gegen die Macht des Schahs oder Gouverneurs, Verbreitung falscher Gerüchte gegen die Regierung, Unterschlagung öffentlicher Gelder; polizeiliche Übertretungen, wie Skandal in den Straßen, Rausch, Kartenspiel u. s. w.; aber auch Diebstähle, Mordthaten und Straßenraub. In Persien gilt die Strafe nicht als Nothwehr zur Selbsterhaltung der Gesellschaft gegen diejenigen, welche die Bedingungen ihrer Existenz bedrohen und antasten, sondern sie ist ein Act der Rache; daher die Grausamkeit und das Raffinement in den Straf arten. Dem König und den Gouverneuren sind mii'-Iii63lck (Nachrichter) in großer Anzahl zugetheilt, welche sie auch auf allen Reisen und Expeditionen begleiten. Die Strafe erfolgt meist augenblicklich auf ein gegebenes Zeichen, hier und da auch in persönlicher Gegenwart des Königs. , Die Todesstrafe wird entweder durch den Strang oder durch Köpfen oder mittels Schleifen des Opfers durch die Straßen vollstreckt. Nach der Execution wird der Körper des Hingerichteten geviertheilt, ein Theil auf dem Pranger, die andern auf den Stadtthoren ausgestellt. Mit Ausnahme der grausamen Hinrichtung der Babis findet in neuerer Zeit eine raffinirte Verlängerung der Todesqualen nicht mehr statt, während früher z. B. die Verbrecher lebendig mit freibleibendem Kopf eingemauert wurden. Ebenso hat der jetzige Schah die Strafe des Blcndens abgeschafft; er sagte mir eines Tags: „Ich ließ noch niemand blenden, und werde es auch nie thun; ich ziehe es vor, den Frevler zu todten!" 3IIs Strafe für geringere Vergehen: wiederholten Diebstahl, 330 Fälschen des Siegels u. s. w., werden oft die Finger der rechten Hand abgehauen. Auf solche Weise bestrafte Individuen sieht man ziemlich häusig als Bettler in den Straßen. Kleinere Diebe werden aus dem Rayon ihres Wirkungskreises exilirt, zuvor jedoch mit einem Strick durch den Nasenknorpel durch die Stadt geführt (mwiiäi'). Das Ohrenabschneiden (zugH-duiiäen), eine uralte persische Sitte (8M6räi8), ist die Strafe für Verleumdung und Verbreitung falscher Nachrichten. Es wird jedoch nicht die ganze Ohrmuschel auf einmal weggeschnitten, sondern gewöhnlich nur ein sehr kleiner Theil, sodaß die Strafe an einem und demselben Individuum wol zehnmal vollzogen werden kann. Das Mehr oder Weniger steht im Belieben des Mirkäzab, er bemißt es nach der größern oder geringern Summe, die der Delinquent ihm anbietet. Bei der Gewohnheit der Perser, die Mütze tief über die Ohren zu ziehen, ist der Defect wenig bemerkbar (Lmsrclis). Ein witziger Chan, welchem Mehmed-Schah wiederholt die Ohren abschneiden ließ, bis endlich nichts mehr übrigblieb, entblößte,, als ein neuer Befehl zu dieser Strafe erfolgte, vor dem Schah sein Haupt und sagte: „Glauben denn Ew. Majestät, daß mein Ohr eine Wiese sei, welche mit jedem Frühling frische Keime treibt?" Auch das Nasenabschneiden scheint jetzt gänzlich außer Gebrauch zu sein, doch kamen mir noch mehrere Beludschen mit abgeschnittenen Nasen zu Gesicht; an einem übte ich mit Glück die Rhinoplastik. Wegen Schmähgedichten (Iiwäsciin) ließ der Schah mehrern Prinzen die Locken glatt wegschneiden und ihnen in den Bart speien (xull duriäeu n dsi-i^Ii wl keräon). Zur Applicirung der Bastonnade (tFcKiid-ekuräsu) gibt es einen eigenen Apparat st5o1ind6 tsiek). Die Füße des Sträflings werden oben an einen horizontalen Balken gebunden. 331 darunter liegt er mit dem Rücken auf der Erde. Während der Streiche unterhandelt er mit dem Mirkäzab, von dessen Willen die Gewalt oder Milde der Schläge abhängt. Wenige mit aller Heftigkeit geführte Streiche können den Tod oder wenigstens langwierige Eiterung der Fußsohlen und Zehen herbeiführen, hingegen lassen mehrere hundert schonend ertheilte Schläge kaun: merkliche Spuren zurück. Oft wird nur auf die halbe Strafe erkannt; dann bindet mau zwei Individuen zugleich, den einen mit dem rechten, den andern mit dem linken Fuß an den Balken. Misliebig gewordene Würdenträger werden oft mehrere Jahre in ihr Haus oder in eine Stadt internirt und daselbst durch aufgestellte Polizeileute bewacht (odkuLk Qssgcdin). Für politische Verbrecher hat der Großvezier Emir nizam in Teheran ein unterirdisches Gefängniß (amb^r) eingerichtet, wo sie mit Händen und Füßen an Balken angeschlossen sind. Die Verpflegung der Gefangenen geschieht auf deren eigene Kosten oder durch Mildthätigkeit von Privaten. Die Unglücklichen verbleiben daselbst jahrelang ohne alle Untersuchung, bis Typhus, Cholera oder sonst eine Epidemie das Local aufräumt. Nur zuweilen erscheint der Mirkäzab in ihrer Mitte, um auf Befehl ein Opfer zur Hinrichtung herauszuholen. Bei Krankheitsfällen oder einem glücklichen Ereigniß in der königlichen Familie pflegt allerdings eine Anzahl Sträflinge entlassen zu werden, wobei es aber nicht auf die Schwere oder Geringfügigkeit des Vergehens, sondern auf die Summen ankommt, welche der einzelne dem Vorsteher des Gefängnisses für seine Befreiung zu bieten vermag. Als solcher fungirte lange Zeit der berüchtigte Haoschi Ali Chan, von welchem später berichtet werden soll. Ein Gefängniß dieser Art kann natürlich kein Fortschritt zur Humanität genannt werden. Der Tortur (gsKentZolis) werden noch hier und da 332 Angeklagte zur Erpressung eines Geständnisses, vorzüglich aber gefallene Würdenträger unterworfen, um sie zur Geldherausgabe und zum Verrathen des Orts, wo ihre Schätze vergraben liegen, zu nöthigen. Als Torturmittel wendet man an: die Daumenschrauben, das Binden der Hände an einen Baum, fodaß der Körper in der Luft schwebt, das Breunen in der Achselhöhle, das Setzen des nackten Körpers auf Eisstücke, das Unterbinden des Glieds zur Hinderung des Urinirens u. s. w. Da es jedoch nicht in der Absicht der Regierung liegt, durch die Tortur zu todten, so wird die Marter nur so lange fortgesetzt, bis der Gepeinigte eine gewisse Summe zugesteht. In einigen Tagen beginnt dann eine ähnliche Procedur, worauf ein abermaliges Zugeständniß erfolgt. Es ist weder Gewohnheit der Regierung, den ganzen Betrag auf einmal zu fordern, noch die des Opfers, ihn auf einmal zu leisten; daher die Sitte, das Geld in Parcellen an verschiedenen Orten zu vergraben, um bei jeder Tortur eine theilweise Enthüllung machen zu können; denn würde der Gefolterte bei der ersten Tortur alles herausgeben, so bliebe ihm kein Mittel der Bestechung und des Ausgleichs, er müßte dann bei dem nächsten Experiment sicher unterliegen. Vorsicht ist die Mutter der Weisheit! Die wichtigsten religiösen Acte des Persers bestehen in: Gebet, Wallfahrten, Almosengeben, Fasten und Feier-der heiligen Feste. Dem Gebet (n^mä?) muß die Waschung des Gesichts, der Füße und Hände vorhergehen <>vu2ii). Die Hände werden vom Elnbogen gegen die Fingerspitzen zu gewaschen; man verspottet die Türken, die es umgekehrt machen, weil sie damit die Unreinlichkeit von der Peripherie dem Centrum zuführen. Aller Schmuck wird abgelegt, vorzüglich Ringe, ebenso die seidenen Kleider, denn sie sind nicht „gebetfähig" 333 (nNina? nsä^renä). Der Körper muß sich im Zustand der Reinheit befinden, andernfalls erst durch ein Vollbad von der Verunreinigung befreit werden. Mit besonderer Vorsicht wählt man den Ort des Gebets; es darf kein unrechtmäßig erworbener sein, weshalb man vermeidet, in einem Hause, das confiscirt oder dem Eigner durch Gewalt oder Betrug genommen worden, das Gebet zu verrichten. Bekanntlich wendet sich der Perser beim Beten gen Mekkeh (kssdieli); er trägt, um in zweifelhaften Fällen die Richtung zu finden, einen kleinen Kompaß (kiNdisIi-nwuiüIi, Mekkehzeiger) bei sich. In der Moschee zu beten, ist nicht vorgeschrieben; es kann jemand ein sehr frommer Muselman sein, ohne je in seinem Leben die Moschee besucht Zu haben. Uebrigens wird das Gebet häufig benutzt, um sich aus einer Verlegenheit zu ziehen oder eine Unterhaltung abzubrechen. Ich war oft Zeuge, wie der Großvezier mitten im Gespräch mit dem Agenten einer fremden Macht plötzlich sagte: „^Vsskt-s-N!«m Kaffee u. s. w. als Angebinde mit und werden von ihnen mit dem Glückwunsch: „Aiärst ksedul!" (Die Pilgerfahrt möge genehm sein!) empfangen. Die Pilger sollen sich während der Reise eines gottgefälligen Wandels befleißigen, keinen Wein trinken, auch sich in geschlechtlicher Beziehung zurückhallen; doch finden häufig Ueber-tretungen dieser Gebote statt. Auf Reisen begegnet man nicht selten einem Karavanen-zug von Pilgern. An der Spitze reitet beim Zug durch die Städte der Tschausch; er trägt eine rothe Fahne und singt mit gellender Stimme das Lob des zu besuchenden Patrons. Ihm folgt ein langer Troß von Männern und Frauen, auch Kinder, einzeln oder paarweise in Körben (I kennerin genannt. Die einen traten aus Ueberzeugung zu der Sekte über, andere ließen sich im Rausch, vom Genuß des Haschisch in einen Zustand der Seligkeit versetzt, dazu werben. Demnach wurde dieses Narkotikum von den Babis zu gleichem Zweck wie von den Assasinen benutzt. Im Anfang der Regierung des Nassereddm Schah beging der Großvczier Emir nizam den Fehler, daß er den Bab-eddin, weil er seine Lehren nicht widerrufen wollte, anstatt ihn als Schwärmer und Narren durch Einsperrung unschädlich zu machen, zum Tode des Erschießens verurtheilte. Bei der Execution, welche in Tabris stattfand, wurde der Delinquent gegen eine Mauer gestellt, und eine kleine Abtheilung Soldaten hatte auf Commando zu schießen. Da aber die Soldaten wahrscheinlich sehr ungern dem Befehl 351 gehorchten, drückten sie ohne zu zielen ihre Gewehre ab. Babeddin benutzte den entstandenen Pulverdampf, um durch das Loch einer Wasserleitung zu schlüpfen. Zu seinem Unglück und zum Glück des Landes wurde er jedoch auf der andern Seite der Mauer entdeckt und nun wirklich erschossen. Wäre er nicht aufgefunden worden, so hätte das Volk unbedingt an seine Himmelfahrt geglaubt, und dieses Wunder hätte hingereicht, den größten Theil der Bevölkerung zu seiner destructiven Lehre zu bekehren, da man ohnehin, von der herrschenden Religion unbefriedigt, sich nach etwas Neuem sehnt. Bald nach dem Tode Babeddin's erhoben seine Anhänger die Fahne der Empörung. Sie nahmen mehrere feste Orte in Masanderan und kämpften mit Löwenmuth, sodaß sie nur durch die ungeheuere Nebermacht und erst nach langen Kämpfen erdrückt werden konnten. Einzelne, obgleich schlecht befestigte Orte, wie Sendschan, hielten sie viele Monate gegen die Kanonen der königlichen Truppen; allein sie wurden endlich völlig besiegt, und damit schien die Sekte erloschen. Als im Spätsommer 1852 der Schah in Begleitung von etwa 500 Mann Garde von seinem Lustschloß Niaveran aus einen Spazierritt unternahm, kamen drei Männer auf ihn zu, wovon der eine ü, dont portant eine Pistole auf ihn abfeuerte. An das parthische Reiterkunststück gewöhnt, glitt der Schah im Nu unter den Bauch seines Pferdes; die Garde, wie Ein Mann zurückweichend, überließ ihn seinem Schicksal, denn alle waren der Meinung, er sei todt herabgesunken und auf Anstiften eines Prätendenten ermordet worden; wegen einer Leiche aber es mit den Lebenden zu verderben, hielt man für überflüssig. Nur ein fremder Diener bemerkte, daß der Schah sich regte; er trat beherzt hinzu und ergriff einen der Mörder. Es entstand ein Kampf, 352 in welchem der Diener eiuen Dolchstich in den Bauch erhielt; unterdessen traten aber andere hinzu, packten die Mörder — und der König war gerettet. Wie sich ergab, hatten ihn nur einige kleine Schrotkörner in der Gegend der Gesäßmuskeln getroffen. In den Attentätern erkannte man fanatische Babis, welche den Tod ihres Propheten rächen wollten. Die Pistolen und die Munition, deren sie sich bedient, waren aber so schlecht, daß sie nur durch ein Wunder ihr Ziel hätten erreichen können. Der Schah zeigte sich sogleich dem Volk, um allen böswilligen Gerüchten zuvorzukommen. Einem Prinzen, der ihm Glück wünschte, daß Gott ihn gerettet habe, erwiderte er: „Allerdings hat Gott mich gerettet, denn ihr habt mich sämmtlich im Stich gelassen." Nun begannen die Verfolgungen. Man bestärkte den Schah in dem Glauben an ein weitverzweigtes Complot der Babis; man hinterbrachte ihm, unter den Regimentern, Staatsbeamten, Leibdienern, Priestern, Lehrern, Garden, in jedem Hause befänden sich Sektirer und er sei keinen Angen-blick mehr seines Lebens sicher. Sogar die Frau des Groß-veziers, die aus Masanderan gebürtig war, beschuldigte man, zu der Sekte zu gehören; mit mehr Grund wurde der Oberste der Läufer, Schatir baschi, und seine Familie der Ketzerei angeklagt. Von allen Seiten in Angst und Schrecken gesetzt, verfiel der Schah auf cin macchiavellistisches Mittel zur Ausrottung der Verschwörer. In Teheran lebte der Oberste der königlichen Farasche (üsi-gHeli däsodi), Hadschi Ali Chan, ein Mann ohne Herz und auf Commando zu jeder Grausamkeit bereit; ihm gab er den Befehl, alle Vabis auszuforschen und ins Gefängniß zu werfen. Dann verordnete er, jedem Corps, jeder Branche des Civil- und Militärstandes solle wenigstens ein Babi zur Hinrichtung übergeben werden, damit, falls in einem oder dem andern Corps noch heimliche Anhänger der Sekte wären, sie sich 353 durch die Theilnahme an der Execution für immer bei ihren Glaubensgenossen compromittirten. Dieser Plan wurde auch ausgeführt. Hadschi Ali, ein erfinderischer Kopf, ersann die gräßlichsten, qualvollsten Todesarten. Das Wegblasen vor der Kanonenmündung wurde als zu gelind nur einmal augewandt; man amputirte stückweise, räderte, brannte, trieb Hufeisen in die Sohlen und zwang den Gemarterten damit zu tanzen, bohrte Löcher in den Leib und steckte brennende Kerzchen hinein u. s. w., und mit aller Strenge wurde darauf gehalten, daß jeder einzelne im ganzen Corps sich bei Verübung der Martern betheiligte. Die Märtyrer bewiesen den Muth und die Standhaftigkeit des Fanatismus; keiner widerrief, keinen: entschlüpfte ein Schmerzensschrei. Ich war Zeuge von der Hinrichtung der Kurret el ayn, die vom Kriegsminister und seinen Adjutanten vollzogen wurde; die schöne Frau erduldete den langsamen Tod mit übermenschlicher Stärke. Viele andere wurden unter der Anklage des BabiZmus von Hadschi Ali ihres Vermögens beraubt, und auch in den Provinzen vollstreckten die Gouverneure massenhafte Exe-cutionen. Dennoch dürfte die Gefahr für das Land wie für den König keineswegs beseitigt sein. Die Anhänger Bab-eddin's besitzen das von ihm verfaßte Gesetzbuchs), sie haben einen Propheten und viele Märtyrer, also den vollständigen Apparat zu einer festgegründeten Religion. Sie zogen sich in die entfernten Provinzen zurück und verbergen nach dem schiitischen Grundsatz (wkkisli) ihren wahren Glauben; andere flüchteten nach Kerbelah, wo sie vielleicht auf eine neue Schilderhebung sinnen. *) Ein Exemplar dieses Kanons befindet sich in der königlichen Bibliothek zu Teheran; eine Abschrift davon soll fnr die kaiserliche Bibliothek in Petersburg genommen worden sein. Polat, Persien. I. 23 354 Von den andern Religionsgenossen: den Armeniern, Juden und Gebern, war schon im Anfangskapitel die Rede. Es wäre nur noch zu erwähnen, daß am Urumiesee die La-zaristen und die Methodisten sich das Seelenheil einiger armer steißiger Chaldäer-Nestorianer streitig machen, und daß es ihnen bereits gelungen ist, unter dieser kleinen Heerde viel Zwietracht und Vruderkampf zu stiften — aä inaMsm Dei zloriam! XI. säder und segräbnißstätten. Oeffentliche Bäder. Der Dalak (Badediener). Das Farben der Haare. Babeproceduren. Die Frauenbäder. Vorzüge und Nachtheile des persischen Bades. Tod und Beerdigung. Friedhöfe. Transport der Leichen nach den heiligen Orten. ^. siider. Am engen Zusammenhang mit dem religiösen Leben der Perser stehen die Bäder (daunuäui, ßserui-Hbo, warmes Wasser); denn sotvol durch die geschlechtliche Vermischung, die Menstruation, das Gebären, überhaupt durch jede Krankheit, als auch durch das Berühren für unrein geltender Gegenstände, wie Blut, Eiter, Cadavertheile, Hunde u. s. w., wird der Körper gesetzlich unrein (u6ä«e1ii8), und in allen diesen Fällen muß er der Reinigung durch das Bad unterzogen werden. Aber auch abgesehen von den rituellen Bestimmungen sind Bäder dem Orientalen ein unentbehrliches Bedürfniß; ohne sie kann er sich keinen Comfort für möglich denken, und er verwendet daher auf den Bau und die Erhaltung derselben große Sorgfalt. Es gibt öffentliche und private Badeanstalten. Erstere verdanken ihr Dasein und ihre Unterhaltung frommen Stiftungen; letztere dienen zwar 23* 356 mehr zum eigenen Gebrauch des Besitzers, stehen aber zu gewissen Stunden für Entgelt auch dem Publikum offen. Die Heiznng geschieht mit getrocknetem Pferdeinist; ein mit Rohr geschichteter Düngerhaufen läßt immer auf die Nähe eines Bades schließen. Den Eingang des Gebäudes schmücken Abbildungen, gewöhnlich die Heldenkämpfe Rustan's mit den Diws darstellend, wobei die beliebteste Figur ein vom Sieger mittendurch gespaltener Reiter zu sein scheint, dessen eine Hälfte bereits vom Pferde sinkt, während die andere sich noch aufrecht hält. Die Bäder selbst befinden sich in gewölbten Souterrains, welche das Licht von oben durch zahlreiche gläserne Halbkugeln empfaugen. Das erste Zimmer heißt das Kühlzimmer (86r-6-ku,maiu). Um einen in dessen Mitte sprudelnden Springbrunnen zieht sich rings an den Wänden eine mit Teppichen bedeckte Balustrade hin. Hier entkleidet man sich und schürzt ein Tuch (lunz) um die Lenden. Dann tritt man in das zweite Zimmer. Es enthält ein großes, mit Wasser gefülltes Bassin, uuter dessen aus einer mächtigen Bronzeplatte (tun) bestehendem Boden ein gelindes Feuer brennt. Für die gesetzliche Reinigung (n'U2u) genügt mehrmaliges Untertauchen in diesem Bassin. Das zu einer bestimmten Quantität darin befindliche Wasser wird nicht erneuert, ob auch hundert Personen nacheinander baden, denn es kann der mohammedanischen Satzung gemäß, trotz der Ueberfüllung mit animalischen Substanzen, nie unrein werden. Gilt es jedoch, der Gesundheit oder Annehmlichkeit wegen ein Bad zu nehmen, so begibt mail sich in das dritte Zimmer. Der Fußboden desselben besteht aus Ziegel- oder Marmorstcinen, welche mittels unterirdischer Röhren durch Wasserdampf erhitzt werden. Man wird sogleich von dem Dalak (Bader und Kneter) in Empfang genommen und verbleibt ihm wenigstens zwei volle Stunden zur unbeschränkten .357 Disposition. Der Dalak gießt Wasser auf die heißen Ziegel, um etwas Dampf zu erzeugen; doch ist die Dampfmasse keineswegs so groß wie in dem gewöhnlichen russischen Bad. Hierauf breitet er ein Tuch (lung) auf dem Boden aus, rollt ein anderes als Kopfkissen zusammen und heißt den Badenden sich niederlegen. Nun beginnt die Haarfärbuug. Jeder Perser färbt sowol Haupt- und Barthaar wie die Augenbrauen bis ins höchste Alter, theils zur Verschönerung, theils weil er der Meinung ist, das Haar dadurch zu stärken und zu conserviren. Jedenfalls tonncn die dort gebräuchlichen Färbemittel dem Haarwuchs nicht schädlich, sein, denn Kahlköpsigkeit findet man äußerst selten, nur infolge des überstandenen Grbgrindes; hingegen ist der starke und volle Bartwuchs der Perser als eine nationale Eigenthümlichkeit berühmt. Das schwarzgefärbte Haar gibt den Männern ein jugendliches Ausseheu, welches einen Fremden in Betreff des Alters leicht irreführt. Auch die dort lebenden Europäer färben sich das Haar, um der Sitte und den Schönheitsansprüchen des Landes zu genügen. Zum Zweck der Färbung werden die Haare mittels dreimaliger Waschung mit Seife vom Fett gereinigt und dann mit der Paste von Henna eingcriebcn. Henna ist ein mit lauein Wasser angerührtes Pulver der I^v^ouia iner-mi», welche von vorzüglicher Güte in der Nähe der Stadt 3)ezd gedeiht, in Ispahan sortirt und gemahlen wird und von da aus in den Handel kommt. Die Paste muß wenigstens eine Stunde liegen bleiben; Frauen, die nicht von Geschäften gedrängt sind, lassen sie oft 4—0 Stunden einwirken. Danach wird sie mit lauem Wasser abgespült. Dunkele Haare nehmen davon eine cochenillenartige Nuance an, während helle sich brennend hochroth färben. Diejenigen, welche diese Hcnnafarben lieben, stehen von jeder fernern Operation ab. Die meisten jedoch wollen ein glänzendes 358' Rabenschwarz erzielen und bedienen sich dazu der Paste von Reng, des Pulvers einer Inäizofsra, welche in Arabistan in der Nähe von Schuschter und Disful cultivirt wird. Das gemahlene Pulver ist sehr hygroskopisch, bäckt leicht zusammen und verliert dann mit der erbsgrünen Farbe auch seine Kraft. Gutes Reng muß, mit lauem Wasser angemacht, in kurzer Zeit tiefblau werden und an der Oberstäche pfauenschwanzfarbig anlaufen. Die Neng-Pasta bleibt ebenfalls eine Stunde lang auf den Haaren liegen; mehrere' Stunden nach der Abspülung entsteht Oxydation, welche die tiefste und so festhaftcnde Schwärze erzeugt, daß sie durch keine Säuren und Alkalien wieder entfernt werden kann. Nur wegen des Nachwuchses bedarf es von Zeit zu Zeit einer Wiederholung der Procedur. Um den eigenthümlichen Glanz, welchen die Henna hervorbringt, zu erhalten, wird von manchen nach der Anwendung des Neng das Haar wieder noch eine Viertelstunde mit Henna behandelt. Frauen und hier und da auch Männer lassen sich außer den Haaren die Handteller und Fußsohlen, besonders aber die Nägel im Bade mit Henna färben, wodurch diesen Theilen ein orangegelbes Aussehen gegeben wird, das im Orient sehr beliebt ist. Die Farbe dringt dabei nur in die dicken Epidermis- und Hornschichten dauernd ein, von den dünnen, z. B. an den Grenzen der Stirn, läßt sie sich mittels eines eingeseiften Wollbeutels leicht wieder abwaschen. Eine tiefblaue Färbung der Augenbrauen wird dadurch erzeugt, daß man dieselben tagelang mit einer Masse aus grobgemahlenen Indigoblättern (nasmek) belegt. Mittels Henna werden auch die Schweife der königlichen Pferde' gefärbt und Schimmel zu Goldfüchsen umgewandelt, oder durch auf den Leib gelegte Schablonen mit Figuren von Quasten und Troddeln bemalt. Endlich wendet man die Henna bei erfrorenen Glied'ern, 359 Contusionen, Abschürfungen und leichten Gelenkentzündungen als vermeintliches Hautstärkungsmittel an. Während der Zeit, welche die Färbung erfordert, beschäftigt sich der Dalak mit den übrigen Manipulationen. Er entfernt mit einen: Messer die überflüssigen Haare an den Extremitäten und am Kopf. Priester, überhaupt Leute, welche noch den Turban tragen, lassen sich das Haupt eigentlich ganz kahl rasiren. Nach der neuern Mode bleiben jedoch die Partien um die Schläfe und am Wirbel unberührt; erstere werden in zwei Locken vor und hinter dem Ohr, letztere zu einem Schöpf oder einer Art chinesischem Zöpfchen vereinigt. Die Frauen behalten ihr volles Haupthaar. Auch von den Genitalien und aus den Achselhöhlen müssen nach dem Ritualgesetz die Haare entfernt werden, damit kein Schmuz oder excrementeller Stoff an diesen Theilen hafte. Dies geschieht mittels einer Paste von Auripigment und Kalk (nursk). Hierauf reibt der Dalak mit einem polirten Lavastein (86NF6 M, Fußstein) die Fußsohlen, um sie von überflüssigen Epidermislagern zu befreien. Der ganze Leib aber wird mit den Händen tüchtig durchgeknetet, alsdann mit einem rauhen Wollbeutel abgerieben, endlich ganz mit Seifenschaum bedeckt, welcher der Haut eine weiche, sammtartige Oberfläche verleiht. Zuletzt werden die einzelnen Gelenke, besonders die Wirbelsäule, nochmals durchwalkt und ausgestreckt. In dem Orientalen erzeugt die Procedur, welche ihn in einen Zustand von Ermattung (lauFuour) versetzt, angenehm wollüstige Empfindungen. Nachdem der Körper wiederholt mit lauem Wasser abgespült worden, taucht der Gebadete zum Ueberfluß noch einmal ins Bassin des zweiten Zimmers. Im ersten Zimmer wieder angelangt, wird er mit Tüchern bedeckt und von den Dienern einer abermaligen sanften Knetung (ninsHw mä,1) unterzogen, um den Körper zu trocknen und die Hautthätigkeit zu beleben, wonach er 360 die Kleider anlegt und die Anstalt verläht. Beim Heraustreten spürt man in' den ersten Momenten eine ziemliche Mattigkeit, die jedoch bald dem Gefühl allgemeinen Wohlbehagens Platz macht. Ist man recht angegriffen von einem starken Ritt, so genügt ein solches Bad, um dem Körper seine frühere Spannkraft zurückzugeben. Von vielen Frauen werden die Bäder als Versammlungsorte zur Unterhaltung und zum Austausch von Stadt-Neuigkeiten benutzt; sie bringen oft halbe Tage darin zu, Scherbets schlürfend oder mit Musik und Gesang die Zeit vertändelnd. Die Sitte, sich in den Bädern zu tätowiren (ckül), d. h. an Kinn, Hals, Brust nnd um den Nabel Figuren und Blumenstöcke einzuätzen, ist bei den Frauen heutiger Zeit immer mehr in: Abnehmen. In gemeinschaftlichen Bädern bleiben die Morgenstunden ausschließlich für Frauen reservirt. Die Eröffnungszeit wird in jedem Stadtviertel durch ein Trompetensignal verkündet. Da die öffentlichen Badeanstalten, wie erwähnt, durch Fun-dationen erhalten werden, ist der Preis eines Bades sehr gering. Wegen des religiösen Charakters, den der Perser den Bädern beilegt, verbietet er Nichtmohammeoanern deren Benutzung, selbst der Eintritt wird von Fanatikern ungern gesehen. In der Türkei dagegen steht ihr Gebrauch jedermann, auch den Christen, frei. Ein persisches Bad reinigt allerdings den Körper am gründlichsten; es leistet auch bei Ermüdung durch Strapazen sowie in manchen rheumatischen Leiden gute Dienste; unleugbar aber erschlafft und verweichlicht es bei häufigem Gebrauch, und es kann deshalb seine Einführung in Europa zu andern als medicinischen Zwecken nicht empfohlen werden. Nachahmungswerth ist nur die Billigkeit der öffentlichen Bäder und ihre gleichmäßige Vertheilung in den verschiedenen Stadtbezirken, ferner das Abreiben des Körpers mit einem 361 rauhen, härenen Beutel; denn es wird dadurch eine so durchgreifende Reinigung der Haut bewirkt, wie sie durch gewöhnliche Wannenbäder nie zu erreichen ist. Dem Orientalen gilt jedoch sein Bad als unerläßliches Erforderniß zu einem behaglichen Dasein. Spricht er von den Annehmlichkeiten eines Aufenthaltsorts, so hebt er zuerst hervor, daß dort gute Bäder zu haben seien. Ebenso beurtheilt er die Größe und Mächtigkeit einer Stadt nach der Zahl von schönen, mit Marmorplatten ausgelegten Bädern, welche sie besitzt. Unter den Badedienern findet man viele Neger; sie widerstehen dem schädlichen Einfluß der lauwarmen Dämpfe besser als die Weißen, von denen die meisten an Gelenkkrankheiten und an gefährlichen Dysenterien erkranken. Von dem Mis-brauch der Bäder zur Befriedigung der niedrigsten thierischen Leidenschaft, der bekanntlich in der Türkei sehr verbreitet ist, halten sich die Perser frei. V. Legriilmißstiittcn. Der Perser erwartet den Tod mit bewundernswerther Fassung und Ruhe. Nie sah ich dort jene qualvolle Todesangst, wie sie dem Arzt in Europa so häufig am Krankenbett entgegentritt. Seine Ruhe gründet sich jedoch nicht auf das Bewußtsein eines gottgefälligen Lebenswandels und die Zuversicht in eine bessere Welt versetzt zu werden, denn ich beobachtete sie nicht minder bei Verbrechern, denen ihr Todesurtheil verkündet war, sondern sie wurzelt in dem Glauben an ein unabänderliches Fatum, das erfüllt werden muß, ohne dessen Zustimmung, wie Saadi sich ausdrückt, selbst der Fisch auf dem Trockenen nicht sterben kann. Auch die Sorge um das Los der Zurückbleibenden stört nicht die Ruhe dcs sterbenden Persers, so sehr er auch im Leben an der Familie hängt; ist er doch sicher, daß nach seinem Tode ein 362 anderer Familienchef den leergewordenen Platz ausfüllen wird, daß feine Kinder von den. Verwandten aufgenommen und verforgt, daß seine Frauen durch Wiederverheirathung ihren Lebensbedarf decken werden. Er macht zwar in Gegenwart eines Mula fein Testament (>va88i6t), doch betrifft dasselbe mehr Legate zur Anlage von Brücken, Karavanferais, Moscheen, Madrasses u. f. w., als die Vertheilung feiner Güter unter die Erben, da das Erbrecht durch feste gesetzliche Bestimmungeu geregelt ist. Wenige unterlassen es, eine Summe für den Transport ihrer Leiche an eine der heiligen Grabstätten festzusetzen. In den letzten Augenblicken umgeben die Koranleser (käri) das Lager des Sterbenden, mit lauter Stimme die wohltönenden Verfe des heiligen Buchs vorlesend. Sowie der letzte Lebenshauch (rNinWk) entflohen, beginnt das" ofsicielle Geheul der Frauen, welche Wüthenden gleich umherfahren, sich die Haare ausraufen und die Fäuste ins Gesicht schlagen oder dermaßeu mit dem Kopf gegen die Wand rennen, daß nicht selten die Bildung des Staars daraus erfolgt. Bei den armen Klassen wird sofort zur Beerdigung (äiNt'n) geschritten, zumal wenn der Todesfall am Donnerstag nachmittags eintrat, denn man hält es für unheilbringend, am Freitag cine Leiche im Hause zu haben; bei den Wohlhabenden wartet man wenigstens einige Stunden, um den nöthigen Pomp herzurichten und die Freunde des Verstorbenen zum Leichenzug einzuladen. Nur die Beerdigung eines Ermordeten suchen die Angehörigen so lange zu verhindern, bis der Mörder ausgemittelt und der Blutrache übergeben worden. Die Leiche wird auf einer Bahre, gewöhnlich mit einem Shawltuch bedeckt, unter Begleitung der Freunde und dem ununterbrochenen eintönigen Klagegesang: „1^ ilüa, ii^iiali!" auf den nächsten Imamzadeh (Friedhof) getragen. Hier 363 nehmen sie die Murdeschuren (Todtenwäscher) in Empfang, denen es obliegt, den Körper, ähnlich wie bei den Juden, zu waschen und, falls sie eine Wunde an demselben entdecken, dem Kalamter (Polizeimeister) davon Anzeige zu machen. Dieser soll die Beerdigung nicht eher, als bis die Todesursache constatirt worden, gestatten. Einigemal wurde die Beerdigung von Todten, welche an einer von mir ausgeführten Operation gestorben waren, beanstandet, und ich mußte erst die Todesursache bescheinigen. Nach beendeter Waschung legt man dem Leichnam etwas Kampher (käkur) in den Mund, hüllt ihn in ein weißes, mit heiligen Sprüchen bedrucktes Bahrtuch und senkt ihn, mit dem Gesicht gegen Ker-belah gewendet, ins Grab. Einige Tage nach der Beerdigung eines Staatsbeamten schickt der Schah einen Würdenträger zur Condolenz (Ha2ä-äü>ri) an die Familie mit dem Geheiß, die Trauer aufzulassen (ii.^a neiM^HtLii). Die Söhne werden dem König vorgestellt und erhalten als Zeichen seiner Gnade ein Ehrenkleid (okI,1ä.t). In der Regel wird auch das Amt und die Würde des Vaters auf sie übertragen, sodaß nicht selten einem sechsjährigen Kinde die Generalswürde verliehen wird. Dies hindert jedoch den Schah nicht, unter dem Vorwand, daß die Rechnungen des Verstorbenen defect seien, einen großen Theil des Nachlasses für sich in Anspruch zu nehmen und wirklich einzuziehen. Die Begräbnißstä'tten (^dsrist^), neben dcn Imam-zadehs inmitten der Stadt sich befindend, haben keine Einfriedigung und sind von Verkehrswegen, häufig auch von offeilen, nicht ausgemauerten Wasserleitungen durchkreuzt. In der Regenzeit versinkt oft der Fuß des Pferdes in ein gähnendes Grab. Die geringe Tiefe der Gräber macht sie Schakalen und Hyänen leicht zugänglich. Man pflegt deshalb in den Dörfern schwere Steine auf das Grab zu wälzen. 364 um den Leichnam vor Ausgrabung durch Hyänen zu schützen. Die Grabsteine sind meist unansehnlich, gewöhnlich bezeichnet nur ein senkrechter Schieferstein das Vorhandensein eines Grabes. Nur über den Grabstätten einiger weniger vornehmer Personen erheben sich massiv aus gemeißelten Steinen errichtete, mit Inschriften versehene Denkmäler (clseckmeii).^) Dergleichen Dächmehs stehen z. B. auf den Gräbern von Saadi und Hafis in der Nähe von Schiraz und auf dem Grabe Avicena's in Hamadan, welches die Inschrift trägt: „Helciinsi Imksinü, g^si ei ta^sia «oksicli id'n ^,Ii 8iua." (Dem Doctor der Doctoren, dem Vorzüglichsten der Vorzüglichen, dem Avicena.) Bei der beschriebenen Lage und mangelhaften Einrichtung der Friedhöfe darf es nicht wundernehmen, daß die benachbarten Stadtviertel beständig von Dysenterien heimgesucht sind und durch Cholera- oder Typhus-Epidemien besonders hart mitgenommen werden. Es gibt zwar auch Friedhöfe außerhalb der Stadt — sehr ausgedehnt und berühmt ist der von Ispahan, auf welchem, wie es heißt, hundert-vierundzwanzig Propheten begraben liegen —, am meisten benutzt aber werden die in der Stadt gelegenen, weil es für die Hinterlassenen bequemer ist, dort die vorgeschriebenen Gebete am Grabe zu verrichten. Die Ueberreste wohlhabender und angesehener Personen werden entweder sogleich oder nach erfolgter Wiederausgrabung zum Imamzadeh eines der geheiligten Orte Ker-belah, Meschheo, Kum oder Schah abdul aazim abgeführt. Auf diesen geweihten Imamzadehs kommt eine Grabstätte sehr hoch zu stehen. Der Preis wechselt je nach dem Grad der Heiligkeit des Orts und der größern oder geringern Ent- *) Ganz ähnliche Grabmonumente sieht man auf dem alten Fried-Hof in Prag. 365 fernung vom Heiligen Grabe (Lausk) zwischen 5—2000 Dukaten. Da ferner auch der Stand des Verstorbenen auf die Bestimmung des Preises von Einfluß ist, so lassen manchmal die Angehörigen eines Würdenträgers, um einer zu hohen Forderung zu entgehen, die Leiche incognito nach Kerbeiah bringen und dort beerdigen; es war dies z. B. mit den Ueberresten Suliman Chan's, eines Onkels des Königs, der Fall. Behufs des Transports werden die Leichen mit Filz umwickelt, an zwei seitliche Stangen befestigt und quer über den Nucken eines Maulthiers gelegt. Gewöhnlich überläßt man dem Mauleseltreiber allein den Conduct, zuweilen aber wird eine Schar Diener und Knechte zur Begleitung mitgegeben. Auf Reisen begegnet man oft einer Todtenkaravane; ihre Annäherung macht sich im Sommer schon aus weiter Ferne dem Geruch bemerkbar. So offenkundig indeß die Nachtheile solcher Leichentransporte für die Gesundheit der Lebenden sind, scheint es doch unmöglich, das tief eingewurzelte Vorurtheil auszurotten. Als Dr. Cloquet und ich während einer herrschenden Cholera-Epidemie es bei der Regierung durchgesetzt hatten, daß nur nach besonderer von uns und dem Kalamter einzuholenden Erlaubniß Leichen ausgegraben und transportirt werden sollten, erhob sich ein solcher Sturm des Unwillens in der Bevölkerung, daß wir bald inne wurden, etwas Unausführbares und unsere Per-,son aufs äußerste Gefährdendes angestrebt zu haben. Schon nach einigen Tagen blieb die königliche Verordnung unbeachtet. Wer die christlichen Gottesacker zu Tabris, Teheran, Ispahan und Schiraz besucht, wird dort die Namen mancher verdienten europäischen Reisenden lesen, welche in dem ungewohnten 366 Klima ein frühzeitiges Grab fanden. Fern von den Ihrigen gebettet, sind doch ihre Namen nicht vergessen, denn dankbar haben die Annalen der Wissenschaft verzeichnet, was der einzelne zur Erweiterung menschlicher Erkenntniß beigetragen. Friede ihrer Asche! XII. Der Nauru) ^Das Neujahrsfest). Zeitrechnung. Vorbereitungen zum Feste. Investitur der Gouverneure. Derwische. Salam für die Priester und Würdenträger. Aelteste Gebräuche. Neujahrscour beim Großvezier. Gratulationscour der Gesandten. Oeffentliche Audienz. Das Voltsfest. Der Frauensalam. Besuche. Pferderennen. Der letzte Festtag. Nei den Mohammedanern aller Sekten gilt bekanntlich das Mondjahr als Norm der Zeitrechnung, namentlich zur Bestimmung der religiösen Feste und Feiertage. Da nun in das Mondjahr keine Schalttage eingefügt- werden, so fallen die Feste wechselnd in verschiedene Jahreszeiten und kehren erst nach einem Turnus von über dreißig Jahren zu derselben Periode zurück. Besonders auffallend tritt dieser Wechsel an dem Fastenmonat (ram^an) hervor, denn er bewirkt, daß selbst in den perfischen Breitegraden die tägliche Fastenzeit zwischen neun und sechzehn Stunden variirt. In der vormuselmanischen Epoche lag seit dem grauesten Alterthum das Sonnenjahr der Zeitrechnung zu Grunde, dessen Einsetzung dem fabelhaften Kaianioenkönig Dschem oder Dschemsid zugeschrieben wurde. Immerhin bleibt es bemerkenswerth, daß man demselben König auch die Ersin- 368 dung oder Verbesserung des Pflugs zuschrieb, da allerdings ein fortgesetzter Landbau ohne regelmäßig wiederkehrende Iahresperioden nicht wohl möglich ist. Der Islam schaffte natürlich alle heidnischen Feste ab, und man darf annehmen, daß der kluge Mohammed hauptsächlich deshalb statt des bis dahin geltenden Sonnenjahrs das Mondjahr einführte, um in die Daten der alten, zum Theil noch zäh im Volk haftenden Festtage Verwirrung zu bringen; die agrarischen Verhältnisse lagen ihm als Nomaden zu fern, als daß er auf dieselben hätte Rücksicht nehmen sollen. Nur die Feier des Neujahrsfestes (nauru?), die zu tief mit dem iranischen Stamm verwachsen war, wagten die spätern Gesetzgeber und Eroberer nicht anzutasten. Man fand eine plausible Form für deren Fortbestand, indem man sie dem Andenken der Siege des vierten Chalifen, des in Persien besonders hochverehrten Ali, weihte. Der Nauruz ist daher auch der einzige Feiertag, welchen die Schiiten mit den im Lande lebenden Gebern (Parsen) gemein haben. Erst unter der Regierung des Seloschukioenfürsten Melik Schah Dschelal-eddin stellte der gelehrte Astronom Chadsche Nässir genaue Beobachtungen an, welche eine Wiederannäherung an das alte Sonnenjahr zur Folge hatten. Doch kennt auch das persische Sonnenjahr keine Schalttage; es beginnt mit der Secunde, wo die Sonne in das Zeichen des Widders tritt; sein Anfang fällt also in die verschiedenen Tag- und Nachtstunden der Frühlingsäqumoctien. Das Neujahrsfest ist epochemachend im öffentlichen und Familienleben des Persers und kann in mancher Beziehung mit der in einigen Ländern Europas üblichen Weihnachtsfeier verglichen werden. Schon zwei bis drei Monate vorher beginnen die Vorbereitungen dazu. Fabelhafte Massen von Süßigkeiten (seinrini) werden in den Städten Ispahan und Iezd fabricirt und von dort mit Karavanen durchs 309 ganze Land verschickt. Der Verbrauch in diesem Artikel übersteigt alle Vorstellungen. Ohnehin sind die Perser jcden Alters und Geschlechts große Freunde von Süßigkeiten; am Nauruz aber muß auch der ärmste sowol einen Vorrath davon im Hause haben, als auch seinen Freunden und Verwandten dergleichen zuschicken. Nirgends fehlen, in besserer oder schlechterer Qualität, die Fladen aus Gez-Manna; nächst diesen sind Candis, Zeltchen, überzuckerte Mandeln, verschiedene canoirte Samen und Früchte, mit Butter und Fettschwanz versetzte Pasten u. s. w. allgemein beliebt. Die ärmsten Klassen behelfen sich mit Traubensirup (««Iiirk) statt des Zuckers zur Bereitung ihrer Schirini. Aber was es auch toste, das Jahr muß süß beginnen. Neben den Süßigkeiten werden Früchte, die man sehr künstlich aufzubewahren und bis zum Nauruz frisch zu erhalten versteht — Melonen von Ispahan und Kum, Trauben, Granatäpfel von Saweh, Birnen von Nätäns, Aepfel von Demawend —, in riesigen Ladungen verschickt. Einer alten Sitte gemäß läßt man auf Tellern Gerste, Weizen, Linsen und Kresse keimen, sodaß eine liebliche kleine Rasenfläche entsteht, welche demselben Gebrauch zufolge am dreizehnten Tage, dem letzten des Festes, auf die Gasse geworfen wird. Wer es irgend zu erschwingen vermag, besonders aber jede Frau, legt am Nauruz ein neues Gewand an. Die Fabrikation und der Verkauf von Stoffen gehen daher um diese Zeit am stärksten, und manches Haupt einer zahlreichen Familie muß alle Mittel aufbieten, selbst Schulden machen, um dein unumgänglichen Bedarf zu genügen. Vorzüglich sind die seidenen Pluderhosen, worauf sich die Wünsche der Frauen concentriren, die Klage und Verzweiflung der Männer. Der Schah empfängt aus allen Theilen des Landes Geschenke (^likiLcii) an Shawl-, Seiden-, Woll-, Polat, Peisicn. I. 24 370 Kamelot- und Baumwollstoffen, während er seinerseits das ganze Personal seines Harems sammt der zahllosen Dienerschaft zu beschenken, sowie den Staatsbeamten nnd Gouverneuren Ehrenkleider (ckaiat) zu überschicken hat. Bis vor etwa zehn Jahren erhielten sogar noch der uralten Sitte des Dschemschid gemäß fast alle Diener nnd die Offiziere der Armee jeder einen Shawl im Preise von 8—100 Dukaten, die hohen Würdenträger und Gouverneure aber fertige, bis 400 Dukaten kostende Tunicas (Ü8ckudd6) aus Shawl, mit Perlenquasten und Goldtressen besetzt, vom König verehrt. Die hierzu erforderlichen Ausgaben waren ebenso belastend für den Staatsschatz als erträgnißlos für den Empfänger; denn schon beim Einkauf wurden die angewiesenen Summen fast zur Hälfte unterschlagen; alsdann schnitt sich der Ueber-bringer ein Stück von dem Shawl ab, um es zu verkaufen; endlich.muhte der Beschenkte für die Ehre der königlichen Spende wenigstens den vollen Werth des Erhaltenen in Geld entrichten. Seit dem Jahre 1854 wurden deshalb die offtciellen Gaben auf die Minister, die höchsten Würdenträger, die Gouverneure und die anwesenden europäischen Gesandtschaften beschränkt mit Ausnahme der englischen, welche von jeher das Geschenk ablehnte. Für die Gouverneure der Provinzen hat übrigens das königliche Ehrenkleid die Bedeutung einer wirklichen Investitur; das Ausbleiben desselben gilt als Zeichen für die bevorstehende Amtsentsetzung, denn am Nauruz muß der Gouverneur entweder in seiner Würde bestätigt oder ihm ein Nachfolger designirt werden. Vor sieben Jahren wurde eine Verordnung erlassen, wonach die sämmtlichen Gouverneure sich zum Nauruz in der Residenz einfinden sollten; natürlich war es dabei auf die von ihnen mitzubringenden Geschenke für den König und die Minister (kaääisk) abgesehen. Allein der Befehl kam nie zur Ausführung, sondern es blieb wie 371 früher beim Chalat. Man sieht daher um diese Zeit königliche Kämmerlinge als Neberbringer der Ehrenkleider nach allen Richtungen dcs Landes abgehen. Der pomphaften Mission entsprechend, reisen sie mit großem Gefolge von Dienern, Handpferden (^üsk) und Lastthieren. Der Gouverneur, begleitet von seinen Secretären und Dienern, zieht dem königlichen Sendboten einige Meilen entgegen; vor einem reichlich mit Süßigkeiten und Früchten versehenen Zelt steigt er vom Noß und empfängt mit derselben Ehrerbietung, als stände er vor dem Schah selbst, das Ehrenkleid, welches ihm von dem Kämmerling über die Schulter geworfen wird. Die ganze Ceremonie heißt davon Chalat puschan. Nachdem man im Zelte Süßigkeiten, Thee, Kaffee u.nd Nargileh genossen, kehrt der Investirte unter steten Glückwünschen in seine Behausung zurück. Nun muß er für namhafte Geschenke an den Schah sowie für nicht minder reiche Gaben an den Premierminister und andere dem Thron nahestehende Personen Sorge tragen, damit sie im Gespräch mit dem König seiner in Gutem gedenken, wenigstens nichts Nachtheiliges von ihm sagen. Oft ist die Summe, für welche ihm das Chalat geschickt wird, schon im voraus festgesetzt. Selbstverständlich liegt ihm die glänzende Verpflegung des Kämmerlings und seines zahlreichen Trosses ob; er hat demselben aber auch noch. ein baares Geschenk von 800—2000 Dukaten einzuhändigen, damit er bei seiner Zurückkunft an den Hof viel von der Tugend und Gcrechtigkeitslicbe dcs Gouverneurs spreche, und von dem überglücklichen Zustand, in welchem sich seine Provinz befinde. Der Schah versäumt nie, sich bei den Zurückkehrenden nach dem Ertrag ihrer Mission zu erkundigen; er schickt seine Lieblinge dahin, wo das meiste für sie zu gewinnen ist, und Wehe dem Gouverneur, der bei solcher Gelegenheit sich knickerig zeigen wollte! Da der Ueberbringer dcs Chalat in der Ncgel auch noch Pferde, 24* 372 Teppiche, Eunuchen und andere Sklaven zum Geschenk erhält, so vermag die Sendnng in eine gute Provinz den zerrütteten Vermögensverhältnissen eines Mannes gründlich wieder aufzuhelfen. Spwie der König im großen, muß jeder in seinem kleinern Kreis den Dienern und Clienten Geschenke zukommen lassen, die jedoch zumeist nur in Kleidern von Tuch uud Nanking bestehen. Einige Tage vor dem Feste schreitet man zum Scheuern der Wohnungen und zum Ausklopfen der Teppiche (f^8e1i-tskun), und zwar geschieht letzteres nur dies eine mal im Jahr, obgleich von den Dienern häufig der zusammengekehrte Staub unter die Teppiche verborgen wird. Um das Farsch-tekun ill, der königlichen Wohnung vornehmen zu lassen, begibt sich der Schah nach einem seiner Lustschlösser und verweilt daselbst, bis das Geschäft vorüber ist. Zwei bis drei Wochen vor dem Nauruz strömen die Derwische aus den verschiedenen Theilen des Landes in die Städte. Sie stellen sich ihrem Chef, dem Derwisch-Baschi, vor und erhalten von ihm Anweisung auf Unterkunft bei den wohlhabenden Einwohnern. Vor dem ihm Zugewiesenen Hause angekommen, schlägt der Derwisch seinen mit eiserner Spitze versehenen Stock in die Erde uud ruft mit gellender Stimme sein Losungswort: „^ klckk!" (Göttliche Wahrhaftigkeit!) Hierauf lehnt er ein Halbzelt neben die Hausthür, gräbt rings umher den Boden auf, säet Gerste und einige Frühlingsblumen, nnd richtet sich völlig heimisch ein. Der Wirth hat die Pflicht, für seinen Unterhalt zu sorgen und Nach dem Fest ihm ein hübsches Sümmcheu als Viaticum zu schenken. Unterläßt er es, so setzt sich der Derwisch mehrere Monate an seiner Hausthür fest, während welcher Zeit derselbe verpflegt werden muß und überdies die Aus-und Eingehenden mit seinem unaufhörlichen Ruf: „<1a kakk!" 373 und durch den gellenden Ton einer aus Steinbockshorn gefertigten Posaune belästigt. Einen Derwisch barsch abzuweisen, wagt niemand; man scheut das allgemeine Vorurtheil . sowie den Fluch und die Nache seiner sämmtlichen Genossen. An dem letzten dem Fest vorhergehenden Tage begibt sich alles in die Bäder, wo die Haare schwarz und die Nägel gelb gefärbt werden. Die Parsen bestreichen sogar den ganzen Körper, das Gesicht ausgenommen, mit Henna, um sich einen gelben Teint zu verschaffen. Bei Hofe wird der Eintritt des Nauruz, fände er auch erst um Mitternacht oder noch später statt, durch einen Salam (öffentliche Audienz) gefeiert, zu welchem nur Priester, Seide, hohe Staatsbeamte von der Kategorie der Mukareb el Chakan, d. i. die zum König freien Zutritt Habenden, und einige Stabsoffiziere geladen werden. Man versammelt sich in einem inmitten des königlichen Gartens (äiw^ucliluik) gelegenen Kiosk, der einen geräumigen achteckigen Saal mit Bassin und Springbrunnen bildet. Der untere Theil der Wände, aus weißem Marmor bestehend, ist mit Neliefsculpturen und zierlich in Gold und Blau ausgelegten Arabesken reich und geschmackvoll decorirt; der obere Theil und der Plafond sind ganz mit Spiegelglas belegt. Den Boden bedeckt ein kostbarer persischer Teppich von zartein Muster und lebhaften Farben. In einer tiefen Fensternische liegt, etwa um eine Spanne erhöht, ein mit Perlen gestickter Scidenteppich und darauf ein rundes Polsterkissen von Brocat, mit Perlenquasten verziert. Es ist der für den Schah bestimmte Sitz. Nach und nach füllt sich der Saal mit den Mukareb el Chakans; an ihrer Spitze der Premierminister, mit Chalat bekleidet und in der Rechten einen hohen mit Diamanten besetzten Stab haltend, während draußen vor den Fenstern die Offi- 374 ziere der Armee, in Reih und Glied postirt, des entscheidenden Moments harren. Etwa zwanzig Minuten vor dem Jahreswechsel erscheint der Schah. Er trägt ein so schwer mit Perlen, Smaragden und Rubinen besetztes Staatskleid, daß er nur mit Mühe unter dessen Wucht sich fortbewegen kann. Auf seinem Haupt sitzt die schwarze Lammfellmütze, ebenfalls von Diamanten strotzend und überragt von dem mächtigen Neiherbusch (äsHi^sli), der oben in einen breiten Bart von buntfarbigen, gesponnenen Glasfäden endet. Vor und hinter den Ohren wallt, der herrschenden Mode gemäß, eine Haarlocke hervor. Um jeden Arm schlingt sich eine goldene Spange; die eine enthält den großen Krondiamanten äari«. 6nuui-(das Meer des Lichts), eine große, flache Tafel von reinstem Wasser, die andere den in Delhi erbeuteten größten Rubin der Erde, auf dessen Basis die Namen sämmtlicher Mogolen-herrscher eingravirt sind. Der Gürtel von Goldtressen, vorn durch eine reich mit kostbaren Steinen besetzte Platte geschlossen, Epauletten aus Demantschnüren und ein Hindusäbel mit ebenfalls reich incrustirtem Griff ergänzen den pompösen Anzug. Beim Eintritt in den Saal ist der König von einem Eunuchen und einigen Kämmerlingen begleitet. Er schreitet auf seinen Platz in der Fensternische zu, setzt sich mit unterschlagenen Beinen auf den seidenen Teppich und lehnt sich gemächlich an das Polsterkissen. Unmittelbar nach ihm treten einige Mutschtehiden-Seiden (Priester höhern Rangs) ein und nehmen, einer altew Prärogative zufolge, ohne dessen Erlaubniß abzuwarten, neben dem König Platz. Dieser richtet einige »Worte an sie, gewöhnlich das Wachsthum der Macht und der Heilighaltung des Islam betreffend, worauf sie stets etwa Folgendes erwidern: „Unter dem Schatten Euerer Majestät, dem Asyl des Glaubens, schlägt die Religion 375 immer tiefere Wurzel und verringert sich täglich die Zahl der Ungläubigen" (katir). Hierauf hält der Schah die offi-cielle Ansprache an den Premierminister, worin er ihn nach den neuesten Berichten aus den Provinzen fragt. Der Minister antwortet in langer, wohlgesetzter Rede: „Der Regen und die Barmherzigkeit Allahs stiegen auf die Gefilde und Fluren herab, alles gedeiht unter der gesegneten Hand, überall herrscht Fülle und Ueberfluß" — obwol notorisch in einigen fernen Provinzen die Bewohner vom Mangel aufgerieben werden —; er berichtet ferner über den Fortschritt der Gewerbe, der Künste und der Civilisation überhaupt — welches europäische Wort er stets im Munde führt, ohne den Unlfang seiner Bedeutung zu ahnen —, über die Siege der ruhmreichen Armee, über die Bauten von Brücken, Kara-vanserais und Straßen — welche meist nicht existiren —, und schließt damit, daß unter einem solchen Hort der Segen von Tag zu Tag nothwendig sich mehren müsse. Indessen naht der entscheidende Moment, nur wenige Minuten fehlen noch. Der ni^m si ulsma (der Chef der Oottesgelahrten) schreibt mit Goldlösung auf eine weiße Porzellanschale die neue Jahreszahl und darunter einen Segenswunsch. Iotzt geben die Sternkundigen das Zeichen, eine Kanone wird abgefeuert und der Hofastronom kündigt dem König feierlich an, das neue Jahr habe begonnen. Sofort rufen die anwesenden Priester und Würdenträger ihr ,MiVd5n-ük düä!" (Es sei gesegnec!) Vom Finanzminister werden dem Schah mehrere Säcke voll neugeprägtcr kleiner Gold- und Silbermünzen gereicht. Der Schah schüttet den Inhalt auf ein großes Silberplateau, mischt ihn durcheinander und vertheilt an jeden der Eingeladenen einige Stücke davon; denn cs gilt als gutes Omen (iuu)'m<3U6t), in der Stunde des Iahrswechsels neue Münzen zu empfangen. Der Ncihe nach treten die Priester, die Minister und dann 370 die übrigen im Saal befindlichen Personen einzeln vor, und jeder fängt in den znsammengehaltenen Hohlhänden die Spende auf, welche er zum Zeichen des Dankes an Herz und Stirn drückt. Zuweilen richtet der Schah einige verbindliche Worte an den Empfänger. In derfelben Reihe verlassen die Beschenkten den Saal. Der Schah jedoch bleibt, von den Hofchargen umgeben, auf seinem Platz und vertheilt nun in gleicher Weise auch an die Draußenstehenden durch das offene Fenster die königliche Gabe. Die Ceremonie (^äe-tak^i, das Fest der Austheilung) dauert an zwei Stunden. Nach Beendigung derselben zieht sich der König ermüdet in die innern Gemächer zurück. Die Gebräuche beim Eintritt des Nauruz, wie sie in den ältesten Zeiten stattfanden, beschreibt der gelehrte Richardson folgender Art: „Kurz vor dem Eintritt des Jahreswechsels wurde ein wohlgestalteter Jüngling, allegorisch das neue Jahr darstellend, an die Thür des königlichen Schlafgemachs postirt. Im Augenblick, wo die Sonne über d^n Horizont erschien, trat er unangemeldet ein. Der König fragte ihn: «Wer bist du? Woher kommst du? Wohin gehst du? Wie heißt du? Was bringst du?» Worauf der Jüngling erwiderte: „Ich bin beglückt und gesegnet; ich bin von Gott zu dir geschickt; ich bringe das neue Jahr.» Ein anderer brachte eine Schüssel voll Weizen, Bohnen, Linsen, Sesam und Neis, ferner einen Klumpen Zucker und zwei neugeprägte Münzen. Dann überreichten die Minister und Würdenträger des Reichs einen Laib Brot. Der Schah kostete davon und vertheilte das übrige unter die Anwesenden, wobei er die Worte sprach: «Das ist der neue Tag des neuen Jahres der neuen Zeit, wo alles Bestehende sich erneuert.» Zuletzt beschenkte er die Großen mit neuen Gewändern und andern Gaben." Man ersieht aus» dieser Schilderung, daß die Gebräuche, wenn auch nicht ganz, doch 377. im wesentlichen bis auf den heutigen Tag dieselben geblieben sind. Das Fest, welches mit dem Nauruz beginnt, dauert dreizehn Tage. Während dieser Zeit ruhen fast alle Geschäfte; man widmet sich ausschließlich der Erholung, den Freuden des Familienlebens sowie gegenseitigen Besuchen und Gratulationen. Fällt jedoch das Nauruzfest in den Fastenmonat Namazan, so wird nur die Nacht zu Belustigungen benutzt, den Tag über hingegen gefastet; denn welche Concessionen auch in Betreff der Feier gemacht worden sind, die Fasten, auf welche sich das Fundamentaldogma des Islam gründet, blieben davon unberührt. Nur der erste Tag trägt eigentlich ein religiöses Gepräge. Der zweite ist ein großes, allgemeines Volksfest. Schon am frühen Morgen wimmelt es auf allen Straßen uud öffentlichen Plätzen. Jedermann trägt ein neues Kleid, und da die hellen Farben am beliebtesten sind, sieht man grün-, gelb-, blau-, rothgekleidete Scharen bunt durcheinanderwogen; die Frauen freilich müssen ihre neuen Gewänder unter dem dunkelfarbigen Domino verbergen. Bekannte, welche sich begegnen, drücken einer die gefalteten Hände des andern und umarmen sich unter dem Nuf: „H^ä insdai-sk!" (Gesegnetes Fest!) Ein Untergebener spricht und empfängt den Glückwunsch, indent er mit beiden Händen die eine Hand seines Herrn oder Gönners umfaßt. In den Prunksälen sitzen der Großvezier und der Kriegsminister, mit dem Chalat bekleidet, und um sie herum die Prinzen und Würdenträger in ihren Staatskleidern. Beim Einnehmen der Sitze wird sehr streng auf Rang und An-ciennetät gehalten; man preßt sich in die unbequemste Lage, blos um sein Necht zu behaupten. Jeder Eintretende begrüßt den Vezier mit dem Wunsch,,^l m^rsk", welchen dieser mit derselben Formel erwidert. Zuerst werden Süßig- 378 ketten und Scherbets herumgereicht; dann ertönt der Ruf: „Xbaliäu diiv-!" (Bringt das Nargileh!) und sofort stürzen an fünfzig Diener in den Saal, jeder eine reich mit Silber, Gold, Edelsteinen und Email verzierte Pfeife in der Hand tragend. Sie fuchen einander in der Bedienung ihres Herrn zuvorzukommen, um hierdurch dessen Vorrang anzudeuten. Bald hört man nichts als ein allgemeines Brodeln, wie wenn einige hundert pneumatifche Wannen in einem chemi-mischen Laboratorium in Thätigkeit wären; der Saal füllt sich mit dichtem Qualm, der jedoch durch die geöffneten Fenster in Strömen wieder entweicht. Auch alle übrigen Stände bringen dem Großvezier ihren Glückwunsch dar, doch ziehen sie nur von außen an dem Fenster, an welchem er seinen Sitz hat, vorüber. Den Schluß bilden die Poeten (so^aöi-ä), welche das Lob des Veziers in Ghaselen besingen. Er wird von ihnen mit dem salomonischen mythischen Minister Wassaf und andern großen Divangclehrten verglichen, sein Stamm wird verherrlicht, die Weisheit, womit er Segen über das Land verbreitet, gepriesen, u. s. w. Jeder Poet recitirt laut das Product seiner Muse, und es gehört ein nicht geringer Grad von Geduld dazu, um alle die sinnlosen Hyperbeln, welche nur der schönen Reime und des zu erwartenden Geschenks halber erfunden sind, mit anzuhören. Dennoch unterbricht häusiges bai-ik-aiiali, ^i-in (Bravo) die Declamation. Nach Anhörung eines besonders schlechten Gedichts wandte sich der Minister lächelnd mit der Frage an mich, ob ich die persische Poesie bereits gut verstünde. Ich konnte mich der ironischen Antwort nicht enthalten: „Wie sollte ich das, da Ihr selbst diese Poesie nicht versteht!" Unterdessen hat der Schah gebadet, das Frühstück eingenommen, festliche Toilette gemacht und von den Kronjuwelen die kostbarsten ausgewählt, um sich damit zu 379 schmücken. Nun gibt er den verschiedenen europäischen Gesandtschaften in dem mittlern Spiegelsaal, der Pfauensaal genannt, weil sich darin der Pfauenthron aus Delhi befindet, eine feierliche Audienz zur Empfangnahme ihrer Glückwünsche. Die Gesandten erscheinen in großem Galaanzug und begleitet von ihren sämmtlichen Hausofficianten. Nach geschehener ceremonieller Anmeldung betreten sie, durch den Hofceremonienmeister (isilc 232,331 dasclii) eingeführt, den Saal. In früherer Zeit mußten sie sich vor der Thür ihrer Fußbekleidung entledigen und der Audienz stehend beiwohnen. Aber 182U im Frieden von Turkoman-tschai wurde von Rußland die Aufhebung dieses demüthigenden Zwangs ausdrücklich zur Bedingung gemacht; um nun den Russen keinen besondern Vorzug einznräumen, entschloß man sich, auch den andern Gesandtschaften gegenüber von dem bisherigen Vrauch Abstand zu nehmen. Noch heute jedoch empfindet der Schah die abgedrungcne Concession sehr schmerzlich; denn erstens werden durch das Vetretcn mit Schuhen aus unreinem Leder, an denen außerdem vielleicht auch Gassenstaub haftet, die Toppiche gesetzlich verunreinigt und müßten eigentlich unmittelbar danach gewaschen werden; zweitens verletzt das Niedersitzen in Gegenwart des Schah, das nicht einmal einem Prinzen, nicht dem eigenen Kind, sondern nur den Seiden-Priestern erlaubt ist, seine Autorität. Er sucht daher in gewöhnlichen Audienzen dem Dilemma zu entgehen, indem er, hinter einem Vorhang hervortretend, die Gesandten selbst stehend anredet, oder die Bedeutung der unangenehmen Licenz dadurch abzuschwächen, daß er seinem Großvezier ebenfalls einen Sitz anbietet. Vei der Neujahrscour indeß werden seitdem einige Minuten vor der Ankunft der Gesandten Sessel für sie hingestellt. Während der Audienz soll zwar niemand in dor Nähe des Saals sich aufhalten, theils damit die Fremden nicht sitzend vor dem Schah gesehen werden. 380 theils danlit die gepflogenen Verhandlungen nicht in die Oeffentlichkeit gelangen. Allein es scheint, daß die Wände Ohren haben, denn selten bleiben die vom Schah gesprochenen Worte verschwiegen. Sobald die Gesandtschaft eines Staats sich verabschiedet hat, tritt auf ein gegebenes Zeichen das Personal einer andern ein. Vom Schah begeben sich die Gesandten in derselben Ordnung zum Großvezier, wo sie nnt Scherbet, Süßigkeiten und Pfeifen bewirthet werden. Gegen Mittag ertönt das Signal zu der großen öffentlichen Audienz (saiain 6 aain), welche an diesem Tag im Saal des Sulimanthrons (iü1ü,i>6-taclit'6-8ui6^mnn) abgehalten wird. Der geräumige, erste Hof füllt sich mit Offizieren und Civilbeamten. Letztere werden vom Ceremonienmeister nach ihrem Rang in zwei Reihen geordnet. Vor und zwischen ihnen stehen die reich mit Teppichen und Shawls geschmückten, ihre buntgefärbten Rüssel emporhebenden Elefanten und eine Giraffe, welche wesentlich zum Pomp des Salams gehören. Ein Strauß, der ebenfalls viele Jahre zur Verherrlichung des Salams diente, starb leider an Indigestion. Am Ausgang des Hofs führen einige Stufen zu einer erhöhten Plattform empor. Die Geländer derselben sind mil Blumen, Früchten und Schirini besetzt. Im Vordergrund enthält sie ein weites Bassin mit Springbrunnen; der hintere Raum aber endet in einen großen, prächtigen Spiegelsaal, welcher den sogenannten Thron des Suliman umschließt. Zwei schöne Marmorsäulen tragen die Facade des Saals; sie wurden zur Zeit des ersten Kadscharen-schahs Agha Muhamed Chan mit unsäglicher Mühe auf ungebahnten Wegen, über Berg, Fluß und Thal, meist durch Menschenhände von Schiraz nach Teheran transportirt. Vor dem Bassin erwartet der Großvezier den Schah, an seiner Seite stehen die königlichen Prinzen, einige Chane aus der Kadscharenfamilie und eine Anzahl rothgekleideter Scharf- 381 richter mit Ruthen und Beilen. Königliche Garden, mit langen Stäben bewaffnet, halten die Ordnung aufrecht; außerdem liegt in der Nähe ein Bündel Ruthen, damit auf ertheilten Wink augenblicklich die Strafe der Bastonnade vollzogen werden kann. Ein Kanonenschuß verkündigt das Erscheinen des Schah. Derselbe besteigt den Sulimanthron und läßt sich langsam mit unterschlagenen Beinen darauf nieder. Sein Gewand ist dermaßen mit Juwelen überladen, daß vom Reflex der Sonnenstrahlen das Auge geblendet wird. Zur Seite des Throns stellen sich der Reichsschildträger (^lisi-ä^r) und der Scepterträger (tn.puxä«.r) auf. Alsbald beginnt ein wahrhaft betäubendes und oft ohrzerreißendes Getöse; es wird nämlich eine Salve von hunderteinundzwanzig Kanonenschüssen gegeben, und gleichzeitig stimmt am Eingang des großen Platzes (m^citln) die königliche Hauskapelle (nZLFkärL-okän6k), aus etwa vierzig Spielleuten bestehend, auf Hörnern, Zinken, Trompeten, Kesselpauken, Schalmeien, eine barbarische Musik an. Die Näkare Chanel) ist eine, wie es heißt, von Dschemschid eingeführte Prärogative des Königs. Sie producirt sich jeden Tag bei Sonnen-Aufgang und -Untergang, spielt ferner zur Feier großer Feste und Siege, und begleitet den König überall auf seinen Reisen. Nur Prätendenten wagen es, sich ebenfalls eine eigene Kapelle zu halten, und legen eben dadurch ihre Prätentionen an den Tag. Man kann sich in der That von diesen Mistönen keinen Begriff machen; dennoch gewöhnen sich die Menschen daran, nur Pferde, welche zufällig in die Nähe kommen, werden scheu und gehen mit ihrem Reiter durch. Außerdem bemühen sich auch noch verschiedene Militärmusikbanden, die einen europäische, die andern persische Weisen spielend, die Kanonen, die Näkare-Chaneh und das Plätschern der Springbrunnen zu übertönen. 382 Sobald der Schah auf dem Thron Platz genommen, verneigen sich alle Umstehenden tief mit Einschluß der Elefanten, welche theils hierzu dressirt sind, theils durch die Stachel der Treiber gezwungen werden. Der erste Kammerdiener des Salam, mit Tiara und Hermelin bekleidet, reicht dem Schah ein Täßchen Kaffee und entfernt sich, rückwärts schreitend, um das mit Edelsteinen geschmückte Narghile zu holen. Der König schlürft den Kaffee vor allem Volk und thut einige Züge aus dem Nargileh. Nun beginnt er einen Dialog mit dem Großvezier, eine Art Thronrede in Form von Fragen und Antworten, obgleich bei dem anhaltenden Lärm und der Distanz von etwa 60 Fuß unmöglich einer den andern verstehen kann. Fragt z. B. der Schah, ob die Wege sicher und von den Karavanen ohne Gefahr zu passiren seien, so antwortet der Vezier: „Das Wetter ist günstig und ladet Ew. Majestät zu Iagdausflügen ein." Der König spricht dabei über seine Plane für den kommenden Sommer, über die projectirten Reisen und Expeditionen, doch ist diesen Vorsätzen kein großer Werth beizulegen, da sie durch den Einfluß seiner Umgebungen gewöhnlich starke Modifica-tionen erleiden. Während dieser Conversation läßt sich der Schah noch drei Täßchen Kaffee und drei Nargileh serviren. Nach Beendigung derselben bringt der älteste Oheim, dem Thron näher tretend, seine Glückwünsche dar, welche der Schah mit einigen verbindlichen Worten beantwortet. Sodann spricht der Chatib baschi (der für das Wohl des Königs Betende) mit gellender Stimme die Chutbeh (Gebet für die Dynastie). Bei der Stelle „der Sultau, Sohn des Sultans, Nachkomme der Sultane, der Chagan, Sohn des Chagans, Nachkömmling der Chagane — Nassereddin — Schah der Khad-scharen" beugt sich wieder alles Volk sammt den Elefanten 383 tief zur Erde, und nur die Giraffe überragt mächtig die ganze Versammlung. Ist der Chatib mit dem Gebet zu Ende, so zieht der Hofpoet (8oks3in8 68H-8ckilIi6i'ii, die Sonne der Sänger) ein Manuscript aus dem neuen Shawl-Ehrenkleid und liest ein von ihm gedichtetes Ghasel zum Preise des mächtigen Herrschers, des Königs der Könige, vor. Mit den Reizen des Frühlings, der milden Luft und der nie fehlenden Gul und Bulbul(Rose und Nachtigall) beginnend, kommt er mit einem kühnen Uebergang auf die Körperschönheit, Stärke und Tapferkeit des Königs und auf dessen Kämpfe mit Löwen und Tigern. Kein Glied, selbst nicht das geheimste, bleibt von seiner Phantasie verschont. Dann besingt er die königlichen Kriegsthaten und ermahnt den Welteroberer, da er mit Rum (Konstantinopel) bereits fertig geworden, noch den kleinen Brocken China nicht zu verschmähen. Besonders die letzten Endreime betont er nach persischer Sitte mit Stentorstimme, die noch lange nachher in den Ohren klingt. In manchen Jahren wird noch ein Kurier vorgeführt, im Neitanzng, ganz mit Staub bedeckt, als sei er soeben vom Pferde gestiegen, der von neuen Siegen über die Turko-manen Bericht erstattet. Oder zufällig anwesende Deputirte aus den tributpflichtigen Reichen Afghanistan, Sistan, Ve-luoschistan bringen ihre Huldigung dar; so sah ich deren aus dem Stamme der Hezare aus Afghanistan. Zum Schluß vertheilt der Finanzminister an die Umstehenden neue Silbermünzen. Der Schah erhebt sich und kehrt in gemessenem Schritt in den Harem zurück. Hiermit ist der Salame aam beendigt. Eine halbe Stunde danach beginnen die öffentlichen Spiele auf dem großen Meydan (m^cllm-s-tudHäneli). Der König sieht von einem Balkonfenster dem Treiben zu; 384 m zwei Seitenlogen ist das Personal der europäischen Gesandtschaften placirt. Auf den platten Dächern der das Meydan umgebenden Gebäude stehen Kopf an Kopf gedrängt verschleierte Frauen und buutgekleidete Kinder. Unten auf dem Platze führen Pahlewans (Athleten), welche sich das ganze Jahr hindurch in den Turnhallen (xuroi^neli) geübt haben, ihre Ningkämpfe auf. Es sind nackte, kräftige Gestalten; nur eine steife Hose bedeckt die Lenden, Gesicht und Kopf sind glatt rasirt bis auf den Schnurrbart und einen vom Wirbel herabhängenden Zopf. Lauernd beobachtet jeder die Bewegungen seines Gegners; jetzt glaubt er den günstigen Augenblick gekommen, ihn um den Leib zu fassen; durch einen raschen, unvermutheten Kunstgriff streckt er ihn zu Boden, setzt seinen Fuß auf den Besiegten und wirft ihn dann zur Belustigung der Zuschauer in das nahe Bassin. Gaukler auf Pfählen und Stelzen, Seiltänzer, Harlekine, als Bären oder Löwen verkleidete Clowns tummeln sich durcheinander. Von Zeit zu Zeit wirft der Schah kleine Gold- und Silbermünzen in das dichte Gewühl herab, die man zu. erHaschen und sich abzujagen sucht. Löwen und Tiger aus den Wäldern Masanderans, Leoparden aus Ara-bistan, nur lose an Stricken gehalten, promeniren dazwischen umher. Affenhüter aus Schiraz produciren die Schwanke ihrer abgerichteten Thiere. Im Vordergrund stehen die Elefanten und die Giraffe als stumme Zuschauer. Hier wird ein Kampf zwischen zwei Argaliwiddern veranstaltet; die Thiere rennen wüthend gegeneinander und müssen schließlich, damit sie sich nicht tödlich verletzen, mit Gewalt getrennt werden. Dort geben Afghanen interessante Scheinkämpfe mit Schild und Säbel zum besten. Sie sind als ebenso kühne wie gewandte Streiter (8oii6in8ckiri, Säbeltnndige) bekannt, und ihr Schwert ist im ganzen Orient gefürchtet. Früher fand auch die öffentliche Aufführung obscöner Farcen statt; unter 385 der gegenwärtigen Negierung aber wurde dieser Skandal abgeschasst. Zur Vervollständigung des wüsten Lärms läßt die Näkare - chaneh ununterbrochen .ihr Charivari erschallen. An einem der folgenden Tage gibt die Königin-Mutter (Valideh) in ihren Gemächern einen Fraum-Salam für die Prinzessinnen und deren Gefolge, zu dem auch die Damen der europäischen Botschafter geladen werden; man nennt diesen Salam spottweiso ä8okuin6li-I)Ä2ü,r (Ausverkauf). Obwol das theo-demokratische Gesetz des Propheten in dieser Beziehung keinen Unterschied kennt zwischen Fürst und Volk, maßt sich doch der Schah das Necht an, ebenfalls Zu erscheinen und die anwesenden Frauen unverschleiert zu sehen. Ja er zeichnet Caricaturm von den dabei vorkommenden Scenen, die oft noch lange nachher dem Hofe zur Belustigung dienen. Auch den Damen werden nämlich neue Münzen nicht nur ausgetheilt, sondern auch zum ErHaschen hingeworfen, und es sollen dabei hitzige Kämpfe geführt werden, in denen man gegenseitig nicht eben schonend mit den kostbaren Toiletten umgeht. Die Validch macht die Honneurs des Hauses; sie fragt auch die europäischen Frauen nach ihrem Befinden. Letztere bilden überhaupt den Gegenstand der allgemeinen Aufmerksamkeit und Neugier. Ihre Physiognomie wird angestaunt, ihr Anzug mit bewundernden Blicken gemustert. Die übrige Zeit des dreizehntägigen Festes ist Besuchen und Gratulationen gewidmet. In der Reihenfolge der Visiten herrscht eine strenge Etikette. Ueberall werden Süßigkeiten gereicht und genossen. Der König besucht in pomphaftem Auszug die vornehmsten Priester der Stadt, die ihn ihrerseits mit affectirter Einfachheit empfangen, um sich in den Nuf der Armuth und Entsagung zu setzen. Die Veziere statten den europäischen Gesandten ihre Gegenvisite ab und Polal, Pnfien. I. 25 386 benutzen die Zusammenkunft zur Besprechung von Staatsund Privatangelegenheiten, zur Ausgleichung persönlicher Mishelligkeiten imd zu Betheuerungen ihrer Loyalität gegen die betreffenden Cabinete. In den Häusern ergötzen Spaßmacher und Gaukler durch ihre Künste und Farcen; Affentreiber aus Schiraz lassen die drolligen Schwanke ihrer Thiere sehen oder singen unter Begleitung von Tamburinen und Zimbaln, denn sie sind die berühmtesten Lutis des Landes. In Ungnade gefallene Größen werden von ihnen verspottet, indem sie einen Affen denselben ähnlich kleiden und ihn mit Streichen tractiren. So sah ich den Sohn des exilirten Großveziers durch einen Affen darstellen, der eine Shawl-Tunika trug und einen Kamch (Tscherkessenoolch) im Gürtel stecken hatte. Gezähmte Elefanten, Löwen, Tiger und Leoparden werden in die Höfe geführt, wo die Kinder ohne Scheu sich ihnen nahen, ohne daß man von einem Unglück hört. Nur das Pferd kann ihren Anblick nicht ertragen, es bäumt sich und ist nicht von der Stelle zu bringen. Auch Hofnarren (luti Kä8o1ü) gibt es, meist armselige Creaturen ohne Geist und Witz; doch erzählt man von solchen aus frühern Zeiten, die, ohne Furcht vor dem Kopfabschlagen, der Majestät manche Wahrheit gesagt haben sollen. Am neunten oder zehnten Tage findet das Pferderennen (W8x-äm>viwi) statt. Es werden dazu einige Pferde aus dem königlichen Marstall bestimmt; die übrigen müssen die Prinzen, die hohen Beamten und Gouverneure stellen, so gern sich mancher dieser Pflicht entziehen möchte, da viele edle Thiere dabei zu Grunde gehen. Einen Monat lang werden die Rennpferde trainirt (»Äliun Ksräsu), indem man sie täglich in der Bahn laufen läßt und ihnen, um sie mager zu machen, auch des Nachts nur kurzen Schlaf gönnt. 387 Die Länge der Nennbahn beträgt einen halben Phar-sach; sie bildet einen wetten, durch Meilensteine in vier Stationen getheilten Kreis. Gegen Nordost steht ein kleines, unansehnliches Hänschen (iNä,r6t6-N5p.ä6>VÄni, der Rennpalast), worin der König und die Würdenträger dem Schauspiel beiwohnen. Zu beiden Seiten desselben sind Zelte für die europäischen Gesandten aufgeschlagen. Auf einer Plattform gegenüber nehmen die königlichen Spielleute und Tänzer Platz. Ein dröhnender Kanonenschuß gibt das Zeichen, daß der Schah sein Schloß verlassen habe. Er kommt in einem großen Galawagen angefahren. Voranschreitet der große Elefant, mit rothem Tuch behängen und nach indischer Weise ein Zelthäuschen auf dem Nucken tragend. Eine zahlreiche Kamelartillerie, die decorirten Hofchargen und der Oberschatzmeister mit dem kleinen Kronschild verherrlichen den Zug. Dichte Scharen von Stadtbewohnern, zu Fuß oder auf Pferden und Eseln reitend, füllen dcn äußern Naum. Sobald der Schah ausgestiegen, was durch eine Artilleriesalve verkündigt wird, und sich auf den reichen Teppich niedergelassen hat, werden die Pferde einzeln vorgeführt, wobei der Ceremonienmeister die Kennzeichen, die Rasse und den Besitzer eines jeden ausruft. Die Rennen sind in drei Abtheilungen getheilt: in der ersten muß der Umkreis der Bahn sechsmal, in der zweiten viermal, in der dritten nur zweimal durchlaufen werden. Bei dein sechsmaligen Umlauf ermatten die meisten Pferde lange vor Erreichung des Ziels, andere werden dadurch zurückgehalten, daß man ihnen auf Anstiften von Mitbewerbern Sand in die Augen streut. Naht sich das vorderste dem Ziel, so springt der Jockey des Eigners hinzu, fast es mit einem raschen Griff am Zügel und langt gleichzeitig mit ihm an, um den ausgesetzten Preis in Empfang zu nehmen, welchen er in einem Beutel auf dem Kopf davonträgt. Natürlich wird stets dafür gesorgt. 388 daß nicht eine misliebige Persönlichkeit den Preis erlangt und daß vor allen die Pferde des Schah als Sieger hervorgehen. Die Turkomaneurosse bewähren sich zwar in ihren heimatlichen Steppen und auf Naudzügen als die wildesten Renner, an Ausdauer und Intelligenz aber stehen sie den Pferden arabischer Nasse nach, welchen letztern daher fast immer der Preis znfällt. Während der Pausen verkürzen die Spielleute durch Musik und die Tänzer durch ihre lasciven Sprünge und Pantomimen der harrenden Menge die Zeit. Auch die königlichen Läufer haben eine Tour um die Rennbahn zu machen. Dieser Wettlauf von einer halben Meile sieht übrigens anstrengender aus, als er in der That ist, denn nachdem die ersten einen Theil der Bahn durchlaufen, werden sie, ohne daß es das Publikum merkt, von andern abgelöst, diese wieder von andern, bis die letzten scheinbar athemlos das Ziel gewinnen. Den empfangenen Preis theilen die Sieger laut vorherigem Nebereinkommen mit ihren Kameraden. Der Schah nimmt unterdeß ein Frühstück ein und kehrt dann, sehr befriedigt von der Vortnfflichkeit der persischen Pferde, in seine Residenz zurück. Endlich erscheint der dreizehnte, der letzte Tag des Festes. Nach einer alten Tradition sollen an diesem Tag die Häuser mit Einsturz bedroht sein. Es wandert deshalb alles vor die Thore der Stadt den Gärten zu, besonders die weibliche Bevölkerung, welche neben der Furcht vor Gefahr wol auch noch andere Moliuo ins Freie locken. Um diese weibliche Auswanderung einigermaßen zu dcschränken, wird auf Anordnung des Polizeimeisters von jeder durch das Thor Pas sirenden eine kleine Accise erhoben. Hiermit endet das fröhliche Nauruzfest. Dem Bauer dient es zugleich als Zeitabschnitt, wonach er die Bestellung . . 389 des Vodens, die Aussaat und Ernte bestimmt; er weiß, daß dieser oder jener Same zwanzig Tage vor oder nach dem Fest ausgestreut, dieser oder jener Baum soviel Tage vorher oder nachher gepfropft werden müsse. Im allgemeinen ist der Nauruz unter dem schönen Frühlingshimmel Irans ein Fest der Wonne und des Ergötzens; doch bleiben in vielen Haushaltungen wegen der übermäßigen Kosten, die er verursacht, allerdings die Nachwehen nicht aus. Druck vo» F. A. Blockhaus >„ Vrivzil,.