^wz ^f,/, JiM Reise nach Istricn, Dalmaticn und Montenegro. Zweiter Theil. Reise nack Mien, Dalmatien und Montenegro von I. G. ^Vhl. Zwtiter Theil. Dresden, Ar » olb , sche Buchhandlung. R8ä». Sr. Excellenz demHeVVN Carl Ludwig Frchcmi von Bruch K. K. Orstn'ichischcm wivfiichen Gehcinn'tt-Rathr, «itlcr del K, K, O,>str, ftisssne» ,!kvl'»s erstem Kl.issc, dcs K, K, Otstr. Lcopl'ld-Orsc,i^, dco K, Russischs,! St, ^»»eii-Ordsni« erster Ks^issc, des K. Prrich, rotl'e» '?ld!e!°Orde»l' erster Kllisse, dce K. cü>icchlsc>,cn Erll'scrordcns, des Ordrnö ln'u Ordens imd des Hcr^ogl, P,,rn!as>inifä!l'n iischci, St. Gcorgo-Orvcns und Iuhal'er dec« türtischcn i>^o>,«>>i INüinr. als ein germges Zeichen seiner unbegrenzten Verehrung und Hochachtung gewidmet von dem ihm » mit w.mnster Dankbarkeit ergebenen Verfasser. Inhalts Verzeichnis. ill. Nagusl,. Srits, R Das Thal bee Sutorina ......3 Palmbäume. — Straßenach Nagusa. — Ragusische Gränz-regulirung auf dem Carlowitzer Kongresse. — Der Palriotische Kammerdiener. — Wichtigkeit der Sutorina. — Konkurrenten für dieselbe. — Wein- und Maisernte. — Folgen eines Pfeifenrohrschlags. — Der gefangene Hnnd. — Ziegen als Zicrgärtner. V. Das Thal von Vanali........14 Gumanaz, — Italienische Echuhsoldaten, — ,,3i Oin llli'ü^iu," — „Ehnppa Kanawlowska," — Ueberschwcnnn-lingen. — Widerspänstiger Charakter der Canalesen. — Türkische Grundherren nud katholische Unterthanen. — Schmng-gelhandel mit türkischem Taback. — Der betrügerische türkische Tabackhändler. — Salzschmnggel der Türken. — Der Dichter Zermagna und ftiue Verwünschung der Montenegriner. — Die raglisischen Straße». — Felsenplateau. — „Gonüla." — Contrast der Canalesen nnd ihrer türkischen Nachbarn. 3. Ragusa Becchia..........31 Nngenehines Nachtquartier. — ^»'cwm'us 3tagusa Veechias Vorgängerin, — Zerstörungen und Wiedergeburten. — Die Bucht von Brenno und die Blicht «on 8tl> Onl'<>. — Nagnsas Vortheile als Seestadt, — NagusaS Verkehrslinien auf der Laud-seite. — Gnde des illyrischeu Inselarchipelagus. — Specula-tionsgeist der Naguser, — Antike Sculpturen. 4. lFllyrische Flüchtlinge und Uskoken . ^o Transpositioneu der illyrischen Mstenstädte. — DalinatienS ganze Geschichte Uskokengeschichte. — Anblick von Ragusa vom Meere aus. — Lacroma. — ,,<)8t«'ii«io sllni.^." — Die griechischrömische und die slavische Colonie. — „Dubrowmk" uud „Nagusa." ^ Porte Pille und Porta Plocee. — „Monumentale Mauern." — Die Vlasius-Nischen. VI Seitf. 5. Der Palazzo des Rectors von Nagusa 49 Mangel an Hotels in Ragnsa. — Das eiserne Klammerwerk des Palazzo, — Das Säuleneapitäl mit dein alten Alchymisten, — Unschickliche Sculptur. « Prazzato und Vona 54 Prazzato's Bildniß, — Der ragusischeNegnlus, — Ragusische Gesandte in Konstantinopel. — Nagnsas Monnmentlosigkeit. 7. Ituf Fort V. «orenzo........58 Ueberblick Ragusas. — Wildromantische Urnatnr. — Gin Bijou von Stadt, — Nagusa und Montenegro. — Maritime Schweiz. — Nagusa und Genf. — Die I.m^ml lo.^-un» in Ragusa. — Poesie und Wissenschaft in Nagusa. ^ Vernachlässigung der schönen Künste in Nagusa. — Nagusa und Venedig. n. In den engen Straßen Ragusas 72 Standesondernng in Nagnsa. — Die Salamanchesen nnd die Eorbounesen, — Die ,,^itt!><1ini" und ,,.^'ti^ilnil." 9 Das Archiv von Nagusa......7? .,ll .^pol!<^>>s) <^Ii ^luzz^ioi' l^nn^iFliu." — ,,'I'i':zNal,i 'lüi'c^li." — i.I^iklo ^l»tix/.k>." — Slavische Cympathieen der Naguser. — Vernnschnng slavischer nnd italienischer Elemente. — Mischung italienischer und slavischer Namen. — Das I^iliru cl'ui'n und die Statntenbücher. — Patriotisches Gebet. «O. Das Reliquiario und die Rolandsäule 85 Religiosität der Nagnser. — Reliquienschatz. — Nagusas Kirchen. — Zweckmäßigkeit der ragusischen Gebäude. — Sauberkeit von Nagusa. — NagusaS Festungsmauernpanzer. — Der deutsche Noland nnd der ragnsische Orlando. A>. Die Handleute von Ragusa.....92 Vauern und Vänerinnen aus Nrcnno, Ombla:e. — lzz^ld-geschmückte Vauerinädchcn. — Nationaltracht der ragusifchen Laudleute, — Dieselben unter der Republik. — Dieselben und die italienischen (5nnssäre. — Dalmatien in den Jahren 1849 und 1849.— Die „Svrawa." — Ragusische Wciucultur und Oliuenbaumpflege. — ,,I^o8li'l,nl" nnd „Uoi'wcki." ÜA. Spaziergang zum 6tlofter G. Giacomo W3 „I^D<«!la i,>)0sw." — Die Palmen in Dalmatien. — ,,I! I^äi-o <^ei i>«voi-i." — Türkische Karavauenpferde. — Kara- Vll Seite. venhandel mit der Türkei. — Griechische Gemeinden in Dal-maticn. — ,,6n8i>oc!^r ('jsculo" und ,,,^,rff^. — Parallelionnis der illyri-schen Inseln mit dem Festlande. — Echisisersahrenhelt derLe-sinoten. — Geographische Position von Lissa. — Liffa nnter den Römern nnd Venctianeru. — Die Seeschlacht von Liffa. — Lissa und die (Engländer. I'ui-ta l!«i I'iillüll. — Das Psalterium von Palndi, — Dalmatische alte Kirchenbücher. — Marcus MarnlnS. — Der Klostergarten. »«. «Parallele zwischen Spalato und Zara »41 Die Spaziergänger ans der Marina von Epalato. — Vorghigianos nnd VorghigianaS. — Die Zara'sche nnd die Spalatinische Partei. — Geographische Lage von Epalato und Zara. — Spalatos und Zaras Umgebungen. — Epalato die älteste Stadt Dalmatiens. — ^iUonn lnliu« llullnilliuo eapM. iv. Die Morlachci und Zara. ». Bas ycquäduet und die Ruinen von Walona 153 ,,?<>!'!<) 8<'l^!l)/' — Bl'imtznng dee> Aqnäducts als Steinbruch. — Ansbrechen der eisernen Klammern. — Varisormirte Bogen.— Carrara's luzis^»'!,!!» o »ollvi cli 8ulu!^. —Neue (5rcavationen. — „l'l^«l»i lnanßolm-j." — ,,^iiri 0!llc>j,i(j." — „l'oi'til ^n." — Christliche Mosaik. Sette. ». Glissa unb Poglizza.........162 Der Pas; von ^liffa, — „Viu (^l,iniii!>«," — Karavanen von Morlachen und Türken. — Die Loeanda von Vlissa. — Die Festungsgebäude von Clissa. — Aussicht von ^lissa. — Monte Mossor. — Die Poglizzaner. — Wetterscheide von Clissa. ». Felsebenen............ i?2 Antiker Pserdetrog. — Die parallelen Gebirgszüge Dal-matiens. — Hall'wnste Gebir^sfessel. 4. Dismo und die Mojanka.......175 Die Morl^chen der Gräfin Ursini-Nosenberg. — „Iiitti linii'i! <»mo«i !>8!>!l)^l>ini!" — „O »>nj:i ^lilili!" — Die Gegend von Sign. — Das Thal der Cetinna. — Gränzmcmer des Küsten- und Binnenlandes. — Der Viacovo. — Das rothe Mützchen der morlachischen Iungfranen. — DaS Müßen-abrcißen. — Die Zöpfe der Morlachen. 5. Sign und seine Madonna......186 Kämpfe der Venetianer und Türken um Sign. — Per- barneadirte Hütten, — Nunderthätiges Madonnenl'ild. — Die „Giostra."— Äyzantiiuscher Ursprnn^ der Sign'schen Madonna, V. Morlachische Hauseinrichtung.....191 ,,(^l»mli!>^i!^ua äi 8i^ii. — Waldbräüde. — Morlachen auf der Bärenjagd. ». Morlachische Drescher........LN8 Nibaritsch. — Maiodrescheu. — Stöcke als Dreschflegel. — DaS morlachische Nationalcostüm beiiu Dreschen. — Bequeme Bettler. — Arbeitschen der Morlachen. »«. Vtn der Eetinna..........215 Das Celiiiua-Ufer, — Verstümmelte Bänme. — Morla-chischer Postillon. — Morlachischc Art zu eggen. IX Seile. A«. Verlicca............. 218 Waldverwüster. — Mollachische Müllerinnen. — Horizontale Mühlräder, — Mo-rlachischeVaueruhäusrr ohne Oefcn und Betten. -^ Verliceas Kirchen. — Feindseligkeit der Kalholiken und Griechen. — ,,1jo<>s>Ii." — ,,I^n/mnn." «2. Vine Macht unter Morlachen und der serbische Mobratimstwo 228 Morlachische Etiquette bei Besuchen. — Lärmende Conversation der Morlacheu bei der Arbeit. — Morlachische Singweise. — Das Ohrcuzuhalteu der morlachischen Sanger. — Marco Kraljcwitsch, Hercules und Roland. —Die Verbrüderung bei den Scythen und bei den Morlacheu, — ,,?oZl?5-ti-M8t>vo," — Verbrüderungen aus Interesse. — Uebler Ruf Verliccas. — Licht- und Schattenseite des morlachischen Charakters. — Italienische Verwünschung Dalmatiens. I». Mm Fuße der dinarischeu Vllpen 244 Morlachische Neisenoth. — Die diuarischen Alpen. — Anblick von Knin, — Der Kcrkitsch. — Die „Oxori" von Knin. — Der Kerkitschwasserfall. — Tuffsteingebilde, — Wilde Tauben. »A. .Knin. Der Felsenberg von Kuin. — Orographische Bedeutung der Umgegend von Knin.— Das dalmatische Troja, — Mor-lachisches Hammelbraten. — Küchen unter dem Dache. — Eifersucht der Morlachcn auf ihr Nationallostüin, — ,,8«'«n-iiin'im!" — Traubeniuostconfect, — Türkische Waaren.— Das Thal der Vuttimschiz,;a und der Monte Dinara. — Heimlicher Tabacksbau. — Viserue Kedirgsringe. — Nngesnndheit der Festung Küiu. — Sümpfe und Ueberschwemmungen von Knin. »H. Won Knin nach Dernis.......269 Römische Wegebauten, — Das Thal von Knin nach Dernis. »» Steinkohlenbergwerk am Promina, — Dalmatischer Sonnenuntergang. — Die Morlachen zur Zeit der Weinlese. — „HumNn pi^Iia, t»ntn mäxxli." — Kaffee, nichts als Kaffee! — Morlachischc Gastfreundschaft. — Morlachische Bescheidenheit und Dankbarkeit. — Schu.;- und Trümmerchaos. — Nn-productivitat der Morlachen. X Stitt. R«. Von Dernis nach Scardyna.....283 Das Loch nn Cicolacanale. — Die Mnndnngsgegend der Kerka. — Sprachenmischung im Innern von Dalmatian. — Keine Fische, keine Butter! — Dalmatische Schafweide. — Die Kerkaeascaden. — Die Sandbank. — Die Mühlen. — Morlachische Walkmaschiuene. — Kolossale Tuffsteinblocke. — „ttnoi^Iüs»" und ,,8kr.i6in5ilmn>3l!x.in)<;nl<)." — Schlauheit der morlachifchen Räuber. — Die morlachischen Räuber und die östreichischen Gesetze. — Die Slosettaner. — Morlachische Gehöfte. — Morlachischc Gusla. — Die .,Slavich" und die „Svirala." — Mortachisches Mädchencostüm. — Murlachische Mannerklei-dung: Die „PatschamM", die „Paseanizza", die „Iazerma", die „Kapora", die „Kabanizza", die ,,Dalnlatica", die „Kappizza". — Morlachische Frauenkleidnng: Die ..Klasnje", die „Nasutsche", die „Naretsche", die „Opanke", der „Plotsch", die „Mangiuße", die „Maita", die „Tocca", der „Uspansan", der „Sadac", die „Pregliatsä^a", der „Iasmak." — „Katholische und griechische Nasubke." 2». Vlm Fuße des Velebitsch......341 Morlachische Heuwagcn. — Die Mauer und die Vormauern des Velebitsch. — Geographische nnd historische Bedeutsamkeit des Velebitsch. — Schauplatz eines morlachischen XI Naubüberfalls. — Unangenehme Vindrncke bcim Abschiede Von der Morlachei.— Die parallelen Liuien dcrNeiseschilderuugcu. 2». Zara. Fabric irung des ^lni-li^cllino »!i Xa>!l . . . 351 Krenz- und Querzüge in den Zaraliner Straßen, — Italienische und illyrische Sprachmischung. — Zara durch den Maraschino weltberühmt. — „Nokaiio-Mn^rkmo", „Kirsch-branutwein." — ,,>ll>i'n««^in." — ,,Iio8oIin lli 085n lli ^l»r«»-8," — „Vino >!»,'l>8<'lniu>," — Geheinnüfse der Vlarasä)ino-fabrikeu.—Das Süßen. — Verpackung, —^Muri^rluno-Dl-ioli/' Die Cist erneu.............360 Dalmatische Trinkwassernoth. —Der „Pozzista." —,,c^m-quo poxxi." — Das römische AaMduct. Ein Albanesen-Dorf..........366 „I^l! I'onUlNil liol Impc>l'!>tni'»>."— Die albanestsche liolo-uie. — Die europäischen Pl'rstadtclilonieeu. — Der Bewillkomm-nungstrnnf. — Albanesische Vauart. — Die Pfarrer von (^rizzo. -^ Der Name „Sfipctarcn" kein landesüblicher. — DaS vierfach gekrönte Marienbild. Die Kirchen . . ...........373 Die Kathedrale. — Der entwendete Knochen des heiligen MarcnS. — Die vergrabeneu venetianischcn Paniere. — Der Sarkophag des heiligen Siineon. — Die ungarische Konigin Johanna «nd der Finger des heiligen Simeon, — Das ,,^n-Mmin'ic)" im Frauziokanertlostcr. — Die Marien- nnd die Michaelskirche. — ,,U» kol p(!i>8i«in/' — Glagolitische Kirchenbücher. — Einfluß deS glagolitischen Alphabets anf das Slavische. — Die griechische Kirche. Die Alterthümer............386 Die Douatuskirche. — (5iu antiker Mormorpilaster als Cchandpfahl. — l'orla !»>:ni!,i> und l'ortt' lc'ri'üsii'inil. — Neue Ausgrabungen, — Das städtische Museum. — Die An-tikensammlung in der t^»»2 l'l'1l?'^!i»i. Der Palast der venetianischenProveditoren 392 Die große Charte von Dalmatien. — DaS Archiv. Vermischtes..............394 Deutsche Kuhglocken. — Die Äora Zaras Luftreiniger — XII Seite. Italienisirte deutsche und engine Speisenamen, — Italienische und slavische Familiennamen. — Journale. — Buchhandlung. — Schulen. — Nautischer Unterricht. — „Iili8< >»" — „8o»r-lato." — Alte Münzen,—Dalmatischer Sternenhimmel. 23. Seefahrt von Zara nach Trieft . . . 4U0 Die Steinhühner im Hühuerbauer. — Fang der Steinhühner. — Dummheit und Wildheit derselben. 2». «ussin Piccolo...........404 Die Insel Orsero. — I^a v»l!u cz'^ii^,i«li8»i» l^r<>nc1n und I^,u8»8M 1'ii-s^I«. — Die Frachtschifffahrt der Lussiner. — Die Schiffswerften. — Geschichte enn's ,,^l!>ri,iot-o." — Zusammenwohnen der Familien. — Die Familienrasse. — Familicneinigkeit. — Die Vidolitsch. — Beinamen. — „Paccotiglia." —Dalmatische Sympathieeu der quarnerischen Insulaner. — Verbrüderuiigsfest der Lussiner und Zaratiner. —Häuslichkeit der Lussiner. — „Gin Zug von Gerechtigkeit" in dem Streite zwischen Medea, Jason und Absirtos. — „Vrigrideu", ,,Absirtiden." — Dichterisch-romantische Loealitaten IllyrienS, — Die quarnerischen Saud-inseln. — Ueberschweinmuiig von Trieft. v. Istrien. «. Iftriens Qft- und MLeftseite.....429 Die julischeu Alpen, — Istriens Licht- und Schattenseite, — Istriens Küstensaum. — Uebergewicht von Istriens Westseite über dessen Oftseite. — „!>« ,!«vo!-!i I^li-iu/' 2. Pirano............ 43? Istrien in der griechischen Mythe. — Alte Handelsverbindungen zwischen Istrien und der Donau. — Istriens Name uralt, — Geographische und commernelle Bedeutung Piranos. — Nncla «llnolo l«mpw ^nuli odlulo, ,in<." — Alte schone Säulrnknänfe. -^ Mosaif. — Temprltrümmer. — Sabmarine römische Mauern. — ,,L»!'ru" nnd ,,.^»>>,on." — ..^oi'ln «li'epicio. 6e!>s ori'o.^ -^ Versenkung der istnschcn Küste. — Römische Mauerwerke bei Punta San Pietro nnd Cervere. H. Won Darenzo nach Rovigno.....464 Küsteninseln. — I>aNa ()uis<,c). — Die Feuereffen von Novigno. — Die,,Vestnras" — Coquetterie der Rovignesinuen. «. Won Rovigno nach Pola......468 Contrast der Istriauer und Dalmaticr. — Phlegma der istrianischen Landleute. — Vaumlosigkeit. — Valle. — Dig-nano, — Runde Nleifenster. 7. ^ola. Das Amphitheater ..........473 Das Amphitheater bei Nacht. — Die Fieber an der Küste von Pola. — Das Amphitheater am Morgen. — „?olo vi-vi!,8«K." — ,,0rl«mc3in»." — Unebenes Terrain nnd unregelmäßige Bauart. — Die thurmartigen Anbaue.— Das demolirtc Innere. — Die verschwundenen Sitze. — Das Vcho. — Resonanz, — Vorrichtungen zn Ausspannung des Negentuchs. — Geschichte des Amphitheaters. — Gabriele Emo. — Zerstörung und Verfall. — Ausbrechen der Gisenklammern. — Die Hauptpunkte der Zerstörung. — Zerstörender Pftanzenwuchs. Die beiden Tempet........... 498 Der Tempel des Augustus. — Noma- und Augustustempel. ^ Das Museum im Augustustempel. — Der Dianentempel. Triumphbogen und Thore........503 II ^i'«a t!ei 8oi'ßi, — „vk 8N°< pecuni»." — Harmonie ber Proportionen. — Steinernes Neingelände. — Die Iunatasi und Castropalas. — ,,/.l,>-t)/' Ausgrabungen der alten Nömcrstadt .... 508 Der Abbate Carrara. — ?oita ^emin». — ?orw cl'i'>-cole. XlV Seite. Kirchen und Klöster..........512 Der Don,. — Antikes Marmorbccken als Wcihwasserlessel. — Das Franziskanerkloster, — Der Lorbeer des Augustus. Die Steinbrüche bei Pola........515 Gebiet der Polensischen Steinbrüche. — Zerbrochene Kuppel auf der Insel Brioni, — ,,(^vl" lN V«'n<,'Up»!i." — Die Polesana. ^- Monte Capelletto. — ,,s!i,vo tli 8l,!l!«m«." — Niederländisches Glas in Dalmatien. — Römische Quadersteine. — ,,pi'omantnrl'«i," — Doppelgängiger Steinbruch. — Nlter großer Vphen, — Bienenlöcher. — Glatte senkrechte Wände. — Der Steinbruch ein Zufluchtsort verfolgter Christen. — Taufsteiuähuliches Gesäß. — Griechische nnd südillyrische Co-lonieen in Istrien. — Alte Abstammung der Polensischen Familien. — Gassiodorus Schilderung von Istricn, — Die Sitze der adriatischen Hauptmacht. — Pola und die adriatischen Cen-tralftunktc. — Pola ein Zankapfel zwischen Genua und Venedig. — Trieft nnd Pola — Odessa nnd Sewastopol. Hafen und Arsenal...........53? Vorzüge der Bai von Pola. — Oestreichische Kriegschiffe. — 8(^lio lloi 0Ini. 8. Die VrioniInseln.........540 Fregatte Diana. — Die Fieber der Vrioni-Inseln. — Steinbrüche. — Die Chiogssiolen. 9. Untergegangene Nrte........544 Die istrische» Scoglien. — k. (iiovimni in poln^o. — Vul <1i t!Nit,«Inc>. — Strandlosigkeit der istrischen Scoglien. I». Rovigno.............54? Pistno und der Streit um die Hauptstadt, — Die Kathedrale von Novigno. — Bronzestatnen als Windfahnen. — Wundergeschichte der heiligen Enphemia. — Pfahlblirgersinn der istri-schen Städte. — Vine Tombola. — Großartige Tombolas.— Venrtianischer Dialekt. — Isirien und der östreichische Zoltver-band. — Dampf-Getreidemühle. — Die Klostcrcisterne. R«. Die Vllpen am Golf von Trieft . . 564 Durchsichtigkeit des Meeres. — Die adriatischen Fischer und die Spitzen der Alpen. — Der Monte Spaccato und der NanuS alS Wetterpropheten. Ill N a g n s a. Kohl, Ncise i» Dalmaiicn, II, < Das IHal der Sutoeina. Unsere Pferde erwarteten uns draußen vor dem Thore von Eastelnuovo auf einem kleinen von Bänmen umgebenen Bazar, wie denn gewöhnlich alles Abreisen, Ankommen und Begegnen in diesen Ländern vor den Thoren der Ortschaften statthat. Ein paar langge-wachscne Burschen von Castclnnovo — sie hießen beide „Spiro," und so heißt in hiesiger Gegend, glaube ich, die Halste aller Männer — begleiteten uns, um das Packpferd zu hüteil und später unsere Reitpferde, die wir gleich für den ganzen Tag bis Nagnsa Vecchia genommen hatten, zurückzuführen. — Auch gab man uns wegen des zu passirenden türkischen Gebiets zwei italienische Soldaten mit, eine Maßregel, die man allenfalls entbehren kann, die aber immer sehr dankenswerth ist, weil man unter huudert Fällen doch einige Male eines solchen Schutzes bedürftig sein kann. Außerdem begleitete uns auch ein großer Hund, den die Soldaten mitgebracht hatten. Unser Weg führte Anfangs noch längs der Bai Von Castelnuovo hin, an deren Nfer hier wieder ein schöner Palmbaum steht. Es schien mir der größte zu sein, den wir überhaupt in Dalmatien gesehen hatten. Man sagte mir, dieser Palmbaum sei fünfzig Jahre alt, 1* 4 Palmbäume. und er wäre von Griechen hierher verpflanzt oder vicl^ mehr aus dem Kerne gezogen worden. Gin kleiner von fünfzehn Jahren ging in der strengen Kälte des vorigen Winters (18^/5,,) verloren, wie denn dieser Winter fast überall die kleinen Palmbaumgruppen in Dalmatien deci-mirt oder vielmehr, da gewöhnlich mir drei oder vier beisammen standen, trimirt hat. Bald erreichten wir einige kleine an der Chaussee liegende Häuser, welche die türkische Gränze bezeichneten, und wir trabten nun in die sogenannte Eutorina hinein. Es ist dieß ein den Türken unterworfenes Thal, das als Fortsetzung der Bai von Castelnuovo einige Stünden nordwestwärts ins Land hinausgeht. Es ist zwischen zwei Bergzügen znr Rechten und hinken cingekasttt, von denen der eine den Küstenrand des Meeres bildet, während der andere mit ihm im Innern des Landes parallel fortläuft. Das Gegenstück und die Fortsetzung dieser Sutorina bildet das ragusische Thal von Canali, das in derselben Richtung weitcr geht und von denselben Berg-reihen eingefaßt wird. Man kann beide Theile als ein Ganzes, als eine zusammenhängende, mit dem adriati-schen Meere parallel laufende Bodeneinscnkung betrachten, wie denn fast ganz Dalmatien aus so gerichteten Thälern zusammengesetzt ist. Der Vcrkebr von Ragusa zur Bucht von Cattaro lief schon von den ältesten Zeiten her durch diesen Canal. Schon die Römer hatten in derselben Richtuug Straßen, Aquäducte u. s, w. Durch diese beiden Thäler drangen im Jahre l8l)6 die Montenegriner gegen Nagusa vor, und eben so haben in früheren Zeiten sich oft genug Angreifer von der Bocca her nach Nagnsa und umge- Straße von Castclnuovo nach Ragusa. 5 kehrt von Nagusa her zur Bocca dieser beiden Thäler als eines Laufgrabens oder Canales bedient. Sie haben daher eine nicht geringe historische Bedeutung, und Ca-nali und Sutorina werben in der Geschichte Dcilma-tiens sowohl der m ihnen gelieferte» Schlachten, als der über sie abgeschlossenen Tractate wegen häusig erwähnt. Auch die Oestreicher haben in neuester Ieit durch diese Thäler von Castelnuovo bis Nagusa eine Straße angelegt, die quer durch das türkische Gebiet führt. Sie haben sie auch auf türkischem Gebiete mit ihrem Gelde bezahlt und sich dafür freien Verkehr und eine gewisse Oberhohcii oder polizeiliche Aufsicht über dieses Straßenstück reservirt. Oestreichische Soldaten ftas-siren dieselbe in voller Bewaffnung, und sogar mit geladenen und gespannten Gewehren, ohne weitere Anfrage deßhalb bei der türkischen Gränzbehörde zu thun. Man 'Uhte mir in Oastelmwvo, die Strafte gehöre ganz an Oestreich. Wie dieß aber genau zu verstehen sei, weiß lch nicht recht. Und doch ist es nicht unwichtig, genau zu wissen, welche Rechte Oestreich über diese Chaussee hat, wie denn überhaupt diese ganze Sntorina, so klein ue ist. und die Beleuchtung der tractatenmäßigcn Rechte, welche Oestreich und der Pforte über sie zustehen, in neuester Zeit wieder deßwegen Fragen von politischer Bedeutung geworden sind, weil die Engländer ein Auge auf diese Gegenden geworfen haben. Es ist bekannt genug, daß jene kleine schmale Landjunge, welche zur Bai von Cattaro hinabläuft, so wie eine andere ihr ähnliche Landzunge im Nordwesten von Nagusa an dem Küstenpunkte Kleck im Frieden zu Carlowitz deßwegen an die Pforte abgetreten wurde, ß Nagllsische Gränzregulirunq auf dem l5ailowitzer Kongresse. damit das Gebiet von Ragufa ganz von dem der Pforte umschlossen und von dem von Venedig getrennt sein möge. Die Raguser, deren Feindseligkeit gegen Venedig eben so alt war wie ihre Freundschaft mit den Türken und die mit den letzteren schon Bündnisse schlössen, als dieselben noch nicht einmal ganz Kleinasien besaßen, ^- diese Raguser, die man im übrigen Europa daher auch beinahe als Genossen und als halbe Unterthanen des Sultans betrachtete, deren republikanische Unabhängigkeit aber höchst wunderbarer Weise immer von den Türkeu respectirt wurde, wollten nun lieber auch mit ihrem ganzen Gebiete der despotischen Pforte als der Schwesterrepnblik Venedig im Schooße sitzen, welche letztere sowohl im Süden als im Norden von Nagusa Erwerbungen gemacht hatte. Namentlich rückte Venedig den Ragusern im Frieden von Carlowitz sehr nahe, wo es sowohl an der Bocca im Süden als auch an der Narenta im Norden neue Länderabtrctungen von den Türken erhielt. Diese sollten den Venetianern auch das Thal von Sutorina, sowie den Länderabschnitt bei Kleck geben, und sie wären den Raguseru dann ganz nahe gerückt. Auf dem Congrcsse zu Earlowitz, wo man diese Gränzbestimmuugen beliebte, war die kleiue Republik Ragusa durch keinen Gesandten vertreten, und ihre Interessen schienen bei den dortigen Verhandlungen ganz unberücksichtigt zu bleiben. Der einzige Raguser, der in (5arlowih in der Nähe der verhandelnden Parteien anwesend war, war der Kammerdiener des englischen Gesandten. Die Raguser sind alle, bis zu dem geringsten herab, eifrige Patrioten, uud jener Kammerdiener mochte bei seineiu Herrn oft etwas erlauscht haben, was in Bezug Der patriotische Kammerdiener. 7 auf Ragusa bei den Friedcnstrattaten im Werte sei. Als er erfuhr, daß Venedig zu beiden Seiten von Ragusa herum alles Gebiet erwerben solle, glaubte dieser arme Mann schon den Rachen des Marcuslöwen sich öffnen zu sehen, um sein geliebtes Ragnsa zu verschlingen. Er that in seiner Herzensangst cineu Fnßfall vor seinem Herrn, dem englischen Gesandten, und flchte ihn an, sein Vaterland zu retten. Cr habe sich die Sache überdacht und sei der Ueberzeugung, daß sein Nagusa nur bestehen könne, wenn es wie von jeher mit der Pforte in politischer und territorialer Verbindung bliebe, und ein paar Streifen türkischen Landes müßten daher zu beiden Seiten von Ragusa, wie schützende Mauern zwischen ihm und dem Gebiete des Marcuslöwcn stehen bleiben. Der Gesandte, der von dem rührenden Patriotismus seines Kammerdieners bewegt wurde, und dem es vielleicht auch sonst einleuchten mochte, daß es gut 'k', Ragusa's Unabhängigkeit wahren zu helfen, sehte 'tch darauf in Bewegung, und die Folge davon war die-zenige Gestaltung der vcnetianischen, türkischen und ragu-slschen Gränzen, wie sie in diesen Gegenden das ganze vorige Jahrhundert hindurch eristirt hat, und wie sie auch noch heutiges Tages, nur mit dem Unterschiede, daß an die Stelle von Nagnsa und Venedig jetzt Oestreich getreten ist, fortbesteht. ^s ist schade, daß Oestreich bei den Friedensver-handlnngen von 1814 nnd 18 l 5 nicht auch einen solchen diplomatischen Kammerdiener besaß, wie ihn Nagusa zu Carlowih hatte. Sonst hatte man damals wohl leicht von der Pforte den Besitz jener beiden kleinen ^änder-keile erlangen können. Allein damals hatte Niemand ß Wichtigkeit der Sutorina. vor den Engländern eine solche prophetische Furcht, wie jener Kammerdiener vor den Venetianem, und man dachte nicht daran, daß England einmal die Unterhand-lungen über die Abtretung der Sutorina, die Oestreich nicht führte, zu seinem Vortheile aufnehmen könne. Dieß ist vielleicht in unserer Zeit bereits geschehen, wo die Engländer nach einem günstigen Punkte im Inneren des adriatischen Meeres, vor dessen Thoren sie jetzt einstweilen Halt gemacht haben, sehr eifrig trachten. Die Sutorina stößt an die Bocca von Cattaro, und eine Ansiedlung der Engländer, der Freunde und vornehmsten Ausbeuter der Türken, würde dieser höchst wichtigen Besitzung von Oestreich äußerst drohend erscheinen müssen. Den Türken ein Capital zu bieten, das die Einkünfte der ganzen Sutorina reichlich compensate, wäre den Engländern eine Kleinigkeit, und wenn sie hier eine Festung anlegten und zugleich eine Chaussee oder gar, wie man wohl etwas voreilig gefürchtet hat, eine Eisenbahn in's Innere der Türkei nach der Herzegowina und Bosnien bauten, so könnte hier eine englische Colonie entstehen, die nicht nur dem östreichischen Cattaro gefährlich würde, sondern auch dem blühenden Trieft, sowie den dalmatischen Häfen Oestreichs einen Theil ihres Handelsgebiets entzöge. Man sagte mir zwar, wenn ich recht verstanden habe, in Castelnuovo, die Pforte habe nicht das Recht, einen Haftn bei Castelnuovo anzulegen, könne daher auch Niemandem ein solches Recht abtreten; auch eristirten gewisse Tractate, wonach die Pforte sich verpflichtet habe, überhaupt gar keine Schifffahrt von der Sutorina alls zu betreiben, und denen zufolge Oestreich daS Eoncurrenten für die Grwerbunq ber Sutm-ina. 9 Recht besitze, überhaupt jedes türkische Schiff am Auslaufen zu hindern und sogar keine türkischen Küsten- und Fischerbarken hier zu dulden. Oestreich lasse daher auch von Zeit zu Zeit, so sagte man mir, diese Küsten inspi-ciren, um nachzusehen, ob sich etwa türkische Fahrzeuge dort zeigten. Allein dieß Alles muß doch nicht so ganz ausgemacht und wohl verbrieft sein; denn bekanntlich sind in allerneuester Zeit (im Winter <8^"/^,) nicht weniger als dreitausend Mann türkische Soldaten in der Sutorina gelandet und haben, von Oestreich nicht gehindert, durch dieses Thal hindurch einen Marsch ill's Innere von Bosnien zur Stillung der dortigen Unruhen ausgeführt. Kaun die Türkei dieß selber thun, so kann sie es auch Fremden erlauben odcr verbieten. Es ist aber gewiß, daß die Türken jetzt, wo auch die Engländer gewissermaßen als Coneurrenten der Oestrcicher bei der Erwerbung der Sutoriua aufgctretcu sind, solche Rechte nicht anders als um einen sehr hohen Preis hergeben würden. Der andere Landerkeil, den die Türken bei Klcck in der Nähe der Narcntamündung besitzen, ist nicht so wichtig, weil er nicht zu einem so bedeutungsvollen Pnnkte, wie es die Bai von Cattaro ist, hinführt, vielmehr hinter der langen Halbinsel von Sabioneello versteckt liegt. Die Sntorina ist übrigens ein fruchtbares und angebautes Thal, das mit Neingärten, Maisfeldern, Oli-venbaumen ganz gefüllt ist. Aber großer Gott, was für ein Anbau ist dieß! Ich sagte Weingärten, ich sollte sagen Weinrebenwildnisse. Wir fanden überall die Weinstöckc in sehr betrübtem und verwahrlostem Zustande. Zuweilen sahen wir ganze Felder mit verdorrten Stöcken, an denen 10 Wcin- und Maisernte. höchstens hie und da ein kleiner blättcrtragender Ast saß. Die Qlivenbäume schienen alle leidend und kränklich zu sein, zum Theil mit Moosranken und Schmarotzerpflanzen bedeckt, halb mit dürren, halb mit grünenden Aeften. Nichtsdestoweniger hatte die reiche Mutter Natur diese grünenden Aeste mit einer Fülle von Früchten ausgestattet, und überall, wo sie gesund waren, waren auch die Rebenzwcige mit schwarzen Trauben reichlich bedeckt. — Welcher Contrast mit den so wohlgepstegteu Wein^ gärten und Olivenhainen der Boeca, sowie mit oenen im ragusischcn Gebiete, wo die ^cutc ihrer sorgfältigen Olivencultur wegen berühmt und in Dalmancu als gute Olivengärtner gesucht sind. Das ganze Thal der Sutorina fanden wir, da eben Wein- und Maisernte war, voll mit Menschen. Aber großer Gott, was für Menschen! Obgleich es Äckerbauer waren, so sahen sie doch wie recht arges barbarisches und zerlumptes Raubgesindel aus. Welcher Contrast auch hicriu mit der Bocca im Süden und mit Ragusa im Norden. Wenn die übrigen Thäler der Herzegowina dem von Su-toriua gleichen, so macht einem dieses kein Verlangen, sie zu besuchen. Aus Trebiuje, der nächsten türkischen Stadt, waren die türkischen Possidcnti herabgekommcn, um bei dieser Gelegenheit von ihren christlichen Unterthanen oder Vasallen den lhnen gebührenden Tribut gleich auf dem Felde und n, n^mv» einzucassircn. Diese Herren quartiren sich für die Erntezeit gewöhnlich in dem Hause eines ihrer Vasallen ein, wo sie des Nachts schlafen. Des Tages ziehen sie mit ihnen nach den Weingärten uud prä'sidiren, Taback raucheud, deu Geschäften der Ernte. Folgen eines Pfeifenrohrschlags. 11 Wir sahen hie und da mitten im Felde unter irgend einem Banmc und improvisirten Zelte einige solche türkische Herren etadlirt. Sie saßen rauchend da und hatten ein Tuch im Nasen ausgebreitet, auf welches ihre Leute den Tribut niederlegten. Auch türkische Weiber waren dabei zugegen. Ehemals kamen eben so, wie wir dieß hier sahen, zu den oben genannten Kriwoschianern, als sie noch zur Türkei gehörten, die türkischen Herren in der Erntezeit, den „Arradsch" (Tribut) einzufordern. Einmal, es soll ungefähr vor siebzig Jahren gewesen sein, kam auch ein solcher türkischer Herr und quartirte sich bei einem seiner kriwoschianischen Vasallen ein. (5r verlangte von ihm einen Lammsbrateu. Der Kriwoschianer fragte: „Welches Stück?" „Den Schenkel!" erwiderte der Herr. „Du sollst ihn aber ohne weitere Umstände mit der Hand braten und sonst mit nichts 'Anderem anfassen als mit Deinen Fingern." Ms der Bauer sich die Finger dabei verbrannte, warf er den Braten unwillig weg und sagte, so könne und wolle er nicht braten. Darauf nahm der Türke sein Pfeifenrohr und schlug den Bauer über den Kopf. Diesen aber ergriff darüber der Zorn dermaßen, daß er sein langes Messer zog uud den Türken auf der Stelle damit niederstieß. Zugleich sprang er mit seinem blutigen Messer in's Dorf hinaus und verkündete seinen Landsleuteu, was geschehen war und was er gethan hatte. Sogleich erhoben sich alle M den Waffen, sielen über ihre türkischen Herren her, tödtetcn oder vertrieben sie und lebten seitdem mit ihnen im Krieg. Dabei unterstützten sie die Venetianer und nahmen sie als Unterthanen unter ihren Schutz. — Nach dem, was ich ge- 42 Der gefangene Hund. Hort und gelesen habe, scheint es mir, daß die meisten sicilianischen Vespern in allen diesen Bändern anf ähnliche Weise begonnen haben, und überhaupt auch die Revolten gewöhnlich zu dieser Ieit der Ernte und der Tributeinforbcrung bei dem Besuche der türkischen Herren entstehen. Als wir so, dieß Alles zur Rechten und Linken betrachtend, unsere Straße zogen, erhoben sich auf einmal ein paar Kerle aus dein Gebüsch zur Seite und lamm mit lärmendem Geschrei hinter uns hergelaufen. Sie hatten uns alsbald erreicht, und ohne weiter vou uns Notiz zu nehmen, machten sie sich über unseren Hund her, der bis dahin ganz treu und freuudlich neben uns her gelaufen war. Sie behaupteten, dieser Hund gehöre nicht uns, sondern ihnen, und er sei ihnen entsprungen. Ha sie ihrer sechs waren, so hatten sie das arme Thier bald eingekreist und gefangen lind würgten es entsetzlich. Zwei hielten es an beiden Ohren, der eine legte sich mit dem Knie daraus, uud die übrigen suchten ihm einen Strick um den Hals zu appliliren. Dabei machten sie ein Geschrei und barmen, als hätten sie einen Bären oder ^öwen gefangen. Unsere Soldaten ließen dieß geschehen, ohne ein Won darüber zu verlieren, und erzählten uns, baß die Türken immer viele Hunde hätten, sie aber stets so schlecht hielten und pflegten, daß diese dann in's Oestrcichifche nach Castelnnuvo gelaufen kämen, wo für sie die Fleischtöpfe Aegyptens wären. Sie, die Soldaten, hätten in ihrer Caserne in Castelnuovo meistens ein Dutzend solcher zugelaufener Hunde, die sich dann an die Soldaten anschlössen und sie aus Dankbarkeit auf ihren Ercursioncn begleiteten. Wenn aber die Türken, Ziegen als Ziergärtner. 13 so wie jetzt, sie wieder einsingen, so müßten sic es sich gefallen lassen. Wir hatten bereits die beschriebene Ecene weit im Rücken gelassen, als wir ans einmal wieder das Geschrei dicht hinter uns vernahmeil nnd beim Nmwenden zu unserer Freude unseren Hund befreit sahen. (5r kam uns nach nnd die sechs Kerle mit langen Beinen hinterdrein. Trotz ihrrr großen Anzahl mußten sic ihn ungeschickt gebunden oder er mußte sich gut vertheidigt haben, und sie bekamen ihn nun auch nicht wieder, denn er schoß spornstreichs in's Weite hinaus nnd ließ den verblüfften Türken das Nachsehen, zeigte sich dann aber wieder treu an unserer Seite. Nachdem unser Weg das Thal der Sutorina durch^ schnitten hatte, ging er längs der Berge zur Linken hin. Diese Berge waren, wie alle dalmatischen Höhen, nackte Felsenrücken, in deren Rissen und Spalten aber die schönsten Gewächse vereinzelt wurzelten und blühten. Namentlich sahen wir blühende Haidekräuter, die durch ihre Größe und Pracht sich nicht wenig auszeichneten. Mitten zwischen diesen Prachlpflanzen aber klebten auf allen Felsenterrasscn die Pflanzenzerstörer dieser Gegenden, die Ziegen. Manche Gebüsche und Pftanzenbüschel hatten hier, wie ich dieß überhaupt oft in Dalmatim bemerkt habe, eine völlig cirkelrunde oder halbkugelförmige Figur. Man sieht oft ganze Gebirgswände mit solchen Halb-kugclgebüschen bedeckt, die aussehen, als wenn ein Gärtner ste so zurccht geschnitten hätte. Dieser Gärtner ist hier wohl niemand Anderes als die Ziege, die alle Pflanzen unter der Scheere ihrer gefräßigen Kiunbacken hält. ^ Guniauaz. 2. Das ^hal von Canali. Auf diese Weise kamen wir hinauf bis zu der Höhe, welche das türkische Thal der Sutorina uud das östreichische Canali scheidet und wo wir an der Gränze den östreichischen Posten von Gumanaz am Abhänge des Berges liegen sahen. Wir hielten auf der Chaussee an, und einer unserer Soldaten lief hinauf, um uns bei dem Commandanten des Postens zu melden und zwei andere Soldaten für nns zu verlangen. Da wir so viel von der guten Gr-ziehnng der Nnterthanen der alten Republik, auf deren Gebiet wir nun angekommen waren, gehört hatten, so glaubten wir, es wäre ein ferneres Geleite wohl mchi nöthig. Aber der Commandant, ein Unteroffizier, ließ uns sagen, wenn wir sie überhaupt nöthig hatten, so wäre dieß jetzt noch mehr als in der Sutorina der Fall, besonders da es auch spät Abends werden würde, ehe wir unser Reiseziel erreichten. Die türkische Gräuze wäre überall nahe, und hier in der Gegend gäbe es Leute genug, die capabel wären, einem Menschen seiner Nockknöpfe wegen den GarauS zu machen. Noch neulich hätten sie einen Soldaten, der sich auf der Vogeljagd von seinem Posten entfernt hätte, erschossen und ihm nichts genommen als sein Gewehr und die blanken Knöpfe von seiner Uniform. Diese selbst, als unbrauchbar in dem System des üblichen Nationalcostüms, hätten sie dem Leichnam auf dem Leibe gelassen. — Wir nahmen demnach die fernere Begleitung von Soldaten um so mehr mit Dank au, da sie auch unsere Reisegesellschaft auf eine angc- Italienische Schutzsoldaten. 15 nehme Wcisc vermehrte, und da es ja in unserer Gewalt staud, den armen Lenten ibre Ncisemühen etwas zu versüßen. Denn diese italienischen Soldaten waren die umgänglichsten Leute von der Welt. Sie unterzogen sich dem Geschäfte, ein paar Fremde ans dem unbequemsten Wege und beim ärgsten Wetter zu geleiten, auf die bereitwilligste Weise, gaben gern Auskunft über Alles, was wir fragten, und ermüdeteu nicht, unsere schlecht gedrechselten italienischen Phrasen schon von Weitem zu errathen. In der Knust, Fremde, die ihrer Sprache nicht ganz mächtig sind, zu verstehen, sind die Italiener gröftere Meister als irgend ein anderes Volk. Kaum hat man sich besonnen, wie man die Sache wenden und seine Worte setzen will, so fallen sie einem schon mit der Antwort in die Rede. Allerdings ereignet es sich dann bei ihrer Lebhaftigkeit zuweilen, daß die Antwort auf eiu ganz auderes Iiel hingcht als die Fra^fr. Du willst ,z. B. fragen, ob sie auf ihrem Gränzposten nicht viele Langeweile haben, und die Antwort lautet: „Ach ja, Herr! das Wetter kann noch gut werden. Verlieren Sie nnr nicht den Muth." — Allein es ist doch immerhin eine Art Ideenaustausch, und mau bekommt doch etwas zu hören. — Die Morlachcn sind darin, so sagte man mir oft, ganz anders. Sie werden gleich verdntzt, wenn man ihre Sprache nicht gerade so spricht wie sie selber. Ja, wenu man auch uur eines anderen Dialekts sich bedient oder ein Wort nicht ganz richtig betont, so sind sie stnhig uud bleiben stumm. Der (Kiue von unseren neuen Begleitern war besonders frenudlich nnd zuthnlich, und er blieb mir immer zur Scite, mit allerlei kleinen Diensten und gefälligster sß ,,H> !)i« ,l<< i^ ^iü/l»." Auskunft mir bcispringend. Es regnete den ganzen Tag hindurch nur mit wenigen Unterbrechungen sehr heftig. Die Soldaten batten Noth genug, ihre Gewehre zu bedecken und zu schützen; an sich selber schienen sie gar» nicht zu denken. Sie ließen auch nichts von sich hören, was einer ungeduldigen Verwünschung des Wetters oder einem Fluche ähnlich gesehen hätte, woran es doch wohl bei Soldaten von anderer Nationalität nicht gesehlt haben würde. Als ich den, der sich mir besonders angeschlossen hatte, fragte: „Was meinen Sie, wird es denn nicht endlich einmal zu regnen aufhören?" antwortete er, nachdem er einen forschenden Blick nach allen Eciten des Himmels geworfen hatte: „O ja, Herr! wenn Gott will, so wird es heule Abend zu regnen aufhören." Als ich fragte, wie lange er noch zu dienen hätte, wandte er die Antwort so: .,^'n unno. »i^nm- — »i vio di,- l.l ^!-<>/ii>" (wenn Gott die Gnade giebt); das sehte er mit einem Seufzer hinzu, als befürchte er, es lönne anch wohl noch länger währen. — Oestreich hat hier fast überall in Dalmaticn italienische Truppen, weil diese das Klima des Landes, das ihrem eigenen Vaterlande ähnlicher ist, besser vertragen als die Deutschen, Magyaren oder Polen, weil sie sich überhaupt in dem italicnisirten Lande leichter zurecht finden, und dann auch, weil alle Lombarden und Venetianer immer von zu Hause einige Unterstützung haben und daher das ohuedieß sckon arme Land, in welchem sie cinquartirt sind, nicht so drücken als Truppen anderer Nationalitäten. Das Thal Canali, in das wir nun hinabzogcn, ist eins der Hauptstücke des altcn Gebiets von Ragusa, seiner Fruchtbarkeit und wohlhabenden Dörfer wegen „Shuppa Kanawlowska." 17 berühmt und häufig in der Geschichte der Republik genannt. Es soll seinen Namen von einen: alten Aquä-dutte oder Canale haben, den die Nömcr hier durchführten , um Epidaurus mit Nasser zu versehen*). Cs ist aber auch selbst wie ein großer Natureanal gestaltet nnd läuft als eine geradlinige Vertiefung oder lange Mulde mitten zwischen zwei langgestreckten Berg-reihcn hin. Cs ist beinahe sechs Siunden lang und eine Stunde breit. Bloß in dem tief ausgehöhlteu Boden des Thales giebt es Anbau. Die Berge zu beiden Seiten sind zerrüttete kahle Felsmassen, wie überall in Dalma-tien. Die Dörfer und Häuser der Bewohner liegen längs der Berge oberhalb der angebauten Thalsohle und unterhalb der kahlen hohen Steinrücken. Weil es an einer gehörigen Regulirung des Abzugs der Gewässer fehlt, wird im Nntter das ganze Thal überschwemmt bis *) Im Slavischen heißt dieses Thal ,,Shuppa Kanawlowska" e Zerstörung derselben durch die rauhe Hand dn Montenegriner, die im Jahre l8l)6, wie gesagt, raubend, mordend und brennend das ganze Thal von Vancili gleich einer Bora durchbrausten, um Nagusa zu erobern oder zu plündern. Das Gedicht schloß mit einer eigenthümlichen und naiven Wendung, ich möchte sagen, mit einer frommen zwischen den Lippen hervorbrechenden Verwünschung der Montenegriner. „Und o.' möge dich," so endete der Dichter, indem er den Feind, der seine Villa in Asche verwandelte, opostrophirte, „möge dich auch, wenn es überhaupt erlaubt ist, eine Strafe für irgend einen Feind zu erbitten, möge dich ebcn so die Flamme verderben, dich selbst und dein Haus dazu!" At to, si pot'nas fas ulli exposeerc ab hoslo Sic ulinam perdal flamma tuamquo Donnitn!*) Man findet es natürlich, daß ein Bocchese einem Montenegriner, der ihm sein Haus über dem Kopfc an- *) Auch Eicero hat einmal die Dalmatier verwünscht, nämlich in cinem Vnefe an seinen Freund Valentinius, dem die Datmaten den Sieg sehr schwer gemacht hatten, und dem noch dazu (5asar den Triumph für seinen Sieg vorenthielt. ,,Oo!m!!»i8," sagt Cicero, ,,Di male saciant, quod molesti tibi fuore." und seine Verwünschung der Montenegriner. 25 zündete und seine Kinder ermordete, dasselbe wünscht. Aber es hat doch bei aller Theilnahme, die man einem Manne, der im Kriege sein Haus verlor, schenken mag, etwas sehr Komisches, wenn Jemand sich hinsetzt und einen solchen Fluch in eleganten lateinischen Versen herausdrechselt und ihn in einen Stein einschncidcn läßt, indem er sich dabei zugleich daran erinnert, daß er ein Christ ist, der selbst seinen Feinden vergeben soll, und indem er nun, um sein Gewissen zu beruhigen, gleichsam in Parenthese zn sich selbst oder zur Gottheit spricht: wohl sollte ich eigentlich Niemandem was Böses wünschen, aber das kochende Blnt schäumt doch über. Und wie? „Dich mit sammt deinem Hause möge die Flamme verderben!" Das ist eigentlich noch etwas Schlimmeres als das, was die Montenegriner ihm anthaten, da sie ihn ja beim Leben ließen. Gs liegt viel Hnmor darin! Man sieht den reinen dalmatinischen Naturmenschen hervorbrechen und die Schranken der christlichen Liebeslchre gleichsam mit einem Saltomortale überspringen. Der ungebildete Boechesc macht einen solchen Satz nicht, wenn er seinem Feinde Rache schwört. Er ist ganz l»on» li^ und glanbt, das beßte Recht zur Rache und zum Fluche zu haben. Er hält die Rache sogar für heilige Pflicht. „Wer sich nicht rächt, der heiligt sich nicht," ist ein bekanntes morlachi-sches Sprüchwort, nnd er ruft seine Rache laut aus, daß Man es im Himmel hört. Jener (5ivilisirte aber glaubt, die Ohren der guten Geister zn beleidigen, uud bittet sie gleichsam dafür um Verzeihung, daß er nicht lassen kann, was er doch eigentlich lassen sollte*). *) „Nichts war gewiß dem milden, geistreichen, eleganten, ich 26 Zermagna. Ill Grudda hatte der Regen ein wenig aufgehört. Aber schon wehte der warme Scirocco wieder neue Wolken herbei, die sich wie ein grauer Vorhang über ganz Canali hinlagcrten und sogleich wieder sich zu entladen ansingen, als wir unsere Pferde von Neuem bestiegen, um unsere Straße weiter zu ziehen. Ich nannte diese Straße oben eine von den Oestteichern angelegte „Chaussee". Man mnß sich dabei aber nicht zu viel Schönes vorstellen. Der Weg ist allerdings für Reiter zu gebrauchen. möchte sagen: übercivilisirten Abbate Zermagua, welcher 30 Jahre seines Lel'ens als I'i'olk»»«!' pllxzuonti»« in Rom, Florenz und Mailand und nach Aufhebung des Jesuiten-Erdens in der elegantesten Gesellschaft von Mailand verlebte und dann in Nagusa als Muster classischer Bildung bis <«20 bewundert wurde — nichts War diesem Mann, sage ich, ferner als ein barbarisches Rachegcfühl, noch dazu gegen cin Volk, welches man bei uns als ein wildes betrachtet. Man verstand sehr wohl, daß die Montenegriner eigentlich nur ihr Metier «errichteten. Der erste Eindruck des poetischen Ergusses mag auf einen Reisenden der fein, den der Verfasser oben im Tert beschreibt. Doch, wenn man weiß, daß bei uns und in ganz Italien bei einer lateinischen Dichtung die Hauptsache und der Hauptzweck dahin geht, so zn sagen, den Wohlgeruch des classisch antiken Geistes zu treffm und die Verhältnisse und die Gesinnungen so darzustellen, wie sie einem Virgil oder Horaz vorgekommen wären, so begreift man leicht die obige Wendung des Gedichts. Nur das Objectiv-Classische oder was noch bei moderner Civilisation von antiker Anschauung bleiben tonnte smid dessen ist freilich bei uns und in Italien mehr, als man in Deutschland möglich glaubt) wurde in lateinischer oder griechischer Sprache gedrechselt. Wenn man eigene, subjective, moderne, christliche Ideen und Gefühle ausdrücken wollte, so profanirte man damit selten die lateinische Cprache und schrieb dann lieber italienisch oder slavisch, Dieß ist die wahre triplication jenes classischen Ergusses." X. Dle ragustschen Straßen, 27 Und selbst für diese ist die Neifc noch manchmal sehr unbequem. Nur stellenweise ließe sich allenfalls fahren. Doch fanden wir an verschiedenen Punkten des Weges, der, als der einzige die Vocca und Ragufa, zwei so wichtige Punkte, verbindende Landcanal, nicht unwichtig ist, angefangene Straßenbesscrungs-Arbeitcn. Merkwürdig ist es, daß die so hoch gebildeten Herren von Ragnsa gar nichts für die Wege in dem Gebiete ihrer Republik ge< than haben, platterdings ganz und gar nichts, obgleich cs ihnen, die doch bloß durch den Handel groß und reich wnrden, eben so klar wie uns fein mußte, daß gute, feste, flache Wege die Hauptgrundlage aller Handclvbewcgnng sind. Der ganze Handel von Ragusa, so weit er Erport^ und Waarenhandel war, bestand ja vornehmlich in dem Verkehr mit Bosnien und der Herzegowina. Sollte man nun nicht glauben, daß diese erleuchteten Handelsherren, die von der Pforte die Erlaubniß bekommen hatten, in Moftar, in Bosua Serai, in Trawnik, in allen Hauptstädten jener Bänder Factoreien anzulegen, vor allen Dingen ihren Einfluß und ihr Geld darauf hätten verwenden müssen, daß dle Pforte ibncn Wegeausbesser-ung erlaube. Oder sollte man nicht erwarten, daß sie wenigstens ihr eigenes Gebiet, wo sie ganz die Herren waren, mit, ich will nicht einmal sagen, fahrbaren, doch wenigstens für Reiter und Fußgänger nicht halsbrecherischen Straßen versehen hätten? Aber weit entfernt davon reisten und transportirten die Raguscr Utch in ihrem Gebiete nicht anders als die Türken in dem ihrigen auf kleinen Pferden über Stock und Block. Wege waren eben damals noch nicht Mode, wie ein Mal jetzt und we ein anderes Mal früher zu der 28 Felsenplateau. Römer Zeit, und die Mode, nicht vernünftige Uebcr-legung, ist es, was am Ende doch fast Alles beherrscht. Weil Wege noch nicht Mode waren, so waren die Ra-quser auch in dieser Beziehung, wie alle übrige Welt, stockblind, obgleich sie in anderen Beziehungen in Bildung der übrigen Welt so weit voraus waren*). Nnser Weg führte immer längs der Berge zur linken Seite von Canali hin, meistens auf der halben Höhe. Das grüne Thal, das im Winter durch Wasser ganz unwegsam wird, lag unter uns zur Rechten, gegenüber zählten wir die canalesischcn Dörfer, die an den türkischen Gränzgebirgen klebten. Gegen Abend kamen wir auf dem stachen Stein-plateau an, das, wie ich sagte, gegen Nagnsa hin das Thal abschließt. Die Wasser von Canali brechen hier in einer tief eingeschnittenen Schlucht durch und kommen an der Meeresküste im Süden von Ragusa Vecchia wieder zum Vorschein, wo sie aus großen Höhlen, welche die Raguser „Iasi" oder „Iasowi" nennen, sich sofort ins Meer stünen. Unser Weg zog sich lang über den Rücken des Plateaus hin, über dessen äußersten Rand hinaus wir ein Stück des Meeres aufdämmeru sahen. Dieses Plateau bietet einen höchst eigenthümlichen und wüsten Anblick dar. Es sieln ans, als hätten Erdbeben ') „Nur feit dem Mde des siebzehnten Jahrhunderts, seit dem Erdbeben vernachlässigte man auf eine sehr deplorable Weise die Straßen. Vor dieser Epoche begegnet man in der Gesetzsammlung alle Augenblicke Verordnungen über Straßenbauten, von denen auch die Spuren noch vielfältig zu schen sind. Namentlich die sogenannte „Karavanenstraße" nach der Türkei war für große Kara-Vlmen sehr gangbar gemacht." X. „Gomila," 29 Jahrhunderte lang hier Alles zerklüftet, und durch einander geworfen. Ich glaubte auf dem Karstplateau bei Tuest zu sein. Nur waren die einzelnen zerstreuten Wanzen hier schöner und stärker. Hie und da zeigten sich kleine cnltivirte Fleckchen, wie freundliche Augen auf der wilden Stirn der Wüste. Ich bemerkte zu den Seiten unseres Weges an verschiedenen Punkten große hohe Steinhaufen, fast wie Hügel, auf deren Gipfel cine kleine, cms losen Feldsteinen aufgebaute Hütte stand, groß genug, daß ein paar Menschen und ein Hund bin-cmschlüpfen konnten. Diese Hütten, sagte mir mein Begleiter, bauten sich die Hirten, .^nüinin vcm^ono ^n^ca-l"t-t>" (wenn sie hieher kommen, ihr Vieh zu weiden), »um Schul-, gegen die Winde, die oft sehr kalt über dieses Plateau hinweg zögen. Sie tonnten von da aus weit um sich schauen und ihre Heerden überwachen. Es ist aber undenkbar, daß diese Leute jene großen Steinhügel, auf denen ihre Hütten stehen, auf einmal herbeigeschafft haben, und dock waren sie offenbar ^on Menschenhand zusammengetragen und einigermaßen ^'ordnet. Ich dachte mir daher, daß diese Hügel all^ uialig im Laufe der Jahrhunderte dadurch entstanden sein "wchten, daß jene Hütten zu Zeiten zusammenstürzten und die Hirten dann neue Steine herbeischleppten, um eine neue Hütte auf den Nninen der alten zu bauen, die lhnen als hohes Fundament sehr willkommen war. So dachte ich mir, seien diese Hügel allmälig wie die Koral-leninseln aus den früheren zerstörten Wohnungen hervor-^wachsen, und es möchten dieselben gleichsam historische Monumente des Hirtenlebens der Vanalcsen sein, die Ichon seit Jahrtausenden an diesen Hügeln bauten und 30 Contrast der Canalesen und ihrer türkischen Nachbarn. und sie mehrten. Dic hiesiqcn Landcseinwohner nennen jene Steinhügel „Goinila"*). Es begegneten uns hier viele Canalesen zu Pferde, die von Ragusa Vecchia herauf famen und in ihre Thäler zurückkehrten. Es waren vermischte Gruppen von Männern und Weibern, auch diese in derselben Weift reitend wie jene, Alle in dem Schmucke ihres Nationalcostüms. Sie waren alle sehr wohlgebildete, frische, kräftige Gestalten und recht reinlich und nett, die Weiber, troy des Regens, mit hübschen Tüchern, blendend weißer Wäsche und Spitzenbesatz geziert. In dem türkischen Sutorina hatten wir nichts entfernt Aehnlichcs gesehen, nnd wir bekamen hier die ersten handgreiflichen Spuren von der oft gepriesenen wohltbätigen Einwirkung der alten ragusischen Revnblik auf ihre Unterthanen, die sich in Folge des sorgfältigen Volksbildungssystems**) sowohl vor den türkischen als auch vor den ehemaligen vcnetia-nifchen Unterthanen vortheilhaft auszeichnen. ^- Die Männer trugeu nach türkischer Weise einen Turban, den sie aber „Fassa" oder „Saruk" nennen. *) Aehnlich wie die betannten Hügel in den Steppen Cüdrnß-lands, die mit einer Transposition des Konsonanten,,Mogile" heißen. **) Schon am Gnde des fünfzehnten Jahrhunderts erschien in Nagnsa ein Senatseonsnlt, worin verlangt wurde, baß jeder Pfarrer vier Stunden täglich offene Schnle i^al,'» npoi'!«) für die Landjugend wenigstens bei den Hanptpfarren abhalten solle. — Auch in den ragusischen Patricierfamilien sah man darauf, daß die Bedienten des Hanfes (meistens junge Vanerbursche vom^ande) ordentlich unterrichtet wurden. Zuweilen theilten sie den Privatunterricht mit den Söhnen des Hauses, — Bei fortgeschrittenem Alter suchte man ihnen eine Anstellung als „Scrivanos" (Schreiber) oder anf Schiffen, von denen der Herr der Principal war, zu verschaffen. Vrfn'ulicheö Nachtquartier. 31 3. Nagusa Beechia. Endlich, als es schon dunkelte, ließ sich die Straße aus Canali herab, und wir bemerkten in der Ferne unter uns znr Linken die Lichter von Ragnsa Vecchia auf ciner ins Meer sich hinaus erstreckenden Halbinsel. Dic Chaussee ward nun sehr gut, und am Eude, nachdem wir noch einige Wälder oder Haine durchkreuzt hatten, sie gestaltete sich zu eiucm breiten wundervollen Corso längs der Küste der Bucht von Brenno, in der Nahe des Punktes, wo die Höhle sich befindet, in der des Kadmus Aeseulap gehaust haben soll, und die in den ältesten Mythen oder Traditionen der Stadt Ragusa eiue Rolle spielt. Durch die gütige Empfehlung eines östreichischen Herrn, der sich unserer anuabm, erlangten wir bald nach einigem Ans- und Niederklettern in den eugen Straßen von Ragusa Vecchia ein recht erfreuliches Nachtquartier. Ein ehemaliger genuesischer Schiffscapitäu nahm uns gegen Geld und gute Worte bei sich auf und trat uns für die Nacht eine ganze Etage seines hübschen Hauses ab, welches er hier als Netraite für seine alten Tage eingerichtet hatte. Man ist in diesem Lande, wenn man auf solche Weise an Privatleute empfohlen wird, ganz vortrefflich aufgehoben und wird mit mehr Aufmerksamkeit gepflegt als in einem Wirths-l)ause. Unser Hausherr uud seine ganze Familie waren bis spät in die Nacht sehr geduldig zu unserem Dienste bereit, uud am anderen Morgen zum Frühstück war auch Alles wieder für uns alert und auf sei- 32 Epidaurus Nagusa Nccchias Vorgängerin. nem Posten. — Mau verzichtet herzlich gern auf allen Lurus der großen Hotels und übernimmt willig die kleine Mühe des Wartens und Ausfindigmacheus, wenn man die viel gastfreundlichere Aufnahme vou solchen Privat leuteu geuießen kann. Auch sieht man dann doch dabei, wie die Familien des Ortes in dem Innern ihres Hauses leben und wirthschaften. Am folgenden Morgen gingen wir ein wenig in Ragusa Vecchia herum uud traten auf einige Anhöhen der von ihm eingenommenen Halbinsel hinaus, um uns cinc Vorstelln na, von der Lage der Stadt und ihrcr Umgebung zu verschaffen. Auch sahen wir über dem Wasser hin aus der Ferne etwas Grauliches schimmern, von dem man uns sagte, das sei — Nagusa! An dem Flecke des jetzigen Nagusa Vecchia Hal ehemals das alte Epidanrus geblüht, nach dessen Zerstörung und Verfall in derselben Erdpositwu, an derselben kleinen Meeresbucht, die Tochter von Epidaurus, Ragusa, aufblühte und bis auf unsere Zeiten herab sich in Bedeniuug erhielt. Dieß Nagusa stand während des Lanfcs seiner Eristenz mehre Male am Rande des Verderbens. Durch die Pest wurde cs zuweilen aller seiner Einwohner beraubt, durch Erdbeben wurde es eiumal gänzlich von der Erdoberfläche vertilgt, dnrch mächtige benachbarte Feinde wurdc es bedroht nud mußte sich bald der byzantinischen, bald der ungarischen, dann der venc-tianischm und endlich der türkischen Macht anschließen. Aber unter allcn diesen wechselnden Schicksalen, von denen es getroffen wnrde, hat es sich stets behauptet und ist immer wieder ans der Aschc, ans eineiu Trnmmerbanfcn, von Neuem erstanden und hat sich vom Pesttodc wieder zu Zerstörungen und Wiedergeburten. 33 lebenvollcr Volksfülle emporgeschwungen. Man kann dieses wiederholte Anfblühcn nach so völligem Ruin und Absterben als eben so viele Wiedergeburten betrachten und die Sache so ansehen, als wäre auf derselben Stelle eine Reihe von Ragusas abgestorben und wieder geboren. Der Speculationsgeist und die edle Energie, von welchem einige menschliche Gesellschaften von vornherein beseelt sind, thuu zwar Vieles zur Förderung des städtischen Gemeinwesens. Jener Geist muß, um eine städtische Pflanzung gedeihen ;u lassen, vorhanden sein, wie der edle Saft in der Nebe vorhanden sein muß, um einen guten Wein zu erzeugen. Aber selbst den edelsten Neben muß doch ciu günstiger Boden und eine vor Wind und Kälte geschützte, den Sonnenstrahlen zngäng-liche Position geboten werden, damit sie ihre schönen Blüthen und Früchte entwickeln nnd znr Reife bringen können. Es ist möglich, daß der ursprüngliche Same, der mit den Griechen von Epibaurus aus Laeedämon hierher kam, ein schon vorzüglicher war und daß davon auf das dalmatische Epidaurus, und von diesem auf das spätere Ragusa stets etwas vererbt und verimpft wurde, was dcmn hier Jahrhunderte oder vielmehr Jahrtausende lang fortwucherte und eine schöne Stadtgemeinde nach der anderen an diesem Erdflecke erscheinen ließ. Allein ohne Zweifel liegt auch etwas in der Vodeugestaltung und in der Configuration der Meeresküste, sowie in der Beschaffenheit der nahen und fernen Umgebung dieses Punktes, was hier so lange ein reges Leben im Schwung erhielt und immer wieder neu ansachte. Zu zeigen, was große Männer für die Begründung einer Gemeinde und für den Aufbau der Gesetze und Kohl, Ncisc in Dalmaüci!. !l. 3 34 Die Vucht von Brenno mid die Nucht vl'n 8<^ Ooc^, Verfassungen gethan haben, wie der Väter Geist auf Kind und Kindeskind forterbte, wie die Gesetze und Sitten verfielen oder durch Reformatoren aufrecht erhalten und wieder hergestellt wnrden, wie durch eine Reihe edler Patrioten von Hand zu Hand das heilige Feuer überliefert und brennend erhalten ward, dieß zu zeigen ist die Aufgabe eines historischen Forschers. Wesentlich aber ist es das Geschäft des reisenden Geographen, an Ort und Stelle die Natur des Landes zu erkennen und danach gleichsam den Altar oder Hccrd, auf welchem jenes Feuer loderte, oder die Beschaffenheit der Localität, in welcher der Neinstock Wurzel scklug, zu zeichnen. Kurzum ich habe mir oft den Kopf darüber zerbrochen, warum Epidaurus, und Alt-Ragufa, und Neu-Nagusa, und das byzantinische*) und ungarische*) und türkische*) Ragusa gerade da lagen, wo sie lagen, und warum die Griechen und die Römer, und so auch die Slaven eben an dieser Stelle einen so bedeutenden Sammelplatz von Menschen, der an Macht, Thätigkeit und Reichthum so weit alle übrigen Orte rings umher übertraf, begründeten. Und hier an Ort und Stelle selbst, die Gegend überschauend, deutete ich mir dic» Sache nun so: Es sind hier zwei geräumige Meeresbuchten, von denen die eine die Bucht von Brenno, die andere aber die Bucht von Nln l>l,c^ (oder von Gravosa oder die Bai von Ombla) heißt. Beide Buchten sind auf drei Seiten vou hohem Festlande umgeben und gegen die Winde geschützt. Gegen die eine Seite, gegen Süden *) 3>l vonil» V0l'1>o. Ragusao V^Nhcil»' aw Sccstadt. ^5 hin, stehen sie mit dem Meere in Verbindung. Doch sind beide auch gegen diese Seite durch eine Reihe von Inseln und Seoglicn gedeckt. Von Südost her streckt sich, die Bucht von Brenno umfassend, eine längliche Halbinsel herum, die einen Ziemlich hohen Nucken hat und zur Befestigung passend ist. Es ist die Halbinsel, auf der jctzt Ragusa vecchia liegt, und die ehemals von Epi-damns eingenommen wurde. Zwischen beideu Buchten abrr tritt eine andere Halbinsel hervor, die mehre hohe Spitzen, Vorgebirge nnd Vorinselu hat, welche sich alle zur Befestigung eignen, und auf deren äußerster Spitze das jetzige Ragusa liegt. — Für die beiden nächsten Bedürfnisse einer soliden und Gedeihen versprechenden See-ftadtanlagc, für Befestigung und Sicherheit der Schiffe, war also gesorgt. Folgt man der dalmatischen Küstenliuie, so findet man im Süden bis zu den Lacen^ tt!>l'a nnd im Norden bis Spalato keine Position, die beide Vortheile in so hohem Maße mit einander sombinirtc. Hinter den Nacek«' 6i CnUnra steigen gleich die colossalen Mauern der Berge von Montenegro auf, die von jeher von einem wilden räuberischen Volke bewohnt nnd daher dem Handelsverkehre der Boccheseu mit dem Innern des Landes wenig günstig waren. Der Waaren-yandel an dcr Boeea ist daher nie sehr groß gewesen, obwohl sie zur Ausbildung eines tüchtigen Fischer- und Schiffervolks ungemein geeignet war. Zn den Baien von Epidaurus und Ragusa mündeten sich dazu zunächst die fruchtbaren Thäler von Ombla, Brenno und Canali aus, und dann waren auch die nach dem Innern zu liegenden Berge bei Weitem nicht so hoch und unzu- 3* 36 Nagilsas Verkehrslinien auf der Landseite. gänglich wie die bei Cattaro. Im Rücken von Ragusa ist zunächst das Thal von Trebinje, das alte Land Trebnnien, dessen Gewässer sich in Höhlen unter den Bergen verlieren und bei Ragusa in dem Thalc von Ombla ins Meer ausmünden.* Durch den Paß von Bergatto hinter Ragusa führt ein von Natur bequemer Bergeinschnitt den Karavanenweg in dieses Thal und in die anderen Hinterländer hinüber. Auch das weiter einwärts greifende Thal der Narenta mußte bald mit Eftidaurns und Ragnsa in Beziehung treten. Denn an ihrer Mündung hatte die Nareuta, die sich in sumpfige und flache Inseln verliert, keine Gelegenheit zn einem gntcn Hafen. Große Kauffahrer können hier nicht nahen. Nur Seeräuber konnten sich mit ihren kleinen Schiffen in diesen Sümpfen und untiefen Flußarmen verstecken und haben sich Jahrhunderte lang dort gehalten. Das Narentathal ist in seinem Hauptabschnitt von Norden nach Süden auf Ragusa gerichtet, und dieß in Verbindung mit der Beschaffenheit der Mündung mußte den Verkehr des Thales und seine Straßenzüge und Kara-vanen nach Ragusa führen. Es gab eine Zeit, wo das gcsammte Narenta-Land mit dem erwähnten Trebunien zusammen (der Hauptkörper der jetzigen Herzegowina) von Ragnsa aus wenigstens in kirchlicher Hinsicht regiert wurde. Man kann den alten großen Sprengel der kirchlichen 1'l'avmcw 1ln^u«gnil des fünfzehnten Jahrhunderts als den zunächst auf Ragusa angewiesenen Handels-district betrachten. Und von diesem Distritte aus führen andere Passt nnd Karavanenwege weiter zu den Ländern an der Bosna und Drina. Und an allen diefen Flüssen und in allen diesen Ländern begründeten die Güdc dcs illyrischen Inselarchipelagus. 37 Raguser, wie früher vermuthlich auch die Oftidauri-taner ihre Comptoire und steckten dort ihre Handels-wegc aus. So war es von der Lcmdseite. Werfen wir weiter auf das Meer in der Nähe von Ragusa unscre Blicke, so ist vor Allein der Umstand bemerkenswert!), daß mit dem Punkte Ragusa von Norden her der große illyrische Insclarchipelagus cudigt. Meleda ist die südlichste und letzte der größeren illyrischen Inseln. Sie wendet sich Mit ihrer Ostspitze nach Ragusa herum. Einige ganz kleine Inseln gehen noch weiter bis Nagusa hinab; die äußersten Scoglicn der ganzen dalmatischen Inselwelt liegen vor der Bai vor Breimo bei Ragusa Vccchia. Von hier a" kommt nicht eine Scoglie mehr vor. Es ist hier daher eine von Natur sehr markirte Stelle des adriati sch e n M eeres. Es zeigen sich in Folge dessen bei Ragusa mehre Vortheile. Von hier an liegt zum ersten Mal vor der ganzen illyrischen Küste das Meer Weit und breit frei und offen da. Schiffe, welche mit heftigem Scirocco aus dem Süden kommen, werden daher den Hafen von Nagusa aufsuchen, um nicht zwischen die Seoglien und Inseln im Norden gewor/en zu werden. Von Norden her werden die Fchlaudkaravanen gern zu diesem freien Punkte herabkommen, wo die große offene Schifffahrt beginnt. — Ferner hat sich natürlich in der lllyrischeu Inselwelt eine eigene Bauart der Schiffe und eine eigene Schifffahrtsweise ausgebildet, die dem Ter-rain, ich meine der durch zahllose Scoglien coupirten Meeresfläche, angemessen ist. Diese Echissfahrts- und Handelswcise hört nun bei Ragusa auf. Alle kleinen Ulyrischeu Inselfahrzeuge, die das offene Meer im Süden 38 Speculationsgeist der Naguser. von Ragusa nicht halten können, werden daher gern nach Nagusa als dem äußersten Ecoglienpunktc kommen. Hier, wo die Scoglienfahrt endet, sind die Waaren der Inseln aus größere Fahrzeuge umzuladen, um weiter in die Welt spedirt zu werden. Wir müßten noch die herrschenden Windrichtungen in diesen Gegenden stndiren und würden auch dabei vielleicht noch einige natürliche Verhältnisse finden, die auf Ragnsas Hasen förderlich einwirkten, und wir würden dann alle Ursachen überschauen, die den Pnnkt historisch so merkwürdig machten und die der Stadt wenigstens zur Erlangung eines hervorragenden Ranges in der Nachbarschaft verhalfen. Und dieß ist auch das Einzige, was in der geographischen Lage eines Ortes begründet ist. Ist er einmal ans dem Schauplatz der Begeben-heiten bedeutungsvoll aufgetreten, so wirkt dann freilich der entflammte Specnlationsgeist weiter und macht sich, um sich greifend, frei von dem Zwange der Natur. Und daß die Ragnser Schifffahrt in den entferntesten Theilen des mittelländischen Mecrcs betrieben, die Frachtfuhrlcute der Spanier, der Türken und anderer Völker wurden, erklärt sich nicht mehr ans den Winden, die dci Na-gusa herrschten, aus der Gestaltung der Buchten von Brenno und Ombla, oder ans den Vcrgpa'ssen zu Ber-gato nnd der Richtung der Narenta oder aus dem Verlaufe der illyrischen Inseln oder Scoglien, sondern auS dem dnrch jene Wurzeln erstarkten Spemlationsgciste, der die Naguser von ihrer Warte aus alle Meerc überwachen und ihre Vortheile davon erspähen ließ. Mau sagte mir in Ragusa Vecchia, es s'.-ien von «xm alten. (5piyaurus noch heutiges T.igcs Tnnn'.ucr Antike Ettilpturcn. W und Htauern unter dem Niveau des Meeres vorhanden, und man könne dieselben zuweilen bei klarer und ruhiger See deutlich erblicken. Auch über der Erde in den Häu-sermauern des Orts, der jetzt die Position von Gvidaurus einnimmt, sieht man noch manche griechische oder doch römische Steine. So entdeckten wir einen solchen in einem Hanse am Hafen vermauert, ans welckem ein hübsches Bruchstück einer antiken, aber sehr rohen Sculptnr zu seben war: Auf einem Triumphwagen stand in aufrechter und gebietender Stellung eine — so viel man erkennen konnte — männliche Figur. Von einer anderen sitzenden oder liegenden, wie es nach den Kleidern schien, weiblichen Figur waren nur noch die Beine bis zu den Schenkeln vorhanden. Ich weiß nicht, was diese Scene vorstellen sollte, aber mir war dabei insbesondere der Wagen auffallend. Denn jetzt giebt es weder in Äagusa Vecchia. noch auch überhaupt in Dalmatien irgend welche Car-rossen. Wenn jener Stein aus ein in Epidanrus statt^ gehabtes Ereigniß anspielen sollte, so könnte man fast daraus schließen, das; die alten Epidanritaner Wagen und fahrbare Wege gehabt haben müssen. Freilich ließe cs sich denken, daß ihre Künstler in ihren Mythen und Dichtungen auch die Tradition von einem solchen fremdartigen Vehikel herübcrtrugen, wie sie ja auch sonst wohl die Figuren von Drachen, ^öwen, Elephanten und anderen fremdartigen Geschöpfen in Länder, wo es dergleichen gar nicht giebt, festhielten. Allerdings sah jener Eftidauritanische Wagen mythisch genng aus, denn er war von dem alten Künstler mit einer sehr ungesäMlen und rohen Zeichnung angedeutet. — Auf einem anderen in 4Y Antike Sculpturen. einem Hause vermauerten Steine in Ragusa vecchia sah ich eine Figur eingemeißelt, die in hohem Grade der Erscheinung eines heutigen Canalesen glich. Ihrem Ansehen nach schien auch diese Sculptur sehr alt zu sein, und wenn man die Zeit ihrer Entstehung bestimmen löunte, so möchte man sie für die Geschichte d« Natio-nalcostüme des LandeS benutzen können. 4. Illyrische Flüchtlinge und Uskoken. Es ist uns aus der Geschichte von Ragusa bekannt, daß einmal nach einer argen Verwüstung des Orts durch eine Feuersbruust der Senat zusammenkam und darüber berieht, ob man nicht lieber die ganze Stadt an einen anderen Platz, nämlich an die Bai von Gravosa, verlegen sollte, daß aber der Vorschlag dazu durch die Majorität einer einzigen Stimme verworfen wurde, und Ragusa daher an demselben alten Flecke wieder aufgebaut wurde*). Es ist möglich, — wir wissen es nicht genau, daß auch in dein alten Evidaurus einmal nach einer argen Verwüstung der Stadt durch Feindes Hand der Senat eben so zusammenkam und darüber berieth, ob es nicht besser sei, den Ort au eine andere Stelle und zwar ans das Vorgebirge, auf welchem das heutige Ragusa liegt, wo die Vertheidigung gegen Feinde leichter sei, zu verlegen, und dasi man danu, nachdem dieser *) Gs war dieß im Jahre 1296, und der abratlMde Senator hieß Vukassowitsch. TranSpositionen der illyrischen Küstenstädte. 41 Vorschlag angenommen war, sich ins Schiff sehte und mit Sack und Pack zu jenem Vorgebirge hinüber segelte. Ich ahmte hierin den alten Epidanritanern nach, setzte mich im Hafen von Nagusa Vecchia in eine Barke, die ich mir schon früh Morgens bestellt hatte, und begab mich mit meiner Reise-Bagage unter Segel nach Ragusa. Solche Transpositionen der Städte von einer Loealität zur anderen haben an der gan;en vielbcwegteu illyrischen Küste fast bei jedem Orte stattgehabt. So siedelten die flüchtigen Bürger von Seardona nach Sebenico um; so retirirten die Einwohner von Salona in den Palast des Diocletian und bauten darin Spalato; so zogen die alten Pharioten von dem Orte, der jetzt Cittavecchia heißt, an die Bncht, an der das heutige Lesina liegt. Es scheint eine Zeit gegeben zu haben, in welcher die Einwohner fast aller Städte Dalmatiens gleichsam wie schwärmende Bienen auf dem Umzüge begriffen waren, nur mit dem Unterschiede, daß diese, die Bienen, ein freudiger Drang hinaustreibt, während icnc Noth und Elend drängte. Es war ungefähr dieselbe Zeit, in welcher auch die Aqnilcjenscr vor Attila und seinen Nachfolgern anf der Flucht waren, um in den Laguneninseln Schutz zn suchen und das Samenkorn zu einein größeren slquileja zn legeu. Aqnilcja nnd Venedig, Epidaurus und Ragnsa, Salona nnd Spalato, Seardona und Sc-benico, Cittavcechia und Lesina sind lauter Städtepaare, die in ihrer Doppel-Localität und iu ihrer Doppelblüthe auf zwei lange Perioden verhältnißmäßigen Glücks und Reichthums und anf eine beide Perioden trennende Zeit der Barbarei uud des Verfalls dieser Küstenländer hindeuten. Die Flucht der meisten Bürger der gcnannten ^) Dalmatians ^anze Ocschichtc Usfl'lengeschichte, Städte ging aus dem Inneren des Bandes mehr an die Küste, zu einer Insel, zu einem Felsen oder sonst einem festen Punkte, so von Aquileja zu den Lagunen, so von Ecardona zn dem viel festeren Sebenico an der Mündung der Kerka, so von Salona zu den starken Mauern des Diocletianischen Palastes, so von Epidanrus zu der Felseninscl von Nagusa. Man kann dicsc Richtung der Flucht vertriebener Menschen cnis dem Inneren nach der Meeresküste hin als ein Phänomen bezeichnen, das sich durch die ganze Geschichte Illy liens hinzieht und sich zu, allen Zeiten wiederholt hat. Das bekannteste Beispiel davon sind die sogenannten Uskoken, d. h. Flüchtlinge, nämlich vor den Türken flüchtende Serben, die an der illyrischen Küste erst in Clissa, dann in Sengg eine Art Staat grüudeten. Der berühmte Venetianer Paolo Sarpi hat bekanntlich eine Geschichte dieser Usloten geschrieben, und eben so hat sie der Franzose De la Hanssaye gegeben. Allein beide Geschichtschreiber haben dabei übe:^ sehen oder wenigstens nicht angedeutet, daß eigentlich die ganze Geschichte Dalmatiens Uskoken-Geschichte ist. Zu allen Zeiten sehen wir fluchtende Könige aus dem Inneren auf den dalmatischen Fclseninscln und Vorgebirgen Schutz und Rettung suchen. Bloß die Aufzählung der Fürsten, welchen Nagnsa gastfreundlich seine Thore öffnete, würde eine lange Reihe geben. Bischöfe mit ihrer verfolgten Hcerdc haben sich zu wiederholten Malen gegen das Küstenland gezogen, albanische Katholiken nach Zara, serbische Priester nach Eign und der Morlachei, und viele andere anderswo hin. Der Staat der Montenegriner ist nichts Anderes als eine Uskokm-Colonie, die auf den hohen Küstenbergen Dalmatiens und Aloa- Anblick v»,'ll Rligusa v»!,i Ä^cv,,' aus, ^j,Z niens Posto faßte, und die Iloch inimer alls neuhiuzu-tretenden Uskoken Kraft und Macht sammelt. Ich sage auch Ragusa und Venedig und noch viele andere politische Stiftungen dieser Gegenden kann man Uskokcn-staaten, von Flüchtlingen an den Kusttnranderu gemachte Stiftungen nennen. Die Geschichte der illyrischen oder adriatischen Nskoken, in diesem Sinne aufgefaßt und auS der Naturbeschaffeuheit des Landes gedeutet, ist nock nicht geschrieben. Nie ein Uskoke also, sage ich, flüchtete ich in meiner Barke über die Bucht von Vrenuo hinüber, und zwar äußerst schnell; denn wenn auch nichc Attila, so war doch ein heftiger Sciroceo hinter uns yer. Unser kleines Fanrzcug versank tief in den WeUcnthälern des Hiecrcs und wurde wieder hoch auf den Gipfeln des Nasser-spiegels emporgehoben. Wir kamen dicht bei einer Reihe von Scoglien, der Scoglie Mareana, der Scoglie Eta. Barbara und anderen kleineren, vorüber, deren zerklüftete Felsen wie altes Mauerwcrk aus dem Meere hervorragten. Da der Tag zwar stürmisch, alcr doch foimig war, so gewährte die wüthende Brandung, welche an diesen Ecoglien zerscdaumte, einen äußerst glänzenden Anblick. Doch bei Ragnsa ist dies, Schauspiel, wie ich gleich zeigen werde, noch viel malerischer und erhebender. Gewöhnlich braucht man zwei, auch wohl drei Stunden, um von Nagusa Veechia uach Nagusa hiuuuter zu l'ommen. Wir hatten schon nach einer halben Stunde den Anblick der Stadt ganz uahe und deutlich vor uns. Wir segelten im Norden der Insel Croma (oder Lacroma) hin, die in der Geschichte von Nagusa so oft genannt wird, die einst unter dem Namen der H4 Lacroma. ,,O«l,t'li>l!0 f>li>!^." „Isola San Marco" den Venetianrril schürte und von der aus diese den Nagusern so oft lästig fielen, die aber eben jetzt mit Allem, was darauf stand und wurzelte, um den geringen Preis von MX) Gulden zu kaufen war. An der äußeren Seite dieser Insel sollen die alten Nagusauer itmn tarpejischeu Felseu gehabt und dort ihre schlimmsten Verbrecher, die Hochvenäther und die Kirchenräuber oder Religionsverletzer, iu's Meer hinabgestürzt haben. Sie näbten dieselben dazu in eiuen Sack. Dieser Sack wurde je nach der Leibeslänge des Verbrechers zurecht geschnitten und ihm zuvor angemesseu. Zuweilen kam es wirklich zum Stürzen, zuweilen aber blieb es bloß beim Anmessen des Sackes, und der Verbrecher wurde danu begnadigt. Die gerichtliche Phrase in den Urtheilen, die bloß auf das Anmessen des Sacks lauteten, war: ,,l.l8W^ üä 08tc,m8iul,<>m j'uni«" (bis ;uii, Zeigen des Stricks), das heißt desjenigen Stricks, mit dem der Henker den Sack anmaß. Diese Ostonäio lunis mochte nicht bloß als eine Strafe, sondern auch als eine Folter, um Geständnisse zu erpressen, benutzt werden. Der Richter, wenn er zum Ertränken oder zur Audrohung des Er-lränkens vorschreiten lassen wollte, sprach dann die lakonischen Worte: „Om^i-il^i,^ d. h. „Meßt ihm au!" Hinter Laeroma, das den Hafen von Ragusa vor dem Scirocco deckt, wurde das Meer ruhiger, und die alten Mauern der Stadt tanzten in dem gewaltigen Meeresbeben nicht mehr so heftig auf und ab. Es ist wohl kein Zweifel, daß von allen Seestädten an der dalmatischen Küste Ragusa den interessantesten und pittoreskesten Anblick gewährt. Der eigentliche alte Die griechisch-römische und die slavische Colouie, 45 Kern der Stadt liegt auf einem Felsen, der ehemals als Scoglie rings vom Meere umgeben war, allmälig aber durch Allsfüllung des trennenden Eecarmcs mit dem Festlandc verbunden wurde. In der Richtung dieses ausgefüllteu Scearmes läuft jetzt die Hauptstraße von Ragusa, der sogenannte Stra done. Die alten cpidau-ritanischcn Flüchtlinge befestigten sich anfangs bloß auf jenem Inselfelsen. Als ihre kleine Stadt dnrch Handel einige Bedeutung erhielt, siedelten sich der Insel gegenüber slavische Einwohner aus dem Inneren an und bildeten dort eine besondere Stadt oder Gemeinde, die gleichsam als Vorstadt zu Ragnsa anzusehen war. Als die Handelsthätigkeit bei dieser Position zunahm, die Gebäude auf der Seoglie und längs des Secarmes sich mehrten nnd die Beziehung zum Inneren des Landes inniger wurde, verschwand der Mccresarm am Ende gänzlich. Beide Gemeinden, die epidauritanische oder griechisch-römische auf der Insel und die slavische auf dem Fcstlandc, verschmolzen zu eiuem einigen Ganzen, und gemeinsame Stadtmauern umfingen beide. Die griechisch-römische Colonie auf dem Scoglicn-felsen bekam vom Anfang herein cinen Namen, der an den Ursprung der Stadt erinnert. Nagusa heißt höchst-.wahrscheinlich nichts weiter als Felsen, und eben den rettenden Schutz eines Felsens suchten die Flüchtlinge von (5'ftidanrus, und eben auch weiter uichts als cinen nackten Felsen stellte die Localität der Stadt ursprünglich dar. Die slavische Colouie auf der Landseite muß ihre ersten Hütten wohl im Schatten der Bäume eines Waldes*) *) Es soll ein Pinieuwald gewesen sein, und Neste dieses Waldes sollen noch bis auf die Franzosenzeit herab bei Ragusa be- Hss „Dubrowiuk" und ..Ra^nsa." aufgeschlagen baben, denn sie erhielt von vorn herein den Namen „Dubrownik", was man nnqcfähr mit dem deutschen „Waldstättc" übersehen kcinit. Wie nachher die beiden Städte selbst, so verschmolzen auch die beiden Namen. Die Slaven nannten nnn das Ganze Dn-brownik, sowie die Griechen-Römer (Italiener) das Ganze Nagusa tauften. In der gcsammten Slavcnwelt, sowie überhaupt im ganzen Osten Europas, auch bei den Türken nnd Arabern ist die Stadt unter dem Namen Dubrownik, das die Türken in „Paprownik" corrnmpiren, bekannt, in Italien und überhaupt in der ganzen avili-sirtcii Welt unter dem Namen Nagnsa. In der Stadt selbst gebrauchte man, je nachdem man italienisch, lateinisch oder slavisch sprach und schrieb, bald den einen, bald den anderen Namen. Solche Verschmelzung italienischer uud slavischer Gemeinden, italienischer Küstm> und slavischer Binnenland-Elemente, oder wenigstens die Anfänge zu solchen Verschmelzungen findet man bei allen dalmatischen Städten. Ehemals mochte der ganze jetzt verschüttete Seearm den Ragusern als Hafen dienen. Jetzt ist 'nur noch ein nicht ausgefüllter (Anlaß davon übrig geblieben, der nun den Hafen der Stadt ausmacht. Derselbe ist äußerst klein und nur für Trabacoli uud Fischer-barken geeignet. Die Epidauricr, welche für den Augenblick nur Schuh nnd einen rettenden Felsen suchten. standen habe», Erst die Franzosen, welche Ragnsa's Freiheit umwarfen, sollen anch diese Waldreste, denen die Stadt ihrcn slavischen Namen verdankt, zerstblt hal'eu, Porte Pille uud Porta Plocce, ^,7 konnten nicht wissen, wie sehr ihre speeulativen Kindeskinder eines großen Hafens bedürftig sein würden. Glücklicherweise fanden sie ihn indeß ziemlich in der Nähe, in der oft genannten Bai von Sta. Crocc, in welcher von jeher, seitdem Ragnsa znr Handelsmacht gelangte, seine Flotten einliefen. Auch auf der anderen Seite der Stadt länft der alte Mecresarni noch ein wenig in die Stadt hinein. Doch bildet er hier keinen Hafen, sondern einen tiefen engen Felseneanal, in den die Brandung hineinschlägt. Das alte Hauptstück von Raglisa stellt demnach anf diese Weise einen ausgebanschten, an das Land gehefteten Kopf oder Knopf, gleichsam einen dicken horizontal gegen das Land gelegten Sänlenknanf dar. Mancrn nnd Bastionen, die vierzig Fnß hoch ans dem Meeresgrunde aufstehen, umzingeln diesen Knauf und schlangeln sich dann zu beiden Seiten zum Festlande hinüber, wo sie, abermals bergan steigend, anch die ehemalige alte Sla-venstadt umfassen. Diese Mauern sind natürlich ein Werk der verschiedensten Ieiten, in ihren» jetzigen Zustande aber rühren sie erst ans der Periode nach dem letzten großen Erdbeben von 1667, das ganz Ragnsa zerstörte, her. Gegen das Meer hin treten mächtige Bastionen ans dem Manerringc hervor; gegen das Land zn steben hohe und bunt geformte Thürme darauf, uud zwei große Thore durchbrechen sie hier im Norden uud Süden, die Porta Pille und die Porta Plocce. Da dieß die beiden einzigen Thore der Stadt sind, so hört sie der Reisende oft genug nennen und merkt sich ihre Namen von vorn herein. Porta Pille und Porta Ploccc sind für die Na- 48 „Monumentale Mauern." guser wie der Nord- und der Südpol für uns übrige Erdbewohner. Die gesammten Mauerwcrke, welche Ragusa umzingeln, sind aus schönen Quadersteinen gebant, ungemein hoch und stark, und wenn sie auch nicht nach den Regeln der jetzigen Fortifuationsmetbode angelegt sein mögen, so gewahren sie doch einen höchst imponircnden und malerischen Anblick. Sie kamen mir fast nicht wie Mauern vor, sondern wie eine Reihe von Monumenten. Gin Schriftsteller nennt sie daher auch sehr treffend: „monumentale Mauern." Die kleine Stadt steckt mitten in diesem colossalen Steinkranze wie ein Ritter in seiner geschmückten und soliden Eisenrüstnng. Unter den ersten Gegenständen, welche den im Hafen anlangenden Reisenden frappircn, ist eine in der Stadtmauer nahe unter dem Mauerkranze angebrachte Nische und in dieser Nische eine große steinerne Statue. Es ist die Statue des heilige» Blasius (San Biaggio), des Schutzpatrons der Stadt, dessen Bildniß ehemals auch auf allen Flaggen der Schiffe der Republik wehte*). *) Außer dem Portrait des heiligen BlasiuS hatten sie auch wohl bloß die Buchstaben 8, II. (8i>i> Iliu^i«) auf ihren Flaggen, Die Venetiauer, die immer den Ragusern gern einö anhingen, übersetzten jene Buchstaben aber nicht mit 8an Iliu^in, sondern lasen darin „8l>ttc, Ulmäiori" (sieben Banner), weil sie den schmiegsamen Nagusern schuld gaben, sie hätten immer die sieben Banner der sieben Haupt-Seemächte an Bord, um je nach Umständen bald dieses, bald jenes aufziehen zu können. Sie nannten daher die ragnsifche Flagge: die Flagge der sieben Flaggen. Und Ragusa selbst hieß auch wohl „Heptapolis", vie „Sicbenstabt", d, h. die Stadt mit sieben Schuhherren. Die Blafüis-Nischen. 49 Er blickt segnend auf den Haftn herab, und die Schiffer, Welche hier abfahren, wenden ihm ihre Mschicds-gcdanken zn. Schant man ein Bißchen weiter an der Mauer hin, so erblickt man abermals eine solche Nische und wiederum einen solchen St. Blasius darin, und blickt man ganz bis an die Ecke der Mauer, wo diese sich herumwendet, so gewahrt man noch einmal ein Stückchen einer solchen Nische und uoch einmal das Profil des heiligen Blasius, der das Antlitz dem Meere znkehrt. Es giebt, glaube ich, sechs oder acht solcher Blasius-Nischen rings um Ragusa herum. Die sromme Stadt hat sich ganz in diesen Blasiusreif eingeringelt. Mir erschienen ihre Mauern wie cm Ning mit eingelegten Steinen oder Amnleten. — Kann eine wohlgeordnete und fromme Bürgergemeinde ihre Wohustätte mit einer schöneren und bedeutungsvolleren Einfassung umgeben? — Auch die Alten widmeten zuweilen ihren geweihten Stadtmauerreif einer Gottheit. 5. Der Palazzo des Rectors von Ragusa. Nagusa rühmt sich in der ganzen civilisirten Welt das erste Findelhaus, die erste Leihbauk, die ersten Gesetze zur Unterdrückung des Sklavenhandels besessen und überhaupt uoch mehre andere wohlthätige Etablissements, Wie man sie in jeder guten Stadtgemeinde finden müßte, zuerst erdacht und begründet zu haben. Dieß ist schön! Aber es ist sonderbar, daß diese große Handelsstadt, n1i,x/n" genannt, unser Quartier aufschlagen zu dürfen. Ein dankenswerthcr Vortheil und ein wahrer Genuß für Jemanden, der gern in historisch bedeutungsvollen Räumen weilt. Das Oberhaupt von Nagusa hatte in den ältesten Zeiten den Titel Graf (Conte) und später den Namcn Rettore*), an dessen Stelle aber zuweilen, wenigstens von einigen Fremden, auch wohl der Titel Doge gesetzt wurde. Diese Nettoren wnrden nur für einen Monat gewählt und mußten während dieser Zeit beständig auf ihrem Posten, d. h. innerhalb der Mauern jenes ihnen angewiesenen Palastes sein, den sie für keinen Augenblick verlassen durften, außer wenn irgend eine dringende Staatsangelegenheit sie anderswohin rief. *) Die slavischen Unterthanen der Republik nannten diesen Rettore gewöhnlich „Knäs", Fürst, oder „Knäs Obrani", d. h. „erwählter Fürst", sowie die slavischen Unterthanen Venedigs den Dogen meistens „Neliki Knäs" (den großen Fürsten) nannten. Auch in lateinischen Urknnden wird der Rettor von Nagusa oft ,,vux", ,,?i',nc',<;li5" genannt. — Die Bosnier der Herzegowina nannten ihn „Knäs Dnbrowatschki" ften Fürsten von Dnbrowna). Das cisrruc Klamml-rwcrk des Palazzo. 51 Der ragnfische Nettorenpalast ist eines der wenigen alten Gebäude der Stadt, welche das Erdbeben von !667 glücklich, wenigstens größtentheils überdauert haben. Vermuthlich ist ihm dabei seine solide Bauart sehr zu Statten gekommen und namentlich die mächtigen eisernen Klammern, mit denen inwendig die Mauern in einander geschränkt sind. Starke eiserne Stäbe gehen nicht nur senkrecht an den Mauern herab, sondern auch in den Korridoren hie und da quer von Mauer zu Mauer hinüber uud stellen gewissermaßen ein inneres Gitterwerk dar, das insbesondere auf die Erdbeben berechnet war. Aehnliche eiserne Klammerwerke finden sich noch in einigen anderen alten Gebäuden von Ragusa. Es ist schade, daß nicht schon zu der Zeit, als Ragusa noch blühte, das Eisen so billig nnd bei den Architekten so gebräuchlich war wie jetzt, sonst hätten die Ragnser sich wohl lauter solche Häuser aus eisernen Stäben gebaut, Wie die Engländer und Amerikaner sie jetzt componiren. Der Rettorenpalast von Ragusa ist zwar natürlich bei Weitem nicht so prachtvoll uud groß, wie der Dogen-Palast zu Venedig, allein er steht zu seiner kleinen Stadt ungefähr in demselben Verhältnisse, wie jener zu seiner großen. Er bat seinen Mauern und Säulen die ältesten Sculftturen und Bausteine aus Epidaurus eiuverleibt. Er enthält das Archiv, den alten Rathssaal, die Staatsgefängnisse und einige öffentliche Monumente der Republik und stellt sich überhaupt, Alles zusammengenommen, als das interessanteste Gebäude der Stadt dar. Gleich der Eingang, der Porticus vor dem Thore und der innere Hof ist höchst merkwürdig. Hier stehen noch die steinernen Bänke herum, auf denen ehemals die Se- 4* 52 Das Säulencapital mit dem alten Alchymisten. natoren und Patricier der Republik zu politischen Gesprächen sich niederzulassen pflegten. Jetzt treiben sich hier nur arme Leute und Bettle/ herum. Die Säulen, welche diesen Portieus tragen, oder wenigstens die Capi-läler derselben sollen noch aus Epidaurus stammeu und griechische oder römische Arbeit fein. Jedes dieser Capitaler hat eine verschiedenartig romponirte Sculptur. Einige zeigen Gruppen von Genien oder Gottheiten und mögen in der That alt sein. Daß dieß aber die patriotischen Raguser auch von dem Säulenkopfe glauben, auf dem ein alter Alchymist so leibhaftig, wie er im Mittelalter nur leben konnte, mitten zwischen seinen Retorten und Töpfen dargestellt ist, und daß sie diesen Alchymisten für den alten Gott Aesculapius ausgeben, der in der Drachen-höhle bei Epidaums wohnte nnd dort als Schuhpatron eben so verehrt wurde wie St. Blasius später in Ragusa, — kaun man ihnen zwar nicht übel nehmen, allein sie müssen einem Fremden, der holländische Gemälde und namentlich die bekannten Rembrandischen Darstellungen von Alchymisten gesehen hat, erlauben, daran zu zweifeln*). Dem sei indeß, wie ihm wolle, in Ragusa selbst wird diese Figur für Aesculaft gehalten, und man beruft sich dabei sogar auf eine alte lateinische Inschrift, die unter dem Porticus iu dem Palazzo eingemauert ist, die aber wohl die Wenigsten gelesen haben mögen, weil sie *) „Daß die Sage von der asculapischen Sculptnr an einem der kapitaler des Palazzo eiil plumper Anachronismus ist, springt wohl in die Augen. Mir ist jenes Capital immer als arabischen Ursprungs oder als nach Mustern arabisch mittelalterlicher alchymistischer Laboratorien gearbeitet vorgekommen." X. Unschickliche Sculptur. 53 sonst wissen würden, baß dieselbe gar nichts für den Aesculap, von dem sie gar nicht spricht, beweist. Diese epidanrischen Säulen ihres Palastes erinnerten die Raguser täglich an ihren epidaurischen Ursprung, aber freilich gedachten sie dessen schon von - selbst hin-nichend und nannten daher auch am liebsten ihre Stadt Epidaura-Nagusa. Ragusa war, wie bekannt, eine fromme und sittsame Republik, wie dieß unsere deutschen Hansestädte, ;. B. Bremen oder Lübeck, auch waren. Wer aber sehen will, wie verschieden in der Welt doch die Begriffe von Sittsamfeit nnd Anstand sein müssen, der schaue einmal links in den Winkel des Porticns, unter dem wir jetzt noch weilen. Hier ist Etwas ganz zierlich in Stein ausgemeißelt und für ewige Zeiten in das Hauptgebäude des Staats vermauert, was in Norddeutschland gewiß nicht einmal eincs verwilderten Straßenbuden Hand für einen Augenblick mit Kreide au die Wand zu malen sich erfrechen würde. An dem Rathhause zu Bremen >st ein Nest mit Küchlein und eine Henne in Stein angebracht, was bekanntlich für die diese Stadt besuchenden Handwerker das Wahrzeichen ist. Dieß ist ganz schicklich und tadellos. An unseren gothischen Kirchen sind viele Drachenköpfe und sonderbare Fratzen augebracht. Dieß ist wunderlich, aber hat doch eine gewisse Bedeutung, besonders wenn die Engel diese Nn-gethüme mit Füßen treten. Warum aber die Senatoren oder Stadtarchitekten von Nagusa eine solche Scenc, die uns kaum zu nennen odcr auch nnr zu denken einfällt, an ihrem Dogenpalaste zn verewigen und Jahrhunderte lang dort zu dulden für gut fandcn, dafür ist kein Grnnd z'54 Unschickliche Sculptnr. abznsebcn. Es Mt mir nicht ein, dieser Sache wegerr die Raguser sür sittenloser zn halten als andere Menschen. Keineswegs! Aber ich sage, mgn kann darans, daß sogar im sittsamen Ragusa dergleichen keinen Anstoß erregte, recht dentlich abnehmen, wie verschieden gesittet die Menschen sich zeigen nnd wie manchfaltig die Dinge sind, an denen man Anstoß nimmt oder nicht nimmt. Noch in der allerletzten Zeit der Reftnblik wnrde ein alter Mann deßwegen ans Lebenszeit aus der Stadt verbannt, weil er einmal die Fasten gebrochen hatte, und jener Bildhauer, der mit Stein nnd Meißel eine Verirrung der menschlichen Natur verewigte, deren Vorhandensein Niemand seinen Bürgern im Bilde zeigen sollte, blieb in, der Stadt. 6. Peazzato und Vona. In dem kleinen, aber hübschen Hofe des Palazzo ist einem ragnsischen wohlverdienten Bürger Namens Michael Prazzato (dono mci-ito «ivi) ein Denkmal gesetzt. Dieser Mann, ein reich gewordener Schiffsrheder, hat der Republik, wie man mir sagte, nicht weniger als 30UM0 Zechinen*) geschenkt nnd dadurch den Finanzen *) „Prazzato hat erweislich und namentlich 200,000 Genome (Genueser Dublonen, jede zu 80 Franken) hinterlassen. Ich sage erweislich. Denn das Testament eristirt noch, und ich habe es selbst gesehen. Die Stelle lautet so: ,, Lasso alia Sisjno-ria di Raugia Genovine d'oro dugcnto mil» die s'attrovano di mia ragiouc nel Domo di S. Giorgio di üenova." — Prazzato's Vildniß. 55 des kleinen Staates nichl wenig aufgeholfen. Es wurde dafür sein Bildniß, in Bronze gegossen, im Palasthofe aufgestellt. Es ist eins der welligen Monninente, welche die Republik für Privatpersonen und für verdiente Männer hat setzen lassen. Jetzt ist es, glaube ich, das einzige, welches noch eristirt. In dem großen Erdbeben von 1667 wurde auch der arme oder vielmehr reiche Prazzato von seinem Postamente herabgeworfen, nachher aber wieder hinaufgesetzt. Er erhielt dabei eine große Beule in seinem bronzenen Hirnschädel, der aber später mit einein darauf festgenagelten Bronzelappen wieder gestickt wurde. Die ganze Statue ist überhaupt nicht gegossen. Sie besteht vielmehr aus mehren auf einem hölzernen Blocke aufgenagelten Metallplatten. Man sieht die Nägel sowohl als auch das Holz, in welchem diese stecken. Bloß das Gesicht, glaube ich, ist in einer Form gegossen. In dem oberen Corridor des Dogenpalastes von Venedig sind bekanntlich mehre Gedächtnißtafeln eingemauert, welche der Senat ausgezeichneten Bürgern zu-decretirte. In dem Nettorenpalaste zu Ragusa ist nichts dergleichen. Diese Republik hat eine andere Politik Auch außerdem hat Prazzato noch eine Menge Stiftungen in Ragusa gemacht, und unter anderen die, daß auf ewige Zeiten jedem patricischen Fräulein bei ihrer Verhcirathung ein Angebinde von 2000 DviOctti Nnl^i«ei (nach jetziger Evaluation 1300 östreichische Gulden) übergebe» werde." X. Man hat mir in Nagusa gesagt, daß nach verschiedenen Re-ductiouen noch bedeutende Uebcrreste von jenen 200,000 Dublonen des Prazzato in Genua eristiren sollen. Doch ist die östreichische Regierung die Erbin dieser Capitalreste geworden. K. HH Nona ber ra^usische NegnluS. befolgt und die Eitelkeit ihrer Bürger durch solche Monumente nicht genährt. Nur einmal noch hat sie außer dem Falle von Prazzato eine Ausnahme davon gemacht, nämlich zu Gunsten eines ausgezeichneten Senators Namens Bona, der, ein zweiter Negulus, es vorzog, lieber in der Gefangenschaft bei den Türken zu sterben, als einen Vertrag zu unterzeichnen, welcher dem Interesse seines Vaterlandes nachtheilig sein konnte. Der Senat, von der Ausdauer und dem Patriotismus dieses bei den Barbaren fürs Vaterland sein Leben dahingehenden Mannes gerührt, beschlosl einstimmig, ihm eine Ehren- und Gedächtnißtafel anfertigen und diese in dem Saale des großen Rathes aufstellen zu lassen. Vona ist übrigens nicht das einzige Beispiel dieser Art. Man kann mehr oder weniger fast alle ragusischen Gesaud-tm, sowohl die außerordentlichen, welche der Senat zuweilen oder alle zwei Jahre mit dem Tribute nach Konstantinopel sandte, als auch die bei der Psorte residiren-den, als eine Art patriotischer Märtyrer betrachten. Es ist uns noch das sehr interessante Tagebuch zweier mit dem Tribnte nach Stambul pilgernden ragusischen Patricier aufbewahrt, und man kann daraus sehen, daß allein schon eine solche Neise, die sie gewöhnlich durch das Inuere der ganzen türkischen Halbinsel gemacht zu haben scheinen, einer wahren Vuß- und Pilgerfahrt glich. In Konstantinopel spielten diese Gesandten, wie wir aus alten Reisebeschreibungen vo» Fremden, welche mit ihnen dort zusammentrafen, wissen, meistens eine sehr bescheidene Nolle, entwickelten kcine Pracht und keinen Lurus, wie die der anderen großen Mächte, erhielten von den Türken ll»r einen sehr geringen diplomatischen Rang zuge- Die ragusischen Gesandten in Konstantinopel. 57 gestanden und wurden von ihnen noch häufiger als die venetianischen Bailes in dcn sieben Thürmen oder anderen Kerkern gefangen gesetzt^). Wenn man erwägt, welche denkende Köpfe, welche eivilisirte und ausgezeichnete Männer zuweilen unter diesen ragusischen Gesandten waren, so kann man sich oft der Nührung und Bewunderung nicht erwehren bei der Lecture der traurigen Schicksale, welche die Barbaren ihnen dann und wann bereiteten. Die geschickte und vorsichtige Behandlung des türkischen Padischas, feiner Großveziere und Paschas, bei denen mit Gold sowohl als mit süßen Worten, mit Drohungen sowohl als mit beredten Bitten zu rechter Zeit gewirkt werden mußte, war eigentlich der vornehmste Theil der ragusischen Diplomatie und Politik. Denn die ganze Gristenz von Nagusa war darauf begründet, daß der Türke möglichst nahe (zum Schutze gegen Venedig) und zngleich möglichst fern (mn nicht von ihm verschlungen zu werdcu), erhalten wurde. Ich sage, wenn man bedenkt, wie viel Bürger der Stadt sich in diesem türkischen Dienste ausgezeichnet haben, und wie viele auch sonst noch als Nectoren, Gesetzgeber oder Flottenführer, so wie auch als Gelehrte die schönsten Bnrgertngenden entwickelt und dcn tadellosesten Charakter offenbart haben, so muß man sich wundern, *) „Nur in gewissen kritische» Epochen unserer Verhältnisse mit den Türken wurden die Botschafter nach Konstantinopel als Märtyrer oder sich Aufopfernde betrachtet. In ruhigen Zeiten und bei regelmäßigen Verhältnissen waren diese Sendungen von den Acrme-ren (nnr aber von den Aermere») sogar ambirt. Denn es war vielleicht die einzige Stellung, wo ein Nobile AW8mder-^'gli3 in der Vooo.i Il^^u-«<>ni» so gut kliugt, mag zum Theil freilich auch daher rühren, daß die Raguser der Hauptsache nach Slaven sütd, welche das Italicnische bloß in der Schule lernten, Wie denn bekanntlich auch die Schotten und die gcbil- Kuhl, Reis« in D->lm" auch von allen Ragusern gelten lassen. Pocsi»' und Wissenschaft in Nagusa. 67 War immer Republik, und doch haben die Raguser nie schroffe republikanische Sitten gehabt, vielmehr sich fast immer das Wesen geschmeidiger Hoflente erhalten. Ihr Ncttore, der dieß nicht einmal lebenslänglich war, wie der Doge von Venedig, dessen Negieruugszeit vielmehr auf die möglich kürzeste Zeit, nämlich auf vier Wochen, beschränkt und der noch in viel höherem Grade als jener Doge ein bloßer Figurant war, konnte noch weit weniger als dieser gegen Künstler und Gelehrte Liberalität üben. Wie viele venetianische Dogen haben wir nicht, welche wie Fürsten große Kunstwerke bestellten oder sich Schriften dediciren ließen. Bei den ragusischen Rectoren nichts dergleichen. Die Wissenschaften scheinen hier ohne pflege und Protector aus freien Stücken und aus eigenem Antriebe geblüht und schöne Früchte gezeitigt zu haben. — Die Venetianer, die Florentiner und andere ltnlienische Städte hatten den Vortheil, daß sie von eben so wie sie gebildeten Nachbarn rings umgeben waren, und daß sie im Vereine mit diesen an dem Werke der Cultur arbeiteten. Die Raguser standen dagegen in hohem Grade isolirt da. Sie waren Jahrhunderte lang b'e einzige unabhängige Republik, der einzige civilisirte Staat ans der ganzen Ostseite des adriatiscyen Meeres, la man kann wohl sagen auf dein ganzen großen Körper ber slavisch-türkischen Halbinsel. Wie ein schimmerndes Käfcrchen anf einem duuklen Gemäuer, wie ein Leuchtthurm an einer öden Küste, so saß diese kleine Stadt am Rande jenes mächtigen Körpers. Die Slaven, seine nächsten Nachbarn, waren anfangs in eine Menge kleiner Stämme und räuberischer Fürstenthümer aufgelöst. Von lhnen fonnten die Raguser wmig Honig 5* OH Poesir und Wissenschaft in Ragufa, und Milch für die Seele beziehen. Vielmehr stellten sie sich aus eigenem Impulse an die Spitze dieser Slaven und leuchteten ihnen voran, indem sie die slavische Literatur, nicht wie Venedig die italienische empfingen, sondern, so zu sagen, selbst erst crsanden »nid begründeten. Das Volk, mit dem die Raguscr später am meisten zu verkehren hatten, war das literaturloseste, fremdartigste und barbarischste im damaligen Europa, das des Türken. Die Raguser, diese sogenannten „Türkcnfreunde" und Türkcngenosscn," beschämten demnach gar Viele von denen, welche ihnen diese Namen als Scheltnamen beizulegen pflegten. Es kommt jetzt ein Werk in Ragusa heraus, in welchem alle Portraits und Lebensbeschreibungen der ausgezeichneten Mathematiker, Astronomen, Historiker, Dichter, Kritner und Politiker, welche aus diesem ragusi-schen Fclsblocke gelebt haben, gesammelt werden. Das Werk wird mehre Bände enthalten, obgleich nur die ausgezeichnetsten und auch im Auslande verehrten Männer darin aufgenommen werden. W möchte wohl wenige Städte von der Größe von Ragnsci, das selbst in seiner blühendsten Zeit nicht mehr als ^0, derselben so beschaffen fänden, daß sie die eine ganze Hälfte eines solchen Werks mit Betrachtungen über ihre schönen Geistesproducte anfüllen könnten. Nnr ein schwaches Capitel giebt es allerdings bei Appendini und überhaupt bei den Ragusern. Ich meine das Capitel ,,l'<»i»j«(^«! beide Stände mit einander. Ja, dieselben Regentropfen, so zn sagen, und dieselben Sonnenstrahlen trafen die Köpfe beider Classen. Die allergrößte räumliche Distanz, in der sie sich je in Ragusa auseinander halten konnten, betrug ein paar Dutzend Ellen, und doch bei alle dem hatten die Leute eiue so euergische Phantasie, daß sie ganz weite uud unübersteigliche Klüfte zwischen sich glaubten und auch festhielten. Auf dem Lande, wie ich sage, wo die Räume so weit sind, wo man sich rings umher isoliren und bloß mit seinem eigenen Blute umgeben kann, begreift sich dieß leichter. Aber die Städte, sollte man denken, müßten die wahren Gleichmacher der Menschen sein, und insbesondere solche winzige Städte, wo man sich gegenseitig stets, so zu sagen, in die Karte blickt, und in denen ein Mensch nicht niesen kann, ohne Die Salamanchesen «nd die Eorbounescu. 75 daß alle seine Mitbürger es lächelnd erfahren, daß auch der Patricier zuweilen solchen sonderbaren Naturauforderungcu unterworfen ist. Allein in Nagusa trifft dieß wenigstens nicht zn. Es gab hier Jahrhunderte lang Palrieicr, die schon in ihrem achtzehnten Jahre im Rathe der Weisen saßen, in welchem nicht einmal der achtzigjährige Bürger erscheinen dnrfte, nnd den Bürgern fiel es achthundert Jahre lang — so lange schliefen sie — nicht ein, daß dieß aller menschlichen Vernunft nach Unsinn wäre. Es gab hier Familien, die sich so edel dünkten, das; bei ihnen nie ein Beispiel von einer Verirrnng der Liebe außerhalb der ihr gesetzlich vorgeschriebenen Kreise vorgekommen sein soll. Sogar die Patricier theilten sich wieder in zwei ganz scharf gesonderte Classen, m einen eigentlichen alten Adel nnd in eincn neuen Adel oder in die sogenannten Salamanchcsen und die Sorbonnesen, jene von der älteren spanischen, diese von der neueren französischen Akademie so genannt. Obgleich diese Sa-lamanchesen nnd Sorbonnefen in politischer Hinsicht vollkommen gleiche Rechte hatten, znscmimm in derselben Rathsvcrsammlung saßen, auch auf gan; gleichem Fuße bei den öffentlichen Aemtern concurrirten, so hielten sie sich in geselliger Brziehnng doch wie Wasser und Oel aus einander. Die altadcligen Salamcmchescn dünkten sich nm so Vieles vorzüglicher, daß Jahrhunderte lang (bis zum Jahre 17M) auch nicht ein einziges Mal ein FaU vorgekommen sein soll, daß sich einer von ihnen mit einer Sorbonnesischen Familie ehelich verband. Auch die nicht adeligen Bürger der Stadt waren Wieder in zwei ganz scharf geschiedene Classen gesondert, in die sogenannte „Cillliclini" (gewissermaßen Vollbürger) 7st Die ,,(^itt«!lU!lj" und ,,^rti^ilinj." und die ,,^rli^inin-' (Künstler, Handwerker). Jene, die Cittadini, die wieder in zwei Classen getheilt waren, in die sogenannten Brüderschaften des heiligen Antonius und des heiligen Lazarus, sonnten vom Senate zur Ilebernahme gewisser Aemter bezeichnet und zu Secretären der Schatzkammer, zn Steueroffizianten, Kanzelisten :c. bestimmt werden, Und zuweilen gab man ihnen sehr vortheilhafte und einträgliche Aemter, vielleicht nm sie ihre Nichtdetheiligung an der Regierung und Gesetzgebung vergessen zu machen. Diese abxr, die Haudwerker-classen, hatten gar keine politischen Rechte irgend einer Art. So viel Sonderung und scharfe Classificirnng also, sage ich, bestand in diesem kleinen Ameisenhaufen. Allein die Raguser hielten Jahrhunderte lang nnverrückt nnd unerbittlich daran fest. Es scheint dieß unerhört und auch ungerecht. Aber es ist wohl möglich, daß sie dieser Reinheit ihrer Aristokratie den so lange Zeit glücklichen und ungetrübten Zustand ihrer inneren Angelegenheiten zu verdanken haben. Denn es zeigt sich nur zu oft in der Geschichte der Staaten, daß uicht alle Zeit auch in der Praris das Beßte das ist, was auf den ersten Anblick das Vernünftigste und Natürlichste zu sein scheint, Es ist wohl möglich, daß die Nagnser, so wie die Venetianer, schon ein paar Jahrhunderte früher zu Grunde gegangen waren, wenn ste gleich von vornherein dem neumodigen vcrnunftmäßigen Gleichheitsprincipe gehuldigt und jedem Kannegießer erlaubt hätten, seine Meinung bei der politischen Verwaltung des Staats geltend zu machen. Zwar gingen sie am l5nde auch mit ihrer künstlichen aristokratischen Hierarchie, deren Räderwerk zuletzt rostete und stockte, nnter. Allein es kommt ja nicht darauf ,,11 Specchio di Maggior Consiglio." 77 an, ein Staatsgebäude für all!.' Ewigkeit zu bauen, sondern eines, das möglichst lange zu dauern geschickt sei, und das wenigstens einige Jahrhunderte lang die in der Stadt geborenen Geschlechter frci und glücklich leben und dabei möglichst viele, d. h. immer nur Wenige Einwohner zum Vollgennß menschlicher und bürgerlicher Rechte gelangen lasse. Das Archiv von Ragusa. 23enn die jungen Edelleute im achtzehnten Jahre Eintritt in den großen Rath verlangten, so mnß-ten sie natürlich vor allen Dingen die Echtheit ihrer Geburt beweisen, nnd damit hierüber kein Zweifel entstehen tonne, hatten die Raguser eben so wir die Venetiancr ein Ii!,i<> (l'ol'u, in welchem jedes eheliche Kind eines Patrieiers verzeichnet wurde. Dieses Buch nannten sie ,,il ^ioc^Iliu cli Hlu^lo,- ('^ii5l^Il(i'' (den Spiegel des großen Rathes). Dasselbe eriftirt noch heutiges Tages, und ich hatte es in dem Archive der Stadt, das ich besuchen burfte, in Händen. — Von diesem Archive sagt Appell dini, daß es durch Feuersbrünste, Erdbeben uud andere llnglücksfalle vicle schöne Doeumeute und Monumente verloren habe. Auch die Venetianer, als sie im dreizehnten und vierzehnten Jahrhunderte eine Zeit lang in Nagusa die Herren spielten, mochten manches Papier bei Seite schaffen. Wie die Franzosen beim Umstürze der Republik dieses Archiv behandelten, weiß ich nicht. Als "ber die Oestreicher l815 Ragusa in Besitz nahmen, wurden 78 „Trattati Turclii." alle für die äußeren Verhältnisse der Stadt und ihres Gebiets wichtigen Acten in das große Staatsarchiv nach Wien geschafft und nur die für die innere Verwaltung nöthigen an Ort und Stelle gelassen. Es ist demnach von Allem, was man in einem vollständigen ragusischen Archive zu finden sich berechtigt glauben könnte, nur wenig hier geblieben. Aber selbst unter diesem Wenigen ist noch vieles sehr Interessante und Kostbare, und es ist wohl kein Zweifel, daß sogar dieses Wenige und Zugängliche noch von keinem Historiker, sogar, seinem eigenen Geständnisse zufolge, von Appendini nicht vollständig ausgesiebt und benutzt worden ist, um alle Goldkö'rner zur Geschichte dieser Lande daraus zu sammeln. Wie in dem Archive von Venedig, das ich früher einmal sah, fand ich hier große Ballen von Korrespondenzen der Gesandten und Consnln der Republik aus Konstantinopel, Rom, Petersburg u. s. w. — eben so eine Menge sogenannter ,,'sillUl»tt lul-Hi," Verhandlungen mit den benachbarten türkischen Paschas von Bosnien und der Herzegowina, die gewiß viel wichtigen Aufschluß über die Zustände dieser Länder enthalten, — außerdem viele sehr sorgfältig gehaltene Cassebü-cher der alten Repnblik, die aber jetzt znm Theil nicht leicht zu verstehen find, weil die alten (5assemneistcr sich hänfig statt der Buchstaben gewisser Zeichen bedient haben, zn denen man die Schlüssel schwer finden kann, weil sie nicht immer dieselben bleiben. — (5>n sehr merkwürdiges Buch, eins der Grundbücher der Republik, ist hier auch das sogenannte „^iln-o UiUi//^." welches eine ganz detail-lirte topographische Beschreibnng aller Inseln und Fest-landbesitzullgen aller Aecker, Wiesen, Berge, Felder der „Libro Maüzza." 79 Republik enthält, mit genauen Angaben ihrer Gränzen und Besitzer. Dieses Buch ist schr schön geschrieben, dabei sehr alt. Man kennt nicht genau das Jahr seiner Entstehung, setzt es aber mindestens inö vierzehnte Jahrhundert zurück, und mau muß sich wundern, wie frühzeitig dieser wohl geordnete kleine Staat auch schon auf etwas bedacht war, was einem sehr genauen Gründen-taster des Staatesterritoriums ähnlich siehl, eine Einrichtung, die wir sogar jetzt noch in einigen unserer eul-tivirten Staaten entbehren. Bei allen Prwatproeessen sowohl, als auch bei allen Abgabeuvertheiluugen gewährte dieses I^idi-o Nuli//!, eine sehr gute und solide Grundlage, und es wird sogar jettt noch zuweilen zu Mthe gezogen. In slavischer Sprache geschriebene Documentc giebt es hier gar nicht. Alles ist entweder lateinisch oder italienisch, das Meiste in letzterer Sprache. Die offieielle Sprache in Nagusa, anch die in seinen Rathsversammlungen, so wie vor Gericht gesprochene, war stets die italienische und ist dieß noch heutiges Tages, lind dieß ist wohl Beweis genug dafür, daß der eigentliche Geist und die Seele dieser Republik als dem Wesen nach italienischer Herkunft betrachtet werden muß, obgleich die Eüdslaven dieß nicht zugeben wollen, welche „Dubrownik" immer alo eine bewundernswürdige slavische Republik betrachten, und die stets alles Vortreffliche, was in Nagusa geleistet worden ist, als unmittelbar von den slavischen Serben ausgeführt ansehen. — Gewundert hat es mich, daß auch unter den Ragusern, wie es nur schien, jetzt die slavischen Sympathieen sehr vorwalten, daß sie sich im Grunle alle für reine Slaven ausgeben und halten, 80 Slavische Sympathieen der Naguser, und an allen slavischen Angelegenheiten den innigsten Antheil nehmen. Cs giebt zwar auch, wenn man sich so ausdrücken darf, eine italienische Partei nnier ihnen, aber ich hätte geglaubt, daß alle Ragnser sich einem so ausgezeichneten nnd eivllisirtcn Volke, wie es die Italiener sind, viel lieber nnd entschiedener nnd viel allgemeiner anschließen würden, als einem Volke, das bei allen guten Eigenschaften, die es besitzt, in der Vnltur zum Theil in Folge seiner unglücklichen Schicksale so sehr zurückgeblieben ist. Die Frage, ob die Ragnser Slaven oder Italiener sind, habe ich mir am Ende so beantwortet: Streng genommen sind die Raguser weder das Eine, noch das Andere. Vielmehr bilden sie ein eigenes besonderes tlei-nes Völkchen für sich, das ans der Mischung slavischer nnd italienischer Elemente hervorgegangen ist*). ') ,,Das politisch-nationale Bewußtsein Nagilsas war ursprünglich rein römisch. Man hat Anfangs absichtlich und hartnackig das Slavische zurückgestoßen, wie aus hundert Gesetzen und Verordnungen ;n ersehen ist. Kaum zu Ende dcs dreizehnten Jahrhunderts fing vas Bewußtsein einer gewissen nationalen Solidarität mit den Slaven an. Von da an wuchs dieses Bewußtsein mit Hilfe des lebhaften politischen und commercielleu Verkehres nut der griechisch-slavische» Welt, so daß man von 4W0 l'is 1400 oder 1470 sich wirtlich als slavisch betrachtete, jedoch uuter der Bedingung, die westliche Civilisation als die allein seligmachende zn betrachten, — In dieser .Zeit sind die Anfänge der Bearbeitung slavischer Literatur wahrzunehmen, welche dann jenes Bewußtsein steigerte. — Aber nach der Eroberung Konstantinopels durcMdie Türken, nach der Abnahme des slavischen Landhandels, seit der Wiedergeburt der Wissenschaften in Italien und seit der Einführung italienischer Tuch-, Leder- und anderer Fabrikate, so wie bei der Blüthe des Handels mit Neapel, Genua, Florenz, und der Versorgung der Schulen mit griechischen Ver»»schung slavischer und italienischer Elemente. g> Wie ihre Stadt selbst nach dem, was ich oben sagte, aus einer griechisch-römischen und italienischen Ansiedelung und einer slavischen Colonie, die in eine Mauer vereinigt wurden, zusammengewachsen ist, so sind auch nicht nur alle edlen Familien ihres Staates, wie sich bei vielen genau nachweisen läßt, entweder italienischer (neapolitanischer, apulischer, storentinischer, selten venetianischer) oder slavischer Herkunft. Die letzteren von slavischer Herkunft sind zum Theil von der Bocca von Cattaro her, zum Theil aus Zachlumien, Trebunien, Bosnien und der Herzegowina eingewandelte Knäsenfamilieu und mitunter Sprößlinge alter slavischer Fürsten und Herrscher. -^ Dieselbe Vermischung slavischer und italienischer Elemente wie ill den Familien nnd den Häusern der Stadt selbst zeigt sich auch in den geselligen C'inrichtuugen, in den Sitten und Gewohnheiten. Die Gesetze und die politische Form, oic ganze scharf abgegränzte republikanische Aristokratie sind nach italienischem Muster, die häuslichen Sitten und Gewohnheiten aber mehr slavisch. Daher ist auch die öffentliche und officiclle Sprache die italienische. Die Sprache aber für den alltäglichen Umgang und in den und italienischen Gelehrten, lebte das römische oder italienische Bewußtsein wieder auf und das slavische siechte immer mehr dahin. Nur die Literatur hielt eS Anfangs noch etwas aufrecht. Die Jesuiten zerstörten es, so z» sagen, völlig. — Im achtzehnten Jahrhunderte befaßte man sich in Ragusa schon wenig mit slavischer Ateratur, desto mehr mit italienischer und lateinischer. Das Bewußtsein bildete sich in dieser VpoHe zu dem eines eigenen Völkchens, dessen Sprache wohl die slavische, dessen Bildung wohl die italienisch-römische, welches aber weder italienisch (das specifisch italienische Bewußtsein ist wohl nie vorhanden gewesen), noch slavisch ist." X. Kl'hl, Meise in D^lnuiücü. ü, 6 H2 Mischung italienischer » Familien, die Kinder-, Ammen- nnd Muttersprache, so wie auch die Sprache des gemeinen Maunes ist die ,slavische. Ich möchte sagen, das ganze weibliche Element in Nagnsa ist slavisch, das männliche italienisch. Uebrigcns halten sich die beiden Sprachen, die fast jeder Vornehme und Geringe versteht, nicht immer nach dem Zwecke, für den sie zunächst bestimmt sind, auseinander. Vielmehr vermischen sie sich oft geradezu, und man hört in Ragusa, wie freilich auch überhaupt in ganz Dalma-tien, nicht selten Gespräche, die italienisch beginnen und slavisch enden, oder anch wieder ins Italienische umspringen, und so bunt und doppelt wie diese Gespräche mögen hier alle Zustände sein. In dein Großenrathsfpiegel findet man immer italienische und slavische Namen fast zu gleichen Theilen unter einander gemischt. Doch kann man nach dem Namen einer ragusischen Familie nicht auch immer einen Schluß auf ihren italienischen oder slavischen Ursprung machen, weil znweilen der ursprünglich slavische Namen ins Italienische übertragen wurde oder umgekehrt. So giebt es z. B. eine ragusische Familie Bcvilaqua, die slavisch Wodovitsch heißt. Beide Namen bedeuten dasselbe, uud man weiß nicht mehr, welches der ursprüngliche ist. Manche slavische Familiennamen sind blosi auf die Weise italienisirt worden, daß nur die Form des Worts etwas italienischer klingen mochte, z. V. der Name der Bosdari, der italienisirt slavisch ist und im reinen Slavisch eigentlich „Bozidari" (d. h. cinno ra tl'm-« von Venedig stammt ungefähr ans derselben Zeit, so wie ebenso in Deutschland die meisten geschriebenen Adelsmatrikelu, auch die goldene Bulle des deutschen Reichs ungefähr um diese Zeit, ich meine nms fünfzehnte Jahrhundert herum, etwas früher oder spater entstanden sind. Auch Appen-dim beweist schon bei Gelegenheit des geschriebenen ragn-sischen Statntenbnchs, daß die innere Geschichte dieses lleinen Staats immer einen gewissen Parallelismus mit der Entwickelung der inneren Geschichte der meisten europäischen Großstaaten einhielt. Das ragusischc Statn-teubuch entstand ganz in derselben Epoche, in welcher Alfous X. in Eastilien, König Erich in Schweden und die Rathsherren und Bürgermeister in den meisten freien Städten in Deutschland ähnliche Statutenbncher für ihre Leute aufsetzen ließen. — Die Geschichte Europas in dem Sinne, daß bloß die unseren ganzen Welttheil gleichzeitig in alten seinen Theilen durchstrahlenden Phänomene und durchzitteruden Umwälzungen darin dargestellt und nachgewiesen wären, ist noch von Niemandem geschrieben worden, und es wäre jetzt, wo Europa mehr als je ein einiges, organisch zusammenhängendes Ganze wird, wohl endlich einmal Zeit, daß dieß geschähe. Sehr merkwürdig und charakteristisch war mir das kurze Gebet, welches ich als Einleitung dem ragustschen l.id,o ä'oro vorgesetzt fand, und ich copirte cs mir, als einen sehr schlagenden Beweis der ungemeinen Gottesfurcht und Frömmigkeit, welche diese so ächt katholische Patriotisches Gel'et, gI und christliche Republik, trotz ihrer Verbindung mit den Türken, beseelte. Es lautete so: „Herr Vater, Allmächtiger, der du diese Republik anserwählt hast, damit sie Dir diene, erwähle auch, wir bitten Dich, unsere Regenten Deinem Willen und unserem Interesse gemäß, auf daß sie Dich furchten und Deine heiligen Vorschriften bewalnen, und uns mit wahrer Milde lieben und lenken. Amen"")." Das (Hinzige was man etwa in diesem Gebete als zu viel bezeichnen könnte, wäre enva die Phrase „unserem Interesse gemäß" («leuinlum nooo^i-tlM^n! m^ll-lm,). Denn im Grunde genommen ist ja Gottes Wille auch immer unser Interesse. Doch ist dieß eine kleine menschliche Naivetät, wie sie Jeder von uns in seinem Gebete begeht. Das Reliquiario und die Rolandsäule. Es gab in dem kleinen Nagusa eine Menge Kirchen und Klöster, sowie viele fromme Stiftungen und wohlthätige Anstalten, und dazu eine zahlreiche Pn esterschaft. Fast jede steinige Insel hatte einen Bischof. Auf die Erfüllung aller kirchlichen Ceremonien und religiösen Wichten wurde mit der größten Pünktlichkeit gehalten. Die Raguser waren nicht bloß eifrige Christen, sondern *) Domine Pater, Omnipotens, (jui eligisti hanc Rptnpu-blicam aschüfe wohl Ragusn-, durften aber lnner patrieischeit Familie angchiire». Reliqnienschah. 87 Theilen von Thraeicn, Bulgarien, Bosnien, Albanien und Griechenland, wo sie Geschäfte hatten, zusammensuchten, j,seguendo i naturali moti della pieta e religions ora a spese proprie, ed ora della loro Re-pubblicči noil senza gravi pericoli, togliendoli alia bar-baria ed alia superstizione" (indem sie den natürlichen Antrieben der Frömmigkeit uud Religion folgten, bald nnf eigene Kosten, bald auf Kosten der Republik, nicht ohne große Gefahr, und indem sie dieselben der Barbarei und dem Aberglauben (?) entzogen). — Es ist hieraus ein fo reicher Reliquienschatz entstanden, wie er sich in Dalmcttien und vielleicht auch auf der ganzen südslavischen Halbinsel nicht wieder findet. Dieses ragusische Relianiarinm befindet sich noch heutiges Tages in einer Abtheilung des Domes der Stadt. Um es zu sehen, hat man dreierlei Schlüssel und dreierlei Assistenz nöthig, die uns dnrch gütige Fürsprache gewahrt wurde. Die Hauptstückc bilden hier die prachtvoll in Gold, Silber und (5'delsteine eingefaßten Gebeine des Schutzpatrons der Stadt, das S. Biagio (des heiligen Blasins), insbesondere sein Haupt. Bei einem jährlich wiederkehrenden großen Feste, das sich in vielen Büchern beschrieben findet, wurden dieselben unter Zulauf des ganzen ragusischen Volts in Procession in der Stadt nmhergetragen. Unter den zahllosen Reliquien machte man uns insbesondere auch auf ein Gewebe aufmerksam, von dem man glaubte, daß es die Windeln des Christlindes gewesen seien. Früher, so erzählte man uns, hatten die schwangeren Frauen in Ragusa häufig kleine Lappen von diesen Windeln erhalten, weil sie dann leichter gebären zu können glaubten. Die Windeln seien aber durch ein Wnndcr immer ßg Ragusaö Kirchen. von selbst wieder nachgewachsen. Einmal aber sei ein solches Windelstück an eine Jüdin gekommen. Da habe das Wachsen aufgehört, nnd nm sich die, Reliquie zu erhalten, habe man daher hieraus das Austheilen dieser Lappen eingestellt. Der Dom von Ragusa ist im Uebrigen zwar ein recht geräumiges und hübsches Gebäude, aber im Ganzen weder durch Größe noch durch Baustyl oder Kunstschähc besonders ausgezeichnet. Dasselbe gilt auch von den anderen Kirchen von Ragusa, die dem Besucher durch gar nichts zu imponircn wissen. Die alle große srüher vielgepriesene Kirche, die der König Richard Löwenherz einem Gelübde zusolge iu Nagusa baute, sowie überhaupt der größte Theil der alten architektonischen Pracht der Stadt ging in dem Erdbeben von lt)67 zu Gruude. Vou den furchtbaren Ereignissen bei diesem entsetzlichen Erdbeben, das von Feuersbrünsten und unbarmherzigen Ueberfällen uud Plünderungen der herbeigeeiltcn Mor-lachen begleitet war, und dein Hungersnoth, Krankheit und Elend aller Art folgten, kaun der wißbegierige ^cser eine sehr detaillirte interessante und, ich möchte sagen, herzerschütternde Schilderung in der deutschen Bearbeitung des berühmten Buchs von Lucius über Dalmatien im zweiten Theile Seite 20!) flg. lesen. Dieselbe ist von dem Secretär eines holländischen Gesandten abgefaßt, der sich auf feiner Reise nach Konstantinopel damals gerade in Ragusa aufhielt. Der schon oft erwähnte I'.^/xu ilcUoi-iilc', dann daö Iesuiteucollcgium uud endlich die im gothisch-arabischen Style gebaute Dogana sind außer den Vefestig-«ngswerken jetzt die einzigen Gebäude NagusaS, welche Zweckmäßigkeit der ragusischi» Gebäude. 89 in architektonischer Beziehung einen hervorragenden Werth haben. Ihre specielle Schilderung übergehe ich hier, so interessant sie auch sonst sein könnte. Nnr will ich noch zweierlei vorzubringen mir erlauben, erstlich eine allgemeine Bemertnng und dann eine besondere über ein Kunstwerk in Ragnsa. Ariosto ließ einen lateinischen Vers vor sein Wohnhaus seyen, indem er dasselbe als, wenn auch nicht prachtvoll, doch nett, als wenn auch nicht groß, doch seinen Bedürfnissen gerade entsprechend und für sein eigenes Geld gekaust, bezeichnete. Und dieser Vers des großen Dichters*) siel mir überall bei meinen Wanderungen durch die Straßen und Häuser von Nagusa wieder ein. Sie schienen nur alle, so zu sagen, von einem recht bedächtigen nnd sparsamen Hausherrn angelegt, und es schien mir darin bcr bekannte Geist des Senats nud der Bürgerschaft der Republik sich uoch heutiges Tages handgreiflich zu offenbaren. Die schmalen Straßen, die kleinen öffentlichen Plätze, die Kirchen und Etaatogebäudc schienen mir alle so recht genau nach dein Winkelmaße nnd Zoll-stabe abgemessen, und jedem so viel zugetheilt, als es gerade zu feinem Zwecke etwa nöthig haben mochte. In Nagusa ist uichts Dominirendes uud vor dem Nebrigen sich Breitmachendcs. Die Kirchen, die zierliche Dogana u. s. w. sind gerade so groß angelegt, wie es einer Stadt von etwa zwanzigtausend Einwohnern angemessen sein möchte. Die Straßen sind so breit, daß zwei oder drci ') Vr heißt: „Pai'va, sod apta inihi, sed nulli obnoxia, sod non Sordida, parta meo sed tatnen aerc dotnus." 90 Sauberkeit vl'n Nagusa. Menschen ganz bequem bei einander vorbeikommen können. Die Thürme ver Stadt sind nicht übermäßig hoch, die Privathäuser meistens zweistockig und nirgends so auf-getteftpt und siebenstöckig, wie man dieß bei nns selbst in kleinen Städten sieht. Nichts ist üppig aufgeschossen, zu lang oder zu breit. Der Palazzo des Nettore steht auch mit dem Ganzen in größter Harmonie und ist weder zu klein, noch zn groß für die Figur, die ein ragusischer Rettor spielte. Der Dogcnpalaft in Venedig überragt alle anderen Gebäude der Stadt an Pracht sowohl als an Größe vcrhältilißmäßig viel mehr. Auch die alten Gebäude der Patricier, deren es jetzt noch sehr viele und sehr interessante in der Stadt giebt, sind an Größe und Pracht den Häusern der übrigen Bürger nicht in dem Maße überlegen, wie z. B. etwa der Palast Pitti in Florenz, oder wie die verschiedenen Prachtgebäude in Verona den Häusern der bürgerlichen Privatleute. Sie stehen auch mit den übrigen Stadthäusern in einer Reihe, da zu Gehöften und sonstigen sondernden Umgebungen ihnen kein Naum gestattet werden konnte. Nichtsdestoweniger aber sind nach den Specimens, die ich davon gesehen habe, diese Gebäude inwendig nichts weniger als unbequem und beengend. Es scheint mit den Räumen recht hübsch gespart zu sein, und sie haben ganz hohe und geräumige Zimmer, die oft mit antiker Pracht mö-blirt und ansgcstattct sind. — Auch findet man durchweg bei Häusern, Menschen nnd Straßen cine recht wohlthuende Sauberkeit, und man kann ohne Weiteres sagen, daß Ragusa die reinlichste, netteste und wohlgefälligste Stadt in Dalmatien und Illyrien ist, die ganze Türkei mit eingerechnet. Mit einem Worte, man empfängt in NagusaS Festungsmaucrnpau^r. 9l der heute noch sichtbaren Hüllc des alten Ragusa den Eindruck, als wenn hicr Alles recht wohl abgewogen und ganz proportionirlich sei. 1.1nd wer die Geschichte und die politischen Einrichtungen des freien Ragusa einigermaßen kennt, der wird demnach zugeben, daß hierin sich noch jetzt das Gepräge des alten Geistes offenbart. Ich fand in ganz Ragnsa nichts außer Proportion als den gewaltigen Panzer der alten Festungsmanern, in denen die Stadt steckt wie ein Fingelhut voll Wein in einem zolldicken Glasbecher. Aber dafür muß man die Türken, die Bosnier, die Seeräuber, die venetianischeu Flotten-Admirale und die anderen zahlreichen Feinde Ra-gusas, vor dereu stets zu fürchtenden Anfällen der Nector jeden Abend bei Zciteu die Thore verriegeln und verrammeln mnßte*), verantwortlich machen. Wenn irgend wer, so müßte es der Senat von Ragusa wissen, wozu Stadtmauern gut sii.d und wie Steinblöcke gebraucht werden könueu, um mit ihnen Freiheit und Bürgertugend einzufassen, wie alten Wein in eine Tonne. Meine zweite nachträgliche Bemerkung knüpft sich an ein steinernes Monument Ragusa's, für das wir Deutsche und namentlich wir Norddeutsche ein besonderes Interesse empfinden müssen. Ich meine nämlich die ra-gusische Rolandssäule, die auf dem Forum oder Hauptplatze der Stadt seit den ältesten Zeiten her aufgestellt war. Dieselbe glich in der Hauptsache ganz unserer Rolandssäule in Bremen und in anderen norddeutschen ") Im Winter wurden die Thore der Stadt nur 2 Stunden, >m Sonnner 3 bis 4 Stunden täglich offen gelassen. Sonst waren Nc immer verschlossen. 92 Dcr deutsche Roland Städten. Es war eine aus Stein gemeißelte kolossale Figur mit gezogenem Schwerte und vom Kopf bis zum Fuß gewaffnct. In Bremen hat diese Figur bekanntlich das Bildniß eines kleinen Zwerges zn den Füßen, hier in Nagusa aber stand sie auf einem steinernen Vuche. Es ist merkwürdig genug, daß die Naguser diese Säule eben so nennen, wie die Bremer die ihrige, nämlich „Rolando" oder „Orlando", und daß sowohl das Volk vou Ragnsa von der Bedeutung derselben, die es für ein Sinnbild der Selbständigkeit und der freien Bann-gerichtsbarkcit der Stadt hält, erzählt und glaubt, als auch, daß die Gelehrten der Republik eben so wenig über ihre Herkunft nnd ihren Ursprung zu berichten wissen, wie die deutschen Gelehrten von den denlschen Rolandssäulen, slppendini führt die Mcinnngru aller ragnsischen Gelehrten darüber an, und um zu erfahren, daß man darans nicht klüger wird, braucht man nur die Meinungen nnd Streitschriften der deutschen Gelehrten bei uns nachzulesen. ^ Am liebsten — weil man sich doch wenigstens dabei amüsirt — liest man noch die Geschichte, wie die alten ragusischen Annalisten sie erwählen, indem sie dabei vermuthlich der Volkosage folgen. Orlando, so sagen sie, der Schwestersohn von Carl dem Großen, ein tapferer Paladin, habe in der Bretagne, wo er Gonvcrnenr war, gehört, daß ein gewisser saracenischer Seeräuber zum großen Schaden der römischen Städte das adriatische Meer molestire. Er habe sich daher nach Ragusa begeben, eine ragusische Galeere bestiegen und bei der Insel Lacroma die Seeräuber angegriffen und besiegt. Ihre Schiffe habe er in Grund gebohrt nnd ihren Capitän Namens Eplicento mil Hilfe der Ragnser gesangcn ge- und der ragusische Orlando. ft^ nommen nnd ilun ill der Stadt den Kopf abgeschlagen. Darauf hätten die Ragnser aus Dankbarkeit dein Orlando eine Statue von Marmor errichtet. Er aber selbst habe, nm diese Artigkeit zn erwiedern und dic Tapferkeit, welche die Bürger nnter seiner Anführung entwickelt hätten, zu ehren, eine Büste des hingerichteten Spucento ans dem Arsenale aufstellen lassen, lind so sei jene Statue seitdem in Ragnsa geblieben. Wie nnd bei welcher Gelegenheit die Ragufer nnd die Bremer sich ihre Ideen über Roland ausgetansän haben mögen, bleibt ganz dunkel; aber ebenso bleibt es merkwürdig, daß so etwas wirklich geschehen sein mnß. Es ist wieder wie das, was bei dein I.ikl-n ä'o,-n und dci dem Statntenbnche von Ragnsa geschah, ein Beweis davon, wie weit zu allen Zeiten die historischen Kreise der Sagen nnd Sitten, der Gesetze nnd Gewohnheiten hinaus-Pnlsirten. Ich glanbe übrigens, daß außer den, stets freien republikanischen Ragnsa sonst leine dieser südlichen Städte eine Rolandsäule auszuweisen hat. 41. Die Handleute von Ragusa. Nachdem ich mich den ersten Tag in der Stadt lelbst einigermaßen orientirt hatte, wünschte ich anch etwas von der gepriesenen Umgegend von Ragnsa zu sehen, ^s giebt für den Reisenden hier drei Hauptansflüge, erstlich einen längs der Küste nach Süden zum Thale v n Brenne, zweitens einen längs der Küste nach Norden 9^ Bauern und Väm-rinncn ar.s Vrcmw, Qmlüa. zum Thale von Ombla und zu den vielgepriesenen Platanen von Canosa, und endlich cincn dritten in der Mitte zwischen den beiden vorigen Richtungen zur türkischen Gränze imch dem berühmten ragusisch-türkischen Gränz-Handelsorte Vcrgatto. Nie es denn wohl zu geschehen pflegt, daß der Reisende nicht alle seine Wünsche ersüllt sehen, nicht allen seinen Pflichten genügen kann, so gelang es mir auch leider nur, einen Spaziergang auf dem halben Wege nach Brenno und einen Ausflug ins Omblathal zu Stande zu bringen. Die Bauern und Bäuerinnen aus Brenno, die Bren-nesen, sind in Ragusa ihrer schmucken Nationaltracht wegen berühmt, und dieß will in einem Lande, wo allc Nationaltrachten so bnnt und meistens gefällig sind, viel sagen. Früh am Morgen, es war Sonntag und dazu ein schöner Sonntag, ging ich auf den Markt von Ragusa hinaus, um mir jene geschmückten Leute anzusehen. Es waren bereits viele von ihnen, aber freilich nicht lauter Brennesen, auch von der Ombla und aus anderen benachbarten Orten, versammelt. Sie boten Trauben, Feigen und andere Früchte, Geflügel und Gier seil, alle ungefähr in der slrt und mit einem eben so reichen ßostüm, wie die jungen hübschen Choristinneu aus unserem Theater in der bekannten Scene der ,,Stnmmen von Portiei." Die Weiber waren ungcmein nett und reinlich gekleidet und glänzten von weisier Wäsche, grünen, rothgesäumten Strümpfen, buntgefärbteu Saffiauschuhen und allerlei Gold- und Silbcrschnmck. Wen» ich sage Gold-schmuck, so bitte ich dieß buchstäblich zu nehmen. D>c Bauermädchen, die znweilen recht hübsch waren, hatte» dichte Neihcu von goldenen Perlen, deren jede so groß Goldgeschmückte Äauermädchen. 95 wie eine Wallnuft war, um den Hals. Dieselben waren hohl und stellten eine Art ganz hübscher Filigranarbeit dar. Es war bei den meisten das reinste Dueatengold. Daß die Bauermädchen mit solchem Goldschmnck, mit dem bloß bei uns die Vornehmen sich zuweilen in großer Gesellschaft zeigen, in Ragusa ans dem Gemüse-markte erscheinen, mag ill Deutschland vielleicht sonderbar klingen, ist aber nichtsdestoweniger ganz wahr. Wo diese ^eute es sich wieder abknappen, um diesen Lurns anssühren zu können, weiß ich nicht. Die goldgeschmückten Mädchen küssen dir aber dennoch die Hand, wenn du ihnen für ein paar Kreuzer Waare abkaufst. Sie machen ordentlich Toilette für den Markt. Ihre Schuhe uud einige andere Stücke ilnes Costüms nehmen sie im Eierkorbe mit und lauseu barfuß bis zur Stadt. Vor der Porta Ploece aber stellen sie sich an die Maner irgend eines Weingartens, ziehen ihre Schuhe an uud putzeu sich auch sonst heraus. Ans unserem Spazierwege längs der Küste sahen wir solche Scenen nachher zu wiederholten Malen. In der Tracht der Männer aus Vrenno und überhaupt aus der Umgegend von Nagnsa herrscht besonders die rothe Farbe vor, mehr als in der Tracht der übrigen Dalmateu. Ihre Weste, ihre Strnkka (Ueberwnrf), ihre Wadenbedeckung, Alles ist pouceaurotl). Nur ihre Weiten Beinkleider bis zum Knie sind blau. Und diese weiten blauen Beinkleider sind überhaupt, däncht mich, das einzige Kleidungsstück, das bei den Brenuesen, Om-bleseu, Caualesen, Montenegrinern, Morlachcn uud überhaupt bei allen Dalmatieru, ja selbst bei deu Albaucsen, Bosniern und Türkcu sowohl in Form als iu Farbe sich fast ganz gleich bleibt. In diesem blauen Tuche müßten 9ß Nationaltracht der vagusischcn ^anblültte. sich, däucht mich, im Oriente die beßten Geschäfte machen lassen. Alles Uebrige, Unterweste, Unterkleid, Strukka, Mantel, variirt in Farbe, Schnitt, Knöpfezahl und Knöpfeform auf unglaublich mannigfaltige Weise. Auch die Kopfbckleidung der ragusischcn Vaucru ist roth. Es ist ein fcharlachrothes um das Haupt geschlungenes Tuch, ein Turban, den sie aber, wie erwähnt, nicht Turban, sondern Saruk nennen. (5s ist eine sonderbare, mir unerklärliche Erscheinung, daß die Bewohner des Gebiets von Ragusa mehr als alle übrigen Dalmatier in ihrer äußeren Erscheinung und Kleidung den Türken gleichen. Sie bilden darin einen auffallenden Contrast nut ihren Nachbarn, den Vocchesen, bei denen statt der rochen Farbe die schwarze vorherrscht, und die auch statt des türkischen Turbans, wie ich schon sagte, ein kleines knappes schwarz-tuchenes Käppchen tragen. — Mit schönen Waffen para-diren die ragusischen Landbewohner eben so wk alle anderen dalmatischen Völker. Nur zeichnen sie sich vor diesen sehr durch Reinlichkeit und Nettigkeit aus, haben bei Weitem nicht das wilde und uncnltivirte Ansehen, wie die eigentlichen Morlachen, mit denen sie gar nicht vermischt werden wollen. Auch den langen, dicken, schluuzigen Zopf der Morlachen tragen die Naguser nicht. Vielmehr haben sie das Haar kurz weggeschnitten. Wir sahen eine Menge dieser Veute versammelt, die des Sonntags wegen zur Stadt gekommen waren und vor und nach der Messe auf den öffentlichen Plätzen der Stadt in Gruppen herumstanden. Es waren meistens wohl^ gebildete Gestalten, und darunter einige wahrhaft schöne und große Mäilner. Nenn man diese Männer so wie die goldgeschmückten Frauen ansah, so tonnte man an Die ragusischen Landleute zu? Zelt der Republik. 9? ihnen nur wenig von dem Verfalle Ragusas verspüren. Sie sahen gesund, frisch und blühend auS und waren auch in ihrer äußeren Erscheinung nichts weniger als bcttelhaft. Den Untergang Ragusas merkt man nur ln den Classen der Edelleute, welche nun, um sich clne Eristcuz zu sichern, gezwungen sind, entweder östreichische Dienste oder Pensionen nachzusuchen, und der Bürger, unter denen es keine Prazzatos mehr giebt, die dem Staate mit einem Geschenke von sechzehn Millionen Franken beispringen könnten. Der Hinblick a»f die ragusischen Landleute kann einigermaßen über den Untergang der alten Republik trösten; denn sie haben dabei vielleicht eher gewonnen als verloren, wie denn überhaupt ,1 u»i ä«i ltl».^u8ui) nachlesen. Gr wird darin die rührendsten und nachahmungswürdigsten Züge eines patriarchalischen Umgangs der Herrschaften mit ihrm Dienstlcuten finden. Noch heutiges Tages ist davon Manches in Äagusa übrig geblieben. So erzählte mir ein Freund, daß noch jetzt ein gewisses Familienfest in den ragusischen Häusern für eineu Dienstboten veranstaltet werde, der eine gewisse Anzahl von Jahren bei feiner Herrschaft treu gedient habe. Dieses Fest, das überall in der Welt bekannt zu sein verdient, nennen sie „Sprawa," was ungefähr so viel heißt, als „Ausstattung, Ausstaffn-ung." Bei dieser Sprawa erscheint die treue Magd, dann die „Spraweniza" genannt, als die Gefeierte. Sie erhält von ihrer Herrschaft und dercu Verwandten dabei die herzlichsten Gratulationen, ein Festessen und ein«.» Tanzabend nebst allerlei auf die hübscheste Weise überreichten Geschenken, z. V. in Citronen versteckten Ducaten. Nach der Sprawa ist sie ganz frei und vcrheirathtt sich entweder, wobei ihr ihre herrschaftliche Familie noch besonders beispringt, oder tritt bei derselben von Neuem in Dienste, wobei ein neuer und für die Dienende vortheilhaftercr Contract abgeschlossen wird. Auch in Vezug auf die Betreibung des Ackerbaus, Ragusische Wcinculiur und Olivenbaumpstege, 101 namentlich der Wciucultur und der Olivenbaumvsiege und Oelbereitung sind, wie ich schon andeutete, die ragu-sischen Bauern allen übrigen Dalmatiern um einige Grade voraus. Bei Nagusa werden niehrc der beßten illyrischen Weine erzeugt, und namentlich derjenige, dem ich am liebsten die Palme gebe, der kräftige, haltbare, -edle und nicht süßliche Nalv:>!,m (U Niigu«». Ihre Oli-vcnbäume haben sie immer in guter Ordnung, düngen sie am fleißigsten, reinigen sie am beßten von dem dürren Holze und wissen sie sorgfältiger vor den häßlichen Würmern zu schuhen, die sich manchmal in der fetten Olivenfrucht entwickeln. Auch verfahren sie bei der Oclbercitimg anders als die übrigen Dalmatier. Die Oliven haben nämlich das Eigenthümliche, daß sie ihre Früchte sehr allmälig zur Reife bringen, erst einige, dann wieder einige. Die Ernte dauert daher sehr lange. Die Raguser nehmen nun immer die reifgcwordcncn Früchte sehr steißig ab und bringen sie sogleich frisch unter die Oclftresse, welche bei ihnen Tag und Nacht im Gange ist, um die Früchte, so wie sie vom Vaume kommen, anszuftrcssen. Die übrigen Dalmatier dagegen, denen dieses zu umständlich ist, lassen die Früchte entweder länger, als nöthig ist, auf den Bämuen und ernten dann Alles auf ein Mal, oder sie sammeln die abgepflückten Oliven, warten, bis sie eine große Quantität bei einander habcu, und pressen dann AlleS zusammen. Da aber unterdessen viele Früchte in Fäulniß übergegangen sind, so wird natürlich ihr Oel nicht so rein und schmackhaft, wie das dcr Nagnser. Manche Possidenti pflegen sich daher auch wohl ragusische Oelbaumpstrger zu ver- 102 „Nostrani" unb ,,Morlachi." schreiben. Alljährlich sollen dergleichen von Ragusa nach Zara wandern. Doch sollen sie eben keine großen Reformen zuwege bringen. Man begreift es diesem slllen nach, daß die Raguser nicht mit den übrigen Dalmatiern, namentlich nicht mit den Morlachen, vermischt werden «nd lieber ein eigenes Völkchen bilden wollen, und daß sie sich vor allen Dingen gern Raguser oder noch häufiger unter einander „w08trani" (die Unsrigen) nennen. Ein Bewohner der Insel Melcda und des Landes Sabioncello ift in Raguscr noch ein Nostrano, nicht so einer von Curzola oder der Narenta. Das Wort Morlache ist, wie ich schon sagte^ überhaupt in Dalmatien nicht gern gehört, abcr in Ragusa würde es als eine wahre Beleidigung aufgenommen werden. Es heißt hier ungefähr so viel wie „Gothe," „Barbar." „iXa >Vl sagt man von groben, plumpen Menschen. AlS einen Volksnamen gebraucht man in Ragusa die Namen „Mor-lachi" gewöhnlich von allen Leuten, die aus dem türkischen Osten an das Rastell von Bergatto kommen. Und specieller heißt hier namentlich die Umgegend und der District der türkischen Stadt Trebinje (das alte Tre-bunien) „die Morlachei" (w Noi-lix-nm). Uebrigens werden auch innerhalb des Gebietes von Ragusa selbst die mildergesittctcn Küsten- und Inselbewohner von den slavischen Stämmen geschieden, die um den Sniegsizza und andere zu Nagusa gehörende hohe Berge wohnen. Die ragusischen Bergbewohner sind auch viel ärmer und uncultivirter als die Küsten- und Inselbewohner und verhalten sich zu ihnen wie etwa die Knwoschianer und Shuppaner zu den Dobrotanem und Risanoten an den „Laccrta apoda." ]()3 Bocche di Cattaro. Doch wendet man auch auf sie gewöhnlich nicht den Namen Morlachen an, nennt sie vielmehr artiger bloß: „powi-z^lgni" (d. h. Gebirgsbewohner), eben so wie man an der übrigen dalmatischen Küste die Morlachen des Innern meistens nur, gleichsam euphemistisch, ,,i no3lri montmmi-i" (unsere Gebirgsleutc) nennt. 1l. Gpaziergang zum softer S. Giaeomo. Vei unserem Spaziergange auf dem Wege nach Brenno hinaus kamen wir nicht weiter als bis zum ehemaligen Beiiedictinerconvente von S. Giacomo, welches jetzt eine Art Hospital für Gebrechliche ist. Der Weg dahin führt durch schöue Weingärten, reiche Anpflanzungen und hat zu beiden Seiten an den Uferfelsell Aloes, Cactus und üppiges fremdartiges Kraut aller Art. Für die Botaniker und für die Maler südlicher Pflanzen ist hier wieder ein reiches Feld. Auch lebt in diesen schönen sonnigen Weingärten ein besonderes südliches Thier, ein Mittelding zwischen Schlange und Eidechse, das die Gelehrten daher „l»l^rt» Äpoci«" (fußlose Eidechse) genannt haben. Ich war später so glücklich, ein lebendiges Eremplar dieser Laccrta in Wien in dcm naturhistolischen Cabinet der kaiserlichen Burg zu sehen. Es ist ein harmloses Thierchen, so allerliebst, wie eine Schlange es nur sein kann. Es hat einen vorn etwas spitzen und bei den Kinnbacken breiteren Kopf, auch einen dickeren Hals als die Schlange, und dabei die Manieren und das Gemüth einer Taube. Wenn HJ4r „Lacerta apoda." man es ln die Hand nimmt, waS es ohne alle Menschenscheu geschehen läßt, so schmiegt eS seinen Kopf dicht an und legt ihn auf die Finger, wie eine Turteltaube, weil die Wanne ihm wohl thut. Auch sollen die Landbewohner bei Ragusa, wie Fortis sagt, das Thierchen zähmen und es gewöhnen, die Speise aus ihren Händen zu nehmen. Seine Füße kann es übrigens nicht gebrauchen. Denn diese bestehen nur in einem kaum bemerkbaren kleinen Fleischansatze unter den Schuppen des Panzers. Der russische Akademiker Pallas soll dieses Thier zuerst in Südrußland entdeckt und der gelehrten Welt bekannt gemacht haben. Die Südrussen kannten es lange und sollen dafür einen volksthümlichen Namen, der ungefähr so uiel bedeutet als „Goldbauch", in Gebrauch haben. Bei den Naturforschern wird es sonst auch wohl ,,!>8ouäopu5 Opkllii" (Oppell's Falschfuß) genannt. — In Dalmatien soll es in mehren Strichen vorkommen. Insbesondere aber deutet man dabei auf die Weinberge bei Ragusa als seinen Hauptsitz hin, wo die Winzer das unschuldige Thierchen gern dulden. Vei dem Kloster S. Giacomo stehen wieder ein paar Palmen, und man findet diese Klosterpalmcn fast im Vordergrunde jeder von einem Maler aufgenommenen Fernansicht von Ragusa. Leider war auch hier die größte derselben im letzten harten Winter zu Grunde gegangen. Da die illyrischen Palmen, wie ich nun schon mehre Male zu bemerken Gelegenheit hatte, in der Regel bei Klöstern oder Kirchen stehen, so vermuthe ich, daß sie meistens sowohl von frommen Leuten und Mönchen als auch zn frommen Zwecken gepflanzt wurden. Zu der Römerzeit gab es hier vermuthlich keine Die Palmen in Dalmaticn. l()5 Palmen. Das Christenthum verbreitete sie. Die Kreuzfahrer und Palästina-Pilger holten sie aus dem Oriente und pflanzten sie hier an, damit das Volk am Palm? fonntage und bei anderen Feierlichkeiten sich mit Palmzweigen schmücken könne, wie die Leute dieß beim Einzüge des Herrn in Jerusalem gethan hatten. Die Palmen haben sich so fast an allen Küsten des mittelländischen Meeres von Aegypten uno Palästina her ausgebreitet. In Illyrien findet man sie nordwärts bis zur Insel Lcsina hinauf. Man trifft sie auch überall an der südfranzösischen und wcstitalicnischen Küste, bei Nizza, Genua, Marseille u. s. w. Weiter nordwärts aber müssen sie sich in die Gewächshäuser verstecken, und dort thun dann die Kunstgärtner und Blumenhändler für die frommen Christen dasselbe, was im Süden die Mönche und Pilger für sie thaten. Sie pflanzen nämlich Palmen, vorzüglich Sagopalmen, um ihre Zweige, die beson-ders bei christlichen Leichenbegängnissen gesucht werden, zu verkaufen. Ein guter Zweig von der Sagopalme wird z. B. in Dresden zuweilen mit zwei Thalern bezahlt, und ein Gärtner zieht daher gute Zinsen von seinem Capital, selbst wenn er, wie dieß oft geschieht, seine Sagopalme mit !M) oder gar 6i povei-i" (der Vater der Armen). Uebrigens theilte mir bei dieser Gelegenheit ein Herr mit, daß der Scirocco, so gut er für die Sparkasse der Armen fein möge, doch sehr schlecht sei für die Laune aller übrigen Menschen. Er erzeuge in der Regel eine sehr melancholische Gemüthsstimmung. Die Klagen und auch die Streitigkeiten der Leute mehrten sich beim Scirocco auf eine sehr merkliche Weife, und man könnte den Wind in den dann weit mehr beschäftigten Bureaur der östreichischen Behörden eben so gut verspüren, wie draußen im Freien oder auf dem Meere. Im Ganzen ist aber der schlimme Einfluß des Scirocco auf Gesundheit und Gemüthsstimmung in Dalmatian nicht so merklich wie in Neapel und Sicilien. Die vorliegende italienische Halbinsel mildert diesen Einfluß. Vor der Porta Plocce besahen wir noch die Schlachtbänke der Stadt und dann das Rastell oder den mit Holzgeländern eingefaßten Vazar, der für den Handel Türkische Karavanenpferbe im Nastell von Ragusa. >07 mit den Türken dort besteht. Von östreichischen Beamten und Militär begleitet kommen die türkischen Karavanen von der Gränzstation Bergatto an gewissen bestimmten Markttagen bis hierher, um ihre Waaren auf dieselbe Weise abzusetzen, wie dieß bei allen dalmatischen Städten geschieht. Es erscheinen an solchen Tagen wohl an zweihundert und mehr kleine türkische Pferde, mit allerlei Waaren und Sächelchen bepackt, die einen mit Heu, die anderen mit Wacks, die dritten mit Fellen, wieder andere mit Farbehölzern oder mit Pfeifenrohren. Die letzteren sind ein gar uicht unbedeutender Artikel, und man steht oft dreißig bis vierzig Pferde auf ein Mal bloß mit Pfeifenrohren aus der Türkei eintreffen. Die armen Thierchen mit ihren Begleitern kommen oft zehn bis fünfzehn Tagereisen weit, und da der Handel Winter und Sommer durchgeht, so haben sie unterwegs oft nicht wenig zu leiden. Sie mögen daher zuweilen herzlich froh sein, wenn sie auf dem Rastell in Ragusa anlangen, ihrer Ladnngen entledigt werden und nun einmal frei und ruhig herumstehen können. Das eine nimmt dann diese, das andere jene Attitüde an, je nachdem es jedem bequem ist. Das eine stellt sich auf seine vier steifen Beine wie auf vier Stöcke, läßt dcn Kopf lang herabhängen und schließt die müden Angen in süßer Ruhe. Das andere legt sein schweres Haupt über seines Nachbarn Hals, der es geduldig erträgt und selbst ganz tief in Betrachtung seines Kummers und seiner Reisenoth versunken ist. Wieder eines hat sich auf den Boden gelegt und laßt sein Junges um sich her grasen. Dieses hat seine Schnauze cmf ein Gelände des Nastells gestützt, damit dasselbe trage, was seine eigenen mageren Glied- 1^)^z Karavanenhandel »lit der Türiei. maßeil nicht mehr tragen zu können scheinen. Jenes ist ganz in die Knie gesunken und stcht mit krummen Beinen da, wie ein begossener Pudel. Kurzum, man sagte mir, ein deutscher Maler, der ueulich hier gewesen und Pferdestudien gemacht hade, sei über die zweihundert verschiedenen Attitüden ganz cmzückt gcwescn uud habe geäußert, seine Phautasie habe nicht hingereicht, sich eine solche Manchfaltigkeit der Positionen zu denken, wie die Wirklichkeit ihm hier geboten, und cr habe sich sehr glücklich gepriesen, daß man ihm das Rastel! von Ragusa an einem Tage der Anwesenheit der türkischen Karavanen zeigte. Dieser Karavanenhandcl mit den Türken besteht in derselben Weise vermuthlich schon so lange, als es an den Baien von Brenno und Ombla Kaufleute gegeben hat, d. h. seit mehr als zweitausend Jahren; dcnn die alten Epidanritancr, die Vorgänger der Naguser, hatten hier auch weder Chausseen noch Eisenbahnen, und die Waaren, welche sie ausführten, mußten auf dieselbe Weise auf dem Rücken von Pferden hierher kommen. In neuerer Zeit hat sich mit diesem Binnenhandel eine recht bemcrkenswerthe Veränderung zugetragen. Früher nämlich, unter der Republik Ragusa, wo in der Stadt bloß römische Katholiken wohnen durften*), wurde dieser ") Selbst nicht einmal nach dem großen Erdbeben am Ende deS siebzehnten Jahrhunderts wollten die Naguser Leute griechischer Religion als (Klemmte der neuen sich sammelnden Bevölkerung zu? lassen, Cogar Peter der Große unterstützte noch im Jahre l?24 vergebens das Gesuch des serbischen Vojaren Wladislawitsch, der stch in Nagusa angekauft hatte und in seineu, Oartcu eine griechische Kapelle zu errichten wünschte, Der Senat schlug dem Kais» Griechische Gemeinden in Dalmcttien. 109 Handel mit dem Inneren ganz von ragusischen Kaufleuten geleitet. Seitdem aber anch Griechen sich in Ragusa ansirdeln dürfen, haben viele Bosnier und Her-zegowiner von dieser Erlaubniß Gebrauch gemacht. Es hat sich in Nagusa eine gricchisch-slavischr Gemeinde gebildet, die jetzt schon beinahe vierhundert Seelen zählt und noch immer im Wachsen begriffen ist. (5s sind darunter sehr reicbc und sehr thätige Kaufleute, die den Handel mit dem Inneren, wo sie ihre Handelsfreunde und Commanditen besitzen, fast ganz in Händen haben. Anch in Eattaro, Castelnuovo, Budua, sowie in dem dalmatischen Städtchen Obrovazzo an der kroatischen Gränze sind die griechischen Gemeinden, wie mir ein gntcr Kenner Dalmatiens versicherte, im Wachsen begriffen. Diese Erscheinung ist. daher eine allgemeine und durchgreifende und der Beachtung des Historikers werth. All dem letzten Tage meiner Anwesenheit in Ra^ gusa war ein türkischer Commissar aus Konstantinopel angekommen, um mit dem dortigen östreichischen Kreishauptmanne an gewissen seit alten Zeiten her streitigen Punkten die Gränze zn reguliren. Dieser arme Regier-ungsabgeordnctc war schon seit mehren Monaten von Etambul her unterwegs, mit einigen anderen ähnlichen Aufträgen von seinem Gouvernement verschen. Man sagte uns, daß er ganz gut Deutsch verstehe und überhaupt sich sehr gefällig benähme, aber schreckliche Dinge von den Abenteuern seiner Reise zu erzählen wisse. die Bitte nb, <3rst im Jahre l??4 i» einem Tractate mit Nuß-land gab der Senat die Erlaubniß zur <5'!«weihuna, einer Kapelle des griechischen Ritus. zio „k«8s>o<1»!' Oil'culo" und ,,l'l!<^llo-ljo^.°' Solche türkische Gesandten werben von den östreichischen Oberbeamten zuweilen mit demselben orientalischen Ceremonie! aufgenommen, das sie bei sich zu Hause gewohnt sind. Auch mag es bei dieser Gelegenheit den deutschen Leser interessiren, zu erfahren, daß die Türken und Slaven ihre eigene Titulatur für unsere dortigen deutschen Beamten haben. Eo nennen die slavischen Naguser z. B. den Oberbeamten des ganzen Kreises von Nagusa, den „Qipilnno
  • .öo8" (den Kreis-Beg). 12. Das Dmbla Nhal. Endlich am Nachmittage kamen wir zn dem lieblichsten unserer ragusischen Spaziergänge und Wanderungen, nämlich zur Ausführuug einer Fahrt nach dem Ombla-Thale. Zu diesem Zweck gingen wir zunächst wieder von Potta Plocce nach Porta Pille über den breite» Stradone, der, was ich nebenher erfuhr, erst in östreichischer Zeit vor ganz Kurzem das gute Pflaster erhalten hat, durch das er sich jetzt auszeichnet, und an welchem, was ich hier noch nachholen will, obgleich es die Hauptstraße von Nagnsa ist, keineswegs die reichsten und vornehmsten Leute wohnen, sondern meistens Schuster, Schneider, Apotheker und andere Handwerker Ruinen zer^rtn !1, 8 11H Die Gewässer des Ombla- und BrennothaleS. Bassin bildet, aus dem unmittelbar die steile wilde Felswand senkrecht emporsteigt. Unter dieser Felswand quillt das Wasser reichlich und kräftig hervor auf einer Linie von sechszehn Klaftern Länge. Durch Feigengcbüsch und Schilfwalduug und über bewachsene Steinblöcke hinweg konnten wir bis in den innersten Hintergrund vordringen. Mitten zwischen diesen Blöcken und Büschen lagen die Ruinen einer kleinen t5apelle, die, nach den eleganten Eculptnren an ihren Fenstergesimsen zu schließen, von ziemlich hohem Alter sein mußte. Auch stand ein dicker Feigenbaum in der Mitte der Capelle, der mit seinen Iweigen sehr malerisch aus den öden Fenstern hervorragte. Es läßt sich denken, daß hier an der graziösen Omblaquelle schon seit den ältesten Zeiten den Göttern geopfert wurde. Unser Mühlenbesitzer, der nnermüdlich uns die Wege zeigte, sagte mir, daß er nicht nur vermuthe, sonderu ganz gewiß wisse, daß dieses Wasser „cl<ü limno <1i Iri (^rm-«ini an der Bai von Lesina, das sich durch seine schöne Lage, seine gepriesene gut eingerichtete Cistcrnc und 126 Dalmatische Klostercifternen. einige eben so gelobte Gemälde in feiner Kirche ausgezeichnet. Wir trafen daselbst einen noch ziemlich jungen Geistlichen, dem wir, als dem Obersten aller Capuciner-klöster in ganz Dalmcttien, vorgestellt wurden, und der sich auf einer Inspectionsreisc gerade hier befano. Er zeichnete sich in seinem Aeußern in nichts vor den übrigen Eapueiuern aus uud trug sein härenes rauhes Gewand wie diese. Nur bezeichnete ihn sein ernsteres, würde- und sorgenvolleres Antlitz als den Oberen und Chef. Für gute Cistemen. ein so großes Bedürfniß des Landes, ist, wie mir scheint, Dalmatien häufig seinen Mönchen und Klöstern verpflichtet. Denn ich habe die beßten in Klosterhöfen gefuuden, wo deun auch die Umwohner sich mit dem so nöthigen und hier so kostbaren Wasser versehen dürfen. Vermuthlich ist nicht nur die Sorgfalt der Mönche, sondern auch die Bauart dcr Klöster Ursache dieser Erscheinung. Die Klostergebäude bilden immer ein einigeres und größeres Ensemble als die Pnvatwohnungen der Städte. Da mag es leichter sein, den Regenablauf von den Dächern so zu comoinncn, daß in dem Mittelpunkte des Gehöftes stets ein reichlicher Zufluß stattfindet, aus dem die Cisterne sich nähren kann. — Dem sei indeß, wie ihm wolle, kurz fast alle Klostercistcrnen in Dalmatien sind berühmt und als Wohlthat der Mönche gepriesen. ^ Wer sich einmal in Venedig die Mühe gegeben hat, die Einrichtung der Cisternen dieser Stadt anzusehen, der kennt auch die der dalmatischen, welche lauter Copieen der vcnetia-nischen sind. Die Hauptfache dieser Einrichtung besteht in Folgendem: Zuerst wird an einer etwas vertieften Dalmatische Klostercisternen. 127 Stelle, wo man vielen Zufluß von Regenwasser erwarten kann, ein großes viereckiges Loch gegraben, das man rings umher, so wie auch auf dem Boden ausmauert. Dieses Loch, das je nach Umständen größer oder kleiner ist, etwa wie unsere Hauskeller, wird alsdann mit Sand ausgefüllt und oben ebenfalls wieder mit Steinen bedeckt, welche aber hie und da durchlöchert sind. Die ganze Umgegend nun ist so organisirt, die Negentranfen werden so angelegt, die Pfützen nnd Bodenrinnen so gerichtet, daß sie eine reichliche Quantität schnulzigen oder reinen Wassers zu dem Sandloche hinführen. Dasselbe tritt in dieß Loch ein erstlich durch die m dem Deckel befindlichen Löcher, dann anch noch durch andere Seitcnöffnungen. Durch den Sand sickernd reinigt es sich und setzt allen seinen Schmuz ab. In der Mitte besagten Sandbassins ist nun ein runder wasserdichter Brunnen eingemauert, der so tief abwärts geht, als das Bassin selbst, unten am Boden aber durchlöchert ist. Durch diese unteren Brnnnenlöcher tritt alsdann das gereinigte Wasser in die Vrunnenröhre ein, welche oben die gewöhnlich hervorstehende steinerne Brunneneinfassung hat, aus der die Leute das Wasser hrrvorschöpfen. Das Ichmuzigste Straßcnwasscr wird ans diese Weise in das kryst^llhellste Trinkwasser verwandelt. Natürlich muß aber dabei der reinigende Sand von Zeit zu Zeit einmal umgetauscht werden. Mit der Cistcrne im Capncinerklostcr von Lesina mag es vortrefflich stehen. Was die Gemälde in der Kirche betrifft, so mögen sie freilich so gut sein, wie Man^r sic wohl kanm auf diesen illyrischen Inseln zu sinden erwartet haben. Doch kann man im Ganzen von 128 Plattgedrückte Cypresse. allen diesen Gemälden in Dalmatien, glaube ich, die Bemerkung gelten lassen, daß den Venetianern hier nichts besonders Ausgezeichnetes entgangen ist, und daß man hier schwerlich noch etwa gan; bedeutende und unerwartete Funde machen wird. Die meisten gelobten Gemälde, die ich in dalmatischen Kirchen und Klöstern sah, waren von Palma Giovane. Ich weiß nicht, wie es kommt, daß dieser Meister gerade hier in Dalmatien so viel Absatz für seine Producte fand. Vermuthlich hat er überhaupt sehr fleißig gemalt. — Wir saben in dem Garten dieses Klosters auch noch eine eigenthümlich gewachsene Cypressc, bei welcher nämlich der ganze Wuchs in die Breite gegangen war, statt daß sonst bei diesem Baume Alles — Stamm und Zweige und Blätter — senkrecht in die Höhe geht. Diese Cypresse war ganz niedrig, und die Zweige hatten sich weit herum wie ein Dach ausgebreitet. Dazu waren die dicken und mächtigen Zweige selbst nicht rund, sondern vollkommen stach, fast wie Breter, als hätte man sie künstlich und absichtlich zusammengepreßt. Man versicherte uns aber, diese Gestaltung sei kein Kunstproduct, sondern ein Naturspiel, wie es ausnahmsweise zuweilen bei (Zypressen vorkomme. Ich habe später anch an anderen Orten von ähnlichen plattgedrückten Cypressen gehört. Die Insel Lesina besteht eigentlich aus zwei neben einander herlaufenden Gebirgs- oder Felshügelreihen und hat daher in der Mitte eine lange Thalvertiefung. Es ist merkwürdig genug, daß auch die anderen großen illyrischen Inseln fast alle so gebaut sind. Meleda, Cnr-zola, Sabioncello, Brazza, Sholta, Grossa, Pasman, Nglian, — sie bestehen fast alle aus zwei solchen parallel Parallrlismus dcr illyrischen Insctn mit dem Festlande, 129 nebcil einander hinlaufenden Gebirgsabschnitten. Daher haben sie denn auch in ihrem Innern alle ein großes langes Tbcil, zuweilen Seeen, oder von der Spitze her tief ins Innere eindringende Meeresarme, die der Richtung der Gebirge uud des Binnenthales folgen. Es ist dieß ein für Geologen höchst beachttmgswerthes und bedeutungsvolles Phänomen, welches man, däucht mich, nur so erklären kann, daß man sich diese Inseln als durch eine Bodeuhebung entstanden denkt, die nachher in der Mitte wieder zusammensank, uud bei der zu beiden Seiten die Ränder stehen blieben. ^- Eben so bilden auch diese Inseln einen höchst merkwürdigen Parallelis-mus mit der Küste des Festlandes und mit seinen Ge-dirgszügeu. Von Zara bis zur Punta Pianca läuft die Küste beinah direct uordsüdlich, unr ein wenig östlich; und eben so laufen dort auch die Inseln Uglian, Pasman, Isola Grossa, Coronata u. f. w. Von der Punta Pianca an bis nach Macarsca geht die Küste etwas mehr östlich. Und eben so stud auch die ihr vorliegenden Inseln Vrazza, Lesiua, Vurzola etwas mehr östlich gerichtet. Von Macarsca an bis Ragusa wendet sich Alles — Festlandknste und Inseln, Sabioncello und Meleda — wieder in die alte mehr direct südliche Richtung herum. Doch zielen dann dort die Festlandgebirge wie auch Sabioncello und Meleda fast conceutrisch auf den Punkt Ragusa, welches immer in geologischer wie in historischer Beziehung als ein Hauptfnoteupunft bezeichnet werden muß. Nebrigens sind die Gebirge im Innern dieser Inseln ganz von derselben Beschaffenheit wie die des Festlandes, eben solches klüftiges, höhlenreiches und quellenannes Kalk- Kuhl, Reift' in D^lmaticil. Il, H gebirgc. Auch must man bei dem Verkehr im Innern eben so mühselig klettern, wie ans dem Festlande, oder vielmehr noch mühseliger, da es noch ans keiner dieser Inseln irgend eine Art von gebahnten Wegen giebt, wie ans jenem. Die Insnlaner bedienen sich dazn meistens der Esel nnd Maulesel, Pferde sind ans den Inseln fast gar nicht vorhanden, ausgenommen einige Etntcn, die man zur Manleselzncht nöthig bat. —- Nebrigens verkehren die Leute natürlich von einem Mnkte ihrer Insel zum anderen lieber auf dem Meere und sind dazu mit Booten und Varken reichlich versehen. Diese Art des alltäglichen Verkehrs in ihrem Inselarchipel hat sie sehr an die Behandlung des Schiffes und Meeres gewöhnt und sie von jeher als ausgezeichnete Schiffer in der Welt berühmt gemacht. Von Lesina aus fuhren wir um die kleine Grnppe der sogenannten I«o!« 8p<>1m.'uim'<' herum, welches groß-tenthcils unbewohnte Seoglien sind. Ehe wir uns nach Spalato und znm Festland hin hcrumwendetcn, hatten wir schließlich noch einmal die schöne Insel Ma in Sicht, die uns bisher eine ziemliche Strecke lang in der Entfernung von zwei Meilen zur Seite geblieben war, nnd auf deren Anblick wir nun für immer verzichten mustten. Da ich leider diese Insel nicht selber betreten habe, so kann ich zwar von ihr nichts Besonderes melden, allein auf einer Ncise durch Dalmatien hat man immer so viel von den Reizen von Lissa zu vernehmen und so viele Beschreibungen der fnr sie schwärmenden Dalmatier an-znhörcn, daß man fast glaubt, man habe dicseö kleine Paradies selber betreten. Es soll in Bezug auf Landschaft und Vegetation die meiste Aehulichkcit und Ver< OcolMp!)lschc Position von Lissa. 1I1 wandtschast mit dcr Umgegend des ihr gerade gegenüber liegenden Lesina haben. Doch soll hier Alles noch viel schöner und üppiger sein, die Vegetation ergiebiger, das Klima milder, die Bewohner ebenfalls äußerst sanft, gutmüthig und gastfreundlich. Je weiter vom Feftlandc weg, desto civilisirter nnd gefälliger scheint es nach allen Berichten werden die Leute. Viel wichtiger als hierdurch wird aber Lissa durch seine geographische Position, und in dieser Beziehung ist es schon oft als das Malta des adriatischen MeereS bezeichnet worden. Von allen bewohnten und mit schönen geräumigen Häfen vcrsehcuen Inseln ist Lissa nämlich diejenige, welche erstlich, am meisten von der Küste ent-ferut, dem Mittelpunkte der Breite des adriatischen Meeres und eben so auch dem Mittelpunkte der Längenerstreckung desselben am nächsten liegt. Es ist ungefähr fünfzig Meilen von Venedig oder der nördlichsten Spitze des adriatischen Mcercs entfernt, und eben so weit ist es ungefähr von seinem südlichsten Ende oder dcr Straße von Otranto. Von der illyrischcn Küste bei Spalato ist es etwa neun Meilen und von dcr italieni-schen bei Cap Gargano im Neapolitanischen etwa vierzehn Meilen entfernt. Der eigentliche wahre Mittelpunkt des adrialischcn Meeres liegt daher etwa unr vier Meilen von Lissa. Die Insel hat einen ausgezeichneten Hafen, die sogenannte Bai von Lissa, die wie die Bucht von Pola inwendig geräumig, beim Eingänge aber enger uud geschützt und dabei sehr tief ist. Auch ist die Insel, wenn ste gleich nicht zn den gröftlen Illyricns gehört, doch etwas mehr als eine Quadratmcile groß, fruchtbar, uud von den ältesten Zeiten her wohl bevölkert und angebaut 132 Geographische Position der Insel Lissa. gewesen. Sie ist daher so wie Malta im mittelländischen Meere ganz außerordentlich geeignet zur Ans Übung von Herrschaft im asiatischen Meere und als Stützpunkt einer Seemacht in demselben, so wie als Station einer Flotte und als Entrepot snr den Handel bedeutend. Es giebt keinen zweiten Hafen im adriati-schen Meere, von dem ans man so beqnem zu allen Theilen des ganzen Bassins hin gelangen könnte, und namentlich mnß man Lissa als Zentralstation und Wächter der ganzen dalmatischen Küste betrachten, die diese Insel nach allen Teiten hin in gleichen Distancen im Angesicht hat. Diese geographische Position hat der Insel Lissa von den ältesten Zeiten her unter allen illyrischen Inseln eine überwiegende Bedeutung und einen berühmten Namen gesichert und sie in Bezug auf historischen Rang, wenn ich mich so ausdrücken darf, selbst den viel größeren vorangehen lassen. Schon die Griechen und vor ihnen die Etrurier und Liburmer hatten Lissa vorzugsweise im Auge. Sie nannte« es ,,l^>," und diesem Worte wurde später nur noch ein L', vermuthlich ein verstümmelter italienischer Artikel, vorgesetzt, ^issa, d. h. „das Issa." Durch diesen Artikel finden wir viele alte Stadt- und Ortsnamen in diesem Lande verändert, z. B. auch den Namen der Bai und der Flußmündung, welche jetzt Lodrin genannt wird, und welche eigentlich bloß Drin oder Drino heißen sollte. „Lo" ist der Artikel „der." Schon zu der Hellenen Zeit war Issa eine blühende und unabhängige kleine griechische Colonie, die vermuthlich nur in Folge ihrer bezeichneten so äußerst vorthcil-haften geographischen Lage blühte. Wir haben noch alte Lissa mitcr den Nömnn, 1IZ Münzen von Ifsa, welche auf ihrem Gepräge einen Ziegenbock zeigen, der einen Strauch benagt. Vielleicht hatte Issa damals seine schönsten Tage. Als die Römer ganz Italien erobert hatten nnd min anfingen, ihre Augen auf das gegenüberliegende Gestade des adriatischen Meeres zu werfen, ginq ihre Berufung zur Einmischung in die illyrischen Angelegenheiten zunächst von Issa aus, so wie auch schon vor den Nömern Issa derjenige Punkt gewesen war, dcfscn der Beherrscher von Sieilien Dionysos sich vor allen Dingen bemächtigte, als er ins adriatische Meer seine Flotten schickte. Die Republikaner von Issa, die vom Festlande aus von den dort herrschenden Königen der Illnrier bedroht wurden, riefen, so beißt eS, die Römer zu Hilfe. Diese nahmen Issa in Besitz und leiteten dann von hier ans ihre (Zrobcrnngs-erpeditionen gegen das Festland. Man kann also sagen, daß die Römer wieder in Folge der besagten geographischen Position der Insel bei diesem äußersten Vorposten und Centralpunkte Dalmcttien zuerst angriffen, sich hier vorzugsweise festsetzten und daselbst einen Hauptstiitzpunkt ihrer Operationen fanden. Auch in späterer Zeit als die Römer eine große Flotte anf dem adriatischen Meere begründet hatten, war Issa neben Ravenna und Pola immer eine Hauptstation dieser Flotte. Allen auf der Höbe des adriatischen Meeres bedrängten Schiffen bietet sich die Vai von Issa als nächster nnd vornehmster Hilfshafcn dar, und zwar um so ausschließlicher, da auf der gegenüberliegenden Küste Italiens gar kein solcher Hafen zu finden ist. Wiederum als die Venctiauer die Herrschaft üder das 1'!^ Llffa untor dm Venetiancrn. adriatische Meer sich anzueignen ansingen und einsahen, daß sic diese ohne den Besitz von Dalmaticn nicht behaupten könnten, war Lissa und uüt ihm das benachbarte Lesina, das mit Lissa als in einer ganz ähnlichen Position und als an denselben geographischen Vortheilen participirend betrachtet werden muß, eine ihrer frühsten und vornehmsten Acquisitions, und sie errichteten hier einen ihrer Hauptkriogshafen. Wenn man die Richtungen und Routen aller Scccrpeditionen im Mittel-alter betrachtet, der venetianifchen, der byzantinischen, der türkischen, welä e die ganze Länge des adriatischcn Meeres verfolgten, so wird man unter den Hauptpunkten, an welchen angelegt oder bei denen ein Angriff gewagt oder eine Schlacht geliefert wurde, außer Nagusa im Süden und Pola im Norden, auch immer Lissa nebst Lesina genannt finden. Ragnsa, Lisfa-Lesina und Pola das sind die drei historischen Hauptstationcn für die große Schifffabrt und Bewegnng auf dem ganzen adriatischen Meere*). Die Wichtigkeit der Position zeigte sich insbesondere wieder in hellem Licht in neucr Zeit, als im Anfange dieses Iahrhuuderts die damals größten Mächte Europas, England und Frankreich, in allen Theilen unseres Continents mit einander rangen und sich auch die Herrschaft des adnatischcn Meeres streitig machten. Die Franzosen, die, wie es scheint, für die Erkennung günstiger Seeftositionen keinen so scharfen Blick wie die Engländer ') Auch für Fischfang sind Lefma und Lissa Hauptpunkte. Der Sardetlenfang ist hier bedeutender als an anderen Stellen der Küste. Die Seeschlacht von Lissa. 1Z5 haben, hatten zwar fast sämnttlichc Küsten rings UNI das adriatische Meer herum besetzt, allein sie hatten es versäumt, den Mittelpunkt dieses Meeres, Lissn in Besitz zn nehmen und zu befestigen. *) Gatalinicli in fVinen Momorio dciili avvonimenli siieeessi '» Dalmazia dopola cadnta dolla ItcpuliJica Voncta ©cito 135. ,,{ Francesi/' sagt ein balmatifcfjer ^tftodfcf Dieser 3e^*)> ?;nc' Fundort! possosso dolia Dalmazia, avovano omincsso tli mcllero presidio mi-Jitaro nella Isola di Lissa." — Dagegen bildete sich bei der Sperrung des Continents durch Napoleon in Ma sogleich ein bedeutendes Entrepot von den den Franzosen feindlichen Corsaren und Schmugglern, die in dem schönen Hafen eine herrliche Zuflucht fanden nud von da aus alle Küsten des adriatischen Meeres erreichen konnten. Die Engländer nahmen dieses Entrepot sogleich in ihren Schutz und sandten einige Kriegsschiffe dahin. Als die Franzosen zu spät ihren Fehler verbessern wollten und von Ancona aus wiederholte Angriffe auf Ma machten, kam es im October 1810 zu der bekannten Seeschlacht von Lissa, in welcher die französisch-italienische Flotte des adriatischcn Meeres vernichtet wurde uud in Folge deren die Engländer die Insel förmlich besetzten, befestigten und bis 1815 behielten, wo sie in Folge der bekannten Tractate von ihnen an die Oestreicher übergeben wurde. Die Bevölkerung der Insel hatte sich in dieser blühenden Periode von 180« bis 18ltt verdreifacht. Anch noch jetzt ist der Hauptort der Insel der volkreichste Platz au den dalmatischen Inseln. Er zählt über äWO Einwohner. Die Ocstreicher verbesserten noch die Befestignngcn der Engländer und erhoben den Hafen zu einem Seekriegs- 1I6 i'issci und die Engländer. Hafen, in welchen sie eine Etation der k. k. Flotte, die zur Beschütznng der Echiffsahrt des adriatischen Meeres bestimmt ist, verlegten. Auch in diesem Augenblicke, wo die östreichischen Flotten in Schifffahtts-Angelegenheiten einen erneuten Aufschwung zu nehmen versprechen, hat Oestreich vor allen dalmatischen Inseln dem kleinen Lissa seine Aufmerksamkeit wieder zugewendet, dessen Befestigungen, wie man hört, noch vermehrt werden sollen. Bisher haben die Engländer noch keinen festen See-ftnnkt im adriatischcn Meere gewonnen; sie stehen nur im Thore dieses Meeres, in Corfu, welches den Eingang bewacht und dessen Besitz sich Oestreich zur Completirung seiner Herrschaft eigentlich eben so wenig hätte entgehen lassen sollen, wie Venedig es sich dereinst entgehen ließ. Sollten die Engländer aber, was ich nicht wünschen will, Meere erobernd, je von dem Thore bei Corfu ans wieder in's adriatische Meer eindringen, so werden wir sie gewiß zuallernächst wieder bei ^lssa erscheinen sehen, sowie ,in alter Zeit zuerst die Etrusker, dann die Griechen, darauf Dionysüis und nachher die Römer bei diesem Punkte erschienen, um von da aus in der Adria zu gebieten. 14. 33ir kehrten nun, sage ich, diesem Lissa den Rücken, segelten quer über den Canal von Lesina, alsdann durch die enge Straße zwischen den Inseln Solta und Brazza durch und hatten nnn bald wieder im hellen Tagesglanze das schön gelegene Svalato im Angcsichte. Porto (k'i Paludi. 137 Spalato wie Nagusa und wie die meisten dieser an klcinc Halbinseln sich heftenden Städte Dalmatiens nnd Istriens ist doppelhafig, und man kann daher je nach der Beschaffenheit des Windes entweder anf der einen oder auf der anderen Seite der Halbinsel landen. Da anf den Bergen lünter Spalato eine sehr finstere und riesige Wolkenschicht lag, die in ihrem weiten Schlauche unserem Caftitän mit ungünstigem Nordwinde geladen zu sein schien, so fuhren wir dießmal nicht in den eigentlichen Hafen von Spalato selbst ein, sondern segelten zwischen Bua nnd der Halbinsel von Epalato durch in das Binnenmeer des alten Salona und landeten hier in dem ,,pm-l0 äi,Iuäi". welcher der Stadt Spalato ungefähr auf ähnliche Weife zur Seite liegt, wie der Hafen von Gravosa der Stadt Ragusa. Wir gewannen dabei den Vortheil, die Stunde Weges von Palndi nach Spalato, die mitten durch die Campagua dieser Stadt führt, zu Fuß ;u machen und zuvor noch beim Hafen von Palndi selbst ein berühmtes dort liegendes Kloster zn besichtigen. Dieses Kloster hcistt „il «anvlmw cl«i I'^luäi" (das Kloster der Sümpfe). Man hatte mir schon im voraus von dem prachtvollen Psalterium, das man in diesem Kloster sehen könnte, erzählt, und wir baten die Mönche, es uns zu bolen. Sie brachten es in den Hof dcs Klosters heraus und dazu noch einige andere schöne Bücher, die sie als ibre vornehmsten Schätze seit alten Zeiten bewahren. Diese Raritäten wurden alle auf dem steinernen Rande des Bassins der Cisterne ausgekramt und dort von nns unter freiem Himmel dnrchdlättert. Es war eine Weise, Bücher zu besehen, wie sie nur ^Iß Das Psalterium von Pallidi. unter diesem schönen trockenen Himmel vorkommt, nnd wie sie in unseren nördlichen Klöstern gewiß sehr ungewöhnlich wäre. Das berühmte Psalterium der Mönche von Palndi war im Jahre 1670 von einem Klosterbruder Namens Rasmilowitsch geschrieben. Welch frommer Fleiß unb welche dauernde Andacht verräth sich doch in den schönen und wohlgefälligen Echriftzügen dieser alten Kirchenbücher! Jeder Bnchstabe ist, möchte ich sagen, znm Lobe Gottes gestaltet, nnd steht fest nnd klar und sicher da. Es muß eine Freude sein, ans solchen Büchern dic Hymnen znm Preise des Höchsten zu singen! Ihre Reihen kommen Einem selbst schon wie Mnsik vor. Die Initialen bestanden aus lauter sehr reichen nnd geschmackvoll verschlungenen Arabeskengewinden. Obwohl diese sämmtlichen Arabesken in der Hauptsache in einem und demselben Stvlc waren, so zeigte doch jeder der vielen hnndert Buchstaben eine audere Form und Farbe, und keiner war dem anderen gleich, eben so wie anch in der reichen Natnr überall Hauptelassen sind nnd in diesen Classen wieder ganz verschiedene Nebenclassen nnd ganz besondere Individuen. Der Fleiß des guten Bruders Rasmilowitsch hatte Jahre, ich glaube Jahrzehnte lang, wie ein nnnnterbrochcnes Gebet angehalten; denn der letzte Buchstabe des Buchs zeigte noch ein eben so sorgfältiges und nach einem eben so durchdachten Plane angelegtes Miniatnrbild, wie der erste. Der fromme Maler hatte eine lateinische Vorrede zu dem Ganzen geschrieben, in welcher er sich über seine Arbeit auf eine so eigenthümliche und naivfrommc Weise anssprach, daß ich große Lust fühlte, mir diese ganze Vorrede zu eoftirm, Dalmatische alte Kirchnibüc^r. 1W die zugleich eine Dedication des Buchs an seine Vorgesetzten und sein Kloster enthielt. Die Mönche sagten mir, daß Engländer schon große Summen für dieses Buch geboten hätten; aber obgleich ihr Kloster arm wäre, so gäben sie cs doch um Alles in der Welt nicht her. — Gs war ein junger sehr liebenswürdiger Franciscaner bei uns, der mit uns auf dem Dampfschiffe gekommen war und uns eben auch auf jenes prachtvolle Psalterium von Paludi aufmerksam gemacht hatte. Als dieser gefällige junge Mann sah, wie sehr ich mich für solche Bücher interessirte, schrieb er nur einen recht hübschen ünd eleganten lHmvfeblungsbrief au einige seiner Kloster-freunde in anderen Städten Dalmatiens, worin er sie nuf eine äusmst artige und freundschaftliche Weise bat, dem Uebevbringer ihre Bücherschälzc zn zeigen. Und da ich nachher von diesem Briefe gern Gebrauch »nachte, so habe ich noch einige ähnliche schöne Kirchenbücher in Dalmatien ;u sehen bekommen. Ich dachte dabei immer an unseren vielfarbigen Druck, dessen Leistungen, so gleißend sic auch sein mögen, doch nie den Effect dieser alten Mannscripte und Handzeichnungen erreichen werden. Der Eindruck auf die Gemüther bei diesen ist ganz parallel dem frommen Sinne, der bei ibrer Hcrvorbringung bas Präsidium führte. Indessen, wenn diese alten Ma-nuseripte, die zu erneuern sich zn unserer Zeit Niemand Mehr befleißigt, alle aus unseren katholischen Klöstern Und Kirchen verschwunden sein werden, so werden doch wohl überall mit der Zeit Polychromische Drnckc an ihre Stelle treten. Mich wundert, daß die Drucker nicht sclwn intt mehr darauf specnliren. Wir sahen in dem ^«nvi hi Dianas. 143 breite Quai am Hafcu von Spalato hat noch dieselben alten Steine zur Grundlage, die Diocletian hier für den Quai seines Palastes niederlegen und einmauern ließ. Es war ein schöner Abend, und ich mischte mich mit Vergnügen unter die nach venetianischcr Weise in der Abendluft ans- und abspazierende Menge. Denn die schwarze Wolke, die unser Dampfer als so drohend betrachtete, hatte nichts Ucbles gebracht, und am Ende kam auch dieser Dampfer selbst wieder von Paludi um die Ecke herum und legte sich in dein Hafen vor dem Palaste vor Anker. — Wir sahen, daß Spalato eine recht respectable Menge von Spaziergängern liesern kann. Die meisten von ihnen, Bürger nnd Bürgerinnen aus der Stadt selber oder Familien von wohlhabenden Possi-denti, trugen das italienische Eostüm. „Italienisches Co-stüm", so heißen sie hier die Kleider, die wir Europäer jetzt alle tragen und die bei uns ja wohl eine Ieit lang französisch genannt wurden. ^- Zwischendurch mischten sich aber auch hübsch a!,sstafsitte,,Borghjgianos"und „Borghi-gianas" (Vorstädtt'r und Vorstädterinnen) ein, deren Kleidung schon etwas mehr einem Costüm ähnlich siebt. Diese dalmatischen Vorstädier tragen eine Art Gemisch von italienischer und slavischer Kleidung, wie denn ihr ganzes Wesen ein solches Gemisch von Italienischem und Slavischem vorstellt. Sie haben noch viel Slavisches, namentlich den Knöpfe-, Perlen- und Silberschmuck beibehalten. Auch ist das Mieder der Mädchen noch ganz slavisch geziert, aber der Schnitt des Rockes und der Schürze ist schon mehr städtisch (italienisch), sowie auch die Kleiderstoffe selbst nickt solche dicke selbst gewebte Icuche sind, wie man sie bei den Slaven findet, soudern 1^4 Dic Zara'schc und die Spalatinischc Partci. solche baumwollene und wollene Gewebe nut minder kraffen Farben, wie sie aus unseren Fabriken hervorgehen. Auch an die Stelle dcr eigenthümlichen slavischen Kopfbedeckung tritt dann gewöhnlich ein seidenes Tuch oder auch wohl ein italienischer Strohhut. Ein eben solches Gemisch orientalischer und occidentalischer Costume bemerkt man bei den Bewohnern der dalmatischen Inseln, bei den „Eroglianos." Man lobte mir die Geselligkeit von Spalato, und Viele behaupten, daß man auch in dieser Beziehung hier angenehmer leben könne als in der Hauptstadt der Provinz Zara. Auch bekam ich selbst ciue gute Idee davon, als ich am späten Abend das Casino der Stadt besuchte, das sich viel stattlicher und geräumiger darstellt als sonst irgend ein anderes in Dalmatien. Spalato verhält sich ungefähr zu Zara, wenn mau Kleines mit Großem vc» gleichen null, wie Moskau zu Petersburg. Viele Wohlhabende und Adelige haben sich in dm Palast des Diokletian nach Spalato, in dessen Umgebung es so lieblich ist, zurückgezogen, wie viele russische Bojaren an den Fuß des alten Moskowitischeu Kremls. In Zara leben dagegen, wie in Petersburg, viele Beamte und Militärs. Mau hat auch in neuerer Zeit alle diese und andere Umstände ernstlich erwogen, weil die Nedc davon war, das politische Centrum von Dalmatien von Zara nack Spalato zu verlegen, wie mau denn in neuerer Zeit überall in Europa in so vielen wandern bequemere und naturgemäßere Positionen für die politischen Centra dcr Provinzen und Länder gesncht hat. Cs wurdcu darüber zweierlei Meinungen ausgestellt, uud zwei Parteien, wenn ich mich so ausdrückeu darf, bildeten sich, die eine für Zara, die andere für Epalato. Für Zara wurde geltend Geographische kage von Spalato und Zara. 145 gemacht, erstlich, daß es der Hauptstadt Wicn und dem Centralkörper der östreichischen Monarchie näher läge und mit diesem also leichter in inniger Verbindung erhalten werden könne, und zweitens, daß es, wie jetzt, schon seit langen Zeiten, unter den Venetianern sowohl als unter den Oestreichern und unter den Franzosen, Hauptstadt von Dalmatien gewesen, daß dort alles den Centralbehörden Nöthige bereits vorgerichtet, die ganze Einrichtung dcr Stadt darauf organisirt sei. Man würde dem ganzen Orte durch Verlegung der Behörden seine Hauptsubsistenzmittel entziehen, ihn vernichten und dadurch, sowie durch die Entfernung selbst dem Lande einen großen Schaden und viele Kosten zuziehen. Das treue Zara habe ein solches Todesurtheil nicht verdient. Für Spalato wurde dagegen seine bequemere und ccntra-lere Lage, sowie auch seine noch älteren, ja uralten Ansprüche auf den Rang der dalmatischen Hauptstadt angeführt. Dieß letztere bedarf einer näheren Beleuchtung. Wie bei der Beurtheilung der geographischen Lage von Vissa setzen wir dabei voraus, daß man unter Dal-Matien ganz der Natur, sowie der jetzigen politischen Vcgranzung gemäß die gesammte illyrische Küstenentwicklung vom Geliirge Vclebitsch im Norden bis zum ^mu8 ttlux«ni'a ^!,1aniton8i^ (in der l>ump^nlll
  • m Amphitheaters ihre Hütten haben, kamen hnzugelaufcn und botM' nns zu exorbitanten Preisen einige antike Münzen und Ringe an, dic sie hier ausgegraben haben wollten. (5s schien uns aber eben nichts Besonderes darunter zu sein. — Was mich an diesen Lenten aber gcradezn recht ä'gcrte, war die Bemerkung, die ich machte, daß sie einige der antiken Steine herausgeschafft nnd schon nach ihrem Bedürfniß zurecht geschnitten uud gehauen hatten, um sie bei ihren elenden Bauten zu verbrauchen. Auch weiterhin bemerkte ich noch an mehren Stellen ganze Häuflein, solcher antiker Steine, welche die Banern zerstört hatten, um sie zu bcnntzen. Bei manchen dieser Steine war noch ein Rest von alter Sculpturarbeit zu sehen. Sie waren im Uebrigen ganz ftisch bchaucn, was uns zum Beweise diente, daß sie von den Leuten so eben erst herausgenommen sein müßten. Sie waren am Rande der Erca-vationeu ordentlich überciuander gelegt, und es war sichtbar, daß die Lcnte ihre Räubereien mit aller Muße betrieben. Diese neuen Grcavationen, die uns freilich den Vvrtheil gewähren, einen Blick in das Innere und Untere des alten Salona zu thuu, haben das Ueble, daß sie den Leuten die Steine viel zugänglicher gemacht haben. Früher war Alles mit hohem Schutt und Erd-nich bedeckt. Man wußte zum Theil uicht einmal, wo man Steine finden könnte. Jetzt liegt Alles offen am Tage, und die Morlachen der Nachbarschaft betrach- 160 „Prismi triangolari." ten dicse Ercavationen gewiß als nichts Anderes denn als neue für sie eröffnete und recht bequem gewordene Steinbrüche. Man sollte nicht nur aushöhlen, sondern auch das ;u Tage Geschaffte bewachen. Allein freilich mag dieß hier seine Schwierigkeiten haben. Denn ein morlachisches Dorf, das noch heutiges Tages dcn Namen Salona trägt, hat sich mitten nnter den Ruinen eingenistet, und seinen Bewohnern ist es gar zu leicht, die Steine, die vor ihren Thüren liegen, in ihre Gemäuer zu verstecken. Man müßte geradezu eine Schildwache bei Salona postiren, um die alten Trümmer Tag und Nacht zu inspicircn und zu bewanderu. Dem sei, wie ihm wolle, so viel scheint mir gcwiß, daß die besagten Aushöhlungen das völlige Verschwinden der alten Vuincn befördern und herbeiführen werden. Die Mauern der Stadt, von denen man eine große Strecke wieder aufgefunden und entblößt hat, sind offenbar zn sehr verschiedenen Zeiten gebaut, umgebaut und verbaut worden. Meistens bestehen sie aus gewöhnlichen unregelmäßig gestalteten Feldsteinen, die zuweilen mit ganz kleinen Steinen uud auch mit Ziegelsteinen vermischt sind. Zuweilen kommt auch ein großer Qua^ derstcin dazwischen. Den Eindruck von etwas Großartigem oder Schönem bekommt mau hier nicht. Der kühne Geist der römischen Architekten athmet Einen nir-gendo au. Hie und da sind an dcn Ecken der Manern gewisse dreieckige Gemäuer mit dcrvorsvringcnden Winkeln vorgesetzt. Wic es scheint, sind sie erst später hinzugefügt worden, „l'i'ikmi ll'üm^olui'i" nennt sic Dr. Carrara, und er glaubt dariu Bastionen zu finden, indem er dann weitläufiger auoführt, daß die erste Idee der Bastionen „Mini cicJopici." „Porta Caproa." \ß\ und die Erfindung dieser Befestigungsweise den Romano-Dalmatern von Salona des fünften Jahrhunderts zuzuschreiben sei. — Derselbe Herr glaubt in einer gewissen anderen Partie der Mauern Salonas „Nuri oiclnpiei" (cyclopifche Mauern) zu siuden. Ich muß gestehen, mir schien es gar nicht nöthig, daß Cyclopen zu Hilfe gerufen wurden, um dieses Mauerstück zu Stande zn bringen, das allerdings mit etwas plumperen Steinen gebaut ist als die übrigen. Neberhaupt dachte ich bei Allem, was ich in Salona sah, eher an Pygmäen als an Cyclopen, denn es ist Alles klein und mesquin. Aebrigens finde ich es natürlich, daß ein eifriger und Phantasievoller Gelehrter, der in dem Staube des ehrwürdigen Alterthums wühlt, in den gewöhnlichen Fehler verfällt, in jedem Steine gleich etwas Außerordentliches sehen zu wolleu, so wie ich es umgekehrt sehr begreiflich finde, daß die umwohnenden Morlachen, denen man weder von Diocletian, noch von der Genealogie des Hercules und Hyllus, noch von dem Streite der Gelehrten, ob in Salona, oder in Böhmen, oder in Spanien znerst Bastionen gebaut wordeu seien, etwas gelehrt hatte, diese Steine zu sonst nichts für gut halten, als nm die Löcher ihrer Hütten damit zu verstopfen. Im Ganzen genommen interessirte mich unter den Ausgrabungen von Salona noch am meisten ein Thor, ich glaube, „pui-l^ (^l-oi," nennt es Nr. Carrara auf seinem Plane, und dann eine bloß gelegte Mosaik. Bei dem Thore sieht man noch die tief eingefurchten Wagenspuren der alten Sawnitaner. Und diese Wagenspuren finde ich deßwegen höchst merkwürdig, weil mir baraus hervorzugehen scheint, daß die alten dalmatischen Kohl, liieisc m D>U>natien. U, 11 162 Christliche Mosail. Städtebcwohner sich viel häufiger der Wagen bedient haben als die jetzigen. In den Thoren der hentigcn Städte Dalmatiens können sich solche Wagenspurcu nie ausbilden, weil höchst selten ein Wagen durch dieselben hinein- oder herausfährt, und weil es außer der einen in Nagusa, die ich schon erwähnte, und außer einem halben Dutzend anderer in Sftalato und Zara gar keine Carossen in Dalmatien giebt, wie ich schon mehrfach anzumerken Gelegenheit gehabt habe. — Dasselbe Thor war nur auch noch dadurch interessant, daß sich eine ungeheuere Masse vou Kalksinter daran angesetzt hatte, welcher mehre Scherben von alten Töpfen sich beigemischt hatten, die so gleichsam darin versteinert waren. Die Mosaik, welche, wie ich sagte, hier aufgegraben worden ist, stammt vermuthlich aus den christlichen Zeiten Salonas. Es ist nämlich auf ihr ein Hirsch dargestellt, der aus einem Wasserbecken säuft, und daneben steht die Stelle aus der Bibel: „Wie der Hirsch nach Wasser dürstet, so dürstet meine Seele nach dir." Offenbar ein interessantes Monnment, für das wir, so wie für manches Andere, dem unermüdlichen Ausgrabnngseifer des obeugenannten Spalatmers uns verpflichtet fühlten. 2. ONssa und VogUzza. In dem Dorfe, das noch heutiges Tages den berühmten Namen Salona trägt, nahm ich von meinen freundlichen Begleitern Abschied, die nach Spalato zurückeilten, während ich die Bergstraße hinauffuhr, um durch Dor Pasi von Clissa. 163 den Paß von Clissa in das Innere der Morlachei hin-anfzureiscn. Die Berge, welche die Bucht zwischen Tran, Salona und Spalato nnd die ganze vielgepriesene Landschaft dieser Städte in einem weiten Halbzirkel umgeben, sind der Monte Mofsor im Osten nnd der Monte Karban im Westen, zwci wilde, kahle, von zahllosen Felsenzacken starrende Gebirgsrücken, die in dem Innersten des Halbzirkels nahe zusammenstoßen. Doch bleibt hier in der Mitte eine Kluft oder ein Ginschnitt, zn dem die Wege ans dem Sftalatinischcn Paradiese hinaufführen, um von dem Küstcnlande zu den Thalschaften des Innern hier durchzupassiren. Eben so kommen aus der Morlachei und weiter ans Bosnien Hanptwege hierher, die gleichfalls diesem Einschnitt des Bergrückens zustreben, nm durch seine bequeme Vermittelung das Küstenland zu gewinnen. Es war hier von jeher eins der Hauptverkehrsthore zwischen dem adriatischcn Meere und Bosnien. So wie die Natur der friedlichen Bewegung des Handelsverkehrs dnrch die Nnsticfung des Passes sich diensam erwies, so scheint sie auch zugleich dem Mars haben Vorschub leisten zu wollen, indem sie mitten in die tiefste Stelle der Passage einen hohen und schroffen Felsen hinstellte, der von Hans ans zur Bewachung und Behauptung dieses wichtigen Punktes wie geschaffen ist. Dieser Felsen stellt sich wie eine schmale und lange Eteinscholle dar, die mit ihren fast senkrechten Schichten hoch aufgebäumt ist und wie ein alter nnnirter Iahn ,'N ^lissa. 167 An den Thoren, wo ich Einlaß begehrte, fand ich ein paar magva-rischc Soldaten, die mich an den „Feuerwerker" verwiesen, welcher der Commandant der Festung sei. Wir gingen zwischen verschiedenen Thoren, Maner-werlcn nnd Treppen, init denen der ganze lange Nucken des Felsens bedeckt war, hinauf, bis uns endlich der Hund des Feuerwerkers anbellte. Mit diesem fing mein kleiner Morlache, der mit mir bisher nur durch Zeichen und einige mir unverständliche Phrasen verkehrt hatte, auf einmal cin Deutsch zu reden. „No, no!" rief er dem Hunde zu, „komme Sie her! Komme Sie her! No, no, Spitz!" Meinen Feuerwerker, der diesen Pnnkt mit dreißig Mann Magyaren besetzt hält, fand ich in einer allerliebsten Wohnung. In der reinlichen nnd netten Küche bereitete ihm eben seine Hausfrau ein appetitliches Mittagsmahl, zu dem ich mich im Rückblicke auf das von mir bestellte gern zu Gaste eingeladen haben würde, wenn ich nicht befürchtet hätte, den guten Leuten lästig zu fallen. — Wir gingen auf die höchste Platform der Festung hinans, wo wir alle Baulichkeiten nicht nur, sondern auch die ganze Ortslage und Landschaft übersehen konnten. Die Festnngsgcbäudc, die zum Theil von den Türken, zum Theil von den Ungarn, Venetiauern und Oestreichern herrühren, machen, wie der lange Felsen selbst, cmf dem sie stehen, eine Figur von .A10 bis 400 Schritt Länge und 3l) bis 40 Schritt Breite. Gegen die türkische Seite sind die Manern nnd Felsen am schroffsten, nnd dahinaus blicken auch die meisten Schießlöcher, den rückwärts liegenden Paß zu bcstreichen. Unter den Kanonen, 168 Aussicht von Clissa, die hie und da ill diesen Schießlöchern steckten, waren noch einige alte vmetianische. Unter den Steinen, mit denen der Boden der obersten Platform gepflastert war, fand ich einen mit dem Bruchstücke einer alten römischen Inschrift, auf der ich die Worte,^iliu»", „('nlwi-l.", „Huinca" und dergleichen entzifferte. Es mögen sich hier noch viele solche alte römische Mauersteine, von den Morlachen, Magyaren, Uskoken, Türken, Venctianern bald so, bald so vermauert», bald zn der Verstopfung dicses', bald jenes Lochs benutzt, zweitausend Jahre lang herumgetrieben haben. Die Aussicht, die sich von hier aus darbietet, ist eine der schönsten von Dalmatieu. Man überblickt die ganze Umgegend von Spalato, Salona und Trau, das Paradies des Königreichs, das von hier oben herab einem Meere von Wein- und Olivengärteu gleicht. Nach allen Seiten hinaus branden die grünen Laubwogcn dieses Meeres an den Klippen der kahlen Felsgebirge, welche sie umzirkeln, mehr oder weniger hoch empor. In der Ferne an der Küste der Adria auf einer Halbinsel erscheint Spalato, näher an der innersten Spitze des Golfs Salona. Iur Rechten erstreckt sich die unabsehbare Neihe der Gärten und der Castelle bis Tran. Iur Linken treten die wildzerklüfteten Wüsteneien des Monte Mossor ganz nahe herzu. Dieser Mossor ist einer der berühmtesten und merkwürdigsten Berge in ganz Dalmatien, sowohl seiner Höhe, als auch seiner Productc und Bewohner wegen. Er soll früher viel Gold hergegeben und daher auch seinen Namen — ^lon» 3ui-i*), Uousor, No«8or — er- *) Oder Uon» »m'ou8, Manche glauben, er habe wie der Rosenberg Monl« !lo«l>) in Savoyen scincn Namen daher, weil Monte Mossor. 169 halten habcn. Römische Schriftsteller reden mehre Male von dem Golde, das man damals aus der Umgegend Sftalatos zn Tage förderte, und geben nicht geringe Quantitäten an. Obwohl jetzt die östreichischen Montaniftiker keine Spuren nnd Kennzeichen von Gold mehr finden wollen, so erhält sich doch die Sage vom Goldreichthum dieses Gebirges noch unter dem Volke. Ein östreichischer Beamter erzählte mir, daß die Morlachen der Umgegend noch hänfig bei den Behörden erscheinen und ihnen vertraue»,, daß sie in irgend einer Falte des Monte Mossor große Schätze entdeckt hätten und dieselben gegen eine Belohnung von hundert Ducaten oder dem Aehnliches verrathen wollten. In der Regel sind es aber nur goldgelbe Schwefelkiese, die ihuen die Augcn verblendeten und an denen allerdings der Monte Mossor noch jetzt sehr reich ist. Merkwürdiger als durch sein ächtes oder falsches Gold ist der Mossor dnrch seine Bewohner, die bis auf die neueren Zeiten herab gewissermaßen eine kleine halb-souveraine Republik für sich bildeten. Es sind dieß die sogenannten Poglizzancr, die von Clissa sndostwärts in den Thälern des Monte Mossor bis gegen die Mündung der Eetinna hin wohnen. Unter den Venetianern hatten sie, ähnlich wie die 8«lw <ü«mmmn an der Gränze Tyrols, eine eigene Verfassung, einen besonderen „Knäs" oder „Contc", den sie sich selber wählten, einen Senat, der diesem Conte zur Seite stand, nnd eine Volksgemeinde (wie in den meisten slavischen Ländern „Sbor" genannt), sein Gipfel noch von dem Schimmer der Abendsonne qerothet sei, Wenn alle anderen Landschaften umher schon im Dunklen liegen. 170 Die Poglizzaner. die sich zu Zeiten in der Nähe von Gradaz an der Cetinna versammelte. Die Poglizza — so heißt noch heutiges Tages das Gebirgsland zwischen Clissa, Spa-lato und Almissa — war etwas Aehnlichcs wie das heutige Montenegro, oder wie die oben von uns genannten Land- und Gemeindeschaften der Shuppa, des Pastrovichio, der Kriwoschie u. s. w.*). Wie bei diesen war auch bei der Poglizza aus einer Verbrüderung mehrer slavischen und magyarischen Familien eine Art patriarchalischen Staates hervorgegangen, der sich eine gewisse Halb-Souverainetät mehr oder weniger lange zu bewahren wußte. — Die Republik von Venedig ließ hier viele solcher Halb-Sonverainetaten bestehen, und noch heutiges Tages erkennt man in der Verfassnng der meisten mor-lachischen, kroatischen und serbischen Dorfgemeinden, die fast alle eine patriarchalische Verfassnng mit dem Vorwalten einer oder einiger angesehener Familien und eines Stammcs-Oberhauptes haben, den nationalen Urtyftus des geselligen Znstandes, aus den» jene kleinen Gesell-schafts-Conglomerate hervorgingen. Noch jcht sollen die Poglizzauer Manches von ihren alten Sitten und Ge-bränchen übrig haben. Vielleicht könnte man auch noch ein interessantes Archiv bei ihnen entdecken. Bei einem dalmatischen Künstler sah ich ciu Bildniß der Person und des Costüms der ehemaligen Contes und der Senatoren der Poglizza, das noch bis an's Ende des vorigen Jahrhunderts hier zu Lande sehr wohl bekannt war. *) Auch in den hohen afroferaonischen Gebilden an dem südlichsten Vnde und Thore des adriatischei, Vlcercs rristirt ein Stamm freier Albancsen, mit einer patriarchalisch-demokratischen Vcrfassnng. ,,1.0» canton« Ml-08 cl« 1'^kl-o!^l'llunio" nennt sie Pouqucvillc. Die Wett«schcidc von Clissa. 174 Dieß Alles, sage ich, hatten wir auf der obersten Terrasse von Clissa vor uns. Rückwärts blickten wir in den Paß hinein, durch den sich der Weg in das Thal der Cetinna hiuabschlängelt. Im Hintergründe zeigten sich die Gipfel dcs Monte Prolog, des Gränzgebirges gegen die Türkei. Sie waren bereits mit Schnee bedeckt. Und diest war für das Wetter ein gntcs Zeichen, denn auch bier in Dalmatien gilt, wie in der Schweiz, die Wetterregel, daß, wenn es nach einer Regenzeit auf den Vergspitzcn „Schnee macht", auf schönes Wetter zu hoffen ist. Von diesen Bergen hcr und durch den Paß pfeift im Winter eine beftige Vora herab, die nicht selten zerstörend auch in die Wein- und Olivengärten des Spalatinischen Paradieses hinabfällt, wie denn überall in Dalmatien aus den Engpässen der Glänzgebirge die zerstörenden Elemente in's milde und cultivirte Küstengebiet hcrvorbrausten, die Vora, die Tschcten und die verwüstenden Züge der Türken, Slaven und der älteren Barbaren. Für gewöhnlich spürt man die kalte Bora nur bis an dcu Felsenlopf von Clissa, wo ein scharfer Abschnitt der klimatischen Verhältnisse eintritt. Der Wind häuft den Schnee an den Felsen der Festuug von der Nordostseite her oft hoch an, während nach Eüdwestcn, uach der Sonnen- und Küstcnseite hin der mildeste Frühling in der Ebene strahlt. Wie die Bora von der einen Seite, so dringt von der anderen der Seiroeco zuweilen mit ungewöhnlicher Heftigkeit herzu. Die unter einem Winkel zusammengestellten Gebirgsrücken dcs Mossor und Karban fangen ihn wie Flügel auf und concentriren ihn in dem Engpasse, wie in einem Trichter. „Der Scirocco 172 Antiker Pferdetwg. Wüthet hier Tage lang so stark, daß Einem Hören und Sehen vergeht." Es giebt in den dalmatischen Gebirgen eine Menge solcher Zuglöcher, in denen wechselsweise Bora und Scirocco ihren Gin- und Auszug halten. Mein Feuerwerker erzählte mir, es sei hier kürzlich ein französischer Graf D'Osmond gewesen, der sich hier lange divertirt habe, weil er entdeckt, daß Clissa eine eben folche Situation darbiete und eine eben solche Figur mache, wie Conftantiue in Afrika, das er mit erobern geholfen habe. 3. Felsebenen. Es wurde auch mir schwer, mich von diesem Punkte zu trennen, wo die Sonne eben Alles riugsnmher mit dem schönsten Strahlen- und Farbeuglanze verherrlichte. Als wir weiter fuhren, traten bald die Felsen hinter uns und verschlossen in unserem Nucken die Pforten des oft besagten Paradieses. Bald aber gab es wieder Gelegenheit zu anderen interessanten Erfahrungen, so z. B. gleich, als ich deu steinernen Trog mir näher ansah, aus dem mein Kutscher uoch innerhalb der engen Passage seine Pferde, die vermuthlich in der Locanda kein frisches Wasser gefunden hatteu, saufen ließ. Es war ein großer marmorner Vlock, der vermuthlich erst später zu einem Troge ausgehöhlt worden war. Die vordere Seite war ganz mit einer lateinischen Inschrift bedeckt. Sie war zwar ziemlich unleserlich, doch zeigten die Formen der Buchstaben und einzelne Worte, die ich herausbrachte, so viel, daß sie ohne Die parallelen Gebirgszüge Dalmatians, 173 Zweifel römischen Ursprungs war. Ich habe diesen Trog noch in keiner Reisebcschrcibung erwähnt gefunden, und vielleicht hat sich noch Niemand die Mühe gegeben, ihn zu stndircn. Ich mache daher auf ihn aufmerksam, denn wer weiß, was für ein Goldkorn für die Geschichte Clissa's und seiner Umgegend darin steckt. Wir hatten uns von Sftalato her bis zum Engpasse von Clissa ziemlich hoch erhoben und blieben nun noch in den nächstfolgenden Bergkesseln eine große Strecke lang beinahe auf derselben Hohe. Erst später ging es zum Thal der Cctinna wieder etwas bergab, aber bei Weitem nicht so bedeutend, wie nach Spalato hinunter. Es wurde mir recht klar, daß ganz Dalmatien aus einer Neihc von parallelen Gebirgszügcn besteht, die eben solche parallele lange Thäler zwischen sich haben. Nach dem Meere zu sind die Gebirgszüge, die nnr zum Theil in den langgestreckten illyrischen Inseln über dem Wasser hervorragen, niedriger, sowie auch die zwischenliegenden Thäler nicht hoch emporgetrieben sind. Das Meerwasser ist in diese Thäler eingetreten und bildet die sogenannten Canäle von Curzola, Lessina und die anderen Meerengen. An der Küste ist zuweilen die Hälfte dieser Thäler über dem Niveau des Meeres geblieben, und das sind das Küstmparadies von Spalato, die sogenannte Primorie und andere Uferstriche. — Weiter im Inneren fließen in den erhabenen Thälern die Gebirgsqncllen zu Flüssen zusammen oder erfüllen diese Tkäler in Seeen oder Sümpfen. Die Bergwände der Thäler werden von diesen Gewässern znweilen in unterirdischen Höhlen, zuweilen in offenen Durchbrüchen und eingesägten Querthälern, wo sie in Wasserfällen herabbrausen, durchbrochen. 174 Halbwüste Gcbirgskrssrl. Bis zum eigentlichen Eetinna-Thale hat man von Clissll aus noch zehn Miglien. Diese Strecke wird durch einige sehr merkwürdige Gebirgskessel ausgefüllt. Es waren weite ganz flache Thäler, von öden Bergen umgeben. Vou einem zum anderen passirten wir durch kleine Gebirgseinschnitte oder Engpässe, welche aber bei Weitem nicht so tief eingeschnitten waren, wie der von Clissa. Obgleich sie sehr markirt sind, so habe ich doch diese Kessel auf keiner Charte deutlich verzeichnet gefunden. Auch fand ich nirgends ihre Namen angemerkt. Die Morlachen, die sie bewohnen, haben gewöhnlich für das darin liegende Dorf, für das Volk und für das Thal denselben Namen. So nannten sie uns das eine „Dra-zanizza", das andere „Disnw" u. s. w., waS zugleich Na men für Dorfschafteu und kleine Stämme sind. Alle die verschiedenen Kessel, welche wir quer durchsetzten, waren in Parallelismus mit der ganzen Ausdehnung des Bandes, von Nordwesten nach Südosten länger, und schmäler in der Nichtnng, in welcher wir führen. Sie schienen mir aber nach allen Seiten hin von Fclsengebirgen eingeschlossen, Sie waren, wie gesagt, im Inneren ganz stach, und ich hoffte daher jedesmal, wenn wir in einen solchen Kessel einfuhren, ein recht grasiges und fruchtbares Hochthal zu entdecken, etwa wie wir sie zwischen den Gebirgs-zügen des schweizerischen Jura finden. Wie erschrak ich aber, als ich sah, das« selbst dieser stäche Voden aus lauter entsetzlich zerklüfteten Gesteinen bestand. Ucbcral! ragte das nackte Knochenwerk der Erde in tausend und aber tan send Zähnen hervor. Man begreift es kaum, wie solche große Felsenftächen entstanden sind. Es sieht so aus, als wäre die flüssige Stcinmatcrie in dem Kessel Hatdlvüste Gebirgskessel. 175 Wie ein See zusammengelaufen und nachher erstarrt nnd vielfach zerborsten. Selbst in diesen knorrigen Ebenen einen Weg herzustellen, hat entsetzliche Mühe nnd Arbeit gekostet. So wie man zwei Schritte znr Seite des Weges tritt, geht es in tausend Risse und Spalten und in einen Irrgarten von Iackwerk hinein. Es kommt Einem ganz unerklärlich vor. Nnr stellenweise an den Rändern der Kessel ist fruchtbares Erdreich — liebes, gutes Erdreich! — angesetzt, und da, wo es sich findet, muß es gleich sehr fett und schwer sein, denn da sahen wir die Morlachen mit vier Paar Ochsen pflügen. 4. Dismo und die Mojanka. Der zweite dieser Halbwüsten Kessel hieß, wie ich sagte, Dismo, und er, sowie das Dorf gleiches Namens sind der Schanplatz gewesen, zu dein eine Schriftstellerin des vorigen Jahrhunderts, die Gräsin Nrsini-Rosenberg*), einen recht merkwürdigen Roman verlegt hat. Veranlassung zu diesem Romane gab ein blntigcs Ercigniß in Venedig, das damals viel Aufsehen gemacht haben muß. Ein angesehener nnd wohlhabender Morlache, der in Venedig in Begleitung seiner jungen Frau zur Besichtigung der Kirchen der Stadt verweilte, wnrde von einem Landsmanne, einem ehemaligen Anbeter seiner Frau, auf offener Straße mit dem Säbel angegriffen und auf der ') Ich weis; nicht, ob dieser Name ein angenommener ist. 176 Die Morlachen der Gräfin Ursiin-Nosenberg. Stelle zu einem Zweikampfc herausgefordert. Veide Nebenbuhler fochten auf dem Quai des venetianischcn Lido mit verzweifelter Erbitterung, bis endlich der unschuldige Ehemann unterlag und sein triumphirender Feind in einer Barke nud auf einem Schiffe entkam. Der Muth und die Leidenschaft dieser Leute, die heftige Betrübniß dieser Wittwe nnd deren Benehmen bei der Leiche ihres Mannes schienen der besagten Schriftstellerin so außerordentlich und interessant, daß sie nicht nur der Lebensgeschichte nnd den Schicksalen der bei jenem Drama mitspielenden Individuen nachforschte, sondern auch die Sitte» der ganzen Nation stndirte und nun unter dem Titel „die Morlachen" einen Roman entwarf, in welchem an den etwas dünnen Faden jener tragischen Geschichte ein ganzes sehr umständliches Gemälde der Sitten nnd Gewohnheiten der Morlachen geknüpft wurde. Das Bnch wurde zuerst in französischer Sprache geschrieben, dann aber auch in's Deutsche und Italienische übersetzt und ist noch jetzt in ganz Dalmatien ziemlich bekannt. Es ist dasselbe auch deßwegen merkwürdig genug, weil es, glaube ich, das einzige seiner Art ist. Denn die Morlachen haben ein solches Angebinde eines zweibändigen Romans nie wieder bekommen. Allerdings sind die morlachischcn Dorfältesten darin als ehrwürdige Patriarchen, die räuberischen morlachischen Haidncken als lauter Heroen geschildert, die alten abergläubischen Weiber und Wahrsagerinnen der Morlachen werden gleich der delphischen Pythia mit einem ehrwürdigen Nebel um-räuchert, den jungen morluchischen Mädchen ist das reizendste Schäferinnencostüm angelegt, und sogar auf das Blut, welches deren Liedhaber vergießen, fällt ein zaube- „Tutti ladri! samosi assassini!" 177 rischer rosenrolher Schimmer von Poesie. Allein es liegt doch allen dm darin vorgebrachten Schildernngen, Reden, Ereignissen irgend ein Stückchen Wahrheit zum Grunde, wie ein Stückchen Seife in dem Wasser liegt, aus dem ein Kind Seifenblasen hervorzaubert, und die Verächter des morlachjschen Volks, die immer Alles gesagt zn haben meinen, wenn sie die Lente recht barbarisch nnd roh, recht wild und ränberijch schelten, könnten daraus lernen, daß sehr viel der Veredlung und Verherrlichnng fähiges Element in diesem Volke steckt, nnd daß man sich auch hier hüten muß, das Kind mit dem Bade zu verschütten. Ilnd da die Morlachcn vermuthlich noch immer besser lind als ihr Nnf und der thcilnchmenden Freunde in der Welt weniger haben als der Feinde, so ist es immerhin nicht übel, daß man an solche alte Bücher, wie das besagte, wieder erinnert. Wem übrigens die Gräfin Ursini die Phantasie so weit entzündet haben sollte, daß er, von Sehnsucht nach dem patriarchalischen Dismo, dcm Wohnsitze des guten alten „Etraschina der Narzewizker" und der schönen „Iella" getrieben, dahin zn pilgern sich entschlösse, der Mache sich zunächst auf ein gut Theil von Enttäuschung, "us viel Schlnuz, Ranch und Felfenwildniß gefaßt. Und besonders, wenn er in Gesellschaft eines italienisirten Spalatiner Kutschers reist, wie ich, wird er wenig Er< hebendes nnd Herrliches von den Einwohnern von Dismo >n Erfahrung bringen. ,/i'uUi !ini!" (cs sind lauter Räuber und famose Mörder), gab mir brr meinige zur Antwort, als ich ihn über sie befragte. Hinter Dismo kamen wir wieder in eine andere Abtheilung des Gebirges, welche beim Volke den Namen Kohl, Ncisc i» Dalmatic». II, 12 178 ii° m°Ja Anka!" ^l^a HloMika" trägt. Man sindet diesen Namen anch auf den chartographischen Darstellungen von Dalmalicn verzeichnet. Ueber die Entstehung dieses Namens erzählt das Volk folgende Geschichte: Es habe hicr in alten Zeiten ein hübsches junges Mädchen NamenS „Anka" m demselben Hause niit ihrem alten gute»; Mütterchen gewohnt, sei aber von ihrem Liebhaber, dessen Eisersucht sie erregt habe, in der Blüthe ihrer Iah« erdolcht morden. Das Mütterchen nuu, das ihr Kind vermißt und Böses geahnt habc, sei wehklagend und stets ,,l) nwjg ^nku! nm^i ^nkii!" ruscnd ins Freie hinausgegangen, um ihr Kind zu suchen. Hinter jedem Felsen nnd Gebüsch habe sie nach ihrem Kinde geschrieen, die ganze Gegend mit ihrem Wehklagerufc ,^I"^, ^Vnku!" erfüllend, und sei endlich, als sie den erdolchten Leichnam ihrer Tochter gefunden, vor Schmerz neben ihr auch vergangen und gestorben, nnd ihr letzter Seufzer sei ,,m<».j<'l ^,«ik<,!" gewesen. Und so babe denn seitdem beim Volke, ans das der Weheruf und der Schmerz einer Mutter einen tiefen und bleibenden Cindrnck gemacht habe, das ganzc Ländchen den Namen „^ i>1o>imki>" behalten. Die Geschichte, die mir so nutgetheilt wnrde, muß wohl einigermaßen eine bleibende und ziemlich allgemeine Verbreitung haben, denn ich habe sie seitdem anch schon in zwei verschiedenen alten Büchern, wenn gleich etwas anders erzählt, wiedergefunden, und man kann sie daher als eine Volkssage bezeichnen. Es möchte nicht viele Länder geben, in denen provinzielle Namen von so eigenthümlichen Veranlassungen hergenommen sind. I>^ dessen behauptete mein Spalatiner auch hier wieder von den Bewohnern der Mojanka, sie seien ,,wui laäri!^ Die Ol'gend v»n Siqn. 179 und als wir einen Haufen von sechs bis acht großen, hochgewachsenen Mojankancrn begegneten, die von: Markte von Sign in ihre Berge zurückkehrten, sagte er, es wäre viel besser, solchen Leuten bei hellem Tage zu begegnen, und wiederholte mir, es wären lauter „;>55ll55ini," obwohl er sie freundlich gegrüßt hatte, denn, sagte er, seine Familie und er selbst wären hier überall sehr gut bekannt, weil er und sein Vater viel Verkehr hierher hätten, und die Leute auch weit und breit zu ihnen nach Epalato kämen, wo sie manche Gefälligkeit von ihnen genössen. Er selbst für seine Person fürchte sie daher auch weniger. Bei uns in Berlin und Hamburg schwärmt man für Felsen, Grotten, Höhlen und wilde Steingcklüfte. Hier in Dalmatien dagegen sind die felsen losen Landstriche vorzugsweise bewundert. Von der Gegend von Sign hatte man mir schon in der Ferne wie von einem Nnndcrlande gesprochen und mir hundertmal erzählt, baß dort stundenweit nicht ein einziger Stein sei, und baß die Leute daselbst Ochsen vor ihren Pflug spannten. ^- Diese Gegend lag jetzt, als wir aus der Mojanka hervortraten, offen vor uus. lss ist das vielgepriesene ^hal der Cetinna, eines der vornehmsten Gewässer des Morlachenlandcs. Die Cetinna ist vielleicht der Fluß, von bcm das ganze Illyricn seinen Rainen bekam; denn er hieß bei den Römern Illm-u«. Die Gewässer und Ufer ber Cctinna kommen hundertmal in den Volksliedern der Morlachen vor. Sie entspringt aus einer Höhle am Fuße dcs Berges Dinara nnd fließt zuerst fnufunddreißig "tiglien weit in dem laugen Thale von Sign parallel wu der Hauptrichtung aUer dalmatischen Thäler, Ge- 12 * 180 Das Thal der Eetinna. birge und Inseln nach Südosten fort. Dann aber wendet sie sich bei Duarc, einem ähnlichen Felsen-Passe mit Festnng wie Elissa, plötzlich nach Westen, und in einem engen Canale, mehre berühmte Wasserfalle bildend und von Stufe zu Stufe herab schält mend, durchbricht sie die Gebirge in die Quere und ergießt sich bei Almissa südöstlich von Spalato ins Meer, wo die Mündung ihres Qlierthalcs noch wundervolle und wildromantische Schluchten uud Einschnitte bildet. Der Abschnitt dieses Flußthales, der uns jetzt vor Augen lag, war zahmer Natur, eine breite lange und ziemlich ebene Sandsteinmulde*), in welcher die Cetinna vor ihrem unteren Eintritt in die Gebirge sehr langsam und immer langsamer stießt, je näher sie dem Gebirge kommt. Vermuthlich ist das ganze Thal früher ein großer See gewesen, der erst ablief, als der untere Abzugscanal sich mehr austiefte. Noch jetzt ist der Theil desselben, der dicht vor dem Eintritt in die Gebirge liegt, ein großer Sumpf, dessen Weiden nur zur trockensten Zeit des Sommers zu benutzen sind. Dieses sumpfige Terrain erstreckt sich von Sign bis Trigl, einem kleinen Orte, der gleichsam als Pförtner am Eingänge des Flusses in die Gebirge und am Plmkte seines Ausgangcs aus dem Thale liegt. — Jetzt war schon diese ganze untere Thatgegend ein blinkender Wasserspiegel, den die letzten heftigen Regen gebildet hatten. — Durch künstliche Aus-tiesung des unteren Laufs der Cetinna könnte man hier ') Alle mit Sandstein ausgefütterten Thalmulden Dalmatiens sind wasserreich, fruchtbar und anmuthig. Granzmauer des Küsten- und dos Vinnenlaildes. Ißs eine ganze Quadratmeile schönen Bodens für eine bessere Venutzungsweise gewinnen. Weiter anfwärts über Sign hinaus war das Thal trocken und grünlich. Uns gegenüber lagen die hohen Gränzgebirge gegen die Türkei, ein Hanptast der dina-rischen Alpen mit den beschneiten Spitzen oder vielmehr Rücken des Monte Prolog nnd des Monte Miticich. Die Gränze länft hier zwölf Meilen weit ans der höchsten Kante dieser Gebirge hin, nnd es ist merkwürdig genug, daß Venedig mit seinen dalmatischen Eroberungen nicht eher gencht hat, als bis es diese Natnrscheidc erreichte. Dieser dinarische Alpmzweig ist zugleich die Wasserscheide und Flußgebietmaner der dalmatischen Küsten-ftüsse Celinna nnd Kerka. Diese Flüsse nnd ihre Thäler mußten alles Land bis zur Küste vielfach wie mit Fäden zn einem Ganzen zusammenschnüren, nnd wer die Mündungen besaß, mnßte sich aufgelegt fühlen, bis zu den Quellen und bis zu jener Gränzmaner hinaufzndringen. Faßt man also Dalmatien als das nordöstliche Küstenland des adriatischen Meeres aus, so ist dieser dinarische Alpenzweig, auf dessen Höhen die Republik noch hundert Jahre vor ihrem Untergange ihre Fahne aufsteckte, die Naturgemäßeste Gränzmauer zwischen jener Küstenland-schaft und dem Vinneulaude. Es ist angenehm für Oestreich, daß sein Vorgänger Venedig die Gränze hier so regulirt hat. Es wird dadurch vielen Collisionen mit den Türken vorgebeugt. Im Uebrigen sind die Formen dieser Gebirge so ungefällig und einförmig wie die Linien der meisten anderen langgestreckten dalmatische.« Gebirgsrücken. Auch !wd sie, wenigstens auf dem dalmatischen oder sndwest- 182 Der Viacovo. lichen Abhänge, eben so kahl, baumlos und öde. Gleich auf der türkischen Seite aber soll dieß ganz anders sein. Da sollen überall die Vergabhänge mit schönen Wäldern, Gebüschen und Wiesen ergrüncn. Dieß haben mir viele ^eute, welche an verschiedenen Bergpässen über die türkische Gränze gekommen sind, versichert. Es soll hier ein eben so frappanter Unterschied sein, wie der, den. man, vom Triestiner Karst in Krain eintretend, beobachtet. Daß es auch schon im vorigen Jahrhunderte so gewesen, geht aus einem Reiseberichte hervor, den einige der mit dem zweijährigen Tribute nach Konstantinopcl reisende Gesandte von Nagnsa uns hinterlassen haben, und in denen diese wiederholt ihre Vewnnderung über die schönen Waldgegenden ans der türkischen Seite aussprechen. Die Kahlheit und Baumlosigkeit der Höhen geht also so weit wie das Gebiet der alten venctianischen Republik, und man könnte daher denken, daß dieser holzver-zehrende Freistaat die Verge alle so weit kabl gefressen habe, wie er mit seinen Polyftenarmcn reichen konnte. Auch der berühmte dalmatische Berg Biaeovo erschien an unserem Horizonte, als wir an den Rand des Thales der Cetinua hinaustraten. Dieß ist der einzige Berg hier, der solche kühne und malerische Formen ^-„Massen auf Massen gehänft" — darbietet, wie wir sie an unseren Iungfraueu, Finstcraarhörnern, Wetterhörnern u. s. w. gewohnt sind. Dieser Berg liegt zwar bei Macarsca, acht Meilen von Sign, aber sein hohes Haupt, das Vorland überragend, winkte uns überall aus der Ferne zu und erweckte in uns eine nngestillte Sehnsucht nach seiurn, uns unerreichbar gebliebenen Höhen. Das rothe Michchen der morlachischen Jungfrauen, 1ßI Als wir — immer auf einer recht kidlichen Chaussee — nach Eign hinabführen, kamen uns überall eine Menge Menschen entgegen, die von dem dortigen Markte zurückkchrttn. Ich bemerkte, daß die Männer unter ihnen uns mitunter einen Gruß boten, die Weiber aber stets still an uns vorübergingen. Vielleicht spiegelte sich auch hierin die Abhängigkeit nnd drückende Lage ab, in der die Fraucn bei den Morlachen gehalten werden. Die Jungfrauen erkannten wir an ihrem hübschen rothen Mützchen, das die Mädchen überall bei den Morlachen, Montenegrinern und überhaupt bei den Serben tragen, nnd das sie so nett kleidet. Es ist ein rundes, knappes, ftachdeckeligcs Käpftchen von rothem Tuche, welches so hell und grcll schimmert, daft man eine morlachische Jungfrau schon von Weitem herauskennt, wie eine rothe Blume in dcr grünen Niese. Es liegt etwas Zauberisches in der Jungfräulichkeit, und es ist hübsch von den Morlachen, daß sie die Mädchen so vor allen markirt haben. Welche Ideen^Comdiucttioncn ließen sich nicht nn diese rothe Mütze knüpfen. Die Morlachinnen halten auch so viel daranf, daß sic sie fast nie ablegen. Sie ist wie ihr Ordens- und Chrenzcichcn, und wenn Jemand Hand an ihre Mühe legte, so würde dieß von ihnen so übel anfgenommen werden, wie von den Männern, wcnn Man sie am Barte zupfen wollte*). Den gefallenen Jungfrauen aber wird dicst rothe Mühe mit Gewalt ') Dcr dalmatische Dichter Tomaseo hat dieses rothe Mütz-lljen der morlachischen Imilifrauen zum Gegeustande eines seiner Gedichte gemacht,'welches er „lu Unrlll^l» 0 i! liiu^ltn i-OL»«" (dir Morlachiii ober das rothe Varctt) betitelt hat. 184 Das Mützenabreißen. abgenommen, und sie dürfen sie nicht mchr tragen. Ich habe sehr viel von diesem Mützenabreißcn in der Mor-lachei gehört, und ich muß daher glauben, daß die Sitte noch heutiges Tages streng aufrecht erhalten wird. Gewöhnlich thnn es die empörten Freundinnen nnd andere Jungfrauen, zuweilen anch sollen die Priester das rothe Barett abnehmen. Ein Frennd von mir, ein ausgezeichnet geistreicher dalmatischer Künstler in Zara, hat davon ein sehr hübsches und lehrreiches Bild gemacht, welches zeigt, wie es dabei zugeht. Auf diesem Bilde ist eine Kirche dargestellt, aus deren Pforten die Frommen hcr-vorströmen. Im Vordergrunde grnppirt sich eine Anzahl von Jungfrauen um ein Mädchen, das bei ihnen in üblen Ruf gekommen ist, und das sie, wie die Verschworenen den Cäsar, mit Spottrcden umgeben. Einige stehen, bloß ihren Abscheu in ihren Mienen kundgebend, etwas zurück, die Keckste und Erbittertste aber ist hervorgetreten und streckt schon die Hand nach der rothen Kappe des armen Opfers aus, welche dieses nun nicht mehr tragen soll. Seitwärts zur Linken steht cin Hänfen junger Männer, die sich über den Vorfall besprechen, und unter ihnen etwas im Schatten Einer, der nicht hinznblickm wagt, vermnchlich der Verführer der armen Dirne. Zur Rechten schleicht sich eine alte Frau mit ihrem Gesangbuche nntcr dem Arme nach Hause. Es ist wohl die Mutter der Gefallenen. Sie hat ein blühendes Kind an der Hand, wahrscheinlich ihr Enkelchen von einer ehrbar verhciratheten Tochter, daS ihr in der Schande, die ihre Familie getroffen, einigen Trost gewährt, nnd dem si^ ^avnende Lehren giebt. — Bei manchen serbischen Stämmen, z. B. bei denen an der Bai von Cattaro, Die Zopft der Morlachen. t85 verfuhr man noch ganz anders mit den gefallenen Jungfrauen. Man führte sie auf einen öffentlichen Platz hinans und steinigte sie. Ein solcher Fall ist noch am Anfange dieses Jahrhunderts an der Bai von Eattaro vorgekommen, und man kann ihn in vielen Büchern, die damals über diese Bai herauskamen, lesen. Wie die Jungfrauen ihre rothe Mühe, so trugen unter den uns begegnenden Männern alle ohne Ausnahme einen langen Haarzopf. Bei den Serben in Montenegro und an der Bai von Eattaro habe ich diesen Zopf nicht bemerkt, eben so wenig auch bei denen in dem Gebiete der ehemaligen Republik Ragusa. Er mnß daher wohl eine achte Erfindung der Morlachen und ihrer Nachbarn, der Kroaten, sein, bei denen ich sogar viele kleine Knaben fand, die ihr schwarzes Haar in einer langen dicken Flechte hinten ans dem Rücken herunterhängen hatten. Am äußersten Zipfel geht ihr Zopf in langen Troddeln aus, welche aus mehren Schnüren von Perlen, meistens schwarzen, bestehen. Für so kriegerische Männer schien uns eine so weibische Sitte, wie dieses Ansschmücken der Haare mit Perlen, besonders unpassend. Ich kann nicht sagen, daß ich diese Eoissme sehr kleidsam fand. Aber die Maler, welche morlachische Scharmützel uild Kämpfe zeichneten, haben von den Zöpfen, welche bei solchen Gelegenheiten wild wie Drachenschwänze stiegen und sich in der Luft krümmen und bän-Men, einen recht effectvotlen Gebrauch gemacht. Mich däucht, auch in den chinesischen Kriegsliedern figuriren zuweilen die Zöpfe als ein Theil des Schreckapparats der kaiserlichen Soldateu. Iil dem oben angeführteu Romane der Gräfin Ur-- 186 Die Zvpfc der Morlachen. sini-Rosenberg kommt auch sehr viel von diesen mor^ lachischen Zöpfen vor, und zuweilen klagen die Weiber beim Abschiede von ihren Männern auch unter Anderem sebr rührend: „Ach, wer wird Dir in Iuknnft Deine Haare ordnen, Deinen Zopf flechten?" — Bekanntlich spielt dieß Ordnen der Haare auch in den alten spanischen Romanzen eine sehr große Rolle, in welchen so viele hübsche Mädchen in der malerischen Attitude des Haarkämmcns auftreten, indem sie ihre „goldenen Kämme" oder ihre „zierlichen Finger" durch die schwarzen Locken gleiten lassen. Bei dem morlachischen Männcrzopfe, der meistens sehr schmnzig, rauh und mit Fett geschmiert ist, ist aber dieser Actns nicht eben sehr ansprechend. 5. Sign und seine Madonna. Endlich erreichten wir den Hauptort unseres Zoftf-landes, die Stadt Sign, wo ich so glücklich war, in einer Locanda ein leidliches Zimmer und Bett zn gewinnen. Bei Sign (Sing, Singa oder Scin) tritt ein ziemlich steiler Berg schroff in's Thal der Cetinna hervor, der schon von den ältesten Zeiten, als zur Befestigung geeignet, den Bewohnern des Landes als fester Platz gedient haben mag. Auf der einen Seite im Westen geht der Paß von Clissa durch die Küsteugebirgc zum Meere, auf der anderen Seite im Osten führt der Paß von Billibrig mitten zwischen den Bergen Prolog und Kämpfe dcr Vcuttiaiicr und Türken um Sign. 187 Miticich hindurch in's Innere zur Herzegowina und nach Bosnien. Der Punkt ist daher einc feste Position an der großen Handelsstraße, die von Spa lato durch die besagten Pässe nach Li'vno hindurchgeht und dann ans die großen bosnischen Städte Trawnik und Serajewo auszweigt. — Es war hier daher immer eine nicht unwichtige Mittclstation, der bedeutendste Ort im Thale der Cetinna. Die Venetianer machten sich verschiedene Male daran, diesen Punkt zu gewinnen. Sie zogen mit Mannschaft davor, sie eroberten ihn, sie verloren ihn, sie rissen ihn den Türken wieder aus dem Rachen, und behaupteten ihn endlich seit 1686, obgleich diese noch mehre Male die Klanen darnach ausstreckten. Man muß diese hundertjährigen Kämpse der Türken und Venetiancr um Sign und um die anderen Orte dieser Gegend in dem alten dickbandigcn Buche über Dalmatien nachlesen, das im Jahre l72!i in Nürnberg bei Peter Conrad Monath „zu finden" war. Da sind diese Kämpfe in einer Sprache erzählt, wie sie für den Gegenstand passend ist, uud wie sie ein Geschichtschreiber unserer Zeit nicht mehr anwenden würde. — Da sieht man recht deutlich, wie diese Kriege geführt wurden, eben so wie man ans Homers Darstellung recht deutlich die Führungsweise der griechisch-trojanischen Kriege erkennt. Sign, Perlicca, Dernis nnd überhaupt alle diese dalmatischen Gränzorte sehen anch noch heutiges Tages recht so aus, wie arme geraufte Mäuse, welche zwei Katzen lange Zeit untereinander herüber- nnd hinüberzerrten. Sie sind noch immer voll Ruinen, Trümmer, Schmuz und Elend, oder erscheinen einem Reisenden bei 188 Mlt Steinblöckcii vcrbanicadirte Wl'hluingen, dem ersten Anblick wenigstens so. — In einigen dieser Orte findet man auch noch zuweilen ein verfallenes türkisches Minaret, oder ein zn einer Kapelle umgewandeltes Metschet, oder ein nach türkischer Weise gebantes Wohnhans. Die meisten sogenannten Wohnhäuser dieser Orte sind aufgeschüttete Steinhaufen, in denen man znweilcn nur mit Mühe einen Plan und eine Negel, Fenster, Thür nnd dergleichen entdeckt. Es ist unglaublich, welche Passion die Morlachen für Felsen und Steine haben. Ihre Wohnungen sind immer mit einer Menge von herumliegenden Blöcken umgeben, als sollten ihre Zugänge recht schwierig gemacht werden. Auch dieß ist wohl eine Sitte aus türkischer Zeit, wo man hier so zu sagen unter Barrikaden zn wobnen lernte. Daß die Montenegriner ebenfalls meistens in solchen Felsblockbarrikaden wohnen, bemerkte ich fchon. Bei so schönem Wetter, wie wir es jetzt hatten, findet man gewöhnlich die ganze Hausgenossenschaft um das Hans herum auf diesen Stcinblöckcn versammelt. Ans dem einen Block sitzt die Hausfrau, die Wollenspindel drehend, auf dem anderen die Tochter, au einem hübschen Gewände stickend, neben ihr auf einem dritten Blocke ihre Nachbarin, in eifrigem Gespräche mit ihr vertieft. Nnd zwischen den übrigen Blöcken kriechen die Kinder herum. Vor der Hausthür, auch auf einem Felsblocke, liegt rauchend der Hausherr mit herunterhängenden Beinen. Dieß kann zuweilen sehr malerisch sein, ist aber sehr unordentlich. — Uebrigcns giebt es in Sign, einem, wie gesagt, nicht unwichtigen Handelsplätze, zwischendurch auch ganz stattliche Gebäude, nach unserer (oder italienischer) Art gebaut und eingerichtet, in denen Wuildrrthätiqes Madonn^nbild. ^89 reiche Kaufleute wohnen, und auch gauze Straßen ordentlicher und zum Theil zweistöckiger Häuser. Der Pretor des Orts, dessen Güte ich empfohlen war, führte mich zunächst in dic Kirche des dortigen Franciscanerklosters, dic ein recht stattliches Gebäude ist und ein wunderthätiges Madonueubild euthält. Diese U^äoniu, 6i l^i^n stammt aus der Türkei und ist von dort im Jahre l7l6 von dem bosnischen l^nvonto 6i ^l-«880W0 hierher geflüchtet worden. Die Türken waren damals mit den Veuetianern im Krieg und müssen bei der Gelegenheit wohl die armen Katholiken und Frauciscaner in Bosnien etwas gedrückt und verfolgt haben, die sich dann als Nskoken (Flüchtlinge), wie so viele Bosnier, nach Dalmatieu durchschlugen und iu Sigu festsetzten. Sie stellten hier ihr schönes Madonnenbild ans, und dieses that dann auch Wunder in Vertheidigung ihres Asyls, als die Türken es angriffen. Mit 30,000 Mann waren die Türkeu vor Eign gczogeu uud bedräuten heftig die Festung, die der Venetianer Cornaro mit seiner erschöpften kleinen Mannschaft nur noch schwach vertheidigte. Da eines Tages erschien vor Aller Angen sichtbar eine schöne Fraueugestalt auf den Zinnen der Burg uud umkreiste dieselbe, durch die Luft schwebend, ringsnm. Es war die Madonna von Sign, die die Venetianer mit Muth und neuer Zuversicht erfüllte, die Muselmänner aber mit Schrecken schlug. Nuter diesen brach sofort eine furchtbare Pest aus, und da jeue uoch dazu einen helden-müthigen Ausfall thaten, in welchem sie viele Türken erlegten, so hoben die Paschas die Belagerung auf und zogen in eilfertiger Flncht über ihre Berge zurück. Und 190 Die „Giosira," seit dieser Zeit sind sie auch nicht wieder mit so großen Massen vor Sign gekommen, und die Morlachen haben seitdem einhundert und vierzig Jahre lang zum Andenken an dieses Ereigniß und zn Ehren ihrer Madonna ein jährlich wiederkehrendes Denffest gefeiert, das noch heutiges Tages in ganz Dalmatien berühmt ist. Bei diesem Feste giebt es natürlich eine Procession, einen Gottes-dienst und dann eine „Giostra" oder ein Turnier, bei welchem die Einwohner und Nachbarn von Sign in großen Haufen zusammenströmen, mit schönen Costümcn, Pferden u. s. w. paradiren und in einem Ningstechen mit einander wetteifern. Seit dem Besuche des Kaisers Franz in Sign hat man diese Giostra ans den Geburtstag des Kaisers verlegt, und wie es dabei zngcht, kann man in der Schilderung der Reise des Königs von Sachsen, dem zu Ehren auch eine Giostra in Sign veranstaltet wurde, nachlesen. Ich bekam nichts davon zu sehen, als die bildlichen Darstellungen der dabei dienenden Costüme der Reiter, die auf dem Gemeiudehausc aufbewahrt werden. Die Äliläalinil <1i 8i^n ist nicht nnr bei den Mor-lachen, sondern auch bei den bosnischen uud herzegowi-nischen Christen weit und breit verehrt. Sie glauben in ihrem frommen Sinne allerlei günstige oder ungünstige Zeichen bei dem Bilde wahrzunehmen, wenn sie ihm inbrünstige Bitten vortragen. Die Madonna weint, sie lächelt, sie erblaßt, sie erröthct, und Letzteres sehen sie als ein besonders günstiges Zeichen an, wenn Kranke zn ihr geführt werden. Diese haben dann Aussicht auf ein frisches gesundes Lebeu. Sogar auch die Türkeu, die hier durchziehen, opfern der Madonna, wie selbst die Byzantinischer Ursprung dcr Madonna von Sizzn. 19 j Feinde oft einem heroischen Gegner huldigen. Mein Franciseaner sagte nur, er habe oft gesehen, daß ein Türke einen Zwanziger auf dem Altar der M^mm., äi i>i^l> niedergelegt. Die Türken senden übrigens anch zu den morlachischen alten Frauen hinüber, die in dein Rufe von Zauberkräften stehen, und lassen sich von ihnen „Zapisi" (Zauberformeln) schreiben. Ich war begierig, das Angesicht dieser berühmten Madonna naher zu betrachten, und ließ mir eme Leiter zu ihr hinauf stellen, um zu sehen, ob auch die Kunst des MalerS einiges Verdienst an dieser großen Perehrung habe. Es war uffcnbar ein Gemälde byzantinischen Ursprungs, aber ein Kops von der schönsten Arbeit und vou dem sanftesten und lieblichsten Ausdrucke, und ich würde mich nicht wundern, wenn mau dieses Vild, wie man es sonst mit so vielen schlechteren thut, dem Pinsel des heiligen Lueas selber zuschriebe. Hier batte ich also ein von griechischen Katholiken gemaltes, von römischen Katholiken gerettetes und von Christen und Muselmännern verehrtes Bild, vor dem sich gewissermaßen alle die drei sonst so feindlichen Setten brüderlich die Hand zu reichen schienen. 6. Morlachifche Hauseinrichtung. Ach wünschte das Innere der Wohnung eines mor? lachischcn Bauern zu sehen, und man führte mich zu einem eiiizelustehendeu Bauerhofe hinaus, der mitten in 192 „Campagna," „Polje," „$db." dcr „(^unpll^tlil l!i 8lM^ lag. So nennen die Italiener die ganze weite Thalebene längs der Cetinna, die ich oben schilderte. Im Morlachischen heißt sie „Signsko Polje,^ was dasselbe bedeutet, wie der italienische Name. Die Italicner nennen hier in Dalmaticn eben so wie in Italien, immer gewisse angebaute Landabschnitte „Cam-pagnas," mit dein Beisatze des vornehmsten Ortes, dem sie angehören, z. B. (<<>inp^iu» <^< Iwmn, s^mp^lm " genannt, ist nach türkischer Art gestaltet, ein runder niedriger Tisch mit kurzen Pftöcken als Füße. Und so wie ihrem Mobiliar so ist auch ihrem ganzen Sinn und Wesen Polnisches und Türkisches beigemischt. Man muß eine solche morlachi-sche Wirthschaft genau besehen, um zu erfahren, daß selbst noch in unserer Zeit und so ziemlich in unserer Nähe Völker leben, deren häusliche Einrichtungen und Erfindungen ungefähr auf demjenigen Punkte der Entwickelung stehen geblieben sind, bis zu welchem etwa die Söhne und Enkel Adams sie gebracht haben mochten. Die Spinnmaschinen, die Pflüge, die Webestühlc, dieß Alles ist so einfach und primitiv wie nnr möglich, und eine Vergleichung der bei ihnen in Bewegung gesetzten Triebkräfte mit denen, welche unsere Instrumente nnd Nädcrcompositionen treiben, wäre für einen Ethnographen Und Philosophen höchst lehrreich, obgleich sie hier, wo wir auf bildliche Darstellungen verzichten müssen, sich nicht ausführen läßt. Kohl, Ncise in Dalm^lm. N, 13 19^ Murlachische Acker- und Vauerwagen. Aber ein wahres Wunder ist der colossale morla-chische Acker- und Baucrwageu. Man holt die Elephanten und Rhinoceros aus Afrika, um sie bei uns zu zeigen, aber ich möchte einmal einem Naritätcnkrämer als gute Speculation die Acquisition eines morlachischen Bauenvagcns propouiren. Die Bürger unserer Städte würden gern für dic Anschauung einer solchen Kuriosität einige O^s^cn opfern. Ich will nur einmal die Räder beschreiben: Ein durchbohrter und mit dem Beil zugehauener Holzblock bildet die Nabe, die aber mehr viereckig als rund ist. Auf jeder der vier Seiten dieser Nabe ist als Speiche ein Knüppel ausgenagclt. Jede dieser vier Speichen, die nicht strahlenarlig von dem Centrum der Nabe ausgehen, dcreu Linien vielmehr dem Gesagten nach sich durchkreuzen, geht von einem Punkte der Felge zum gegenüberstehenden. Die Felge selbst besteht aus vier masstven Holzklötzen, die ebenfalls mit dem Beile bchauen und an den Enden vierkantig zusammengefügt sind. So lange der Wagen noch neu und jung ist, dreht sich daher diese Quadratur des Kreises — man kann sich's vorstellen! — ziemlich ungern. Während zu-weilen ein Rad sich eben hoch auf die Ecke s^t, fallt das andere vielleicht gerade auf eine seiner vier Seiten, und der Wagen und seine Ladung werden auf dicsc Weise toller hin- und hergeschüttelt als eine Barke aus den Meereswellen. Vielleicht getrosten sich aber die Mor-lachen damit, daß dieser Fehler mit der Zeit vermindert wird, indem die Ecken sich nach und nach etwas runden und abstumpfen. Einen eisernen Räderbcschlag giel't es natürlich hier nicht, wie denn überhaupt an den ge-sammten morlachischen Ackergeräthen außer dem Messer Vierkantige Räder. 195 der Pstllgschaar kein Stückchen Eisen findet. Gäbe es Seelöwen nnd Wallrosse an der morlachischcn Küste, so würden die Morlachen gewiß auch dieses Stückchen Eisen sparen und die Pflugschaar lieber sir und fertig jenen Thieren ans dem Nachen nehmen. Die östreichische Regierung hat, wie man mir sagte, schon zu wiederholten Malen deutsche Ackerwagen nach Dalmaticn geschickt, damit sie als Modelle zur Nachahmung dienen möchten. Aber dieß hat bisher noch nichts gefruchtet. Man hat diese Nagen angeschaut, sie eine Zeit lang gebraucht, und dann sind sie wieder verschwunden uud untergegangen, ohne die Stammväter einer blühenden Nachkommenschaft zu werden. Die Morlachen sagen: „Unsere Väter, haben ja auch keine solchen deutschen Ackerwagen gehabt nnd doch in diesem Lande gelebt." Sollte man denken, daß man dieses allbelicbte Argument anch sogar für vierkantige Räder anzuführen wagt! Hätte ich es nicht mit Augen gesehen, so würde ich nicht glauben, daß es ein Land giebt, in welchem nicht nur die Erfindung kreisrunder Räoer noch nicht gemacht ist, sondern in welchem man sich anch gegen das Einfuhren einer so vernünftigen Erfindung, als eine Verletzung der heiligen Vätersitte, mit Händen und Füßen sträubt. — (5s gehören nicht weniger als sechs bis acht Ochsen dazn, um einen Nagen der besagten Art von der Stelle zu schaffen, und dieß ist daher in der ganzen Morlachei das gewöhnliche An-gespann. Zur Seite des Webestubls unserer Bauerfrau hing der Rosenkranz, neben dem Rosenkranze aber das geladene Gewehr ihres Mannes. Auch am Kohlfasse hing 13* ^96 Bewaffnung der morlachischm Bauern. eine Flinte, und am Pfluge lehnte gleichfalls eine solche. Ich öffnete den Hahn einiger dieser Gewehre und fand überall den Feuerstein in Ordnung und das Pulver auf der Pfanne. Alles schlagfertig, nicht anders wie in Montenegro. Man sagte mir, es sei hier bei allen Bauern so. Der unsrige wohnte ein wenig einsam und mochte doppelte Bewaffnung nöthig glauben. Wenn ein Volk so bewaffnet ist, wie dieses, so ist es kein Wunder, daß zuweilen Mord und Naub unter ihm vorfallen. Es ist vielmehr ein Wunder, daß dergleichen nicht noch mehr vorhanden ist. Ich möchte wohl wissen, was daraus entstehen würde, wenn man, ich will nicht sagen den illyrischen Landlcuten, sondern nnr unseren für gutmüthig gehaltenen deutschen Bauern erlauben würde, .nn'mischenNe-furine» geschrieben hat, die man in Dalmatien ausführen feinte, sagt: „Der erste Echritt zur Verbesserung muß sein, den Morlachen zu einem die Arbeit als Drang empfindenden Menschen zu wachen niid auszubilden." — Ich fürchte, dieser Reformator wird bei seinem ersten Schritte stehen bleiben. Diesen fehlenden Drang ln den Morlachcu zn erzeugen, wird ihm so unmöglich sein, wie uns Menschen überhaupt das Hervorzaubern schöpferischer Kräfte unmöglich ist. 214 Arbeitscheu der Morlachen. Herbst, in der Weinlese, wenn sie ein Bisl Wein im Schlauch und etwas Geld im Sacke haben, da ist es mit den schönsten Versprechungen unmöglich, einen von ihnen znr Arbeit zu bewegen. Darum sind sie auch so nncndlich in ihr Vaterland verliebt, und es scheint ihnen auf Erden nirgends so schön, wie bei ihnen zn Hause, wo man so wenig arbeitet. Die dalmatischen Soldaten, die bei uns dienen, kaum haben sie ausgedient, g'schwind gehen sie heim, und ost werden sie von einer solchen Sehnsucht nach ihrem Vaterlande ergriffen, daß sie es in Polen oder Ungarn noch weniger aushalten können, als die Italiener ober Deutschen, und daß sie aus ihren Casernen desertiren und dann schnurstracks auf dem gradesten Wege nach Dalmatien laufen*), wo sie lieber ein Rauberleben, als in der Fremde das Sol-datcnhandwcrk betreiben wollen. — Uebngens sind sie sehr gutmüthige Menschen, diese Montenegriner und Morlachen, wenn man ihnen nnr ^u begegnen weiß. Zwar wenn man sagt, daß sie gern ranben, so ist dieß halt wahr. Aber mein Gott! Es ist halt ihre *) Man erzählt sich merkwürdige und rührende beschichten von morlachischen Soldaten, die in der Bukowina oder in Gatlizien standen, von Heimweh, wie die Schweizer, ergriffen, aus dem fremden Lande desertirten, zu Fuß durch die Karpathen, durch Ungarn, durch die Alpen, durch Kroatien sich hindurchschlugen, am Tage sich versteckend, bei Nacht durch die Wälder und Pusten schlüpfend, das Wasser der Flüsse schlürfend, mit den Beeren und Früchten des Feldes ihren Hunger stillend, und endlich hager und mager iw Lande ihrer Sehnsucht, in dem gelobten Felsenlande Dalmatien, ankamen, wo sie in ihre» jungen Tagen ans der Gnsla und auf der Swirala spielten und auf den Bergen sich umschauten. Das (zetiima-Ufcr. 215 griechische Natur! Sie rauben, ja! das ist wahr. Es ist halt eine Passion bei ihnen, aber wo sie Ciuem sonst einen Gefallen tbun können, da thun sie es herzlich gern. Wie gesagt, es sind gute Leute, nur darf man ihnen kein Gold zeigen und ihre Habsucht nicht rege machen." 10. 3ln der Getinna. Jenseits unserer Dreschstation führte der Weg uns dicht zum Ufer der Cetinua hinab, die hier recht hübsch zwischen Wiesen und kleinen Laubgehölzern sich hinschlängelt. Wer, wie ich, eiuige der zahllosen Gedichte gelesen hat, in denen die Morlachen diesen kleinen Fluß besungen haben, — wie denn überhaupt im ganzen Serbenlanoe. von hier bis Konstantinopel wohl kein Fluß ist, der nicht häufig in Gedichten figurirte, — der kann dieß Flüßchen nicht ohne Theilnahme anschauen, und ich erinnere mich uoch jetzt gern seines murmelnden Laufs und seines grünen Wiesenstreifeus mitten zwischen den endlosen Steinmassen Dalmatieus. Wer einen Funken Natur-Poesie in sich hat, dem muß es in Versen herausschlagen, wenn er aus jenem Felslabyrinthe zu einem solchen Wicsentcppich und einem solcheu Wasserfaden gelangt. Leider besingen aber die Morlachen ihre Bäume und Wiesen bloß gut. Wenn sie sie nur eben so gut Pflegten und groß zögen. Wenn man ihre Lieder liest, so sollte man glauben, sie wären ganz verliebt in ihre schattigen Bäume. Wenn man aber die Wirthschaft 2<6 Verstümmelte Bäume. sieht, die sie damit damit treiben, so sollte man glauben, sie haßten sie, wie giftiges Unkraut. Wir bemerkten unterwegs mehre schöne, alte und dicke Bäume, die mit einem Beile tief angehauen waren, so daß die Rinde auf der ganzen einen Hälfte zerstört und der Stamm bis ins Mark entblößt war. Natürlich führte die andere Hälfte der Bäume nur noch ein kümmerliches Leben. Vermuthlich hatte ein Morlache einen Plan damit gehabt und daS Umhauen begonnen, es aber nachher wieder aufgegeben, weil ihm die Sache zu beschwerlich fiel, oder weil er seinen Plan geändert hatte. Solcher halb umgehauener und angehackter Bäume habe ich in der Morlachei später noch viele gesehen, sonst aber in keinem Lande. Wenn ich nach der Ursache dieser Erscheinung fragte, so hieß es stets: Ja der Morlache haßt die Bäume — eiue der unbegreiflichsten Arten des Hasses, die man sich denken kann. Natürlich mußte daS Land, das von einem jo gesinnten Volke bewohnt ist, wohl kahl werden, selbst wenn keine veuetianischcn Schijfsbaucr mit dazu halfen. -^ In Bezug auf Bäume verfahren die Morlachen, wie in Bezug auf Schafe der Wolf, der was er uicht mehr fressen kann, mordet. Die ganze Straße, die wir fuhren, war übrigens äußerst todt und öde, und unser kleiner Wagen, dem wir oft stundenweit vorausliefen, war immer der einzige schwarze Punkt, der sich darauf bewegte. Nur einmal begegneten uus Mönche. Sie waren natürlich, wie fast Alles in diesem Lande, beritten. Auch die Weltpriester, wenn sie in Geschäften der Seelsorge sick von Dorf zu Dorf begeben, reiten hier gewöhnlich. Außerdem begegnete uns ein Postillon, der ziemlich bunt und 5 1a Moi-I^uo Morlachischcr Postillun. 217 aufgeschirrt war und nicht etwa sich bewegte, wie die stattlichen Postillone, die man wohl, prachtvoll galoppi-rcnd, in den Abc-Büchern unserer Kinder sieht. Nein er rauchte sein Pfeifchen und ließ seine Beine schlottern, quälte auch sein Pferdchen nicht mit steifem Schritt. Im Nagnsischen sollen die Postillone statt unserer Blech-trompctcn große Kuhhörner haben, wie unsere Nachtwächter; auch sieht man sie oft neben ihrem bepackten Pferde hergehen, natürlich wie alle übrigen Menschen, bis an die Zähne bewaffnet. So ein ragnsischer Postillon verdiente es eben so gut, von Horace Vernet verewigt zu werden, wie der bekannte ägyptische Wüstenbote mit seinem Kameel, den dieser Maler dargestellt hat. Auch ein armer Bcttelbubc kam auf dem Nege zu uns heran, der, obgleich er wenigstens vierzehn Jahre alt sein mochte, nicht mehr Kleider an sich hatte als der Apollo von Belvedere. Er war so zu sagen nur mit einigen Stricken und Schnüren bekleidet. Einen Strick hatte er nm den Lrib, und daran war ein kleiner Lappen befestigt, der auf der linken Lende herunter hing, und eine Schnur hatte er über die Brust und Schultern, daran hing ein zweiter Lappen, anderthalb Spanne lang über die linke Schulter. Das war AlleS. Sein Körper schien mir ganz röthlich oder bräunlich. In Montenegro batte ich schon eine ähnliche Fignr gesehen. Als wir uns dem Thalabschnitte von Verlkva näherten, wurde die Gegend allmälig etwas belebter. Dörfer lagen zu den Seiten, und im Felde waren hie und da Leute mit der Bestellung der Aeckcr beschäftigt. Ich sah hier die Weise, wie die Morlachen das Geschäft des Cggcns verrichten. Ihre Egge ist ein aus struppigem 218 Morlachische Art zu eggen. Strauchwerke zusammengesetzter Besen. Und vor diesem Besen sind acht Ochsen — sage: acht gespannt, um ihn zu ziehen. Ein langer knochiger Morlache hat sich ans den Besen gelegt, um ihn zu beschweren, und raucht dabei, auf jenem beweglichen Sopha liegend, gemüthlich sein Pfeifchen. Gin anderer Morlache treibt die acht Ochsen mit einer langen Gerte an, indem er eifrig schreiend und prügelnd von einem Paar zum anderen länft. Dabei tanzt der Besen mit feinem Raucher über die Erdschollen dahin, wie ein Schiff durch die Wellen. Ich glaubte Anfangs, daß dieß bloß ein drolliger Einfall eines Bauerjungen wäre. Allein im Verlanfe dieses und der folgenden Tage sahen wir überall auf den Eggen solche große Morlachcn liegen, die ihren Körper dazu hergaben als todtes Gewicht zu dienen. Diese Art Arbeit muß allerdiugs einem Morlachcn ein höchst wundervolles Geschäft scheinen. Je mehr man ißt und trinkt und je schläfriger man sich fühlt, desto tauglicher wird man dazu. 11. Vertices. Endlich erblickten wir im Sonnenschein den Stein-und Ruiuenhaufen, den man Verlicca nennt, am Bergabhange liegen und über ihm auf dem sogenanntenZicgcnberge (Xognri) die Trümmer eines alten Schlosses schweben. Wir fanden hier ein leidliches Unterkommen in einer kleinen Locanda, wo nnsere Freude groß war, weil die guten Inhaber derselben deutsch verstanden und sprachen- Verlicca. 2l9 Cs waren zwar nur deutschredende Kroaten von den Usern der Sau, aber dieß hinderte nns nicht, sie hier zn Lande wie liebe Landsleute zu begrüßen, und sie selber schienen sich auch recht sehr über deutschen Besuch zn freuen. Wir gaben hier unser Geflügel ab, damit es uns für den Abend gebraten werde, und gingen dann in Begleitung einiger, gefälligen Herren des Orts hinaus, um uns die Lage und Umgegend desselben zu beschauen. Verlicca ist zwar nnr, wie ich schon andeutete, ein rechtes Mausenest. Aber liebe Zeit, in der Morlachei sind die Ortschaften überhaupt rar, und hier zn Lande ist Verlicca so allgemein bekannt und so viel besprochen, wie kaum eine reiche Stadt von 3l),Wl) Einwohnern, über die iu den übervölkerten Fabrikdistrictcn Englands die Eiscnbabnzüge, ohne viel Notiz davon zu nehmen, hinwegbrausen. Es liegt in der Nähe der Quelle der Cetinna, im äußersten Hintergrunde des obersten Thalabschnittes dieses Flusses, am Fuße der Höhenrücken, welche das Gebiet der Cetinna von dem der Kerka scheiden. Das Thal ist hier fast eben so breit und weit, wie die ^nmp^nn äi t?ig!. Von dieser Position im hintersten Quellstücke der Cetinna soll auch der Ort seinen Namen Verlicca haben, welcher aus „Vm-," d. h. Ende, nnd „Uicck»," d. h. Fluß, entstanden sein soll, indem dabei nur die Liquida „r" in die Liquida ,,I" verwandelt wurde, so daß Verlicca dann so viel bedeutet als „Flußendc." Man proponirte uns die Besichtigung verschiedener Merkwürdigkeiten, welche die Umgegend des Ortes darböte, zurrst die Quelle und Grotte der Cetinna, die hier entspringt, dann ,,le diroccato mura dci Templari," 220 Die Waldvcrwüster in der Murlachei. (die Ruinen einer alten Ansiedelung von Tempelherren) und dergleichen. Allein wir zogen diesen Merkwürdigkeiten einen Spaziergang in einem morlachischen Dorfe und eine abermalige Untersuchung der hiesigen Wohnungen und Einrichtungen vor. Man führte uns daher am Rande der Thalhöhen hin, wo wir zuerst eine kleine Heilquelle fanden, die Verlicca einigen Nuf als Heil- und Badeort verschafft hat. Der gefällige Pretor des Orts, der uns führte, zeigte unS, was er für die Quelle gethan, wie er sie ausgemauert und zum Frommen der Gäste mit Bäumen umpflanzt habe. Ader dergleichen dulden die Morlachen nicht in ihrem Lande. Alle jungen Bäume waren — es war betrübt zu sehen — wieder umgehauen oder doch beschädigt, und der Pretor sagte, er verzweifle völlig daran, daß es ihm gelingen werde, anch nur einen von ihnen zu conserviren. Der Morlache und seine Ziege*) sind die ärgsten Waldverwüfter im Lande. Was die Ziege vom Busch zum Baum aufkommen laßt, hackt der Morlache als jungen Baum weg. Die Franzosen sollen unerbittlich strenge gegen die Waldverwüster gewesen sein. Seit ihrer Zeit hat die Banmvermindcrung in Dalmatien noch zugenommen. Die Holzungen sind jetzt fast ganz in den Händen der Communen und ihrer „Capovillas" (Schulzen), und diese haben nicht Voraussicht genug, um durch Schonung des Vorhandenen für die Zukunft zu sorgen. Wir gingen *) Man sollte die Ziege überall unerbittlich verfolgen. Wenn sie nur nicht wieder dem Armen so nothwendig wäre. In Zeiten der Noth ist die Ziege mit ihrer Milch und mit ihren Jungen oft sein einziger Trvst. Morlachische Müllerinnen. 221 dann längs eines kleinen Gewässers hin, an welchem mehre morlachische Mühlen postirt waren. Diese Mühlen sind nicht viel größer als ein Webstuhl, und ein paar Hol-lunderbüschc verstecken sie oft ganz. In jeder fanden wir ein Mädchen, das mit einem Sacke voll Korn herbeigekommen war, um es in Mehl zu verwandeln. Das Mahlen des Getreides ist hier zu Lande immer ein Geschäft der Frauen. Entweder müssen sie es zu Hause mit der Handmühle, die sich fast in jeder Wlrthschaft befindet, verrichten, oder, wenn Wasser in der Natur vorhanden, auf diesen Wassermühlen, bei denen alle Maschinentheile so klein und manierlich sind, daß die Mädchen sie leicht handhaben können. Sie können selbst das Wasser zu- und abstellen, das Mehl aufschütten und den Stein in Bewegung bringen. Die schönen Müllerinnen, die wir hier, wie gesagt, in jeder Mühle fanden, waren mit silbernen Perlen, Ohrringen und sonstigem Schmuck nach ihrer Weise erstaunlich prachtvoll aufgeschmückt, was bei der Einsamkeit, in der man sie hier in den versteckten kleinen Mühlen findet, einen sonderbaren Eindruck macht. Aber noch sonderbarer ist die Construction dieser Maschinchcn selbst, wo mich allerlei höchst originelle kleine Mechanismen überraschten, die sich aber ohne Zeichnung nicht gut schildern lassen. Das Merkwürdigste jedoch sind die Räder, welche den Nasserstoß auffangen und dem Ganzen die bewegende Kraft mittheilen. Dieselben sind nämlich horizontal, äußerst klein und tief unter der Mühle, die gleichsam wie auf einer Brücke über dem Canale des Baches liegt. Diese Räder haben Speichen, bie wie Löffel gestaltet und schief gestellt sind, und die den senkrechten Stoß des Wasscrfalls als drehende Ve- 222 Horizontale Mühlräder. Morlachische Vaunhäuser. wegung der Mühlenwelle mittheilen. Solche horizontale Mühlräder sind hier in Dalmatien ziemlich gewöhnlich und scheinen eine uralte Erfindimg zu sein. Als man vor einiger Zeit in Deutschland dergleichen Näder con-struirte, glaubte man etwas Nagelneues entdeckt zu baben. In dem Dorfe, es hieß Podosz, führte man uns zu einigen Bauern, die sehr bereitwillig waren, uns ihre Habseligkeiten zu zeigen. Bei dem Anblicke der Aerm-lichkeit ihrer Einrichtungen glaubte ich erst, man habe uns zu den Bedürftigsten des Ortes geführt; allein man sagte mir, es seien dieß im Gegentheil die reichsten Besitzer. Ihre Hauser waren aus losen Natursteinen, so wie die ausgewitterte Oberfläche der Berge sie liefert, zusammengefügt, die Wände und ibre Löcher nicht mit Lehm verkittet, die Dächer mit Schilf gedeckt. Die inneren kleinen Abtheilungen der Wohnungen waren aus Flechtwcrk gemacht, das hie und da wie unsere sogenannten spanischen Wände aufgestellt und ebenfalls nicht verkleistert oder ausgefüllt war. Feuster brauchten diese Wohnungen nicht, da der Himmel überall durch viele Löcher durchschimmerte. Aber da das Klima dieser inneren dalmatischen Thäler, die schon ziemlich koch und am Fuße rauher Gebirge liegen, gar nicht sanft ist, so mögen im Winter jene Löcher ihr Unbequemes haben. An Oefen ist natürlich nicht zu denken, denn diese giebt cs im Lande nicht, dafür glimmt den ganzen Tag ein Feuer auf dein Heerde, an dem man sich Hände und Füße ein wenig wärmen kann. Auch die vereinzelten italienischen Kaufleute und Beamten, welche hier in der gebirgigen Mo'" lachei wohnen, haben keineswegs darauf Bedacht g^ nommen, Oefen zu bauen. Sie thun so, als wenn Ofen. und Bettenlosigkeit. 223 überall, wo Italiener sich aufhalten, auch Italien sein müßte, nnd würden wohl am Ende anch in Sibirien, wenn sie es einmal erobert hätten, nach der Sitte ihrer Heimath leben nnd bei ihren Kaminen und Kohlenbecken frieren und lieber über die Kälte des Landes murren, als das Ofenbauen lernen. Es ist merkwürdig, daß auch solche durch Naturnothwcndigkeit gebotene Sitten sich so schwer mittheilen und von den Völkern so eigensinnig verschmäht werden. In Trieft haben bekanntlich alle dort cingewanderten Dentschen ihre Oefcn eingeführt, während die Italicner, die mit ihnen Haus an Haus wohnen, bloß ihre Braseros mitbrachten nnd in ihren Wohnungen, die sie ungeheizt lassen, entsetzlich frieren. — Anch von Betten und Bettstellen war bei unseren Morlachm natürlich keine Spur, wie sich denn überhaupt in der ganzen Morlachci außer bei den auf italienische Weise Lebenden gar keine Betten sindcn. Die Lente verkriechen sich des Nachts wie die Fledermäuse auf dem Stroh oder Heu — und selbst dieses ist nur sehr spärlich vorhanden — und in ihren Kleiderhaufen hinter ihren Flechtwerkwänden so gnt, als es gehen will. Die, welche auf italienische Weise leben, d. h. die Beamten, einige Wohlhabende Bürger in den Städten, die ,,?n88i6lmtl" (Gutsbesitzer), die Locandenbesitzer u. s. w., haben aber alle oas große, weitläufige und bequeme italienische Bette, Und ich glaube behanpten zu können, daß der Reisende selbst in der elendesten Locanda von Dalmatien, wenn er überhaupt nur eine Locanda und ein Bett findet, noch inimcr ein vernünftigeres uud besseres erhält als in Nlanchen Gegenden Deutschlands. Ich bekam auch in dicser Bauernwirthschast zum ersten Male die ursprüng- 224 Morlachische Lcitcr. Kirchen in Verlicca. liche Form einer morlachischen Leiter zu sehen. Dieselbe besteht aus zwei oben gabelförmig zusammengewachsenen langen Holzklötzen, auf welcke als Sprossen dicke Qner-stabe aufgenagelt sind. — Man sieht es diesen Leitern an, daß sie aus derselben Fabrik hervorgegangen sind, in welcher die vierkantigen Räder gemacht wurden. Wie gesagt, ich mußte mir es mehre Male wiederholen lassen, daß mau uns nicht zu ganz armen, sondern zu wohlhabenden Leutcu geführt hatte. Aber diese Reichen sind hier im Innern ihrer häuslichen Wirthschaft nur wenig lurnriöser eingerichtet und essen auch wenig besser als die Armen. An der Anzahl seiner Knechte und Ochsen, an der Beschaffenheit seiner Waffen und an dem Schmucke seiner Frau und seiner Töchter erkennt man den Reichen. In Verlicca findet sich für jede der drei in Dal-matien herrschenden Religionen eine Kirche, nämlich ein griechisches, ein katholisches und ein griechisch-unirtes Gotteshaus. Dieß letztere ist neu und auf katholische Anregung gebaut, und zw?.r, wie man mir sagte, zn dem Zwecke, um der sich mehrenden Iahl der Griechen einen Damm entgegenzusetzen und eine kleine unirte Gemeinde unter ihnen zu bilden. Habe ich recht verstanden, so hat der Uebergang eines griechischen Priesters zum Katholicismus dazn Veranlassung gegeben. Die Sache soll aber ziemlich mißglückt und die Kirche beinahe ganz ohne Gemeinde sein. Man erzählte mir später von mehren Seiten die Geschichte dieser ncugcstiftctcn Kirche. Allein obgleich diese Angelegenheit, als ein Beitrag zur Geschichte des fortgehenden Ringens der beiden Kirchen in diesem Lande, sehr interessant stin möchte, so nehme ich doch Anstand, sie wiederzuerzählen, Feindseligkeit der Katholiwi und Griechen. 225 Weil bei dieser Gelegenheit die Griechen höchst abschenlicher Thaten beschuldigt wurden, die man nicht gut anders, als nachdem sie vor Gericht gehörig ronstatirt sind, erzählen darf. Aufmerksam machen kann man aber immerhin anf die Dinge, die hier noch immer zwischen den beiden Kirchenparteicn vorgehen, und wer sich dazn hinlänglich eingeweiht und berufen fühlt, sollte sie anch wohl der Welt, die Interesse genug daran nehmen würde, Mittheilen. Es scheint fast, als hielten die beiden Parteien Alles gegen die Leute von der Gegenpartei für erlaubt. Daß die griechischen Montenegriner katholische Dörfer fast eben so begierig ausplündern wie türkische, und daß sie bei den griechischen sich weit mehr Gewissensskrupel unichen, erwähnte ich schon. Oft hörte ich behaupten, dasi die griechischen Priester für ein einem Katholiken zugefügtes Unrecht einen Sünder viel leichter absol-virten, als wenn er einen Griechen verletzte. Daß ein Katholik die Raublust der Montenegriner ihrer „griechischen Natnr" zuschrieb, bemerkte ich soeben. Ich ^zählte einmal einem katholischen Dalmatier einen Fall höchst eclatanter llngastlichkeit, den ich selbst bei '-'üiein griechischen Dalmatier erlebt hatte. Er war ganz '-'mpört, setzte aber am Ende hinzu: ,/lj<>«ll», oliu «i» ^l'<'oo" (ich begreife Alles, wenn Sie mir sagen, daß es ein Grieche war). — In einem versteckten Winkel Dalmattcns sah ich einmal eine Zeichnung, die ein junger, die Künste liebender katholischer Bürger in einem muffigen Augenblicke zu Papiere gebracht hatte. Sie stellte einen Galgen dar, und darunter war ein griechischer Priester Kühl, Nch'e in Da!,m,tie». !!. 15 22ß Feindseligkeit der Katholiken mid Griechen, gezeichnet. Wenn solche gelegentlich uns entschlüpfende Blätter unsere innersten Gedanken verrathen, so wirft diese Zeichnung ein sehr trauriges Licht auf die Gesinnung der beiden Neligionssecten gegen einander, über die aber, wie gesagt, ein dalmatischer Reisender Alles, was er gesehen und gehört hat, zu verrathen schwerlich sich aufgelegt fühlen möchte. Es ist mir hier überall nicht anders vorgekommen, als ob Katholiken und Griechen in einer beständigen Conspiration gegen einander lebten und als ob zwischen ihnen ein Haß und eine Verachtung glühe, wie zwischen Inden und Christeu. Wir Deutschen, selbst wenn wir Protestanten sind, stellen uns dabei, wie ich au mir selber bemerkt habe, mit unseren Sym-pathiecn weit mehr auf die Seite der Katholiken und Italiener, erstlich weil das Griechenthum, das die ganze slavische Halbinsel und dann Nnßland hinter sich hat, jeyt eine sehr drohende Stellung auuimmt, zweitens weil der italienische Katholicismus offenbar ein viel größeres Element der Cnltur in sich schließt, und drittens überhaupt aus Abneigung gegen den Panslavismus. Doch genug hiervon. Ich fragte in diesen Gegenden die Leute oft nach der Bedeutung und dem Gebrauche des vielfach von mir gehörteu und oben auch schon angeführten SM-namens ,,Nuäa1o." Sie gaben mir in der Negcl keine audere Desiuition, als: Bodolo heiße eiu Meusch, der weder ein rechter Italiener, noch ein rechter Slave sei- ursprüuglich so viel als „Tölpcl", „Dummfoftf", wovon auch das Wort: „Luc1olu8t.vva" (Dummheit, Tölpelhaftis/ „Bodoli." 227 keit) abgeleitet sei. Vielleicht hängt dieß mit dem slavischen (russischen) Worte ,.back,!j" zusammen, welches so viel bedeutet, als „mit den Hörnern stoßen." Der Ausdruck „Vodolitsch" soll aber auch in der Herzegowina und Bosnien gebräuchlich sein^). Doch fassen sie ihn dort noch in einem umfassenderen Sinne anf, indem sie, Wie bereits erwähnt, überhaupt alle Dalmatier, auch die Morlachen mit darunter begreifen. Natn ^ch mögen die Morlachen, unter denen schon feit vielen Jahren Italiener ^bcn und manche italienische Eitteu verbreitet sind, den Bosniern noch immer sehr italicnisirt vorkommen. Es ist Merkwürdig genug, daß diese Barbaren des Innern so eingebildet sind, daß sie das fremdartige italienische Element, welches sie an der Küste finden, geradezu als gehörnte Dummheit und Tölpelhaftigkeit betrachten. Es ist dieß fein geringer Beitrag -nv Geschichte des eingebildeten Hochmnths, von dem .ttle Nationen gegen einander be-!^'lt sind, indem sie fast immer nur das für gescheit und klug halten, was bei ihnen und ihren Vätern Sitte war und was sie verstehen und begreifen können. Ich mußte babei an die Montenegriner denken, welche behaupten, ^>e östreichischen Ingenieure verdürben ihre Bergwege, Wenn sie statt ihrer Chausseen bauen. Vielleicht nennen ^e Morlachen anch die Oestreicher ,,Ns»" so vicl bedcutc als „Hund", ^^ daß co mit dem deutschen „Pudrl" zufcnmnenhäügc. 15* 228 „Lanzniiui" ubev „Lazmann." ,,^nxman^ oder ,,!^/mnn^ für die Italiener. In diesem Ausdruck habe man, so sagte mir ein ragnsischer Freund, nicht da6 deutsche „Landsinann", sondern etwas von „La-tiums-Mann^ oder eine Corrumpirung v^n „Lateiner" zu erkennen. Nach Fortis heißt ein morlachisches Spruch-wort so: ,,I.imxmni,xv>!» vki» pa»8i<> viin^ (Lateinertrcue Hltndetreue), was ungefähr niit unseren Sprüchwörtern von der watschen Falschheit harmonirt. Italienisch Redende im Inneren, wenn sie vom Küstcnlande sprechen und dieses bloß schlechtweg geographisch bezeichnen wollen, nennen es dann „W M,rnm", z. B.: „^elw Nm'm« si äio<3^ (an der Meeresküste sagt man so und so). Solche Redensarten kamen mir oft im Innern vor. 12. Eine Macht unter Morlakken und der serbische Pobratimstwo. Der Abend in Verlicca war wunderschön, eine so himmlisch klare Mondscheinnacht, wie ich sie noch nicht glaubte erlebt zu haben. In Begleitung eines italienischen Beamten, der sich meiner annahm und mir noch manches Merkwürdige im Innern der Häuser der Leute zeigen wollte, streifte ich noch lange im Orte herum. Ich bemerkte, daß mein Begleiter bei jedem Hause (d. h. Stein-blockhaufen), wo wir eintreten wollten, zuerst in einiger Entfernung stille stand und daun den Besitzer des Hauses bei Namen rief. Ganz laut schrie er: ,M>run!" oder ,,spiral" oder wie die Leute nun eben hießen. „Bist Du zu Hause?" M»rlachische Vtikctte bci Veftichcn. 229 Vrummte aus dem Steinhaufen eine antwortende Stimme hervor, so wurde dann proclamirt: „Ich bin's! So und Soj Ein fremder Herr ist bei mir, und wir möchten gern herein zu Dir!" n. f. w. Kam ans ein dreimaliges Rufen keine Stimme, so gingen wir weiter. Bei uns treten die Leute, mich däucht, gewöhnlich gleich in's Haus ein, um nachzufragen, ob der Besitzer zu Hause ist. In der Morlachei geht dieß wobl uicht. Da verlangt u>an mehr Etikette. Wenn man so unangemeldet in die Wohnung treten wollte, so könnten die Leute erschrecken und M der Meinuug, man wolle sonst etwas, wohl gar zur Flinte greifen. Wenn wir nns vor ein solches Haus so hinstellten und Mareo! oder Spiro! riefen, so fielen mir unmer jene ..cluln-i Ijmli" ein, ine bei Blutracheangelegen-heiten, wie ich oben schilderte, anch so vor's Haus treten u»d erst nach dreimaligem Nufe zugelassen werdeu. Wir fanden aber die meisten Lcnte nicht zu Hause; >te waren überall im Felde bei der Arbeit. „In solchen schönen, warmen, stillen Nächten", sagte mein Begleiter, „Nehmen unsere Leute die Zeit wahr und arbeiten anch ln der Nacht, um die Ernte aus dem Felde zu schaffen, besonders wenn, wie es jetzt der Fall gewesen ist, !o viele Regentage vorangegangen sind und die Grnte-Nlbeiten verzögert haben." — Wir kehrten daher dem Drte den Rücken und traten in die Campagna hinaus, ^o sich uns ein sehr auffalleudes Schauspiel darbot. Aus dem ganzen weiten Thale leuchteten Feuer auf, Welche die Leute bei ihren Dreschtennen im Freien angezündet hatten, lieberall bewegten sich Gruppen großer Männer daueben herum, die mit dem slusdreschen oder vielmehr Ausprügelu des Getreides cben so beschäftigt 2I() Lärmende Cou^nsati!,'!! dcr Vlorldcht'n bei dcr Albcit. waren, wie ich dieß öden geschildert habe. Ein wahres Gesumse sprechender, singender und schreiender Männerstimmen hatte sich über die ganze Flur verbreitet, wie man so etwas Aehnliches nnr in slavischen Ländern vernimmt. Man hat die Bemerkung gemacht, daß die Deutschen bei ihrer Arbeit, in die sie sich vertiescn, gewöhnlich ganz still und stumm sind, und daß sie, wenn sie sprechen wollen, den Hammer oder das Grabe-schcit bei Seite legen nnd dann, ans ihr Werkzeug gestützt, eine gemüthliche Conversation beginnen, so lange diese dauert, aber das Geschäft unterbrechen. Dagegen hat man die Italiener als einen Gegensatz dazu ausgestellt und beobachtet, daß sie selbst während der fleißigsten Arbeit sich immerfort unterhalten, und daß ihr Meißel oder Griffel gleich geschickt lind gelänfig fortarbeitet, wie die Junge fortschwatzt. Die Slaven haben in dieser Beziehnng mehr von den Italienern, nnr ist ihre Conversation mehr ein Schreien und lärmen nnd zuweilen ein murmelnder Gesang. Mittmter fielen auch Pistolenschüsse dazwischen; denn olme diese geht weder eine Reise, noch eine Hochzeit, noch eine Arbeit bei den Morlachen ab. Wir besnchten mehre der interessanten Männergruppen, die überall sehr zahlreich waren, und bei deren jeder auf einem Holzklotz neben dem Fener ein Possidente oder ein Possidenten-Sohn saß, der mit seiner Pfeife im Mnnde die Leute beaufsichtigte und, wenn sie lässig waren, zur Arbeit antrieb. Ich vernahm hier zum ersten Male die eigentliche morlachische Singweise. Ich hatte noch nie von einer Nation gehört, die beim Singen keine anderen als tremnlircnde Töne, nichts als' Triller kennt. Hier fand ich eine solche. Wer die polnischen Juden und ihre vermuthlich uralten Kirchengesängc besonders in Gcilizien, Podolien und im südlichen Rußland gehört hat, der weiß zwar, daß auch sie besonders bei gewissen kirchlichen Klageliedern, wo der Affeet sehr hoch steigt, einen übermäßigen Gebrauch vom Tremulando machen, und ich habe, gehört, daß auch bei den Arabern und anderen orientalischen Völkern das Tremnliren und Trillern sehr gemein sein soll. In welchem Grade, das weiß ich nicht aus eigener Erfahrung; aber hier in der Mor-lachei bestchen alle Gesänge aus lauter ununterbrochenen Trillerketten. Bei den Montenegrinern habe ich dieß nicht gehört und auch uicht bei den Serben in Ungarn; ebenso ist es ausgemcicht, daß weder die Russen noch Polen so tremnliren. Es ist also vielleicht etwas den morlachischen Slaven Eigenes. Dieselben tremuliren nicht bloß etwa bei gewissen Liedern oder Gesängen, vielmehr wird Alles, was sie singen, mit bebender und zitternder Stimme vorgetragen. Ich habe nachher zuweilen wohl einen Morlachen für sich so ein Licdchen, Welches ihm gerade einfiel, leise hinmnrmeln hören. Auch dieses wnrdc dann immer tremnlirt; es ist, als wenn fie gar keinen einfachen geradlinigen oder kreisrunden Ton kennten. ES ist, als wenn Einer immer mit ge-schlängelten Zickzacklinien schreiben wollte, anstatt mit schön gezogenen geraden und geschweiften Strichen. Den Triller lassen, glanbe ich, unsere Componisten hauptsächlich da eintreten, wo eine Steigerung des Affects an^ gedeutet nnd ausgedrückt werden soll. Insbesondere dient er jedoch wohl zu heiterer und munterer Musik. Der morlachischen Musik aber giebt der Triller etwas äußerst Wildes und Melancholisches, was indeß ursprünglich 233 Das Ohrmzilhaltttl dcr inorlachischeu Sänger. wohl nur in der Tonart und in der Weise des Vortrags liegt, dnrch das beständig unruhige Tremnliren noch aber mehr hervortritt. Es ist, als wenn man das Murmeln des Flusses und das Flattern des Sturmes in Musik gesetzt hätte. Ich bat mit guten Worten und mit Beihilfe von „vinn nLi-o" einige morlachische Burschen, sie möchten mir doch eine Reihe ihrer Nationallieder vorsingen. Zweie ließen sich da;u herbei. Sie stellten sich dicht zusammen, und indem sie ihre Kopse ein wenig zu einander neigten, ließen sie ihre dumpfen bebenden Trauergesänge ertönen. Es fiel nur anf, daß sie sich dabei dasjenige Ohr mit der Hand zuhielten, welches ihrem Mitsänger abgeneigt war. Das diesem zugeneigte aber ließ ieder offen, der Eine das rechte, der Andere das linke. Znweilcn steckten sie sich statt des Fingers anch ein Pfeifenrohr in's Ohr. Ich habe später noch einige Morlachen singen hören, und auch diese standen paarweise und eben so sich zugewandt nnd mit verstopften äußeren Ohren. Ich weiß nicht, ob sie sich die Ohren deßwegen zuhalten, um nicht durch äußeres Geräusch gestört zu werdeu und mit ihrem Mitsanger in besserer Verbindung zu bleiben. Dasselbe thun auch die steierischen Alpensängerinnen, insbesondere wenn sie laut jodeln und jauchzen. Ob aber dieß Ohrverstopfcn einen Einfluß auf die Tonbildmlg hat, ob es den Gesang erleichtern mag, weiß ich auch nicht. Kaum hatten meine Morlachen den Mund aufgethan, so hörte ich anch schon ganz dentlich den Signor „Marco Kraljewitsch" in ihren Versen siguriren. Es ist etwas Wunderbares mit diesem Marco Kraljewitsch der Marco Kraljcwitsch, Hcrc'ulcs und Roland. 233 serbischen Stämme. Sein Andenken ist bei ihnen noch heutiges Tages überall so lebendig, daß so zu sagen Thal und Hain von feinem Lobe erschallt. Und doch ist er eine beinahe rein mythische Person! Die serbische Nation hat diesem Herrn gar nichts zu verdanken; ja, wenn man genau nachsieht, wer Marco Kraljewitsch, dem die Serben alles Edel- und Heldenmüthige aufbürden, in der Wirklichkeit war, so findet sich in der Geschichte, daß n einem türkischen Kaiser diente und vermuthlich nicht für, sondern gegen die Christen tausend Un- uud Heldenthaten verrichtete. Und eben diesen haben nun die Serben allen ihren anderen Helden vorgezogen und zu ihrem Hercules oder Roland gemacht. Wenn ich bedenke, wie ans der griechisch-slavischen Halbinsel sich das Mittelalterliche mit dem Antiken so hausig mischt, und wenn ich dazu des nach dem serbischen Ragusa verpflanzten Rolands mich erinnere, so wird es mir beinahe wahrscheinlich, daß die Hcreules- und Rolands-wythe sich wirklich mit der Kraljewitsch-Sagc vermischt habe. Es wird mir wahrscheinlich, daß manche der zwölf oder vierzig Arbeiten des Hercnlcs noch heutiges Tages dem Mareo Kraljewitsch beigelegt werden und daß auch manches Rolandlicd auf ihn übertragen worden ist. ^'s käme dabei allerdings ans eine kritisch-historische Untersuchung an. Wie Roland, verrichtete auch Marco Kral-lewitsch uicht nur Heldenthaten im Kriege; er wirkte auch, wie Roland, vielfach auf die Natur und Gestaltung des Landes ein. Roland spaltete nach der ^scaischen Sage die Pyrenäen an mehren Stellen mit seinem Säbel und grub Fclsenthäler aus. Dasselbe wird ""on Marco Kraljcwitsch in Bosnien bei mehren Gebirgs- IZ4 Marco Kraljewitsch, HerenleS und Roland. cinschnitien erzählt. Es giebt auch irgendwo in diesen Gegenden, ich habe vergessen wo, einige Felsen, die man ^,3!<ü!vN8olm" (die Sprünge des Kraljewitsch) mimt. Wie groß der Respect ist, dcn die Morlachcn noch heutiges Tages vor ihrem Marco Kraljewitsch haben, davon erlangte ich später einen kleinen Beweis in Zara, Hier befindet sich ein berühmtes Museum römi^ schec Antiquitäten im Besitze eines Privatmannes, der auf dem inneren Hofe seines Gebäudes unter anderen Alterthümern anch die colossale Etatue eines römischen Kaisers aufgestellt hat. Man erzählte mir dort, daß die morlachischen Bauern, wenn sie ans dem Gebirge zur Stadt kämen, oft Einlaß ;u diesem Gehöfte begehrten und sich dann jene Kaiserstatuc, die allerdings sehr her-cnlisch aussieht, hcrvorsnchten, einander zeigten und sich erzählten, das sei ihr „Marco Kvaljcwitsch", indem sie dabei sich ehrerbietig bekreuzigten und der Statue ihren „Potlon" (Verbeugung) machten, wie einem Heiligenbildes. Ob nicht am Ende ihrer Meinung nach Marco Kral-jewitsch auch einmal das römische Neich beherrscht hat? Ucbrigens ist es merkwürdig, wie nicht bloß in dem ihm zugeschriebenen Charakter, sondern auch darin die oben *) In einem italienischen Gedicht wird Marco als ein Reiter mit zwei Schlangen in den Händen, uon denen er eine als Zügel, die zweite als Sporen gebraucht, geschildert: ,,Marco do' Re sul suo dossier cavalca Una vipera in m;in per brifjlia tionc L'altra di spron gli sorvc" Das ,/1c>' Ns" (des Königs) ist eine Ucl'crsetznng von Kräljewitsch (Königssohn). Marco Kraljewitsch, Hcrculcs und Roland. 235 genannten Herren übcreinstinnnen, daß sie alle drei nicht etwa die größten und glänzendsten Könige des Volkes, das sie besingt, waren, sondern vielmehr ihre Heldenthaten nnr als Sklaven oder Diener anderer großer Herren verrichteten. Hereuleö war Knecht des Königs Enrysthens, Roland ein Paladin Carl's des Großen, Mareo Kraliewitsch ein General eines türkischen Snltans. Es scheint, das Volk liebt es, seine Helden auf seine Weise zu wählen und sie der Geschichte zuin Trotz groß zn machen. Es war dieß, wie gesagt, eine der wundervollsten Nächte, welche ich in der Morlachei erlebt habe. Das Singen, Lärmen, Dreschen und Pistolenschießen dauerte bis znm frühesten Morgen. Und da wir dieß eigenthümliche Bild min einmal im schönsten Mondenscheine und bei dem herrlichsten Sterngeflimmer vor uus haben, und dabei uusere beiden von der Nnsstcht ans >inn ncro begeisterten Sänger uuerschövflich sind im Hervorbringen neuer Tremolando-Gesänge, mein Possidente aber, der niir seine beiden Arbeiter für einige Zeit überlassen hat, ruhig neben mir anf der Bank sitzt und das Feuer schürt, so scheint mir hier einc passende Gelegenheit, Meinem Leser etwas von einer sehr schönen und poetischen Sitte der Morlachen zn erzählen, die es mich schon längst bängte ihm mitMheilen. Ich habe nämlich die mor-lachische ,,l'cil>i-utim8wo" (Frenndschaft durch Verbrüderung) im Sinne. Es ist dem aufmerksamen Kenner der deutschen Literatur die Eristcnz dieser Sitte zwar lchon von mehren Seiten her bekannt, aber ich habe doch un Lande selbst noch einige besondere Erkundigungen darüber eingezogen und will versuchen, diese hier zusammenzustellen. Außerdem aber verweilt der Menschenfreund 236 Die Verbrüderung bei den Scythen bei einer so wunderhübsch»,'!! Sitte einer scheinbar rechen Nation auch ohne Neberdruß gern noch ein Mal, selbst wenn er schon gehörig darüber unterrichtet sein sollte, was übrigens keineswegs bei allen Lesern der Fall sein möchte. Schon Jean Panl erwähnt irgendwo, daß die Morlachen eine voin Priester geweihte Freundschaft anf Leben und Tod unter sich zn schließen pflegen. Vermuthlich hatte er davon in dem Werke des Fortis, eines venetianischcn Reisenden und Schilderer Dalmatiens ans dem vorigen Jahrhunderte, gelesen. Fortis giebt über diese bewundernswürdige Sitte ziemlich genügende Nachrichten. Dann redet der französische Beschreiber DalmatienS, Cassas, davon, und endlich hat die liebenswürdige Uebcrsehcrin der serbischen Volkslieder (Talvi) dem dentschen Publikum Einiges darüber mitgetheilt. Die Sitte, sich einen Busenfreund zn wählen und durch heilige Eidschwüre und Ceremonieen mit ihm zu verbinden, scheint bei verschiedenen Völkern, namentlich auch bei denen, welche die Alten nnter dem Namen „Scythen" begriffen, uralt zn sein. Die Art und Weise sowohl, als auch der Zweck dieser Verbrüderung, wie die Alten sie beschrieben, sind noch heutiges Tages so ziemlich dieselben. Wenn es bei ihnen heißt, daß es nichts gabs, worauf sich ein Scythe mehr einbilde, als wenn er etwas Schweres mit einem Freunde auszuführen und gefährliche Abenteuer mit ihm zn bestehen, Gelegenheit bekomme, so gilt dieß noch heutiges Tages, uud ich habe selbst schon oben bei der Schildcrnng der Montenegriner und der Bocchesen einige solche von zwei Frennden aufgesuchte uud bestandene Abenteuer zu erzählen versucht. — Wenn und l'l'j den Morlachl'ii. ')Z^ es ferner heißt, daß sie den Vund der Freundschaft mit dem heiligsten der Schwüre beschworen und daß sie dabei ihrc Dolche in einen Becher tauchten, in welchen sie einige Tropfen ihres Blntes hatten laufen lassen, so besteht auch dieß der Hauptsache nach noch heutiges TageS bei den Morlachcn, welche ebenfalls eine feierliche Vethenrung, daß sie mit einander leben nnd für einander sterben wollen, und zwar vor den Priestern in der Kirche ablegen, dabei auch ihrc Waffen mit vor den Nl-tar bringen und dieselben weihen lassen. Nur das Blutvergießen und Bluteintauchen fehlt jetzt. Wenn es ferner bei den Alten heißt, daß die Scythen keine größere Schande kannten, als die, für Ver^ rather in der beschworenen Freundschaft gehalten zu werben, so trifft auch dieses ebenfalls noch heutiges TageS völlig bei den Morlacheu zu, bei denen ein solcher Verrath änßerst selten statthat und wenn er eintritt, für die größte Schande nicht nur, sondern auch für eine Landes-Calamität gehalten wird, indem sie glauben, daß, wenn irgendwo zwei „polnvuimi" sich untreu werden, dieß ein Unglück oder eine Strafe des Himmels für die Gegend oder das Dorf, in welchem sich dieß zutrage, vorbedente. Gewöhnlich findet ein solcher Freuudschaftsbund bloß zwischen Mannein statt, und es ist dann hauptsächlich "Nr ein Waffcnbund, welcher „I'udi-ulim^vv«" (Verbrüderung) genannt wird. Die Freunde selbst heißen ,,1'udi'.-,. lllni" (Singular „?at)l">liin" vom Verbum „podl-ulih'", d- h. verbinden, welches selbst von „d^,t,", d. h. Bruder, Und „pl>", d. h. au, vor, zusammengesetzt ist). Aber auch die Mädchen schließen unter einander 238 „Posestnmstwo". einen ähnlichen Bund, der dann allerdings, insofern die Waffen dabei ans dem Sfticle bleiben, eine andere Bedeutung hat. Dieser Mädchenbund heißt .,po8o^lini8tvvc)" (Verschwesternng), nnd die Freundinnen selbst werden „l'o-868li'ilni^ (Verschwestcrte) genannt. Endlich scheint es, daß sogar anch die Idee des allerzartcstcn nnd poetischesten aller Freundschaftsverhältnisse und Seelenbündnisse bei den Morlachen zur Wirklichkeit gekommen ist, nämlich eine Freundschaft und Verbindung zwischen Mann und Weib ohne Veimischnng sinnlicher Leidenschaft und ohne die Zwecke der Cbe. C's werden wenigstens zuweilen in der serbischen Geschichte Prinzen nnd Helden genannt, welche sich mit Frauen verschwistert ;u baben scheinen, mit denen sie nnr gleichsam in einem Platonischen Liebesverhältnisse gestanden zu haben scheinen, einem Verhältmß', das bei allen Völkern so hoch gepriesen ist, nnd wodnrch Laura nnd Petrarca, Aboard und Heloise unter den Menschen so berühmt geworden sind. — In der That, man reibt sich nnwillkürlich die Augen, wenn man diese Dinge hört und dabei diese Morlachcn vor sich sieht, und begreift es kaum, wie so vanhe Leute auf so feine Gedanken kamen. Die Wahl eines Frenndes wird meistens dnrch die gegenseitige Sympathie bestimmt, die zwei Menschen für einander empfinden, oft dnrch den Zufall, der sie zusammenführte und sie vielleicht eine gememsamc Heldenthat ausführen, ein gemeinsames Glück genießen ließ, zuweilen aber anch dnrch das Interesse, indem einer den Schnh und die Freundschaft eines Einflußreichen dadurch zu gewiunen sucht, oder indem zwei wichtige Verbrndeningen auS Intcrcss,,'. 239 Familien dmch die Vermittelung solcher Bande sich gegenseitig noch mehr zu stärken suchen. Das Interesse soll, so hat man mir gesagt, bei diesen Verbindungen mitunter eine eben so grosie Rolle spielen, wie bei den Ehebündnissen, und es soll dabei der Nntzen, die Ebenbürtigkeit, der Reichthum :c. eben so besprochen werden, wie bei einem Ehecontract. Manches ist eine gute Frenndschafts-Partie, Manches nicht. Auch sollen solche Freundschaftsbündnisse in der Regel nicht zwischen den Einwohnern desselben Dorfes und desselben Thales, fondern zwischen entfernt Wohnenden geschlossen werden. Schon vor 50 Jahren meinte der französische Reisende Cassas, daß in Folge der Einnistung italienischer Sitten nnter den Morlachen und in Folge des eingcrisse-Ne« Gebrauchs berauschender Getränke die Sitte des „l'o!)i'Mim8Nvo" — welch barbarisches Wort! aber welch schönes Ding! — oci diesem Volke außer Gebranch gekommen sei. Allein so etwas, was schon zn des Plato und Sokrates Zeiten bestand, kommt nicht so laicht „anßer Gebranch". Ließen doch die Illyrier alle bie verschiedenen Sittenverderbnisse und Unterjochungen, "le römische, die byzantinische, die türkische, über sich hin 3ehen, ohne jene uralte Gewohnheit abzulegen. Da Werden sie wohl auch noch die venetianische Fremdherr-ichaft überstanden und ans dem Schiffbruche jene schöne ^dee gerettet haben und sie für kommende Geschlechter bewahren. Ich habe zwar selbst nicht das Glück gehabt, Wie der Reisende Fortis, einer Einsegnung zweier Freunde twr dem Altare beizuwohnen. Aber man hat mir doch überall so viel von den morlachischen „podl'^imi" erzählt, "nd ich fand alle Welt so gnt davon unterrichtet, daß 240 UMcr Nnf Bnllccas, ich glauben muß, daß die Idee noch heutiges Tages sehr lebendig und geläufig untrr den Leuten ist. Es ist auch sehr wahrscheinlich, daß die beständigen Tscheten, welcke die Montenegriner, die Pastrovichianer, die Kriwoschia-ner und die anderen kleinen Stämme an der Bocea, dann die oft empörten Unterthanen der Türken in Bosnien, Serbien und der Herzegowina, so wie auch zu Zeiten die serbischen Unterthanen Oestreichs gegen die Türken unternehmen, Unternehmungen, bei welchen solche Verbrüderungen ganz in der Natur der Verhältnisse liegen, auf der einen Seite eben so viel dazu beitragen, die besagte Sitte aufrecht zu erhalten, als ihr auf der anderen das Eindringen italienischer und anderer fremdländischer Sitten Abbruch gethan haben mag. Uebrigens will ich nicht verhehlen, daß es etwas die Poesie einer solchen schönen Nacht, wie ich ihrer hier im Mittelftnnkte der Morlachei genoß, und die Freude an solchen Betrachtungen, wie die über das mor-lachische Pobratimstwo stört, wenn man dabei wieder hören muß, daß dieß Verlicca als ein wahres Schelmen-und Banditennest verrnftn ist, und daß die ^cute gerade hier uoch schlimmer sein sollen als anderswo. Aber leider hat der, welcher sich mit den Menschen, nnd insbesondere mit den morlachischcn Menschen beschäftigt, immer mit vielen Widersprüchen zu thun, die er nur schwer lösen kann. In diesen Morlachcn steckt so viel wunderherrliche Anlage, und doch ist so wenig zur Reife gebracht, so viel ächtes Gold und dabei so viel oft unbegreifliche Schlacke. ,,0m>3w uu^ro Um-luc^u", sagte mir einmal ein Dalmatier, „n una p lltt da liegt. Auch nach Südwestcn hin, wo die Kerka hinausgeht, ist die Gegend nicht ganz offen. Der Fluß bricht hjrr iu einem zum Tbeil ziemlich engen Thale durch Felsmasseu. Es ist jedenfalls die weite Nmgegend von Knin m "^graphischer und geologischer Hinsicht eine der mcrk-würdigstcn in ganz Dalmaticn. Es ist hier ein geologisches Entwickelungscentrum, Es hat daselbst ein Zusammenstoß der die Erdoberfläche gestaltenden Kräfte stattgefunden. Gegen diesen Punkt hin endet, wie gesagt, von ^vldwesten her der Zug des Veleditsch. Von hier läuft ^ eigmtliche Hauptftamm der dinarischen Alpenkette "ach Südostcn ans. Auch theilt sick von dieser Gegend 256 Orographische Bedeutung der Umgegend von Knin. aus cm anderer Gebirgszweig ad, der nach Osten fortläuft und das Innere von Bosnien mit Höhen erfüllt. Wie ein Knotenpunkt der Gebirge, so ist hier auch ein Ausgangspunkt der Gewässer und Thäler. In der Nähe dieses Punktes entspringt die Cetiuna, in dem langen von uns beschriebenen Thale längs der dinari-scheu Alpen nach Südosten laufend. Eben so entspringt hier in der Nähe die Zcrmagna, die deu südlichsten Fuß des Velebitsch umgeht und längs seiner Mauer naä) Nordwesten sich hcrumwendet. Zwischen beiden hindurch, Dalmatien quer durchschneidend, strömt die Kerka. Von allen den vier oft genannten Hauptflüssen Dalmatiens: Zcrmagna, Kerka, Cetinna und Narcnta, sind also drei, die auf dieseu Erdfleck als ihrcu Ausgangspunkt him weisen. Gabelförmig spaltet sich bei Knin das Thal der Kerka in die beiden Thäler der Buttimschizza und des Kerkitsch, uud die Euveu dieser Thäler vereinigen sich auf der Höhe des Gebirgskammcs mit anderen von Osten her ihnen entgegenkommenden Thälern und bilden mit ihnen in diesem Rücken Einschnitte und Engpässe, welche ber Verkehr seit uralten Zeiten zu Passagen be-nutzt hat. Doch geht die Hauptpassage au der Buttimschizza, dereu Thal und Paß bequemer ist als die des Kerkitsch, hinauf nach dem kleinen Gränzorte Grab. In der Mitte nun aller dieser Flußradien, dieser divergirenden Thalcanäle und Pässe und jener Gcbirgs-linien liegt die Festung Knin, dadurch auch in militärischer oder historischer Hinsicht ein sehr merkwürdiger und wichtiger Punkt, ein Haupleckstem, eine Vormauer DalmatienS gegen Bosnieu, und wiederum, Das dalmatische Troja. 257 Wenn es itt den Händen der östlichen Landesfeillde war, cm Schlüssel und Thor, durch welches die Wege zum Küstenlande eröffnet wurden. Die Türken und Vene-tianer haben das ganze siebzehnte Jahrhundert hindurch um diesen Flecken gestritten und ihn sich wechselsweise aus den Klauen gerissen, bis ihn der General Cornaro endlich jm Jahre 1688 abermals mit Sturm nahm, Worauf denn seit dem Carlowitzischen Friedcnsschlust der Drt wie die ganze Umgegend den Venetianern verblieb. ^ Aber auch in den urältesten Zeiten mußte hier iu Folge der vorbezcichneten geoguostischen und orographi-scheu Verhältnisse ein beständiger Schauplatz historischer Entwickelungen und Kämpfe sein, und die Geschichtschreiber habeil daher mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit Alles, wns die Römer von der berühmten dalmatischen Stadt ^(Wdü berichten, auf Knin bezogen. Selbst der Name Knin erscheint, verschiedentlich gemodelt, schon bei den Alten, die daraus bald ein Ninü,, bald ein Iwinimn "der lonon machen. — Anch für alle Zukunft, welche blr Menschheit hier noch haben mag, wird Knin seinen ^ang ;md seine Bedeutung behaupten. Wir rückten in dieses dalmatische Troja ein, als bort eben ein Markt abgehalten wnrde, und der Ort da-hcr voll von Morlachcn aus der Umgegend war. Die Geschäfte waren schon ziemlich abgethan, und da es Mittag war, so hatten sich die lärmeuden Gruppen der Männer mn die Garküchen versammelt, ans denen Dampf Und Nanch, mit ciuem sehr appetitlichen Gerüche von Hammelbraten und mit den tremulireuden Gesängen der Zechenden Leute vermischt, hervordrangen. Die Wirthe und ihre Knechte schleppten ganze gebratene Hammel Kohl, Reift in Dalm.nic», 1>. l < 258 Morlachisches Hammelbraten. o.us den Häusern hervor und zerhackten sie vor der Thür in Kochstücke, von denen sich dann jeder der Gäste seinen Theil dahinnahm. Wir waren neugierig, die Manipulation des Bratens näher in Augenschein zn nehmen, und traten daher in eine der Garküchen, wo die Leute sich eben anschickten, wieder einen Hammel ans Fcner zu bringen. Sie hatten dazu einen hölzernen Bratspieß, der etwa so lang nnd dick war, wie der sogenannte „Henbanm," den unsere Bauern ans ihre Getreidelad> ungen binden. Vorn ist dieser colossale Bratspieß etwas angespitzt, und am dicken Ende haben sie einige Rudimente von Zweigen wie an einem Quirl stehen lassen, die cils Handhaben beim Drehen dienen. Diesen Pflock treiben sie mm dem Hammel-Leichnam dnrch den Leib bis zum Maule hinaus. Weil der Spieß so dick ist, sitzt das Thier wie ein Handschuh auf cinem Finger recht fest darauf und muß alle Wendungen des Pflocks, ohne abzurutschen, mitmachen. Den Bauch füllen sie mit Salz und einigem Kräntergewnrz auS und stopfen ihn dann, damit der kräftige Dunst darin bleibt, mit den abgeschnittenen Beinen des Thieres zu. Sie machen nämlich Löcher in die Bauchhaut und stecken die Beine kreuzweise durch, so daß das Gauze wie zugenäht ist. Dieß gehl Alles änßerst schnell von Statten, uud wir mußten die Gewandtheit der morlachischen Köche oder Schlächter in allen ihren Verrichtungen bewundern. Dann ergreifen zwei Kerle rasch den so gespießten Hammel nnd schleppen ihn im Trabe zwei Treppen hoch hinanf in die Dachkammer, indem sie dabei Alles uicderrennen, was ihnen in den Weg kommt. Hier in der Dachkammer ist die Küchen unter dml Dachc. 259 Küche und der Heerd, d. h. auf einem mit Lehm aus-geschlagencn und mit Steinen umstellten Platze ein großes Feuer, zu dessen Seiten sie nun den Braten Wenden. Ich mag bei dieser Gelegenheit bemerken, daß in üanz Dalmaticn sich die Küchen aller Häuser oben unter dem Dache befinden, wahrend sonst in anderen Landern diese Hausabthetlung gerade überall so viel als möglich parterre verlegt wird. Auch in den dalmatischen Städten sind die Küchen überall auf dem Boden. Wir hatten dasselbe schon in ssattaro, Sebenico u. s. w. ge-slchen. Man hat mir zwei verschiedene Gründe für diese wunderliche Sitte der „Vodoli" angegeben. Einige sag-len, die Dalmatier hätten eine gewisse Schen vor der Küche nnd versteckten dieselbe so viel als möglich, entweder um den Leuten den unappetitlichen Anblick der dortigen Zubereitnngen zu entziehen, oder nm sie keine blicke in diese innersten Geheimnisse des Hauses thun öu lassen. Andere meinten, es komme dieß daher, weil die Morlachen und Dalmatier keine Schornsteine und Kaminzüge zu bauen verständen, und weil sie den Nauch bequemer oben aus deu Löchern des Daches hinausziehen lassen könnten. Wir waren in Knin einem reichen griechischen Kanf-Mann empfohlen, und da dieser nicht zu Hause war, so "ahm uns statt seiner die Hausfrau recht freundlich auf, bewirthete uns mit schwarzem Kaffee, dem gewöhnlichen dalmatischen Imbisi, dcn man bei Visiten, eben so wie in der Türkei, vorfetzt, und sie hatte die Güte, uns die ganze Einrichtuug ihres Hauses, ihre Geschäftslocale 17» 260 Gifersucht der Morlachcn auf ihr Nationalcostüm, nicht nur, sondern auch die Schätze ilner Gardrobe zu zeige«. Ich bemerke dieß — nämlich, daß die Hausfrau sich in der Abwesenheit ihres Mannes verpflichtet hält, die Honneurs des Hanfes zu machen, — wieder mit Fleiß, damit man nicht zu übertriebene Vorstellungen von der Abhängigkeit der Frauen bei den Völkern der slavisch-griechischen Halbinsel hege. Ich dachte an Penelope, die ja anch in Abwesenheit des Odysscns die Honneurs des Hauses macht, obwohl bei den Griechen die Fran sonst ziemlich eben so abgeschlossen war, wie bei den serbischen Stämmen noch heute. Nnsere gefällige Wirthin zeigte uns alle Theile ihrer reichen Toilette nnd ihre Prachtkleiver, mit goldenen Borden besetzte Sammetröcke, große silberne und goldene Knöpfe von zierlich durchbrochener Arbeit, goldene Filigrankreuze und andere Dinge. Solche Toiletteugegenständc zu beschauen verlohnt sich in Dalmatien der Muhe, weil das Costnm hier noch eine hohe nationale Bedentnng hat. Ich zeigte schon oben einmal an einem Beispiel, daß manche dab inatische Nationaleostnme wett in die Vorzeit hinaufgehen, daß an viele Hnt- oder Mützenformen sich historische Eriunernngru kuüvfen, und daß man an gewissen Besätzen, Stickereien oder Rockschnitten die Herkunft und Heimath der Menschen erkennen kann. Ich sagte, daß die Bocchesen nie anders als in ihrem Nationaleostüm an der Boeca erscheinen dürfen. Bei den Morlachen ist es auch nicht anders. Nie eifersüchtig sie auf ihr Costtun halten, zeigt das merkwürdige Sprüchwort, welches sie „Scandarini." 261 haben: „daß der, welcher, wer die Kleidung seiner Väter wechselt, mich seine Religion wechsrlt." — (5s ist also nicht nnr etwas Historisches, sondern anch etwas Religiöses in diesen Costümen*). Obwohl Knin mitten zwischen Gebirgen steckt, die einen großen Theil des Jahres mit Schnee bedeckt sind, obwohl hier daher keineswegs mehr das Klima und die Vegetation des Küstenlandes herrschen, und obwohl das Haus, in dem wir uns befanden, wie gesagt, ein sehr wohlhabendes war, so fanden wir doch keine Spur von ^efen oder Heizapparaten darin, außer gewissen kupfernen Becken, die sie, wenn es sehr kalt ist, mit Kohlen füllen Und zum Wärmen der Hände und Füße von einem Ammer ins andere herumtragen. Diese Kohlenbecken Nehmen sie dann anch bei ihren Visiten von Haus zu Haus mit, ja sogar mit in die Kirche. Ein solches Becken !)eißt im dalmatischen Italienisch: „8<: die Einbrnchsstation für diese türkischell Waaren. Zu Mittag waren wir bei dem gefälligen Offizier, der anf der Citadelle von Kinn commandirte, eingeladen, ^s ist bis oben anf die Spitze eine Wandernng von beinahe einer Stunde. Ein ziemlich guter Neg, für Fuhrwerk und Kanonen passirbar, führt hinauf. Aufter ^kn Festungsfelsen von Cattaro nnd Ragnsa ist wohl keine andere Festnng in Dalmatien so schön gelegen. Wir überschauten von der Spitze herab das ganze Amphitheater und Gebirgsdecken, das ich oben beschrieb. Insbesondere fesselte unsere Aufmerksamkeit hier das ^hal der Bnttimschizza nach Grab hinauf nnd der Anblick des Monte Dinara, so wie seines Nachbars, des Gnjat oder Gnat. Der Dinara stellte sich in seiner ganzen wüsten Größe mit allen seinen tansendfach zerklüfteten Gipfeln dar. In seinen kahlen, todten Felsen-Mälern ist es kaum den wilden Thieren gehener und heimlich. Doch horsten Adler anf seinen unzugänglichen spitzen in ungestörter Nnhe. Wir fanden anf unserer Citadelle einen dieser dinarischen Adler, den der Coin-Mandant eingefangen und gezähmt hcitte. Der Gnat lag für uns hinter dem Dinara versteckt, ^r soll aber noch höher oder wenigstens häufiger als dieser mit Schnee bedeckt sein. „61ml" soll im Ilchrischen so viel als Schenkel bedeuten, nnd diesen Namen soll der Berg dem Umstände verdanken, dast er eben der Haupt-knotenpuukt ist, von dem die dinarische Alpenkette und ber Gcbirgszng, welcher nach Bosnien weitergeht, ans-zweigen. An versteckten und unzugänglichen Stellen dieser Berge 264 Heimlicher Tabacksbau. längs der türkischen Gränze sollen die Morlachen nicht selten kleine Felder mit Taback bepflanzen, den sie dort in den Einöden groß ziehen, um ihn den Blicken der östreichischen Tabacks-Monoftols-Wächter zn entziehen. Dasselbe sollen sie anch auf einigen einsam liegenden Inseln oder Scoglien der Küste thun. Wo er gepflanzt wird, gedeiht hier der Taback überall vortrefflich, und es ist wirklich schade, daß das östreichische Monopol so schwer auf dieser Pflanze lastet, die hier ein schönes Mittel des Erwerbs werden könnte. Der heimlich und in den besagten Verstecken gebaute Taback kann natürlich so ausgezeichnet nicht werden, weil man ihm nicht alle nöthige Pflege angedeihen lassen kann. Die benachbarten Türken, die durch ein solches Monopol nicht genirt sind, erzeugen vortreffliche Waare und schmuggeln sie trotz Gränzwache nnd Douane, wie ich oben zeigte, aller Orten ein. Wegen der übermäßig langgestreckten Gränze Dal-matiens kann dieser Schmuggel kaum verhindert werden, und alle Welt drückt auch ein Ange dabei zu. Das Tabacksmonopol trägt daher in Dalmaticn dem Staate vermnthlich außerordentlich wenig oder gar nichts ein, kostet aber viel Geld für die Gränzbewachnng und befördert durch daS Verbot des Anbans das Ausströmen schöner Summen in die Fremde. Dalmatiens geographische Gestaltung und Lage ist so absonderlich und so ganz anders als die aller übrigen Länder der östreichischen Monarchie, daß es anch eigenthümlich behandelt werden müßte, und daß es bei völlig durchgeführter „Gleichberechtigung" und „Gleichvnpflichtung" nur verlieren kann. Das Thal der Vnttimschizza nach Grab und zur türkischen Gränze hinauf lag als ein recht anmuthiger Eiserne GebirgSringe. 265 Winkel vor uns, gut bewässert und hübsch begrünt. Man machte nns ein wundervolles Bild von dein Grünen, Blühen und Duften der tausend Pflanzen und Blumen m diesem Thale während der Frühjahrszeit. Auch hier tanchte mir wieder die Sage von einem großen eisernen Ringe ans, die ich schon in verschiedenen Gegenden der Gebirge, die um das adriatische Meer herumliegen, gehört hatte. Man theilte mir darüber Folgend's mit: Oberhalb Grab finde sich eine große Höhle in ben Bergen des Passes, und oberhalb dieser Höhle sei kW mächtiger eiserner Ning in dem Felsen eingeschlagen, ^lls Volk umher kenne diesen Ning anch sehr wohl und fable davon, daß Noah hier bei Grab gestraudet sei uud seine Arche befestigt habe. Auch im Isouzothale hat man mir von einem eben lachen großen eisernen Ringe erzählt, der eben so wie "er von Grab anf dem Rücken des Seltengebirges dieses Thales in dem Felsengeklüft befestigt sei und seit uralten feiten zur Bezeichnung der Gränze zwischen den Besitzungen im Isonzothale und denen im benachbarten micuil diene. Nachher habe ich noch von einigen anderen solchen fingen in den dalmatischen Gebirgen Achnliches gehört, ^nch hat mir ein Freund und ein großer Kenner und Geschichtsforscher Istriens, mit dem ich darüber sprach, ^'tgetheilt, daß er auch in Istrien solche Ringe ent-^kckt nnd daß er einige Spuren davon habe, daß sich )le nnd da zwei Ringe an zwei gegenüberstehenden Felsen efundcn hätten. Und hiernach, so wie anch nach dem U'nstande, daß sich die Ringe gewöhnlich bei Passagen auf Gränzgebirgen befinden, war er geneigt, zu 2t)ß Mfernc Gebirgsnnge. schließen, daß fie zur Befestigung von Brücken gedient hätten. Er meinte dann, dap ein früheres diese Gebirge bewohnendes Volk die Sitte gehabt habe, von Ring zu Ring Stricke zu ziehcn und an diesen einen Korb oder ein bewegliches Brückeugestell zu befestigen, mit Hilfe dessen man sich über den Abgrund oder die Kluft hinüberschwmgen fonutc, auf ähnliche Weise, wie dieß in mauchen uucultivirten Landern, die an Brücken-Ingenieuren arm sind, noch heutiges Tages geschieht. Diese Meinnng wird einigermaßen auch durch das, was wir noch heutiges Tages iu deu Schweizeralpen sehen, unterstützt. Iu ihnen sind bekanntlich an sehr schwierigen Bergpassagen eiserne Ringe in die Felsen befestigt, durch welche Stricke gezogen sind, die znm Anhalten dienen. Anch hat man bis auf unsere Zeit herab, nämlich bis die Gotthardsstraße gebaut wurde, noch die eisernen Ringe sehen können, die in der berühmten Schlncht, der Schöllenen, welche von Uri nach Urseren nnd zum Gotthardspasse hinaufführt, in den Felsen eingelassen waren, und an welchen mittelst eiserner Ketten ein aus Baumstämmen coinponirtes Gerüste herabhing, über das der Saumweg hinwegging. Auffallend ist es mir, daß das Volk der Morlachen und überhaupt die Bewohner der dinarischen, istrischen und jnlischen Gebirge jetzt den Zweck und Gebrauch dieser Ringe ganz vergessen haben, und daß sie dabei von Noah und der Sündflnth fabeln und znweileu auch sagen, das adriatische Meer sei einstmals so weit ssegangen, und die Schiffer hätten ihre Schiffe daran befestigt. Ungchmdhoit bcr Festung Knin. 267 Der Beschreibung nach müssen jene Ringe von ^'deutender Größe sein, was übrigens auch daraus ^'vorgeht, daß sie der Witterung und den: Roste so lange widerstehen konnten. -— Eben so scheint es mir auffallend, daß sie sich meistens an hohen Gränzgebirgen finden und noch jetzt zum Theil als Gränzmälcr dienen. Ma» könnte denken, daß frühere Völker sie schon gleich "ls solche an den Felsen geschmiedet hätten. Doch ist ks auch möglich, daß sie als ausfallende und an einen Punkt ^fesselte Kunstgegmständc erst später dazn benutzt wurden. Die Festung Knin ist als eine sehr ungesunde Sta-tton verrufen, und im Frühling soll hier fast immer die Hälfte der Mannschaft krank sein. Das erste Jahr hindurch fiebern die Leute beständig, dann gewöhnen lte sich wohl an den Ort. Wir fanden hier kroatische Mannschaft ans der benachbarten ^ieea, große, schöne "nd stämmige Leute. Man sagte mir aber, daß gerade "ese nm häufigstcu den einheimischen Krankheiten erlägen, vermuthlich weil sie zu fahrlässig und achtlos sind. Deutsche Soldaten, welche hierherkämen, würden doch Mlt der Zeit klüger, und wenn sie auch anfangs kränkelten, >" nähmen sie sich doch nachher besser in Acht uud wüßten sich vor Rückfällen zu hüten. Man schreibt die Ungesundheit der Gegend verschie-^ueu Ursachen zn, insbesondere dein feuchten und sumpften Terrain umher, auö dem in der Hitze des Sommers 'lch schädliche Dünste entwickeln. Mit dieser dumpfen ^itze im Thale contrastirt die Kälte auf der der Vom lUld den Gebirgswindcn ausgesetzten Höhe. Im Winter, ^'ttn die Bora weht, wird oft der ganze Festungsbcrg 2t)8 'Die Sümpfe und Uebersckwemimmgn, v»n Knin. mit Eis überglast, so daß die Soldaten, welche hier auf- und abzusteigen haben, dann eiserne Steigeisen „fassen" müssen. Ich erwähnte oben anch schon bei dem Festungsfelsen von Elissa der Bora und der Winterphänomene. Wenn man so mitten zwischen glühende Felsen, heiße Dünste, Bora, Eis und drückende Sonnenhitze geworfen ist, so begreift sich's, daß man nicht sehr gesnnd bleiben kann. Die eingeborenen Morlachen aber haben eine Bärennatur und sehen überall gesund nnd stark wie Fich-tenstännue alls. — Sind sie krank, so nchinen sie glühende Steine in's Bett und verschlncken eine Portion Branntwein, den sie nut Pfeffer und Schießpulver würzen, ganz il ln 1 Das Thal von Kinn nach Dcnns. 27 l Douanene und Gränzlinic, welche eine Menge seiner natürlichen Lebensadern durchschneidet. Fielen die Oranz-U'auern auf beiden Seiten weg und würde der bosnische Keil auf der einen Seite mit dem übrigen ihm verschwi-sterten Save-Lande und auf der anderen mit Dalmatien, bas eigentlich nnr einen Theil von ihm bildet, verbundn, so würde dann nicht nur Bosniens Geschick selbst ^ch schöner gestalten und eS seine Hülssmittel reich-^cher entwickeln können, sondern auch Dalmatien sich besser dabei stehen. Zu der Römer Zeiten waren Istrien und Dalmatien am blühendsten, voll zahlreicher und nicht unbedeutender Städte, und dieß war gewiß zum Theil k'ne Folge der Verbindung dieser zusammengehörigen Lan-ber, die, so zu sagen, einen einzigen LcbcnS-Organismus vllden. — Wie kann ein Baum gedeihen, wenn man du Wurzel von der Krone trennt? — Es ist sehr wahrscheinlich, daß, wenn es zur Theilung des verfallenen llukischen Reichs kommt, Oestreich Vosuieu davon tragen Wlrd. Es ist dieß eine der wichtigsten Arrondirungen, selche das sonst ziemlich gnt abgerundete östreichische Staaten-Conglomerat noch machen kann. Das weite Thal, dnrch welches der Weg von Knin nach Dernis führt, ist eins der schönsten in ganz Dal-watien. Gin Herr in Dernis, der uns im Voraus eine schr warme Schilderung dieses Thales gemacht hatte, ^bte dann hinzu: „O, Sie werden sehen, cs ist da beinahe so wie in Deutschland." —In der That fanden ^'r in dieser Aeußerung viel Wahres. Der Boden des shales war weit und breit grün. Es gab Wiesen und ^ug gestreckte Fluren, m Dalmatien eine wahre Rarität, ^uch waren die Baume nicht so sparsam wie gewöhnlich 272 StcmflVhlcnbcrgwcvk am Promina. gesäet. Gs gab ordentliche Gruppen davon, und wir kamen zuletzt an ein Gewässer, längs dessen die Weiden, das Wasser trinkend, fast eben so zahlreich standen, wie an den Flüssen, die bei Jena und Weimar fließen. Auch gab es zu Zeiten Häuser an der Straße und Dörfer in der Landschaft verstreut. Und gegen Abend gelaugten wir sogar in eine Gegend, wo ein Bergwerk in deu be-uachbartcn Höhen eröffnet war. Es war das bekannte Steinkohlenbergwerk am Promina, so viel ich weiß, das einzige seiner Art, und überhaupt das einzige ordentliche Bergwerk in ganz Dalmatien. Wir sahen die Häuser, die zu diesem Bergwerke gehören, zur Seite uuseres Weges liegen, uud auf dem Wege selbst begegneten wir großen deutschen Kohlenwagen mit cisenbeschla-genen Rädern, von eiserueu Ketten klirrend, uud mit starken Pferden bespannt. Dieß war Alles für Dalmatien etwas Ungewöhnliches und Unerhörtes. Es heimelte uns an. Der Promina ist ein mächtiger, völlig isolirt dastehender Berg, der in vielen wilden Felsterrassen im Norden nach Knin, im Süden nach Dcrnis hiuabfällt. Im Fuße hat er wenigstens 25 Miglien im Umfange. Wir fuhren vier Stuuden lang an seiuen untersten Wurzeln im Thale hin. Vr ist auf der ciueu Seite von der Kerka, auf der anderen von der Cicola, einem Nebenflusse der Kerka, beinahe rings umflossen. Sein Name ist berühmt und viel genannt in ganz Dalmatien. Auf den kahlen Felsspitzen seiner Außcnwcrke sahen wir mehre malerische Ruinen, die Trümmer eiuer Burg Promina und die cineS Castells Petrovaz. Auch soll es weiter oben in den Felseneinöden noch Spureu eincr Dalmatischer Sonnennntcrgang. 273 sogenannten „Mauer des Augustus" (oder einer alten Wmerstadt) gelx-n. Endlich, wie gesagt, birgt der Promina auch noch Kohlenschätze. Diese letzteren wurden zwar schon im vorigen Jahrhunderte noch uutcr den Venetiaueru entdeckt, aber erst uuser nach Feuermate-Nal so begieriges Jahrhundert hat diese Schätze zu be-uutzeil begonnen. Das mächtige Capital der Nothschilds, die das Kohlcnwerk am Promina acquirirt haben, hat "uch iu dieseu Wilduisseu ein Reis gepflanzt, das aber, ^ie mau mir sagte, nicht eben starke Blüthen und Früchte treibt. Der Kohlenreichthum soll zwar bedeutend sein, die Besitzer sollen sich aber nicht genugsam für die-ses entlegene Besitzthum iuteresstren. — Leider konnten ^ir nicht selbst an Ort und Stelle gelangen. Dafür wnrden wir aber durch eiu audereS wundervolles Schauspiel, durch einen dalmatischen Sonnenunter-Ü^ng entschädigt. Nnd wer Dalmatien bloß zu einem suchen Augenblicke gesehen hätte, der würde sagen, es ski ein zandcnsches Land. Wenn am azurnen Himmel slch der Sonnenwagen hiuabncigt, danu verändern die alten grauen Felsenrisse und die Millionen Kliffe und backen, die am Tage so todt uud grau daliegeu, ihre Farbe, ihre Form uud, wie es scheint, auch ihr Wesen ^llig. Es begiunt an ihren Spitzen eiu Farbeufpiel sich W entzünden, das an Zartheit der Töne nnd Manch-faltigkeit der Äluancen auf (5'rden seines Gleichen sucht. Zuerst, wenn die Sonne noch nicht völlig hiuab ist, sängt das Grau der Felsen an sich zu vergolden, es glüht ^Nt Ende im schönsten Goldgelb, das allmälig in Roth "bergeht, und zwar in ein Roth, so zart, so schmeich-lerisch und lieblich für das Auge, wie es kanm auf die K"hl. Nch'c in Dalm.Hu'«. N, 18 274 Dalmatischer Souiu'nuntergang. Matter der Nose hingehaucht ist. Es ist, als wollte sich das ganze alte graue Felsland verjüngen. Du bist ringsumher wie von einem dnftenden und flimmernden Rosengarten umgeben. Leider dauert die schöne Täuschung nicht lange. Das Noch beginnt zu dunkeln; doch auch dann noch wird rings um dich her eine lange Scala der wundervollsten und feinsten Tinten, vom zartesten Noth zum zartesten Lilla, vom Lilla zum Bräunlichen und zum endlichen Verschwebeu im graulichen Nebel der Nacht durchgespielt. Es war mir jedesmal sehr schmerzlich, wenn ich auf unserer kleinen Ncise in Dalmatien den Moment des Sonnenuntergangs, weil ich vielleicht gerade sonst irgendwo beschäftigt war, verpaßt hatte. Aber hier bei Dernis hatte ich thu nun recht gepackt und sah dem Schauspiele von Anfang bis zu Ende zu. Die Gegend war uoch immer weit, das Thal grünlich, und die von der Abendsonne geküßten Felsen standeil anfangs wie glühende Vulkane in diesem weiten grünen Gefilde. Da eine Reihe von Gebirgen sich hinter der anderen bis in bedeutender Ferne erhob, so waren die Uebergänge vom reinen hellen Carmoisinroth zum sanften Lilla, zum Bläulichen und Bräunlichen gleichzeitig außerordentlich manchfaltig, und iu eiuigen Augenblicken, in denen das ganze Phänomen gerade am prachtvollsten dastand, schien es mir, als ob Iris ihren Gürtel abgelegt und vom Himmel auf die Erde geworfen habe, uns ringsumher mit einem gewaltigen Iauberbande zu umschlingen. Man begreift cs kaum, wie solche alte graue Felsenwände einer solchen Gluth und Flamme fähig sein können und »vie deu mensche lichen Geist eine bloße Farbcnscala, ohne weitere Form Die Morlachcn zur Zeit der Weinlese. 275 und Vedcutung, so lieblich zn täuschen und zu entzücken vermag. Die Felsen selber haben wohl wenig Verdienst dabei. Es ist der schöne klare dalmatische Himmel, der diese Farben so rein, so ungemischt hinauswirft; aber allerdings hilft doch wohl etwas gerade die Blöße und Kahlheit dieser Felsen. Wären sie mehr mit Busch und Nald bestanden, so würden dunklere und grünere Schat-tlrungen in das Noth hineingebracht werden, die der Zartheit der Tinten, so wie sie sich jetzt zeigen, schaden würden. Bei dem Erlöschen des letzten Lillaschimmers über der Landschaft kamen wir in Dernis an, wo wir alle Kantinen und Weinkeller des Ortes offen und die Leute Mit dem Ans- uud Einfüllen, sowie dem Anfspeichern 'hres dnnklen Tranbenmostes beschäftigt fanden. Hier im Innern ist die Weinlese natürlich etwas später als an dn Küste, uud wir bekamen daher hier das Alles wieder zn sehen, was wir schon einmal an der Küste durchgemacht hatten. Da alle Bewohner vollauf zu thun und auch vollauf zn leben und zn trinken hatten, so konnten wir nicht gleich Leute finden, die uns bei der Lösung derjenigen Fragen, die sich dem Reisenden bei der Ankunft in jeder morlachischcn Stadt als schwere Räthsel aufdringen, nämlich der Fragen nach Wohnung und Nahrung, behilflich sein wollten. „Ja, ja! mein Herr," sag-te mir ein Italicner, der sich unserer endlich freundlich annahm, „zu dieser Zeit der Weinlese, da ist unser Morlache ein gar stolzer Mann. Wenn der schwarze ^ein aus seinen Ziegenschläuchen rinnt, uud wenn er eut paar Zwanziger dafür empfangen hat, dann schießt 18* 276 Die Verlachen zur Zcit der Weinernte, es ihm in die Glieder, wic der Saft im Frühling in die Bäume. Er spielt dann eine Zeit lang den großen Herrn, sein Rücken wird ganz steif, nnd wenn Eie ihn um diese Zeit um einen kleinen Dienst bitten und ihm einen Zwanziger dafür bieten, so steht er dafür nicht einmal auf. Er schüttelt den Kopf und antwortet vielleicht sogar nicht, wenn nicht etwa dieß: „Herr, thue es lieber selbst/' — Wenn die Zeit der Weinernte gekommen ist, so geht er in die Stadt und verkanft für sechs Zwanziger etwa einen Schlauch oder zwei davon. Mit diesen sechs Zwanzigern kehrt er nnn in sein Dorf zurück, legt sich auf die Bärenhaut und lebt und zecht so lange, bis das Geld alle ist. Es ist ganz umsonst, daß du ihn in dieser Zeit zn einem Geschäfte oder Handel aufforderst, er ist unzugänglich für alle Vorschläge. Er hat ja Geld im Sack und noch Wein im Keller. Ist das Geld alle, so schirrt er sein Manlthier an, bringt ein paar Schläuche zm Stadt, um sie zu verkaufen, und legt sich dann wieder auf seine Bärenhaut. Er würde, glanbe ich, immer daraus liegen, hätte sein Faß einen stets „rinnenden Zapfen", wie jenes Kloster in Oestreich. Erst wenn der Rest ansgetrunken oder ausverkauft ist, schaut er wieder nach, ob er nicht irgendwo etwas Arbeit erhalten kann. Und kommt dann der Febrnar oder März, wo anßer Wachholderbeeren nirgendwo mehr etwas zn beißen und zn brechen ist, !» kannst dn denselben stolzen Mann, der im Herbste deinen silbernen Zwanziger nicht annehmen wollte, auf der Etrape wiederfinden, wo er mit kläglich wimmernder Stimme fleht: „Ich bitte, ich bitte gar schön, einen Kreuzer, mein gnädiger Herr!"" „Quanlo piglio, tanto mazza." 277 „Quanto piglin, tanto innzzau (so viel er erraffen kann, so viel ißt er auch auf), sagte nur ein Italiener von den Morlachcn. -Ja, das ist wahr, setzte ein Andrer hinzu: ,,8i a lül^i Noiini, mnngin lliooi^ (hat er zehn Gulden, so ißt er anch zehn Gulden aus). Daher War die alte Besteuerungsweise des Zehnten für dieses Volk so passend und bequem, die Abgaben wurden gleich anf dem Felde in n«wi'i> genommen, und dann Waren sie ihrer Schuld quitt.— Jetzt soll der Morlachc erst seine Waare verkaufen, das Geld sammeln und zu einem gewissen Termine das Steuerqnanwm in baarcr Münze ^'zahlen. Dazu müßte er das Geld Monate lang zusammenhalten. Das ist ihm unmöglich; daher die vielen Verpfandungen ihrer Waffen und anderer Habscligfeitcn, der Etcuerrückstände wegen. — Viele verwerfen daher ganz die neue Weise der Besteueruug und wünschen für das Volk den Zehnten zurück. Aber sollten eben nicht ">e Leute bei der neuen Weise, wo sie zu sparen ge-zwungen sind, dieses doch am Ende lernen können? So weit unser Italiener, der übrigens bei seiner "nvortheilhaften Schilderung des in der Fülle der Weinlese lebenden Morlachen wohl noch eine Bemerkung darüber hätte machen können, dasi dieser selbe arbeitsscheue "^orlache dann, wenn er selber genug hat, sehr großmüthigen Gefühlen zugänglich ist, gern Anderen mit-lheilt und dann trotz einem Araber gastfreundlich sich zeigt. Wir mackten darüber in Dernis selbst eine sehr lülnende Erfahrung, wenn anch nicht gerade bei einem l'ünrischcn Morlachcn, doch bei einem Sohne des Landes Dalmatien, der die Sitte dieses Landes übte. Nachdem 278 Kaffee, nichts als Kaffee. wir in Derm's nämlich endlich ein Dach Nlld Fach gcfnndc», kam das zweite Räthsel der dalmatischen Sphinr, die wichtige Frage nämlich, wie wir .unseren Hunger stillen sollten. Wir hatten dießmal unvorsichtigerwcise nichts anf-gekanft nnd mitgenommen; wir wanderten daher anf's Kaffeehaus des Orts, wo wir dem Wirthe allerlei Propo-sitionen machten, um ihn zn verniögen, uns außer der Tasse Kaffee noch irgend etwas Genießbares zu verschaffen. Wir unterhielten uns mit ihm über weichgekochte Eier, über einen Pfannenkuchen, über eine Wurst, über rohen Schinken, über geräucherte oder gesottene Fische, über Butteibrot und Käse und was uns dergleichen mehr einfiel; aber je mehr Dinge wir nannten, desto mehr lachte unser Wirth uns aus. „Er hätte von dem Allen gar nichts. Ob wir denn glaubten, daß sein Hans ein Pfannkuchenberg oder eine Marzipanhütte wäre. Sein Hans wäre weiter nichts als ein Kaffeehaus, und Kaffee, Kaffee, Kaffee könnten wir haben, so viel wir wollten, aber sonst nichts. Ja, allenfalls anch !.jm,anale, wir uns beim hellsten Sonnenscheine wieder auf den Weg, um bei Zeiten Searoona und seine berühmten Wasserfälle zn erreichen. Znvor zeigten nns indeß einige gefällige östreichische Ingenicure eine kleine Merkwürdigkeit, die ich erwähnen will, weil sie für die Beschaffenheit der dalmatischen Kalkgebirge charakteristisch ist. Bei dem Ban eines Entwässernngs-Canales, den man jetzt in der Nähe von Dernis längs der Cicola gräbt, mn durch ihn gewisje sumpfige Distritte trocken zn legen, war nämlich Folgendes vorgekommen: Beim Sprengen in dem Felsenbettc dieses Canales hatte sich ein Loch in dem Fclsboden geöffnet, das unbedeutend schien, und das man daher keiner weiteren Untersuchung würdigte. Ms aber, nachdem der Canal beinahe vollendet, die Gewässer der Clcola in dieses Bett hineingelassen wurden, flössen diese zwar bis zu dem besagter Weise entstandenen Loche, stürzten sich dann aber plötzlich in dasselbe hinein und verschwanden, darin abwärts fließend, mehre Tage lang. Später nach der Regenzeit kamen zwar so viele Gewässer, daß das Loch nicht alle verschlucken konnte, nnd auch jetzt, wo wir es sahen, ging der größte Theil von ihnen darüber weg, aber nichtsdestoweniger zog sich ein kleiner Theil von ihnen in das Loch abwärts, das noch immer nicht gesättigt war, obwohl die Cuola min schon seit langen Wochen darüber hinfloß. Wahrscheinlich hatte man hier eine der großen Höhlen geöffnet, von denen dieß Gebirge voll ist, und vielleicht stand dieser Höhlengang unterirdisch wieder nnt anderen Gewässern in Verbindung. Hätte man das Das Loch im Clculciwnale. 387 Loch noch weiter geöffnet und nicht wieder verstopfen können, so hätte man vielleicht riskirt, den ganzen Canal-Ann hier völlig zn verlieren. Das abrauschende Gewässer bewegte sich sehr sonderbar. In wirbelnden Kreisen zog es in daS Loch hinab und lärmte nnd brüllte dabei in Tönen, die wir schon von Weitem vernahmen. Dann verlor sich das Kreisen und Rauschen für einige Augenblicke, nnd die Oberfläche bes Flusses wurde ganz glatt. Plötzlich aber kräuselte ks sich wieder, wirbelte, zog Kreise, es bildete sich ein ^och, nnd schlürfend und zischend zog es hinab, als wenn b" unten ein Nnthier läge, das zu Zeiten einen Schluck ll)äte und dann wieder pausirte. — Dieser kleine Vor->"ll zeigt recht deutlich, in wie hohem Grade in jenen Bergen Alles untcrminirt ist. An nnd für sich, glaube li«u" und einer „l-ivion»" oder ,,p<»rlo ^li ^i-cla,^" Wir fuhren zuerst zu der „i-ivit^l" und "pun« lii !^denklüfle und Wasserarme mit alten und neuen kleinen Vnlkencompositioncn überbrückt. — Die Mühlen selbst fanden wir alle voll, übervoll mit Menschen, die als sufternumerärc Müllerknechte, oder als Kunden der Müh-^ hier ans' und eingingen, oder bei den fleißig schnürenden Mühlsteinen herum lagen. Ich weiß nicht genau ä" s"gen, warum hier unter den Morlachen immer die v'elen Menschen und Menschenarme bei jeder Arbeit so "ölhig sind. Auch jedes der kleinen Schiffe im Hafen yatte eine Bemannung, die man bei uns wohl für eine ^ligg hinreichend gehalten hätte. ^ Bei einer Mühle, die etwa in der Mitte der ganzm ^'lscnhöhe lag, führten sie uns über Felsen und auf allerlei kleinen krummen Wegen zu dem Haupttanale der 296 Morlachische Nalkmaschiin'rie. Kerka und stellten uns auf einen Steinblock, wo, wie sie sagten, der ausgezeichnetste Punkt der ganzen Cascade wäre. Wir sahen hier in einer schön geschwungenen Linie die frisch brausenden Gewässer von Fels zu Fels hinabschießen. Der Canal mochte eine Breite von vierzig Ellen haben. Nuf allen Felsen zur Seite schwankten Bäume und Büsche, von dem Winde, den das Nasser erregte, lieblich bewegt. Es war wieder der klarste Sonnenschein, und nach unten blickend, sahen wir im Schaume mehr< fache Stückchen vom Gürtel der Iris erscheinen nnd verschwinden. Weiter aufwärts schloß man uns eine Thür auf, durch welche zwei Felsen untereinander verbunden und barrikadirt waren. Wir traten in eine große wnnder-lich gestaltete Felsenkammer, in welcher ebenfalls Wasserstrahlen Herabschossen und in der wir ein kleines Walk-mühlenetablissemcnt fanden. In diesen Walkmühlen -" „^ollmo^o" nennen sie die italienischen Dalmaticr -^ deren es mehre in den Verstecken der Kerka-Cascade giebt, lernte ich ein neues sonderbares Specimen der Maschinenproducte von morlachischer Erfindung kennen. Es wäre der Mühe werth, daß man sie im Ganzen sowohl, als in ihren Theilen zu Papier bräcble. Ich will es versuchen, einige der hiesigen Einrichtungen zu schildern. Man kann es als einen Beitrag zur Kunde und Geschichte der Culturbeschassenheit dieser Völker betrachten. Zwischen den Felsenritzen des Bodens waren einige mächtige, mit dem Beil behaueue Baumstämme schräg eingeklemmt. Diese dienten dazu, die colossalen Walkhammer daran zu befestigen. Ein g/" waltiger Holzblock saß an einem dicken Knüppel, der Murlachische Walkmaschineric. 29? oben an der Spitze jener Stützbalken so befestigt war, daß er sich in seinen: Charniere auf- nnd abbewegen konnte. Das zn walkende dicke Tnch war nnten in die Ecken der Balken gepackt, so daß der Hammer, wenn er niederfiel, gerade ans den Ballen schlagen mußte. Der Hammerstiel ging ganz dnrch den dicken Kopf hindurch, und sein Ende gnckte auf der anderen Seite hervor. Unter diesem Ende lag eine horizontale Welle, die an ihren beiden Enden in den Felsen die Unterlage oder das Loch fand, in dem sie sich drehte. Dnrch die Welle Waren mehre Keile oder Pflöcke durchgetrieben, die beim Umdrehen einer nach dem anderen die Verlängerung des Hammerstiels drückten und so den ganzen Hammer emporhoben, der wieder niederfiel, wenn der Pflock pas-sirt war. Die Welle ihrerseits wnrde auf folgende Weise in Bewegung gesetzt. In der steilen und ziemlich glatten Felsenwand hatte man ein Paar tiefe Rillen oder Canüle ausgekratzt, in denen das Wasser von oben her beinahe senkrecht herabschoß, mit einer Napidität wie Fener oder wie Kanonenkugeln. An der Welle, dem prinium mo-V6N8 der ganzen Maschinerie, waren dicke kleine Breter "«gelassen, anf die der Wasserstrahl niederschlug, und da seiner Gewalt nichts widerstehen kann, so müssen b'e Brtter weichen, die Welle sich drehen, die Häm-'"er sich hchen und so dem Ganzen Lebcn geben. Ich kann nicht sagen, welchen eigenthümlichen mor-lachischen Eindruck diese kleine unbehilfliche Maschine, buse plnmpen auf- und niederwackelnden Hammer, diese ""geschickte Mühlwelle, diese als Wände, als Basamentc, "ls Canalboden und Rillen n. s. w. benutzten Felsen 298 Kolossalc iTuMmblöcke. auf mich machten. -^ Eine jener pfeilschnellen Wasseradern schoß auch iu ein großes weites Felsenloch, in welchem ein Faß zum Waschen des Tuches stand. Das Tuch bestand aus fingerdicken Geweben, die von dem Wasserstrahl in eine so heftig kreisende Bewegung verseht waren, daß ich, als ich versuchte, sie zu fassen und aufzuhalten, bald mit hin-eingerissen worden wäre. Ja! wenn mau solche Wasserstrahlen zn seiner Disposition hat, da kann man wohl waschen, walken und Maschinen bauen. Von der Walkmühle aus gingen wir ganz auf die Höbe der Felsenbank btnauf, was bis zu dem Punkte, wo die Gewässer gauz ruhig werden, und wo man deu Fluß in einer spiegelglatteu, seeartigen Weitung erblickt, noch etwa eine Viertelstunde Felseuwegs ist. Auch hier oben liegen wieder Mühlen, Auf einigen Sei-tenstnfen des ganzen Unterwegs fanden wir eine Menge colossaler Felsblöcke von Tuffstein, die am AbHange oft in sehr malerischen Gruppen durchciuauder geworfen sind. Sie wurden vermuthlich bei sehr hohem Wasserstaude von der Bank, auf der sie sich gebildet haben, getrennt, losgerissen und dann an solchen Stellen depo-nirt. An mauchen dieser Felsen sahen wir sehr deutlich die Schichtung des aus dem Wasser niedergeschlagenen Gebildes. Einige schienen aus lauter Eteintüchern, so zu sagen, wie zusammengeballt. — Hie uud da waren ihnen anch Steinzapfen angesetzt, wie kleine Tropfsteine in den Stalaktytenhöhlen. — Wir gingen aufwärts bis zu einem Punkte, wo man wieder ein gntes Stück der oberen Kerka übersehen kaun. Es bildet sich hier dicht vor dem Wasserfall wirklich ein kleiner See. Der Fluß war mit einer Menge flacher Inseln angefüllt, die noch „ttc^i,^p." „8!i!'uclin5lovi>" heißt so viel als die Flut!) "der Welle. Ob „8lUn8ki" mit dem illyrischeu Verbum "^Mil^" d. h. abkürzen, etwas zu thun hat, und das ^anzc also etwa so viel heißt, wie die abgekürzte Fluch, wld ob nicht so die Stadt Scardoua vom Wasserfall lyreu Nameu erhalten hat, das weist ich nicht. — ""<^i»li,>)," has auch ,,tt<,!!<^!i!p" geschriebeit wird, kommt wohl entweder vom illyrischcn „rnmi^," d. h. herab-^>Nncn,^ oder von ,,l-«»i^," d. h. thauen oder sprühen, )kr, ^i^ „Noneislap" hieße demnach so viel als die Muende odcr herabrinnende Fluth. — Die slavischen 300 Die Schiffe im Hafm. Namen von Flüssen, Bergen und anderen Natnrgegen-ständen sind immer sehr bezeichnend, nnd vermuthlich verdankt anch diesen Wasserfallen die ganze Kerka ihren illyrischen Namen; denn derselbe hängt wahrscheinlich mit illyvischen Worten zusammen, welche so viel als „biegen", „brechen" bedeuten, nnd man kann Kerka wahrscheinlich mit „gebrochener Fluß" übersetzen. Gebrochen nämlich dnrch Wasserfalle, sowie dnrch scharfe Winkel und Krümmungen. Um auf die andere Seite des Skradinski-Slap zu gelangen, ninßten wir denselben Weg wieder zurück-machen, zu nnserem kleinen Hafen an: Fuße der Cascade, uns hier einschiffen nnd zu den gegenüberliegenden Felsenver-stecke» fahren lassen. Zu unserer Ueberraschung entdeckten wir hier „l,1I:» p<»,lo
  • i'" könnte hier wohl die wahre Lebensader zur Hebung ber dalmatischen Industrie gefunden sein. Ein Schriftsteller über Dalmatien hat die sonderbare Hypothese aufgestellt, daß die KertaMassn fälle stch erst U! neuerer Ieit gebildet hätten. Er meint nämlich, daß "e verschiedenen Riffe, auf denen die Cascaden der ^erka hcrabkommen, nur als Verstopfungen des Fluß-^ltes zu betrachteu seien, die der Flnst durch seine Tnff-steinbttdnng sich selber geschaffen habe. Zuerst, sagt er, Men Felsen von den Seitmwänden herabgefallen. Auf 'esc hätte das Wasser seine Tuffsteine abgesetzt und im- 304 Entstehung der Krrkacascaden. mer mehr aufgehäuft, bis die Riffe, ähnlich wie Korallenbänke, zu der jetzigen Höhe aufgewachsen seien. Weil er diese Niffe als noch fortwahrend im Wachsen begriffen betrachtet, so schreibt er diesem Umstände auch die Versumpfung der Gegend bei Knin zu und will sie wie die Cisbänke, die sich in unseren Flüssen bilden, um den oberen Gegenden Lnft zu verschaffen, wegsprengen, — Aus vielen Gründen, die ich nicht aus-" zuführen brauche, ist es übrigens viel. wahrscheinlicher, daß den besagten Katarakten ursprüngliche Felsenabstufungen des ganzen Terrains, die weit in's Land hineinreichen, nnd auf deuen sie seit vorsündfluthlichen Zeiten herabranschen, zum Grund liegen. Uebrigens mögen, wie gesagt, durch den Tnffstein diese Stnfen hie und da itt etwas erhöht worden sein, und eine theilweise Beseitignng derselben möchte allerdings sebr vortheilhaft auf die Rc-gulirung des Flnßlanfs einwirken. Als wir wieder zurückschifften, hielten wir noch einmal in einiger Entfernung von dem wundervollen Na-turschansviele, das wir soeben in seinen Details bewundert hatten, an, um einen Totaleindruck mitzn-nehmen. Ich kann diesen Totaleindruck nicht besser bezeichnen, als wenn ich sage, daß es uus schien, als hätten wir eine colossale Gartenterrasse vor uns, die ein Gärtner mitten in einer Wüstenei ausstellte, bei der er auf Ml Stufe eine hübsche Baumanlage machte, und wo er zu jeder derselben einen kleinen sonnigen, blinkenden, schäumenden, perlenden Wasserstrahl führte. In des Franzosen Cassas bekanntem Werke befindet sich cine sehr trene Ansicht dcs Ganzen sowohl als eines Theils desselben. Auch habe ich bei dem Maler Alt in Wien Darstell- Unsicherheit der Kerkamühlen. 305 nngen sowohl der „gebrochenen Welle" als der „thauenden Fluth", ich meine des Skardinski-Slaft und des Noncis Elap gesehen. Ein Nlaler, der das Detail stu-diren wollte, könnte, wie ans dem Vorigen hervorgeht, e>n ganzes Album voll hübscher nnd sehr mannigfaltiger Skizzen hicr an der Kerka sammeln. Uebrigens wäre ks ihni, wenn er sick etwa zu dieses Zwecke länger unter den hiesigen Müllern ansiedeln wollte, anch zu empfehlen, vorsichtig zu sein. In Bezng auf Sicherheit stehen diese Mühlen und Wasserfälle, wie es scheint, nicht eben im beßten Nnfe. Man hat nns gesagt, es sei schon hie und da ein Passagier hierher gekommen, der nachher wie Goethe's Fischer „nicht mehr gesehen ward." — Die Leichtigkeit, hier einen Menschen in aller Stille in einen ber brausenden Wasserarme zu versenken und sich dann seiner Sachen zu bemächtigen, soll zn groß sein, als daß kin habelustiges morlachisches Menschenkind der Verführung stets widerstehen könnte. — Wie gesagt, ich selbst Weiß nicht, was Wahres daran ist, aber es ist mir mehrfach davon erzählt worden, wie man denn überhaupt kaum eiu schönes Naturversteck iu der Morlachei findet, v"n dem es nicht gleich muukelt, dort sei es nicht geheuer. — Eiu gewisseuhafter Schriftsteller, wenn er mit seinen Schilderungen einer Gegend die Künstler gleichsam "ufzuforderu scheiut, sie zu besucheu, hat doch auch die ^sticht, dieselben auf die Schlangeu aufmerksam zu macheu, die sie im Gebüsch finden könnten. Als wir durch den Felsencanal, durch den wir her-lUlgekonnnen, zurückkehrten, kam eine liebliche frische Brise Von der Marina her darin hcranf, und diese brachte so-sleich wieder mehre kleine Segel heran, die an uns eins K«HI, Meise anz sumpfig und überschwemmt gewesen sein,' „/ilßruHo", — Aussicht von, CastMerg. 309 und dieses alte Scardona selbst soll auf der Westseite des besagten Berges gelegen haben. Auch jetzt noch giebt es daselbst Häuser, nämlich eine Art Vorstadt oder Nr-menqnartier der heutigen Stadt, ,,/^l'" (buchstäblich: „hinter der Stadt"), im Italienischen „Nm^o" genannt, ^ Ich besuchte dieses „Iagradje". Es ist ein erschrecklicher Nuincnhaufen, aber von lauter neueren türkischen und mor-lachischen Trümmern. Keine Spur mehr von den Römern, von ihren Sänlenknäufen, Bogen und Tempeln. „Man sollte hier eigentlich wieder nicht gehen", Munkelt es, „weil es lner nicht gehener wäre". Doch bestieg ich noch den besagten Castellberg, der die beiden Städtebauplätze scheidet. Das ist ein Springen von einem Block ans den anderen, nm da hinauf zu kommen. Oben steht freilich nichts mehr aufrecht als ciu Stück einer alten Mauer. Allein die Aussicht auf den Wasserspiegel der Kerka, ans die von Lichtern flimmernde Stadt, auf die Thäler uud Felsenwüsten umher, die alle im klarsten Mondschein, mithin sehr deutlich vor mir lagen, war höchst interessant. Da meine Blicke hier auf der Höhe zum letzten ^tale auf diesem ost genannten Fluß, den ich nun bei seiner Quelle sowohl als bei seiner Münduug gesehen hatte, ruhten, so will ich hier etwas über seine historische Bedeutung, die für Dalmatien nicht gering ist, bei-bn'ngen, so weit ich diese Bedeutung gefaßt habe. Die Kerka, die, wie gesagt, am Fuste der hohen ^ränzmauer des Diuara entspringt und von Anfang her eine bedeutende Quantität Wasser mit sich führt, bildet euren Canal, der von Nordwesten nach Südwesten qner durch das Land geht und senkrecht auf der Küste des 319 Historische Bedeutung der Kcrfa. adriatischen Meeres steht. Er macht einen natürlichen und sehr inarkirten Einschnitt in das Land, und es war daher auch leicht begreiflich, daß man ihn znr Bestimmung der Gränzen der Nnterabtheilnngen des Küstenstrichs benutzte. Die Römer nannten ihn ,/l'iliu8", ,l,,h sio ließen ihre alte Provinz I.ikui-mi» von Norden her bis an den Iil,w8 gehen, sowie das eigentliche Dalmatien von Süden her ebenfalls bis an !diesen Flnß ging. Da derselbe aber zugleich an seiner Mündnng einen prächtigen Hafen hat, da er mehre Meilen anfwärts bis zu seinem ersten Wasserfalle schiffbar ist, da es zwischen den oberen Wasserfällen mehre schiffbare Seeen und Fluß-abschnitte giebt, und da endlich das ganze Land umher weit minder gebirgig ist als andere Abschnitte Dal-mcttiens, die oberen Kerkathäler anch zn bequemen Passageplatzen über die Gränzgebirgc hinüberfülncn, so mnßte daher nothwendig die Kerka und das gau;e Thalsvstew, das sich um sie gestaltete, als ein Sammelplatz zur Coneentrirung der Bevölkerung erscheinen. Es ninßten Hanptstadte und Hanptmärkte an ihren Ufern entstehen, und sie mußte eine Lebensader dalmatischer Staatengebilde werden. Dieß scheint anch schon in den ältesten Zeiten der Fall gewesen zn sein; denn wir finden an ihr einige Meilen unterhalb Knin in der Nähe des genannten Katarakts von Bracich die jetzt nnbedentenden Trümmer einer ehemaligen Hauptstadt Namens Iwrnum oder l.ilnis-inim. Später entstand hier an der Kerka die Capitale von ganz Dalmatien, das einst so bedeutende Ecardona. -— Äls Seardona in den Wirren dnrch die Geschichtschreiber nicht entwirrter Völkerkämpfe siel, kam Sebenico, wieder einer Historische Bedeutung der Kerka, 311 der Hauptorte Dalmatieus an der Mündung der Kerka, cinpor, welches noch vor hundert Jahren über zwanzig-tausend Einwohner in seinen Mauern versammelt haben soll und noch jetzt in militärischer Hinsicht einer der wichtigsten Punkte ist. Es schützt die Mündung des Flusses, dessen Quellcnhaupt das viclumkämpfte und auch noch jetzt befestigte Knin vorstellt. Die Vorzeit also, dieß sieht man, hat aus der Kerka gemacht, was sie daraus machen konnte, einen Gränz-graben, einen Handelscanal, eine Befestigungslinie. Wenn nun auch unsere manufacturirende und maschinenbauende Ieit, die oben bezeichneten Pläne der dalmatischen Industriellen verfolgend und die bisher ziemlich ungeschickt benutzte und so billige Triebkraft, welche die Natur in den fünf Katarakten des Flusses dargeboten ^t, auf ihre Weise benutzend, einen Fabrikcanal aus ber Kerka machte, so würde sie anch ihre Pflicht thun und dem Fluj; in ihrem Geiste eine neue Bedeutung einstoßen. 18. Das Hand «Kotar. Das Land, welches man nun, von der Kcrka aus "ach Iara reisend, mitten durchschneidet, ist also das ei-9entlichc alte Liburnien. Es ist ein im Ganzen niedriges ^ud, von der Figur eines Dreiecks. Die eine südwestliche Seite dieses Dreiecks bildet die Küste des adriatischen Meeres, die andere südöstliche der Fluß Kerka, und die 312 Das alte Liburnk'n. dritte oder nordöstliche die hohe, gegen Süden scharf abfallende Mauer des kroatischen Gebirges Velebitsch. DieseS letztere zieht sich in seiner nördlichen Hälfte nahe an der Küste hin nnd beschränkt daher Libur-men auf einen schmalen Küstenstrich bis Fiumc hinauf. In seiner südlichen Hälfte aber weicht er mehr m's Innere zurück, und das litmrnische Küstenland wird ganz mächtig und breit. Genau glich also Liburmen in seiner natürlichen Begränzung der Figur einer Flascke mit langem schmalen Halse und weitem Bauche. Bauch und Hals haben sich oft von einander getrennt und besondere Schicksale gehabt. Der Hals von Novigrad bis Fiume gehörte häufiger zu Kroatien, Ungarn, zu den Ländern im Osten des Velebiisch, der breite Leib vereinigte sich häufiger mit den Ländern im Süden der Kerka, mit,Dalmatien, der ppovincig O^Iatm». — Zuweilen hat dieser südliche Theil anch ein eigenes Ganze für sich gebildet und besondere Namen gehabt. „Das Priorat von Vrana", „die Grafschaft Zara", „das Ba-nadego" sind solche Ländernamen, welche mehr oder weniger, ganz oder theilweise diesen von uns jetzt durchreisten Strich zu verschiedenen Zeiten bezeichneten. Der vermuthlich ziemlich alte und noch heute gehörte Name, den das slavische Volk diesem Landstrich giebt, ist „Kotar." Ein mebr nördlicher Theil deS Landes längs des Velcbksch wird vom Volke „Vuceoviza" (Bucheulanv) genannt, ein Name, dem man in slavischen Ländern von der.,Buseowina" in: Nordosten bis zu diesem und dem montenegrinischen „Bucco-wiza" im Südwesten so oft begegnet. Das liburnische Land Kotar nebst der alten Grafschaft Zara ist, wie ich sagte, im Ganzen niedrig und Die Bewohner des liburmschen Kotar. 313 stach, jedoch nur verhältnißmäßig, nämlich im Verhältniß zu der famosen und Alles überragenden kroatischen Bergmauer des Velcbitsch ^ Wird doch auch dieses liburnische Kotar noch ganz von denselben Stamme ver Morlachcn bewohnt. Ein Nei-lendcr bemerkt in dem Habitns, dem Costüm, den Sitten ^r Lcute keiucn auffallenden Unterschied. Doch behaupten ^"iner, daß der eigentliche Mollache in der ganzen Pracht mner ursprünglich guten und schlechten Eigenschaften nur ll im Inneren bei Knin und Sign, in dem sogenann-^ „I'iw8o (lci NU0V0 il^ui^to" zn finden sei, sowie denn ^'n solche Kenner wiederum behaupten, daß der serbische ^olWa,i,m jenseits der dinarischen Alpen in Bosnien 314 Verlassenes türkisches Lazareth. und der Herzegowina den wahren Typus seiner ursprünglichen guten Eigenschaften unter türkischer Herrschaft noch besser behauptet habe als in allen den Ländern, welche die Italiener, Venetiancr oder Oestreichcr mit der Sitten-verderbniß der Kulturvölker erfüllten. Ich will darüber nicht streiten, allein es ist ein Faetum, daß viele von denen, welche für das Slavcnthum schwärmen, alles Gute und Schöne erst jenseits der östreichischen Gränze verlegen, und daß in der Türkei ihr slavisches, sittenreincs Nr-Edeil beginnt. Wir fuhren mit der frühesten Morgcnsonnc von Scardona aus in das Land Kotar hinein, zunächst bei Scardona selbst in einem lieblich kleinen Thale, lieblich, weil es mitten in den Felsen ringsumher wie ein Lamm im Löwenrachen steckt. Nahe bei Scardona bemerkten wir noch das Lazareth, das hier ehemals den türkischen Karavanen diente, das aber jetzt ganz verlassen und öde dastand, entweder weil es keine Pest oder kein türkisches Handelslebcn mehr giebt. AlS wir uus aus diesem Thale hervorgehoben hatten, fuhren wir durch lauter felsiges Flachland, in dem die Dörfer noch rarer verstrent waren als die Bäume und Büsche, und kamen nach einer Fahrt von 22 Miglien auf der Mittcstation zwischen Ecardona und Iara, in Beneovaz, einem unbedeutenden Marktflecken, aber im Lande Kotar weit und breit berühmt, an. Unterwegs setzte ich meine Betrachtungen über dalmatische Felsen fort, Betrachtungen, die sich einem hier auf Schritt und Tritt aufdrängen, und die der Leser, wenn er begierig ist, die Länder oder wenigstens die Impressionen, welche dieselben auf emeu unbefangenen Classification dcr dalmatischen Felsen. 315 Neijendcu machen, kennen zu lerneu, mit genießen muß. Ich habe nun genug dalmatische Felsen gesehen, um sie wenigstens einigermaßen charakterisiren und m Classen eintheilen zu können. Obenan stehen die Fclsengegenden, bei denen man die Brille, daS Perspectiv, das Mikroskop herausnimmt und vergeblich sein Ange anstrengt, um irgend ein Ge-bülch oder auch nnr ein Pftänzchen, ein grünes Blatt, w^nn auch nur eine Distel, zu entdecken. Bei uns in Deutschland giebt es nur wenige ganz schroffe und senkrechte Wände, die eine solche crtreme Nacktheit zur Schau tragen. In Dalmatien aber, und eben so weiter in ^ftirus nnd Griechenland zeigen sich unabsehbare Ge-"U'gsrücken, meilenlangc Abhänge, die sich nicht entblöden, diese alles Maß überschreitende Nacktheit zu offenbaren. Mail durchwandelt ganze Thäler, in denen man s^'ckt wie cine infnsorische Molluske iu dem Gebiß eines Haifisches. Da ist nicht nur das Geripv und Gerüst, sl'udml auch Gaumen, Fleisch und Zunge, Alles "u'chig, zahnig, hart und felsig. Darnach sieht man als zweite Classe eine Menge ^'" so ausgedehnter Felseugeklüfte und Abhänge, die von dnu verstreuteil Pflanzenwuchs, den sie unterhalten, Wie gesprenkelt erscheinen. Es sind steinige Ebenen, fel-'^e Hügclgruppen und Vorsprünge, die im Ganzen ""ckt zu nennen sind, in denen aber alle zehn Schritt aus einem 5,'oche oder einer Nille ein dicker dichter ichoner Pflanzenbusch hervorquillt, sei es eiu mächtiger Hcudestrauch, oder ein Myrthendusch, oder sonst eine Trumen- oder Gestrnppgattung. Bei diesen mit Pflanzen ^tüpfelten Felsen erscheillt die Einsprenkelung der Ve- 316 Getigerte Felsen. gelation oft so regelmäßig vertheilt wie die Flecken auf einem Leopardenfell. Die Pflanzen erscheinen nicht etwa in Gruppen und kleinen Massen beieinander, sondern, wie gesagt, regelmäßig vertheilt, alle zehn Schritte eine. Es sieht aus, als wenn sie erpreß mit der Meßruthe vom Gärtner so gestellt worden wären. Mit dieser Regelmäßigkeit ist es etwas Wunderbares, denn man sollte denken, daß da, wo ein Bnsch sich halten konnte, daneben ein zweiter uud dritter sich noch besser entwickelt haben müßte. Aber es muß dieß wohl mit einer gewissen Regelmäßigkeit in der Art und Weise der Zerklüftung des Felsenbodens zusammenhängen, in Folge deren immer in gewissen Distanzen ein Loch erscheint, das zur Aufnahme von einem Bißchen Erdreich und Wnrzelwerk geeignet war. — Diese getigerten Felsen möchte ich mit einem kurzen englischen Ausdruck „p«p?"-anä 8:,k" nennen, einem Ausdruck, den die Engländer bekanntlich bei einem gewissen Wollgewebe gebrauchen, wo die Grundfarbe weiß, das Schwarz aber wie Pfeffer dem Salze eingestreut ist. Endlich kommen diejenigen Felscnlandschaften, bei denen die Pflanzen schon näher beisammenstehen, und wo man aus der Ferne einen zarten grünlichen Schimmer an den Gebirgen entdeckt. Diese Gebirge mit einem grünlichen Schimmer lind Ausluge, auf denen Wiesen uud Weideu gleichsam im Embryo vorhanden sind, erfüllen das Herz und Auge des Reisenden mit Freude, sowie auch die Schäfer und Schafe des Landes, obwohl es für diese letzteren selbst unter jenen als Schafweiden betrachteten, grünlich angeflogenen Felsstrichen Dalmatiens Stellen giebt, bei denen ich mir Steinlandschaftcn mit grünlichem Auslug. 317 nicht denken kann, daß die Schafe auf andere Weise ihren Hnnger stillen können, als indem sie von Grashalm zu Grashalm einen ellenlangen Sprung machen. ^ Der grünlichen Ausluge giebt es jedoch von den verschiedensten Graden, von dem wässerigsten Grün, das ein Maler mlf seiner Palette bereiten nnd als Grün erkennen kann, bis zu dein dunkeln, frischen, lebendigen "Nftgrün, wie es die halmreichen Wiesentcppiche, die dichten Gebüsche nnd die schattigen Wälder der Landschaft einweben. Diese Dinge sind aber rnri^Limnc; -,vu8 '" Dalmatien, und wenn sie dem Reisenden nach tage-langem Wandern begegnen, so glaubt er allemal in ein Paradies zn gelangen und von einem (§den oder einem "^hal Tempe sprechen zn dürfen. Die Gegenden des Kotar bis Bencovaz geboren "listens in die Classe der Pfeffer- und Ealzfelsen, sowie ^' Cleinlandschaftcn mit grünlichem Anstuge. Von ^"leovaz bis Zara wird der Auflug stärker. Wenn ich ^ freche, s^ gebrauche ich natürlich ein wenig den groben ^Utsel. Nimmt aber man mehr das (§inzclnc vor, so kann Man allerdings einzelne Flecke bezeichnen, die recht hübsche ^usnabmen machen. So war z. B. anch bei Bencovaz 'e grünliche Dämmerung, welche Gräser, Gebüsche, cin-zel"e Bäume nnd Äckerpflanzen über der Felsenlandschaft verbreiteten, ziemlich energisch. 318 Die östreichischen Beamten und die Morlachen. 19. Station Veneovaz. N3ir trafen ill Beneovaz eine Menge morlachischcr Bauern aus der Umgegend versammelt, die in unserer Locauda wie Bienen aus- und ei «schwärm ten. Es war eben ein Zahltag für sie. Sie hatten ich weiß nicht was für Abgaben -zu entrichten, und ein italienischer Beamter hatte in der Locanda seinen Sitz aufgeschlagen, um diese Abgaben von ihnen einzusammeln. Dieser arme Beamte machte den Morlachcn gegenüber uichts weniger als eine imponirende Figur. Er war in Civil gekleidet, sah blaß und verstudirt aus, hatte gar keine Waffen bei sich und nichts als sein Papier, seine Tinte und seine Feder zur Hand. Die Leute, denen er den Tribut abnahm, waren dagegen hochstämmige Kerle, mit Pistolen und Haudfcharcn bis an die Zähne bewaffnet, braun-' bärtig, langhaarig und wild zum Erschrecken, und doch drängten sie sich wie Lämmer vor des Beamten Thüre, der außer einem ihn begleitenden Schreiber ganz allein war und dann und wann ein Zeichen gab, wenu es einem der bewaffneten Kerle erlaubt sein sollte, hcrcinzu-treteu, um seine Steuer zu erlegen. Ich habe mehre Male solche unbewaffnete italienische Schreiber und Beamte solchen Haufen von Morlachen gegenüber gesehen, und Anfangs wurde mir gauz ängstlich dabei ;u Muthe, etwa wie, wenn ich Herrn von Aaken in seineu Löweukäfig gehen sah. Aber man hat nM' versichert, daß die Angst hier weit mehr auf der Seite der Morlacheu als auf der der Beamten sei. Die Mor- Die östreichischen Beamten und die Morlacheu. I1I lachen, sagte man mir, seien an die Pistolen, Gewehre, Handschare n. s. w. so gewöhnt, daß man ihnen damit Wr nicht mehr imvoniren könne. Dagegen aber hätten ste einen angeborenen oder instinttartigen Respect vor dem gewöhnlichen schwarzen Civilrocke nnd vor einem Menschen, der eine Schreibefeder in der Hand führe und einem „Ecrittore" oder „Pretore" ähnlich sähe. Vor diesem zögen sie schon von Weitem den Hnt. Dieß ist natürlich, denn schießen und stechen können sie ja alle, aber zu schreiben versteht beinahe keiner, und ihnen muß die Schrcibkunst daher noch immer wlc eine "lt Zauberei vorkommen. Sie benehmen sich ill allen Schreibstuben, die ihnen etwas enge vorkommen, ziemlich schüchtern und legen da eine bewundernswürdige Dis-"Plin an den Tag. Diese italienischen Beamten, derm ^orfts sich ^yyhl sch^i ,',t dcr venetianischen Zeit gebildet ^"l, kennen ihre Morlachen sehr gut nnd wissen >le zu behandeln und zu zügeln, d. h. so weit die Wirksamkeit ihrer Schreibstube geht. Denn außer derselben, ^ ^n Felsenklüften, ist cö ihnen nicht allemal gut, jenen Morlachen zu begegnen. Man erzählte mir von einem '^' Herren, den man mir zeigte, daß er schon zwei uU von den morlachischen Haiduken überfallen und ausgeplündert worden sei, daß er aber trotz dieser Respett- Wligkeit nichtsdestoweniger noch fortfahre, von seiner ")lcib,tulx aus jene Leute zu regieren. So sagt man ja Uch, daß die russischen Bauern znweilen ihren Priester, ^'ttn er nicht gerade in ponlisic^lidu» vor ihnen steht, "rchprügeln nnd doch nachher demselben Priester wieder "Mächtig zuhören. Nir hatten unseren Beamten und noch ein Paar 320 Morlachischer Naubüberfall. Eingeborene und Kenner des Landes in Beneovaz bei uns zu Tische, wo eine soeben eingelaufene Nachricht von einer eclatanten Räuberei, welche eine Partie Mor-lachen in der vorvorigen Nacht in der Gegend von Zara ausgeübt hatten, den Gegenstand unserer Unterhaltung bildete. Ein Dnhend Kerle, so erzählte man uns, hatten nämlich der Diligence, die alle Wochen zwei Mal aus Kroatien über den Vekbitsch nach Zara geht, in der Nacht aufgelauert, sie überfallen und, nachdem sie den dieselbe begleitenden Gensdarmen ein förmliches Treffen geliefert nnd einige von ilmen, so wie den Kutscher nnd den einzigen Passagier, den der Wagen enthielt, einen Albanesen, zum Tode verwundet und versprengt, Alles ausgeplündert. Der Vorfall wurde uns in allen seinen Details erzählt, und da diese Nachricht von einem so eclatanten Attentate natürlich die ganze Bevölkerung — vermuthlich in sehr verschiedenartigem Sinne — aufregte, so gab cS denn allerlei für mich sehr interessante Debatten, bei denen hie und da einige helle Streiflichter auf die Beschaffenheit des Landes nnd die Gesinnung seiner verschiedenen Bewohner fielen. Und man ließ bei dieser Gelegenheit eine Reihe morlachischer Ortschaften oder Schlupfnester, von denen jene That ausgegangen sein könnte, oder in denen sich sonst zum Raube geneigtes Volk aufhalte, die Revue Passiren. Einige äußerten zwar die Meinung, es möchte wohl nur loses Gesindel gewesen sein, das sich von der türkischen Gränze herübergezogen hätte. Allein die italienischen Beamten behaupteten: Nein, nein, es seien die eingeborenen Bauern und Landleute selbst gewesen. Diese hätten ja allgemein nicht nur eine große Duldung, sondern sogar cine entschiedene „Genie enterprcrulente." 321 Verehrung für Ränber und Banditen, d. h. für achte unternchmclldc Räuber, die ihr Leben und ein Gefecht bei ihren Thaten riskirten. Diese nennten sie ja hier Wie anderswo in Dalmatien uud Serbien ,M>iäuol," bas hieße so viel als „ttonto ontt'lplonäonw, gonw ^l,I()>'()8^, Z6nw cl'onul-u.^ Einen solchen Haidufen zu beschützen, zu verstecken, zu befördern, daraus machte sich Jeder nicht nur keiu Gewissen, sondern eine Pflicht, "amentlich wnrden die Bewohner eines benachbarten nwrlachischen Ortes Namens Carin dieser Gesinnung beschuldigt. Er liegt an der innersten Spitze des Wasserarmes, welcher in seinen verschiedenen Abtheilungen und Bassins die Namen: <^nlik> nv6nto cli Cill-in," und die Mönche und griechischen Priester ftien nicht selten als die geistigen Urheber und T^gü'nstigcr einer solchen That zn betrachten. Sie ab-Mvirten lllir gar zu leicht die Haidnken für ihre Verzechen. Auch voriges Jahr uoch sei die Post in der ^ahe von Carin angefallen worden. Die Soldaten ""tten da,nals zwar den Angriff zurückgeschlagen, aber un hätte gewiß die Jugend, die „8^6 entorprsu- "°l'l, Neise !>, Daln.atien, n, 21 6unto" von Carin eiil point (Nioniunir darein geseht, nicht nur einen guten Fang zn thnn, sondern cmch dieß-mal die Soldaten zn besiegen. Ihr Ehrgefühl, ,,il lo>-o 8onlilno "'li"" (das Dorfhanpt oder der Schnlze) von Carin in Vencova;, das nur zwei Stunden davon entfernt ist, zugegen war, eben auch wegen Abgabenangelegeuhcilcu. Es war ein ehrwürdiger Alter mit greisem Haupte. ^ war allerdings längst vou dem Vorfalle unterrichtet-Aber seine Lente von Carin, sagte er, wären dumm ^"t.^ und er wäre überzeugt, daß keiner von ihnen sich je bel einer solchen Sache betheiligt hätte. Das wären gew'li „L.'Ulvl, ^omo" von der Gränze, „ln^vivonU," „lupesow (Lumpengesindel) ans dcr Türkei. „Un Juogo d'ammazzamento," ,?un luogo rti Schmus I e di contrabnndieri" nannten $ unsere Lentc zu wiederholten Malen. ES traf sich, daß gerade der ,,c?i'l>c> v>!^»^ (das Dorfhaupt oder der Schulze) von Carin inVencova;, das nur zwei Stuuden davon entfernt ist, zugegen war, ebeu «inch wegen Abgabenangelegenheileu-Es war ein ehrwürdiger Alter mit greisem Haupte. ^ war nllcrdmgs längst von dem Vorfalle unterrichtet-Aber seine Leute von Carin, sagte er, wären dumm ^"^ und er wäre überzeugt, daß keiner von ihnen sich je bel einer solchen Sache betheiligt hätte. Das wären gcw'li „L.'Ulvl, ^omo" von der Gränze, „ln^vivonU," „lupesow (Lumpengesindel) aus der Türkei. Schlauheit dcr murlachischcn Räuber. III Aber natürlich sagten wieder unsere Italiener: „der Capovilla ist der Vater seincr Kinder, nnd der wird sie nicht verrathen." Sie verrathen sich überhaupt me untereinander, mid es ist äußerst schwer, den Verbrechern nnter chnen ans die Spur zu kommen. Alle Zeugen nnd auch die Verbrecher selbst wissen sich vor Gericht immer ganz ungemein geschickt herauszureden. Denn beredt sowohl "ls schlau sind diese Morlachen allcsammt von Haus "us. Auch verstecken sie die Dinge, welche sie rauben, csche. 325 Me, einen Stamm bildete, dabei betheiligt. Vs wäre daher recht und billig, daß ihr auch m »aliäa cinc Buße auferlegt würde. Geschähe dieß, so würden die Morlachen schon auf ihre unternehmungslustigen Leute besser aufpassen und auch geneigt werden, diese anzugeben. Dieß klänge vielleicht hart und ungerecht, aber nach den Verhältnissen des Volks und Landes wäre es gar nicht unrecht und unbillig uud insbesondere nicht unpolitisch, wenn man in Nllem solchen Falle wie der vorliegende ganz einfach die ^vchchaft Carin, oder die anderen benachbarten Gemeinden, auf deren Gebiete jene That vollbracht worden sei, ver-Wchte, die geraubten dreitausend Gulden und uoch eine Geldbuße dazu ;u zahlen. So ein Gesetz über solidci-^>sche Verpflichtung der Gemeinden, auf deren Grund und Boden ein Naub geschehen sei, oder deren Mitglieder denselben ausgeführt hätten, würde äußerst wohlthätig für das ganze Land sein. Bisher wären die armen Gensdarmen und Pauduren bei der Vcrthcidignng der ihnen anver-nutten Personen uud Güter gegen Räuber und bei einem etwaigen Kampfe mit diesen im größten Nachtheile und urch allerlei ihren Waffengebranch hindernde Vorschriften 'schränkt gewesen. So habe bisher ein Pandur auf die ' sauber nie schießen dürfen, wenn sie ihm das Angesicht zugewendet hätten. Habe er sie von hinten dnrch den Nucken ^schössen, so sei ihm selber der Proecß gemacht worden, -^cß seien schr nachtheilige Gesetzesbestimmungen, und ^ sei viel schädlicher fürs Ganze, wenn die Ränbcr viel . jtcht hätten, zu entkommen, als wenn einmal ein ^"nbit statt dnrch die Brust durch den Nucken geschossen wurde. unter den ,,Woglu cI'mnm!»/,/.!>m«nlo" (Mord- und 326 Dk Slufcllanrr. Todtschlagorten) des Landes nannten unsere Herren insbesondere auch noch einen nicht weit entfernten kleinen Platz am Meere, Namens Slosella. Dieser Ort liegt an einer kleinen Meercsbncht nicht weit von Vrana, in gerader Linie vier Meilen von Bencovaz. Die dortigen Morlachen sollen geradezu halb wie die Wilden leben, nnd obgleich offenbare Seeräuberei ans der Adria nicht mehr möglich ist, so soll es doch keinem Schiffer, cr sci denn wohl bewaffnet, anzurathen sein, in die Vai von Slosella einzulaufen. Wenn die Slosellaner glaubten, seiner Herr werden zn tonnen, so würden sie ihn sicher plündern. Ich habe seitdem über diese Slosellaner noch ein merkwürdiges Capitel in der Neiseschilderung des Franzosen Vassas gelesen, und wenn auch nur die Hälfte von dem, was er sagt, nnd was man mir von ihnen erzählte, wahr ist, so muß es immer noch ein gräuliches kleines Völkchen sein. Diese Sloscllancr machen aber wohl eine Ausnahme, denn sonst werden die „^onw märillmu" (die an der Küste wohnenden Dalmatier) im Ganzen für ,,duoun ihren Kleiderschränken oft besehen habe, sondern auch bei den Schneidern und Kleiderhändlern mir znweilen in seinen Einzelheiten habe zeigen lassen, zu entwerfen. Uebrigens ist es nicht leicht, diesen Gegenstand zu behandeln, und ich kann mich bei Weitem nicht für vollständig unterrichtet ausgeben. Doch will ich nicht mehr sagen, als ich weiß. Da die Schöpfung mit Adam angefangen hat, 1>) will ich bei den Männern beginnen. Ohnedicß ist die einfachere Männerklcidung am leichtesten zu verstehe». Vorerst ist bei ihnen das Hemd merkwürdig, das sehr weite und lange Aermel hat, alsdann die Hose. Tnese Die,/Patschanizza", „PaScanizza", „Iazcnua", „K>,'pora." ZII ist bei den Morlachen einfacher und constanter als irgend etwas Anderes und besteht fast immer in jenen weiten, blautuchenem Bein- oder vielmehr Lendenkleide, das bis auf die Kniee herabgeht und dort mit den Knieriemen oder die „Patschanizza" endet, das Feld den Strümpfen und Schuhen überlassend. Von den Beinkleidern gehen zwei Wege, einer abwärts und einer aufwärts. Verfolgen wir znnächft diesen Weg, so kommen wir zuerst znm Gürtel, der bei den Männern „Paseanizza" (der Waffenträger) heißt. Cr ist Natürlich ein Hanptstück ihres (5ostüms, weil er bei ihnen die Stelle aller unserer Westen-, Rock- und Hosentaschen vertritt. Er besteht meistens ans mehren wie Kohlblätter nbereinandergelegteu Lederstreifen, in deren verschiedene Abtheilungen sie ihre Waffen, Pistolen, Dolche, Messer, Pfeifen, Geldbeutel n, f. w. hineinprakticiren. Auch ist er sonst noch mit mehren Kästchen und Taschen, einem Tabacksgefäße, einem Pulver- und Patronentäschchen, euiem Feuerschlaguugsapparat, einem kleinen Oelgefäße für das Schmieren der Flinten, einem Hammer znm Schärfen der Flintensteinc u. f. w. umhängen. Ueber dem Gürtel wölbt sich die Brust, die znnächst v"n der „Iazerma" bedeckt ist. Diese ist, wie unsere Weste, ein knappes Gewand, meistens von rothem Tuche und gewöhnlich sehr bunt geschmückt und mit Gold gestickt. — Uchel diese Iazcrma wird der lieberrock, das eigentliche HaupMeid, die sogenannte „Kavora", geworfen ; cr ist meistens lang uud vou einem dicken wollenen Stoff. All den Rändern nnd besonders an den Aermeln ist er verschiedentlich ausgeschmückt und aus-genäht. Die Muster dieser Ausschmückungen sind sehr 334 Die „Kabanizza." manchfaltig, in gewissen Gegenden aber constant, nnd man erkennt daran, freilich aber anch noch an anderen Va-riationen in Schnitt und Form die verschiedenen Stämme, Gemeinden, Thal- nnd Bergschaften oder Insel», denen die Leute angehören. In schlechtem Wetter und ans Reisen werfen sie nun über dieses ihr gewöhnliches Mtagscostüm noch die sogenannte „Kabanizza", einen weiten Mantel aus rothwollenem Stoff. Das rothe Tuch, aus dem sie diese Kabanizza machen, ist ein mir etwa einen Flip breites Gewebe, dessen schmale Streifen aneinander genaht werden. Da man diese groben Nähte immer ziemlich deutlich erkennt, so sieht die Kabanizza meistens breit gestreift aus-Sie ist so weit, daß man die ganze Figur mit dem Gewehre und dem gesammten Waffenschmuck darin einhüllen und vor Negen schützeu kann. Auch ist im Nacken eine spitze Kapotte befestigt, die sie über den Kopf ziehen. Die Leute sitzen bei Regen darin, wie unsere Soldaten in einem Schilderhanse. Natürlich bekommt man aber die Kabanizza nicht häusig im Lande zn sehen, weil nicht Jeder ein solches ziemlich kostbares Kleidungsstück hat. Nichtsdestoweniger aber ist doch die Kabanizza eins der bei uns bekanntesten Kleidungsstücke dieser kroatischen und serbischen Stämme, nach welchem wir sogar einer Abtheilung der östreichischen Truppen den Namen „Noth-mäntler" gegeben haben. Das in der ganzen Welt aber am weitesten berühmte Kleidungsstück, daS ans diesen illyrischcn Landern hervorgegangen, ist wohl ohne Zweifel die s"g^ nannte „Dalmatica", ein Oberkleid mit weiten Aermeln, welches nicht nur die Diakonen der römisch-katholischen Die „Dalmatica." Die „Kappizza." ZZ5 Kirche tragen, sondern das auch einen Theil des Costüms der alten römisch-deutschen Kaiser ausmachte. Bekanntlich waren nicht nur Marc Anrclius nnd Diocletianus, sondern außer ihnen noch wenigstens ein Dutzend römischer Kaiser aus Illyrien gebürtig, und es gab keine Provinz im römischen Reiche, die diesem so viele Herren Und Gebieter gegeben hätte, wie Dalmatien. Vielleicht erklärt es sich daher, daß die Dalmatica, der dalmatische Nationalrock, in das kaiserliche Costüm überging. Vermuthlich finden wir das Urbild dieser priesterlichen und kaiserlichen Dalmatica in dem weißen weitärmeligcn Rocke, welcher noch heutiges Tages in einigen morlachischcn Districten und auch bei den Montenegrinern getragen wird. Andere sagen, die Dalmatica sei aus dem weiten langärmeligcn Hemde der Dalmaten hervorgegangen. Am gleichförmigsten beschaffen scheint mir neben den Beinkleidern der rothe Mantel, die Kabanizza, zu sein. An ihm giebt es, glanbe ich, gar keine Variationen. Er ist bei den Morlachen, wie bei den Kroaten, unga-Elchen Südslaven, Bosmaken, Serben und wohl auch bei den Albcmesen und säst allen Völkern der enropäischen Türkei derselbe. Es ist ziemlich natürlich, baß man bei ber Ausschmückung eineS solchen Kleidungsstückes, wie es dieser große Regenmantel ist, weniger raffinirte. Dasselbe sollte nur nützlich und zweckmäßig, d. h. weit, bequem, dicht und dickwoilig sein, und für das Nützliche giebt es wuncr weniger Modificationen als für Schmucksachen. Anders ist dieß mit der Bekleidung des Kopfes, des ewzigen Theiles des übrigens so nackten menschlichen Körpers, den die Natur selbst schon mit einem dichten Pelze bedeckt hat, und dessen „Kappizza" (so n^iu'u die 336 Mönchische Frauenlleidung. Morlachen ihre Kopfbedeckung) eigentlich mehr Schmuck als sonst etwas ist. Dem oberflächlichen Beobachter erscheint die Kappizza überall bei den Morlachcn zwar nur als ein rundes, knappes, schirmloses Kappchen, das sie hie und da bequasten oder auch nach der Weise der türkischen Turbans mit einem Tuche umschlingen, für den Kenner aber variirt dieselbe von Thal zn Thal und hat so viele Spielarten wie die Kelchc der so verschiedentlich gezeichneten Tulpen. Beschreiben kann ich dieß aber nicht, weil ich diese Variationen nicht kenne. So viel von dem, was die Schneider für die mor-lachischen Manner 'gethan haben. Die Kleidung der Weiber ist noch viel compouirter und mauchfaltiger und läßt sich nicht einmal genügend beschreiben, ohne das Bnch mit Bildern anzufüllen wie ciu Modejonrnal. lim aber etwas näher auszuführen, was ich oben behauptete, daß Niemand das An- und Ausziehen sich so schwer gemacht hat, wie die morlachischen Weiber, so will ich mir nur erlauben, die beiden Extremitäten bei ihnen zu berühren, die Füße und den Hals. Was die Füße betrifft, so behandeln wir anderen Europäer diesen künstlichen Organismus verhältnißmäßig sehr c<'>vl!!iö,-«i,u.>i»t. Wir stricken ihm einen Strumpf, der bis an die Waden hinanf alle verschiedenen Gliedmaßen unseres Piedestals umfängt, und in dem siä) Zehen, Hacken u. f. w. zurechtfinden müssen, wie lie mögen. Die Morla-chinneu verfahren viel kritischer und sehen an dem Fuße beinahe eben so viele Theile w>e ein Bildhauer, der ihn abgießen will. Zuerst nehmen sie die Partie über den Hacken besonders vor und nähen ihr ein kleines Gewand, das sie „Klasnje" nennen- Die „Klasuj.'", „Nc.sutsche". „Naretsche", „Opanke" n>. ^^7 Diese Klasnje geht bis übcr die Waden hinaus und wird mit einem unter dem Fuße herumgehenden Bande oder Riemen befestigt. Bei den Märchen ist sie meistens weiß und roth. Dann kommt der Hanpt-körper des Fnßes daran, den die sogenannte „Nasutsche" bedeckt. Diese ist weiß bei dcn Mädchen, roth bei den Weibern. Der Vorderfnß hat wieder sein apartes Costüm, die sogenannte „Naretschc", in welche sie die fünf Zehen stecken. Den Fußsohlen endlich dient die „Opanke", die eigentliche äußere Fußbekleidung, die Wieder mit einem unsäglichen Aufwande von Bändern u>ld Schnüren um dcn Fuß und um alle die genannten Sttumpfthcile herum zusammengeschnürt wird. Ich wollte einmal in Zara alle die verschiedenen Theile der Morlachischen Fußbekleidung bei einander sehen; allein "bgleich wir zu verschiedenen Boutiquen und Künstlern herumliefen, so konnte ich dieß doch nicht so schnell, als es meine Zcit erlaubte, zu Stande bringen. Noch weit größer und mannigfaltiger sind aber die Details des Schmucks, den die Weiber um Hals und Brnst entwickeln. Das Hauptstück ist da, glanbe ich, der sogenannte „Plotsch". Dieser Plotsch besteht aus iwei etwa ciuen Fnß langen Riemen oder Bändern, die in beiden Seiten über die Brnst herabgehen, mit vielen Goldstickereien, goldenen Knöpfen, Münzen und dergleichen bedeckt sind nnd sich ungefähr so präsentircn, wie b'e bnnten Hosenträger unserer Tyroler, nur mit dem Unterschiede, daß sie nicht deren Zweck haben und bloß lose über der Brust herabhängen. Durch ein Qucrband, "as hinten über den Nacken weggeht, sind sie unterein- Kohl. Neisc in Dalmallcn ll. 22 3Z8 Der „Plotsch", die „Mangixße", die „Maita", „Tocca". ander verbunden. An beiden Gnden des Plotsch, unten bis in die Gegend des Gürtels herab, hängen dic „Man-gmße", große Ninge, an welchen vermittelst knrzcr Kett-chen oder Bänder cine Menge Kleinigkeiten, Steine, Perlen, Münzen :c. baumeln. So viel von dem Vrustschmuck in senkrechter Richtung. Nnn kommt die wagerechte Linie, welche Richtung die sogenannte „Maita" verfolgt, eine ebenfalls ungcmein bnnt bestickte Qnerschnnr, die horizontal über die Brust wegläuft. An diesem Qucrbande hängen wie^ der vicle glitzernde Medaillen-Schnüre herab, zn den Sei-ten kürzere, in der Mitte aber eine ganz lange, die ein höchst prachtvolles Hauptmedaillon, „Tocca" genannt, bis anf die Magcngegcnd führt, wo es hin- nnd herbaumelt. Ueber der Brust bleibt nun aber noch der Schwanenhals. Und wenn man hier hin blickt, fängt einc>» ordentlich an zu schwindeln. Das Hauptstück ist dort eine doppelte Perlenschnur, in deren Mitte ein Kreuz ungefähr über dem sogenannten Herzgrübchen glitzert. Außerdem aber scheiuen sie hier am Halse auch l!0") sonst Alles zu deponiren, dessen Glanz ihnen in dle Augen sticht. Man entdeckt da Korallcnschnüre, ve-netianische Glasperknreihen, Vernsteinstücke, tausend böhmische Granatsplitter, Aechtes und Unächtes durch" einander. So weit von vorne. Nun mnß man sich ^ Püppchen aber umdrehen und von hinten beschaue"-Hier findet man bei den Unverheirathcten die Hn^ in einem, bei den Verheiratheten in zwei Zöpfen h^ abhängen. Auch giebt es wieder an den Spitzen die- Dcr „Mpansan", der „Sadac". die „Pregliatscha". IIg scr Haarzöpfe eigcllthümlichen Schmuck, bei den Mädchen Bänder, bei den Weibern Medaillen. Was die eigentlichen Kleider der morlachischen Francnzimmer betrifft, so hat man mir darüber Folgendes angemerkt. Zuerst haben sie ein Hemd mit sehr Weiten Acrmeln, die meistens mit rothen Stickereien bedeckt und dcr einzige Theil desselben sind, dcr äußerlich zum Vorschein kommt. Darüber ist ihr Hauptgewand, der „Uspansan" (auch ,.Modrina" oder „Zarga") genannt. Dieß ist eine Art Unterrock, dev bei den Mädchen weiß, bei den Weibern blau ist. Daher hat er auch wohl seinen Namen „Modrina"; denn „moäot-, moäl-«, nwäi-o" heißt im Illyrischen blau. Ueber den Uspansan oder die Modrina wird das eigentliche dickwolligc Ucberkleid, der sogenannte „Sadac", geworfen, ein sehr kleidsamer rundlicher kurzer Rock ohne Aermel. Die morlachischen Frauen kennen auch den Gebrauch der Schürze, die sie „Pregliatscha" uennen. In der Mitte der Taille über dcn Hüften fassen sie, wie die Männer ihre Unterkleider, durch einen Gürtel zusammen, dcr bei ihnen „Mar" heißt. Wie fast Alles bei ihnen doppelt und dreifach ist, so ist es auch dieser Gürtel. Zuerst kommt ein nntcrcr Gürtclstreifen von Wolle, eigentlich die Hauptsache, und darauf der obere Gürtel vou Leder, der auf seiuer Außenseite mit allen möglichen Zierathen, bei den Armen von Blei, bei den Reichen von Silber, versehen ist. — Von diesem Gürtel hängen wieder lederne Riemen oder Bänder herunter, au denen die Hausfrauen Schlüssel, ein krummes Messer, ewe große Nadel und andere Instrumente befestigt haben; außer diesen nützlichen Dingen aber auch 22^ 340 Der ,,Icisnuik". „Katholische und griechische Nasnbfe"'. noch kleine Schellen oder Glöckchen und andere Metall-stücke, denn die Morlachen sind überall neben dem Nützlichen auch für das Schöne oder wenigstens für den Klmgklang und Schimmer sedr besorgt. Was den Kopfputz betrifft, so sprach ich schon oben von der rothen „Äaretta" der Mädchen. Die Frauen tragen statt dessen den „Iasmak", ein Tuch, das sie auf dem Kopfe befestigen und hinten herabhängen lassen. Ich sagte oben, daß die Stickereien an dcn Hemden, Mützen und Nocken der ^eule, je nach den Kreisen und Districten ihrer Herkunft, sehr verschieden seien. In der That, sie sino so zahlreich, wie die Dörfer, Städte, Ortschaften, Thäler und Inseln des Landes. Und es gehörte ein eigenes weitläufiges Studium dazu, wenu man sich da zurecht finden wollte. Ja sogar nach den Religionen scheinen diese Stickereien zu variiren. Wenigstens zeigte mir ein Kausmann verschiedene „Nasubke" (Mün^ uerstrümpfe), von denen er sagte, daß die Griechen sie kauften, und andere, nach anderen Mnstern gearbeitete, die er als nur snr die Katholiken bestimmt bezeichnete. Auch sprach mir ein Goldschmied, bei dein ich war, immer von „katholischen" und „griechischen Knöpfen. Das Griechenthum und der Katholicismus sitzen ihnen also vom Blute aus bis in die Strumpf und bis in die Knöpfe hinein. So viel nun über die Kleidung der Morlachen-Ich habe sie freilich aus Mangel an hinreichender Kenntniß sehr unvollkommen beschrieben. Allein der ^esel wird doch immer dabei einige Winke über den Eh^ rakter und die Weise dieser Nation erhalten, und wohl bemerkt haben, wie reichhaltig dieser Gege"- Morlachischi,- Henwagcn, ' 3^1 stand an ethnographischen und psychologischen Bemerkungen und an historischen Zusammenhängen ist. Es lohnte sich in der Tbat wohl, ihn genauer zn studiren und in seiner ganzen Bedeutnng darzustellen. Doch wäre nur ein eingeborener, lange im Landc lebender Kenner dazu befähigt. 20. A'm GuHe des Velebitsch. Nnf dem Wege von Nencovaz nach Zara kamen wir zuerst durch ein kleines Thal, wo ich, da sich sonst nichts darbot, die nwrlackischen Hcuwagcn beobachtete, die, von 6 Ochsen geschleppt, uns von Zeit zu Zeit begegneten. Ich bade diese Wagen zwar schon oben beschrieben und mehre Male erwähnt, aber man muß die ganze Maschine im Gange sehen, nm dcn rechten Eindruck davon zu bekommen. Die sechs Ochsen schleichen dabei und setzen ihre Füße so langsam vor einander, uls wäre ihnen jeder Schritt zuwider und als Wüßten sie nicht, ob sie das Bein rückwärts oder vorwärts bringen sollten. Der Wagen seinerseits sieht Wie cin in Holz verwandeltes Ochsengerippe ans. Die ungeschmierten Räder quicken und seufzen ganz jämmerlich, als wäre es ihnen die größte Pcin, dast sie sich bewegen müßten. Zuwcileu drehen sie sich eine ganze Zeit lang fort. Dann aber auf einmal kommt cin Nad anf eine seiner besagten vierkantigen Seiten zn liegen, nnd uun läßt es sich eine Strecke müßig fortschleifen, als wollte cs ausruhen von den Dreh-Strapazen. Plötz- 3^2 ' Ml,'rl^chische Hcuwagcn, lich aber rappelt es sich wieder anf, weil vielleicht ein im Wege liegender Sicin den Anstoß dazu gab, und min hebt es sich auf die Kante nnd macht einen Satz, als ob es das Versäumte nachholen wollte. Der Wagen erhält dabei einen Schwung anf die entgegengesetzte Seite, daß man fürchtet, er müsse umkippen. Aber es kommt ihm bald ein anderes stelzendes Nad zu Hülfe, das sich seinerseits anf die Kante stellt und ihm einen anders gerichteten Ruck giebt, der ihn wieder znrccht bringt. — Wenn man sich in sie recht hm-eindenkt, so findet man anch in so einer Maschine cin Stück der National-Teele, die der Morlache ihr eingehaucht hat, nnd die unn zu dem Reisenden daraus hervorspricht. Bald übrigens, als wir uus wieder ciu wenig anf dem steinigen Plateau-Rücken des Landes Kotar hervorgearbeitet hatten, stellte sich unserem Auge ein noch viel würdigerer und großartigerer Gegenstand der Betrachtung dar, nämlich die ganze prachtvolle Gebirgsmauer des Vclcbitsch, den wir bis Zara nun nicht wieder aus den Augen verloren, und der uns immer in einer E'"^ fernnng von 3 bis 4 Meilen zur Rechten und im Ang^ sichte blieb. Wir hatten den Vclebitsch zwar schon vorher an einigen anderen entfernteren Pnnktcn gewahrt, altein in seiner ganzen imponirenden Größe erschien er uns erst jetzt. Dem Mittelpunkte der südlichen Hauptmasse dieses Gebirges waren wir hier ungefähr gerade gegenüber, und wir übersahen einen Höhenzng von wenigstens 40 Miglien Länge. Dabei ist das Merkwürdige, daß sich der Velebitsch Die Mauer und Vurmaucr» dcs Velcbitsch. 343 längs dieser ganzen Linie durchweg ungefähr anf gleicher Höhe erhält. Er ist nicht, wie z. B. die Alpen, mit hohen Gipfeln versehen, welche die gemeine Höhe des Ganzen stellenweise bedeutend überragten. Auch hat er bei Weitem nicht so viele Einschnitte und Klüfte wie die Pyrenäen. Er ist wie eine hohe Maner, mit nur wenigen nicht sehr hervorspringenden Zinnen längs ihrer Kante. Nur rechts an ihrem südöstlichen Ende hebt sich diese Mauer einmal zu einer besonders hohen Pyramide (dem sogenannten Veliki Tscheruopaz) empor, fällt dann aber zugleich auch ;u einem niedrigen Stück Mauer ab, das sich gegen die Gegend der oberen Kcrka hin verliert. So einförmig demnach im Ganzen die obere Linie des Velebitsch-Nückens gestaltet ist, so bunt sieht es am Fuße und vor dieser Mauer aus. Da blickt längs der ganzen Wand hin ein wahres Gewirre von Fels-zacken und Köpfen hervor. Doch sind diese Zacken und Köpfe alle ziemlich dicht an die Wand angeschlossen und zeigen sich in der Ferne mit ihr als ein Ganzrs, so daß es aussieht, als seien hier die Vormauern der großen Naturbrfestignng iu Trümmern zerfallen. Dieses ruinenhafte Gezack geht längS des ganzen Velebitsch 10 deutsche Meilen weit und noch weiter hin. Es si,^ lanter kahle und wüste Spitzen, Klüfte und Schluchten dazwischen. Kein Dorf, kein Baum, keine Thurmspitze, kein Gebäude oder Waldwerk irgend welcher Art winkt daraus hervor. Aber nur so weit, als Dalmaticn geht, Ücht auch diese Vegetatwnslosigkeit. Gleich jenseits des W.ckcus, in dem frischen Hochlande Kroatien, soll es grüne Weiden und eine energische Bewaldung geben, ^'s ist hier also eben so wie auf der türkischen uud dal- 344 Geographische und historische Bedeutsamkeit des Velcbitsch, malischen Seite der dinarischeu Alpen. Der Velcbitscb scheint nach Dalmatieu zn eine vollkommen todte Trümmerwand zu sein, die aber nichtsdestoweniger eben jetzt, als wir unsere Blicke aus ihren Zinnen umherirren ließen, einen wunderbar zauberischen Anblick darbot. Es glühte nämlich eben wieder der rosenrothe Schimmer der adriatischen Abendsonne auf allen Gipfeln und umgab sie mit einem unbegreiflichen, aber entzückenden Zauber. Es leuchtete, als wenn hier ganz Dalmatien von einer mit Purpur- und carmoisinrothem Sammet ausgeschlagenen Riesenwand umgeben sei. Das Gewirre der medn-gen Gipfel am Fuße nnd am Abhauge der Mauer glühte auch durchweg, und man glaubte die leuchtenden Wcllcn-köpfe eines Meeres in wilder Brandung an jener Mauer hinanfschlageu zu sehen. Aber auch an und für sich, ohne diese wundervoll malerische Verschönerung, ist der Velcbitsch ein den Geographen und Historikern im höchsten Grade reizendes und anregendes Phänomen, eines der merkwürdigsten und großartigsten iu ganz Dalmatian, dem hier in Bezug auf historische Bedeutsamkeit nur die dinarischeu Alpen selbst an die Seite geseht werden können. — Hier bei diej«.'!' markirten Natnrscheide war anch den Menschen von jeher eine Marke gesetzt. Bis an den Fust des Vclebitscb laufen die Linien der dalmatischen Oelbäume uud Wein-" gärten und überhaupt der ganzen Vegetation der adnaN-schen Meeresküste. Er macht in dieser Hinsicht einci» eben so marl'irten Abschnitt, wie die Mauer deS Karsts bei Trieft, an dessen Meeresküste es auch noch durchweg südlich duftet und blüht, während jenseits „der Norden" beginnt. Ebenso wie sür die Pflanzen war anch für den Geographische und historische Bedeutsamkeit des Velebüsch, 3^5 Wandernden Menschen der Velebitsch von jeher eine schwer zu übersteigende Barriere. Von Zara und überhaupt weit und breit von der Küste des adriatischen Meeres her nimmt Der, welcher dort das Land bewohnt und beherrscht, schon mit den Augen Besitz von dem ganzen flachen Striche bis zur Kante des Velebitsch hinanf. Bis dahin sind alle Naturverhältnisse gleichartig. Darüber hinaus wird Alles fremdartig. Natürlich war es daher, daß von dcn ältesten Zeiten her Alles, was den Namen Dalmatian führte, das ganze Dalmatien selbst, der Strich Liburuien, die Grafschaft Zara, das morlachische Land BuceowiM bis zu dieser Gränzscheide und nicht weiter vordrang. In dem vom Velcbitsch umschlossenen jenseitigen Lande wohnte schon zu der Nömcr Zeiten ein eigenthümliches Volk, die Ia-Pyden, die auf dem hohen Grat des Gebirges ihre Gränzsteine mit den Liburnicrn hatten. Eben dieselben Gränzsteine haben noch lmttiges Tages die Morlachen und Kroaten, die Nachfolger der alten Libnrnier und Iapyden, miteinander. Freilich sind die Kroaten, ihre Herrschaft über die ihnen von der Natur gesteckte Gränze hinaus ausbreitend, zuweilen über jenen Höhenrand ihres Verg-Plateau-Kessels in das dalmatische Tiefland eingebrochen und haben hier Herrschaft geübt, so wie auch das Umgekehrte von Dalmatien aus statt hatte. Aber man ist doch immer wieder zu den alten Natnnnarkcn zurückgekehrt, die auch noch heilte, wie gesagt, ihre Geltung uicht verloren haben. Die Nömer haben schon voll Zara (.Inä< ril (^ownili) aus eine Straße über den Velcbitsch (Mn8 ^arm^) ius Land der Iaftyden (Kroaten) hineingebaut. Aber H46 Schauplatz einrs morlachischcu Naubüberfalls. nachdem diese Straße verfallen war, sind die Völker kriegend und handelnd Jahrhunderte laug auf Wegen über den Velebitsch gezogen, die den noch heute in Montenegro eristirendcn sehr Ähnlich sein mochten. Erst in neuester Zeit haben die Oestreicher wieder hier eine ihrer schönen Bergstraßen ausgeführt, die bei dem Punkte Prag in zahllosen malerischen Windungen über das Gebirge von Dalmatien nach Kroatien hinüberführt. Da wir uns in der Nähe desjenigen Punktes dieser Straße besandeu, wo, wie ich sagte, iu der vorvorigen Nacht ein blutiges Attentat vollführt worden war, so konnten wir der Versuchung nicht widerstehen, den Schauplatz dieser Mordscenen zu besuchen. Wir machten daher den kleinen Umweg, fuhren querfeldein und kamen nach zweistündiger Fahrt bei dem morlachischen Dorfe Smilcich oder Smilzitsch auf der Vclcbitsch-Straße an. C's dauerte auch nicht lange, so hatte uuser Kutscher, der selbst in der Dämmerung, die bereits angebrochen war, Auge« wie ein Luchs hatte, sehr bald die rechte Stelle ausfindig gemacht. Auf der Straße selbst war sie an der Seite bloß durch einige Auskratzungen des Bodens bezeichnet, welche die Pferde iu ihrem Todcskampfe gemacht haben mochten. Im Gebüsch aber auf beiden Seiten des Weges entdeckten wir 8 bis 9 kleine aus Feldsteinen gebaute Bastionen. Dieselben bestanden aus solchen kantigen und spitzigen Steinblöckeu, wie sie auf der Oberfläche von ganz Dalmatien zu finden sind, und die der Morlache sowohl als der Montenegriner und Serbe bei jedem Kampfe schnell zu einer Art Fort^ fication zurecht zu legen weiß. Diese kleinen Fortified tioncn waren rund, jede zur Aufnahme eines Kämpfers Schauplatz eines morlachischen Naubüberfalls. ^^7 geschickt und alle etwas schief gegen die Straße gerichtet, gegen den Velebitsch hin, von woher die Haiduken die Diligence erwartet hatten. Sie standen alle etwa sechs Schritt von einander und auch in angemessener Entfernung von der Straße in's Gebüsch hinein. Die zackigen Steine waren so geschickt und fest in einander gelegt, daß wir die kleine Mauer nicht einreißen konnten. Dieß war Alles sehr bedachtsam geordnet, und die verschworenen Räuber mußten ihren Plan lange vorher besprochen haben. Die Gegend war ringsumher stach, steinig und nur mit dürftigem niedrigem Buschwerke bedeckt, so daß die langen Morlachen über dieses weit und breit hinaus schauen und die Diligence schon von ferne hören und bei der hellen Mondschcinnacht auch erblicken konnten. — Mehre dieser bequcmlichen Kerle hatten in ihren kleinen Bastionen sogar Moos zusammengepackt, damit sie on 9U6nckmd recht bequem daranf liegen oder knieen konnten. Auch fanden wir Fidibus und andere Uebcrbleibsel dabei verstreut. Vermuthlich hatten sie zuvor ganz gemüthlich ihr Pfeifchen geraucht. Als sie den Wagen nahe genug glaubten, dechar-girlen sie mit schräggenchtetcn Schüssen alle anf einmal, tödteten einige Pferde nebst dem Kutscher, verwundeten andere Leute, — vermuthlich hatteu sie diese verschiede-^'n Zielscheiben ihrer mörderischen Kngeln auch schon im Voraus unter sich vertheilt, — brachten so den Wagen zum Stillstand und sprengten nach einem kurzen Gc-fechte mit den Oensdarmen die ganze Gesellschaft auseinander. Jene, die Gensdarmen, begleiteten den Wagen leider 3^8 Schauplatz eines mmlachischen Raubüberfalls. nicht zu Pferde, sondern nach einer alten, unzweckmäßigen Vorschrift, die vermuthlich jetzt bei der in ganz Dal-matien neu organisirten Gensdarmeric abgeschafft wor-den ist, in einem zweiten Wagen, der hinterdrein fnhr. Dieß mochte allerdings dazu dienen, die Kräfte der Gensdar-men zu schonen, mnßte aber im Falle eines solchen Kampfes ihre Wirksamkeit und Bewegung sehr gem-ren. Nachdem die Soldaten, Kntscher, Conducteure nnd Verwundeten, die der Uebermacht der Räuber nicht gewachsen waren, sich aus dem Staube gemacht hatten, sielen die Haidukeu über den Wagen her und raubten allen Geldeswerth, den sie finden konnten, darnutcr 5M) Gulden neuen östreichischen Papiergeldes, das in Zara ausgegeben werden sollte. Glücklicherweise aber hatten sie die große eiserne Geldkiste, welche die Hauptmmme enthielt und die in den Wagenkasten zu fesi eingelassen war, nicht so schnell öffnen können, als es ihnen wegen der vielleicht bald heraneilenden Soldatenvatrouille rathsam erschien. Sie hatten vergebens mit ihren Feld-steinen daran berumgchämmert nnd diesen Schatz am Ende im Stiche lassen müssen. — Anch die Leichname dcr armen Pferde, die dabei umgekommen waren, sahen wn' noch einige hundert Schritt weit vom Wege zwischen den Steinen und dem Gestrüppe liegen. Nachdem wir Alles besichtigt, setzten wir unsere Neise über Zemom'co nach Zara im schönsten Mondscheine fort. Viele berittene und nicht berittene Morlachen, die von Zara her kamen, begegneten uns. Ich hätte gcw gewußt, in welcher Weise sie jenen Vorfall nnter sich besprechen mochten. Da die Sache für die Räuber I» eclatant ausgefallen war, da diese ihren Streich so gut ^Unangenehme Vindnicke beim Abschiede von der Morlachei. 349 berechnet und so sicher ausgeführt hatten, da sie keincVerwun-betendabci zählten, ohne doch einen Kampf mit den Soldaten geschent zu haben, so war die allgemeine Meinnng, die Morlachen sprächen mit etwas weniger Abscheu und etwas wehr Bewunderung von diesem Coup, als es eigentlich Christen zukomme. Auch mache, so glanbte man, das Gc-sindel überall spitze Ohren und suhle gewiß die Begierde in sich wieder erwachen, auch seineu Antheil am Gewinn, zu haben und wo möglich nächstens ebenfalls einen Coup auszuführen, und alle Reifenden waren daher jetzt etwas angstlich. Die gute ueue östreichische Gensd'armerie wird dieß aber hoffentlich verhindert und die Sicherheit des Verkehrs m diesen Gegenden erhalten haben. Ich gestehe, daß ich mich eben nicht sehr wohlthuenden Betrachtungen über die Morlachen hingab, indem ich so den letzten Strich ihres Bandes bis zur Seeküstc durchfuhr, und ich bedauerte es, daß ich mit eiuer fo wenig idyllischen Impression von diesem interessanten Volke Abschied nehmen luußte. Dem Leser wird es auch weuigcr angenehm sein, als wenn ich ihm statt dessen eine schöne Liebesgeschichte vder einen so hübscheu Nomau, wie die Grafin Noseu-berg hatte erzählen können. Ich bin überzeugt, es fehlt Unter dm Morlachcn an dem Lieblicheu uud Romantischen nicht, und ich habe auch selbst hierüber schou einige Andeutungen fallen lassen; allein der Reisende muß, Wenn er eiu nützliches Bild lieferu will, sowohl die Schatten als die dichter wiedergeben, die ihm unterwegs W die Augen fallen. Nur darans kaun dann ein brauchbares und treffendes Gemälde hervorgehen. Wer sich einmal die Mühe gegebeu hat, wie ich es schou mit ewigen Ländern gethan habe, ihre Reiseliteratur durch I50 Die parallelen Linien der Neiseschilberungen. einen längeren Zeitraum hindurch zu verfolgen, dcr wird bemerkt haben, wie die mannigfachen Erfahrungen, welche die Reisenden selbst in den verschiedensten Zeitaltern machten, oft wnnderbar und auffallend einander ähnlich sind, wie diese Erlebnisse, so zusagen, constant bleiben. Der Leser wird daher einigen Respect vor den treu-berichtenden Reisebeschreibcrn bekommen, deren Routen und Schilderungen fast alle wie einander gleichlaufende Linien sind, — parallele Linien, aus deren Zusammensetzung am Ende das treue Bild des Landes hervorgeht. Im Grunde genommen kann der Reisende Alles, was ihm in einem fremden Lande auffällt und begegnet, als bleibend und charakteristisch betrachten, und er versündigt sich eigentlich gegen seine Pflichten, wenn er ein Glied in der Kette seiner Erfahrungen ausläßt. — Ich hoffe auch nicht, daß ich bei meinen freilich nur sehr dürftigeu Beiträgen zur Schilderung der Morlachen und dcr Morlachei nach irgend einer Seite hin bedeutend über die rechte Linie hinausgegangen bin. Ich hoffe, dcr Leser wird in dem, was ich vorbrachte, Gutes und Vöses so gemischt finden, daß, wenn er es sich zurecht legt, er am Ende die rechte Vorstellung von dem Volke empfängt. Uebrigens ist man allerdings auch in Zara noch nicht ganz zum Lande hinaus, und Manches werden wir noch innerhalb der prachtvollen Thore dieser Stadt, die sich jetzt hinter uns geschlossen haben, nachzuholen G^ legenheit finden. Kreilz- und Querzügc iit den Zaraliner Gasscn. I51 21. I a e a. Fabncirnng l>eg Ngl-gsOiiina äi x»in. Schon in der Morlachei hatte man mir gesagt, daß w Zara in einer Locanda ein ganz vortreffliches Zimmer zu vermiechcn wäre, und daß ich mich dort sehr wohl aufgehoben finden würde, wenn ich das Glück hätte, gerade dieses Zimmer frei zu treffen. Unterwegs bot sich mir eine Gelegenheit, Nachricht von demselben einzuziehen. Ich hörte aber zu meiner Betrübniß, daß es schon seit Wochen von einem anderen Reisenden besetzt sei. Es waren daher bei meiner Ankunft in dieser Stadt einige Kreuz- und Qncrzüge in ihren engen, nicht eben lieblich parsümirten, keineswegs tageshell erleuchteten lassen unvermeidlich, bis ich endlich ein recht wohnliches Ammer und gefällige Wirthsleute, die mich aufzunehmen sich nicht scheuten, fand. Doch hatte ich dabei den Vorteil, die Stadt gleich vom Anfang herein in ihren verschiedenen Abtheilungen kennen zu lernen und einige der lbr eigenthümlichen Scenen zu belauschen. In einem Hause, in das ich unterwegs hineinblickte, spielten ein paar kleine dalmatische Buben Soldaten. Obgleich sie babci unter einander italienisch sprachen, commandirleir sle doch in der Sprache der östreichischen Offiziere, nämlich beutsch: „Nickt oi!" (Richt Euch!) — „Feir!" (Feuer).— "N einer Straßenecke unterhielten sich ein paar Männer, vermuthlich Scogliaucr (von den Inseln vor Zara) sehr lebhaft mit einander, und dabei bemerkte ich, daß sie die 352 Italicnische und illyrische Sprachmischung' beiden den dalmatischen Inseln eigenen Sprachen buchstäblich i'!'0mi8cu« gebrauchten. Ihre Unterhaltung war zur Halste aus italienischen, zur Hälfte aus slavischen Phrasen zusammengesetzt, jedoch so, daß, wenn der Eine italienisch anfing, der Andere auch italienisch antwortete, wogegen, wenn dann der Eine in's Illyrische unischlug, auch der Andere seine Erwiederung illyrisch gab. Zuweilen war aber auch dieselbe Phrase aus illynschen und italienischen Ausdrücken zusammen-" gesetzt. — Aus eiucm Hause erzitterten melancholische Tremolandos der Morlacbcn, wie ich sie in dcr Nacht bei Verlieea gehört hatte, ans einem anderen, wo italienische Arbeiter noch spat, ich vermuthe wohl bei der Arbeit, aufsaßen, Gesänge, die gauz nach dem Muster der Lieder uuserer Reisegefährten auf dem Dampfschiffe componirt waren und die ich gleich als lombardisch-veuetianische Weisen erkannte. Ich freute mich sehr, daß ich nun in der Hauptstadt des ganzen Königreichs angelangt war, m welcher nothwendig so Vieles aus allen Theilen desselben zusammengeführt werden muß, und wo ich während der fünf Tage bis zur Ankunft des Dampfschiffes recht bequem manches Versäumte nachholen uud manches Geschaute recaftitnlircn konnte. — Auch muß ich gestchen, daß Zara nach der Reise in der Morlachei einen recht angenehmen Eindruck auf mich machte; ich glaubte wieder Culturboden uutcr mir zu habeu, und entdeckte hier zu meiner Uebenaschung auch außerdem so viele anziehende und merkwürdige Gegeustände, daß ich am Ende nur bedauerte, des Dampfers Ankunft nicht noch um andere fünf Tage hinausschieden zu können. Zara durch den Maraschino weltberühmt, Z5I Ich glaube, daß es der Stadt Zara wohl ungefähr so geht wie vielen großen Männern und Dichtern, z. B. dein dänischen Autor Holberg, der in der Welt berühmter ist durch seine launigen Lustspiele als durch sein dickes drei-quartbändigcs und treffliches Werk über die Geschichte Dänemarks, oder wie der italienische I^nlr<>«Ul8?oU»ioii, dessen N«me durch seine liebeglühenden Sonette an die Laura, deren er selber später nur achselzuckend und erröthend gedachte, bei vielen Millionen berühmt wurde, während nur wenig Auserwählte ihn wegen seiner gelehrten Forschungen und Studien kanuten und schätzten. — Nicht wer sich und Anderen durch Studium deu Kopf zerbricht, sondern wer sich an die Leidenschaften der Menschen wendet, ihr Herz oder ihr Zwerchfell erschüttert, oder wer ihnen den Gaumen kitzelt, wie z. V. Zara durch seinen Roso-lio, der wird bei ihnen allgemein beliebt und berühmt. Wer auch uur die römische Provinzialgeschichte stu-dirt und darin gesehen hat, daß Zara oder Iadcra schon damals der gewöhnliche Ein- oder Ausschiffungshafcn War fnr diejenigen, welche von Dalmatien und Illyricn "ach Istrien und Oberitalien, oder umgekehrt von dort hieher reisten, — wer auch uur sich die Mühe gegeben hat, die venetianischen Annalen zu lesen, um daraus zu erkennen, welche hundertjährigen Kriege die Venetianer um den Besitz dieser Stadt, sowohl mit den tapferen bürgern derselben, als auch mit den Königen von Kroaten und Ungarn und den Kaisern von Byzanz führten, der wird doch, mag er nun im Centrum aller Cultnr "der an dem Ende der civilisirten Welt an der Newa, Wolga oder am Missisippi leben, schon hundert Mal ^ou dem llosulio-Uul'.isoliino cli XIun>5Oi>i'" (Liqueur von den Kernen der Weichselkirschen). — Zuerst thut mnn nun das Fleisch der Kirsche in Bottiche, nnd es stellt sich alsbald die Gähntng ein. Die Kirschen gähren immer eifriger und werden dabei drei Mal dcs Tages umge-arbeitet, damit sich der Proceß gleichmäßig durch das Ganze verbreite, und die oberen Schichten nicht anders werden als die unteren. — Auster den Kirschen selbst wird auch stets eine gewisse Quantität junger srischcr Blätter des Maraskeubusches von Spalato verschrieben. Diese Blätter, von denen aber die Stiele zuvor sorgfältig abgepflückt werdeu müssen, zerstampft man und thut von dem gewonnenen Vlättermußc eiue gewisse Portion zu dem „Vino äi Zwt'er Nachgeschmack ist bei dem ächten Drioli äußerst üblich. Der Liqueur vcrhancht so zu sagen auf der 6unge wie Blumenduft, und während bei dem unechten oder minder guten immer ein mehr oder weniger sicher und fader Nachgeschmack bleibt, kommt bei dem ächten schließlich das Aroma der Weichselkirsche, der reine 360 Dalmatische Trinkwassernoth. Fruchtgeschmack, noch einmal zum Vorschein, so daß es also auch hier heißt: das Ende krönt das Werk. Die anderen Fabrikanten können diese Krone nie recht vollkommen herausbringen. — Unter den neuerdings in Trieft etablirteu Fabriken specnlircn daher anch viele bloß auf den Orient, wo man es fo genau nicht nimmt. Die Drioli aber arbeiten vorzugsweise für die civilisirte feine Welt in London, Paris, Petersburg u. s. w. -^ Es ist mir unbegreiflich, daß die Dalmatier, die doch den Rosolio so untadelig herausbringen, nicht anch andere Industriezweige mit gleicher Perfection betrieben haben. Als ich in Zara anwesend war, standen gerade alle Maraschino-Fabriken schon seit einem Monat still. Juli, August und September sind die Haufttmouctte ihrer Thätigkeit. Die Cisteruen. Für feme Liqucure ist also, wie man ficht, in Zara sehr gut gesorgt. Hätte die Stadt aber auch nnr eben so gutes, eben so untadeliges und eben so krystallklares Brunnenwasser. Allein mit diesem Artikel ist hier, wie überall auf den dalmatischen Inseln und Küsten, und wie anch in Trieft und Venedig große Noth. Mail kann sagen, daß, von Venedig angefangen, die gesamm-ten Küstenstädte uud Küstenländer auf der Oftseite des adriatischen Meeres*) kein anderes Wasser haben als das, welches sie sich in Eisteruen mühsam nnd ost nichl in hinreichenden Quantitäten sammeln. Nnr sehr wenige ') Stellenweise ist dieß auch auf dcr WMilc dcr Fall, z. ^' auf dll' apulischeit Küste. Der „Pozzista," 36 l Punkte haben Quellet,, Brunnen nnd Flüsse zur Seite. Das höhlen- und löcherreiche Kalkgebirge, ans welchem das ganze Land besteht, verschlingt alles Wasser, läßt es 'tt die Tiefe fallen und giebt es nur an wenigen Punkten, meistens ganz in der Nähe des Meeres, wieder von slch. In manchen Gegenden sieht man ^eute, — ganze kleine Caravancn von Männern und Frauen, tagelang über die Gebirge laufen, mit Wassereimern ans dem Kopfe, die sie bei einer weitentlegenen Quelle gefüllt haben. Auf manchen Inseln trocknen die Quellen und Cisternen zuweilen so aus, das; sie das Wasser bei irgend einer Flußmündung am Festlande schöpfen und zu Schiff übers Meer herbeischaffen müssen. W soll in sehr schlimmen Jahren schon vorgekommen sein, daß man das Wasser für Iara aus der Kerka, wohin die Schiffe eine Reise von zwei bis drei Tagen haben, holen mnstte. In Zara und vermuthlich auch in anderen dalmatischen Städten haben sie einen oberen Stadtbeam-ten über ihre Cisternen und Wasserangelegenheiten, den ^ ,,?0xxj8l!l*)," d.h. Vrnnnenmeister, nennen. Ich besuchte ^esen Herrn, nnd er hatte die Güte, mir einige Nns-"Mft über die interessanten Werke, welche schon die Rö-luer und später die Venetianer für die Besorgung der ^tadt mit Nasser angelegt haben, zn geben nnd mir verschiedene anf dem Nathhause befindliche Risse nnd Pläne ^eser Werke zu zeigen. Das Hauptwasserwerf, welches Iktzt in Zara cristirt, stammt von dem berühmten venc-^anischen Banmeister Sammicheli her. Es ist die größte ^nd gevriescnste Cisterne in ganz Dalmatien nnd wird ') Das Wort ist nicht rccht Italienisch, ctwaS Nn6n1a. 362 ,,Cinque pozzi.'- als ein Meisterwerk der Baukunst betrachtet. Man nennt es ,,(^nt>u«pnxxl" (die Fünfbrunnen), weil sich oberhalb fünf Schöpflöcher befinden. Es liegt am Rande der Stadt auf einem freien Platze zwischen dem Gonfterne-mentspalaste und dem öffentlichen Garten. Es ist ausgemacht, daß schon die Römer hier ein Elster-nenwerk hatten, welches Sammicbcli bloß umbaute und restaurirte. Die l'iloui (Pfeiler) und die ^iioonvülig/ionv (Nlnfaiigsmauern) des in der Erde steckenden Bassins sollen größtenlheils noch ursprüngliche Nömerarbeit sein. Diese Pfeiler und Mauern bilden mit denen, welche Sammicheli hinzufügte, ein grosics Bassin von mehr als 15W Quadratellen Fläcbenraum und von einem Cubik-inhalte von 40,W0 «»rili (Tonnen) Wasser. Durch gewisse versteckte Thore oder Schleusen kommt das schmu-zige Wasser von den Straßen, Gärten und Häuser -dachern in dieses mit Sand gefüllte Bassin hinein. Außerdem wird aber durch cm drei Miglien langes Aquäduct anch das Nasser eincr kleinen Quelle hineingeleitet. Der Sand liegt darin mehre Ellen hoch, jedoch so, daß über ihm noch ein ziemlich weiter und hoher Ranm bleibt, auf dem sich das einstürzende Wasser ausbreiten kann. Dasselbe sickert attmalig durch den Sand durch. Die gröbsten Unreinigkeiten bleiben schon vor den mit Gittern versehenem Eintrittsschlcuscn liegen. Minder grobe legen sich als eine Schlammschicht oben auf dem Sande an, und die feineren Substanzen bleiben unterwegs im Sande selbst stecken. Unten tommt das Wasser ganz klar an und trifft dann auf ein sehr solides und sestes Maulwerk (un inul-a :» 8L600), das unter der ganzen Cisterne weggeht und gar kein Wasser durchläßt. Dieses sam- „Cinque pozzi." 363 sammelt sich daher unten bei den bis auf die Tiefe hinabgcbauten fünf Brunnenröhren, die, im Uebrigen nngsum geschlossen, bloß unten Köcher und Spalten (li88ui-o) haben, durch die das klare Waffer eintritt und darin wieder bis zu der Höhe hinaufsteigt, welche es im ganzen übrigen großen Nanme des Bassins erreicht hat. — Die Schleusenthore auswärts müssen natürlich sehr oft gereinigt werden. Die Schlammschicht auf dem Sande muß man alle drei oder vier Jahre cin-Ntcil wegnehmen, weil sie am Ende das Durch siltriren hindern würde. Man kann inwendig in allen Näumen und Abtheilungen des ganzen Werks herumgehen, frei-llch mit einiger Unbequemlichkeit. — Zuletzt verstopfen slch auch alle Zwischenräume im Sande. Dieser wird eine dichte lehmige Masse und filtrirt nicht mehr. Er ^uß alsdann herausgeschafft und mit frischem Sande vertauscht werden. Dieß ist bei den „(^mquo poxxi" zum ätzten Male im Jahre 1848 geschehen. Nach hundertIahren etwa wird es wieder nöthig sein. — In dem mittleren Brunnen der Cisterne bcftndet sich auch ein Wassermesser, bannt man sich in jedem Augenblick von dem Stande des Nassers in der Cisterne überzeugen nnd darnach seine Maßregeln nehmen könne, Auch längs der Linie des ^quäducts, von dem ich sprach, sind mehre kleine Basils (vl»8^Iio) angebracht, in denen das Wasser, sie durch-"leßend, temporisirt und die als Schmnzdepositorien dienen. Die Römer hatten für ihre Cistcruen ein viel grö- ' ^eres Aquaduct, welches nach der Meinung Einiger das passer vierzig Miglien weit von den Wasserfällen der ^erka hnbciführte. Es ist über dieses slquädutt ein ^lreit zwischen den dalmatischen Gelrbrten entstanden, 364 Das römische Aquädukt. und Einige haben behauptet, ein solches Aquäduet sei unmöglich gewesen, weil das Land zwischen Zara und der Kerka bedeutend höher sei als die Wasserfälle dieses Flusses, und weil man nirgends die Tnnuel finde, den die Nömer etwa durch diese Hohen getrieben hätten. 6s fragt sich indeß, ob die Römer nicht doch einen geeigneten Thalweg durch diese Höhe zu finden wußten. Und vielleicht mögen sie anch Tunnels gehabt haben, die jetzt spurlos verschüttet sind, die aber später durch einen glücklichen Znfall entdeckt werden können *). Gegen die Annahme deS wirklichen Bestandes eines so großartigen Aquäducts spricht der Umstand, daß man nirgends an oder in der Nähe der Kerka eine Spur des Anknüpfungspunktes finden kann. Dafür aber spricht erst^ lich die Thatsache, daß sich von Zara aus wirklich eine große Strecke weit die Ueberrcste eines großen Aquäductcs, der in der Richtung ans die Kerka-Münd-ung fortgeht, noch heutiges Tages vorfinden, und zweitens der Umstand, daß sich in dieser Richtung außer der Kerka nirgends mehr ein reiches, beständigen Wasserüberfluß versprechendes Gewässer entdcckm läßt. Daß dem so sei, geht gnügsam daraus hervor, daß die Zaratiner, wie gesagt, noch jeltt in Zeiten der Noch ihre Zuflucht zu den Kerkacascaoen nehmen müssen. Ich befragte über diesen Pnntt den Oberinspcctor der Cinquepozzi von Zara, der in diesen Angelegenheiten natürlich eine Art Autorität sein mnß. Er seiner ') Ich erinnere hierbei an den merkwürdigen Wass"'t!!!!!"l der Römer zwischen Trier und (5i)ln. Das römische Aqnädurt. 365 Ecils nahm keinen Anstand, an die Enstcnz des Römer-^lquaducts zu glauben. Er sagte, er habc die ganze ^inie, auf der sich Spnren von diesem Aquäduct befänden, verfolgt. Die letzten und äußersten Reste davon fänden sich bei dcm anch von mir schon oben gelegentlich Mannten Orte Slosella, an der Spitze eines in's ^anv eindringenden Meerbusens, 30 Miglien von Zara entfernt, ^in Bogen des Aquäducts bilde noch heutiges Tages das ^hor dieses Orts. Daß dieses sogenannte Thor aber ein Theil des Aquäducts sti, erkenne man deutlich daran, ^ß sich über demselben uoch Theile von den aus gebranntem Thon gestalteten Canälen oder Röhren befänden, 'u denen die Römer das Wasser laufen ließen. Aber ^eilich über diesen Ort hinaus fände man keine Ucber-^'ste mehr bis zu den Kerka-Kaskadcn, die von da noch ^ deutsche Meilen entfernt sind. — Es lasst sich auch ^n Zweig dieser Wasserleitung nachweisen, der nach dem Wgen ^llrn V^ocllw (Alt-Zara), dem alten dalmatischen Belgrad (Albanians, Weißstadt) der Slaven, führe, das Ntlige für die von PtolemänS genannte Stadt Itwn-^n halten. — Man glanbt, daß das alte .^iaLi-a ^ara) eine sehr bevölkerte Stadt von wenigstens MM) "Nwohnern war, und für so viel Menschen lohnte es sich ^lin wohl, ein solches Werk aufzuführen. Einige Freunde hatten die Gute, mich noch den "bend zur Stadt hinauszuführen und mir den Anfang kl Mauern jenes merkwürdigen Aqnadnltes zu zeigen, ^an kann dieselben eine Strecke weit, längs des großen ^'ges, der in's Innere von IUyrien und Dalmaticn ^rt, verfolgen. Mit Unterbrechung gehen sie etwa !i ^uglien weit fort. Es sind große, aber sehr zerstörte 366 »La Fontana del Imperalore". Gemäuer, die jetzt zum Theil zu Einfassungen von Weingärten dienen. Nach 3 Miglien, wo sie jetzt aufhören, verließen sie vermuthlich diese Richtung, setzten in das Thal und Becken des Sees von Vrana über und gelangten durch dieses nach dem oben genannten Slosella und nach der Kerka. Ein Manesen-Dors. Wir kehrten längs des Meeres zurück, wo sick hart am Ranoe des erhabenen Ufers neben wüsten Feldern und Gebüschen ein kleiner Flußpfad hinzieht, den die Za-rantiner zu einein Spaziergange benutzen, den sie aber zu einer vortrefflichen Promenade umarbeiten sollten. — Diese Küstenpromenade, von der aus sich sehr interessante Ausblicke auf die Inseln von Zara darbieten, führt bis zu einer kleinen in's Meer hinabsickerndcn Süßwai-ser-Quelle, welche sie „In i^oMim« 6«! Impol-litnrs^ (den Kaiserbrunnen) nennen. Es ist ein sehr dürftiges Gewässer, aber dennoch ist es von einem alten Gemäuer und einem Bassin umgeben, das noch aus den Römerzeiten stammt und mit seinen Ruinen und umherliegenden Blöcken eine Meeresstrandftene bildet, die recht malerisch ist, besonders wenn die albanesischcn Mädchen aus dem benachbarten Dorfe Erizzo herabronutten, um hier Wasjer zu schöpfen. Albancsische Mädchen bei Zara? — Dieß möchte wohl Manchen in Erstaunen setzen, der von der Großmuth des venetianischen Dogen Erizzo gegen einige cil-banesische Flüchtlinge, denen dieser Fürst im Anfange des vorigen Jahrhunderts gewisse Felsenstriche in der Steinwüste von Iara schenkte, nichts gehört hat. — Aber cs Die albcmesische Kolonie. 367 lst eine den Geschichtskuttdigcn hinreichend bekannte Sache, baß über die armen, damals größtentheils christlichen Albanescn, nachdem sie im Jahre 1467 ihren großen Helden Scanderbeg verloren hatten, eine schwere Zeit der Noth und Verfolgung von Seiten der Türken hereinbrach, und daß min ganze Schwärme von ihnen mit Frauen und Kindern über das adriatische Meer hinübcrsiohen und im Königreiche Neapel Influcht fanden, viele aber "uch als Soldaten iu die Dienste christlicher Könige lrciten Diese Flucht- und Verfolgungszeit dauerte etwa ^6 zum Jahre 1532, von wo an keine Albanesen mehr nach Neapel kamen. Im Jahre 1800 soll nach Pouque- vllle die Anzahl der albanesischen Colonisten in Neapel noch 64,W0 betragen haben. Die Türken rotteten das Chnsten- tyiun in Albanien grojientheils aus und machten die Mchr- ^)lber Albanesen zu Mohammedanern, die nun selbst gegen ^e eigenen katholisch oder griechisch gebliebenen Lands- ^le feindlich gesinnt wurden. Es kamen daher auch ""ch später oft Christen-Verfolgungen vor, und im An- l""ge des vorigen Jahrhunderts, zur Zeit, als die Ve- ruaner ihre dalmatische Herrschaft am weitesten ausge- ))Ut hatten, wendete sich au sie ein kleiner Haufe katho- '")er Albancsen aus der Gegend von Antivari, der un- . ,^ Anführung seines Priesters vom väterlichen Boden ^rher sichtete. Der (^rzbischof Zmajewitsch von Zara, ^ früher Vischof von Antivari gewesen und ihnen be- ^Nt war, gewährte ihnen Unterstützung, und so beka- ^ sie zuerst einen Landstrich iu der Nähe von Zemo- ^° angewiesen. Hier wollten sie ein Dorf bauen, doch ^ch eine furchtbare Krankheit unter ihnen aus, welcher ^e erlagen, uud iu Folge deren sie abermals fliehend 368 Die europäischen Vorstabtcoloni^n. in die Nachbarschaft von Zara zogen, wo sic-znr E^' bauung eines Dorfes Erlaubniß erhielten, das sie zu Ehren des oben genannten Dogen „Grizzo" nannten. -^-Hier pachteten sie von den.Iaratinern einige Aeckcr und Landstriche, anf denen sie Wein- und Gemüscban für die Stadt betrieben. Ihre Aeckcr bei Zcmonico blieben aber dabei noch bis heute ihr Eigenthum, und sie bestellen sie von Erizzo ans, was etwas umständlich ist, du sie 6 Miglien weit davon entfernt sind. Ich besuchte natürlich diesen interessanten albcmes«-schen Ort, der überhaupt das einzige Dorf vor den Thoren von Zara ist, und zn dem, wie gesagt, ein gewöhnlicher Spaziergang der Zaratiner hinausführt. Ich gedachte dci-bei der holländischen Colonie bei Kopenhagen, der deutschen Dörfer bei Petersburg, der russischen Ansiedelung bei Potsdam, welche ähnliche Vorstadt-Geschäfte für ihre Haupt-städte übernommen haben, wie Erizzo für Zara, nämlich das Gemüsegarten-Wesen, die Viehzucht, die Milchcrzeug/ nisse uud außerdem auch noch das Schlachtwesen und den Fleischverkauf. — Aber freilich sieht Erizzo etwas malerischer, d. h. eigenthümlicher, wilder und ungeregelter aus als die besagten nördlichen Vorstadt-Colonieen. Man wankt auf dem Fußpfade über lauter Felsenknorrcn hin. Kürbisse, Weinreben und Gebüsche ranken wilv umher. Die Gehöfte und Häuser haben ganz die Fa^ l^on der morlachtsch->nontenegrinisch-albaneslschcn^Trogll>^ dytcnwohnungen, und das Ganze nimmt sich frappant so wie ein Stück aus der Mitte von Scanderbeg's barbarischem Lande ans. Ich besuchte einige albancsische Bauern in dem Inneren ihrer Wohnungen, die sie ganz von losem Stem Der Vewillkomnümngstrunk. ZZ9 gebaut und mit Steingeröll umgeben hatten, wie der albauesische Reisende Pouqucville dieß beschreibt, als wenn es auch hier noch Ueberfälle der Türkeu und Blutfeinde abzuwehren gälte. Die Leute von Grizzo sprechen drei Sprachen, dasIllyiische (Slavische), das sie der übrigen dalmatischen Landbewohner wegcn nöthig haben, das Italienische, wegen ibres Verkehrs mit der Stadt, und das Albanesische oder Skipctarischc, das ihre eigene Hei-maths- und Familiensprache ist. Kaum tratcu wir in ein Hans, so lief der Eigenthümer desselben zum Wcinfassc und füllte einen großen Becher mit vinn n^ic», welchen er uns zum gastfreundlichen Gruße entgegenhielt, als verstände sich dieß von selbst. Es ist hier eine allgemeine Sitte, den Fremden ^ zu begrüßen, und bevor man getrunken hat, ist der Grusi bei ihnen eben so wenig fertig, wie bei den ^ngläiwern, bevor man die Hand geschüttelt hat. — Wir mußten diesen Wein ans Artigkeit nothwendig kosten, denn sie halten es für die größte Beleidigung, ^enu ihnen Jemand den ihn, auf der Hausschwelle dargebrachten Trunk abschlägt. In Montenegro sott dieß ^gar hinreichen, mn ihm die Blutrache zu erklären. Sie nahmen uus Alle, obgleich wir ihucn nicht bekannt U'arcu, schr höflich auf nnd sahen bei unserem unerwar-letcn Besuche viel weniger verdutzt aus, als dieß wohl hie Und da bei den Bauern in England oder Deutschland der Fall gewesen sein würde. Wein tranken wir ihuen viel zu wenig; dennoch zeigten sie uns gern ihre häuslichen ^un'ichtnugen. Diese Leute haben, wie alle Illyrier, ^ne merkwürdige Grschilklichkeit darin, aus bloßen losen Und unbehauenen Stciuen ohne Kalk allerlei Mauer- I7(1 Aibainsische V.niart, Der Pfarrcr vou ^n^^o, Zimmer- und Hansgestalten zusammenzusetzen. Freilich hilft ihnen dabei nicht wenig die natürliche Form dcr Fclsbrocken des Landes, die alle von Hans ans sehr vielgezackt und durchlöchert sind und gleichsam mit natül-lichen Japsen und Zähnen sich von selbst in einander verschränken, wenn man sie über einander legt. Hie nnd da helfen die Leute anch etwas mit Kalk nach. Einige haben zuweilen die Ränder, Ecken und Kanten ihrer Dächer und Mauern mit Kalk bcworfen, so daß einige Kalkftreifen gleichsam wie Bänder das Ganze zusammen halten helfen. Nur Wenige haben alle Zwischenräuiue mit Kalk ausgefüllt, aber die Meisten hatten, wie gesagt, ganz wie nach Schlegel die Römer geballt: „MasD auf Massen gehäuft, ohn' anfügenden Kitt." Anch führten sie uns zu ihrem Pfarrer. Nie in meinem Leben habe ich eine eigenthümlichere Pfarrwohn^ ung gesehen. Dieser gute Ecelenhirte war ans dem Orle Erizzo selbst gebürtig, von einer albancsischen Bauers familie nnd gleich in dem bäuerlichen Hause seiner Aeltern wohnen geblieben, um die Wirthschaft des älterlichenHoM auS der er etwas mehr Subsistenzmittel zog als ans stin^ Pfarrstelle, besser verwalten zu können. Die eigentliche Pfarrwohnung, welche die Gemeinde gebant hatte, ließ er daher leer stehen. Bei diesem guten Manne, der nach der gastfreundlichen illyrischen Weise, trotz unserer Re^ monstrationen, vor allen Dingen wieder eine Wei^ siasche zwischen sich und nns setzen ließ, sahen wir cine Menge slavischer und albanrsischcr Bücher. (5r verstand noch sehr wohl die Sprache der Albanesen oder, wie einige unserer Gelehrten lieber sagen, der „Skipetaren, Dcr Name „Slipctarcn" kcin laudeoüblichcr. I7l als wenn damit etwas Aechteres, Volksthnmlicheres und Bezeichnenderes gesagt würde. Allein dieser Name „Ski-petaren" ist bei den Albanescn noch weniger bekannt oder landesüblich als der Name Morlachen bei dcn dalmatinischen Serben. Es ist etwas recht Betrübtes um unsere geographischen Volksnamen. Man freut sich darüber, wenn man su einen ncnen schönen Namen gefaßt hat, und meint, daß man mm recht genau etwas Ve-stimmtcS und Eigenthümliches damit bezeichnen könne, und auf einmal erfährt man dann, daß so ein Wort bloß ein Sckelt- oder Spitzname ist, den einige müssige Fremde erfunden haben, den das Volk selbst ganz des-avouirt, uud daß dieses für sich gar keine so scharfe und bequeme Bezeichnung hat, sich vielmehr als Theil einem großen unbestimmten Ganzen, z. V. den Slaven, unterordnet, oder am Ende sich wohl gar bloß „Landeskinder" oder „Menschen" oder so etwas nennt. So soll nnn auch wieder der Name „Skipctar" gar nichts gen an bezeichnen. Es soll eine italicniM Erfindung sein und von dem italienischen Worte „^lunppc^iic)'-, d. h. Büchsenschühe (von .^cln^m", d. i. Flinte) kommen. Die Albanesen bekamen dann diesen Namen von den Italienern ungefähr eben so wie die Germanen (Geer-Mannn) oder die Sachsen (von „Sara", einem den Sachsen eigenen Schwerte) von den Nömern. — Ich fragte den albanesischen Pfarrer, ob er und seine Lente ihres Vaterlandes Albanien noch wohl gedächten und ob sie es labten. „c>lim6 no?" (Wie denn nicht?) erwiderte er lasch. „Wir gedenken noch stcts des Landes unserer Väter; Gott segne es! Auch kommen noch alljährlich 24* 372 Das vierfach grlröittc Marienbild, einige unserer Landsleute zu uns, uns zu besuchen, und es kehrt keiner von den Albanesen, die nach Trieft oder Venedig handeln, ln Zara ein, ohne uach Erizzo hinauszukommen und die Landsinannschaft zu begrüßen. Auch lernen noch alle unsere Kinder von ihren Müttern das Albaucsische." — Die illyrischcu oder slavischen Bücher des Pfarrers waren alle in glagolitischen Lettern und zwar in Nom gedruckt, die albanesischen in ,,?k Maria und das Christuskiud auf dein Altarbilde hatten nicht wie der Papst dreifache, sondern vierfache silberne Kronen anf dein Haupte. Ich habe dieß mehrfach >" dalmatischen Dorskirchen bemerkt. Obgleich das Uebrige bloß in Oel gemalt ist, so sind doch die Kronen der Marienbilder von wirklichem Silber. Auch hatte die Maria so zahlreiche Perlenschnüre und reiche Schmuck-sacheu um den Hals hängen, wie ein serbisches Mädchen» So giebt denn der Mensch seinen Heiligen nicht nur menschliche Gestalt, sondern in jedem Laude auch mehr oder weniger von seinem nationalen Costüm. Die Kathedrale. 373 D j t K i r ch c n. Mit Erizzo und Albanien schloß ich den Abend meines ersten Tages in Zara. Mit den interessanten Kirchen der Stadt begann ich den Morgen des zweiten. Zara ist eine Stadt von etwa achttausend Einwohnern, und in den Kirchen einer Stadt von dieser Größe in unserem protestantischen Norden, z. V. in Preußen oder in England, wird man in der Regel änßerst wenig Gegenstände finden, welche die Phantasie ansprechen, oder an welche sich ein bedeutendes historisches oder kunstgcschichtllches Interesse knüpft. Aber hier ist das anders. Die Kirchen von Zara fand ich ganz über meine Erwartung reich an manchfach ansprechenden Kunstgegen-standen und Monumenten. Vorerst die Kathedrale der Stadt, die von dem Dogen Heinrich Dandalo im Anfange des dreizehnten Jahrhunderts gebaut wurde. Die Venetianer, welche sl'unMsche Kreuzritter nach dem Oriente überfchiffen Eliten, nahmen diese Gelegenheit wahr, besser für ihr eigenes Interesse zu sorgen; sie engagirtcn die französischen Herrcn, ihnen im Vorbeigehen zum Besitze des rebellischen ^cua, das sich damals an Ungarn angeschlossen hatte, 6u verhelfen, eroberten eS mit ihrer Hülfe und wüthe-len bei dieser Gelegenheit so unbarmherzig gegen die Stadt, die in Flammen aufging, daß sie nachher reuig 'lt stch gingen und jene Kirche bauten, nm, wie es ^"nt, anch den Papst etwas zu versöhnen, der über ble Gewaltthat der Kreuzritter gegen (Christen zürnte. ^ ist möglich, daß der Doge Dandalo, der diese Kirche Ilrichsnnl zur Sühne anfbaule, dann auch die franzö- 374 Die Kathedrale. fischen Kreuzritter und ihre Soldaten zur Beisteuer und Mithülfe beizog. — In Zara erzählte man mir daher, daß die Franzosen einmal, als sie den Zaratinern Unrecht gethan und die alte Kirche der Stadt zerstört hätten, von den Bürgern gezwungen, eben diese neue Kathcdale hätten aufbauen müssen. Und dieß scheint die volks-thümliche Version zu sein, welche man hier der Sache gegeben hat. Die Kirche ist im lombardisch-byzantinischen Style gebaut, und es ist daher dei ihr Alles rundlich. Die Bogen der Fenster, Thüren, Schisse schlagen einen Halbkreis über den anderen, und man empfängt den Eindruck, als wenn man in mchrc alt einander gesetzte und aus Stein componirte große Weinfässer einträte. Ich begreife nicht, daß die verschiedenen Schilderungen, die ich von Zara gelesen habe, so wenig Aufhebens von dieser Kirche machen, die aber allerdings der Engländer Wilkinson mit Necht eines der merkwürdigsten Gebäude aus der christlichen Zeit in ganz Dalmatien nennt. Der Altar, den ein von kostbaren Säulen getragenes, höchst elegant geformtes Dach überdeckt, steht wie ein kleines Zelt mitten im Chorflügel. Altäre dieser Art habe ich mehre in Dalmatien bis nach Vattaro hinab gesehen. Eine ganz vortreffliche Schnitzarbeit ans einem schwarzen Holze bieten die Chorstühle dar. Auch zeigte man mir sonst noch Kostbarkeiten aller Art in der Kirche, z. V. einen aus Sllber getriebenen „I'^wralo" (Bischofsstab), eine sehr bewundernswürdige Gold- oder Silberschmiedsarbelt aus dem Mittelalter. Auch öffnete man uns das Reliquiario und illunu- Der entwendete Kuochcu dce> hl'iligl'n Marcus. I75 nilte cs. Der Eingang zu demselben ist von hinten, wo die Sacristane durch eine versteckte Pforte hineinkrochen und dann von unten her innerhalb des mit Fenstern verschlossenen Schreines erschienen lind nns die Prachtstücke durch die Fenster beim Kerzenschimmcr zeigten. Ich mußte mich wie in Nagnsa über die Menge von Dingen wundern, welche die frommen Lente des Mittelalters hier zusammengebracht hatten, durch Antanf, Schenkung und auch durch frommen Naub. Das merkwürdigste Stück ist „uli a88a cli 3wl'^o" (ein Knochen des heiligen Marcus) in einem silbernen Kasten. Ein Zara-tiner wußte im Oriente durch List zum Schrein und Leichnam des heiligen Marcns zn gelangen, noch bevor derselbe nach Venedig gekommen war, und nahm ihm einen Knochen aus der Schulter hcrans, damit auch seiue Vaterstadt Zara wenigstens einen kleinen Antheil an dem Heile, das dieses wunderthätige Pfand verbürgte, bekäme. Die Venetianer, nachdem sie den übrigen Kölper des Marcus erhalten hatten, wünschten auch den unrechtmäßig von den Zaratinern entwendeten Knochen wieder »li erlangen; aber diese wußlen alle deßwegen an ste ergangene slnfforderuugcn und Befehle zu eludiren. Mnmal ließen sie sich mit den Venetianern auf einen Tauschhandel ein. Diese sollten ihnen ein Stück vom Kopfe des heiligen Titns, des ersten Apostels des Christenthums in Dalmatien und daher deS verehrtesten Heiligen des Landes, schicken, wofür die Iaratincr ihnen den Knochen des heiligen Marcus verabfolgen lassen wollten. DiePene-Naner schickten auch wirklich das Stück von dem Kopfe des ^itus, iltld die Zaratiner behielten es. Aber den besagten 376 Dev entwendet« Knochen des hnligm Marcus. Marcuskuochen behielten sie auch und haben ihn bis auf deu heutigen Tag uicht zurückgeschickt. Sie freuen sich vielmehr, daß sie nun Beides besitzen, uud Manche mögen uoch jetzt glaubeu, daß die kostbare Reliquie ihrcr Stadt Ruhm uud Heil bringt, obwohl sie durch Diebstahl erlaugt und durch Wortbruch behalten ist. Ich sprach darüber mit einem Sacristano, dem ich etwas in's Gewissen redete, der mir aber lächelnd erwiderte: „Ich weiß nicht, wie unsere Vorfahreil es gemacht haben, die Venetianer hinter's Ächt zu führeu; aber wir wascheu jetzt uusere Hände in Unschuld und erfreuen uns der für uns glücklichen Fügungeu; denn es ist doch wohl uusere Pflicht uicht, die Vcnetiauer, wenn sie ihren Marcnskuochen vergessen haben, daran zu erinnern/ Mich däucht, diese Kauf-, Schenk-, Tausch- und Diebstahlsgeschichten der Reliquieu und Heiligenbilder gehören zu den nlliosesten Fällen und Problemen für den Psychologen und Juristen; freilich kamen auch schon im Alterthume Eutwcnduugeu und Entführungen von Gotter-statuen vor. Orestes z. B. raubte das Bild der Diana aus Taurieu. Um Reliquieu, sowie um ihre Freiheiten uud Privilegien habeu die Zaratiner, die ehemals sehr tüchtige Leute, kernige Bürger und eifrige Republikaner gewefett zu sein scheinen, Jahrhunderte lang mit den Venetiauern blutig gestritten und sie lange als ihre Unterdrücker angesehen, gegen die sie unzählige Male rcvoltirten. Aber während der langen Zeit der späteren Unterthanenschaft haben sie doch am (Sude Sympathieen für sie gewounen, und jetzt gedenken die Zaratiner des gebrochenen Marcus-Löwen fast mit eben so viel Theilnahme, wie die Vene- Die vcrgrabmcn venclimnschcn Paniere. 377 tianer selbst, was natürlich kein Wunder ist. Die Za-latiner uersichern daher auch, daß die „Nlmaior« lioll» Ilypubdlicil^ (die venctianischen Paniere) im Dome neben dem Altare von den Priestern versteckt und vergraben seien. Einige glanben aber, die Oestreicher hatten diese Paniere hier ausgegraben und entführt oder zerstört. Manche sprechen dagegen: sie lägen sicherlich noch da, aber nur Wenige kennten den eigentlichen Ort ihres Verstecks. Mich erinnerte diese Geschichte an eine ähnliche Sage in unserer hanseatischen Stadt Bremen, wo das Volk anch glaubt, daß ein zweites Rolands-Panier oder Rolands-Bild unter den Gewölben desNathhauses der Etadt vergraben sei, damit es verwahrt würde, wenn etwa ein Napoleon oder sonstiger Eroberer die alte Sta-lue, die als Ieichen der Freiheit und Unabhängigkeit der Stadt auf dem Marktplatze steht, umwerfen sollte. Haben doch auch die Böhmen ihren Löwen, die Deut-schen ihren alten Kaiser sich in Höhlen und Gebirgen schon längst verkriechen lassen, wie jetzt neuerdings die Haratiner ihren Marcns-Lö'wen nnter den Kirchen-Altar. Noch viel sonderbarer als die Entwendnngs-Ge-slhichle jenes Knochens des heiligen Marcus ist das, Was sich einstmals die Königin Johanna von Ungarn bei ihrer Anwesenheit in Iara in einer anveren Kirche ^er Stadt erlaubt hat, nämlich in der St. Simeons-Kuche, wo der ganze Körper des heiligen Simeon, des Schutzheiligen der Stadt Iara, ausbewahrt wird. Eine frühere Königin von Ungarn, Elisabeth, hatte diese kost-bare Reliquie znr Stadt gebracht und sie derselben gedenkt. Sie wurde mit der größten Feierlichkeit einge-^ll. EZ wurde ihr eine eigene Kirche gewidmet, und 378 Der Sarkophag dcö heiligen Cimcon, sie wurde in einem prachtvollen silbernen Sarkophage beigesetzt, den man noch hentigcs Tages hinter und zmn Theil über dem Altar, von 4 Engeln emporgehalten, schweben sieht. Dieser Sarkophag, der in der Kirche eine sehr schöne Figur macht, soll ö(il)l) Unzen an reinem Silber wiegen und 22,000 OuoiNi ä'oro werth sein. Früher aber waren anch die großen schönen Engel, welche ihn tragen, von Silber. In einer Ieit der Noth nahmen aber die Venetianer, mit oder ohne Erlaubniß des Heiligen, diese Engel weg, schmolzen sie ein und setzten dafür 4 bronzene an die Stelle, die aber freilich aus türkischen Kanonen gegossen und sehr gnt gearbeitet sind. — Zwei große Oelbilder zu der Seite des Altars stellen die Geschichte der Ankunft und deS Empfanges des heiligen KörperS dar. Der heilige Simeon erlangte bald einen großen Nuhm in Dalmatien, Ungarn und überhaupt in der Christenheit, und jene oben genannte Königin von Ungarn nild Neapel/ Johanna, bai, als sie einmal durch Zara passirte, die Iaratinische Geistlichkeit, man möchte ihr etwas von der Reliquie des heiligen Simeon mittheilen. Äl-leiu die Priester wollten sich unter keiner Bedingung dar-ans einlassen. Johanna, die, wie es scheint, eine äußerst verschmitzte und eigensinnige Frau war, bat nun, matt möchle ihr wenigstens den Schrein öffnen und sie den heiligen Simeon küssen lassen. Dieß geschah. Und während dic Königin sich zum Küssen ans die Hand des Körpers niederließ und es den Anschein hatte, als wenn sie mi Zon^äoUim) ist ein Bild der Maria, welches Einige für einen Titian halten. Andere nber glauben, es sei von Titians Bruder, Cesare Vecellio, genialt. Von demselben ist hier auch eine Kreuzigung Christi, auf welcher der finstere tief melancholische und trauernde Himmel und das bleiche Licht, das mitten in ber Finsterniß auf den Gekreuzigten fällt, vortrefflich und ergreifend dargestellt sind. „!5 un<> lucx' f^>llu! u un del pLN8i K'W« in lito Croca umw). ^ttch dieser Altar steht in einer ganz katholischen Kirche, gleich ^ cmcr anderen Confession angehört. K"I,l, !!tc>ic in Dalm^icu, ll, 25 Hßß Die Dinatnsfn'ch,,'. Die Alterthümer. Die letzte Kirch,,', welche ich ill Zara sah, war die des San Douato. Sie gehört schon halb oder ganz in die Kategorie der römischen Alterthümer der Stadt, und obwohl man jetzt ein von Fremden beinahe nie besuchtes Magazin daraus gemacht hat, so ist sie doch eins der merfwiirdigsten Gebäuden von Zara. — Es war ein heidnischer Tempel, der erst zu einer christlichen Kirche und dann zu einem Magazin umgewandelt wurde. Man hat mehre Etagen und Waarcnböden darin angebracht, und die schönen Säulen und ihre zierlich ge^ arbeiteten korinthischen Capitälcr blicken überall durch das an ihnen befestigte Holzgebälkc und Vretcrwerk durch. Mich erinnerte diese Donatuskirchc etwas an die des heiligen Doimo in Spalato. Nach Farlati (einem Schriftsteller, der ein großes, sehr bekanntes Bnch über die kirchlichen Angelegenheiten Dalmaticns geschrieben hat) befindet sich in der Donatnskirchc eine Inschrift, die besagt, daß eine gewisse,^^u!«^, ()uinw, Tochter des Marcus," diesen Tempel der Juno geweiht babc. Es giebt aber auch sonst manche interessante Ucber-reste aus dem römischen Alterthume in dieser Stadt. Die Substructioncn der Cisternen und das Aquaduct erwähnte ich schon. Am ersten fallen aber jedem Besuchs die beiden großen antiken Säulen auf, die jetzt aufzwe' verschiedenen öffentlichen Plätzen stehen, die eine a«! dem Krantmarktc, die andere in der Nähe des Negier-ungspalastes. Sie sind sowohl dem Augenschein alo dcl Vm antiker Marmorpilaster als Schandpfahl, 387 Tradition zufolge Röincrarbeit. Die auf dem Kraut-'narkt (pii»/^ii äcllo l'il,e) ist die größere. Sie besteht aus drei großen Marmorblöckcn, einem Knäufe und Pie-Estate. Alle Ecken sind sehr abgenmdet, ausgebrochcn und abgewaschcn. Man sagt, daß diese Sänle ursprünglich einem Tempel der Livia Augusta angehört habe. Die Venetianer haben sie als Träger ihres Marcus-gcnins benutzt. Oben haben sie einen Block angebracht nnd darauf ihren Löwen gefetzt, dessen Phy-swgnomie aber jetzt noch mehr verwaschen ist als die Säule selbst. Weiter unterhalb hängt ein in Stein aus-gchaueues Wappenschild, An der einen Seite der Säule 'st ein eisernes (Ktuit oder Futteral angebracht, um an -Markttagen eine Fahne hineinzustecken, auf der anderen "ber eine dicke Kette mit Halseiscn, an dem die Pene-tlaner arme Sünder zur Schau ausstellten. — Also bleute dieser schöne antike Marmorpilaster anch als Schand-pfahl. W^,i f^i^te ^>ili ganzes Buch über die verschiedenen Arten schreiben, wie man im Mittelalter die ehrwürdigen Reste des Alterthums gemißbraucht und zum ^'rger der Antiquare herabgewürdigt hat. Dieß Ausstellen cm: HalSeisen hat in Iara, glaube ich, jetzt auf-Mört, leider aber noch nicht das Hcrnmwandeln der "ut Ketten beladenen Sträflinge in den Straßen. Wie ^ ben ungarischen Städten hört man sie hier überall ""l ihren schweren Ketten klirren, da man sie zur Nci-"lgung der Straßen und zu anderen öffentlichen Arbei-k" benutzt. Dieß ist eine schwere Strafe für daS Pu-'lcum und für jeden Uuschuldigcil, der nun mit diesen ^lräflingcn auf denselben Trottoirs wandeln und die 25* 388 Porta marina linb Porta terrafirma. melancholische Kettenmusik mit anhören mnß. Man hat in neuerer Zeit viel gegen die öffentlichen Hinrichtungen gesprochen, wodurch das Zartgefühl verletzt und das Pu-blicum demoralisirt würde. Dieselben Gründe lassen sich gegen dieses alltägliche Kettengeklirre anführen. Eine der interessantesten Antiquitäten in Zara ist das Stück eineS Triumphbogens, das jetzt das Hafenthor (poi-lü inkli-inli) der Stadt bildet und einer langen Inschrift zufolge von einer rctcheu römischen Dame, KWU« ^,riiana, ihrem Gemahl, I.epiclni8 liii88U8, gesetzt wurde. Wie fast alle die dalmatischen Städte, so hat auch Zara zwei Hauptthore, ein Secthor (l'oitti inunnu) uud ein Fcstlandthor (l'arw tt'l'l-asirmi!). Dieses letztere ist hier in Zara, eben so wie auch anderswo, das am meisten geschmückte und größte. (Ich bemerkte schon bei dem Diocletianischen Palaste in Spalato etwas Aehnliches). Der große Baumeister Sammichele hat es im Jahre 15^3 gebaut, als ein gewisser „Diedus" in der Stadt Zara l^nw8 und „Michael Salomon" I'i-iisoclii» war. Es ist das schönste Stadtthor in ganz Dalmatien. Ich bettachtete es häusig und gern und las die alte venctia-nische Phrase, die so deutlich darüber ausgchanen steht, als ob sie noch immer eine Bedeutung hätte: ,,I'ux ud> ölill-cu Kvim^'Ii8le Antifcnsnmmlimss in bcr O^ll l'ollo^i'nii. werke, Metall- und Glaswaarcn, auch schöne römische Gläser, alles iu Staub und Spinnengewebeil verkommend und häufig von Mäusen und Katzen besucht, die durch die nicht immer geschlossenen Fenster aus- uud cin-spaziercn. — Das östreichische Gouvernement, namentlich der Kaiser Franz, soll den Besitzern schon einmal sehr vortheilhafte Anträge gemacht haben über einen Ankauf, d. h. über die Errettung dieser Gegenstände ans dem Verderben. Aber sie haben auch diese Anträge nicht angenommen. Sie spannen ihre Forderung gar zu hoch. Nnd doch behandeln sie diese seltenen Dinge mit weit größerer Fahrlässigkeit, als jeder kleine Kaufmann und Krämer seine Töpferwaaren, seine Mandeln und Nosi^ ncn, oder seine Schwefelhölzchen! llnd doch wachsen diese Dinge keineswegs alljährlich nach wie die Pomeranzen, Citronen und Schwefelhölzchen! Der Palast der alten venetiamschtn Proveditoren. Zu den für einen Historiker und Geographen in-' teressantestcn Dingen gehören in Zara die, welche in den unteren Nänmen des Gouvernementspalastes bewahrt werden. Dieser Palast war die Residenz der alten vene-tianischen General-Provcditoren von ganz Dalmatien, die hier eine Art Hof, wie Fürsten, hielten und sich mit dem Pomp orientalischer Satrapen umgaben. Es war einer der einträglichsten, ehrenvollsten nnd von den venctianisclM Nobili am meisten ambitionirten Proeonsulposten der N^ publik. Gewöhnlich blieben die Proveditoren drei Jahre hier und wurden dann meistens als Proconsuln nach der Levante versetzt, die ihnen freilich — wenigstens zn einer Die große Gharte von Dalmatian. H93 gewissen Periode — noch mehr Ansehen nnd Glanz gab als Dalmatien. Unter den merkwürdigen Dingen, welche man die Güte hatte mich hier anschauen zu lassen, war erstlich das Archiv und zweitens die große Charte von Dalma-tien, welche dort ausgearbeitet wird. Die letztere ist ein Wahres Wunderwerk von Reichthum und Genauigkeit, Und hätte ich von dieser Charte, deren zahlreiche Abtheilungen in mehren großen schönen Räumen aufgestellt Ünd, einen Abklatsch mit nach Hause nehmen können, so hätte ich davon mehr Erkenntniß Dalmatiens sammeln und ablesen mögen, als sonst aus irgend einem anderen Werfe. Sie enthält das vollständigste Bild des ganzen Landes. Es ist sogar jeder Weingarten nnd jede Oliven-Wanznng darauf verzeichnet. Sie wurde im Jahre 1824 begonnen, ist aber noch nicht ganz vollendet. Das Original N)ird hier natürlich deponirt bleiben. Aus ihm wird aber die Vervollständigung der östreichischen Generalstabs-Charte der ganzen Monarchie, die Dalmatien bis jetzt noch nicht Umfaßt, hervorgehen, sowie sie auch die Quelle vieler anderen bald zu hoffenden näheren Kenntniß des Landes sein wird. Das Archiv theilt sich in ein altes und ein neues. In dem alten sah ich noch daS Document über die letzte und schließliche Ergebung Zaras an die Republik Venedig. Doch sind hier wie auch in Nagusa Pävsteche Bullen die allerältesten Documcnte, welche man besitzt. Auch finden sich hier noch ganze Massen von Briefen und Correspondcnzen zwischen den Dragomans der venetianischen Republik mit den serbischen Herzögen, Königen und Banen und den späteren türkischen 394 Das Archiv. Paschas von Serbien, Bosnien, der Herzegowina und Albanien. Wer Zeit hätte, diese Documente alle zu lesen, zu sichten und den Stoff in seinem Kopfe zu verarbeiten und zu comprimiren, der möchte im Stande sein, viel schöne Kenntniß der Geschichte dieser Länder an's Tageslicht zu stellen. Das neue Archiv ist abgetheilt iu die Dokumente 1) aus der Periode der ersten östreichischen Herrschaft in Dalmatien von 1797 bis 1806, 2) aus der Periode des italienischen Königreichs von 1806 bis 1810, 3) aus der Periode des französisch-italienischen Königreichs von 18l0 bis 1813, 4) aus der jetzt noch laufenden Periode der zweiten östreichischen Herrschaft von 1813 bis 1851. Diese letzteren Doenmente sind wie alle vorigen meistens in italienischer Sprache geschrieben, doch giebt es auch einige deutsche Schriften darunter. Denn zwar ist die officielle Sprache, in welcher selbst die obersten Behörden Dalmatiens mit Nien corresponoiren, die italienische» allein für gewisse Branchen dieser Cornspondenz voll Zara nach Wien hat man die deutsche Sprache eingeführt. Vermischte». Ich habe mit dem größten Vortheile für mich einige Schulen von Zcua besucht, sowie ich auch keilte Werkstatt und keinen Kramladen dieser Stadt beachtete, olme einige Kenntniß für das Laud uud Volk daselbst zu gewinnen, was ich nur deßwegen bemerke, um aucl) andere Reifende zu veraulassen, dasselbe zu thuu und sich solche Gelegenheiten nicht entschlüpfen zu lassen. -" Deutsche Kuhglocken. 395 Es ist mir zwar, ohne weitläufig zu werden, nicht möglich, hicr allc die verschiedene»! Besuche, die ich machte, zu schildern; aber von jeder Gattung meiner flüchtigen Aufzeichnungen will ich doch beispielsweise noch Eines oder das Andere hinzufügen; Andere werden auf demselben Wege weiter spüren. In einer Gesellschaft hier in Zara trank ich eine Sorte ganz vortrefflichen Bocea-Weiues, von dem ich in der Boeea selbst nichts erfahren hatte. Wie viel mag außerhalb der Weingärten auch sonst noch in der Bocca zu finden sein, wovon ich dort gar nichts vernahm! Aus einem Kaufladen vernahm ich bei eiuem Spaziergange ein Glockengeläute, wie das der schweizerischen Alpcnlühe. Ich ging hinein und fand einen Morlachen, der sich eben wirklich eiue solche Kuhglocke einkaufte, um su, wie er mir sagte, seiucr Hauptkuh anzuhäugen, damit sie die übrigen führe und leite. ^- Die Leute bekommen hier seit ewiger Ieit diese Glocken von Trieft, und die-selbeu verbreiten sich nun auch in den dinarischen Alpen, in Bosnien und der Herzegowina. Ich fand bei weincm Kaufmann ganze Haufen solcher deutscher Kuhglocken vorräth ig. Der üble Geruch in den Straßen Iaras uud überhaupt wohl aller dalmatischen Städte wird recht nnleid-llch beim Sciroceo; die Bora hingegen rnnigt die Luft und nimmt den Dunst aus den Städten. In meiuem Wirthshanse machte es mir Vergnügen, lu sehen, wie die Dalmatier aus ihren Küchenzetteln die Namen der deutscheu uud englischen Gerichte italienisiren. "^rul" pher „kU'uIW" erschien hier statt „Strudl", "biätok" statt „Uealste^", „Iwäclmo" statt „Pud- IW Italienische und slavische Familiennamen. ding." — An den Wänden meiner Küche hingen alle Morgen verschiedene Fische, Meeresnngethüme, wie ich sie noch nie gesehen hatte; einmal ein großer „Dl>iU:iI" mit einem furchtbar dicken Kopf, ein anderes Mal ein ,,N«rdan6", den ich auch gebraten auf die Tafel bekam. Mein Locauda-besitzer nnd Koch war aus der Stadt Adria gebürtig, was mich sehr interessnte, weil ich diese alte Stadt, die dem adriatischen Meere den Namen gegeben hat, aber jetzt 25 Miglien von der Meeresküste entfernt liegt, nie gesehen habe. Auch diese Stadt ist jetzt wie Aqui-leja, wie Venedig, wie Trieft, wie alle dieses Meer, dessen Herrschaft Oestreich aus sehr vielfachen Titeln in Anspruch nimmt, einst beherrschenden Städte, östreichisch. Die kleinen Straßenjungen in Zara singen italienische Lieder ganz in der Art und Weise und ganz in dem Tacte unserer italienischen Soldaten auf dem Dampf" schiffe. Mit dem Deutschlernen ist es hier nicht weit her. ES ist zwar seit langen Jahren ein Professor der deutschen Sprache in Zara angestellt, er hat aber keine Schüler. Die Namen der Bürger der Stadt sind zur Hälfte italienisch, zur Hälfte slavisch, z. V. ein Uglessich nnd ein Vevilaqua, ein Stancich und ein Fabri, ein Negovetich und ein Dellavia. Einige Familiennamen schienen mir aus italienischen und slavischen Elementen zusammengeflossen zn sein. Ist dieß nicht z. B. bei dem Namen Ciglianovich der Fall? oder bei diesem: ^iov.-mni Kl^IigiwvioI» ^' dinani? Selten erscheineu einmal deutsche Namen, z. V' Zelger, Boetner, Kadmaun, oder magyarische, z. B. NagY- Von Journalen gab es in Zara 165l) zwei: ll Ogsei^ vnt,ol-<; I)«Imuw und dann l» ^xxeUg äi /ara. Es sl«V Journale, Buchhandlung, Schulen, 397 zugleich, wenigstens jetzt (1850), die beiden einzigen Blätter in Dalmatien. Beide sind der Hauptsache nach in italienischer Sprache geschrieben, doch enthält das erstere auch Manches in illyrischer Sprache. Der O^oi-viUors I>älml,l,o ist Regierungsblatt, enthält außer dcn gewöhnlichen politischen Nachrichten auch geschichtliche Entwickelungen und belehrende Aussähe für's Volk. Die Ka^tta äi Aiii-i» ist Opposctionsblatt. Es war eben jetzt vom Feld marsch all Nadctzky für Italien verboten, obgleich es in Dalmatien noch fort erschien*). Ein ausschließlich slavisches Blatt giedt es in Dalmatien jetzt nicht. Eine ganz vortreffliche und wohl versehene Buchhandlung lernte ich in Zara in der von Battara kennen. "^ Man kann flch hier mit einer Menge litcrarischer Hülfsmittel über das Land versehen, die man anderswo, l« B. in Wien oder sogar schon in Trieft, vergebens sucht. Von dcr schulpflichtigen Jugend von Zara gehen ^ Procent wirklich in die Schule. Auf dem Lande ist "ber das Verhältniß noch viel ungünstiger. Dorfschulen 3^'bt es dort noch jetzt fast nirgends. Die Venetiancr, b'e überhaupt in Dalmatien für Schulen gar nichts ^)cttcn, die nicht einmal die Begründung einer Druckerei l" Dalmatien gestatteten, ignorirten das slavische oder, ^le sie pst sagwi, „scythischc" Element beinahe völlig, ^ur die städtische Jugend wurde unterrichtet und erzogen, ^"d cilich diese nur dürftig und vermittelst der italienischen Sprache. Für die Bildung deS slavischen Elements, *) Ich habo gchött, baß es seitdem ganz unterdrückt ist. 398 Nautischer Untnricht. „1il,8«iu und „Kcüi-Iuw". obwohl dieses in Dalmatien beinahe zcbnmal so stark ist, als das italienische, geschah gar nichts. In ganz Dalmatien besteht noch heutzutage keine einzige slavische Volksschule. Es wurden zwar in den letzten Dcccnnien mehre Dorfschulen angelegt. Jedoch stellte man in ihnen meistens Lehrer an, die der Volkssprache ganz unkundig waren, und in .denen man dem illyrischen Bauer hauptsächlich italienische Sprache beibringen wollte. Zum Gluck sind seitdem mehre dieser Schulen wieder eingegangen. Seit einiger Zeit hat man jedoch für italienische Schulbücher gesorgt, wclcbe eiue illyrische Uebersetzung zur Seite haben. Del nautische Unterricht — für die seefahrenden Dalmatier so wichtig — war bis auf die neuesten Zeiten herab ganz den Bemühungen von Privaten überlassen. Einige nautische Privatlehrer hatten sich in Zara, Spalato und Sebenico ctablirt. Seit einiger Zeit aber hat man Seiten der östreichischen Negierung der Normal-Schule der Stadt Zara (ln,s>. Itegm 8ouakl ^orml»!^ <üa^il:>It!
  • lo" versorgt, das so viel bei dem M- Alte Münzen. 399 tionalcostüme der Dalmaticr verbraucht wird. Ehemals bekamen sie fast allrs Ecarlato aus Venedig, jetzt beziehen sie es auch aus Deutschland (Kärntheu). Ätanche sagten mir, das vcilctianische sei beliebter, weil es besser Farbe hielte, besonders im Seewasser. Andere aber meinten, es wäre dieß nur ein Vorurtheil und könne höchstens von den geiucinen Gattungen gelten. Dir besseren Sorten des Scarlato würden alle im deutschen Oestreich gemacht. Außerdem aber ginge viel deutsches Fabrikat unter fremdem, italienischem und euglischem, Namen in den Orient. Bei den Goldschmieden in Zara, deren Läden kein wißbegieriger Reisender unbcsucht lassen sollte, fand ich allerlei interessante Dinge, namentlich viele alte Münzen, von deuen man, wenn man Glück hat, manches gute Stück hier aufkaufen kanu^). Auch sah ich hier eine eigenthümliche Operation. Diese Goldschmiede von Iara gebrauchen nämlich die bekannten kleinen schneeweißen, ktwas härtlichen und kalkartigen Schilder, die der Tintenfisch hat, um darin Figuren auszuschneiden und allerlei Metallgüsse in ihnen wie in Thon oder Gyps zu bewerkstelligen. Am letzten Abende meiner Anwesenheit in Zara, ') Die Morlachen schreiben den allen Münzen und Medaillen °we gewisse Zauberkraft zu. Dieß ist ein uralter Aberglaube. Schon ^ heilige Hierouymus .kämpfte gegen den Aberglauben, den die ersten Christen ucnnentlich den Münzen des Augustus beilegten, ^'bt sollen unter den Morlachen die Münzen nnd Medaillen der ^l- Helena sehr berühmt und besonders wirksam gegen Epilepsie mn. Sie kaufeu aber unter dein Namen der Helena-Münzen über-h"upt viele alte Mimzen. 400 Abreise. als wir eben, von einem Spaziergange heimkehrend, durch die schöne koiw wrrnscl-mn von Sannnichele wieder in die Stadt eintraten, sagte mein Begleiter: „Sehen Sie doch, wie schön die Sterne blicken!" Ich blickte auf, und in der That der ganze Himmel leuchtete in über-schwänglicher Pracht von zahllosen brillanten Welten über uns. Lieber Gott, welche unbegreifliche Fülle! Und wie mag man in steter Gegenwart solcher mächtigen Zeugen der Allmacht des Schöpfers noch so kleinen Dingen in Dalmatien nachjagen. Ich hatte über Dal-uiatien und seine Angelegenheiten die ganze übrige Welt schon seit Wochen vergessen, und als mein Freund mir den Kopf zum Himmel aufrichtete, wunderte ich mich über die Glorie fast wie ein Neugeborener. — Es war gut, daß ich eben mit Dalmatien zu Ende war, denn sonst hätten mir meine höchst irdischen Beschäftigungen wohl etwas verleidet werden können. 33. Seefahrt von Iara nach Nriest. Am anderen Morgen bei Zeiten nahm uns der Lloyd-Dampfcr wieder für Trieft an Bord. Wir fanden unseren alten Capitän, unsere grotesken illyrischcn 3lo-stromini, unseren kleinen Mozzo wieder, leider aber auch den stürmischen Ecirocco, der die See zn schäumenden Wellen anfhob. Viele Iaratiner, Herren «nd Damen, Kinder und Volk, begleiteten ihre "Ut uns reisenden Freunde und Vcrwandtc an Bord ""d Die Steinhühn n im Hi'chnerbauer. 4t)1 liefen auch noch, Hände und Tücher schwenkend, so weit, als sie konnten, längs des Quais mit, an dem unser Dampfer, sich ill Bewegung sehend, vorüberruderte, und dessen Spitze nns nun sehr bald im Rücken blieb. Das Meer war wild, und wir tanzten bald an Uglian, Rivagn, Sestrngn, Melcda und anderen Wüsten oder doch Beinahe-Wüsten — ich gebe zu, daß auf jeder Insel einige Huudert armer Scog-lianer gegen dieß „Wüste" Protestiren mögen, — vorüber. ^ Glücklicherweise faud ich hinter dem Mastbamn ein großes Kabeltau im Kreise der Art zusammengelegt, daß üi der Mitte ein bequemes und tiefes Loch blieb, wie in einem Vogelneste. Hier sehte ich mich hinein und las den ganzen Tag über in einem geschichtlichen Werke über Dalmatien. Ich saß darin ganz prächtig, und lerute da recht Gütlich kennen, wie richtig die Vögel für ihre Nester in den schaukelnden Zweigen die Halbkugelform wählen. Denn das Schiff mochte sich nnd mich herumwerfen, wie es Zollte, ich kam in meiner Rnndung immer recht zu sitzen Und ließ mich in meiner Lecture nicht stören, — außer zuweilen um einmal nach einem Haufen lebendiger "lmihühner zn sehen, die in einem Hühnerbauer nicht ^eit von mir steckten und sich entsetzlich ängstlich gebärdten. Es waren ihrer 20 mit lanter rothen Schnäbeln, wthen Füßen und rothen Augen und mit der eleganten Mdcrfärbung, die jenen Thieren in ganz Dalmatien bis Nach Griechenland hinab eigen ist. Die Morlachm wis->en diese Vögel, die in ihren Steingebirgcn zwischen den Felsklüftcn und Spalten so häufig ihre Ncster haben, kben-.'9 zu sangen. Dieß machen sie so: Sie nchmen einen 'kfen Korb odcr Kasten, graben ihn m die Erde oder stecken K"l,l, Ncisc in D.'lmalicn. II. 26 /j()2 Der Fang der Stonchühncr. ihn in eine Felsenspalte. Alsdann bereiten und ebenen sie einen kleinen Weg oder Canal zn diesem Korbe hin nnd strenen Gerstenkörner darauf, die sie vorher etwas gebrannt haben, damit die Vögel sie desto besser riechen. Die Eteinhühner kommen nnn, diese Körner auffressend, bis znm Rande des Korbes, der bedeckt ist. Als Fort-sehung des verführerischen Canals ist aber unter dem Deckel ein Loch und eine Klappe angebracht, die, wenn der Vogel, um den äußersten Leckerbissen wegznuaschen, sie betritt, auf der Stelle niedersinkt und das Thierchen in den Korb hinabsalleu läßt. Diese Weise, das „Griw-na" — so nennen die Slaven das Stcinhuhn, welches bei den Italienern ,,<^l,ul-na" und bei unseren Naturforschern das „griechische Rebhuhn"'-*) heißt, — zu fangen, ist bei allen Morlachen, Montenegrinern, Albanesen und vermuthlich auch bei den Griechen gebränchlich. — Die entsetzliche Dummheit und Wildheit dieser scheueu Thiere hielt mich auf der ganzen Reise in Erstaunen. Ihr Käfig war mit einem Wachstuche oder Segellappcn bc> deckt. Nur auf der einen Seite drang das Lichl frei durch das Gitter. Hier drängten sie sich alle beständig herbei, trampelten unaufhörlich vor den hölzernen Stäben hin und her, wie von der gräulichsten Angst getrieben, und steckten znweilcn ihre Köpfe mit stieren rothen Augen durch die Zwischcnräume. Auf das Fut" ter, das ich ihnen hiustrente, um sie etwas zu berubigen, achteten sie nicht im Geringsten. Auch schien jedes w seiner Angst egoistisch nur an sich selbst zu denke«. Denn da alle zwanzig immer gleichzeitig in dem Käfig st^ ') Oder loti-lin Nusn», Dummheit und Wildheit der Eteinhühncr. HdI hinüber- und herüberwarfen, wie eine schaukelnde Welle in ciner bewegten Schale, so entstand jedesmal in der Ecke bei der Wendung ein Gedränge, und dabei wurden dann immer einige von den anderen niedergetreten. Diese konnten sich nur erst wieder erheben, nachdem alle rothen Beine und Krallen ihrer Freunde über sie weg-spaziert waren und ihre bunte Federtoilette gehörig in dem Schmuzc hcrumgezaust hatten. Ich habe nie einen Löwen sich so wild in seinem Gefängnisse benehmen sehen. Auch am anderen Tage, nachdem sie 2-l Stunden gehungert und sich vergeblich abgemartert hatten, fand ich diese Thiere noch unbesänftigt. (Kinige von ihnen waren ganz matt getrampelt und fielen gleich unter die Füße ihrer Genossen, so wie der Tanz los ging. Dennoch aber ganz unbelehrt und dnrch die tausendfache Erfahrung nicht im Geringsten gewitzigt, und obwohl hinten im 'Käfig Platz genug war, um sich zu verkriechen, machten lle sich doch sofort wieder auf die Veine und schlössen sich, um nach den Löchern! dem Lichte! der Freiheit! zu streben, bie keins von ihnen erlangte, dem Haufen von Neuem an, der sie alsbald wieder ganz unbarmherzig niedertrat. Die Morlachen und überhaupt die serbischen Sla-vm, deren Geschichte ich, wie gesagt, in meinem Anker-tcm-Neste las, haben anch genng von diesem über--schwänglichen und wilden Naturtriebe zur Freiheit, und 1le haben sich auch oft genug wund gerungen in ihren unaufhörlich wiederholten und so häufig vergeblichen Versuchen znr Selbständigkeit. Ich sage, die serbischen SIa< veu. Denn die Slaven kroatischen Stammes zeichnet der edle Freiheitstrieb, wie man allgemein in Dalmatien behauptet, nicht in so hohem Grade aus. Die Kroaten 26* 404 Die Insel Orsero. auf don lange den Venetianern unterworfenen Inseln sind viel gclenksamer und unterwürfiger, haben auch nie dieses unaufhörliche Kampffcuer gegen die Türken unterhalten, wie die Serben, die Morlachen, die Montenegriner n'. Das slavische Element in der Republik Nagusa, in der Poglizza, bei den freien Montenegrinern ist serbisch. Der serbische Stamm, der später in Dalmatien einrückte als der kroatische, wurde dann auch erst später von den Venctianern unterjocht, von den Vcnetiancrn, die ihren Völkern in ihren Provinzen überall den Gehorsam so gut zu inoculiren wußten. 23. Sussin Wieeolo. Am Nachmittag lag die Insel Oftro vor uns, und bald liefen wir in die schöne Bai ein, welche sich in der Mitte der langen Insel als rettender Hasen darbietet. Wie lieblich ist die Einfahrt in eine solche stille und allseitig geschützte Bai, wenn draußen im Quarnero die wilde Jagd des Scirocco und der schäumenden Wogen tobt. Die Bai ist länglich und ganz zwischen Gebirgs-armen versteckt, wie ein mit dem Meere in Verbindung gesetzter Binnensee. Man glaubt in ein mit Wasser ge-füUtes Gebirgsthal einzufahren. Eofort, als wir «m die Ecke kamen, war das flüssige Element ruhig und glatt, m.d wie einen ohnmächtigen Feind, der nicht mehr schaden kann, sahen wir den Ecirocco, dessen Flug" mit dunkeln Rl-belmasftn beladen waren, hoch über unjeren La valle d'Augnslo. 405 Häuptern hinwegbrcmsen. Der besagte Busen wird da-her auch von den Eingeborenen nicht Golf oder Vncht, sondern „Thal" genannt, „das Thal des Augustus" sin v»llo 6'^u^u8w). Auch viele andere ähnliche Mee-buchtcn heißen auf den dalmatischen Inseln „Thäler", z. V. „Vgl!« äi Nesolnmova" bei der Insel Veglia, „Val-lono 6i CI,6r8o" bei der Insel Cherso, „Val cii 8tngna" bei Ragusa, „V<>I cli 0oi8il" auf Lessina :c. — Das Augustus-Tbal auf Osero soll seinen Namen davon haben, weil einer Volkstradition zufolge einmal der Kaiser Augustus hier vor dem Sturme des Quar-nero Rettung suchte und, wie man sagt, mit seiner Flotte überwinterte. Wenn ich auch zweifle, daß sich dieß historisch nachweisen läßt, so wäre es doch wenigstens sehr möglich gewesen, denn der Hafen dieses Thales ist ebenso geräumig, als tief und geschützt. Im äußersten Hintergründe liegt die merkwürdige Stadt I.u88in Picon!», die 5ch iu neuester Zeit durch ihre großartige Handels- und Schisfahrtsthätigkeit so bedeutend hervorgethan hat und jetzt mehr Schiffe besitzt als Nagusa, Svalato, Zara, oder als irgend ein anderer der dalmatischen Häfen, und deren Einwohner mit den Bocchescn von Cattaro in weitgehenden Speculations wetteifern oder sie darin schon übertreffen. Ich hatte bereits viel von diesem Orte gehört, und da ich begierig war, ihn etwas näher in Augenschein zu "ehmen, so stieg ich an's Land und fand in dem Pretore der Stadt einen äußerst gefälligen Mann, der mich als kundiger Begleiter überall hin führte, wohin ich verengte. Nicht weit von I.u88in ?iooaw liegt I.u88in 6t-iM(l«, auf der anderen Seite der Insel, eine Stunde 406 Lussin Grande unb Lussin Piccolo. weit über den sie trennenden mittleren Gebirgsrücken von Oscro hinüber. Dieses I.u«8in (^ranäs hat von jeher viele Schiffer erzeugt und viel Schifffahrt getrieben. Schon um die Mitte des vorigen Jahrhunderts, sagt der venetianische Schriftsteller Fortis, seien viele vene-tianische ,,(!«pit!,ni äi V«8o«l!i" von hierher gekommen-Wie aber Tuest als adriatischer Haupthafen an die Stelle Venedigsgetrctcn ist, wie auch an den Luuc^o äi t^littaw sich in nenrrer Zeit das von uns genannte Dobrota in Verbindung mit Trieft emporgeschwungen hat, das mit Venedig verbundene Perzagno aber etwas in den Hintergrund getreten, wie auch in dem von uns genannten Orebitsch anf Sabioncello ein neues Leben erwacht ist, und wie es überhaupt scheint, daß, wenn die Mittelpunkte eines großen Handelssystems sich verändern, ebenso aUe Nebenpunkte leicht etwas verrückt werden, !l> ist denn in neuerer Zeit auch das kleine Lusstno dem älteren großen über den Kopf gewachsen. Alte Gewohn> hciten und Connerionen giebt der Handelsmann und Schifffahrer eben so schwer auf, und neue knüpft er eben so schwer an, wie der Mensch dieß überhaupt thut. Da-von Prositiren die Nachbarn, nehmen williger die slch darbietenden neuen Gelegenheiten an und werfen, mit der neuen aufgehenden Sonne emporsteigend, den alten Con-currcntcn zu Boden. Dieß ist wahrscheinlich die Geschichte mancher jener kleinen neu aufgetauchten Handelshafen in den iüyrischen Gewässern. Die näheren Umstände, die zunächst zum rasche" Aufblühen von I.U58M piou«!« Veranlassung gaben, ^'" zählte man mir an Ort und Stelle so: Es hätte M Das Aufblühen von I.u«5M ?i<-c-n1<>. Hl)? ein DaUors Namens Bernardo Eapponi") am Ende des vorigen Iahrhnndcrts hier niedergelassen und angefangen, den Leuten in dcr Mathematik und Nautik Unterricht zu geben. Er wäre anch mit einem anderen unternehmenden Manne in Verbindung getreten, der den Praktischen Schiffbau verstanden und angefangen habe, Schiffe zu bauen. Veide hätten nun durch uncrmüdeteu Eifer zuerst das Feuer bei den Leuten angeblasen und die Epeenlationen in Mode gebracht, und diese hätten dann bald so um sich gegriffen, daß nicht nur alles frühere Leben von 1^53,11 (iliuKilo auf der Ostseite nach ^U88in ?iouul« auf dcr Westseite hinübergezogen sei, sondern dieses auch überhaupt zu dem wichtigsten und lebensvollsten Orte dn quarnerischen Inseln sich emporgeschwungen habe. Noch im Anfange dieses Jahrhunderts hatte I.U881N pieoolo kaum etwas mehr als tausend Einwohner, jetzt hat es so viele Häuser, die meistens neu sind, und darin eine Bevölkerung von etwa sechstausend Seelen. Damals beschäftigten sich die Einwohner mit etwas Fischfang und Gartenbau und standen "ltch wohl als Matrosen im Dicnstc der Capitäne von I.U88W ttr»näe. Jetzt haben sie es in Ieit von v'ttzig Jahren zu einer eigenen Flotte von 108 Schissen "6> lungc» n?ic«olo) — und betreiben von ihrem Wohnorte aus Speculationen aller Art, sehr entlegene Weltenden unter einander verbindend. Ihre Marine und ihre ganze Geschäftsthätigkeit ist demnach in hohem Grade der der Vocchesen und der ehemaligen Raguser ähnlich, deren Flotte ebenfalls nur zum geringsten Theile mit der Ausfuhr der Producte des Landes beschäftigt war, vielmehr den Spaniern, den Neapolitanern, im Oriente, in Amerika, auf allen Meeren zur Vermittelung und als Frachter diente. — Es ist wahrscheinlich, daß schon seit den ältesten Zeiten auf diesen dalmatischen und namentlich auf "lejen quarncrischen Inseln, in diesen liburnischen Gewässern, die auch unter den Römern ihrer geschick-tw Schiffer, ihrer guten Schiffe und ihrer trefflichen Dienste wegen, die sie als Seefuhrleute leisteten, berühmt Waren, schon viele solche Lussin-Piccolos aufgetaucht ltnd, eine Zeit lang blühten und dann vom Schauplatze Wieder abgetreten sind; denn wenn die Mythe von °en Colchiern und Argonauten, die sich hier auf den siuarnerischcn Inseln festsetzten, mit Flotten kämpften und ^uf den Schiffen und auf dem Meere mit einander wett-nferten, einen historischen Sinn haben soll, so deutet sie 410 Die Schiffswerften. doch wohl vor allen Dingen auf eine schon in uralter Zeit blühende Schifffahrt dieser Leute hin. — Ihre alten Städte Apsorros, Krepsa u. s. w. mögen dem Handel der Stadt Adria auf ähnliche Weise mit ihren liburnischen Schiffen gedient haben, wie sie später Aqui-leja und Ravenna und dann Venedig damit diente», und wie I.U38M piccolo jetzt den Triestcrn dient. — Die neue Blüthe dieses PflanzorteS ist daher wohl uur als ein Reis zu betrachten, das aus einer alten Wurzel emportreibt. Wir besahen die Schiffswerften der Stadt, die deren zwei hat, und fanden hier mehre Schiffe in Bau, unter ihnen eines von 12000 Staja (500 Tonnen). Das Holz zu diesen Schiffen kommt meistens ans Istrien. Die Leute müssen es thener bezahlen, aber dafür läßt sich auch etwas mit solchem behanenen, getheerten und bewimpelten Holze verdienen. Während der großen Getreide-bewegung des Jahres 1847 waren die Lussiner in der Adria, im „Um-nc,'«" (schwarzen Meere) so thätig, daß s^ in diesem Jahre allein für zwei Millionen Gulden an Fracht verdient haben sollen. Ich hörte hier im „<^u"i" nOl-o" so viel vom ,M!il-nol-s>" sprechen, daß es nur schien, als ob beide noch wie zu den Ieitcn der Argonauten durch einen schiffbaren Flußcanal mit einander zusammenhingen. Gewiß haben schon damals die Handelsspecu^ lationen anf beiden Meerestheilen an der Wurzel der griechisch-slavischen Halbinsel auf ähnliche Weise zu^ sammengehangen, wie dieß jetzt der Fall ist. Die Bewohner von Lussin, sowie aller quarnerische" Inseln überhaupt sind Slaven und ihre häuslichen Sitten, sowie die der Raguser, dem Wesen nach ganz slavisch- Geschichte eines iMorinsro." 411 Allc Familiennamen, die ich hier hörte und in den Verzeichnissen der Echiffsngenthümer sah, waren slavisch, lauter Vidulitsch, Vidovitsch und andere „litsch" und „witsch." Dabei sind sie aber in Bezug auf die Sprache alle doppelzüngig; sie sprechen und verstehen nämlich außer dem Slavischen auch das Italienische, welches letztere ihre Geschäfts- und höhere Conversationssprache ist. Ich möchte sagen, die Mutter revräsentirt das slavische, der Vatcr das italienische Glemeut, wie dieß auch M Ragusa der Fall war, wo einmal durch eiu Scnats-^onsult den Fraueu verboten wurde, Italienisch zu sprechen. Alle häuslichen Einrichtungen und Sittcu siud dem Wesen Nach slavisch, sowie sie auch in ihrer Fannlie immer slavisch (kroatisch) mit einaudcr redeu. Man hatte die Güte, mich in eins dieser Häuser einzuführen, wo uns die Frauen sehr freundlich aufnahmen. Ich sage die Fraueu, denu die Männer wareu entweder todt oder uicht zu Hause, wie dieß hier gewöhnlich der Fall ist. Der Begründer dieses Hauses hatte, wie mir seine Wittwe erzählte, als „Mii-inm-o" (Matrose) begonnen, sich als solcher, genügsam lebend, etwas zusammengespart uud dann ein „1>al)l,llc>Ia^ (fleines Küstenfahrzeug) gekauft. Darauf hatte er sie, seine Frau, geheirathet, sehr glückliche kleine Epcmlatioucn gemacht und sich eine Brigg von 3000 Staja (venetianischen Mctzen ^ 4500 Wimer Metzcn) angeschafft und war endlich zu einer Brigg von 6000 Metzen gelangt. Aus diesem Schiffe, mit dem er bis an sein Lebensende vom „^uili-n^ro" lulu „Nm-nt^o" und vom ,Miii-lwrc>" zum,Arolupewg0" >nhr, war denu das Haus iu I.u88in piconio hervorge-Mngeu, zuerst klein angelegt und mit Hilfe eiuigcr von ^42 Ziisammenkwhnen bcr Familien. Anderen aufgenommener Capitalien, später weiter ausgebaut und seiner Schulden entlastet. Das Schiff, die „Li-ig ^U3t,l-i«oo Hllli-iü.......," diese ihr Glück begründende Argo, hatten sie portraitirt und in aller Pracht ihrer Segel und Wimpel in ihrem Gesellschaftszimmer unter Glas und Rahmen ausgehängt. Diese Familiengeschichte ist in nuce die Geschichte von ganz I_,u88in ?jocolo und von den Einwohnern vieler kleiner dalmatischer Handelsorte. Alle diese Marineres legen alsbald ihre Ersparnisse in einem kleinen Hause an, das sie auf ihren heimischen Felsen im Quarnero erbauen, in dem sie eine hübsche Frau etabliren, und das sie dann allmälig, so wie ihre Mittel wachsen, mit schönen Möbeln, mit Geschenken aller Art, die sie aus fremder Herren Ländern ihren Frauen mitbringen, und mit Kindern füllen. Wenn die Töchter und Söhne heranwachsen und heirathen, so bleiben sie nichtsdestoweniger im Hause der Aeltern selbst, und es werden ihnen und ihren Kindern ein paar Zimmer eingerichtet, in denen sie dann unter Leitung des Oberhaupts der Familie wirthschaften. Dieß Zusammenbleiben der Familimzwcige unter einem a/«" meiusamen Haupte ist bekanntlich eine ziemlich allgemeine südslavische Sitte. Können sie nicht alle unter einem Dache bleiben, so nisten sie sich doch wenigstens ganz dicht nebeneinander an. Bekanntlich leben auch die Bauern in der kroatisch-serbischen Militärgränze so patriarchalisch unter ihren Familienhänptern beisammen, sow»e ich schon oben andeutete, daß die Dörfer der Morlachcn in der Negel nur als verschiedeue Familienstämme betrachtet werden müßten. — Ebenso leben in dem Thale von Canale bei Nagusa die verschiedenen Familien- Die Familicncasse. 413 stamme unter ihrem patriarchalischen Oberhaupte, das bei ihnen „Domatschin" (ungefähr ^ Hausherr) heißt. Die Gränzen der Gewalt des Hausherrn waren in den ragusischen Gesetzen eben so bestimmt, wie in den römischen die des ?ul6i- lamilins. Sein Rath ist in allen Familienangelegenheiten entscheidend. Er bestimmt, wie der Anbau des der Familie zugehörigen Landes betrieben Werden soll. Er hat sogar das Recht, unter den verschiedenen Familienmitgliedern seinen Nachfolger nach Willkür zu ernennen. Spuren von diesem Alleu finden s deru, so zu sagen, neumodige uud wohlhabende Handelsleute und Schifffahrer, und ich freute mich nicht Wenig, uoch einen so bedcntenden Nest der uralten so oft gepriesenen slavischen Sitte und Gastfreiheit bei diesen Wohlhabenden Lnssinem wieder hervortreten zu sehen. Sogar die allcrreichsten unter ihnen leben ganz el>en so familienweise, z. B. dir Vidolitsch, das erste Haus in I.U88IN I'iceoln. Mcm sagte mir, daß diese vidolitsch jetzt aus fünfzig Mitgliedern, Frauen und Kinder mitgerechnet, beständen. Sie hätten alle eine Mluilieucasse für die gemeinsamen Einnahmen und Ausgaben. Sie wohuten, wenn auch nicht alle unter emrin Dache, doch in mehren ganz nahe bei einander stehenden Häusern, uud weil die Vidolitsch gewissermaßen "le Rothschilds von I.u88in ?i«on!c> wären, so pflege Man scherzweise das Qnarticr der Sladt, wo ihre Häu-'^ bei einander ständen, „n<>l lchclw" (im Gbetto) zn ""n,cn. Ueberhanpt sind die Slaven, wie ich schon ^ Nagusa bemerkte, große Frenndc von Beinamen, ^ld so nennen sie anch hier in I.u5«in 1'iooulu die vcr-Ichiedenen Familien oder Häuser hänfiger nach gewissen l" Schwang gekommenen Beinamen, als nach ihren christ-^'hen Tauf- und Familiennamen. So z. B. hcisit hier 416 Beinamen, ein gewisser Herr .... itsch nicht .... itsch, sondern „i! Ao^kiiwi-o," weil er viele Zechinen oder baare Duca-ten besitzt. Gine andere Familie .... itsch heißt auch nicht . . . .itsch, sondern „w karising," weil die jetzige Vorsteherin derselben lange in Paris war und viel von dieser Hauptstadt der Welt zn erzählen weiß. Das Haus Vidolitsch hat Commanditen und Comptoirs in Älerandrien, in Konstantinopel, in Odessa, Taganrog, am ganzen „Marnero." Die Vidolitsch haben sich sehr liberal gegen ihren Geburts- und Wohnort gezeigt und ihm noch kürzlich ein Hospital geschenkt. Die hänslichen Sitten der Leute von l.U88in pioeolo sind, wie gesagt, slavisch. Aber ihre Kleidung ist italienisch, auch die der Frauen, bis auf das Kopftüchel. Ein italienischer Strohhut ist bei ihnen noch nicht erlaubt. Selbst die reichsten tragen ein Kopstüchel nach altem slavischen Brauche. In ihren Häusern aber findet man Raritäten und Kostbarkeiten aus aller Herren Ländern, wie in Orebitsch auf Sabioncello. Denn ihre Männer nnd Bräutigame bringen ihnen immer etwas Hübsches von ihren Reisen mit. Dieß thun auch die gemeinen Matrosen. Denn sowohl die Matrosen als die Steuerkutc und Schiffscapitäne habeu auf dem SäM die sogenannte „Paccotiglia" frei, d. h. eine gewisse Quantität von Waaren, für die sie keine Fracht und, ich glaube, auch feinen Zoll bezahlen. Und unter dem Namen der Paccotiglia schmuggelt dann die Vater-, Gatten-, Bruder- und Gelicbtenliebe allerlei Geschenke, Kleidungsstücke und Möbeln ins Familienhaus herein. Der Eine bringt griechische, der Andere spanische, der Dritte wieder andere Kleidungsstücke mit, so daß wir in einer Familie die eme Dalmdtischc Sympalhieen dcr 1iu^80 eostümirt fan-ben. Es ist Eitle bei ihnen, daß nicht die Schwieger-ältern, sondern der Bräutigam selbst seiner Braut die Ausstattung giebt; daher Neidet er sie auch nach sei-urm Geschmacke, und sie tragt die von ihm gewählte Tracht ihm zur Liebe und zum Andenken. Zuweilen sucht sie sich aber auch wohl selbst in den fremden Ländern ans, was ihr gefällt. Denn wenigstens in den crsten Jahren der Ehe pflegt die jnnge Frau ihren Mann, wenn er Eigenthümer des Schiffs ist, auf seinen Fahrten zu begleiten. Dieß thnt sie wohl auch bann noch, wenn sie schon zwei oder drei Kinder haben, Und diese Kinder, welche mitgenommen werden, erhalten nuf diese Neisc ihre erste Erziehung anf dem Meere, das "un ganz und gar ihr Element wird. Die quarncrischen Inseln Ofero, Cberso, Veglia und Hrc kleinen Nebeninseln sind jetzt bekanntlich nut Istrien zu der Provinz gezogen, welche daS illyrizche Küstenland ge-uannt und von Trieft auS verwaltet wird. Dieß ist den Um-stände angemessen. Denn seit dem Aufblühen Triests und 1m der Entwickelung seines Handelsorganismus sind alle blrse Inseln und Halbinseln in innige Berührung mit llwl gekommen, und ihre Angelegenheiten lassen sich am "ßten von Trieft ans übersehen und reguliren. Aber ^ühcr gehörten dieselben zu dein venetianischen Dalma-t>e>l und wnrden von Zara aus regiert. Die Bewohner l)"bcn natürlich, wie dieß so zu geschehen pflegt, für das ?lle Regime eine gewisse Vorliebe. Sie halten sich Mbst flir Dalmaticr, haben auch Alles, Sitte, Epracbe, Abkunft, mit den Dalmatiern gemein und glauben, ich Weiß nicht wärmn, eine politische Verschmelzung mit 5">,l, Rcisc in D.U„nUicn. ,!, 27 418 Vcrbrüdcruncissi'st der Lufsincr und Zaratiner. Dalmatien ihren Interessen für angemessener als eine Verbindung mit Istrien und Trieft oder ein Aufgehen im Küstenlande. Sie erzählten mir daher auch, dasi sie fast in jedem Berichte an die Regierung, wo sich eine Gelegenheit darböte, die Bitte anbrächten, wieder an die Provinz Dalmatien angeschlossen und vom Küstenlande getrennt zu werden. Im Jahre 1848, wo alle kleinen und großen Sympathieen und Antipathieen der Völker so lebendig wurden, wo Preußen in Deutschland aufgeben wollte, wo ganz Oestreich in ein deutsches, ein ungarisches, ein serbisches :e. Oestreich auseinander zu fallen drohte, da schien auch die Provinz Küstenland nahe daran, sich in ihre natürlichen Theile zersetzen zu wollen, und die Lns^ siner wollten damals durchaus in Dalmatien aufgehen. Sie glaubten dieß leicht bewerkstelligen zu können, und zu derselben Zeit, wo bei uns die Dentschböhmen und die deutschen Sachsen im Erzgebirge und in der sächsischen Schweiz Vrüderfestc „mit Gesang und Bechcrklang" feierten, rüsteten sie ein Schiff aus, schmückten dasselbe mit allerlei Flaggen und Blumenkränzen und sandten es nach Zara. Die Zaratiner kamen ihnen auf ähuliche Weift entgegen. Sie schlössen Brüderschaft untereinander, u^ die Insel Osero sollte mm wie ehemals für immer "lit Dalmatien vcrbuuden sein. Allein diese VelsaMlz-ung ist nicht zu Stande gekommen. Auch im On"^ nero erwiesen sich die altcn traditionellen Sympathies ohnmächtig, slnch hier zeigten sich die neuen Staatsund Provinzcombinationen gewaltiger, und die Inicl" blieben unter dem Gouvernener von Trieft. Die Lente von Lussino leben sehr sparsam und äußell häuslich. In Wirthshäuser gehen sie nicht. Oeffentliche Häuslichkeit der Lussiuer. 419 Amusements haben sic wenige oder gar keine. Dieß ist Alles wie an der Voeea. Eben so häuslich, still uud rauschender Verguüguugen bar war soust das Leben in Ragusa, wo man sich nur mit Handelsgeschäften, mit ernsten Politischeu Angelegenheiten, mit dem Studium der Geschichte und der Alten beschäftigte, lind wo die Kirchen-proeessionen und Familicufcste die Stelle unserer Theater, ^il'oon8l'8 uud dergleichen einnahmen. Die Töchter der l'agusischen Patrieier und (^ittadini durften sich fast nie außer dem Hause zeigen. Die Gänge zur Messe waren 'hre ciuzigeu Spaziergänge. Noch jetzt giebt es junge Mädchen in Nagusa genug, die uic im Theater oder auf einem Valle waren. Auch ist es nicht selten in Ragusa, daß zwei verheirathete Bruder mit ihreu Aeltern auf patriarcha-l>!cheWeise wie inLussin in demselben Haufe wohnen bleiben. Nach Sonnenuntergang rammelt Jeder in I^igsin l'ieonls» sein Haus zu, uud um acht Uhr Abeuds geheu die Lussiuer schlafen. Die Straßeubeleuchtuug ist daher ^i ihnen ziemlich überflüssig. Und als die besagte Zeit gekommen, und in der Stadt Alles ganz still und finster geworden war, ließ ich meine Barke wieder zu unserem Nlhjg ^. Anker liegenden Dampfer zurnckrudern und gwg an Bord des Schiffs, das sich bald nachher wie-b^r in Bewegung setzte. Hie und da blickten uoch einzelne "chter aus deu Häusern des kleinen Lussin, das wie auf klNem Felsen-Amphitheater im Hintergründe der Bucht ^gt, lM^or und verschwaudeu allmälig cius nach dem anderen aus uusercm Gesichtskreise. Wir ruderten in "km langen Thale fort nnd kamen endlich ins freie Meer hinaus. Dieß war sehr unruhig, aber ich selbst fühlte "uch sehr befriedigt darüber, daß ich noch' zu guter Letzt, 27* ^IO „Ein Zug von Gerechtigkeit" aus dem dalmatischen Inselarchipel für immer scheidend, so gute und wohlthuende Eindrücke mitgenommen hatte, wie die waren, welche ich anf der Insel Osero oder Lnsstn empfangen. Ich mnß gestehen, ich mache anch den Oseranern ans ihrer Sparsamkeit, ihrer Gastfreund-lichkeit, ihrer patriarchalischen Familienwirthschaft ein viel größeres Verdienst als ans dem „Inge von Gerechtia/ keitsliebe," den, wie Fortis sagt, diese Insulaner vor dreitausend Jahren dadurch an den Tag legten, daß sie in dem Streite zwischen Medea, Jason nnd Absirtos die Partei des letzteren, des „Unterdrückten nnd ungerecht Leidenden," ergriffen. Als nämlich Jason nnd Medea, d. h. die Partei der Argonauten, mit dem Absirtos und seinen Leuten oder der Partei der Kolchier handgemein wurden, „da," so sagt Fortis, „erklärten sich die Insnlancr von Osero und Vherso bereit, dein Absirtos, der die g^ rechte Sach^ hatte, allen möglichen Vorschnb zu leisten. Die sämmtlichen Bewohner der Inseln traten als Bundesgenossen des Absirtos nnter die Waffen, ein Zug von Gerechtigkeit, der diesen Inselbewohnern sehr znr Eh^ gereicht ('l>lU<» 6i ^i>,«ti7ic>, ode <';> inoitc» onar^ 21 I^ol.uu) und der die gegen sie crlwbene Anklage widerlegt, daß sie zur Secräuoerei geneigt gewesen wärcn 5>ppo8w)." Es ist wirklich köstlich zu sehen, mit welcher bnchstäblichen und naiven Gläubigkeit einige italieni^ Gelehrte zuweilen an den alten Dichtnngen des slvoll^ nius nnd anderer Poeten gehangen haben, denen sie aus allettiefstem Nespett vor dein griechischen Alterthnme fas so viel Vertranen zu schenken scheillen wie mit Sieg> nnd Unterschriften versehenen Urknnden und kaiserlich^ in dem Streite zwischen Mebca, Iason und Absirtos. 42 l oder päpstlichen Vnllen. „Die Allianz der Insulaner mit dem Absirtos," so fährt der besagte Geschichtschreiber jener Inseln ungefähr in einem Tone, in welchem wir d>e Zwistigkeiten nnd Kämpft von Herzögen und Karteien beschreiben würden, die unsere Zeitgenossen wa-^'ll, sort, „entinnthigte die Argonauten, und Medca fürchtete am Ende den Umständen als Opfer zu fallen. Der jnnge Fürst (Absirtoo) schien geneigt zn unterhandln, nnd Medea ging darauf ein, um ihn durch List zu verderben. Auch wnsite sie Iafon zu dem Verrathe» deiche, den sie ersanit, geneigt zn machen. Sic lud Absirtos zu einem freundschaftlichen Zwiegespräche bei dem Tempel der Diana anf der Insel Lnsstn (Osew) ein. Sie fand sich hier scheinbar ganz allein ein, indem sie b>e Begleitung, die mit ihr gekommen war, anf cine Ostensible Weise wieder wegschickte. Absirtos kam von ^herso aus über den engen Canal, der beide Inseln lrennt, herangeschifft und stellte stch, ganz sicher gemacht und ohne ArgeS zu almeu, der Mcdea gegenüber. Diese !vg mit allerlei Anssinchtcn das Gespräch in die Länge, b's Iason, der sich versteckt hatte, Zeit gewann, aus seinem Hinterhalte hervorzubrechen und Msirtos unversehens mit dem gezogenen Schwerte in der Hand zn überfallen. Tödtlich getroffen, siel dieser an der Stnfe "es Tempels auf die Kniee nieder, nnd im Ansathmen !^ne hinsterbenden Kräfte zusammennehmend, streckte er beide blutende Hände, Schutz erstehend, nach Medea ans, dlc davon ganz besteckt wurde, so wie auch ihr weißer Schleier blutrothc Streiftu bekam M'clcn, odo n« rl-uUuw ^ linln il vl)1o l)i<»noo). Dieses tragische ^^'igniß mnß sich in der Nähe von Nercstne (einein kleinen 422 „Vngeiden" — „Absirtidm." slavischen Dorfe auf Osero) zugetragen haben, und vielleicht liegen da noch die Knochen des jungen Fürsten, die von den Händen Iasons begraben wurden, an einem dunkeln Feisenorte versteckt. In der Verwirrung, die jenem Verrätherischen Friedensbrnche folgte, blieben die Kolchier ungewiß, was sie thun sollten. Die Argonauten aber profttirten von dieser Ilnentschlossenheit der Col-chier und entkamen über das Meer. Diese Letzteren, die nun ihren geliebten Herzog (l)l>en) verloren hatten, wagten nicht mehr an die Rückkehr in ihr Vaterland zu denken, weil sie den Zorn des gransamm König (w 5<1<^n(i del lie ^ulj«!«), nämlich sletes, fürchteten. Sie blieben anf den Inseln zurück und mischten sich den freundlichen Insulanern bei. Auch bekamen die Inseln von dieser Ermordung und Beerdignng des Absirtos ihren nenen Namen. In der Periode vor jenem Ereign niß hießen sie nämlich die „Vrigeiden" oder „Dianen-Inseln," nach demselben aber die „Absirtiden." — Fortis hält eS auch fm möglich, daß ein gewisses kleines Vorgebirge der Insel Lussiu, in dessen Nähe jene „u^gioa 52iono" statt hatte, durch Tradition von Geschlecht jU Geschlecht, von Volk zu Volk, von Sprache zn Sprache den Namen „l'unUl lieu" oder „^c^Ioi-üw" (oic ruchlos Spitze) behielt. Die Geschichte wäre demnach also zur Genüge eruirt und festgestellt. Aber es that mir nur leid, daß ich nicht auch mit derselben Genauigkeit den Punkt in Illyrien bestimmen konnte, wo die Engel, eine Zeitlang ausruhend, das Haus von Loretto niedersehten, bevor sie damit, nachdem sie die Leute hier zu barbarisch gefuuden, nach Dichlensch-romautlschc Localitäteil Illyrieits. 433 Ancona in Italien hiuübcrschwebten*), ^- oder den Punkt, wo Shakespeare's Herzog von Illyrien in seinem Lustspiele: „Was Ihr wollt" mit dem jungen Sebastiane dismrme. Diese Punkte und noch einige andere dichterisch-romantische Localitätcn Illyriens ließen sich ja wohl zur Verherrlichung des Landes mit eben solcher historisch-geographischen Gewißheit bestimmen, wie die Stelle, wo die blutigen Hände slbsirts den weißen Schleier der Medca roth färbten. Uebrigens will ich doch gestchen, daß durch des Apollonius und des Fortis Argonauten, durch die Engel von Lorctto und den Shakespearischen Herzog von Illyrien die auarnerischen und illyrischcn Inseln ln meinen Augen nicht weuig interessanter wurden. Denn, wenn sonst nichts, so sieht man doch daraus, wie lange und wie vielfach die Phantasie der Menschen sich schon mit diesen Inseln beschäftigt hat, wie tief Üe in die Sagenkreise deS alten Griechenlands hinein verwebt sind, wie geläufig den Griechen die Kenntniß dieser jetzt ziemlich obscuren Inseln sein mnßte, denn gewiß hätte Apollonius von Nhodns, aus dessen ^i-ßanuu-U<:n Fortis seine ganze historische Gelehrsamkeit genom-ineu hat, es nicht wagen können, die Schauplätze seines Populären Gedichts nach Inseln zu verlegen, deren Verhältnisse den Griechen nicht sehr geläufig gewesen wären. Die quarnerischen Inseln liegen jetzt ganz hart an den Gränzen des sogenannten deutschen Bundes. Nichtsdestoweni-9er aber sind sie uns so unbekannt, daß ein deutscher Autor, der dem deutschen Pnblicum etwas auftischen *) Die Sagt bezeichnet allerdings diesen Punkt bci Fiume. ^24 Die qiiarnerischcn Sandinseln. wollte, es schwerlich wagen dürfte, das Theater seiner Novellen oder seines Romans nach Lnfsin, Osero, Cherso oder der Punta Nea zu verlegen. Aber nicht bloß die Spuren des zerstückelten Leichnams des Absirtos, sondern anch die Uebereste und Kennzeichen jenes alten fabelhaften nnd verloren gegangenen Donauarmes, auf dem die Argonauten schiffend hierhergekommen sein sollen, haben Einige hier in dem Qnar-nero wiederfinden wollen, nnd zwar in mehren kleinen Inseln, die bei Osero liegen, und die nicht wie fast alle anderen dalmatischen Inseln aus Felsgeripp, sondern ans znsammengeschwemmtem Flnßsande bestehen. Diese merkwürdigen Inseln, zwischen denen wir in der Nacht vorüberkamen, heißen 8üN8l!g0, 8t,i-li«!m« Omn!«' und ^tni-enn« l'ioco!«. Inr Unterlage haben sie zwar den gewöhnlichen Kalkstein, ihre Oberfläche aber ist mit Sand und anderen Depositionen bedeckt, die ganz dem ans großen Flüssen niedergefetzten Schlamme gleichen. Auf der Insel Sansego steht ein hoher Saudberg (eine Dune?) von sechs Miglien im Umkreis nnd zweihundert Fuß Höhe. Das Material dieses Berges ist „»i-ona skivi^ tüo mmMi88inw, l^i ljueli' nron.1 «io«, er»'« snlnmenlc? psoprw lio' fiumi cli Wn^o oorso^ (allerfcinster Flußsand, so wie er nur in den Betten der Flüsse von langem Lanf gefnnden wird). Das Meer wirft hier nirgends Sand auf. Auch findeu slch in der Masse der besagten Inseln gar keine Spuren von oceanischen Organismen, dagegen aber wohl von Süßwasserorganismen. ^ Nun sind gerade diese Sandinseln die äußerste« des gM-zen Quarneros. Sansego liegt noch zwei Meilen weiter von Lussin nach Westen ins Meer hinaus. Auch mündet Die quarncnfchen Sandinseln. 425 in den Quamero jetzt kein einziger sandführender Fluß ans. Die nächste Flußmündung ist die des Arsia in Istrien. Sie ist aber dreißig Miglien entfernt. Diese Inseln müssen daher den Geologen ein wahrer gordischer Knoten sein. Einige babcn diesen Knoten damit zerhauen wollen, daß sie, wie gesagt, sich entschlossen, wirklich an einen Donauarm zu glauben, der entweder über oder unterirdisch nach der Mythe der Griechen hier in den Quarnero ausgemündet haben soll. Wer aber, die hohen Gebirgs- und Ländermasseu zwischen der Adria und der Donau betrachtend, sich nicht entschließen kann, hier ein altes Donaubett zu suchen, dem bleibt beinahe nichts als der Po übrig, und der ist vielleicht geucigt, anzuueh-nien, daß es eine Zeit gab, wo das adriatische Meer Nur bis iu die Nähe von Istrieu ging, und wo der Po einmal seinen Sand bis nach Dalmatien hinüberschob. — Leider hat sich, wie ich glaube, uoch Niemand die Mühe gegeben, den Sand und die Depositionen von Sausego und Straeana mit dem Flußmaterial der Arsia, der Donau und des Po ;u vergleichen, was doch jedenfalls ein höchst verdienstliches Unternehmen wäre. Vielleicht ist dieses kleine Sanddeftot im Stande, uus eiuiges Licht bis in hj^ Nacht der entlegensten Ieiten unseres Globns iu werfen. Da der Scirocco zu blasen fortfuhr, so kamen wir über Nacht recht rasch vom Flecke, zogen einen großen Bogen um Istrien herum uud langten um die Mitte des folgenden Tages im Hafen von Trieft an. Iu unserer großen Verwunderung fanden wir die halbe Stadt im Meere stecken. Der Seiroceo hatte nämlich die Gewässer in den Golf von Trieft lnnemgttriebcn, und so in 436 Überschwemmung von Tncst. Verbindung mit der uui Mittag anfstcigcnden regelmäßigen Fluth und mit heftigen Regengüssen, die von den Bergen herabströmten, alle Straßen und Plätze der Stadt, die am Meere liegen, hoch überschwemmt. Man sagte mir, daß eine solche Ucberschwemmung nicht selten im Monate October einträte, daß man sie aber so hoch wie diese (es war am 27. October) noch nie gehabt hätte. Dnrch zahllose Häuser gingen die Meeresfluthen ein und aus. Viele Waaren und ganze Waarenmagazinc, welche fortzuschaffen die Leute nicht Zeit gefunden, lagen im Wasser. Und wir mußten ein Boot nehmen und damit in den höheren Tbeilen der Stadt ein trocken gebliebenes Quartier suchen. Gs wetterte, rcguete und hagelte in Strömen, und eben als wir unseren Fuß auf ein festes Stück Pflaster setzten, geschahen ein paar Donncrschläge, als wollten sie ein recht dickes — Punktum! — zum Ende unserer dalmatischen Reise setzen. V. Z st r i e n. 1. Mteiens Qst und Westseite. Am zweiten des bei uns so finsteren und stürmischen Monats, dem die verzweifelnden Engländer im Norden einen so ominösen Namen gegeben haben, erwachte über den gesegneten Ländern am Golf von Trieft ein wunderlieblicher Morgen. Gin zarter, stiller Nebel, so dünn wie Epinnengewebc, lag gleich einem durchsichtigen Schleier über dem Meere. Der Spiegel ocr Wasseroberfläche blinkcrte nüt gedämpftem Glänze darunter hervor, nnd die Schiffe aller Größen, die in dem Hafen zerstreut waren, lagen ruhig wie Riesenschwäue auf der kaum bewegten Fluch. Einige von ihnen schienen sich zur Abreise zu rüsten, und lhre ausgespannten Segel erglühten rosenrot!) im Purpur der Morgensonne, deren Strahlen, durch den Nebelschleier fallend, die anmuthigsten Farben verstreuten. — Eine 9anz leise uiw schmeichlerische Bora — denn auch die Vora wüthet nicht immer, wie auch ein Löwe zu Zeiten liebest, ^- eine ganz sanfte Bora säuselte durch die höheren "uftschjchtrn aus dem Thale von Muggia herab, vertrieb lN kurzer Zeit völlig die lehteu Zipfel des Nebelschleiers ber Nacht, blähte anmuthig die Segel, und wir rauschten bald auf ciuem hübschen kleineu Lloyd-Dampfer zum Hafen hinaus, um noch dem vielgepriesenen Istria einen Besuch abzustatten und einige unserer schönsten Reisetage an seiner Küste zu verleben. 430 Die julischen Alpen. Wer die Landcharte anblickt und die weiten Landschaften betrachtet, welche zwischen dem Busen vou Trieft und der Kette der julischen Alpen liegen, der wird es kaum glauben, daß die Berge geeignet sein könnten, der Landschaft dieses Vnsens noch einigen Reiz zu verleihen, und doch sind diese Alpen für deu in jenem Meeresabschnitte dahin Fahrenden gerade der Haupt-gegenftand der Betrachtung. Sie bilden eine prachtvolle Neihe hoher Gipfel, die alles vorliegende Gelände weit überragen. Die ganze Terrafirma der Republik von Venedig und das ganze Gebiet des Patriarchats von Aquileja mit sammt der Grafschaft Gorizia schwinden fast zu einer schmalen Linie zusammen, und man bemerkt sie kaum, besonders wenn uock so ein dünner Morgen-nebelstreifen über sie ansgcspanut ist, wie dieß jetzt der Fall war. Aber die Alpellgipfel offenbaren ihren colossi lcn Gliederbau in dieser Ferne um so mehr, und sie scheinen fast im Meere selbst ihren Fuß zu baden. In der That, man glaubt fast mitten in der Niederung eines mit Secwasser ausgefüllten Alpenthales zn schwimmen. Die Gletscher und die zu dieser Jahreszeit bereits beschneiten Höhen, die uns in einem weiten Kreise umgaben, glühten ringsumher wie eine Reihe von Vnlkanen m einer unbeschreiblichen Pracht. —> Von der mit Städten und Ortschaften besäeten Küste von Istrien her, au der wir nun immer dicht hinabfubren, schallte das Glockengeläute der Kirchen zu uns herüber, und da eben jetzt im Sftätherbste in diesen Ländern am adriatischen Meere die Natnr, vom heißen Sommer sich erholend und noch ein Mal erwachend, frisch sich regt und gleichsam einen zweiten Frühling mit Blüthen, Blumen und jungen Istriens Licht- und Schattcnscite. 431 Blättern herbeiführt, so erschien auch das Land an der ganzen Küste hin in recht frisches Grün gekleidet. Mir, der ich uoch die dalmatischen Felsen, so zn sagen, in den Augen stecken hatte, kam in der That die istrische Küste Mnz ungeinein frisch, grün »nd wundervoll belaubt vor. So schienen sich denn alle Verhältnisse und Umstände, Bora, Sonne, Meer, Alpen, Bäume, Kirchenglocken, verbündet zn haben, uus all das Schöne, was wir nur anschauen wollten, im bcßten Lichte erscheinen zu lassen. Wie jedes Ding in der Welt, so hat auch die Halbesel Istricn zwei Seiten, eine Licht- nnd eine Schatten-scitc. In ihrer birnensörmigen Gestalt hängt sie an dem großen illyrischen Mutterlandc wie eine Traube, deren Spitze ganz dünn nach Süden hervorragt, und in der ^genannten I'umn cli I'l-omanlm-c ihr äußerstes Ende erreicht. Bei einem Flächeninhalte von 70 Qnadrat-'Ncilen hat das Land eine Küftencntwickclung von 30 Meilen Länge, dabei die schönsten Häfen der Welt, Das ganzc Leben dieses Landes hat sich vorzugsweise an seiner kränze, an seinem Küstensaume ringsnm entwickelt und bewegt, wie das Leben und Safttreiben eines Vanmes zwischen Rinde und Stamm im Bast und Splint. Die ^striancr waren immer große Schiffer und Handelslente und in der Hauptsache, wie ihre Nachbarn, die Libnrnier und Dalmaten, ans das Meer, als ans die Hauptquelle 'hier Gristenz, hingewiesen. Ans dem Meere zogen sie ^re Fische, aus dem Meere ihr Salz. Hier an der Küfte waren auch die von der Sonne erwärmten Thäler und Schlnchten, in denen ^der Wein und der Oelbaum 4^2 Istriens Küstensaum. herrlich gedieh. Es steht zwar das ganze Land Istricn im Durchschnitt eine bedeutende Stuse höher als Dal-matien und zeigt in vieler Beziehung Zustände und Verhältnisse, die es in Uebereinstimmung mit seiner geographischen Position als eiu Mittel- und Uebergangslanv zwischen Dalmatien und Italien erscheinen lassen. Es raugirt zwar namentlich auch in Bezug auf die Dichtigkeit seiner Bevölkerung um viele Grade höher als sein eben genanntes Nachbarland, denn es hat im Durchschnitt 2500 Einwohner auf der Quadratmeile, auf welcher sich in jcuem nnr etwas mehr als M)0 vernünftige Wesen befinden, slllein insbesondere ist es doch der Küstenstrich, dem Istrien dieß Ucbergewicht verdankt und dem sich, dem Obigen zufolge, die Hauptmasse der menschlichen Niederlassungen stets zuwandte. Ohne Zweifel hat man die bei Weitem größere Hälfte aller 200/100 Istriauer beisammen, wcml man von dem Lande den Küsteusaum in einer Breite einer Meile vom Meere aus abschneidet. Im ganzen Inneren liegen nicht mehr als drei oder vier einigermaßen namhafte Orte: Pi^gucnte, Montone, Pisino und Dignaiw, und von diesen ist selbst die Hauptstadt Pisino oder Mttterburg eiu höchst irrelevantes Städtchen. Dagegen giebt es an den Küsten wenigstens ein Dutzend mehr oder weniger bekannter Städte. Allein, wie gesagt, auch bei diesem im Ganzen bevorzugten Küstcnsaume giebt es uoch wieder eine Licht-und eine Schattenseite, eine bevorzugte und eine in den Hintergrund tretende Hälfte. — Eein Angesicht hat Istrien offenbar dem italienischen Westen, seineil Nückcn dem libnrnischen oder dalmatischen Osten zugewendet. Es tragen viele Umstände dazu bei, der Nefttüste von Trie (^li I'louwntoro ein entschiedenes Ncbcr-gewicht über die Ostseite von dieser Punta bis Finme zu gcben. Zuerst der stürmische und gefährliche, mit Inseln und Ecoglien gefüllte Qnarnero, in welchem Bora und Scirocco den größten Theil des Jahres hindurch abwechselnd wüthen. Obwohl auch der Golf von Trieft und seine Nachbar-llcwässer von diesem Winde leiden, so ist doch das Meer hier freier von Klippen nnd Inseln, nnd dann biegen 5ch auch die Küsten von Istrien so nach Trieft herum, baß ein Schiff, welches mit heftigem Eciroccostnrmc ans dem Süden hervovgesiogen konnut, sich leicht in den Golf v"n Trieft herein retten kann, wo die istrische Küste es 3^gen den Sturm schützt, sowie umgekehrt ein Schiff, das die Vora aus diesem Golf verjagt, ebenfalls leicht bei der Spitze von Pirano nach Süden hcrumbiegen ^un, nm die Küste von Istrien als Schutzmauer gegen die Bora zn bcnutzeu. Alsdann in Verbindung damit die ganze Erhcbungs-und Abstufungsweise des Landes nnd die daraus hervorgehende Beschaffenheit seiner Küsten. Seine Hanpt-gebirgszüge hat Istrien im Osten: den wilden sogenannten ^lchitschcnboden zwischen Trieft und Fiume, den Alles "benagenden Monte Maggiore am Qnarnero und die !üdlichcn Fortsetzungen desselben bis Fianona und über Albona hinaus. Von hier stuft sich daS Land allmälig w mehren Absätzen nach Westen nnd Südwesten hin ab. D'e Ostküste ist daher zum Theil sehr schroff, steil und ^zugänglich, und auf einer weiten Strecke sogar schutz-"ud hafculos. Die westliche Küste ist dagegen voll der schönsten Häfen und Buchten und hat nirgends so schroffe K"hl, Neisc in ralmaticn. >>, 28 434 Uebergewicht von Istriens Westseite über dessen Ostseite. Uferwände; man kann fast bei jedem Punkte anlanden. Weil die westliche Abdachung des Landes nicht der Art vor sich geht, daß es sich etwa wie nnsere norddeutschen Marschländer ganz allmälig unter das Niveau des Meeres herunterzieht, da die Küste vielmehr noch immer ziemlich hoch bleibt, so sind auch die Gewässer und Häfen hier alle ziemlich tief und zum Einlaufen bequem. In Folge des geognostischen Bans des Landes habcn sich denn anch seine Hanptthalcr nach Westen geöffnet, und fast alle seine Flüsse dahin sich ergossen, und auch deßhalb war Istrien von der Westseite dein Ver^ kehre der Menschen mehr eröffnet als von Osten her. Wie die Gewässer, so mnßte sich überhaupt die ganze Fülle des Landes hierher ergießen, das man gleichsam wie einen umgestoßenen Fruchtkorb betrachten muß, dcstcn Hauptinhalt nach Westen gefallen ist. Von den beiden Städten, welche an der Wurzel nnd der Vasis von Istrien liegen, hat die in Osten, das versteckte Finme, gar keine Anssicht, je eine solche bedeutungsvolle Nolle zn spielen, wie sie jetzt Trieft zn Theil geworden ist, und wie früher Adria, Ravenna, Aquileja, Venedig an anderen Punkten des adriatischcn Nordwcst-endes sie gespielt haben. Die Westküste von Istrien wa»' daher auch deßwegen bevorzugt, weil sie dicsen Central-punkten adriatischcn Glanzes am nachbarlichsten znge-, wendet war. Die Römer mußten von Westen her diese Küste am ersten erreichen, die Venetiancr errichteten IM ihre vornehmsten istrischen Etablissements und italienisir-ten und bebcrrschten die Westküste mehr und länger als die Osthälfte des kandcs, welche slavischer blieb und auch länger in den Händen von Oestreich war. UcbcnM'icht von Istrieus Wcstscite übcr dcffrn Ostftite. 435 Und auch heutiges Tages noch hebt der Verkehr mit Vcnedig und Trieft, von dessen Blüthe natürlich die ganze Nachbarschaft mehr oder weniger Vortheil zieht, die Westküste bedeutend über die Ostküste hervor. Dein Men nach finden wir denn auf dieser vielgepriesenen Westküste von jeher daS ganze Gewicht des Landes ruhend. Hier liegt Pola, das zu der Römer Zcit 80,000 Einwohner zäblte, hier ^i'po ä' Istria, das einst der Hauptort des ganzen Landes war, hier Novigno, das es jetzt scin sollte, weil es allein so viel Bevölkerung in seinen Maueru birgt, als die sämmtlichen Städte des Innern zusammengenommen. — Hier reiht !tch eine ganze Kette hübscher Orte an einander. Längs dieser Seite liegen daher auch die interessanten Ieugen früherer Größe, die prachtvollen Amphitheater nnd Tempel-Nuinen, die im Meere versunkenen Städte, die Mauern und Citadellen der Venetianer, so wie die schönen Kirchen, welche eine spätere Zeit ans den Küsten-Vorsprüngen errichtete, deren Gleichen die Ostküste nicht aufzuweisen hat. — Selbst die Einrichtungen derjenigen Branche der Dampffchifffahrtsthätigkeit des Lloyd, die sich auf Istrien bezieht, regulircn sich nach der geographischen Beschaffenheit des Landes. Unausgesetzt laufen nämlich die istrischen Dampfschiffe des Lloyd nur an dcr Nrstküste das ganze Jahr hindurch hin und her, auf dn großen istrischen Hauptstrecke von Trieft bis Pola. ^ur in den Sommermonaten gehen sie dann auch anf d'e Ostseite hinüber, nm ganz Istrien bis Fiume herum. Doch haben sie selbst dann hier außer Fiume nur noch ewe Anhaltcstation, während sie anf der Westseite außer Tuest deren füüf haben. — Hierin spricht fich denn 28* 436 »iLa povera Istria!" bestimmt genug das Verhältniß des Lebens und Gewichts der Licht- und Schattenseite von Iftrien aus. Es giebt vermnthlich wenige Damvfschifffahrtslinien, wo man auf einer kleinen Reife von 3 Tagen mehr des Schönen und Eigenthümlichen sehen könnte, als auf dieser istrischen Linie des Lloyd, und es war mir unbegreiflich, daß ich unter allen Passagieren, die unser Fahrzeug faßte, zur Zeit der einzige war, der an diesem herrlichen Herbsttage zu jener Küste von minder soliden Impulsen, als es Geschäftsaugelegeuheiten uud Pflicht-besuche siud, getrieben wurde. — Iu der That, das arme Istrien, ,,In ziovorg IzU-in! no^^o paveio f)n!^ ein Klage-Ausdruck, den man nur zu oft im Munde der Istrianer vernimmt, — das arme Istrien, obwohl ein wahrer Edelstein in dem Kranze der der Krone Oestreich gehörenden Länder, scheint von unseren neugierigen und wißbegierigen Tonristen, die sich dabei selbst am meisten im Lichte stehen, noch sehr vernachlässigt zu werden. — Aus Griechenland, aus dem Oriente, aus Rom über Aucona segeln jährlich Hunderte, die nach dem Anblick von Alterthümern sich sehnen, um das istrischc Vorgebirge herum, steigen iu Trieft oder Venedig an's Land und eilen auf den großen Heerstraßen von dannen, ohne sich au das istrischc Pola zu erinnern, das iu Bezug auf autike Reste es mit den meisten Orten Italiens uttd Griechenlands aufnehmen kann. Istricn in dcr ^ricchischcu Mythe. „ 437 2. Pipano. Ander Bai von Servola nnd Muggia, auch der von ^npo 6'l8l,,'i.,, rndertcn wir vorüber, ohne sie zu berühren, leider! denn Muggia soll eine der cnriosesten kleinen Städte von der Welt sein, nnd bei Servola soll sich eine Höhle befinden, die zu den merkwürdigsten der ganzen Umgegend von Trieft gehört, nnd in ^apo (i'^li-m, dem <'i!l>rii der Alten und dem Haupte Istriens zur venetianischen Zeit, hätte sich des Anziehenden für uns wohl Vieles gefnnden. — Doch hat auch der vorüberstiegendc Dampfschiffpassagier seinen Theil nnd seine Freude an dieser hübschen Küste, deren bebnschte Hügel, deren schroffe Vorgebirge und versteckte Buchten, wit Kirchen, Schlössern und Städten nicht ärmlich ge-ziert, einen äußerst gefälligen Länderstceifen vor seinen klugen entwickeln und manchfaltig seine Phantasie beschäftigen. — Wenn sonst nichts, so müsite schon die Wunderbare alte Sage, welche an diesen Küsten haftet und welche Iftrien von jeher mit demlkUwr, dcmi'onlus und 3ar mit dem noch entfernteren Lande des goldenen Vließes in Verbindung brachte, seinem Geiste hinreichende Nahrung geben. Jener Sage zufolge ist es kein Iwei-fel, daß dieß dieselben Küsten sind, an denen Iason und Ntcdca, von den Kolchiern längs der Donau verfolgt, ans dem Innern des Donan-Landes hervorkommend, >tch zur Heimkehr einschifften, dieselben Küsten, an denen biese Kolchier, die Unterthanen des Actes, der Verfolgung müde, sich niederließen und, Städte l anend, dieß Land bevölkerten, dem sie den Namen Istrien zur Erin- 438 9tt^' Handelsverbindungen zwischen Istrirn nnd der Donau. nerung an das durchstreifte Istherland gaben. — Es ist dieß eine Sache, die hier zu Lande noch in dem Munde eines Jeden lebt, dcr sich anch nnr ein wenig um die Geschichte des Vaterlands bekümmert, und es ist zugleich eine Sage, vor der freilich Viele, wie vor etwas Lächerlichem, ihre Ohren verstopfen, die aber nichtsdestoweniger von nicht geringer Bedeutung ist. Wenn sonst nichts, so beweist sie das hohe Alter der Schifffahrt nnd des Handels auf der Donan nnd Save nnd die Kenntniß der Handelswege, welche von diesen Flüssen auS über den Karst und die kroatischen Gebirge nach Istrien und zum adricttischen Meere führen. Istrien — ich fasse dabei auch die beiden Städte Trieft und Fiume, die an der Vasis von Istrien sitzen — in diesem Namen zusammen, — Istrien ist derjenige Küstenstrich des adria-tischen Meeres, welcher vermittelst der Save, der mäch-tigen Neben-Pulsader, der Donau am nächsten liegt nnd mit ihr in innigster Beziehung steht, der also anch in seinem Namen an das Istherland zn erinnern am meisten berechtigt war. Die Griechen fabelten daher, es führe ein Donauarm nach Istrien hin zum adriatifchen Meere hinab, eine Fabel, die ebenfalls nicht sowohl belä-chelt, als vielmehr ebenfalls zu Bestätigung des Alters der Handelsverbindungen zwischen Istrien und der Donan benutzt werden sollte. Ohne Zweifel ist die nahe hinzntretende Save der Donauarm, den die Griechen meinten, und bei dem sie nur den Fel)^ ler machten, daß sie ihm in diesen Gegenden statt seiner Quellen seine Mündungen gaben. — 3^n Grunde genommen sind alle Jahrhunderte der Geschichte hindnrch Argonauten und Kolchier aus Osten, Istriens Name uralt. 439 Schätze entführend und suchend und von Feinden verfolgt und diese selbst verfolgend, vom schwarzen Meere her an der Donau und Save hinanf, bis Istrien und bis zu dieser Nordspitzc des adriatischen Meeres vorgedrungen; die Hunnen, die Gothen, die Kroaten und zahllose andere Slaven kamen alle diesen von der Argonauten-Sage bezeichneten Weg aus Osten. Eben da-hcr wanderten spater anch die Magyaren, die noch bis auf die neueste Zeit in dem schmalen Länderstreifen, der von ihren Saulandern nach Zcugg und Fimne sich zur Küste hinüberzog, gleichsam die Landn brücke bezeichnet haben, anf welcher die Argonantcu ihre Schiffe hinübertrugen, nm wieder zum Meere zn gelangen. Es ist merkwürdig g^nug, daß nicht nur die bc-Mhnete Sage, sondern auch der uralte Name des Landes, der anf diese Sage hindeutet, sich ganz nnvcrändert bis anf die heutigen Tage erhalten hat. Istrien möchte wohl eines der wenigen Länder sein, das seinen Namen leit den ältesten bis ans die neuesten Zeiten herab unverändert bei allen Völkern beibehalten hat. Es ver-danft dieß zum Theil wohl seincr bestimmten und scharfen Abgränzung durch die Natur. Abcr doch haben alle die benachbarten, geographisch eben so scharf bestimmten libmnischen und dalmatischen Inseln im Lanfe der Zeiten mehrfach ihren Namen vertauscht. Die erste Stadt, bei der wir anhielten, war Pirano. Bis in die Nähe dieser Stadt geht der Kollo äi '1>1n>l,ii cli I'lonwnwi-s allmälig ganz nach Südosten, indem sie gleichsam in die Hauptrichtung des adriatischen Meeres selbst einlenkt. — Durch diese Knftenverhältnisse erhält Pirano seine geographische und commereielle Bedeutung. Pirano gegeuüber liegt in dcu Lagunen des Isonzo die Stadt Grado. Auch bei diesem Orte verändert die Küsteulmie ihre Richtung und macht einen rechten Winkel. Von Grado nach Pirano kann mau eine Linie ziehen, die sich als die Basis und äußerste Gränze derjenigen Mecres-abtheiluug, die wir dcn Golf vou Trieft uennen, betrachten läßt. Bis nach Pirano erstreckt sich daher die Reihe derjenigen Orte Istriens, die hauptsächlich bloß mit Trieft verkehren. Die Orte von Pirauo südwärts habeu selbst jetzt noch fast eben so viel mit Venedig zu thun. Bis Pirauo bläst auch die Bora, die vom Karst bei Trieft herabfällt. Sie streicht in nordöstlicher Richtung bei Pirano vorüber und fällt gegen diejenige Gegend Italiens hin, wo Ravenna liegt. Die lange südlich gc-richtete Küste Istriens von Pirano bis Pola wird wenig von ihr afficirt. Wenn die Bora sehr heftig ist, so geht ihr Athem, aber immer äooi-us^näo, rechts bis in die Gegend von Ravenna. Hier verliert er sich ganz, so heftig er auch im Triestiuer Golfe toben mag. Und wenn die Schiffe bis Ravenna mit der Bora kommen, so weht ihnen von Ravenna aus sogar wohl zur selben Zeit ein frischer Landwind entgegen, der ihnen wieder hilft, die Mitte der adriatischen Gewässer zn erreichen. Gewöhnlich jedoch ist die Bora schon bei Pirano etwas schwächer, weun sie auch bei Trieft so heftig auf's Rada rii Pirano. 441 Meer fiel, daß sie die Schisse vom Anker riß. Von Suden her können daher die Schiffe meistens nugehindert bis Pirano gelangen und in der Bai, die sich im Sü" den dieser Stadt eröffnet, so wie nntcr dem Schutze der langgekrümmten Halbinsel, auf welcher der Ort liegt, ruhig ankern. Jene Bai, die sogenannte ,Mdli äi l'i-rnno") ist daher im Winter zn Zeiten ganz mit großen Schiffen gefüllt. Es liegen ihrer hier mitunter 60 bis 8l), die wohl eine Woche lang harren, bis die Vora ausgetobt hat. Man kann demnach Pirano und seine Rada als den änßersten Vor-, Hilfs- und Nebenhafen von Trieft betrachten. Es verhält sich zn ihm, wie Margate nnd Epithead zu London, wo auch die für diesen Weltmarkt bestimmten Schiffe vorlänfig vor Auter gehen, weun widrige Winde daS Einlaufen in die Themse Verwehren. Pirano ist iu Folge der Vortheile seiucr Lage eiue der bedeutendsten Städte Istricus. Jene Halbinsel, auf ber es liegt, ist lang und schmal und wie ein Halbmond nach Süden etwas umgebogen. Zum Hafen nnd znm Süden laßt sie sich sauft herab. Dem Norden nnd ber Bora kehrt sie den Rücken, den warmen Südhanch empfängt sie mit den Armen. — Die Bora arbeitet aber ^'>t Jahren an dem Untergänge der Stadt. Sie jagt 'hr beständig eine hohe WeUenbrandung in den Rücken und läßt das steile Ufer abfalleu. Man kann sagen, Pirano leidet an der Nückeumarkschwiudsucht. Man hat 'lM daher schon zu vcnetiauischer Zeit — wollte ^ott, mcm könnte es mit den Menschen auch — eine ^uc 8pinl» l)m'8i eingesetzt, nämlich Substruttioucn gc-'nacht, deren hohe Pfeiler uud Vogen man, von Trieft 442 Substructil'nen nnd mouumcntalc M^ucrn. kommend, schon von Weitem erkennt. Dieselben dienen zunächst insbesondere als Basamente der Hanptkirche des Orts, welche ans der Höhe liegt, nnd der die Vora zu-nächst das Fundament wegznspülen drohte. Diese großartigen Substrnetionen und dann die monumentalen alten Mauern und Fcstungsthürme, welche gegen die Landscite hiu die Stadt vertheidigen, geben Pirano ein höchst pittoreskes Ansehen. Diese Mauern werden als „mul't; :in!i^ln55!ino" bezeichnet, uno man weiß gar nicht mehr recht, wann sie gebaut worden sind. Eie sind sehr hoch und äußerst zierlich, nach den Nagusischen Befestigungen die malerischesten, die ich an der adriatischm Küste gesehen habe. Zwischen zwei Thürmen ist, ich weiß nicht in Folge welches Ereignisses, eine Bresche entstanden, durch die man wie dnrch ein Thor in die Landschaft, welche mit Oliven nnd Weingärten gefüllt ist, einen reizenden Durchblick gewinnt. Neberall steigen schlanke Cypressen wie Sänlen aus dem grauen Meere der Olivenhaine hervor. Wie seine Eristenz, seinen malerischen Anblick, seine Bedeutung als Hilsshasen von Trieft, so verdankt Pl-rano vermuthlich anch seinen Nuhm in der Kriegsgeschichte seiner geographischen Lage und namentlich dcM Umstände, daß es an dem ^ndpnnktc eim's Meerbusens, an dem Wendepunkte nnd Wechsel der in dieser Gegend herrschendeil Winde liegt. Eben in Folge dieses Wechsels geschah es nämlich höchst wahrscheinlich, daß bier in den Gewässern der Iludu
  • m5w. Von da an herrschen andere Heilige. Als den eigentlichen Wendepunkt der Dinge kann man hier die Landzunge von Salvore betrachten, auf welcher seit dem Jahre 181? ein Leuchtthunn, das sogenannte „1^m,lu cii ^lvoi'^, erbant ist. Dieser Leuchtthurm bezeichnet hinreichend die hervorragende Bedeutung jener istrischeu Landnase. Bis zu dem südlichsten uno markirtesten Vorgebirge Istriens bei Pola ist kein Punkt Der Tschitschenboben. Der Monte Maggiore. 445 mehr zu finden, bei dem man ein solches Leucht-Etablis-sement nöthig fand. Wie die Heiligen so wechselten nnn auch die über unserem istrischen Horizonte schwebenden Höhen. Bis Pirano beherrscht diesen der Slawnik, eine über 3000 Fnß hohe Spitze des Gebirges, das man den Tschitschen-Boden nennt. Außer dem Slawnik sieht man auch noch andere Spitzen, überhaupt einen grosien Theil des ganzen Rückens dieses Gebirges erscheinen. Das dort hausende Volk, das der Tschitschen, ist ein armer slavischer Stamm, ein Zweig der Kramer, die aber bei den italienischen Küstenbewohnern nicht eben im beßten Rnfe stehen und daher auch von den Italienern nur spottweise „^icoi," von den deutschen „Tschitschen" genannt werden. Sie selbst nennen sich „Xi'imxi" (Krainer). Im Südosten schließt sich der Tschitschen-Boden an dm Monte Maggiorc an, der sich längs des Quarncro ^6 nach Fianora in Süden herab erstreckt. Die höchsten Spitzen dieses Gebirges sind 4400 Fuß hoch. Alles vor dem Monte Maggiore liegende Land, der ganze H«uptkörper von Istrien im Westen, Südwesten und Süden des Monte Maggiore, ist im Vergleich mit ihm lUedrig zu nennen. Selbst in seiner höchsten Spitze er-hebt es sich nicht viel höher als lOOO Fuß. Mit einem Urbn-schuß von 3000 Fuß, mit seinem ganzen «nächtigen ^^per, steigt daher der Monte Maggiore über dieses Vorland hinaus, und man verliert seine überall her-Erblickenden Gipfel während der dreitägigen istrischcn ^''sc nicht mehr aus dem Gesichte. W ist da-^r kein Wunder, daß die Istrianer ihm den Namen ^ „großen Vergs" gegeben haben. — In seinen 446 Istrische Walachei«. Thälern und an seinem Fnße, sowie auch in einigen Gegenden des ihm benachbarten Tschitschen-Bodens, von dem er eigentlich einen Theil bildet, soll man noch Reste einer alten walachischen (rumunischen) Bevölkernng finden. Es sollen in mehren Gemeinden zusammen etwa l2M9 Seelen sein. Keine historische Tradition sagt, wie diese Lente hierher gekommen sind. Doch lassen sich Veranlassnngen zu ihrer Versetzung genng denken. Es liegt zwischen dem Monte Maggiore und der Walachei, an den Mündungen der Donau, wieder jener alte Weg der Argonantcn und Kolchier, längs des .Isther und der Save. Irgend em Kriegszug oder ein mächtiger Felv-Herr mag sie als Soldaten ihrer Heimath entrissen nnd hier ansässig gemacht haben. Sie sollen unter sich noch ganz dieselbe Sprache reden, welche ihre ehemaligen Landsleute in der Moldan und Walachei sprechen. O " östreichischer Offizier, der Nalachisch verstand, soll sie kürzlich besucht und seiner Sprache wegen wie eine Wunder-erscheiinmg unter ihnen aufgenommen worden sein. Auch nennen sie ihre Sprache nicht Walachisch, sondern, eben so wie die Bewohner der Donanfürstenthümcr, Rnmu-nisch. Sie erscheinen nicht selten in Fiume auf dem Markte. Aber dort verhehlen sie ihren Namen, ibre Sprache und Herkunft und reden und geberden sich sl^ visch (krainerisch), weil natürlich die Krainer, die eingeborenen Herren des Landes, sich besser dünken und die Walachen ihrcr Herkunft und Sprache wegen verspotte»-— Ich führe dieß Alles nicht etwa als etwas von mir Entdecktes oder zuerst Vorgebrachtes an, sondern als Etw^s, was in dcn Horizont meiner istrischeu Neise sallt, nnv anch als Etwas, was immerhin in weiteren Kreidn Kleine HalbinftlDdte. 447 bekannt zu werden verdient. Oestreichischc Ethnographen haben sich längst nüt diesen istrischen Walachcn beschäftigt und ihre ganzen Verhältnisse ziemlich genau dargestellt. Bekanntlich sind die Walachen auch noch an anderen Punkten bis in die Küstenländer des adriatischeu Meeres sporadisch vorgerückt, namentlich in die Gebirge Albaniens und dann weiterhin am ionischen Meere in die Gebirge von spirits und Griechenland bis Morca hinab, wo sich überall kleine Sprach- und Bevölkernngs-Inseln der sogenannten Kntzowalachen befinden. Umago und dann Cittannova sind die nächsten Anlandestationen des Dampfschiffs. Jenes ist wie Pircnw kin alter Ort, vermuthlich eine römische oder gar schon eine argonantische oder kolchische Pflanzstadt. Es liegt ganz ähnlich wie Pirano auf einer kleinen Halb-Ul^rl, sowie auch Cittanuova, Parenzo und Roviguo dieselbe Lage haben. Es sind lanter kleine Halbinselstädte, Nut doppeltem Hafen und mit weiter Hcrvorragung ins Meer hinein, lauter kleine Venedigs und Nagnsas, welchen Städten sie auch in ihrer inneren Bauart nicht Wenig ähneln. Icdeö dieser Städtchen ist in einen Knäuel Von charmanten Waldungen, Oliven und Wcinlanb eingewickelt. Ihre kleinen Weichbilder oder Campagnas scheinen ganz mit Oliven und Neingärten erfüllt zu sein. Wie nach dem, was ich oben sagte, die bcvölkertsten Ortschaften, so finden sich an der Westküste Istriens auch bie reichsten Landgüter und die Wohnhäuser der begüter-^n Possideuti des Landes. Wir passirten mehre ihrer Villen oder Palazzi, die zuweilen wie die Mauern der Städte von den Wellen des Meeres bespült werden, so gleich bei Umago den aus Olivengcbüsch und Cypressen 448 Der istrische Landadel. hervorragenden palaino cl«i l<>llne«8olu, so weiterhin bei Cittanuova den?^ 6«i l^onto ^risani. Das Be-sitzthum dieser letztem, der Grafen Grisoni, soll jetzt das größte und reichste in ganz Istricn sein. Dieser Landadel von Istrien spricht durchweg italienisch und ist auch italienisch gesinnt. Die meisten der Possidentenfamilien sind venetianischen Ursprungs und hegen noch, als etwas Süßes, die Erinnerungen an ihren atten Zusammenhang mit der glorreichen Republik, wie dieß denn so natürlich als irgend möglich ist. Viele Familien mögen aber ursprünglich slavischer, manche auch deutscher und überhaupt sehr gemischter Herkunft sein. — Insbesondere mag Letzteres, ich meine die Mischung italienischen, slavischen und mitunter auch deutschen Blutes in derjenigen Hälfte von Istricn, die schon seit uralten Zeiten zum deutschen Reiche, zu Oestreich oder zu den Besitzungen der deutschen Grafen von Görtz und Kärnthen gehörte nnd die ich als die gebirgige, als die östliche und dem italienischen Lichte abgekehrte Seite von Istrien bezeichnete, stattgehabt haben. Ein Triestincr Freund hatte mir zu meiner istrischen Neise einen Haufen interessanter Papiere mitgegeben, die ich unterwegs las. Unter diesen fand ich anch ein merkwürdiges Document vom Jahre 1^15, in welchem der Graf Albrecht zn Gört) und zu Tyrol, Pfalzgraf zu Kärnthen nnd Voigt dcr Gotteshäuser zu Agle (^quüt^l), zu Trient und Briren, den Pofsidenten in Istrien ihre Privilegien bestätigte. Der Brief war in deutscher Sprache abgefaßt, die damals in Istrien wohl bekannter gewesen sein muß als jetzt, denn hentiges Tages würde hier Niemand einen solchen Brief verstehen. Die Leetüre dieses Schreibens war „Ein alter isirischcr Freibrief." ^49 mir vom mannigfaltigsten Interesse. Denn er ließ mich vielfache Blicke in die alten Zustände des Landes, das jetzt vor uns lag, thun. Der Graf lobt darin „die getreuen Dienste, welche seinen Vorderen nnd auch ihm selber seine Ehrbaren, Ritter und Knecht in Usterreich, sowohl die, welche nun verschieden sind, als auch die, welche noch leben, oft und dicke erzeigt haben, indem sie von je und je mit Treuen, Ehren und ganzer Frumheit an dcr Herrschaft zu Görtz festiglich sind gewesen," — und sagt dann, „wie Er besonderlichen darum, daß Aller Sache Gedächtniß mit den Tagen hingehet und fleußet und mit Briefen wird geewigt und bestätigt, ihnen 'hre alten Rechte ohne alle Irrung an gegenwärtigem Briefe habe verschreiben heißen, damit sie und ihre Erben uach seinem Abgehen bei diesen Rechten ewiglich bleiben." -- Unter diesen den Rittern und Knechten von Merreich verschriebenen Rechten sind nun gar absonderliche, so z» V. eines, das in einem Artikel bestätigt ist, welcher so lautet: „Es ist zwischen uns und unseren Dienern, Rittern und Knechten festgesetzt und abgemacht, daß Wir nach ihren Leuten und Sie nach den unseren ohne Recht N't sollen greifen." — Ein anderer Artikel des besagten Briefes lautet so: „Wann das Land von Merreich von Knegswegen Noch angehet, so sollen sie uns dienstlich ^ln, so sie best mögen. Wollten wir sie aber außer der Herrschaft zu Dienst nützen, so sollen wir ihnen darum Hun und geben, als andern ehrbaren Dienern." — Ein dritter: „Verscheidet Einer unserer Ritter ohne Erben, so soll dessen Erbthcil anerben dem nächst gcstppten Freunde, und wir sollen sie der Erbschaft nicht entwehrcn."—Ein vierer: „Sie haben auch das Recht, ihren Hausfrauen Morgen-Kohl. Ncise in Dalmalicn », 29 ^50 ,,Eui nltcr istrischcr Freibrief," gab und Heimsteuer zur Lehn oder zum Eigen zu schlagen und ibren Töchtern zu geben ohne unsere Hand, wenn wir im Land nicht sein. Wenn uns aber Gott in das Land fügt, so sollen sie uns Weisung antragen, und wir sollen unseren Willen dazu geben." — „Thut ein Edler auf unseren Märkten oder Kirchtagen eine Unbescheidenheit, den haben wir selbst zu bessern, nnd nicht der Landrichter, nach Gnaden. Es wäre denn die Unbescheidenheit so groß, daß Er das Leben verwirkt hätte, so mag ihn der Richter aufheben." — Ist es nicht, als wenn ein Löwe hier zu seinen thierischen Unterthanen redete und ihnen verspräche, daß er artig sein, nicht freßelt und kratzen wolle und, sich selbst einen Manlkorb vorlegend, dieß ein Privilegium für seine Ritter nenne: „Wir sollen ohne Necht nicht nach ihren Lenten greifend — „Wir sollen ihre außerordentlichen Dienste nicht ohne Entschädigung nützen." — „Wir sollen ihnen nicht >hl Erbe vorenthalten." — Dieß ist wirklich naiv. Aber noch naiver ist der letzte Artikel, in welchem die Verbrechen, selbst die Capitalverbrechen, also doch wohl Mord" und Todtschlag, der Ritter bloß als „Unbescheiden-heit" bezeichnet werden. — Es ist, nebenher sei es gesagt, merkwürdig, daß in den» alten dentschen Namcn fürIstrien: „Ister-Reich" die griechische Benennung der Donau vollständig wieder hergestellt und aufgelebt ist. — I^l ist dieser deutsche Name des Landes ganz verschwunden, und selbst bei den Deutschen wird allgemein die italienische Benennuug des Landes Iftrien gebrancht, wie denn überhaupt durch die Vereinigung des venetiauischcn mit deM altdeutschen Istrien dieses mehr italienisirt als jenes verdeutsch worden ist. Die italienische Sprache ist hier, W>e E'ill dentscheS VundeSland nut italienischer Sprache. ^51 auch in Südtyrol und wie überhaupt überall an der ganzen Gränze, wo sic mit deutschen oder slavisch-deutschen Ländern gränzt, in einem stärkeren Umsichgreifen begriffen als die deutsche. Zwar haben im Jahre 1848 die Istrianer sogar — im Lande selbst erschcint Einem dieß wie ein Wunder — ihre Boten in das dentsche Parlament zu Frankfnrt gesendet, zwar sprachen wir Deutschen, als wir sür unsere Flotte schwärmten, auch von Pola und den anderen schönen istnschcn Häfen, als von Stationsorten für unsere Schiffe, als von Arseualen und Ankerplätzen, über die unsere dculsche Mariue ohne Weiteres und mit noch viel mehr Recht als einst Iason und Medea verfügen könnte, aber nichtsdestoweniger ist dieses Land uus doch iu den letzten Zeiten noch entfern-ln gerückt als in dcr Zeit, da es noch „Istcrreich" hieß. Kennt doch jetzt fast Niemand mehr im Lande den alten demschcn Namen der Hauptstadt des Landes „Mitter-ö"rg", nnd gebraucht doch Jeder dafür deu italienischen Namen: „pizwo." Kann doch säst kein Posstdente im "ande mehr die alten Privilegien und Briefe, welche stlncn Vorfahren von deutschen Königen und Fürsten aus-Wellt wurden, verstehen. Wird doch die gauze Literatur ""d Iourualistik dieses deutschen Bundeslandes*) jetzt in Nalicnischcr Sprache geführt. Die Italiener haben eigentlich auch schon seit uralten ^'lten ganz Istrien als die änßerste ihnen noch angehörige ^nnauer ihres Landes betrachtet und dieses immer ^"s letzte Ende Italiens im Nordost genannt. Nicht ^6 Dante bezeichnet den Qnarnero als die äußerste '—--------- *) Zum Theil wenigstens ist dieß Istrien. 29* 453 Der „Spion von Isirien." Naturgränze Italiens gegen Illyrieu, sondern auch schon tausend Jahre vor ihm thaten dieß viele italienische Volksdichter und Schriftsteller. Es ist dieß ziemlich natürlich, denn Istrien ist, wie ich zeigte, nach Italien hin geographisch ganz erschlossen und geöffnet, nach Illyricn zu aber vermauert und noch in der großen Gcbirgsbogenmasse, welche sich im Norden von den karnischen und Mischen Alpen her, die Gränze machend, um Italien herum-schlingt, eingeschlossen. 4. Paeenzo. So fuhren wir denn stets unter angenehmen Anschauungen und stets über den glatten Spiegel des Meeres hin. Nicht wenig unterhielt uns bei dieser Fahrt auch der Anblick des kleinen „Spions von Istrien." Diesen Beinamen führt nämlich das Städtchen Bujc/ das mic seinen 2M0 Einwohnern auf der obersten Spitzt eines sehr regelmäßig geformten BcrgkegelS von siebenhundert Fuß Höhe Posto gefaßt hat. Gerade mitten aus den Vergpyramiden schießt wie ein Pfeil der Kira> thurnl des Städtchens hervor, und ill einem Eiltet »m denselben herum ordnet sich ein Kranz von Häusern, und diese umschlingt wieder aus einer noch etwas niedre geren Stufe der Pyramide ein Kranz von Olivengärten-Viele Meilen weit sieht man dieses hübsche StadtfigM chen hoch über alles Vorland Hervorspioniren, obwohl es ziemlich weit im Innern liegt. Und eben daher heißt, wie gesagt, das kecke und neugierige kleine Vuje Wandernde nrapolilanische Kupferschmiede. 453 ,,w 8pw cl^II' I8ll-j:»/' so wie man den imposanten Monte Maggiore „den großen Wächter" deS Landes nennen könnte. Um die Mitte des schönen Tages kamen wir in Parcnzo an, wo wir wieder ausschifften. (8s ist sehr wohl möglich, daß unter den dentschen Lesern viele sind, welche den Namen dieser Stadt hier znm ersten Mal Vernehmen. Dieß bindert aber nicht, daß dieser kleine Ort äußerst merkwürdig und zudem auch schon seit Tausenden von Jahren den Kennern Italiens sehr wohl bekannt ist; denn bereits zu der Nömer Zeiten führte er denselben Namen, nämlich l'u'^ntin»!. Er bietet dem Pinsel des Malers vielfache vortreffliche Themas, dem Alterthum-freunde mehrfache Gegenstände des Studiums und selbst dem Naturforscher einige Räthsel dar. Parenzo ist nach Pola unstreitig derjenige istrische Ort, der dem Wißbegierigen und dem Vewnnderer alter Kunst am meisten gefällt, uud daher in Istrien uud Italien weit und breit gepriesen. Nie sehr ganz Istrien noch in die althergebrachte Lebensweise verwebt ist, davon hatten wir gleich beim Landen einen handgreiflichen Beweis. Am Molo des Städtchens auf dem freien Platze stießen wir nämlich auf eine Gesellschaft wandernder neapolitanischer Kupferschmiede, die den Parenzanern bier ihre Polcntakessel stickten. Wir ließen uns mit diesen Lenten in ein Gespräch ein, und sie erzählten uns in einer freundlichen und heiteren Manier, daß sie auS der neapolitanischen Provinz Basilicata herübergekommen seien und daß sie Istrien oft besuchten, weiter nach Osten sich aber Noch nicht gewagt hätten. Sie saßen an dem schönen 454 Neapolitanische Blasebalg. sonnigen Lido ill recht malerischer Gruppe bei einander und handirten bei ihrer Arbeit unter munteren Gesprächen und Gesängen. — Am meisten fiel mir die Weise auf, wie sie ihrem Feuer Luft zuführten. Ihr Blasebalg bc-stand ans zwei haarigen Ziegenfellschläuchen, die ungefähr in der Form einer Brille zusammengesetzt waren. Jeder Schlauch hatte eilten langen Einschnitt, in den ein hölzernes Gestell eingefugt war. Vermittelst dieses gelenksamen hölzernen Gestells, an dem sich Handhaben wie an einer Scheere befanden, konnte der Blasebalg Luft schnappen, wenn das Gestell und der Schlanch geöffnet wurden, stieß aber die Luft in eine Röhre von sich, wenn diese geschlossen wurdeu. Die Röhren beider Schläuche vereinigten sich in demselben Mundloch, und ein kleiner hübscher neapolitanischer Innge, der mit seinen Aeltern herumzog, war unaufhörlich beschäftigt, die beiden Ziegen-fette, die er an ihren Handhaben gepackt hatte, wechselweise zu öffnen und zu schließen, wie ein Schneider die Scheere, und so blies dcr stets genährte Wind gleich-mästig in den Feuerheerd, den sie, sich sehr geschickt behelfend, in einem Loche des Eroreichs zwischen ein paar alten Pflastersteinen angelegt hatten. Nachdem sick auf dem Casino der Stadt die kleine Anzahl der Ortskundigcn, deren Güte wir empfohlen waren, zu-" sammengefunden hatte, gingen wir zncrst, den schönen Dom von Parenzo zu beschauen, der iu seiner Art so ausgezeichnet ist, daß, weun er in Augsbnrg oder Nürnberg läge, ihn schon hundert Kupferstecher uud Lithographen der Welt bekannt gemacht hätten, der aber hier in diesem entlegenen Winkel der Erde nur von einigen wenigen Kennern und Liebhabern bewundert wird. Cs ist die allgemeine Meinung Dcr Dmn vl'n Parenzo. 455 der Gelehrten, daß dieses Gotteshaus im Anfange des sechsten Jahrhunderts unserer Zeitrechnung gebaut worden sei. !)>-. Kandler, der bereits erwähnte gelehrte Kenner Istriens, sagt, es sei im Jahre 543 unter Kaiser Justinian so vollendet worden, wie es noch jetzt dastehe. Einige Veränderungen und Reparaturen mag natürlich die Zeit hie und da doch nöthig gemacht haben. Wir hätten hier demnach ein christliches Gotteshaus, das unserem Cultus über zwölfhundert Jahre gedient hat. Es fragt sich, ob irgend ein Tempel des römischen oder griechischen Heidcnthums sich rühmen kaun, seinem Cultus eben so lange gedient zu haben. Dieser Umstand in Verbinduug mit der gefälligen Zierlichkeit des Banes und der Reinheit des architektonischen Styles in dieser Kirche ist allein hinreichend, sie überhaupt als eines der merkwürdigsten Gebäude erscheinen zu lassen. Die tauseudjährigeu Gotteshäuser, welche bei uns, ich meine in Germanien, Britannien, Gallien u. s. w., etwa noch eristiren, sind bekanntlich, wie z. B. die Kirche bei Fulda, nur kleine niedrige Kapellen, so eng wie Backöfen; die anderen Kirchcn aus Iustiniamscher Zeit auf der gricchisch-illyri-Ichrn Halbinsel sind, wie z. B. die Sophicnkirche in Kon-stautinopel, zum Theil in Moscheen verwandelt, zum Theil von den Türken zerstört. Die Türken aber haben glücklicherweise Istrien nie erobert, und so ist denn diese Basilika wunderbar genug durch zwölf Jahrhunderte hindurch an der istrischcn Küste unversehrt stehen geblieben. Auch w Italien möchte man wohl schwerlich noch solche alte Basiliken finden. An der ganzen über hundert Meilen langen Osttüste des adriatischcn Meeres, dieß ist gewiß, hat sie nicht ihres Gleichen. Die alten schönen und be- 456 „Quod sancto templo Angli obtulerunt." rühmten Kirchen, welche an dieser Ostküste stehen, lassen sich bald aufzählen. Es sind dieß die Dome von Spa-lato, von Trau, von Scbenico, von Zara, von Fiume, von Pola und Parenzo. Allein alle übertrifft der letztgenannte sowohl an Alter und Eleganz, als auch an Vollständigkeit seiner Erhaltung. Wie alle Basiliken hat auch diese Parenzanische das Haupt dem Osten, den Eingang aber genau dem Westen zugewendet. Vor diesem Eingang ist ein von einem Por-ticus umgebener höchst pittoresker Vorhof und in demselben das große achteckige Baptistcrium. Die vordere Seite der Kirche über dem Eingänge war ehemals mit Mosaikgemälden bedeckt; diese hat aber die Zeit entsetzlich mitgenommen; der größte Theil der Steinchen oder gefärbten Glasstücke ist ausgefallen, und von den zahlreichen Figuren, welche diese Gemälde bildeten, ist nichts übrig geblieben als hie und da ein handloser Arm, ein halber Kopf und ein Fuß, welche verstreute Glicdmaßen der Kirchenwand einverleibt sind wie einer Felswand die versteinerten Neste antidiluvianischer Thiere. Als die Engländer in einem der Kriege, die sie gegen Napoleon am adriatischen Meere führten, einmal Parenzo beschossen, flogen anch dieser Basilika einige ihrer Kugeln zu. Sie haben aber glücklicherweise wenig geschadet und sind jetzt in einem Theile des Vorhofs eingemauert. Die katholischen Priester haben folgende Inschrift darüber gesetzt: „Huaä 8l,NOlo lomplo ^n.^Ii obwIeruM" (dieß brachten dem beiligen Tempel die Engländer dar). Der innere Hauptkörfter der Basilika ist in drei SclM abgetheilt, von denen das eine für die Frauen, das andere für die Männer, das dritte, mittlere für den Gottesdienst, das Alte schöne Sciulmknäufe. Mosaik. H57 Sanctuarium und den Chor bestimmt ist. Die Säulenreihen, welche diese Schiffe von einander scheiden, bestehen aus verschiedenen griechischen Marmorartcn, und sie sowohl als die elegante Arbeit an ihren Knäufen oder Capi-tälem rühren noch ganz von dem ersten Erbauer des Doms her und sind wunderbar gut erhalten. An jeder Säule befindet sich noch das Monogramm des alten von Justinian eingesetzten Bischofs Euphrasion, des Gründers der Kirche. Der Schmuck der Säulenknäufe ist sehr manch-faltig, bei manchen ganz besonders zierlich. So schlingt sich z. B. bei einigen ein Kranz von Blättern hernm, Wie ein Lorbcerkranz um das Haupt eines Dichters. Die Blätter und Zweige sind ganz ans dem Marmor-block herausgelöst und schweben zum Theil in freier Luft, und dennoch hat sich diese zerbrechliche Arbeit seit zwölfhundert Jahren conservirt. Der Boden der Kirche war ursprünglich mit Mosaik geziert, wie die änßercn Wände des Eingangs. Jetzt ist diese Mosaik freilich mit einem erhöhten Boden und mit Steinen überdeckt; aber an einer Stelle hat man die alte künstliche Arbeit wieder zu Tage gelegt und mit Bretem verschlossen. Man hob diesen Verschluß weg und ließ uus in dem Loche dieß schöne alte Kunstwerk sehen. Der einfache Altar der Kirche, das Reliquiarium, das, Wie eine griechische Inschrift besagt, eine byzantinische Arbeit des Goldschmieds (5zechiel vom Berge Athos ist, das Sanctuarium dieses Doms sind lauter Dinge, die der genauesten Betrachtung und Untersuchung und eines tieferen Studiums würdig wären, welches ihm noch Niemand gewidmet hat. Man könnte ganze weite Länder-strecken in Europa nennen, in welchen man nichts von 458 Ti'nipcltrümmer. so schöner alter Arbeit findtt, und wenn man mit entzücktem Auge und in hockst befriedigter Stimmung aus diesem Dome wieder in das kleine Stadtchen Parenzo hinaus tritt, so fragt man sich erstaunt, wie es möglich sei, daß dergleichen Schätze in einem Winlelstädtchen wie dieses versteckt liegen. Aber wie hübsche Scenen und wie interessante Neste noch älterer Zeit sind anch hicr drausien uoch! Wir schritten vom Dom über das alte Formn vou Parenzo hinaus zu den Trümmern eines Tempels des Mars und eines anderen des Neptun. Diese Trümmer befinden sich alle dicht bei einander in einer elwas erhöhten Gegend der Stadt, die gegen das Meer hin mit einer schwachen Bodensenkung abfällt. Es war hier das Cci-pitolimn von Pareuzo, ein von den Hauptgebäuden der kleinen Commune umgebener Platz. Und jetzt ist hier eben der schlechteste Theil und das Armenqnartier des Ortes, wie auch in Rom und wie überhaupt fast in jeder ehemaligen römischen und griechischen Stadt sich dieselbe Erscheinung wiederholt, daß gerade die Centralpunkle des früheren Glanzes und Lebens jetzt im Argen liegen und daß das Elend seine Hütte an die Süulenstümpfe der alten Tempel und Paläste lehnt. Auf dem Formn am zerbrochenen Piedestale eines antiken'Monuments hatten die heutigen armen Anwohner des Platzes Tücher ausgebreitet, um einige Weizenkörner darauf zu trocknen. Sie hatten dieselben mit Kalk bestreut, um, wie sie mir sagten, dadnrch den Weizen-samcn, der znm Aussäen nn folgenden Jahre bestimmt wäre, besser zn conserviren. Sie waren mehr um ihre Handvoll Wcizenkörner bekümmert als um alle die tausend- Tempeltrümmer. 459 jährigen Säulenstümpfe, dic uns so viel Sorge und Aufregung vernrsachten. — Dic kleinen Häuser rings-henlin enthalten alle mehr odcr weniger antiken Vlarmor« stoff und römische Trümmer. Von dem Tempel des Neptun sind nur noch die Basamente übrig geblieben und einige Stllfen rings herum, dic zn ihm hinaufführten. Ueber dem Boden ist Alles wegrasirt; aber auf der Platform, die cinc sehr sichere Grundlage gab, haben einige arme Parcnzmusche Familien ihre Hütten gebaut. Diese Hütten liegen auf dem Tempclboden wie etwa ein Gericht erdiger Kartoffeln auf emem silbernen Pra'sentir-teller. Man tritt über die marmornen Tempclstufen hinauf und gelangt zn den Thüren des Elends. Der Tempel des Mars ist etwas besser weggekommen, wenigsteus stehen von ihm noch zwei canncllirte Säulcnstümpfe aufrecht. Durch allerlei Winkel und Verstecke uus durchwindend, fanden wir sie an einem Platze, von dem man nicht erkennen fonnte, ob es ein Gehöfte, ein Garten odcr eine Cloake war. Scherben, Unrath und Gcttümmcr aller Art bedeckten den Boden. Feigenbäume und malerisches Wcinlanb rankten dazwischen herum. Wir scheuchten eine Katze ans, die sich mit einigen ^'schickten Sätzen an einer der Tempelsäulen hinaufschwang und sich auf ihrer zerbrochenen Spitze niederließ. Dicht hinter den Säulen waren wieder anf ^cm Fnn-dcmlente des Tempels kleine Häufer gebaut, deren Fenster zwischen den Säulen hervorbliuzclten. Seit langer Zeit hatten die Bewohner hier ihre Küchengcschirre ausgeleert und dabei immer eine der Säulen gestreift, die in der Schußlinie des Fensters dadurch ganz schwarz nnd schmuzig gefärbt war. Welch reicher Stoff hier überall für einen 460 Submarine rümifche Mauern. Maler sowohl, als für einen Philosophen, der über den Wandel der Zeiten und Dinge zu meditiren liebt und gern die Gegenwart mit der Vergangenheit in Verbindung sieht. Die besagten Tempelreste liegen, wie ich schon de^ merkte, nach der Seite des Meeres hinaus; aber auch unter dem Meere selbst setzt sich dieser alte Trümmerboden fort. Es ist bekanntlich eine in neuerer Zeit viel besprochene Behauptung, daß die Küste von Istricn oder vielmehr die ganze Halbinsel selbst sich gleichsam wie ein vertrocknendes Vlatt abwärts krümmt und mehr unv mehr uuter das Meer hinabsinkt. Man spricht an verschiedenen Punkten Istriens (und allerdings anch Dal-matiens) von Inseln, die ehemals mit dem Meere zusammenhingen, von im Meere versunkenen Städten lc., und namentlich ist Parenzo ein solcher Punkt, wo vas Volk allgemein von Mauern, Molos, Hafenplatzen und antiken Baulichkeiten spricht, welche auf dem Grunde des Meeres liegen. Weil ich mich in dieser Beziehung fehl ungläubig stellte, so hatten meine Frcuude unser Boot hierher beordert, um mich, da das Meer sehr ruhig und klar war, selber einen Blick in die Tiefe thun zu laften-Wir fuhren etwa einen Pistolenschuß weit vom Ilfer auf die uördliche Seite vou Parenzo hinaus. „Hie^ sagten ltusere Leute — es waren insbesondere unsere Ruderer, welche von der Loealität Bescheid wußten ^ „läuft ein großes Stück der alten römischen Mauer uuter dem Meere in ciuem Halbzirkel um die Stadt herum. Trotz seiner großen Ruhe war doch die Oberfläche des Meeres beständig etwas in Vcweguug, und unsere Manner bedauerten, daß sie kein Oel mitgenommen hatte«, „Barro" unb „Aspreo." 461 um Augen davon auf das Wasser zu gießen, durch die wir daun, wie durch ein geöffnetes Fenster, in die Tiefe schauen könnten. Doch strengte ich mich nach Kräften an und hielt mein Ange so nahe als möglich zum Wasserspiegel hinab, als man uns ein Zeichen gab, daß wir uns über der römischen Mauer befänden. Ich sagte, ich sähe nichts als Unkraut und Seegräser, und trieb die armen Leute mit meiner Ungläubigkcit gewaltig in die Enge. „I n08U'i voläoni"*), kamen sie dann heraus, „behauptcu aber alle, daß diese Unkräuter eine römische Mauer bedeuten." — „Allen Nespett vor Euren Alten! aber mit Euerer Erlaubniß möchte ich mich doch selbst davon überzeugen, ich glaube mir, was ich sehe," erwiderte ich, blickte, indem unser Schiffchen dahinschaukelte, wieder in's Meer und seufzte laut: „Ich sehe nichts, ich glaube uichts." — Endlich stand ein Kluger, den meine Ungläübigkeit reizte, unter unseren Leuten auf uud uahm das Wort: „Nuter den Seekräutern, die Sie da sehen, mein Herr, müssen Sie nnterscheidcn. Es giebt zweierlei Sorten. Das eine ist grasartig, struppig und langhal-mig; dieses nennen wir „Um-i-o", und es wächst bloß auf dem sandigen oder weichen Vodeu des Meeres; ein au-deres aber ist buschig, sehr feinfaserig und zart wie Moos, und das wächst bloß auf submariucn Mauern; wir nennen es in Pareuzo ,,^.«pt-«o." Wo nun dieses Aspreo wächst, da ist gewiß eine Mauer, uud wenn wir nur auf der Linie der Mauer hinfahren, so werden Sie uuter uns überall eine Linie von Aspreo bemerken, zu beiden Seiten ') S» sprechen sie hier nach wcichcr venetianischcr Mundart allgemein das italienische „Vocoki" aus. 462 „Certo strepido dolle crbe." aber das Varro wachsen sehen, und sollten Sie dann noch nicht Ihren Augen trauen, so belieben Sie nur die Sache zn fühlen und zu hören," und hiermit stieß unser kluge Mann mit einer langen Stange in das Meer hinab. Wir hörten gar deutlich, wie das Holz auf harte Steine fiel; auch erreichten sie diese schon bald, etwa bei 1^ Klafter Tiefe. Dann wurde die Stange etwas zur Seite der früheren Stelle eingetaucht, unv hier mußte sie — offenbar neben einer Mauer -^ tiefer Hinabgclassen werden; auch gab es keinen Klang, weil die Spitze in den Sand fiel. Wir hatten nnn das rechte Mittel zu unserer Ueberzeugung gefunden und fuhren jetzt, beständig mit der Stange sondirend, eine Zeit lang über den Mauern hin. Ich erkannte überall den Streifen des Aspreo nnd daneben die Halme des Barro. Auch sah ich nun, da mein Auge sich immcr mehr übte, an mehren Stellen nackte behauene Quadersteine mit weichem Barro. Endlich erhöhte der Umstand, daß jener Aspreo-Streifen mit dem jetzigen Ufer der Stadt parallel ging, noch mehr meine Ueberzeugung, daß wir hier wirtlich ein Mauerstück uuter uns hätten. Bei den feinhörigen Schiffsleuten und Fischern dieser Gegend selbst sind gar nicht so viele Umstände nöthig, um sie erkennen zn lassen, ob ihre Barke über altem Mauerwerk hinwegstreift oder nicht. Sie sagten mir, sie könnten dieß ganz genau an einem „«ci-w «li-lpiclo äells erdl)" wissen. Von den bebuschten submarinen Mauern ginge nämlich ein gewisses leises Rauschen aus, wenn die Barke darüber hinwegfahre, so daß sie die Mauern, auch weim daS Meer trübe wäre, finden könnten. Ich bemühte mich aber vergebens, diesen „coi'lo Versenkung der istrischen Küste. 4ßI ^rernäa c^oNo erde^ bei unserem wiederholten Passiren der Mauer zu vernehmen. Sie theilten mir auch ferner mit, daß sie bei ihrem Fischfange immer die verschiedenen Mauerzüge dieser Meeresgegend berücksichtigten. Wie die Kräuter, so klebten auch mancherlei Thiere an solchen Mauern, und namentlich „i ^c^ei ldl-mkmo ,^i busi 6c?i mui'ii/xi il 8uo ni^o^ (die Fische machen in den Löchern drr Mauern ihre Nester). — Ich zcigtc mich nun für Alles zugänglich, was die guten, ganz wahrhaften Leute mir noch sonst erzählen wollten, und als wir nach Hause ruderten, sagte mir einer mit freundlich lächelnder Miene: „Nicht wahr, mein Herr, das Factum steht doch fest (nou u voro, Kigliur, il luUo 8lg), und Sie glauben nun uns und unseren Vc'!8oki?" Ich fragte sie zum Schluß, ob sie wohl noch in neuerer Zeit eine Erniedrigung der Küste von Parcnzo, ein allmäli-geö nnd fortschreitendes Eintauchen des Landes wahrgenommen hätten. Sie sagten, nein, in neuerer Zeit hatte man nichts von einer solchen Erscheinung vernommen. So wie jetzt ständen die Dinge schon seit der ältesten Zeit ihrer Vorfahren. Jene Versenkung sei gewiß Plötzlich und durch ein Erdbeben geschehen. Leider erlaubte es unsere Zeit nicht, uuserc submarinen Untersuchungen noch weiter fortzusehen; wir mnß-ten nach wenigen Stunden zum Dampfschiffe zurück. — Doch zog ich bei meiueu Parenzauischeu Freunden über andere untermcerische Ueberrcste des Alterthums noch folgende Erluudiguugcn ein: Zuerst finden sich deren bei der sogenannten Punta San Pietro, einer Ccoglie zweitausend Klaftern weit von Pareuzo nach Südwesten. Hier sieht man unter dem Wasser die 464 Nomlsche Mauerwerke bei Punta San Pietw und Cervcre. Spuren eines alten Molos mit großen Stemmassen und es scheint, daß ehemals hier ein Hafen (Hlundrao o!lio) war. Man erblickt auch noch unter jenen Steinen versteckte Bruchstücke von Ankern und Spuren von großen eisernen Ringen (8LZrn clelle ßio»»« annulü 6i terra), die zum Beftstigen dcr Barken dienten. — Jetzt ist diese Insel Pnnta San Pictro nur eine höchst winzig kleine Scoglie, die wie eine Klippe bloß mit der Spitze etwas über dem Wasser hervorblickt. Bei Cervere, einem Kastell, ebenfalls etwa 200t) Klaftern weit von Parenzo, aber gegen Norden und an der Festlandsküste, befinden sich ebenfalls hart an dem Meeresufer Spuren von römischen Bauwerken (vosUZis cli ludrWiUionu koinano), und man sieht hier noch dent-lich die inneren Abtheilungen der Wohnungen (o 8, seal--gÄNO imeoru lu ciivi8ian6 intai'na cloil« nditli^wne). Bei niedrigem Wasser kommen auch diese Mauerwerke aus dem Meere hervor, und selbst bei hohem Wasser («oll' gltll mlirog) liegen sie nur wenig unter deM Spiegel des Meeres. 5. Vsn Marenzo nach Rovign«. Bis Parenzo giebt es von Trieft längs der ganzen Küste von Istrien gar keine Spur von einer Insel. Die Küste ist überall rein, insel- und scoglienlos. Bei Parenzo aber geräth man in einen ganzen Archipelagus kleinerer und größerer Riffe, Klippen, nackter Felsen und Küsteninftln. sui-lo ^)uil>tn. ^65 bebuschter und zum Theil auch bewohnter Inseln. Und diese zieben sich nun, in verschiedene Gruppen gesammelt oder einzeln hie und da zerstreut, in lauger Kette bis nach Pola und bis zum südlichsten Promontorinm hinab. Auf der ganzen Ostseite von Istricn längs des Quar-nero giebt es dagegen keine Spur von solchen Küsten-inseln nlchr. Diese Inseln trugen nicht wenig zu abermaliger Verschönerung unserer reizenden Fahrt bei. Die meisten sind zwar nur kahle kleine Niffe, aber an viele knüpft sich, wie ich zeigen werde, ein historisches Interesse, und manche bieten einen höchst anmuthigen Anblick dar. Bisher hatte unser Weg nur ans einer Seite hübsche Lebensbilder gehabt. Jetzt belebte sich auch die andere Seite, und wir fuhren nun fast wie auf einem breiten Etrome mit zwei Ufern. — Im Vorüberfahrcn mag ich anmerken, daß eine der kleinen Inseln bei Parenzo I^ola Ol-Imnlilu! heißt. Wir werben weiter unten dem Namen Orlando, von dem ich schon bei Nagusa sprach, an dieser Küste noch einmal begegnen. Wie die Vorgebirge, die Landrsarmc, der husche Besatz der Städte und Dörfer, wie die Scoglien, so gehören auch die verschiedcuen Flußmündungen zn den interessanten Anschauungen an dieser istrischen Küste. Ich hatte schon oben bei (zittanuovci die weite Mündung des Quieto, des größten Flusses der gauzen Halbinsel, erwähnen können. Die GingeblMN'n nennen seinen Mund, in welchen der Dampfschiffpassagicr eine Strecke Weit hineinblickt: „porw Oui^u". Die Schiffchen segeln von der Küste aus aufwärts hinein. Zwischen Parenzo Und Novigno bei Osero gewahrt man abermals einen K^'hl, Ncisc in Dalmnticu. II. >50 ^j,j)ß Die Feueresftn von Rovi^no, solchen Flußmund, den sogenannten ^«n»!« cli !.<>mme. Obwohl der Fluß Lemme, der in ihn sich mündet, nicht so groß ist, wie der Quieto, so ist doch der Mceresarm, den des Flusses unteres Stück bildet, dcr längste und am tiefsten einschneidende in ganz Istrien. Er sübrt die Schiffe 6 Miglien weit in's Land. Seine User sind von vornherein ziemlich hoch nnd schroff, man brancht nicht weit hinein zu segeln, um sich wie auf einem Bergsee zu dünken. Eleich nach dcr Lemme zeigen sich nun die bochgl'-stellten Kirchen von Novigno und die zahllosen Schort steine dieser Stadt, deren Bai ganz prächtig ist, und deren doppelter Hafen dnrch die Spitzmauern der tleim'll Infel Santa Eaterina gedeckt wird. Was würden nickt die Triestiner darum geben, wcnu sie nnr eine einzige solche Insel als Schutzmann' und natürlichen Molo vor ihrer nnr gar zu offenen Rhedc hatten! Der Wald von langen Feueressen, der aus jedem Dache der Hänscr von Novigno hervorblickt, muß jed"" Reisenden als elwas Eigenthümliches beim Lanrcn in dieser Stadt auffallen. Ein Eingeborener erklanc nur diefe Erscheinung so: „Diese Roviguescr haben eine wähn' Passion, Heerde und Fennessen in ihren Häufem an;"' legen. Die ,,I)<,nne" sind hier zu Lande hübsch, und die jungen Bürgerssöhne verheirathen sich schnell uno gern, bleiben aber dabei gewöhnlich in dem Hause ihre»? Vaters. Sofort und vor allen Dingen wird ihnen abcr alsdann ei.i eigener Heerd angelegt und ein besonderes ^'^ min gebaut, damit es zwischen den Frauen in der Küa> keine Zänkereien Mc. Ja sie bauen wohl gleich vru vornherein so viel Heerde und Eamine in ihren HauicNl, Die „Än'sturas" dcr ^tovigucsillilon. ^^7 als ihnen Söhne geboren werden, bei der Geburt jedes Sohnes einen, damit diese schnell heirathen können." — Als ich mich später bei einem Rovigneser Bürger weiter darnach erkundigte, deoavouirtc er zwar die nur gegebene Erklärung, konnte mir aber feine andere dafür an die Stelle setzen. Ich lasse daher einstweilen jene Bemerkung gelten, und wein: es auch eine in den Schornstein geschriebene Rechnung sein sollte, so ist doch das Faetum, daß Rovigno ungefähr so viel ellenlange Camine hat, Wie bei uns ein Dntzend Städte zlisamüicngenommen, unzweifelhaft, und dieses Faetum muß auf irgend eine Weise erplicirt werden können. Da indeß bereits die Abenddämmerung begonnen hatte, so fanden wir das Publienm von Rovigno und namentlich anch die „Donne" in den Straßen spazieren, um nach venctianischcr Weise das „1"><^u" zu genießen. Von diesen nmhcrsvazicrenden Novignesischen Frauen spricht anch schon der alte Reisende Spon, der vor 209 Jahren hier war. Er sagt von ihnen, was sie seiner Zeit nicht wenig erschreckt haben muß: ,,Lds fern nies a Rovigno portent des verlugadins i\ l'Es-pagnolc, (|iii lcs rendent essroyables". Nichtsdestoweniger haben sie sich seitdem noch um nichts gebessert. Sie tragen diese „Vuliu.^nlm» i> I'k5sil»^na!o" noch wie damals. Sie nennen das Kleidungsstück aber nicht so, sondern,,Vc8Ull'<>". Und diese Vcsturas bestehen in einem seidenen Mäntelchcn oder Tuche, daS sie hinten an ihre Taille befestigen und nach vorn über den Kopf schlagen, slnf den ersten Anblick glaubt man, sie hätten ihre Schürze verkehrt nmgebniiden nnd dann so behandelt, und dcr erste (Andruck cincr s^lchcn Vermummnng 3U* 468 Coquetterie der Novigxesinnen. ist, wenn auch nicht „etli-o^kl«", doch nicht sehr anziehend. Aber wenn man die hübschen, oft sehr interessanten Gesichter nnter dieser seidenen Capuziuerkutle und dann die zierlichen und graziösen Hände, mit denen sie das Tuch vorn zusammenfassen, entdeckt, so söhnt man sich allmälig damit aus. Mit ihren Händchen vorn und mit der Art und Weise des Zusammenhaltens coqnettircn sie ein wenig, und Gue thut es der Anderen dabei in Grazie zuvor. 6. Won Novigno nach Pola. Wir betrachteten dieß Alles, während unsere Pferde angespannt wurden. Denn wir hatten uns einen Wagen bestellt, um nnsere Neise nach Pola zn Lande fortzusetzen und aus diese Weise dem Dampfschiffe, das >" Rovigno übernachten und erst am anderen Tage na^ Pola gehen sollte, voranzueilen. — Die mnnteren Pserde und ein leichtes Wägelchen nebst einem Kutscht der sich bald als ein schr lebhafter Rosselenker erwies, waren in kurzer Zeit auf dem Flecke. Ein östreichi^?"' Ofsi;ier, den sein Dienst nach Pola rief, stieg nut nur cin, nud wir Beide haben denn bei Nacht und Nebel die 20 Miglien bis Pola fast ohne Aufenthalt, s" 5" sagen, im Fluge abgerädert nnd smd dort nach etwa mehr als 3 Stundeil auf schöner Straße glücklich ange- Zuerst kamen wir durch das Weinreben- und ^e ^ baumgelände, welches Rovigno wie jede andere Sta in Iftrien umhüllt. Dieß dauerte wohl ^! Miglicn. ^ Contrast dcr Islnancr und Dalmatier. Hßg ist eine reizende Campagua, diese „t^mp^in, clillovi^nn^^ ein ganzer Knäuel von Gärten und Baumanlagcn. Viele Bauersleute begegneten uns, die aus den Weingärten und von den Feldern heimkehrten. Sie grüßten uns alle recht freundlich, ganz anders als in Dalmatien, wo uns keineswegs ein solcher Grus; immer zu Theil wurde. Ihr Gruß war slavisch. Denn die Italienisirung beschränkt sich selbst in diesem altvenetischen Istricn bloß auf die ummauerten Orte, wie sich die Verdeutschung z. B. auch unter den Letten in Kurland bloß auf die Städte uud Edelsihe beschränkt. So wie man den Fuß zur Stadt hinaus setzt, fängt schon das Slavische an. Die südlichen Istrianer sind zwar derselben Herkunft wie die Dalmatier. Es sind nicht Krainer, sondern Croato-Serben. Aber doch ist ein bedeutender Unterschied in ihrem Wesen, ihrem Costüm und ihrer Sitte. Zuerst sind sie fast alle ohne Waffen, was schon ein gutes Zeichen ist. ,,l no^i-i Izli'iimi non »an« «>kl örmigLt-i, oonw i DalmMini", bemerkte mir ein Rovig-uese. Und dann kamen sie nur überhaupt im Allgemeinen um einen halben oder ganzen Grad civilisirtcr vor "ls jene. Diese Impression, welche ich hier empfing, sammle auch ganz mit dem Urtheile der östreichischen Flotten-Offiziere überein, welche, wie ich später hörte, der Ansicht sind, daß die Matrosen, die sie von Istricn erhalten, im Ganzen viel besser vorgebildet sind als die, Welche ihren Schiffen aus Dalmatien zukommen. Wie der bnnte Waffenschmuck, so hört hier in Ist-l'en auch die ganze vielfarbige orientalische Kleiderpracht ber Dalmatier und mit ihr unter anderen ebenfalls der ^70 Phlegma der istriamschm Landlcute. betroddelte uild bepcrlte Männerzopf auf. Die istriani-schen Bauern siud im Ganzen recht modest gekleidet. Sie haben lauter dichtanschlicßende Kleider, enge Hosen, knappe Westen und kurze jackenartige Ueberröcke, sllles durchweg von derselben braunen Farbe. Ich möchte sagen, das sei so gesucht cinsach, wie die Kleiderfarbc gewisser auf Einfachheit rassinirender Engländer, die sich bekanntlich zuweilen von Kopf bis zu Fuß in graues Gewand hüllen. Uebngens waren alle unsere Leute beritten, auf kleinen Pferden oder Eseln. Fast keiner ging zu Fuß. lind manche mal saßen auf einem kleinen Thiere ihrer zwei. Ihre Bequemlichkeit muffen sie also sehr lieben, und allerdings wissen die Deutschen und Italiener von dem trägen, phlegmatischen Sinn ihrer ismanischen Landleute gar vieles zu klagen, nnd wenn man sie Hort, so sollte man fast glauben, es wäre nicht viel anders als in Dalmatien. Nachdem wir die letzten Ocl- und Weingärten rer (^mp<,ßnn äi Ilovilma hinter uns gelassen hatten, k^ men wir in's eigentliche freie Istricn, wo sich dieses Land in seiner eigenthümlichen Natur offenbarte, hul^ aus. Diese ganze südliche Hälfte von Istrien ist, n'0 nicht eben, doch nichts weniger als ein Gedirgsland. Lange Hügel und Landrücken ziehen sich durch dieselbe h>u> Die Aussicht war hier überall frei, weil keine Berge oder Bäume sie hinderten, und weil wir in einer Entfernung von etwa 5 oder 6 Miglien von der Küste auf einem jener langgezogenen Höhenrücken hinfuhren. Längs der Küste selbst, die zwischen Rovigno und Pola zicuülch unbelebt ist, geht kein Weg. Alle starkbevölkerten Ort- Baumlosigkeit. Valle. 471 schaften: Peroe, Gallesano, Valle, Dignauo, liegen im Innern. Wir passirten die beiden letztgenannten. Anch kein Vanm, sagte ich oben, hinderte unsere Aussicht. Denn außer ln den Campagnen der Stävtc giebt es solche fast nirgends. Die Flächen, Höhenrücken und Gefilde waren mit niedrigem Gebüsch und Gestrüpp überzogen. Dieß sind die Büsche, welche die Istriauer aushaum und deren Ausbeute sie als Brennmaterial aus den Markt voll Trieft führen. Der Abend war sehr heiter nnd sternenhell, mld wir konnten wcit und breit um uns scheu. Die Natur schien uns ungefähr den Geist zn athmen, wie hie und da in dem mit Haivekräutern bedeckten GeHügel der Lüueburger Haide. Nur nach dem Meere zu mußte ein leiser Nebel in der Landschaft liegen, denn der Abendstem ging hier mit ganz blutrothem Schinnner, wie ich ihn nie glaubte gesehen zu haben, unter. Angebaute Felder sind hier eine Rarität, und aus der ganzen Strecke trafen wit', wie gesagt, nur zwei Ortschaften, vou denen die eiue, Valle, ein Dorf, die andere, Dignano, eine Stadt, und zwar eine für Istrien ganz bedeutende Stadt mit fast ^Wl) Einwohnern. Diese wie anch die anderen genannten Orte liegen auf der Spitze von Höhen etwa ", was wir etwa „Nolandeum" Übersehen könnten, genannt würde. Cassas aber leitet diesen Namen, der eben so interessant wie der vorige ist, auf sehr wunderliche Weise ab. Er erzählt nämlich bei dieser Gelegenheit die bekannte Anekdote von dem Zusammentreffen des Sängers des rasenden Roland mit den Räubern, die sein Gedicht so sehr bewunderten und dem Ariosto daher, statt ihn zu berauben, ihren tiefsten Respect bewiesen. Von dieseu italienischen Räubern, meint Cassas, möchten sich einige, über das adriatische Meer setzend, an die Nskokcn uud andere Räuber in Istrien nnd Liburnicn angeschlossen haben. Unterwegs hätten sie min das Amphitheater bei Pola erblickt und ihm den Namen „Orlnndina" gegeben, weil es ihnen denjenigen Palästen, die Ariosto in seinem Gedichte und in ihrer Phantasie aufgebaut, ähnlich geschienen habe. (5s ist wohl sehr unwahrscheinlich, daß ein Name, den durchziehende Schelme ersannen, volksthümlich geworden lein sollte. Dagegen ist es viel glaublicher, daß wie die Rolands-Sage selbst, so auch ihre Bekanntschaft in Istrieu viel älter ist als das Gedicht von Ariosto, und daß das Volk säM lange vor ihm den Namen „Orlandina" für das Amphitheater in Gebrauch genommen hatte. Ich habe schon oben bemerkt, daß eine kleine Insel an der Kulte von Istrien „Isola Orlandina" heißt, und bei Pola giebt es noch cin altes Vesestigungswcrk, das der Thurm des Roland genannt wird. Ich habe ferner oben von der Rolandssäule m Ragusa gesprochen, und wir haben also in allen diesen Namen und Fatten Anhaltspunkte und Spuren, die uns zum Beweise desseu, was ich sä)^" andeutete, dienen, daß die Rolands-Eage au dieser Os^ Unebenes Terrain. H81 küste des adriatischen Meeres gewurzelt und sich vermuthlich mit alten slavischen Volkssagen vermischt habe. Nebrigens hört man den Namen „Orlandina" für das Theater selten, und meistens heißt es iu Pola nur ,,il ^ml'iu>ittro" oder noch gewöhnlicher,,!' ^rona^ (die Arena). Dieß letztere ist der allergcmcinste Name, dessen sich fast jeder italienisch Sprechende bedient." Denselben populären Namen gebranchen auch die Vero-neser für ihr Amphitheater. Wir gingen erst ein paar Mal rnnd nm das Gebäude hernm, um uns das Aenßere näher anzuschauen. (5's war dieß eine kleine Reise, denn das Gemaner hat über tausend Fusi ^ kein erschöpfendes architektonisches Werk über diese merkwürdige Ruine besitzen, die dem Publicum dieselbe von Unregelmäßige Bauart. 483 allen Seiten und in allen ihren Theilen zeigte. Ansichten von seiner bunten und pompösen Vorderseite hat man zwar genng, aber selbst Eassas, der doch in seinem oft eitirten Bnche dem Amphitheater von Pola nicht weniger als sieben Blätter widmet, gicbt es überall nur von seiner Vorderseite uitd hat gar keine Ansicht voll hinten oder von den beiden Enden des Parallelogramms, deren Darstellung doch so äußerst lehrreich sein würde. Es versteht sich von selbst, daß anch auf die Eub-strnetioncn und anf die Errichtung des Innern jener ins Gebäude hineinragende Hügcl von Einfluß sciu mußte. Die Abtheilnngen, die sich vorn als gemauerte Kammern oder Gewölbe darstellen, fehlen hinten entweder ganzlich oder erscheinen als in den Boden ausgearbeitete Höhlen oder Keller. Mit einem Worte, die römischen Architekten mußten sowohl für die hintere Hälfte, nls auch für die vordere einen besonderen Plan entwerfen, was sie hatten vermeiden können, wenn sie dcn Boden zuvor avvlanirt und deu Hügel abgegraben hätten. Daß sie dieß nicht thaten, schien mir beim ersten Anblick ciile großc Störung der Harmonie des Ganzen, und ich war gar nicht geneigt, die Gründe, daß durch bie Einverleibung des Hügels sowohl mehr Festigkeit gewonnen, als anch an den Kosten Vieles erspart worden wäre, iur Entschuldigung der Römer gelten zu lassen. — Aber wahrscheinlich wird es wohl doch so gewesen sein, und nm Ende^ als ich mir die Sache wiederholt ansah und überlegte, wollte mir die Vanart des Theaters dann so-^lr auch von der ästhetischen Seite recht wohl gefallen, ^as Gebäude ist nämlich nicht innerhalb der künstlichen -lauern einer Stadt, sondern vielmehr in der Natur 31* Hß4 Dle thurmartigen Anbaue. und ins Freie hinausgebaut und sollte gleichsam als ein colossales Natnrproduet in inniger Verbindung mit dieser Natur erscheinen. Mit dem Boden, so zu sagen, verwachsen und zum Theil noch in ihm steckend, scheint es gleichsam aus demHügel herausgewachsen zu sein und macht gewissermaßen den Eindruck eines noch werdenden und emporsteigenden Dinges, gleichsam einer Nieftugeburt der Gäa, welche aus ihrem Schooße noch alle Tage vor unseren Äugen hervortritt. Anck die Indier und Aegyv-tier haben bekanntlich Felsen zu Tempeln ausgehöhlt, bei denen sie die Naturwände und die rohen Steingestalten, wie die Cyklopen nnd die Erderschütterer sie sonnten, neben den von Menschenhand polirtcn Säulen uud Wänden stehen ließen und dadurch einen sehr ansprechenden Contrast hervorbrachten. Wie die bercgtc Beschaffenheit des Fundamentes, so sind auch gewisse thurmartige Eingänge bei diesem Amphitheater etwas Besonderes, was sonst bei keinem anderen römischen Amphitheater vorkommt. Mit diesen hat eS folgende Bewandtniß. Zuerst sind die beiden Haupteingänge, wie bei jedem anderen Amphitheater da. Diese befinden sich an den beidni Enden oder schmalen Seiten des schönen Ovals und bestehen wie überall in weiten Thoren-Dann aber giebt es in gleichen Entfernungen noch vier Anbaue, die aus dem Ovale heraustreten und wie cben so viele viereckige Thürme sich au dasselbe anlehnen und durch alle Etagen bis zu dem höchsten Rande oben hin< cnlssteigen. Diese Anbaue, die übrigens eben so colossal wie das Uebrige gebaut sind, und die offenbar gleich von den ersten Architekten in das Ganze mit verwebt «nd nicht etwa, wie mancher Leftr, der das Gebäude nicht Die thurmartigen Anbaue. ^85 selber sah, denken könnte, erst später hinzugefügt wurden, sollen nach dem Glauben Einiger deßwegen angelegt worden sein, nm dem Gebäude noch mehr Festigkeit zu gebe» und gleichsam wie Klammern oder Tonnenbänder auf den Neif des Amphitheaters zn wirken. Nach der Meinung Anderer aber sollen sie bloß als verdeckte äußere Treppen zu betrachten sein. Eingänge nnd Thüren sieht man noch heutiges Tages in ihnen, und Treppen scheinen sie auch wirklich gehabt zu haben, obgleich diese ietzt allerdings völlig zerstört und verfallen sind. Man denkt sich, daß etwa die Arbeiter, welche bei theatralischen Vorstellungen oben das große Segel ausspannen und befestigen mußten, in diesen Thürmen hinaufstiegen und das Wasser und ihre G^thschaften dar-m hinauftrugen. Auch mögen sie natürlich sonst noch zur Beförderung der Circulation, die bei vielen Vernichtungen im Gcbände nothwendig werden mußte, beigetragen baben. Da die Leute oft halbe Tage lang in ihrem Amphitheater steckten, so ist es ja auch sehr wohl möglich, daß der Baumeister auf mehre andere Bedürfnisse smies schaulustigen Pnblicnms Rücksicht nahm, und daß wir in diesen Thürmen daher zum Theil solche Allsund Anbaue sehen müssen, wie sie uns bei den Manern unserer mittelalterlichen Schlösser anffallen. Es läßt sich aber anch sehr gnt denken, daß die Nömer in den besagten Thürmen Befestigung, Circulation, Treppen, Vermehrten Ein- uud Ausgang und uoch an-dere Zwecke zugleich erzielen wollten*). ') Der geistreiche Maffei, dcr die sogenannte Arena von -pola gar nicht als Amphifhcater für Maviatorenspiele gclien lasse» 486 Das demolivte Innere. Nachdem wir das Aenßere des Gebäudes genugsam umwandert hatten, traten wir endlich in das Innere selber ein, nnd dieses gewährt iil seiner Art fast noch einen wundervolleren Anblick als die Ansicht von anßen. Der ganze Umfang ist mit Gebüsch, Blöcken, Spuren von Manerwerk, Gängen und Canälen, Ein-und Ansgängcn uud anch mit freien kleinen Grasplätzen gefüllt. Man erkennt in der Mitte das Oval der eigentlichen Arena, auch noch einige Gänge und Einschnitte, die von dieser ans zn den Verwahrnngsbehältern der Thiere oder den Kammern der Wettkämpfer und Gladiatoren hinführten. Von den Sichen und Bänkereihen der Znschaner ist aber höchst wunderbarer Weife gar keine Spur mehr vorhanden. Man sagt, die Venetianer hätten die Quadersteine, ans denen diese gebildet waren, weggeschafft und zn ihren Vefestigungswertell von Pola verwendet. Das Amphitheater von Pola wäre demnach von seinen Zerstörern und Feinden gerade umgekehrt behandelt worden, wie das von Verona. Bei diesem iinv nämlich alle die Reihen der Zufchancrbankc nnd überhaupt die ganM inneren Einrichtungen sehr vollständig conservnt, während die änßeren Mauern wcit mehr angegriffen und abgetragen wurden. Bei Pola hat will, sondern dieselbe für ein bloßes Theater hält, hat auch >"N jenen thnrmarti^cn Anbauen seine eigene Ansicht. (5r sucht z» ^' Weisen, daß sie nur ein Theil ter (5,,'ulissen «»h Dekorationen de« Theaters gewesen ftien u»o l'ei den Lustspielen die Häuser vorgestellt hätten, in denen zu Zelten eim^e Schauspieler nl'er der Bühne erschienen. Für Jemanden, der jen^ colossalen Thürme an^tt u" Stelle ssesehen hat, ist e« mündlich, dein großen Forscher in diejer sonderbaren Ansicht beizustimmen. Die verschwundenen Sitze. Hg7 wan den Inhalt und Kern überall weggenommen und die Schale gelassen. Bei dem Colosseum zu Rom ist von beiden, von Kern nnd Schale, viel übrig geblieben. Dasselbe ist bei dem von Nismes der Fall. Bei denen von Trier, Capua nnd Syraeus ist dagegen sowohl der Kern als die Schale verschwunden, und nur die Fundamente und die Eindrücke im Boden, gleichsam bloß der Plan des Gebäudes, bestehen noch. Aus der Seite, wo sich das Gemäuer au jenen Hügel lehut, tritt der Abhang desselben, wie gesagl, in's Innere hinein, und da kann man noch heutiges Tages hinausgehen und sich ungefähr in dcr Höhe des Anfangs der zweiten Etage niederlassen, um den ganzen prachtvollen Kreis um sich her zu überschauen. Auf der entgegengesetzten Seite ist aber ringsherum Alles vem Boden gleich gemacht, bis aus die Piedcstalc der untersten Bogen, und zwar vcr Art, daß man überall durch sämmtliche Bogenreihen in's Freie hinauöschauen kann. Dieß ist sehr ausfallend und setzt voraus, daß sich die Venc-tianer die Mühe gegeben haben, Alles rein wegzuschaffen. Nirgends ist an den Bogen ein Bröckchcn Mauer over Bank sitzen geblieben. Man begreift es nickt, wie bie Venetianer auf die Idee gekommen sind, hier das Gemäuer so vollständig wcgzurasircn. Es mußte ihnen einigermaßen gefährlich erscheinen, die Mauern so tief herab ganz zu entblößen. Man möchte beinahe anf den Gedanken kommen, daß dieses Grande nie vollendet wurde, oder daß wenigstens die Zuschauerplätze bloß aus der Seite des Hügels angebracht waren, und daß sic von diesen ihren Hügelsihcn von jeher frei durch die offenen Bogen in's Meer hinaussehen konnten. Vielleicht 488 Das Echo. war das ganze Gebäude für Pola von vorn herein zu groß angelegt, und vielleicht wurde man dieß bei Zeiten inne und ließ es überhaupt nur bei den Sitzen auf der einen Hälfte bewenden. Die Geschichte des Amphitheaters machte dann ungefähr diese sein: Die Polenser hatten» vielleicht schon seit den ältesten Zeiten den Vlatz am Fllße des Hügels zum Anschauen von Schauspielen aller Art benutzt und dabei Rasenplätze und Holzbänke an dem Rande des Hügels eiugeschmtten. Hölzerne Theater-qebällde mochten hier schon mehre gestanden haben, bis endlich ein Kaiser oder Proconsul zuletzt sagte, er wolle den Polensern etwas recht Erkleckliches bauen, und ihnen um ihren alten Schauplatz am Hügel einen steinernen Ring 50g. Manche Gelehrte glauben, daß die ganzen Sitzapparate im Inneren des Amphitheaters bloß aus Hol; construirt gewesen seien, und daß sich daraus ihr völliges Verschwinden erkläre. Man hat auf jener Trümmer- uud Hügclhöhe der eiuen iuneren Seite des Amphitheaters ein herrliches Ech" von der gegenüberstehenden Wand her. Jedes Wort wird von ihm auf das Genaueste wiedergegeben, und wir vergnügten uns lange damit, ihm deutsche, italienische und slavische Phrasen vorzulegen, die es mit einer Präcision nachahmte, wie Jeder, der seinen Mund zu einer neuen Sprache gewöhnen will, sie sich wünschen sollte. W" ließen „die Römer", ,,i kamimi", „die Imveratoren^, „^Ii-lillw" und „lVc'ran" und „Polo »ivll^»," darin erschallen, und AllcS kam uns zurück, als wären alle jene Namen diesen. Wänden vollkommen geläus,g. Aber indem wir uns eben daran machte", uoch andre recht sonore Worte zu ersinnen, um sie reso- Resonanz. 489 inren zu lassen, kam es uns plötzlich vor, als wenn uns das Echo eine Fratze schnitt; es fing auf einmal ohne alle Veranlassung an zu schnauben, zu krächzen, zu blöken und laut schreiend zu stöhnen, ja fast zu iahen .wie ein Esel. In dcr That, es war wirklich eines istriauischcil Bauers Esel, der im Vorübergehen seine Schnauze durch eines dcr Fenster des Amphitheaters gesteckt hatte nnd nun dem Echo solche Mißtöne entlockte. Dieser komische Vorfall machte unseren eigenen spielerischen Versuchen ein Ende, und wir fuhren dann mit unserer kritischen Beschauung der vor uns eröffneten grandiosen Ränme weiter fort. Ncbrigens hatte der Esel ganz i> pt-opn«, geschrieen, denn er lehrte uns eine neue Seite des Zweckes dieser Amphitheater kennen, die gewiß nicht bloß als Rückenlehnen der Sitzbänke und als Wind- und Lichtschirme, als Hersteller eines gleichförmigen Schattens oder Lichtrestercs, sondern auch als akustische Anstalten, als Znsammenhalter und Resouanzwände der Töne zn betrachten sind. Wenn "uch das Heulen nnd Brüllen der wilden Thiere bei gefülltem Theater nicht so stark wiederhallen mochte, wie unseres Esels Geschrei an den leeren Wänden, so wurde doch jedes Geräusch gewiß bedeutend dadurch verstärkt und verdeutlicht und konnte nicht so verstiegen, wie dieß w einem ganz freien, nicht ummauerten Raume der Fall gewesen wäre. Auch von den Anstalten der Allen zum Abhalten des Regens und der Sonnenstrahlen, von der Befestigung lenes großen Negeutuchs, das sie über dem Publimm "usspumlten, kann mau sich hier eine sehr deutliche Verstellung machen. Man sieht noch ringsherum über 490 Vorrichtungen zur Ausspannung des Ncgentnchs. der zweiten Logenrcihc die Locher in den Steinen, in welchen die Balken oder Stauden aufgesteckt wurden, welche das Tnch hielten. Man kann sagen, daß die ganze oberste Etage des Gebäudes, die über der letzten Bogenreihe hinlaufende und beinahe noch zwanzig Fnß hohe Einfassung, bloß eine Vorrichtung zur Ausspannung dieses TuchS war. Ein solches Tuch mußte natürlich ein bedeutendes Gewicht haben und besonders, wenn es vom Winde gebläht wurde, eine größere Kraft ausüben alö das Hauptmastsegel an unseren Linienschiffen. Die Balken, an denen es befestigt wurde, mußten daher nicht nur stark wie Mastbäume sein, sondern auch in Oeffnungen eingelassen werden, die selbst gehörig gestützt waren. Auch durste jenes Tuch den Zuschauern nicht zu nahe über den Köpfen wallen. Daher, sage ich, jener Aufsatz, der noch zwanzig Fuß über ihre äußersten Sitze hervorragte. Die Balken waren beinahe eben so lang und wurden unten in viereckige Steinlöchcr eingelassen, gingen aber nach oben wieder durch eine zweite Reihe von Steinlöchern, die sich in einem obersten hervorragenden Eteinkranze befanden. Erst an ihren aus diesem zweiten Loche hervorragenden Köpfen waren die Schnüre befestigt, welche die wallende Decke trngen unv anspannten. Schade zugleich und sonderbar ist es, daß die Römer, die doch sonst so manchen Stein mit kostbaren Inschriften versahen, diescnAmplMeatem keinerlei Explication an die Stirne gegeben haben, sluch bei dem in Pola hat man gar keinc Kunde von einem Steine, der eine Nachricht von seiner Errichtung, von seinen Erbauern und von seiner Geschichte gäbe. Diese liegt daher sehr Geschichte des Amphitheaters. 491 im Dunkeln. Und eben daher, weil sich der Name keines großen Kaisers an diese Mauern geknüpft hat, wie z. B. an die Manern des Palastes des Diocletian in Spa-lato, ist es natürlich, daß das Volk sich so fabelhaften Sagen in Vezug anf die Entstehung desselben überläßt. Sagte mir doch ein italienischer Bürger von Pola selbst: „Einige von unseren beuten behaupten zwar, ein großer 8ovol-«no habe es bauen lassen; Andere aber schreiben es der Mackt Gottes zu, der es selber „«(mxn ^nw" ill die Eristeu; gerufen habe. Ich will zwar das Erste glauben, es ist wahrscheinlicher. Jedoch," setzte cr, wieder etwas mystisch werdend, hinzu, .,li»<'»w 0z)«r!i nnn Kä ni s»rin0i'i)ic> ni lino^ (dieses Wcrk Hat weder Anfang noch Ende). Doch haben italienische Geschichtschreiber die Zeit seiner Begründung an's Ende des ersten Jahrhunderts, zwischen die Jahre 69 und «9 nach Christi Geburt gesetzt. (5'in paar Jahrhunderte hindnrch mochte es von den Recitationen der Poeten oder vom Todcsachzrn der wilden Thiere, von den Seufzern sterbender Gladiatoren oder zu Tode gequälter Christen und von den Bravos uud Evivas einer berauschten Menge wiederhallen. Als die Welt christlich uud dadurch humaner wurde, mochten diese Schauplätze so vieler heidnischer Iuhnmanität bei den christlichen Gemeinden anfangs sehr verabscheut werden, "nd man war wohl nicht so sehr anf ihre Eonservirung "edacht wie jetzt, wo man sich mit größerer Pietät und °hne alle Erbitterung den Werken der alten Heiden zugewandt hat. Man mochte es daher in der ersten mittelalterlichen Ehrisienzeit leicht dulden, daß Steine und andere Ruchbare Dinge davon entnommen wurden, um anderen Zwecken zu dienen. Doch ging es mit den: Verfall des 492 Geschichte des Amphitheaters. Gebäudes sehr langsam. DieNäumc und Gewölbe, welche unter den Sitzen der Zuschauer angebracht waren, und die Bogen, deren untere Reihen Ausgäuge m's Freie hatten, wurden schon zur Zeit der Römer als Boutiquen von Krämern, Sorbetmischern, Limonadeuschenlern, Salben-und Parfumverkäufern benutzt, und es ist wahrscheinlich, daß in diesen Naumen auch später, als die Gladiatoren-kämpfe längst aufgehört hatten, Handel und Wandel getrieben wurde, uud daß das Theater eine Zeit lang nichts Anderes als eine Art von Bazar abgab. Als man andere Arten von Schauspielen und öf-fcntlichen Vergnügungen, Turuiere, Wettrennen, Giostras und dergleichen, erfunden hatte, mochten auch wieder dazu die einmal vorhandenen Nänme benutzt werden. Wir wissen sogar mit Bestimmtheit, daß im Mittelalter bei verschiedenen Gelegenheiten Turniere und Festspiele in ihnen gegeben wnrden, uud dieser Gebrauch des Polen-sischcn Amphitheaters mag ziemlich lange gedauert haben, wenn auch nicht so lange wie bei denen von Verona und Nismes, deren steinemc Bänle erhalten blieben, und die daher selbst in nnseren Tagen noch mehrfach benutzt werden konnten. Nor dreihundert Jahre» wollte man das Amphitheater von Pola einmal ganz abtragen, u>n die Steine bei der Anlage gewisser Festungswerke zu be-nuyeu. Der Antrag dazu war nicht nur im Senate von Venedig schon gemacht, sondern die Senatoren schienen auch sehr geneigt, ihn anzunehmen. Da zeigte sich a^ recht, was es mit einem solchen alten, vom Volte lauge bewunderten, von ihm oft mit Vorliebe uud Stolz genannten, in seine Geschichte uud Sagenwelt verwebten Gemäuer auf sich hat, und wie lieb selbst auch die Po' Gabriele Gmo. 493 lenser ihre alten heidnischen Römerruinen hatten. Sie waren ganz aufgeregt, als sie von den Absichten des venctianischen Senates etwas erführen, und sie hätten sich vermuthlich mit bewaffneter Hand der Ausführung einer Zerstörung widersetzt. Glücklicherweise saß ein sehr verständiger und gebildeter Mann im Rathe, der Senator Gabriele Emo, der sehr warm für die Erhaltung des Amphitheaters sprach, sowohl das Barbarische des Vorschlags, als namentlich anch die Schwierigkeiten, welche seine Ausführung von Seiten der alten wider-spänstigcn Gemäner und anch von Seiten der ganz auf-geregten Polenser finden möchte, sehr licktvoll auseinandersetzte, und der daher die Verwerfung des Antrags und den Beschluß, die benölhigten Steine anderswoher zu nelnncn, herbeiführte. Die Polenser waren über diesen Allsgang der Sache so erfreut und dein Gabriele Emo so dankbar gestimmt, daß sie, ihm dieß auszudrücken, eine Botschaft an ihn sandten und ilnn das gan^e Amphitheater dedicirten. Dirs! geschah im Jahre 1584. Es fehlt übrigens nicht an Beweisen, daß man auch schon vor diesem Jahre Sorge dafür trug, daß die Polensischen Alterthümer nicht verletzt würden. Die Patriarchen von Aqnilcja, welche erbliche Markgrafen von Atrien und Pola geworden waren, hatten schon im Anfange des 14ten Jahrhunderts Denen, welche von dem römischen Amphitheater einen Stein rauben würden, eine bedeutende Geldstrafe angedroht. In unserer Zeit endlich hat man die passive Abwehr der Verletzung in kwe active Unterstützung der Monnmente umzuwandeln begonnen. Man bat in diesem Jahrhundert schon zu verschiedenen Malm Gelder gesammelt, um gewissen be- H94 Zerstörung und Verfall. sonders baufälligen Theilen des Amphitheaters mit Neubauten zu Hülfe zu kommen. So hat auck der Kaiser Ferdinand von Oestreich zu diesem Zwecke Ä)l)0 Gulden überwiesen. Und bei den Haupteingangen des Theaters bemerkt man einige ganz nen eingesetzte Bogenstücke zur Unterstützung dieser weiten Eingänge. Alles in der Welt, selbst die Zerstörung und der Verfall solcher Monumente, geht auf eine gewisse Weise systematisch vor sich. Bei den griechischen Tempeln z. B. hat man bemerkt, daß gewöhnlich zuerst die schweren und überladenen flachen Dächer einstürzen. Diese nehmen in ihrem Falle die Capitäler der Säulen mit, die dabei oft auch in der Mitte dnvchbrechen. Dann tragen räuberische Hände die Steine, aus denen diese Säulen bestehen, bis anf die Piedeftale ab, und zuletzt wird der ganze Tempel bis auf das Fundament rasirt, wie ich dieß z. B. oben bei dem Tempel des Ncp-tun in Parenzo bemerkte. Ich dachte mir dnrch cinen Uebcrblick des Migen Zustandes der Amphitheater-Maneni eine Idee von der Ordnung zu verschaffen, in welcher die U'^ ordlmng hier einbricht. Doch muß ich, damit man sich dieß klar machen könne, eine Bemerkung vorausschicken, die der mich begleitende Polensische Freund machte, nämlich die, daß kein Theil der hohen Mauern des Am" phitheaters den geschickten Manereisteigeril, die sich in Pola befiuden, nnzugänglich ist, so unersteiglich sie auch so ungeschickten Füßen, wie wir gewöhnlichen Reisenden und Alterthumsfreunde sie zn haben pflegen, scheinen mögen. „I iiu«ti'j i-ngaxxi" (nnscre Buben von Pola), sagte mir mein Freund, „können hier überall hinauf, !«e klettern für ein paar (^l-nnluni bis anf die äußersten ?liiM'ech»m dci Giftuklainmern. 495 Ränder und haben oft eine wahre Passion zu diesen halsbrecherischen Unternehmungen". Vermuthlich werden es dann auch wohl manche erwachsene Ragazzi verstehen. Am meisten begierig mochten die Lente in einem so mctallarmen Lande, wie Istrien es ist, von jeher nach den eisernen Klammern und Bolzen sein, welche sich überall in diesem Gebäude befanden, uuo von denen man jetzt außer einem Ncstc von Rostfarbe und außer den überall vertheilten Löchern, in denen jene Klammern uud Bolzen festsaßen, keine Spur mehr findet. Daß wirklich solche Eisenklammern hier eristirt haben, davon kann man sich an vielen Stellen genau überzeugen, wo man den Rost bei solchen Löchern noch sehr dick aufgetragen wahrnimmt. Hie uud da schien er mir sogar noch etwas metallischen Glanz zu besitzen. — Wie bei den Aquäduetbogen von Salona ist auch hier überall dieses Eisenwerk ausgebrochen. Man sieht die ganzen Riesenmauern an allen Steiuccken mit einer Menge von Löchern überstreut, wo es herausgeklopft wurde. Die Steine wurden dabei au den Ecken abgesplittert uud die Löcher unregelmäßig erweitert, übrigens ist es auch sehr wohl möglich, daß keineswegs alle diese Löcher von Menschenhand herrubren. Die fernen Klammern mochten bei dem Wechsel der Temperatur uud bci dem Ausdehnen und Zusammenziehen des Metalles selbst oft ihre Löcher weiten und sprengen und daun rostend herausfallen. — Das Amphitheater wag viele hundert Centner Eisen geliefert haben uud lange, wie als ein bequemer Steinbruch, so auch gleichsam als ein ergiebiges Eiseubcrgwcrk benutzt worden sein. 49ß Die Hauptpunkte der Zerstörung. Am leichtesten kam man wohl, wie von Anfang her, so auch später noch in den tburmartigen und mit Treppen versehenen Ausbanten, von denen ich oben sprach, zur Höhe hinauf. Die Hauptzcrstörung hat daher bei diesen vier Ausbauten begonnen. Zuerst haben die Na-gazzi, die man wohl mit Stricken versah, damit sie diese dort oben befestigten und an ihnen dann die gelockerten Steine herabließen, zur Rechten und Linken jener Thürme hinkletternd, das oberste Gesimse des Amphitheaters oder ihre Attim überall zerstört. Es läuft nämlich als äußerste Zierde des ganzen Gebäudes auf dem Rande der Mauer noch ein schmaler Streifen, der aus länglichen Steinen besteht und von untergeschobenen Blöcken frei in die Luft getragen wird, herum. Diese Steine waren am leichtesten zu lockern, und sie sind daher fast überall zu beiden Seiten der Thürme weggeholt. Nur in der mittleren Partie zwischen den Thürmen besteht diese zierliche Schlnßlinie noch unversehrt. Dann ist aber auch bei allen vier Thürmen in den Mauern selbst eine große Bresche entstanden, so daß im Ganzen vier solche Breschen da sind. Man kann demnach sagen, daß eben diese Thürme, welche die Baumeister als die Haupt-zusammenhalter des Ganzen bauten, vorzugsweise zu seiner Zerstörung Anlaß gaben. Vermuthlich wird auch in Zukunft bei diesen Thürmen die Zerstörung weiter vorschreiten und der Zahn der Zeit sich da zunächst tiefer einfressen. Ein paar andere Angriffspunkte hat dieser Zahn der Zeit bei den beiden Haupteingängcn an den Enden des Amphitheaters gewonnen, lind ich erwähnte auch schon, daß man an diesen beiden Eingängen zu Reparaturen sich genöthigt gesehen hatte. Plliuzcnwuchs und andere zcrstolendc Kr^ftc. HH7 Noch geschickter als die besagten Polensischen Na-gazzi sind im Klettern die Pflanzen und Gebüsche, welche, in alle Fngen eindringend, so viel znr Zerstörung der alten Monumente beizutragen Pflegen. Im Ganzen, muß man zwar sagen, giebt es bei dem Amphitheater von Pola nicht sehr viel zerstörend«: Pflanzenwuchs. In der oberen Etage, wo Wind und Sonne All>S wegtrocknen mögen, sieht man fast gar feinen, in der zweiten Ctage aber bedeutend mehr. Hier hat säst unter jedem Fensterbogen ein Busch seine Wurzeln ins Gestein hineingetrieben. Und wenn man diese Gcbüschreihe, die allerdings das Ganze jetzt ziert, noch ein paar Jahrhunderte gewahren läßt, so ist zu fürchten, daß sie in der zweiten Etage die Steine ringsum lockern und so das ^cberschlagen der oberen Etage befördern werde. Die Kleisten zerstörenden Kräfte sind wohl in der untersten Bogenrcihe in Gang. Hier wnchern die Pflanzen am üppigsten. Hier bespülen die Regengcwässer die Piede-stale am heftigsten, hier streifen Menschen und Thiere drüber. Hier muß auch bei etwaigen Erdbeben die Erschütterung und die Gefahr des Brechens am stärksten >ein. Vermuthlich wird mit der Zeit einmal der Zustand dn unteren Pfeiler dazu zwingen, das Obere abzutra-Heu, od.'r wenn dieß nicht geschieht, so wird einmal das k"pfschwer gewordene Bauwerk, etwa bei einem Erdbeben ^er bei einem Wirbelwinde, ganz überkippen. Glück-"cherwcise kann indeß bis dahin noch manches Jahr vcr-6^)en. Denn einstweilen liegen diese soliden römischen blocke trotz der Entwendung ihrer Klammern noch unge-""'n fest übereinander. Von den Bogen, denn man in l'-dtt- Hteibe zwciundsiebzig zählt, ist noch keiner einge- 498 Die bciden Tempel. stürzt. Im Ganzen erhalten sich solche runde Gebäude auch wohl besonders lange. Sie bieten nicht nur nicht so viele schmale leicht zerstörbare Ecken dar, wie vier-eckige Bauwerke, sondern sie sind auch in sich selbst fester. Die beiden Tempel. Das Amphitheater von Pola ist zwar kleiner als die von Rom, Capua, Nimes und Verona, aber doch ist es immer noch colossal genug, und wenn man es von der Meeresseitc aus sieht, so macht es sich selbst noch bemerklicher als das ganze übrige Haustein von Gebäuden, Tempeln, Kirchen und Thürmen, aus denen die Stadt Pola zusammengesetzt ist. Indessen befinden sich auch unter diesen Gebäuden noch mehre sowohl mittelalterliche als antike, die uuser Interesse im höchsten Grade in Anspruch nahmen. Wir gingen zunächst in den römischen Fußstapfen fort und begaben uns daher vor allen Dingen zu den beiden berühmten kleinen Tempeln von Pola, dem Tempel des August und dem sogenannten Tempel der Diana, die beide ziemlich von gleicher Größe sind und nahe bei einander wie Zwillinge mitten in der Stadt in der Nähe ihres Hauptplatzes oder Forums und zugleich nicht weit vom Hafenuser stehen. Diese beiden Tempel haben in Bezug auf Zierlichkeit ihres Baues und Vollständigkeit der Erhaltung weder in Istrien, noch anch überhaupt auf der ganzen langen Ostseite des adriatischen Meeres ihres Gleichen. ^ gehören überhaupt, auch wenn man Italien selbst mit lN Vergleich zieht, unter allen den sichtbaren Spuren, die uns von dem römischen Weltreiche übrig geblieben t"^ Der Tempel dcs Augustus. 499 zu dcn Pretiosen und sind entschiedene Raritäten. Ganz insbesondere ist dieß mit dem Tempel des Augustus der Fall. Denn obwohl von nicht schr großen Dimensionen, ist er doch fast gänzlich unversehrt. Die korinthischen Säulen seiner Vorhalle stehen noch alle aufrecht. Selbst die zierliche Steinmetzarbeit an dcn Sänlen ist vollständig, so wie auch die Ausmeißeluugen an dem Gebälke. Nur hie und da sind die Ränder des Daches etwas eingesressen, und allerdings natürlich auch überall dir scharfen Ecken der Steine ein wenig abgernndet und bräunlich gefärbt. Auch die Inschrift vor der Fronte des Tempels ist noch sehr deutlich zu lesen. Ihr zufolge war der Tempel nicht bloß dem Augustus, sondern auch der Noma ge-Weihr, denn sie lautet: „Ilomiioel^u^^tolüno^l^i vivi I^iljo l'lUri?nl,-il>o" (der Roma und dem Augustus Cäsar, dem Eohnc des Göttlichen, dem Vater dcs Vaterlandes). Solche der Roma und dem Augustus zugleich geweihte Tempel machten im römischen Reiche eine eigene blasse aus. Fast in allen Provinzen wurden dergleichen errichtet. Augustus wollte nicht anders in den Kreis der Götter eingeführt werden als an der Hand der Roma nnd gestattete den sich zu seiner Vergötterung herbeidrängenden Unterthanen daher den Tempelbau nur unter der ausdrücklichen Bedingung, dasi sie auch der Noma in der Inschrift erwähnten und auch ihre Statue neben der seinigen in dem Tempel aufstelltcn. (5s war nber im Grunde wohl mehr Diplomatie als Bescheidenheit bei diesem Verfahren; Roma wär, so zn sagen, die Braut dcs Augustus, die er, der Glückliche, in den bürgerliche Wirren entführt hatte, und die er sich durch re!,giö>e Ceremonien gewissermaßen antrauen lassen wollte, 32* 5pcl. 5l)1 führte, hat in seinem oft citirten Werke diesem Tempel vier Blätter gewidmet, die sehr gut getroffene Vor-, Rück-und Seitenansichte» desselben geben, aber insofern jetzt nicht mehr ganz passen, als mcin an der Thür nnd Treppe etwas geändert nnd restaunrt hat. Auch bat Cassas es nicht lassen können, die Umgebungen des Tempels mit einigen phantastischen Nuinentrümmern, Bäumen und sonstiger malerischer Staffage zu füllen, die wenigstens ietzt nicht mehr vorhanden sind. Man hatte die Güte, uns den Tempel aufzuschlie-ßcn, dessen InncreS jetzt sehr passend in ein Museum verwandelt und zur Aufbewahrung römischer Statuen-theile und Inschriftenbrocken benutzt ist. — Es sind viele Dinge darunter, welche die Beachtung des Merthums-sreundes verdienen. Im vorigen Jahrhundert, dem sogenannten „philo--sophischen Iabrbundertc," wo man aber noch keineswegs auf hie Erhaltung der Alterthümer so bedacht war, wie 'n unserem Eeculo, das ich setner Haupttendenz nach d"s historische nennen möchte, batten die Polenser ein — -""rioncttentheater '^ diesem Tempel. Mun sieht "n den Wänden noch einige Spnrcn von Malereien, Welche der Marionettentheater-Director als Dewration "der als ein Complement seiner Coulissen dort angebracht hatte. Cin anderes Mal machten die Polenser diesen Glupet zu ihrem städtischen Korumagazine. Schlimmer als dem Augustustempel, der zwischen verschiedc,,^ Gebäuden versteckt nnd etwas abseits liegt, "t cs seinem Zwillingsbruder, dem vom Volke sogc- ^NlUen Dianeutcmpel, der aber vermuthlich nicht der lana, sondern dem Mcrcur gewidmet war, ergangen. 502 Dcr Diaiicutempel. Er hat ganz dieselben vortrefflichen Dimensionen und scheint überhaupt ganz in denselben gefälligen Style gebant gewesen zu sein. Auch sind seine Pilaster nnd Mauersteine mit eben solchen braunen rostartigcn Flek-ken und Streisen gezeichnet, wie der Augnstnstcmpel, das Amphitheater und überhaupt sämmtliche Alterthümer von Pola. Diese röthlichen nnd gelbbräunlichen Schattirungen sind etwas allen Steinen von Pola, ja ganz Istrien und Dalmatien Eigenthümliches. Die meisten Steinarten dieser Länder haben näiulich inwendig diese Farbe. Auswendig werden sie zwar mit der Zeit grau, — hellgrau, — wo aber etwas Gestein absplittert, zeigt sich dann jene innere bronzeartige Farbe, die dem Gebäude ein sehr markirtes nnd cdelernstcs Ansehen verleiht-Der Tempel der Diana lag mit seiner Fronte etwas mehr an der Hauptseite des Polensischen Forums. Als die Altäre darin verfallen waren nnd dieß öffentlich'-' Gebäude nun leer und ohne Bestimmung dastand, fan? der Magistrat von Pola es angemessen, seine Stadtwachc bierher zn verlegen. Anch hat man die Vorderseite des Tempels, vermuthlich nnr allmälig im Lanfe der'Zeiten, zu einem Hause sür den Podesta der Stadt umgewcu^ delt. Der Tempel selbst bildet nun von diesem H"«!^' den hinteren Theil. Ich glaube, der Podesta wohnt noch heutiges Tages darin. In der nnteren Partie aber haben die östreichischen Soldaten ihre Hauptwache. Durch das Dach dcö Tempels ist ein Schornstein getrieben, auch sind in den Seitemuanern einige Fenster dnrchgebrocben. Ein Eingang oder ein Loch hinten war mit Brctern v^ setzt, durch deren Fugen wir in einen finsteren Raul blickten. Es scheint dort jetzt eine Art von Polterkamnn'r II Arco 'oo <1oi 3l^i" ist an uud für sich sehr schön und dann auch durch Betrachtungen, die sich daran knüpfen lassen, interessant. Die Sergier waren eine berühmte römische Familie, die sich schon zu den Zeiten der Republik auszeichnete. Ein Zweig dieser Familie wurde nach Pola versetzt, vielleicht mit einer dahin geführten Colonie römischer Burger und als Anführer derselben. Auch in diesem kleinen Orte, der übrigens damals uicht so klein war, wie jetzt, und über 30,W0 Einwohner gehabt haben soll, blieben die Scrgier unter den Primaten, waren Magistratspersoneu, Kriegsoberste, Duunwirn und Acdilcn dcr Colonie. Die Gemahlin eines dieser 504 »»Do sua pccunia." Sergier, die eine sehr reiche Frau und zugleich ein äußerst liebevolles Weib gewesen sein muß, setzte mm ihrem Manne, Lucius Eergius, wahrscheinlich, als er siegreich aus einem illyrischen Kriege heimkehrte, jenen prachtvollen Triumphbogen. „Zaivin I'o^kum.i 8<'rgii <1c; 8>ich dahingestellt. Achnliche Dinge und Ausdrücke, die wir undelicat nennen würden, sind ans den I>^ schriftcn der alten Nö'mer übrigens nicht selten. Harmonic der Proportionen. 505 Dem sei, wie ihm wolle, das Monument selbst ist herrlich ausgefallen und hat den Lucius Sergius und seine Frau, sowie auch sriueu Vater und Vatersbruder — dcnn auch für diese siud Inschriften angebracht — für wenigstens ein paar tausend Jahre verewigt und in den Mund der Leute gebracht. Die Posthuma hat nicht bloß vollwichtige Ducateu, sondern auch geschickte Architekten und Künstler von Geschmack bei ihrem Familien-Monumente verwendet. Es gebort, wo nicht zu den größten, doch, wie der Tempel des Augustus und der Noma, zu den zierlichsten und beßteonservirten Bauwerken, die wir ans dem Alterthume haben, und hat man es einmal in's Auge gefaßt, so bringt man die Blicke wie bei allen Dingen von so colossalen Formen und Proportionen kaum wieder davon. Die Verhältnisse der Höhe, der Breite des Bogens selber sind äußerst schön und harmonisch. Zu jeder Seite des Thores tragen zwei lachst zierliche korinthische Säulen das Portal oder das Gebälk und die darüber gesetzte Attiea deS Bogens. Diese Attiea und das Gebälk, sowie anch der von dem Ganzen umschlossene Bogen selber sind sehr reich verziert. Die Nebeninschriften stehen doch oben, an den Mblöcken der Attica, die Hauptinschrift „poslkum.-» ä« »ug pe-^unili" unmittelbar über dem Bogeu, an der Fronte des Gebälks. Die Ecken, welche zwischen diesen und dem Bogen blieben, füllen zwei Kränze tragende Vietorien ?us. Reiche in Stein ausgemeißelte Blumengewinde Minden sich slber den Säulen um den Fries herum. Besonders hübsch ist die Ausschmückung der Wände des Durchgangs selbst. Sie siud wie Weingclände gestaltet, und überall hängen viele ausgemeißelte Trauben am Ge- 506 Tteinernes Weingelände. stein. Diese sind in einer so hübschen an Weingärten reichen Eampagna, wie es die von Pola ist oder wenigstens damals war, sehr passend. Es sieht so aus, als hätte man gleich aus den benachbarten Weingärten der Sergicr selbst das Material zli der Pforte genommen. Dieses steinerne Weingelände harmonirt dann recht hübsch mit der Landschaft nnchcr. Gerade in der Mitte der Bogen-Wölbung im Inneren ist ein Adler mit ausgebreiteten Flügeln, um dessen Leib sich eine Schlange windet, eingemeißelt, und in den vier Ecken des Adlersteins finden sich vier Fischchen. Vielleicht war dieß das Wappen der Sergier. Es ist sehr schade, daß man den Anblick dieses hübschen Triumphbogens nicht von allen Seiten frei genießen kann. Man hat — vermuthlich that dieß ein alter istria-micher Markgraf des Mittelalters — auf der einen Seite das Thor in die Stadtbefestigung einmaueru lassen. Obgleich diese Stadtbefestigling jetzt selbst hier schon ringsumher wieder zerstört ist, so hängen doch noch zwei große Lappen oder Flügel von ihr an dem Triumphe bogen fest. Merkwürdig ist und bleibt es, daß der Name dieser unvertilgbaren römischen Coloniften, dieser Scrgier, am Ende Alles überdauerte, was sich später in Pola berühmt und geltend machte. Von den Patriarchen von Aquilcja, von der markgräflicheu Familie der Sponhcim. der Andechs, der Eppenstem und wie sie alle heißen mögen, selbst von den byzantinischen Kaisem und sogar von Carl dem Großen findet man hier keine Spur mehr. Sie sind wie vergessen. Aber die Sergier und die Post^ huma kennt jedes Kind in Pola, das buchstabilen kann-Nebrigens hielten sich die Eergier wie das steinerne Die Ionatasi und Castropolas. 507 Weinlaub an ihrcm Monumente viele Jahrhunderte lang in Blüthe und Frncht und waren noch selbst im dreizehnten Seculo in Pola die erste Familie. Damals rivalisirte mit ihnen dort die Familie der Ionatasi, welche an der Spitze der sogenannten Volksvartei, so wie die Sergier ^<'^i) ^in der Spitze der aristokratischen oder auf Monarchie hinzielenden Partei standen, wie es denn damals zur Zeit der Capuletti und Montccchi in allen italienischen Städten solche Parteiuugen und Familien-fchdcn gab. Die Eergi waren im Ganzen siegreicher, hatten sich schon auf dem Castell von Pola befestigt und gerirtcn sich wie Herzöge der Stadt, wie die Visconti, Sforza u. s. w. in anderen größeren italienischen Städte». Eie nannten sich daher auch von jetzt an lieber „Castropola" (Pola's Schloß Herren) als Sergi. Aber üu Jahre l27l brach eine Verschwörung der Ionatasi und der Volkspartei gegen sie aus, deren blutiger Erfolg wit allem Hochtragischen wetteifern kann, was bei Gelegenheit dieser mittelalterlichen Partmingen sich sonst in anderen Städten Italiens ereignet hat. Am Vorabende bes Clianreitages pflegte man in Pola eine feierliche Proeession zu halten, die in so bohen Ehren stand, daß Niemand sich davon ausschließen konnte. Auch sämmtliche Mitglieder der Sergischen Familie, aus ihrem Ca-!lrlle hervorkommend, pflegten dabei zu erscheinen, slls >le sllle beisammen waren, zogen die Verschworenen die Waffen und machten sie sammt nnd sonders nieder, stürmten dann auch das Schloß, um dort die Kinder b" Scrgi anfzusuchen und zu todten. Nur ein einziges Knablein ist dabei entkommen, das, in ein Franeiskanrr-»loster gerettet, erhalten wurde und spater den Stamm 580 „Zaro." der Familie fortsetzte. Ob cs jctzt noch Sergicr oder Castropolas in Pola giebt, erfuhr ich nicht. Nicht weit von dem Monumente der Servier lag ehemals das Theater von Pola, eben fo wie das Amphitheater an dem Abhänge eines Hügels. Es ist gleichfalls ein großes prachtvolles Gebäude gewesen und soll nicht weniger als zehntausend Personen haben fassen können, d. h. etwa das Dreifache von dem, was jetzt unsere größten Theater aufnehmen können. Aber die Mauern nnd Säulen dieses Gebäudes sind ganz und gar in die venetianischen Befestigungen übergegangen, da für sie kein Gabriele Emo auftrat. Man sieht jetzt nichts mekr davon als den Platz, auf dem es stand, und den halbkreisförmigen Ausschnitt des BergeS, an den es sich lehule. Dieser Berg hat iwch heutiges Tages den Namen Theaterbcrg oder furzweg „Theater", im Dialekte der Polenfer, die das Wort ,/i'konlwn" nach griechischer Weise aussprachen und corrumpirten, ,,/5,'irn." Ausgrabungen der alten NömerstM. Die Stadt Pola liegt eigentlich rings um einen hohen Felsenhügel hcrnm, der ihr Centrum bildet, und auf dessen Gipfel sick ehemals das Capitol oder die Akro-polis, dann die Festung der istrischcn Markgrafen, darauf die der Sergicr oder Castropolas und später die der Ve-netiancr befand, welche letztere anch noch jetzt erhalten oder vielmehr nach der Zerstörung durch die Franzosen im Jahre 1814 wieder hergestellt worden ist. Jetzt geht die Stadt nur noch in einem Halb- oder Piertelskmse nm jenen Berg herum, in alten Zeiten aber scheint sie den Kreis fast ganz abgeschlossen zn haben. Ein Theil Der Abbate Carrara. 5yg der alten Römerstadt, namentlich die Partie im Norden zwischen dem Capitol und dem Amphitheater, verfiel im Laufe der Zeiten in Trümmer nnd wurde allmälig ganzlich unter Schutt und Erde vergraben. Das Terrain, das diese znm Theil sehr kostbaren Trümmer bedeckt, ist zur Hälfte ein wüstes Land, zur Hälfte Weingarten. In neuerer Zeit aber hat man hier Nachgrabungen angestellt und dabei, so zu sagen, ein zweites Pompeji unter dem Weiugartenlande entdeckt. Dieser Nachgrabungen hatte sich iu letzter Zeit besonders ein liebenswürdiger juuger Gelehrter, der Abbate Carrara, mit enthusiastischem Eifer gewidmet. Allein im Verlaufe des verflossenen Jahres hatte ihn mitten in der Blüthe seines Lebens nitd seiuer erfolgreichen Laufbahn ein trauriges Geschick dahingerafft. Er starb Plötzlich und unerwartet an eincm hefligeu Fieber. Obgleich der junge Abbate schon mehre Monate todt war, so hörte ich dock noch alle Poleuscr ihn beklagen. Es ist etwas Eigenes und höchst Rührendes um diese gemeinsame Trauer der italienischen Bürger bei dem Verluste ciucs der ganzen Stadt theueren Menschen. Ich weiß nicht, ob wir ner Etadt zu reden, so theilte er mir mit den betrüb-leften Mienen von der Nelt und fast mit Thränen in den Augen die Neuigkeit mit. ,Mi 3ignoi-, kbdiimw I>l.>txiut(i I«, piu cm-» ,)ol'8ouu äoila noiUrg oiUä. (Ach, 5ll) Der Abbate Carrara. Herr, wir haben den trefflichsten Mann unserer Stadt verloren). Sie haben wohl den Carrara iil nasu-s» s!i» l-.,^) nicht gekannt?" — Anch als ich später in Trieft einigen Polensern begegnete, war dieß gleich ihre erste Aeußerung. Meine Begleiter in Pola selbst nannten ihn immer „il pov^l'« I)<:^ (den arnicn Verblichenen) mW setzten dabei stillschweigend voraus, daß ich wüßte, wen sie damit meinten. Sie thaten dieß in so betrübter nnd fast andächtiger Weise, daß ich Anfangs fragte, ob Carrara etwa ein Verwandter von ihnen sei. „k'o 8i^ nor, nn> orn I1il!« f)0i»onll c1(!l nn^tl'a wlil^o! (Nein, Herr, aber es war der liebenswürdigste Mann unserer Stadt). Ach es ist ein Verlust, der nnS Alle getroffen hat. O wenn er jetzt noch lebte und Sie selber hernm führte, wie schön würden Sie dann unsere Antiquitäten sehen!" Der „arme Verblichene", mit sehr geringen Mitteln strebend, hatte Jahre lang Alles in Vewegnng gesetzt, um den untergegangenen Theil von Pola wieder aufzudecken. Er hatte es mit unansgcsetzten Bemühungen dahin gebracht, daß das Gouvernement jenen Landstrich, der wie ein Aschen- und Lavalager die Straßen nnd Thore des römischen Pola bedeckte, ankaufte und auch einige Geldsummen vorschoß, um die Ansgrabnngen beginnen zu lassen. Er hatte mit aufopfernden, Eifer die Local-Geschichte von Pola studirt, nm diese Arbeiten geschickt leiten zu können, und in seinem Geiste war die intimste Kenntniß jeder Inschrift, jedes alten Steines von Pola deponirt, und ein solcher Schatz bildet sich so leicht in dem Kopfe eines Menschen nicht wieder. „O wir Alle sind Unwissende im Vergleich mit ihm, es ist Keiner nnter uns, der ihm gleich käme", so klagten „Porta Gemina". üftt Alle, welche mich auf der alten römischen Straße hinführten, die von der ,,?oi-k, Komm:»" (dem Doppelthor) zum ehemaligen Capitol hinaufging. Diese „ports (lining", so genannt, weil sie zwei Eingänge hat, steht an der Seite der Stadt gegen das Amphitheater zu und ist jetzt beinahe völlig herausgegraben. Zahlreiche Trümmer von Architrave»! und Säulenstücke lagen noch darunter verstreut. Ein Kopf, ein Jupiter Ammon, blickte, erst halb entblößt, aus dem Boden hervor, der zu beiden Seiten des Pflasters zwei Ellen hoch anfragt. Am Ende der Straße, auf der mau uoch das römische Pflaster erkennt, kamen wir durch ein zweites Thor am Fuße des Capitols, und hier sind wieder einige Bogen und alte Treppen aufgedeckt, deren Stufen so gut erhalten sind, daß wir uns ihrer noch jeht bedienen konnten. Zur Seite dieser Thore und Straßen liegt Alles noch vergraben, und es ließe sich hier wohl Manches finden. Aber der Hindernisse und Schwierigkeiten sind viele. Und das Schlimmste ist, daß sich nicht so bald wieder ein für die Sache begeisterter Earrara finden wird. — Oben jenseits der bezeichneten römischen Treppen ka-uien wir zum Capitol hinauf, das, wie gesagt, jetzt mit venetianischen Festungswerken bedeckt ist. Auch bei ihnen sahen wir manches höchst Interessante und Malerische, dessen Einzelheiten ich hier aber übergehe. Doch mag ich noch als eines letzten römischen Ueber-lestes der sogenannten Hcrcules-Pforte (?orw ci'Li-. ^"lo) erwähnen, die wir im Nordosten des Capitols besuchten. Dieses Thor ist aus einem mir unerklärlichen Grunde schief gebaut, in seiner Ausschmückung sehr einfach, und soll das älteste Bauwerk in ganz Pola 512 „Porta d'Ercole". fein. Es hat seinen Namen von einem colossalen Kopse, und einer plumpen Säule, die in dem Steine ausge-meißelt sind, und von denen man glaubt, daß sie den Hercules andeuten sollen. Man sieht hier auch noch die Löcher, in denen sich die eisernen Zapfen der Thorangeln bewegten. Airchen und Alöstcr. So viel von den römischen Antiquitäten von Pola. Aber auch an interessanten mittelalterlichen Gebäuden bietet diese kleine Stadt nicht Weniges dar. Außer der pittoresken Festung besuchte ich von diesen jedoch mir zwei, das ^unvonw lii 3iin I'i-nnl^soo und den Duamo. Der Dom von Pola ist weder so alt noch so ausgezeichnet wie der von Parenzo. Er stammt in seiner jetzigen Gestalt aus dem 14ten Jahrhunderte. Nichtsdestoweniger gewährt ein Besuch in seinen Räumen ein vielfaches Interesse. Der Kunstliebhaber findet hier mehre schöne Bilder, der Historiker die Gebeine und das Monument des Königs Salomo von Ungarn, der sich nach Pola in der Mitte des zwölften Ialnhundcrts zurückzog, daselbst büßend lebte, fromm starb und unter die Heiligen versetzt wurde. Diocletian ist also nicht das einzige gekrönte Haupt, das die stillen Hasenplätze der Ostküste des adriatischen Mecces als Asyl aufsuchte. Außer ihm und Salomo haben wir gleich in Pola noch einen, den König Nasparasanns, den Beherrscher der Rossalauen, der auf der sogenannten Oliveninscl in der Bai von Pola begraben sein soll. Der Prinzen und Herrscher, welche an die Küste von Illyrien, auf dalmatische Inseln, in istrische oder liburnische Häfen, vou Rom Antikes Marnnn'bcckcn als Wcihwassovkl-ssel. 513 oder von Byzanz her verbannt wurden, könnten wir noch wehre nennen. Man sagte mir, die Kathedrale von Pola sei änsierst arm, ganz kirchenmansarm, und man erklärte mir ans ihrer Armnth einige Verhältnisse, die ich dort bei meinem Besuche bemerkte, erstlich, daß die Kirchendiener ihre Nachsstockstückchcn an große Schilfrohre gcbnudm hatten und mit diesen Schilfrohren in der Kirche herumliefen, um die Kerzen anzuzünden, -— dann, daft die großen Wachskerzen auf dem Chore keine Leuchter hatten, vielmehr für sie bloß runde Löcher in dem Boden ausge-weißelt waren, in denen sie steckten, — endlich, daß man nicht mit Glocken zum Kirchgange läutete, sondern die Kirchendiener zu diesem Zwecke mit Klingeln und Schellen durch die Stadt liefen. — Vielleicht war auch das in Folge der Armuth der Kirche geschehen, daß man sich h'er zu einem Weihwassergefäße eines hübschen kleinen lö'misclM Marmorbeckens bediente, das man irgend einem antiken Bade entnommen hatte. Dieses Marmorbeckcn ^"tte zu den vier Seiten vier Nischen, in welchen kleine Amoretten, eine Veuns und andere Figürchen lagen, die Wohl für ein heidnisches lururiöses Bad passend, aber für den Weihwasserkessel einer christlichen Kirche wenig ge-eignel schienen. Die Italiener, deren römisch-katholische Kirche ja überhaupt noch so vielen heidnischen Stoff in sich aufgenommen hat, stört dergleichen aber gar nicht. Auch w einem kleinen Orte Dalmatiens, ich erinnere mich nicht mehr des Namens, hatten, wie dieß in Italien öfters passirt, die Bauern eine aufgefundene heidnische ^tteljwne in die Kirche gebracht, sie als etwas ganz 51^ ' Das Franziskanerklostcr. Besonderes angebetet unv diesen von ihnen creirten Heiligen so lieb gewonnen, daß es Mühe genug kostete und sogar die Einschreituua. der bewaffneten Gewalt' nöthig wurde, um die besagte Marmorstatue für das Museum, wo sie allein hingehörte, zu erobern. Das Franziskaner-Kloster, dasselbe, in welchem der Stammhalter der Tergier gerettet wnrde, liegt oben aus dem Berge deS Capitols in der Nähe der Festung, m einer höchst reizenden Position. Seine Kirche ist schön gebant. Einige seiner Fenster sind von durchbrochener Slcinarbeit sehr zierlich construirt und gewähren in den Verschlingungcn ihrer steinernen Cinfassnnge» äußerst werthvolle Beiträge zu der Kunde der Ornamentik im gothisch-arabischen Genre. Sie sind von den dankbaren Sergiern in's Kloster gestiftet worden und befinden sich innerhalb des Klosterhofes. Unter ihnen läpt sich der Reisende am liebsten für einige Augenblicke nieder, weil er gerade hier veil hübschen Lorbeerbaum vor sich hat, deretwegen der Klosterhof so berühmt ist. Dieser Lorbeerbaum des Frcm-ziskaner-Convents von Pola soll nämlich schon zu der Römer Zeiten hier eristirt haben. Und um diese Sage noch ansprechender zu machen, berichtet die Fama sogar, daß der Kaiser Angustns selbst sich einmal einen Lorbeerfranz von diesem Baume habe pflücken lassen. Was an dieser Erzählung Wahres sei, mag auf sich bernheu. O^ wiß aber ist es, daß jener Bauin uicht eiumal ein ächter Lorbeer, sondern nur ein Kirschlorbeer ist. Aber freilich ist es, wie ich glaube, auch noch zweifelhaft, ob die Alten ihre Lor-bcerzweige von dem Kirschlorbeer oder vom wirkliche» Lorbeer nahmcu, mit dessen Blättern wir unsere Neis-snppen würzen. Der Lorbeer dcs Augustus. 515 Deutsche Maler haben zu wiederholten Malen Ansichten von diesen» Polensischen Lorbeerbaume in der Mitte des friedlichen Klosterhofes aufgenommen. In der Ansicht, die er uns eben jetzt bot, lag etwas Humoristisches. Es saßen nämlich dic Hühner des Klosters — das übrigens heutiges Tages gar kein Mönchsaufenthalt mehr ist — auf seinen Zweigen vertheilt und genossen, in sich zusammengekauert, einer ungestörten Morgenruhe. Die ruhmsüchtigen Blätter des Baumes, dic einst Augustus für ewige Zeiten adelte, hingen an verschiedenen Zweigen herab und umschlangen nun, in Ermangelung eines rö-'Nischen Kaisers, die hohlen Köpfe dieser schlummernden dummen Vögel. Wir Menschen sind immer sehr geneigt, an das Außerordentliche, was man uns erzählt, zu glauben — eine Neigung, in Folge deren vure Erdichtungen mit dem Glänze historischer Ereignisse in unseren Anna-lcn schimmern — und ich konnte daher nicht umhin, mir einen Blätterzweig von diesem Baume zu pflücken und ihn als Andenken an Pola und Augustus mitzunehmen. Dil Zttinbrnche bei Pola. Wie jetzt die Alterthümer von Pola, so waren einst die Steinbrüche dieser Gegend, welche jenen alten Banwerken das Material lieferten, sehr berühmt. Pola ist, so zu sagen, ganz von Steinbrüchen umgeben. Einige derftl-bcn liegen auf den Inseln vor dem Busen der Sladt, andere einige Miglien von derselben in der Richtung ber ^unls!Ni'l!l!," — Die Pok-salia. merkwürdige» Kuppel theilhaftig zu werden. Dießmal begnügte ich mich mit einem Ausflüge zu den Fchland-steilibrüchcli, den sogenannten „Cnvc,> cli Vl>neuli,!i^, die übrigens auch des Interessenten geinig für mich boten, und man hatte mir dazu ein kleines istrianisches Gebirgs-pferd gesattelt ur.d zwei lstrianische Morlachen zu meiner Disposition gestellt. Da ls galt, die besagten Steinbrüche, die etwa 4 Miglien von Pola entfernt sind, noch vor der nahe bevorstehenden Abfahrt des Dampfschiffs zu erobern, so mußte unser kleines Thier etwas raschen Gebrauch von seinen Füßen machen, und dabei hatte ich denn Gelegenheit zn bemerken, wie auch hier iu Istrien die Eingeborenen eben solche feste Bergläufer sind wie die Dalmatier, Montenegriner und Griechen. Denn meine unermüdlichen Begleiter hielten nicht nur standhaft trotz Sonnenschein und Wind mit meinem Braunen aus, sondern liefen ihm sogar ans unserem stundenweiten Wege wie zwei tapfere Haiouken immer voraus und reizten ihn zn scharfem Trabe. Ich habe in anderen Landern nie etwas von solchen unermüdlichen Bergläufertl gesehen. Unser Weg führte uns zuerst über den schon genannten Monte Iaro, von wo alls wir die Polesana, d. h. die Campagna von Pola, weit und breit übersahen. Sie bietet, wie das ganze südliche Istrien, ein niedriges und bcbnschtes Hügelland mit vielen Thälern «nd Höhenrücken dar. In der Ferne dominirte, wie überall in Istrien, der Monte Maggiore. Vieles von diesem Gebüsch mag ehemals bebautes Land bedecken, und zur Zeit des Trai'anus mag diese Polesana einen viel reicheren Anblick gewährt haben. Wie die Ttadt Monte Capelletw. 519 Pola selbst, so liegt auch die Polesana im Verfall, und die Unkräuter und Gebüsche saugen den fruchtbaren Boden eben so aus, wie sie an dein Marke der schönen alten Prachtgebäude nagen. Einige Polenser selbst klagten mir, wie viel fruchtbares Ackerland dier vom Pfluge völlig unberührt daliege. Ick begreife nicht, warum wir Deutschen uicht Coloniecn hierher führen, wie dieß ehemals die Römer thaten. Aber mit diesen deutschen Colonisirungen muß es >in Istrien, wie auch in ganz Dalmaticn seine Schwierigkeiten haben. Ich erkuu-digte nlich an mehren Orten darnach; aber man wollte nichts davon wissen. Die deutschen Kolonisten, sagte man mir, würden hier nicht aufkommen, weder Italicner noch Elaven würden sie duldeu. Selbst die Zigeuner, deren es gar keine in Dalmatien gäbe, hätten gegen die Morlachen nichts ausrichten können; wie wollten es denn die Deutschen durchsetzen. Nach dem Monte Zaro kam ein kleines Thal, dann der Monte Capelletto. In diesem Berge befindet sich ein Lager sehr feinen höchst geschmeidigen Kiessandes (8nläimw), und die Venetianer haben hier ihre im Lande berühmten „C<>v^ .1i 8iiI6lm,0" (Kiessandhöhlen) an-gelcgt, deren Prodntt sie in ihren Glasfabriken in Mu-rano verwenden. Der ganze Berg ist weit und breit unterminirt, mit einer zahllosen Menge von Gängen und Stollen. Auch kommen Luftlöcher und Schachte aus diesem Labyrinthe nach oben hervor. Ich besuchte zwei derselben. Eins steigt mit einem außerordentlich breiten Schlunde senkrecht in unheimliche Tiefe h'nab. Vermuthlich diente es einst als Förderschacht zum Ausfuhren des nuten gewonnenen Materials. Freilich 520 »Cave di Saldame." begreift mau dabei nicht, warum ihn die Venetianer lnezu mehre Klaftern in Quadrat ausarbeiten. In einen zweiten konnten wir, allerdings auf einigermaßen unbequemen Pfaden, hinabsteigen. Leider war es uns aber nicht möglich, weit in den Gängen vorzndriugen, weil uns Licht und Fackeln fehlten nnd wir mit der Tages-dälnmernng nicht tief famen. Meine Morlachcn sagten mir, mau könne stundenlang da unten umhergehen. Jetzt waren die Gänge leer, doch zeigte der frische schönfarbigc Saldame, der vor jedem ^oche aufgehäuft war, daß sie noch jetzt bearbeitet werden.. Der Kiessand wird noch imlner nach Mnr^no geschafft, um dort sich im Feuer zu bunten Perlen und Maseru zn verklären und die rivi-lisirten und wilden Völker in dieser Gestalt ;n erfreuen. — Die Poleuser könnten anck wohl, um ihrer Industrie ein Bißchen aufzuhelfen, an Ott nnd Stelle eine Glasfabrik errichten. Es giebt noch an einigen anderen Punkten an der Ostknste des adriatischen Meeres, namentlich in Dalma-tien, ähnliche ganz ungemein branchbare Kiessandbänke, die aber vollkommen ungenutzt so daliegen, wie die schaffenden Kräfte den Kies dort deponirten. Man sollte denken, das Glas hätte bei den Morlachm hundertmal ersnndcn oder, nachdem es erfunden worden, wenigstens in hundert Glasöfen bereitet werden müssen. Statt dessen aber giebt cs in ganz Dalmatien nicht eine eiuzige Glashütte, und das sämmtliche Glas, welches man in den Hinsfenstern dieses Landes sieht, muß von den Niederlanden ans um ganz Europa herum geschifft werDeu, um den heuten hier zu Lande den Vortheil von hellen und geschützten Stuben zu geben. Sogar in Trieft und in fast allen andere» ^Niederländisches Glas in Dalmatien. 531 benachbarten Städten wird nur niederländisches Glas gebraucht. Und zwar ist dieß eine ganz ncnc Eroberung dcr niederländischen Kaufleute und Glasfabrikantcn. Früher bekam mau es aus Venedig und Deutschland. Die Italiener sollen diese Handelsbräuche zum Theil in Folge ihrer altmodigen schlechten Verpackungsweise des Glases verloren haben. Ihre Glaskisten hatten immer zu viel „Bruch", nnd sie bestrebten sich nicht, die Aer-ftacknngsmethode zu andern. Die Niederländer schafften diese so nothweudige und so leicht zu bereitende Waare zu so billigen Preiseu und in solcher Güte auf den Play, daß seit einiger Zeit Nlrmand mehr mit ihnen eonenr-riren kann. — Allerdings sind sie dabei vermuthlich durch eine Zollermäßigmig begünstigt, lss ist dieß ein Beweis, wie »venig die verschiedeucil östreichischen Länder noch alle ihre Kräfte angespannt haben. Hinter dem Monte l5apclletto ritten wir wieder durch ein Thal, — wieder über einen bebuschten uud belaubten Berg — uud abermals durch ein wiesengrüues Thal. So ist die ganze Gegend hier beschaffen, Dörfer fanden wir gar nicht, Alles war eine große grüne uud N'cht freundliche Wildniß. Das Meer kam zuweilen in langen Armen in die Thäler und tief in's Land hinein. Meine guten Begleiter konnten in dieser Wildniß die Steinbrüche, die wir suchten, nicht recht wieder auffinden und führten mich anfangs zu einem, dcr freilich auch römisch sein mochte, dessen Kleinheit aber mit den wir gemachten großartigeil Beschreibungen nicht recht übereinstimmen wollte. Cr lag an dem inneren Vnseu eines Meercsarmes, wo uoch die Spureu eines kleinen Ätolos den Platz bezeichneten, an welchem die Römer 522 Römische Quadersteine. die Steine eingeschifft hatten, vermuthlich zuerst ill kleinen Barken bis Pola und dann von da weiter. Einige schöne große Quadersteine lagen im Wasser. Vielleicht fielen sie beim Transport dahin, wie j>'nc verunglückte Kuppel von Brioni. Der römische Baumeister dachte wohl den Block gelegentlich einmal wieder herauszuholen, aber dabei überraschte ihn der Tod oder mit sammt Nom die Völkerwanderung aus Osten. Die Wände, Stnsen und Abtheilungen dieses kleinen Sm'n-brnchs waren zwar hie und da mit Gebüsch bedeckt, aber zwischen dem Gebüsch nnd an freien Stellen erkannten wir noch die Hammcrschläge Des römischen Meißrls, die Linien, welche die Steinbrecher zu Nnterabtheilungen in die Wände eingemeißelt hatten, sowie auch angefangene, aber nicht völlig herausgehobene Quadersteine. Einer lag nocb so schief anf der Kippe, als wenn eben die Arbeiter, um sich ein Bißchen zu erholen oder ihr Mittagsmahl einzunehmen, anf die Seite gegangen wären. Sie gedachten, ihn nachher hcrabzubringen, abcr das Horn des Obcron verzauberte sie allr, und seit zweitausend Jahren sind sie nicht wiedergekommen. Ich war jedoch, wie gesagt, mit diesem Steinbruche m'cht zufrieden. Ich suchte noch andere, und namentlich einen, bei dem man mir von einem großen Epheu gesprochen hatte. Meine Führer wüßten mir nicht zu helfen; sie wären, sagten sie, wohl vor Jahren einmal hier gewesen, aber sie könnten sich jetzt nicht mehr zurechtfinden. Glücklicherweise trafen wir ein paar Hirten im Gebüsche, die neugierig zu uns herankamen. Gs waren „I^omon^ Wro8i" — so nennen sich hier allgemein die Bewohner der langen kleineu Halbinsel, die unten an Istrieu wie „Pronionloresi." 523 ein Wurzelsäserchen ansitzt — recht hirtenmäßig aussehende Lente, in die gewohnliche istrianische knappe, dunkelfarbige Wollenklcidung gehüllt, verbrannt und dram,, aber von hübscher Gesichtsbildnng und rabenschwarzen Haaren. Dazu hatten sic ail ihren Füßen ganz dieselbe röthlichbraune, rostartige Farbe, mit der, wic ich sagte, die aiigesressenen und abgebröckelten Etellen des Amphitheaters und der audcren Nöinerbauten bedeckt sind, und die sich hier eben so auch auf allen Wegen bildet, wo die Wagen, Pferde und Menschen das Gestein anreiben und zertreten. Es war mir merkwürdig, die «lte ehrwürdige Farbe der Monumente an den Sandalen dieser Hirten zu entdecken. Man hat bemerkt, daß auch die Hasen, welche in diesem südlichen Kalkgebirge laufen, jene röthllchbraune Farbe an ihren Füßen haben. Und da die Hasen in diesem Kalkgebirge besser sind als in dem daranstoßenden Sandsteinrevier, wo ihre Pfoten die rothe Farbe nicht gewinnen, so bezahlen die frischen Hausfrauen immer etwas mehr für einen Hasen mit rothbrauuen Füßen als für einen, der diese Farbe nicht hat. Wir fragten unsere Promontoresi, ob sie nicht noch andere solche alte verwachsene Steinbrüche, wie den vor uns liegenden, kennten, und namentlich beschrieb ich ihnen, s" gnt ich konnte, den von mir gesnchten mit dem Epheu. Da fand es sich denn, daß wir in unserer Eile schon weit über das Iiel hinausgekommen waren, und wir wußten daher wieder zurück und dann ein breites flaches WiV'scnthal aufwärts reiten. Hier entdeckten wir endlich mien kleinen See oder Teich, vermuthlich den Ueberrest eines ehemals in's Thal eindringenden Meeresarmes, durch 52-4 Doppelgättgiger Steinbruch. welchen niitten durch ein künstlicher Damm fühlte, den aber jetzt die Herbstregen hoch überschwemmt hatten. Am Anfange des Dammes sahen wir einen mit Marmor ummauerten Vrnnnen oder eine Cisterne, lauter Dinge, die man nnS in Pola als Kennzeichen genannt hatte, und die vermuthlich alle mit den Arbeiten in den Steinbrüchen nnd mit dein Transport der Steine in Verbindung gestanden hatten. Wir ritten über den Damm und erstiegeil den gegenüberliegenden Thalabhang, in dessen Nande wir schon die Einschnitte der Steinbrüche erkannten. Zuerst kamen wir in den Bruch zur linken, der sehr merkwürdig gestaltet ist. (Kr ist nämlich eigentlich doppelt und besteht aus zwei länglichen Weitungen, zwischen denen eine etwa zweihundert Schritt lange Mauer steben geblieben ist. An dieser Maner haben die römischen Steinbrecher nämlich von beiden Seiteil weggearbeitet. Sie ist dadurch ziemlich dünn geworden und nimmt sich wie eine längliche Deeoration aus. Die Bruchstätten, viereckige Höhlungen und Köcher, so wie die abgemeißelten Wände, (Anschnitte nn!? die wie künstliche Bastionen hervorragenden Felsüberbleibsel machen sehr bunte Figuren, fast wie die Ruinen einer verfallenen Festungsmauer. Dabei ist Alles sehr hübsch mit Gebüsch, und zwar mit lauter edlem Gebüsch, Mylthe», wilden Lorbeeren, Feigenbäumen und dergleichen verwachsen oder vielmehr allsgeziert. In dem inneren oder hinteren Theile dieser Steinbrüche kann mail ziemlich viel herumklettern, und ich hätte mich bald darin verstiegen. Einmal konnte ich mich nur durch einen etwas gewagten Sprung daraus retten. Bei uns habe ich nie so Alter großer Vpheu, 535 malerische Steinbrüche gesehen. Fast scheint es, daß bei den Alten, unter deren Fingern sich 'Alles verschönte, auch solche Dinge lieblicher darstellen mnßten. Interessantere Augenblicke verlebten wir noch in dem zweiten Steinbruche, der sich nickt weit von diesem doppcl-gä'ugigen befindet. Wir traten zu ihm über einen frisch grünenden Wiesenhügel hinab. Er hatte fast wie eine Kirche mehre Abtheilungen und Flügel. Inerst ging ein Hauptflügel, das Schiff mag ich es wohl nennen, geradeaus in die Felsen hinein, dann zweigten sich links und rechts zwei andere Bruchstätten ab. Das Merkwürdigste bei diesem Bruche war, daß die Wände nicht so wie bei den übrigen Steinbrüchen abgestuft, sondern vollkommen lothrccht und glatt waren und so etwa vierzig bis fünfzig Fusi hinaufgingen. Oben auf der Kante standen ringsherum Büsche und Bäume, einige auch inwendig unten auf dem Boden. Doch war dieser meistens blumiger Gras- und Wiest'ngruud. An der Wand des einen Flügels hatte i^ier alte (5pheu, den ich gesucht hatte, mit machtigem stamme Posto gefaßt und sein dichtlaubigcs Gezweige dort weit ausgebreitet. Der Stamm des (5pheus hatte fast drei Fuß im Nmsange. Leider war er von irgend einer barbarischen Hand etwas eingehackt, wie man denn auch hier in Istrieu, wie in Dalmatien, immer die großen und schönsten Bau ine von den unbarmherzigen Baum-vertilgern, den Morlachen, halb angehackt findet. Obgleich wir November schrieben, so genossen wir doch des mildesten und lieblichsten Sonnenscheins, eine Lnft ^le im Inni nnd einen Himmel vom klarsten Blau. Der Ort war so still nnd wie für Lamarline'schc Meditationen geschaffen. Im Grase dnfteten Blumen, die der 52tt Vimnilöchcr. zweite Frühling, dessen Istrien ini November eben so wie Dalmatien genießt, hervorgerufen hatte. Und Taufende von Bienen hörte ich an den von der Sonne erwärmten Felsenwänden summen. Das Bienengesummc war so stark, daß ich glaubte, sie müßten hier irgendwo ihre Nester gebaut haben, und als ich näher herantrat, nm sie genauer zu erkennen, vernahm ich, daß das Geräusche der umher fliegenden Bienen sich znweilen auf eine eigene Weise modificirte, so wie dieß etwa geschieht, wenn eins dieser Insecten in einen engen Flaschenhals schlüpfen will. Ich konnte mir dieß anfangs nicht erklären, bemerkte aber endlich, daß sich in der ganzen glatten Felsenwand kleine Oeffnnngen oder Löcher befanden, so groß wie das Spuntloch eines Weinfasses. Vor jeden» schwebten ein Paar Bienen und schlüpften endlich hinein. Ich dachte nur, sie möchten dort im Innern des Felsens ihren Honig ausspeichcrn, konnte mich aber leider nicht davon überzeugen, weil die Köcher mir zn hoch waren. Wie die Bienen so flüchten sich bei Unwetter auch die Schafe der umher hausenden Hirten in diese von allen Seiten geschützten Felsgrotten. Cs lief für sie rings am inneren Rande der Felswand ein ansgetiester Graben herum. Jetzt schien zwar die Sonne lieblich in das Ganze, aber wenn sie anf der entgegengesetzten Seite stände, erzählten mir meine Begleiter, so kämen die „pecorg" hier herein und kühlten sich ab, ihre Schnauzen an die Felsen oder anfs kühle Erdreich legend. Auch suchten sie hier Schutz vor Sturm und Gewitter. Geradezu unerklärlich waren mir in diesem sog^ naunteu Steinbruche jene glatten, hohen und senkrecht aufsteigenden Wände. Wenn ich mir nämlich die Mt- Glatte senkrechte Wände. 527 stehnng eines Steinbruchs denke, so wird es dabei sehr wahrscheinlich so zugehen: Man wird erst oben von der Erde herein rine Reihe Steine wegbrechen, nnd dadurch wird eine Stufe entstehen. Alsdann sucht man eine zweite Neihe wegzunehmen, und dadnrch entsteht eine zweite Stufe, nnd so fort immer etwas Aufgettepptes, wie in den anderen Steinbrüchen, welche ich zuvor sah, aber nicht solche glatte senkrechte Wände, wie ich sie hier hatte. In der Seitcngrotte, die ganz rechtwinkelig in das Hauptschiff einlenkte, waren ebenfalls solche Wände. Auch waren dort mehre Einschnitte nnd coulissenartig hervorragende Ecken, die alle rechte Winkel bildeten nnd senkrechte Mauern darboten. Es war hier nirgends eine Spur von einem halbansgemeißclten Steine, wie in den anderen Felsgrotten. Auch gingen nicht einmal solche horizontale Linien wie bei diesen hin, welche die Bruch-richtuug der gelösten Steine bezeichneten. Ich fing fast an zu zweifeln, daß das, was sich mir hier darböte, überhaupt eiu Steinbruch sei. Aber ein von irgend einein Naturereigniß geschaffenes Gebilde war es doch auch nicht. Dagegen sprach die Rechtwinkeligkeit der Einschnitte nnd Absätze, noch mehr aber ein Umstand, welcher mich geradezu in Erstaunen versetzte. Ich bemerkte nämlich, daß die gcsammten Wände von oben bis nuten mit dem Meißel bearbeitet waren. Es schienen, so weit ich sehen konnte, lauter lange Meißel-streifcn zn sein. Es sah so aus, als wenn die Stein-Hauer so lange in einem unregelmäßig sich schlangelnden Striche fottgemeißelt hätten, als sie mit dem Arme reichen konulen. Die Hauptgrotte, die Seitenflügel, die rechtwinkeligen coulissenartigen Hervorragungcn, Alles war 528 Der Steinbruch ein Zufluchtsort verfolgter Christen. bemeißelt, sowie endlich auch die ganz unregelmäßig gestaltete und schräg einwärts gehende Bruchscitc cincr Stelle, wo der Felsen durch irgend ein Naturereiguiß beschädigt oder unterminirt zu sein schien. An dieser Stelle konnte der Form des fehlenden Stücks nach offenbar kein regelmäßiger Quaderstein weggenommen sein, und doch war der Meißel auch hier den unregelmäßigen Vauschnngen dieser Stelle gefolgt. Es war dieß 'Alles ungefähr so, wie ich es mir bei den künstlich bearbeiteten Naturwänden denke, die man vei den indischen Felsentempeln benutzt hat. Ich dachte mir am Ende — und dieß war wohl die einzige Weise, wie ich mir Alles reimen konnte, daß allerdings hier ursprünglich ein römischer Steinbruch gewesen sei, daß denselben aber später arme verfolgte Christen zu einem got-tesdienstlichen Sammelplatze und Zufluchtsorte umgewandelt und benutzt und daß sie hier, Psalmen singend, sich vereinigt haben möchten, so wie noch jetzt die sum-menden Bienen uud die blökenden Schafe sich hier ein Rendezvous geben. In dieser Idee bestätigte mich nicht wenig cine andere kleine Entdeckung, die ich in dieser Grotte machte. Ich bemerkte nämlich an der einen in das Mittelschiff hineinragenden Felsecke einen runden Stein im Rasen. Er war ganz mit Unkraut verwachsen uud mit Erde gefüllt. Mit Hülfe meiner Begleiter hatte ich aber Beides bald herausgeschafft, und siehe da, es offenbarte sich eine ziemlich cirkelrunde, aber etwas verschobene und plump-geftaltete Steinhöhlung mit ringsherum aufstehendem Rande. Sie hatte ungefähr die Gestalt und Größe wie die Brunneneinfassungen oder Cisternen in Istricn und Taufstmlähilliches Gefäß. 529 Dalmatien. Doch war in der Mitte des Gefäßes ein dicker unregelmäßiger Fclsenknopf gelassen, den wir nicht wie die übrigen losen Steine herausbringen konnten, und der sich mit dem Ganzen verwachsen zeigte. Ich glaubte anfangs wirklich, mau habe bier eine solche Cisterne begonnen und sie am Ende doch stecken lassen. Allein diese Cistcrnengefüßc setzt man gewöhnlich ans mehren Stücken znsammen, oder meißelt sie ver-mnthlich nicht in dem Steinbruche selbst fertig. — Wir schafften auch das Erdreich rings um unseren Stein herum weg und fanden, daß er noch mit dem lebendigen Felsen zusammenhing und also aus diesem selber herausgearbeitet war. — Ich vermuthete einen Augenblick, daß die Hirten das Gefäß in einer müssigcn Stunde gemacht hätten, um Regen darin für ihr Vieh zu sammeln. Allein dazn war es doch zu klein. Auch geben sich die hiesigen Hirten für ihre Herden solche Mühe nicht. Und endlich war es auch, wie das Unkraut und Erdreich zeigte, zu diesem Zwecke seit laugeu Ieiteu nicht benutzt worden. -"- Ich reimte daher diese Figur mit meiner obigen Hypothese von der ersten christlichen Kirche zusammen und dachte mir, die alten verfolgten Sektirer möchten liier den Tausstein oder das Weihwassergefäß ihrer Kirche gehabt haben. Meine Begleiter waren jedoch anderer Meinung und behaupteten: ,,olw uno volovl, wgliur un pc>/./o" (daß hier Jemand versucht habe, einen Brunnen zu graben). Nachdem ich mir auf diese Weise die Umgebungen so gut "ls möglich gedeutet und Alles zurccht gelegt batte, ruhten Wir noch ein wenig anf dem schönen Rasen neben einer Feuerstätte der Hirten aus und genossen cineu Uebcr-blick der hübschen Scenen, die wir in ihren Details K^'hl, Ncise in D,i>matic». !I. 34 539 Griechische und südislyrische Eoloniren in Istrien. durchschlüpft hatten. Man trennt sich so schwer von einem so reizenden Flecke, dessen Geschichte man entdeckt zn haben glanbt und daher lieb gewonnen hat. Unser Bergvferdchen, an einen Feigcnbanm gebnnden, graste um nns her. Die beiden guten Morlachen, die bei meinen Untersuchungen sich so eifrig gezeigt hatten und die nun auch selbst sich mehr für einen Ort zu interessiren schienen, der ihnen bisher ganz indifferent gewesen war, streckten sich neben mir hm und zeigten sich für meine Zwecke nun höchst theilnehmend. Anch gesellte sich noch ein Promontorese zn nns, der vermuthlich als Hirte in der Wildniß herumgestreift und, uns wahrnehmend, herangekommen war, zn sehen, was es gäbe, wie denn diese einsam lebenden Menschen immer nengierig sind und einen Reisenden von einer Felsenspitze aus so weit, als sie sönnen, beobachten oder, von Stein zu Stein springend und ihn begaffend, aufdcr Scite scinesWeg.es begleiten. Ich hatte gelesen, daß die jetzigen Promonto-rescn ursprünglich eine Colonie aus Montenegro seien, wie denn überhaupt schon seit den Zeiten, in denen der Hellene Ekinmos aus Chios nach Istrien wanderte, immer kleine griechische und südillyrische Colonieen hierher verspritzt sind, einmal eine von Vandioten, nnd einmal sogar eine von einer kleinen Zahl von Montenegriner», die in dem Orte Peroe, in der Mitte zwischen Pola und Rovigno, sich angesiedelt haben und daselbst noch heutiges Tages nach griechischem Ritus leben. Unser Promontorcse erzählte uus, seine Familie stamme aus der Tscherniska Nahia von Montenegro. Vor dreihundert Jahren wären seine Vorfahren hierher gekommen. Sie hätten noch darüber die Papiere ill ihrer Commun auf dem Promon- Alte Abstammung der Pl,'lcüsischm Familien. 531 torio. Auch wäre in diesen Papieren genan verzeichnet, wie viele Menschen mit ihnen gekommen wären, nnd wie viele Schafe und Ochsen ein Jeder übers Meer mitgebracht, auch welches Stück Land Jeglicher bekommen hätte. Früher waren sie griechischer Religion, jetzt leben sie aber nach katholischem Nitns. Da mein Promontorese sich etwas auf diese Papiere und das Alter seiner Familie zn Gute zu thun schien, so that ans einmal auch der eine meiner Begleiter, den ich bloß für einen simplen istrianischen Morla-chen genommen hatte, seinen Mund auf nnd fing an zn behaupten, seine Familie sei nicht bloß älter, sondern auch viel weiter hergekommen ' als die dieses guten Hirten. Seine Vorväter stammten nämlich ans Cypern und scicn vor undenklichen Zeiten nach Pola eingewandert. Sie müßten aber alle durch Traditionen noch ganz genau die Geschichte ihres Hauses, und im Grnnde genommen seien alle Familien von Pola sehr alt nnd von sehr verschiedener Herkunft. Als ich den Promontoresen fragte, was er für Vieh weide, sagte er, es sei feines Vaters. Jetzt habe er nnr wenig. Aber »m Winter müsse er oft große Heroen hüten. Dann kämen nämlich die Krahnzi, die Tschitschen und Walachcn von ihren Bergen nnd namentlich vom Monte Maggiore her^ unter und übergäben ihm und seinen Nachbarn in der ganzen Gegend ihr Vieh während des Winters zu weiden. Icue Berge würden alsdann mit Schnee bedeckt. Im südlichen Istrien aber bliebe auch dann noch Alles grün nnd frisch, und jene nördlichen Bergbewohner pachteten ihnen fnr diese Zeit ihre Weiden ab. Sie kämen regelmäßig gegen den 8. December. 34* 532 Vasflodonls Schilderung vl'N Istrien. Die Bienen stimmten fleißig fort, die Vögel zwit^ scherten überall so lieblich, die Sonne strahlte himmlische Wärme, sanfte Zephyre fächelten zuweilen dazwischen, und dieß Mes war mir wie ein Commentar zu Cassiodorus Schilderung des Klimas von Isttien,das dieser Sekretär des Kaisers Theodorich sehr gut kennen mnsite, da er gerade der Spilze von Istrien gegenüber in Ravenna wohnte, und das er in dem an die Istrier gerichteten 22. Briefe des 12. Vnches seiner V-ü-iln-um folgendermaßen schildert: „Euere schöne Halbinsel, uns Navennaten so benachbart und lieb, liegt an der Spitze des adriatischen Busens. Sic ist mit Olivenhainen erfüllt, mit Saatfeldern geschmückt, und an Wein hat sie Ueberfiuß, und so ist sie vom Schöpfer gleichsam mit drei reichlichen Quellen der Wohlhabenheit beschenkt, ans denen fast alle Früchte in erwünschter Fülle hervor strömen. Daher wir Euer Land auch nicht mit Unrecht die (5ampagna von Ravenna, die Korn- und Schatzkammer nnserer königlichen Stadt, nennen, einen köstlichen Aufenthalt, einen lieblichen Zufluchtsort /volupluo8« m-ini8 ), der, zum kühlen Norden sich aufwärts verlängernd und zugleich gen Süden hinab-tauchend, eine wunderbare milde Temperatur (cocli «6-inil^ndn wmpoi-io) genießt. Dieß, Ener Land, hat aucli wie das gepriesene Neapel, ich kann es wohl ohne Uebertreibung sagen, seine eigenen Vajä für sich, in denen das wogende Meer, in die friedlichen Buchten eintretend, sich anSebnct und wie ein stiller Vandsce der Gäa schmeichelnd zu Füßen legt. Vmitgefarbte Conchylien und Schnecken bewegen sich in diescn Buchten, die auch an Fischen eine große Fülle besitzen, und ein Avernus, ein Ort des Schreckens, wie doch selbst bei Bajä einer isi, Cassiodorils Schilderung vm: Istricn. 533 findet sich hier nirgends ^Vv«!'nu8 idi nan UNU8 t"8l). Dle Fischteiche des Neptun sind zahlreich umher, uud in ihnen vermehrt sich selbst die leckere Auster freiwillig und ohne Zuthu» der Menschen. Viele Paläste und freundliche Villen sind an der Küste, auf den Hügeln und an den Buchten verstreut, und sie erscheinen mir fast wie eine Reihe von Perlen auf dem Haupte eines Frauenzimmers. Und endlich läuft längs dieses geschmückten Nfers, gleichsam wie eine zweite Perlenschnur eine wunderschöne Reihe von Inseln hin, die auf eine liebenswürdige und amnuthige Weise Schönheit zugleich und Nutzen (m-<1a in-»ullli'um i>m:>I)l!i uliüllNl' (Ii8^s>^ilu8) verbinden, indem sie sowohl den von dem Meere bedrängten Schiffen Schuft und dem Ackersmann Pwdncte gewähren, als auch des Beschauers Auge erfreuen. Die äußersten Gränzen des Reichs bewachend, dient dieß Istrien nnsercm schönen Italien zum herrlichsten Schmuck, erfreut die Reichen mit lurnriösen Genüssen ((wli^ii») und die Mittelstände mit dem Nothwendigen, und was sie erzeugt, das wandert fast Alles — in unsere königliche Stadt Ravenna." Pola liegt mit der Po-Linie ans einem Breitengrade. Allein es hat wie überhaupt viele Punkte an der istrischen Küste ein noch viel milderes Klima als dieses. In das gegen Osten offene Po-Land fahren die Vora und die kalten Nordostwinde hinein, welche dangen, von dem hohen Lande im Norden Istricns in der Höhe erhalten, über Pola nnd andere niedrige Küsten-Punkte wegziehen. Den Südwinden ist dagegen Pola Weit zugänglicher als das Land am Po, wo die Appc-ninen den Endwind abkühlen. Wie wunderbar pasttc doch fast Alles, was Cassio- 534 Die Sitze der adriatischen Hauptmacht. dorus vor 15)l)<) Jahren schrieb, noch auf die heute von uns genossenen Stunden, bis auf das „Wandern aller istrischen Prodncte nach Ravenna". Denn diese haben die Richtung ihrer Wanderung seitdem schon zweimal geändert. Einmal am Ende des Mittelalters und bis auf die Neuzeit herab, strömten sie nach Venedig, und jetzt seit hundert Jahren haben sie sich mehr und mehr nach Tricst gewendet, wo man heutiges Tages das iftrische Holz, die istrischen Weine, Oele nnd Früchte eben so an den Häfen und Molos ansgekramt sieht, wie dieß früher in Ravenna nnd noch früher in ^lquileja der Fall war. Deun von allen diesen Städten, diesen Herrinnen des adriatischen Meeres, war Istrien der Reihe nach eine conimemelle Dependenz. Es ist beachtenswert!), aber freilich auch erklärlich genug, daß der Sitz diefer adriatischen Hauptmacht zu dcu verschiedenen Zeiten der Geschichte immer in einem Halbeirkel, so zn sagen, wie ein veränderlicher magnetischer Pol um Istrien hemm wanderte, aber me nach dem so hafenreichcn Istrien und zum Beispiel uie nach dem scheinbar in so gebietender Stellung daliegenden Pola siel. ^ Adria, Aquileja, Ravenna, Venedig, Trieft heißen in chronologischer Reihenfolge die politischen und commerciellen Hauptstädte dieser Gegend. Sie lagen alle an der Küste des Festlandes, von wo aus die Wege in das Innere großer ^ändermassen hineingingen. Trotzdem, daß ihre Häfen allesammt mit den größten Schwierigkeiten zn kämpfen hatten, blieben doch die Kaufleute, welche diese Städte ausblühen ließen, lieber an der Küste, von wo ans sie an der Gränze des Meeres und Festlandes nach beiden Seiten hin ihre Spccu- Pola als Hilft- u. Nebenpuntt d. adriatischm Ccntralpuuftc, 535 lationcn dirigiren konnten. Pola, obwohl es den unvergleichlichsten Haftn in der ganzen Nordhälfte des adria-tischcn Äieercs hatte, war doch zu einem großen Han-delsemporinm unbequem. Es lag anf der äußersten Spitze einer Halbinsel, die man fast eine völlig iso-lirte Insel nennen konnte, und die noch dazn durch wilde schwer gangbare Gebirge von der übrigen Welt abgeschnitten war, während alle die anderen genannten Städte gleich schöne gangbare Ebenen und weit landeinwärts führende Thäler hinter sich batten. Zn einem Entwickelungs- nild Centralpnnkte von Enltnr, Macht und Reichthum war Pola also nichc geeignet. Dagegen war es als Hülfs- nnd Nebenpnnkt eines solchen Centrums von unschätzbarem Werthe. Seine Bai wurde von der Halbinsel Istricn, an der sie hing, gleichsam mitten ins adriatische Meer hinausgetragen und bot sich von alien Seiten als ein rettender Nothhafen und zn-gleich als ein die Passage beobachtender Wächter dar. Als solchen haben sie daher anch alle die verschiedenen am innersten Busen der Adria aufwachsenden Seemächte betrachtet und benntzt, sich frühzeitig bestrebend, den Besitz dieses Nächters und Nothhafens zu gewinnen. Von Aquileja und Navenna können wir dieß historisch nach-weisen. Von dem noch alleren Adria ist es mehr als wahrscheinlich. Die Römer nnd nachher die byzantinischen Exarchen, so lange sie Navcnna besaßen, hatten auch immer Pola im Besitz und behandelten es als die vornehmste Nebenstation für ihre KriegS- und Handelsflotten. Als die Idee, daß ihnen die Herrschaft des adliatischcn Meeres gehöre, in den Venetianern immer lebendiger wnrde, machten dieselben frühzeitig Versuche, 536 Pola ein Zankapfel zwischen Genua und Venedig. sich Polas zu bemächtigen. Ihre feindseligen Rivalen, die Genueser, die sie an der Erlangung dieser Herrschaft verhindern wollten, richteten daher ebenfalls ihr Hauptaugenmerk hauptsächlich auf Pola, das lange Zeit hin-dnrch der Zankapfel zwischen beiden feindseligen Handels-mächten ward. Es wurde mehre Male von den Genuesern dcn Venetianern genommen und von Diesen bieder zurückerobert, uud seine schöne Bai war der Schauplatz einer Reihe von blutigen Seeschlachten, bis endlich die Venetianer dnrchdrangen, Pola behielten und ihm eine ähnliche Stellung in ihrem Staats- und Handelsorganismus anwiesen, wie einst die Ravennaten, Römer und Eralchen in dem ihrigen. Nach Venedigs Untergänge ist dann Pola wieder in ein ganz gleiches Verhältniß zn Triest und Oestreich gekommen, und wunderbarer Weise hat sich hier anch chon, wie bei dem Anfblühen Venedigs, ei»? Alt Kampf mit dem westlichen Genua erneuert, das im Jahre l848 seine drohenden Flotten in die Gewässer von Pola sandte, wo sie seit Jahrhunderten nicht sichtbar gewesen waren. Pola leistet der östreichischen Handels- und Kriegsmarine heutiges Tages dieselben Dienste, wie einst der römischen, nnd wird wahrscheinlich, wenn diese sich noch mehr entwickelt, einmal in vollerem Maße seine uralte Bedeutung als Trabant und Adjutant der Beherrscherin Adrias wiedererlangen. — Man kann sagen, daß das Verhältniß, in welchem Istrien und Pola zn Tricst stehen, ein ganz ähnliches sei, wie das, in welchem die Krim und die ausgezeichneten krim'schen Häfen, namentlich Sewastopol zn Odessa stehen. Sewastopol ist Odessas Kriegs- und Hnlsshafcn und als solcher höchst wichtig. Trieft und Pola — Odessa und Sewastopol. 5I7 Obwohl Odessa selbst keineswegs einen so schönen Hafen hat, so konnte doch Sewastopol eben so wenig die Rolle von Odessa zufallen, wie der Stadt Pola die von Trieft. Sewastopol ist eben so ein Wächter und Beschützer der schwarzen Meereshandelsstraßen, wie Pola dieß in Vezng auf die des adrialischen Meeres ist. Auch lassen die Reize der hübschen Krim einen Vergleich mit denen von Istrien zu. Ein Hauptunterschied aber besteht darin, daß die Rnsscn schon bedeutend mehr für Sewastopol gethan haden, als die Oestreicher für Pola, nnd daß die ersteren überhaupt mit ihren Flotten und mit ihrer Herrschaft auf dem Eurinus viel weiter vorgeschritten sind als die letzteren mit ihrer Flotte und Herrschaft anf der Adria. Hasen und Arsenal. Oestreich schickt sich eben jetzt durch allerlei Arbeiten und Anstalten an, das gesimlcnc Pola wieder zu heben, und um noch einige dieser Anstalten in Pola zu sehen, raffte ich mich endlich ans meinem lieblichen Winlel, in dem resgegend in Pacht genommen hätten. Und doch stehen diese Gewässer Jedem frei, namentlich den Istrianern. „Aber warum benutzt Ihr Istrianer denn das nicht Die EhioMotc». 543 selbsh?" fragte ich einen dcr Landeseinwohner, die wir an Vord hatten, ganz in Verwunderung, daß sie sich einen solchen naheliegenden Vortheil von so entfernt wohnenden Leuten rauben ließen. ,,Ma Signor, non so! I lstriani non hnnno piacere, hanno altre arte" (bie Istrianer mögen es nicht, sie haben andere Künste). Nnn, dachte ich mir im Stillen, diese eure istrianischcn Künste mögen nicht weit her sein. ,,^li p««ci", sagte mir ein anderer dazwischen, der mir das Factum noch weiter erklären wollte, ,,^li p^8l.»toii mwlu)" (die Fische sind nackt, und die Fischer bleiben es auch). Die Sache ist wohl die, daß die Ist-rianer, deren Weiden und Weinberge überall bis dicht an das Meer hinangehen, mehr Hirten und Ackerbauer sind und vielleicht als solche eine Art Verachtung gegen die Fischer haben. Den Chioggioten aber, die auf ihren sandigen Lagunen leben, bleibt allerdings fein anderes Feld zu durchfurchen übrig, als die graue Woge des Meeres. Fast immer segelten unsere Chioggiotcn paarweise bei einander, da sie gewöhnlich große Netze durchs Meer schleppen, von denen die beiden Enden an zwei verschiedenen Schiffen befestigt sind. Wir sahen im Verlaufe des Tages wohl 50 bis 60 solcher Paare hin und wieder. Ein Sturm fegt aber bald das ganze Meer rein. Sie ziehen dann wie die Nautilus ihre Segel ein und eilen in ihre Schlupfwinkel zurück. 544 Die Scoglien an ber isirischen Küste. 9. Untergegangene Nete. In der Nähe von Rovigno häuften sich wieder die Inseln, und cm die Stelle der Aussicht auf die Schiffe trat die anf Inseln. Wo ein Haufen von Insel» ist, da ist auch fast immer eine Vucht, ein Hafen und eine Stadt. Natürlich! denn die Inseln bilden selbst schon für sich schützende Hasen und geben so Anlas; zu einer Stadtan-lage hinter sich. Und dann mag auch die Zertrümmerung des Landes in Inselbrocken und das Eindringen der Gewässer in eine Bucht meistens von einem und demselben veranlassenden Ereignisse herrühren. Mau hat daher anch mit Necht die Inselgruppen an der istrischen und dalmatischen Küste recht oft nach den Städten, mit deren Leben und Eristen; sie zusammenhängen, genannt. Die kleinen Scoglien an der istrischen Küste sind viel hübscher als die an der dalmatischen. Das Modell und der Grundtypus für die mittelkleinen unter ihnen kann man sich in der Regel so denken. Zunächst rings herum ein nackter, zerklüfteter, kahler Felsenrand, an dein die Meeresfiuthen hinauflecken und wo so weit, als sie reichen, nichts wächst. Alsdann daranf der Hauptrücken überall mit Gebüsch, bei den größeren mit Olivenhainen und Bäumen bewachsen, und in der Mitte der Pyramide, aus diesen Bäumen hervorragend und auf der Höhe des Ganzen thronend, eine Kirche oder eine alte malerische Nuiue. Das Dampfschiff nimmt seinen Weg nahe bei der Insel San Andrea vorbei. Es ist ein hübsches, wohl belaubtes Fleckchen Landes mit Kirche, Dorf und Villa, San Giovanni in polago. 545 deren Besitzer eben, als wir vorübcrfnhrcn, mit seinem Persvectiv vom Belvedere seines Hauses ans uns Passagiere hinabblickte. Es soll ein deutscher Kaufmann sein, der diese Insel mit Allem, was darauf steht, und allen benachbarten kleineren Ecoglien um 60W Gulden gekauft hat, um hier Oelbäume zu pflanzen, auf den von ihm abhängenden Scoglicn zu jagen und zu fischen, mit einem Worte auf San Andrea ein Leben wie Diocletian bei Spalato zu führen, was ich Alles nur anführe, damit man sehe, daß diese Küsten noch immer wie zu Diocletians, zu Rasparasanus uud König Salomos Zeiten von einzelnen aus den Lebensstrudeln sich zurückziehenden Ginsiedlern aufgesucht werden. Noch viel interessanter als San Andrea ist eine andere unbewohnte Scoglie, die wir weiter in's Meer hinaus liegen sahen. Auf ihr steht jetzt nur ein einsames Kirchlein, ,,8»ri Giovanni in pl^li^o" (St. Iobann im Meere) genannt. Aber nach der allgemeinen Sage des Volks um Rovigno sott diese Scoglie früher viel größer gewesen sein und das alte Rovigno auf ihr gelegen haben. Ein bejahrter sehr erfahrener Steuermann des Lloyd, mit dem ich darüber sprach, sagte mir, dieß sei ganz wahr, „Nnbino" habe sicherlich da gelegen. Er habe selbst dort einmal in seiner Jugend gefischt. Sie hätten geglaubt, einen großen Fang zu thun. Als sie aber das Netz heraufgebracht, habe ein Stück von einem alten hübsch gemeißelten marmornen Fensterrahmen im Netze gesteckt. Ein Anderer erzählte mir Aehn-liches und sehte hinzu, daß es bei allen Küstenbcwohnern der Gegend etwas ganz Bekanntes und Gewöhnliches Kohl, Ncisc in D>i!maticn. >l. >^ 546 V;il di mnsoliio. sei, daß man bei San Giovanni Fensterrahmen, Töpfe und andere bearbeitete Stcintrümmer und Gegenstände fische. Auch wäre den Fischern diese Stelle wohl bekannt und sie vermieden dieselbe, weil ihre Netze oft an den unterirdischen Bauwerken und Mauertrümmern hängen blieben nnd zuweilen Schaden nähmen. Vielleicht hängt auch der Name einer anderen benachbarten Ecoglie nnd Mcerge-gend, welche ,,V.->I ^i mu8ol,io" (das Moosthal) heißt, mit dieser untergegangenen Stadt znsammen. So hätte ich denn mit ziemlicher Bestimmtheit wenigstens zwei Punkte aufgefnnden, an denen ein solches Hinabtanchen früherer Oberflächen unter das Meer stattgehabt hat: Paren^o und Novigno. In Pola, wo ich, wie erwähnt, auch nachfragte, wollte man gar nichts von einem solchen Umsichgreifen des Meeres wissen. Im Gegentheil zeigte man mir dort einige Stellen, wo das ^and durch Verschlammung seit der Römerzeit in's Meer hinaus vorgedrungen sei. Wenn ich die ^eute, die Fischer, die Steuerleute, die Schiffs-Cavitaine und andere Küstenbewohner über die Ursache dieser Erscheinnng des Untergangs der Städte befragte, so deuteten sie gewöhnlich auf ein Erdbeben hin, der die Orte zerstört und in's Meer versenkt habe. An ein allgemeines und constantcs Sinken der Küste von Istrien wollten sie nicht glauben. Nnr theilweise sei dieselbe hie und da zerstört. Das Ucbrige stäude Alles seit ewigen Zeiten fest. Wenn man übrigens, was ich uicht entscheiden will, ein in historischer Heit stattgehabtes uud jeht noch fortschreitendes Absinken der Küste von Istricn nicht annehmen darf, so fragt es sich doch noch, ob ein solches Die Strandll,'sigkcit dcr istrifchen Scoglim. 547 Untertauchen eines ganzen großen Küstenstrichs, welcher jetzt bloß in seinen höchsten Gipfeln, eben in jener Scoglien-Reihe, ans dem Meere hcrvortancht, nicht in vorhistorischer Ieit, wenngleich in cincr für unsere Erdrindengestaltung sehr spaten Periode stattgehabt habe. In dieser Beziehung scheint mir die Bemerkung wichtig, daß alle die istrischcn Ecoglicn beinahe gar keinen flachen Strand um sich herum haben, vielmehr alle unmittelbar wie halb unter Wasser gttauäuc Hügel aus dem Meere hervorsteigen. Wenn man annehmen wollte, daß das Meer viele Tausende von Jahren immer in demselben Niveau diese Inseln bespült hatte, so müßte doch nothwendig bei dem vielen in der Brandung abgespülten Material allmälig ein solcher flacher Strand entstanden sein. Er ist aber nie oder sehr selten vorhanden, obwohl die Abdachnngswinkcl der Inselhöhen sehr allmälig sich abwärts neigen. Und eben diese Strand-losigkeit, sage ich, scheint dafür zu sprechen, daß die besagten Hügel erst später, wenngleich vielleicht noch vor der historischen Ieit hinabgetaucht sind. 10. Rovigno. Novigno hat 12,000 Einwohner und ist daher die bevölkertste Stadt in Istrien. Es ist auch überhaupt längs der ganzen Ostküstc des adriatischen und ionischen Meeres auf 200 Meilen Länge heutiges Tages kein Ort zu finden, der mehr Einwohner hätte als Rovigno. Von ^5* 5^8 Piinw. hier ans findet die Hauptansfuhr der istrianischen Products nach Venedig, Ravenna und Ancona statt. Obwohl in den Napoleonische» Kriegen dic Engländer den Rovignesen 200 Barken zerstört haben, so haben sich die i!cute jetzt doch längst von diesem Schiffbruch ihrer vornehmsten Habe besser erholt, als die Raguser von einem ähnlichen Schicksale, das sie in denselben Kriegen und Zeitläusen von den Russen erlitten. Wie man in Frankreich in nenerer Zeit davon gesprochen hat, das Centrum und den Sitz des Gouvernements aus Paris nach einer Provinzialstadt zu verlegen, — wie man dort wirklich die alten Centralpnnkte gewisser Provinzen verrückt hat, — wie man in Rußland eigentlich immer die Frage bespricht, daß nicht Petersburg, sondern Moskau die Residenz des Zaaren und des Senats sein müsse, — wie man auch in Dalmatien die Hauptbehörde und die Negierungsorganc der Provinz von Zara nach Spalato hat verlegen wollen, — so ist auch in Istrien die Idee ausgetaucht, daß nicht in Pi-sino (Mitterburg), sondern an einem der Küstenorte die Hauptstadt deS Bandes Istricn sirirt werden müsse. Pi-sino ist ein kleiner, höchst unbedeutender Ort. Er hat nach mathematischer Ausmessung zwar, nicht aber, wenn man commerciellc Bequemlichkeit maßgebend sein läßt, eine centralc Lage. Das Hauptledcn Istriens ist, wie lch oben zeigte, am Meere, und die Bevölkerung circulirt und bewegt sich beständig an der Küste herum. Pisino liegt im Innern von Istrien, wo, wie die Küstenbewohner sagen, Alles bl-utto*) ist, mitten in dem Theile der *) ,,1'utts) il mtl^mro äolllj n«8l!',i Iljli-i» L dl-utto", wiedel-holten mir die italienifirtlM Küstenbcwohncr oft genug. Der Streit um die Hauptstadt. 54g Halbinsel, welche sie auch spottweise „l.n ^loiln^ii»^ (die Morlachei) nennen. In alten Zeiten ist die Hauptstadt hier im Innern nie gewesen, vielmehr war sie über 20l)l) Jahre lang an der Küste, vor und unter den Römern in Pola, unter den Vcnetianern in s^o lN^li-ii,. Sie ist nnr deßhalb nach Pisino gekommen oder vielmehr dort geblieben, weil daselbst der Mittelpunkt des alten kleinen, längst schon östreichischen Istriens war, und weil später sich das vcnetianischc Küstenland durch Eroberung an dieses ansetzte und von da aus organisirt wurde. Als, wie gesagt, in neuerer Zeit der Streit um die Hauptstadt entstand, waren alle Küstenstädte darin einig, daß Pisino es nicht sein und bleiben dürfe. Aber (^w ä'l^lli., wollte nun den goldenen (5'risapfcl fangen und machte es geltend, daß es bis in die neuesleu Zeiten herab, zur vmetianischeu Periode, der Vorort, gewesen sei. Pola seufze und dachte an seinen alten Ruhm nud an seinen schönen Hafen. Aber die Ro-vignesen behaupteten, ihrer Stadt gebühre der erste Preis. Dcun erstlich sei Rovigiw der bei Weitem größte -Ort und liege noch dazu recht im Centrum der volkreichsten Gegend von ganz Istrien. Hier sei ein großer Markt, zn dem alle Istriancr ohncdieß schon oft des Handels wegen hergeführt würden, daher sie denn bei dieser Gelegenheit bequem ihre Abgaben au die Eentralbchörde berichtigen und vor dem Obergcrichte ihr Necht uchmeu könnten. Aber auch in Bezug auf ganz Istrieu und namentlich ans die dazu gehörigen Inseln Veglici, Chcrso ?c. liege Rovigno viel mttraler, als diesi auf den ersten Blick erscheine. Die ganze Bevölkerung dieser Inseln, so wie auch die der istrischcn Küsten selbst, 55l) Die Kathedrale von Novigno. woge nämlich beständig auf dem Meere, und es sei ihr rin Leichtes, in öffentlichen und Rcgiernngsgeschäften nach Novigno zu kommen. Dagegen wäre cs ihneil sehr schwer, nach Pisino zn gelangen, weil sie erst zu Schiffe einen Hafen an dcr Ostküste aufsuchen und dann zn Lande weiter reisen müßten. — Ich mnß gestehen, hätte ich diesen Streit zu entscheiden, so würden mir die Gründe von Noviguo am meisten einleuchten, und ich würde dieser Stadt die Sicgespalme geben und sie.' alle istrischen Haupt-Vcrwaltungs-Tintenfässer und Gänsefedern mit den dazu gehörigen „Scrittori" und Kanzcllistcn im Triumphe einholen lassen. Bei Sonnenuntergang stieg ich ;u dem schönen Dnomo von Novigno hinauf, der auf der erhabensten Stelle der Stadt eine lwchst reibende und dominirenve Position einnimmt. Auf der breiten Terrasse vor diesem Gebäude bietet sich eine weite Aussicht dar, über die Hase» zu beiden Seiten der Halbinsel dcr Stadt, über die belanbten Hügel der (u«mpiigng <.N kovigua im Innern, über die duschigen Inseln mit Kirchen und alten Ruinen, zwischen denen Schiffchen erscheinen und verschwinden, uud endlich bis zur Sonne hin, die in dein duftigen Spiegel der Adria hinabtanchte. Die Kathedrale selbst ist ein wahres Prachtgebäude mit großen Nänmcn und Schlffen, voll schöner Marmor-Sanlen und Altäre. „Trieste, sagen die Rovignesen, „hat etwas Aehnliches nicht auszuweisen". Und ich glaube, su' haben Recht. Die Kirche ist dcr 8:mln ^uloimu geweiht, und eine colossale schöne Bronze-Statue dieler Haupt-Heiligen von Rovigno steht auf der Spitzc des hohen Thurmes dcr Kathedrale, ihre Attribute, ein Nad Bronzcstatueil als Wetterfahnen. 551 und einen Palmenzweig, in der Hand. Diese Statue ist hier oben beweglich befestigt, so daß sie sich aus einer Scheibe rings herumdreht, wahrscheinlich in der Weise, wie wir auch wohl Marmorstatuen sich auf ihrem Postamente drehen lassen, um sie von alleil Seiten beschauen yt können. Leider hade ich die Novignesische Vorrichtung nicht gesehen. Sie muß ziemlich künstlich sein, um em so schweres Gewicht, wie es eine colossale Bronzestatue gicht, sich geläusig im Winde drehen zu lassen. Es ist die prachtvollste Windfahne, die ich je gesehen habe. Das bronzene Palmeilblatt dient dabei als Windzeigcr uud Lufttuder. Ich erfuhr bei dieser Gelegenheit, daß auch die eben so colossale Bron^estatue des heiligen Georg auf dcm Kathcdralenthurme von Pirauo sich auf dieselbe Weise im Wiude dreht, und ich glaube, es giebt nock «lehr solche Windfahnen in Istrien. Es ist eine e,gene, in ihrer Art fast großartig zu nennende Erfindung der istrianischrn Städte. Im Innere», der Kirche hat die heilige Cuphemia einen prachtvoll geschmückten Altar, und dabei erzählen die Leute vo» ihr folgende Wnudcrgeschichte, die ich so wiedergebe, wie sie mir ein aus Roviguo gebürtiger Nostromo unseres Dampfschiffs vortrug: Die schöne und fromme Euvhemia war die Tochter eines barbarischen heidnischen Vaters. Wo? das läßt die Geschichte ungesagt. Sie verabscheute in ihrem Gemüthe den Götzendienst, und von der Lieblichkeit der christlichen Lehre angezogen, wollte sie Christin werden, und sie wurde es. Der Vater, darüber erbittert, fing nun an sciue Tochter zu hassen uud auf alle erdenkliche Weise zu quälen. Ja, er wollte sie gauz aus der Nrlt schaffen. Zuerst brachte er sie in 552 Wultdergeschichte der heiligen Euphemia. eincn Wald voll wilder Thiere, welche sie zerreißen sollten; aber siehe da, es kamen zwei Löwen zu ihr und legten sich ihr zur Seite und bewachten sie, so daß ihr nichts geschah. Der harte Vater, der nachsehen wollte, ob sie todt sei, fand sie zu seinein Aerger eines schönen Morgens neben ihren Löwen sitzend und fromme Lieder singend. Zornig ergriff er sie und schleppte sie in eine Mühll, warf sie zwischen die Nädcr und dachte sie so zu vertilgen. Die Räder zerrissen zwar ihren schönen Körperbau, allein so wie die Glieder vorn einzeln zum Vorschein kamen, sehten sie sich, wie durch Zauber aneinander gefugt, wieder zusammen, und die Heilige stand von Neuem unversehrt da. Darauf machte der ganz wahnsinnige Vater ein großes Feuer an und warf seine Tochter hinein, damit sie verbrenne, und in der That er hatte die Freude, sein frommes Kind zu Asche und Kohle verwandelt zu sehen. Ader diese böllische Freude dauerte nicht lauge, denn kaum war das Feuer ausgebraunt, so regte eS sich in der Asche auf der Vrandstätte, und Euphemia ging, ganz wie Pamino in der Sage von der Zaubcrstöte, unversehrt und lächelnd auch auS der Lobe hervor. — Nun, dachte der Vater, mag dich das Feuer nicht, so verschlingt dich vielleicht das Wasser, oder die Wogen und Stürme entführen dich und befreien mich von dieser heillosen Zauberin. Er legte sie darauf in einen steinerneu Sarg, um sie in die Tiefe des Meeres zu versenken; aber der Sarg schwamm wie ein Traba-colo auf dem Wasser. Euphemia sehnte sich nnn aber nach Ruhe uud kehrte nicht zu ihrem Vater zurück. Sie erbat sich eiuen hübschen Wind und steuerte durch das mittcländische, ionische uud adriatische Meer nach Istrien. Wunbergeschichte der heiligen Euphemia. 553 Hier landete sie in der Nähe von Rovigno — vielleicht halle sie schon von Ansang herein im Einne, diesen hübschen Küstenort Istricns zn ihrer christlichen Ruhestätte zu wählen, — bei einer Nferhervorragung, die noch heutiges Tages ihrcn Namen trägt. Daselbst fand sie eine Felsenhöhle, und in diese schob sich ihr Sarg hinein, wie eine Barke in ihrcn Hafen. DaS Volk von Rovigno, das bald von dem Wunder hörte, kam heransgelansen nnd wollte die Heilige mit dem steinernen Sarge in die Stadt schaffen ; die Männer spannten sechs, zehn, zwölf große Ochsen vor, aber der Sarg rührte sich nicht, man konnte ihn nicht von der Stelle bringen. Sie wollten schon verzweifeln, da trat ein kleiner, hübscher, muthigcr und unschuldiger Knabe, der, weil er arm war, nur zwei kleine und magere Kühe hatte, hervor »md sagte, er wolle sein Heil versuchen. Weil er so keck that, wie David vor dem Niesen Goliath, so waren die Leute gcinz verdutzt und ließen ihn gewähren. Er spannte seine mageren Kühe an, und siehe da, der Sarg rutschte so leicht dahin, wie ein Schlitten auf glattem Eise. Der Kleine hatte nicht einmal nöthig, seine Peitsche zu gebrauchen. Unter dem Triumphgeschrci und nnter den Lobsprüchen des Volks führte er den Sarg mit der Heiligen auf den Berg hinauf, auf dem schou damals die eben fertig gewordene Kirche stand, die aber noch keinen Heiligen hatte, weil man nicht wußte, wen mau dazu nehmen sollte, und die man nun dieser von Gott gesandten heiligen Euphemia zu widmen beschloß. Auch die arme bettelhaft angezogene Mutter des Knaben folgte unter vielen Thräne» der Rührung dem Zuge uach. Dieser kam glücklich auf den Berg hinauf. 554 Nundergeschichte dor heiligen Euphemia. Oben augelangt aber geriech der junge Fährmann im Gedränge nnter den noch etwas fortschleifenden Sarg, wnrde dabei völlig zerquetscht und gab, wie jene beiden griechischen Heldensöhne, welche die Priesterin, ihre Mnttcr, selbst zum Tempel zogen, seinen Geist auf. Da weinte die arme Mutter noch mehr und schrie: ,,() 8nnU», s« un inii-aoulo!" (O Heilige, thue ein Wunder!). Sie dachte, die Heilige sollte ihr Kind wieder lebendig machen, aber diese erschien ihr und sagte, sie möge sich beruhigen, ihr Sohn sei in der Ausübung eines frommen Werkes gestorben und dafür ein Engel geworden*). Ungeachtet dieses Unfalls wollten doch die No-vignesen die heilige Euphemia sogleich in ihre Kirche schaffen; aber siehe da, diese war wieder unbeweglich geworden, sie hatte ihre eigenen Gedanken, wie so viele andere Heilige, die zu der Entstehung des Sprüchworts: „ein wunderlicher Heiliger!" Anlaß gegeben haben mögen. Die Leute wußten erst gar nicht, was es war. Endlich fiel ihnen eiu, daß unter dem vielen Volke, welches von allen Seiten her auf dem Platze und iu der Kirche zusammengelaufen war, sich auch sehr viele Fremde befänden, Leute, die keine Kinder und Bürger des Orts waren. „Gewiß," dachteu sie, „will Euphemia bloß uns liuserwählten Novignesen angehören." Und sie trieben nun sogleich alle Fremden aus der Kirche fort. Und wirklich, sie hatten das Reckte getroffen! Die Heilige *) Neber diesen Punkt varnreu meine Autoritäten; denn Giner erzählte mir, die Heilige habe sich wirtlich erbitten lassen und den Sohn wieder lebendig gemacht. Ick) folge der poetischeren und schönere« Version. Pfahlbürgersinn der istrisch^n Städte. 555 ließ sich NUN wie eill Lamm führen nnd wanderte ill die Kirche ein. Man setzte ihren Sarg, an welchem noch beutiges Tages die Bilder dcr sie im Walde bewachenden treuen Löwen in Stein ausgehauen zn sehen sind, auf den Hanptaltar nieder, nnd darüber auf der Thurmspihe errichtete man jene bronzene Bildsäule, die gleichsam zum Himmel emporzustreben scheint, und deren Bewegungen den Noviguesen, welche lauter Handelsleute und Schiffer sind, die Richtung des Wiudes und daunt die Wendung, welche ihre Geschäfte nehmen, anzeigt. Ich überlasse es dem Leser, alle die lehrreicheu nnd zum Theil bedeutungsvolleu Winke, welche in dieser einfachen Geschichte zn entdecken sind, herauszufinden nnd namentlich dabei anch die Vertreibung der Fremden nicht unbeachtet zu lassen, welche beweist, wie eingefleischt der Pfahlbürgersinn ist, welcher diese istrischeu Städte eben so wie die italienischen Bürgerschaften b> seelt. Daß überhaupt Novigno ganz italienische und namentlich venetianischc Sitten und Gebräuche hat, hatte i.h wieder am Abend zn bemerken Gelegenheit gcuug, wo man mich zu einer kleinen Tombola cmf dem Casino einzuladen die Güte hatte. — Ich hatte oft von diesem geselligen Vergnügen der Italiener gehött, aber nie einer Tombola beigewohnt. Auch konnte ich nicht begreifen, wie eine Gesellschaft erwachsener Menschen für dieses Spiel, das man bei uns nur in der Kinderstube fiudtt uud dort Lotto nennt, lebhaft amüsircn können. Hier lernte ich eS. Ich fand auf dem Casino dcr Stadt eine Menge Herren und Damen mit ihren Kindern nnd Verwandten versammelt. Nachdem die Gesellschaft ziemlich 556 Eine Tombola. vollzählig geworden, ! fetzten sicb die Directoren an den Präsidententisch. Jeder kaufte sich bei ihnen ein paar bezifferte Karten zn einem halben Gulden das Stück-Aus dem gelösten Gelde wurden die Prämien für die Terne, Quaternc u. s. w. bestimmt; nun gruppirtc sich Alles, Inng und Alt, an den Tischen der verschiedenen Zimmer und pointirte in gespannter Erwartung die laut von den Directorcn ausgerufenen Ziffern. Die letzteren controlirten diese Ziffern, und wenn Einer seine „Ambe" oder „Terne" verkündete, und seine Angabe richtig befunden wurde, so erhielt er seinen Gewinnst ausgezahlt. Die Spannung nun, die sich über die Gesellschaft verbreitet, wenn eine neue Zahl fommt, die kleinen Eifersüchteleien über den begünstigten Nachbar, die Gefälligkeiten, welche man den hübschen Damen erweist, wenn sie eine Zahl zu pointircn vergessen, die Frende und die Gratulationen, welche man äußert, wenn eine Donna, bei der man in Gunst zu kommen wünscht, gewinnt, — dieß Alles, dieß ganze ,,t»<5il,LM(ml,", wie die Engländer sagen, das ist die Pointe bei dieser Unterhaltung. Wer zuletzt den Hauptgewinn erlangt, ruft! ,/l'mnl»oI:>!" und zieht nun die Blicke Aller, die ihr Mißgeschick beseufzen oder sich über seinen Gewinn freuen, auf sich. „lomdoli^ heißt im Italienischen ungefähr so viel als Purzelbaum, und ich weiß nicht, ob das Spiel seinen Namen davon hat, daß beim Erscheinen der Tombola gleichsam in Gedanken sich Alle auf den Kopf stellen nnd entweder vor Freude oder aus Desperation Purzelbäume schlagen. Einige sagten mir, das Spiel hieße Tombola, weil die gezogenen Nnmmern dabei in einem Glücksrade „taumelten" (von wmdolm'l!). Großartige To ml'»las. 557 Die Tombola soll zuerst in Genua erfunden, dann aber auch vom venctiauischen Senate als ein unschuldiges oder wenigstens politisch unschädliches Volksvergnügen adoptitt und begünstigt worden sein. Von Venedig aus verbreitete sie sich als gesellige Unterhaltung in allen Städten des Gebiets der Republik. Zuweilen werden in den norditalienischen Städten sehr großartige Tombolas veranstaltet. Diese werden dann aus öffentlichen Platzen, in Venedig auf dem Mareilsplatze abgehalten. Dabei werden für die Spieldirettoren und Controleure große Gerüste auf dem Platze errichtet. Die gezogenen Nummern erscheinen, um alle Irrungen zu verhüten, an langen Stangen, wo man sie auS weiter Ferne sehen kann. Da aber hiczu in den Städten oft Tausende von Menschen zusammenströmen, welche pointirend die Plätze und die Straßen umher weit nnd breit erfüllen, so gehen außerdem von der Haupttribüne langc Reihen von telegra-phirenden Ausschreiern aus, welche die an der Stange erscheinende und zugleich ausgerufene Zahl wiederholen nnd von Straße zu Straße bringen. Sie sind so gestellt, daß ihre Kette sich au einem anderen Puultc wieder an die Directoren anschließt, an die dann die Zahl zurückkommt. Hatte man zum Beispiel „s,uw nn), u. s. w. Slavisch wird in der Stadt gar nicht gesprochen und von den meisten auch uicht verstanden. Die Bauern und geringen Lente der Umgegend haben bei Novigno wie überall in Istrien so viel Italienisch gelernt, als bei dem Verkehre mit den Stadtbürgern nöthig ist. Die Italiener haben in der Reget uicht viel Lust, die Sprache des Landes, das sie beherrschen, zu lernen, anders als die Deutschen in slavischen Gegenden, die meistens mit ihren Bauern und Istrien und dt'r östreichische Z>,'llverband. 559 dem Volke slavisch, lettisch, esthnisch, polnisch, böhmisch reden und ihre deutsche Sprache bloß für sich gebrauchen. Auch vor den Gerichten, kleinen wie großen, wird hier überall italienisch verhandelt, selbst in dem alten östreichischen Istrien. Doch hätten die Roviguesen gern ein italienisches Gymnasium, was ein sehr billiger Wunsch zu sein scheint. Denn jetzt hat diese Stadt von l 2,000 Einwohnern nur eine italienische Normalschule, und überhaupt befiudet sich in ganz Istrien kein italienisches Gymnasium. In Pisino (Mitterburg) aber ist ein deutsches Gymnasium. Von welchen Schülern dieses besucht werden mag, weiß ich nicht. Gerade als ich bei ihnen war, waren die Gemüther der guten Istrianer und vorzüglich der Novignesen ganz besonders durch die Frage über die östreichischen Mauth-bestimmungeu in Bczng auf Istrieu bewegt. Bisher war ganz Istrien in den meisten Hinsichten Freihafen gewesen, die ostreichische Manthlinic lief im Norden des Landes über die Höhen der Gebirge. Jetzt aber, wo der Stadt Venedig das ?orl,o O.mco entzogen war, wo in ganz Oestreich auf Gleichmachung gedrungen wnrde, wo die Fabrikanten des Innern sogar das Frcihafcnpnvilegium von Trieft bestürmten, sollte wenigstens vor allen Dingen ganz Istrien mit in die Zolllinie eingeschlossen werden. Die Ansichten über die Folgen und wohlthätigen oder nachtheiligcn Wirkungen dieser in Aussicht stehenden Maßregel waren sehr verschieden. Einige östreichische Herren sagten mir, sie sei nicht bloß ganz natürlich nothwendig und den Verhältnissen der benachbarten Provinzen entsprechend, son-deru auch für das ^and Istrien selbst von großem Vortheile. Visher hätten die Istrianer ihre Landesproducte, 569 Istrien und der östreichische Zollverbanb. ihre Weine, ihre Oele u. s. w. nur in die Freihäfen von Trieft und Venedig verführen können, weil sie als Frei-häfler in Oestreich natürlich wie Ausländer behandelt worden wären und an der östreichischen Manthgränze einen Zoll dafür bätten erlegen müssen. In Zuknnft wenn diese Gränze wegsiele, würden sie einen großen Markt gewinnen und ihre Ocle, Weine u. s. w. in ganz Oestreich frei verführen können. Dieß würde sie hinreichend dafür entschädigen, daß sic in Zukunft die eingeführten Getreideladnngen und Manufacturen in den Häfen deö Zolls wegen etwas theuerer bezahlen müßten. Dagegen aber waren die Istrianer selbst anderer Ansicht und klagten schon iin Voraus sehr darüber, daß man ihrem „povera p^so" noch eine neue Last auflegen wolle. Unser Land, sagten sie, wird rniuirt sein, wenn man uns in den Zolleordon aufnimmt. Denn wir vro-ducircn ungefähr nur ein Drittel von dem Getreide, welches wir zur Vrnährnng unserer Bevölkerung nöthig haben, und werden die übrigen zwei Drittel, dic wir aus dem Auslande beziehen, künftig viel theuerer bezahlen müssen. Unser Hauptverkehr ist gar nicht mit dem Innern von Oestreich, sondern mit Triest, Venedig, Ravenna und den anderen Häfen ringsherum. Dahin verführen wir unsere billigen Weine, an welche dort seit ewigen Zeiten die Masse des Volks sehr gewöhnt ist. Im Innern von Oestreich sind unsere schwarzen Weine gar nicht bekannt und auch nicht beliebt, und sie werden mit den steirischen und krainerischen Weinen in keine Concurrenz treten können, insbesondere auch deßwegen, weil der Ueberland-TranS-port sie ungemcin vcrtheuern würde. Von Rovigno bis Triest kostet die Fracht zu Wasser für den Centner etwa Istnen und dcr östreichische Zollvriband. 561 fünf Kreuzer. Zu Lande würde sie für eine nicht viel größere Strecke wohl einen Gulden betragen. Eben zu jenen Häfen geben auch unsere Oele, die in den Seifenfabriken und Kuchen dieser Orte gebraucht werden. Daß Venedig, weil es sein Freibafenvrivilegium verloren hat, von uns abgeschnitten ist, ist ein harter Schlag für uns. Dieser Schlag würde zwar parirt werden, wenn wir auch mit Venedig in den östreichischen Zollverband träten. Dagegen würde eine Trennung von dem mit uns so verschwisterten Trieft gar nicht zu überwinden sein. Dort konnten wir bisher alle unsere Manufakturen und auswärtigen Bedürfnisse billig kaufen, die wir iu Zukunft auf sehr entlegenen Märkten im Innern von Oestreich suchen müßten, oder die wir, was fast eben so schlimm ist, wahrscheinlich von Trieft und anderswoher hereinschmuggeln würden. — Unsere Küsten sind für Mauthbeamte sehr schwer und sogar mit Aufwendung vieler Kosten nicht streng zu bewachen, Weil sie sehr ausgedehnt sind und viele Häfen haben. Ja das ganze Land ist so zu sagen Hafen. Man kann überall anlanden, aussteigen und ausschiffen. Was wird geschehen, wenn man uns in den Zollcordon zieht? Alle ehrlichen Kaufleute werden entweder Banquerott machen müssen, oder, um zu eristiren, sich in Schmuggler und Betrüger verwandeln. Eine neue Classe von unreellen Kaufleuten wird aufkommen und an die Stelle der bisherigen ehrlichen treten. Die Maßregel, wenn sie zur Ausführung kommen sollte, wird gar nichts weiter nützen. Sie wird die Einnahmen der Staatscasse nicht erhöhen, sie wird nur den bisherigen Kaufmannsstand Kohl. Reise in Dawaticn. „. 36 562 Dampf-Getreidemühle. ruinireu und die Handelsverhältnisse des Landes verwirren. — Eben weil unsere Küsten so bunt gestaltet, aller Welt so leicht zugänglich waren und der Schmuggel so schwer verhindert werden konnte, ließ man uns bisher aus dem Zollverbande heraus, und nun, da dieselben Gründe noch immer bestehen, soll das Gegentheil mit uns vorgenommen werden. Wie wird unser „povero pmzso" das ertragen? Allerdings weiß man von Seiten der anderen Ansicht auch ans diese Einwürfe etwas zu entgegnen. Doch will ich diese Sache nicht weiter verfolgen, mich auch keineswegs, was ich gar nicht vermag, für oder wider aussprcchcn, vielmehr jene Pro und Contra dem Leser nur zum eigenen weiteren Nachdenken und Erforschen vorlegen. In Rovigno befindet sich eine mit Dampf betriebene Getreidemühle. Es ist die einzige Dampfmaschine in ganz Istrien und überhaupt mit Ausnahme von Trieft und Fiume auf der ganzen Ostküste des adriatischen Meeres. Ich besah mir am folgende» Morgen dieses Unicum, das mit fünf Pferdekraft arbeitet. Es war ein recht hübsches Etablissement, das aber jetzt seit der Verstopfung der freien Einfuhr nach Venedig leider etwas stockte, denn es war auf den Mehlhandel mit Venedig berechnet. Jetzt arbeitete dasselbe für die istrischen Landleute, bei denen sonst gewöhnlich ,,l« 6mm«" (die Weiber) Alles mit ihren kleinen Handmühlen mahlen. Wassermühlen giebt es in Istrien nur am Quieto eine kleine Gruppe, dann eine eben solche bei Fianona auf der Ostseite, und im Innern des Landes einige Pferdemüblen. Die Cisterne des Francicicanerkloster«?. 563 Was diese nicht klein bringen, das müssen die „äonno" zermablen. Schlimmer noch als mit dem Mchle ist man in diesem südlichen Theile von Istrien mit dem Wasser daran. Denn der Boden des Landes besteht aus eben solchen Kreide- oder Kalkgebirgen wie der Karst, die in allen Richtungen durchlöchert und unterhöhlt sind und daher das Wasser nirgends sammeln. Der Regen sinkt darin überall wie durch übereinander gestellte Siebe nieder und fließt, nachdem er die untersten Köcher ausgefüllt, im Niveau des Meeres ab. Nirgends bilden sich Quellen, und wcder Rovigno, noch Cittanuovo, noch Parcnzo haben Brunnen. Sie müssen sich durchweg mit Cisterncn behelfen. Gne der beßten Cistcrncn in Rovigno ist die des dortigen Franziscanerklosters, welches ich unter der Leitung eines gefälligen Einwohners der Stadt besuchte. Seine Cisterne hält nicht weniger als 6000 Nm-ili (Eimer) Wasser und kann daher in der Noth der Stadt eine Zeit lang aushelfen. Auch bei Trieft und in allen Städten des Karsts hat man dieselbe Wassernoth. Aber mitten durch Istrien, von Pirano und (^n <1' i5trw aus in südwestlicher Richtung, erstreckt sich eine acht Meilen lange und nicht ganz drei Meilen breite, 'l'n85c!W genannte Saudstcinbildung, die nicht wie jener Kalk durchhöhlt und an Quellen und Brunnen sehr reich ist. 36* 584 Durchsichtigkeit des Meeres. Die Nlpen am Golf von Trieft. Ich glaube, baß ein Reisender,' der immer weiter und weiter in der Welt zu kommen strebt, kein besonderer Liebhaber vom Recapituliren eines und desselben Weges ist. Daß dieß aber von Rovigno aus bis Trieft mein Schicksal war, beklagte ich nicht. Denn eine solche hübsche Fahrt repetirt man ohne Widerwillen, so wie man die buchstäbliche Wiederkehr eines Homerischen Verses mit Freuden begrüßt. Mit Behagen sah ich noch einmal am anderen Tage, der eben so sonnig und lieblich wie die vorigen war, die fischenden Chiggioten, die sich aber und abermals unseren Blicken darboten, die grünen Ufer zwischen Novigno und Parenzo, ließ mir eine Rückkehr zu diesem Orte noch einmal gefallen, in dessen Bucht das Meer so ruhig und durchsichtig war, daß ich sechs Klaftern tief neben dem ankernden Schiffe Alles ganz genau auf dem Boden erkennen konnte. Längs unserer Ankerkette zählte ich siebzig Ringe abwärts, sah den Anker tief im Grunde stecken, entdeckte mehre bearbeitete Mauerblöcke, Steinplatten und Topfscherben, von denen ich es mir aber nicht ganz klar machen konnte, ob es antike seien. — Herrlich wäre jetzt die Gelegenheit znr Erforschung des mit römischen Rui-uen bedeckten Seegrnndcs weit und breit gewesen. — Doch war uns die Zeit zu knapp gemessen, und was ich früher gesehen, war mir in meiner Weise genügend. — Auch um die Spitze vor dem Leuchtthurme von Salvore segelte ich gerne noch einmal herum, wo wir wieder in jenes Die adriatifchcil Fischer unb die Spiheu der Alpen. 565 breite vom Meer erfüllte Alpenthal einfuhren und die jütische und carnische Bergkette so wie die Höhen des Karsts vor uns auftauchen sahen. Merkwürdig ist es mir, wie wenig bekannt hier bei den Leuten die Namen der höheren, aber entfernteren Berge sind. Ich hätte gern die Spitze des „Terglou." oder die des großen „Venedigcrs" oder die der anderen mächtigen Höhen, von dcnen aus man das adriatische Meer erblicken kann, nnd die folglich auch uns hier sichtbar sein mußten, mir bezeichnen lassen. Niemand kannte sie, Niemand schien sich um sie zu bekümmern, obgleich sie doch so deutlich gezeichnet da lagen. Sie waren hier, so zu sagen, eine förmliche Il'i-i-n ineo^niu». Selbst die erfahrensten Schiffskllte wußten nichts davon. Diese entfernten Berge, obgleich sie das adriatische Meer wie eine nahe Mauer zu umstehen scheinen, nützen dem Schiffer und Fischer auf diesem Meere nichts. Sie sind ihm zn entfernt nnd zeigen ihm daher eben so wenig das Wetter an, welches er auf seinem Binnensee (so kann ich wohl den (ialsa <1i 1>io5w nennen) zu erwarten hat, als sie ihm zu Ziel- und Visirpnnkten bei seinen kleinen knrzen Reisen dienen können. Jene entlegenen Colosse sind dazu zu groß und zu constant, weil sie auf so kleine Distanzen ihre Perspective und ihre Verlürzungs-winkcl nicht genugsam ändern. Endlich erscheinen auch diese hohen Schnecgebirge nicht immer so klar und bestimmt, wie dieß auf unserer Reise der Fall war. Sie sind häufig in Nebel und Wolken gehüllt nnd treten oft gar nicht in den Horizont der adriatischen Fischer. Diese kennen dagegen genau die Küstenpunktc und die näheren Uferhöhen, und nach ihnen bezeichnen sie denn 566 Der Monte Spaccato und auch wohl die verschiedenen Alpenpartieen. So nennen sie die Alpen, die sie über der Gegend von Venedig weg seben: „die Vcnetianer Gebirge," und sprechen von den „Bergen von Grado," d. h. denjenigen Alpen, die sie im Nucken von Grado erblicken. Auch nennen sie sie allzusammcn wohl „die Friaulcr Berge" (HlanU 1">m!im^. Die ganz nahen Gebirge Istriens nnd des Karsts, der Nanos, der Monte Spaeeato, der Slavnik, sind ihnen dagegen geläufig, am allermeisten der ,Mouw 8pn«on!.o^ (der gespaltene oder zerschnittene Berg), der gerade über Trieft liegt. Sie nennen ihn in ihrem venetianischen Dialekte „.Vlom« 5j)<>co<>," indem sie das ,,to" verschlucken, auch wohl „NonU) Ilzji»^" was eine venetia-nisch-istrische Abkürznng von ,,wglii»w" (von ti^Iiül-, d. i. schneiden) ist und also ungefähr eben so viel bedeutet wie „8s»!i0ogl.a," nämlich der „zerschnittene Berg." Eigentlich sollte nach der venetianischen Methode aus der Abkürzung bloß ,/l^Iui" mit Weglassung des ,,w" werden. Aber im Munde dieser Leute, den ich sorgfältig beobachtet habe, wird daraus das besagte „Ncmw Il,Mi," welches ich mir anfangs gar nicht erklären konnte. Dieser „NonU) 8pu«o«" oder ,/l^'«u," der übrigens nicht einmal sehr markirt hervortritt und für die Alpen uur der unterste Tritt zu einem Fußschemel ist, ist der allerbeknnnteste Berg im ganzen Golf, sowie dann der schon genannte Nanos, der höchste und markirtestc Gipfel des Karsls, der über den Tajau hervorragt uud in der Entfernung einer Meile von Trieft ganz dominirend sichtbar wird. Er, der Nanos, ist der vielbeachtete Netterprophet dieser Gegenden. An seinen schroffen östlichen Abhängen ist der Urspruug des Luftstroms der Vora. der Nanos als Wetterpropheten. 567 Er verkündet ihr Nahen durch sein umhülltes Haupt im voraus, wie außerdem auch andere Wettcrverändernngen. — ,,()uunüa gnäemo *) p«8L«tt; kioii^ (wenn wir draußen hinaus zum Fischen gehen), sagte mir ein Tricstiner Fischer, „so blicken wir immer anf den Nanos und Tajau." Diese nahen Küstenberge sind beinahe stets mehr oder weniger sichtbar, auch verändern sie bei jeder Miglie ihre Figur uud ihre Lage zueinander, und sie lassen sich daher besser statt des Compasses oder neben ihm zur Bestimmung der Position benutzen. Ich führe dieß Alles au, weil ich glaube, daß es sowohl an und für sich interessant ist, als auch von dem Historiker, der geschichtliche Phänomene erklären will, hie und da bcnntzt werden kann. So z. B. läßt sich daraus wohl begreifen, warnm die Alten, die doch oft genng bis ans (5nde des adriatischen Meeres, bis nach Ravenna, Adria und Aqnilcja schifften, so selten von den Alpen reden und diese, wie die heutigen Schiffer, fast gänzlich ignoriren. Leider konnte um vier Uhr Nachmittags unser ruhiger Dampfer nicht mehr von der Stelle. Ein Steinriff kam seiner Lausliuie quer entgegen, die über das Meeresniveau hervorragenden Gebäude einer Stadt, die er nicht zu umgehen vermochte, hemmten seinen Fortschritt. Diese Stadt war Trieft und jenes Steinriff der Molo ihres Hafens, in dem wir alsdann vor Anker gingen. ') Vcnctianisch statt „nmlunno." Druck von E. H. N, Rocmpler ln Diesdtn.