Kärntner Flugschriften zur Volksabstimmung. ................... Nr. 4......................................... KulturbilÜer Xaus Süöflawien Klagenfurt 1920. C'b M,' - Serbien, Bosnien und Herzegowina standen-bekanntlich bis in das 19. Jahrhundert hinein unter türkischer Herrschaft. Die 500jährige Knechtschaft hat nicht nur die geistige und wirt-fchaftliche Entwicklung der unterdrückten Balkan-viilker gehennut, sondern auch auf ihre Sinnesund Gemütsart, auf ihre Lebensanschauungen und ihre Lebensgewohnheiten einen höchst ungünstigen Einfluh ausgeübt. Infolgedessen stehen sie an Kultur, Gesittung und Bildung weit hinter den Völkern Mitteleuropas zurück. 1. Bildnngswesex. Küdstawie» - das Land der Analphabeten. Schon das Schulwesen lässt sehr viel zu wünschen übrig. Es mangelt vor allem an einer entsprechenden Zahl von Volk s s_ch u l e n. So kamen auf eine Volksschule in Kroatien und Slawonien (1913) 1590 Einwohner, in Serbien (1910) 2045 Einwohner, dagegen in Kärnten (1912) 958 Einwohner. Bosnien und Herzegowina, über welche keine näheren Angaben vorliegen, stehen noch hinter Kroatien und Slawonien. Albanien hat über- Haupt feine Schulen. Selbst Kram, wo sich das Volksschullveseu unter der österreichischen Regierung unter allen südslawischen Ländern am besten entwickelt hat, ist schlechter bestellt als Kärnten. Denn in Km in kommen auf eine Volksschulklasse durchschnittlich 90 Kinder, in Kärnten nur 60, in Kram ist fast die Hälfte der Schulen einklassig (45 %), in Kärnten nur ein. Viertel (25 %). Darum hat der südslawische Staat selbst nach den Berichten südslawischer Zeitungen bei einer Bevölkerung von 13 Millionen nicht weniger als 8 Millionen Analphabeten, d. H. von hundert Bewohnern können 62 nicht lesen und schreiben. Dagegen sind in der Republik Oesterreich nicht einmal 4 % der Bevölkerung des Lesens und Schreibens unkundig. So erklärt es sich, daß sogar viele serbische Offiziere nicht einmal ihre Namen schreiben oder eine schriftliche Meldung lesen können, wovon sich in den vergangenen Monaten so mancher Kärntner selbst überzeugen konnte. Dieser Tiefstand der Volksschulbilduug macht ernsteren südslawischen Politikern schwere Sorgen. So sagt der südslawische Statistiker J. L a -k a t o s in seiner 1919 erschienenen Schrift „Jugoslavija u svetlju statistike": „Auf Schritt und Tritt trifft man die Analphabeten (in Süd-slawien) an, und es wäre die erste Aufgabe, das Analphabetentum im Volke auszurotten; denn was nützt uns auch ein großes und reiches Süd-slawien, wenn es die Stätte so vieler geistig Blinder ist". Und erst unlängst hat die „Narodna Politika" es beklagt, das; sich die Analphabeten in manchen Gegenden sogar noch vermehren, da die Leute nicht genug Sinn hätten für die Schule. Wegen der großen Zahl von Analphabeten wird im neuen südslawischen Wahlgesetze auch bestimmt, das; die Wahl mit Kugeln, nicht mit Stimmzetteln vorgenommen wird. des Wittelfchulivesens. Etwas besser steht es verhältnismäßig mit den Mittelschulen in Südslawien, aber auch in dieser Hinsicht wird es von der Republik Oesterreich weit übertroffen. Denn es entfällt eine Mittelschule in Oesterreich auf . . . 58.000 Einwohner, in Südslawien auf . . 173.000 Einwohner. Mangelhafte Lehrmethode und Äusvildung der Lehrer- Allein nicht nur in bezug auf die Zahl der Volks- und Mittelschulen, sondern auch in bezug auf den Unterrichtsbetrieb, die Lehrmethode und die Ausbildung der Lehrer läßt sich Südslawien, namentlich Serbien, mit Oesterreich gar nicht vergleichen. Der leidenschaftliche, immer politisierende Serbe eignet sich im allgemeinen wenig zum Lehrer und Erzieher. Es fehlt ihm, so heißt es in einein Berichte über die Mittelschulen Serbiens vorn Jahre 1918, an der für einen Lehrer so notwendigen Selbstkritik und Selbstzucht. Daher mangelt es auch an einer strengen und folgerichtigen Beurteilung der Leistungen und des Betragens der Schiller. Die Schule ist für den serbischen Lehrer in erster Linie eine Versor-gungsnnstalt seiner Person, wie auch der serbische Beamte sein Amt als Versorgungsanstalt betrachtet. Von Pflichtgefühl ist daher wenig zu merken. Die pädagogische Ausbildung der-Lehrer ist mangelhaft, die Unterrichtsmethode veraltet. Gerade Serbien täte aber eine tüchtige Lehrerschaft, eine strenge Ordnung im Schulwesen not; denn nirgends ist die Verrohung der Jugend so weit vorgeschritten, wie gerade in Serbien, teils infolge des neunjährigen Krieges, teils infolge der zügellosen Veranlagung des Volkes. Itcichliche Zlnterstühunft der sloweiUschen Kärntner Studenten in JUViflCnfurt. — Wotkage der Kärntner Studenten in Südslawie». Endlich ist auch für die Unterstützung armer Studenten in Südslawien bei weitem nicht so. vorgesorgt als bei uns. Nirgends haben die slowenischen Studenten durch Stipendien und die Studentenunterstützungsvereine soviel Unterstützungen bekommen als in Klagenfurt. Sa erhielten die slowenischen Schüler des Gymnasiums zu Klagenfurt, abgesehen von der billigen Unterkunft, die ein großer Teil von ihnen im Marianum fand, vom Unterstützungsvsreine, dessen Mitglieder nahezu ausschließlich deutsch sind, jahraus, jahrein reichliche Unterstützungen durch Gewährung von Büchern, Kleidern und Schuhen, Kostmarken und Geld. Ja, die slowenischen Schüler bekamen durchschnittlich mehr als die deutschen und aut deutschen Gymnasium zu Klagenfurt mehr als au den slowenischen in Xtrain. Im Schuljahre 1912/13 entfielen z. B. auf eilten deutschen Schüler des Klagenfurter Gymnasiums durchschnittlich 2,35 K Unterstützung, auf einen slowenischen Schüler 4,95 K, auf eilten slowenischen Schüler am I. Gymnasium in Laibach 2,80 K, am II. Gymnasium iit Laibach 1,92 K und am Gymnasium zu Krainburg 1,87 K. So ähnlich war es jedes Jahr. Die deutschen Unterstützungsvereine fragten.eben nie nach der Nationalität, sondern stets nach Würdigkeit und Dürftigkeit. Dieser Unterstützungen sind nunmehr die slowenischen Studenten verlustig geworden. Darum werden in den slowenischen Blättern immer wieder Klagen laut, dasi sich die slowenischen Studenten in grosier Not befinden. gtüdlfländifllUU des Lodychulwescils in Lüdslaivien. An H o ch s ch n I e n besitzt Oesterreich drei Universitäten und zwei technische Hochschulen. In Südslawieu dagegen gibt es nur zwei Universitäten, eilte in Agram und eine in Belgrad, wozu noch die neue Universität in Laibach kommt. Die medizinischen Fakultäten an den Universitäten in Agram und Laibach sind erst im Entstehen begriffen, weshalb grosier Mangel an Aerzten herrscht. Was aber die Universität in .Laibach betrifft, so darf mau nicht vergessen, dasi zur Gründung der. notwendigen wissenschaftlichen Institute viele Millionen notwendig sein wer- beti, baß es an floiuenifdjeii Lehrkräften und Bü-chern fehlt unb sämtliche ivissenschaftliche Bücher unb Apparate aus bcni Auslanbe bezogen iver-beit müssen. Erst im Februar 1920 hat bcr Dekan der Rechtsfakultät in Laibach einen Aufruf erlassen, alte rechtswissenschaftliche Bücher unentgeltlich zur Verfügung zu stellen, da sonst der Betrieb nicht ausgenommen werden könnte. Ec-wirb daher noch viele Jahre bauern, bis bie Laibacher Universität eilte intensivere Tätigkeit entfalten können wirb. Mangel an technischen Kochsainlen unb Fachschulen. Alt technischen Hochschulen besitzt Sübslawieu nur bie technische Abteilung bcr Belgrader Universität, bie für 13 Millionen nicht ausrincht. Sehr empfinblich ist in Sübslawieu auch der Mangel alt Fachschulen. Es gab 1910: , in de» , Ländern der Subflaioien: Rep. Österreich: Handelshochschulen — 1 Mittlere und niedere Handelsschulen, kaufiniinn. Fortbildungsschulen . 81*) 102 Gewerbeschulen, gewerbliche Fortbildungsschulen . .......................... 137*) 505 Gewerbliche Fortbildungskurse . . 26 79 Hochschule für Bodenkultur ... — 1 Mittlere und niedere landwirtschaftliche Schulen 13 39 Landwirtschaftliche Fortbildungskurse 2 172 Forstwirtschaftliche Schulen ... 2 5 Bergakadetnic — 1 Tierarzneihochschule — 1 *) Hauptsächlich in Kroatien und Slawonien. Dabei in us; immer im Auge behalten werden, daß Südslawien doppelt soviel Einwohner zählt als Oesterreich, also doppelt soviel Schulen haben sollte als Oesterreich. gSebcufuiiß des Wilduußswesens für Kultur und rotrt-lckatilickes .ieliott. So steht also Südslawien auf allen Gebieten des Schulwesens weit hinter Oesterreich. G e -rade der Stand des Bildung sw e-' s e n s i st nicht nur für die kulturelle, s o n d e r u a u ch f ü r d i e w i r t s ch a f t l i ch e Entwicklung eines Landes von größter Bedeutung. Vom Bildungsgrade eines Volkes hängt es ab, ob es insttanvc ist, die Natursckwtze seines Bodens auszubeuten. Von ihm hängt auch das Fortkommen des einzelnen ab. Wer heute nicht die nötige Schulbildung besitzt, kann nirgends in der Welt vorwärtskom-nicii. Wer aber außer der gewöhnlichen Schulbil-dling noch über eine fachliche Ausbildung verfügt, der wird den harten Kampf ums Dasein leichter bestehen. 2. Sanitätswesen. Aolksqcsundkcit in Südslawien in chefahr. Dieselbe Rückständigkeit wie im Schulwesen zeigt sich auch im Sanitätswesen. Wie schlecht ist in Südslawien für die Kranken gesorgt! Es kam: spttal: ^ Uf«' 1 Ärztin Serbien 1910 auf . . . 105.000 1643 10.000 Einw. „ Kroatien 1913 auf . . 74.000 460 6.132 „ „ Krain 1913 auf . . . 34.800 486 ? „ Kärnten 1 Ul3 auf . . 3.000 300 2.435 „ Infolge des Aerztemangels und des geringen Sinnes der Bevölkerung für Reinlichkeit herrschen viele ansteckende Krankheiten und ist die Kindersterblichkeit sehr groß. In Serbien stirbt von den Kindern der Bauern mehr als die Hälfte vor den: 20. Lebensjahre. Dazu kommt ein vollständiger Mangel an Heilmitteln. Es fehlt an Verbandzeug, chirurgischen Instrumenten, Chinin, das für die in Südslawien sehr häufigen Malariakrankcn so notwendig ist, Opium, Morphium, Kokain usw. Die Apotheken sind leer, die Aerzte ratlos, da die Kranken, denen sie nicht helfen können, da-hinsiechen. So ist nach dem „Naprej" vom 14. Feber 192p die Volksgesundheit in Slowenien „in des Wortes ureigenster Bedeutung in ernster Gefahr". 3. Soziale und politische Verhältnisse. Aürsorgc für die Arveitcr in chesterreich. Auch in dieser Hinsicht ist Oesterreich gegenüber Südslawien weit voraus. Ist schon im alt-österreichischen Staate durch die Arbeiterschutzgesetzgebung, die Einführung der Kranken- und Unfallversicherung und des allgemeinen, gleichen und direkten Wahlrechtes manches z u g u n st e n der arbeitenden Bevölkerung geschehen, so hat die Republik Oesterreich trotz der kurzen Zeit ihres Bestandes schon eine ganze Reihe wichtiger sozialer und Politischer Reformen geschaffen. Es feien nur erwähnt: Die neue Wahlordnung, die auch den Frauen das Wahlrecht zuerkennt, das Gesetz über den Schutz der Ziehkinder, das Jnvaliden-Ent-schädigungsgesetz, das Verbot der Nachtarbeit für Frauen und Kinder, das Gesetz über die Mindestruhezeit und die Sonntagsruhe, das Gesetz über die Errichtung von Volkspflegestätten, das Gesetz über den Achtstundentag in den industriellen Betrieben. Bei der Steuergesetzgebung werden die ärmeren Schichten der Bevölkerung so weit als möglich geschont, Kriegsgewinner und andere reiche Leute aber in weitestgehendem Maße herangezogen. Die arbeitende Bevölkerung, bezw. die von ihnen gewählten Vertreter haben auf die Gesetzgebung einen maßgebenden Einfluß. Arbeiterführer nehmen führende Stellungen im Staate ein. Es dürfte kaum ein zweites Land in der ganzen West geben, das eine so weitgehende Fürsorge für das arbeitende Volk aufzuweisen hätte, als die Republik Oesterreich. Neue Hegtzc zugunsten b .. f : • '■ ‘ ’>••• NARODNA IN UNIVERZITETNA KNJIŽNICA 00000467759 NAR.INjlJNIV. KN.'« LJUBLJANA «8