s6s^,7S,^e - 2*^ (°£ vto5 l J J 6^ ✓ < *ž/ j Lehrbuch der Allgemeinen Greschichte fiir die oberen Classen der Realschulen und anderer verwandter Lehranstalten. Zweiter Theil: (lescMciite des Mittelalters und fter Nenzeit Ms zum Ende fles 30jaMieii Krieges. Nach den Lehrbiichern A. Zeebes fiir G-ymnasien bearbeitet von Anton Rebhann k. k. Professor an der Staatsrealschule im VI. Wiener Gemeindebezirke Mit Erlass des h. k. k. Min. f. Cult. u. Unterr. vom 20. Dec. 1900, Z. 33.910, zum Dehr- gebrauche an Realschulen mitdeutscher Unterrichtssprache allgemein zuliissig erklart. Laibach 1901. Druck und Verlag von Ig. v. Kleimnayi' & Ped. Bamberg. In ti alt. Einleitung Seite 1 Vorgeschichte (bis 476 n. Chr.). Das Mittelalter (476—1492). Erster Zeitraum. Vom S t u r z e des westromischen Reich es bis zur Thronbesteigung der Ilarolinger (476 — 751). Erstes Capitel. Die germaniseh- arianisehen Reiche und die Herrschaft der Byzantiner in Italien. I. Das Reich Odoakers (476 bis 493). 20 II. Das Reich der Ostgothen (493-555). 20 III. Justinian I. (527—565). Die byzantinische Zwischenherr- schaft in Italien (555 — 568) 23 IV. Die Herrschaft der Lango- barden (568—-774) .... 23 Zweites Capitel. Das Frankenreich unter den Merowingern. I. Griindung, Ervreiterung und Verfall des Reiches .... 25 A. Die Franken vor Chlodvvig 25 B. Chlodwig (481—511) ... 25 C. Chlodwigs Nachfolger ... 27 D. Wiedererhebung des fran- kischen Reiches unter dem Einflusse der Karo- linger.28 II. Verfassung des frankischen Reiches; gesellsehaftliclie Zustande.29 IV Seite Drittes Capitel. Die Kirelie im Zeit- alter der Merovvinger. Gregor I. der GroCe. Christianisierung der Angelsachsen und der Deutsclien; Bonifatius. Entsteliung neuer Irrlehren. Das Monchswesen. I. Zunehmende politisebe Be- deutung des Papstthums . . 34 II. Christianisierung der Angel¬ sachsen und der Deutsclien 34 III. Entsteliung neuer Irrlehren. . 35 IV. Das Monchswesen.36 Viertes Capitel. Literatur und Kunst im Zeitalter der Merowinger. I. Die Literatur.36 II. Die Kunst im ostromischen Reiche.37 Fiinftes Capitel. Der Islam. I Mohammed.38 II. Das Wahl-Chalifat (632—661) 40 III. Die omajjadische Dynastie (661 bis 750). 40 IV. Der Islam in Spanien ... 41 V. Die Abbasiden (750 — 1258) . 42 VI. Cultur des Islam.43 Zweiter Zeitraum. Von der Thronbesteigung der Karolinger bis lum Beginne der Kreuzziige (751 — 1096). Erstes Capitel. Bliite des Franken- reiches. I. Pippin der Kurze (751—768) 45 II. Karl der GroCe (768—814) . 46 A. Karl als Eroberer .... 46 1. Die Eroberung des Langobardenreiehes (773—774). 46 2. Die Kriege mit den Sachsen (772—804) . . 46 3. Der Krieg in Spanien (778). 48 4. Krieg mit Tassilo von Bayern (788). 48 5. Krieg mit den Awaren (791—796). 48 Seite 6. Kriege mit den Slawen und Danen.49 B. Karls Kronung zum Kaiser (800). 50 C. Karls Thatigkeit im Innern 51 1. Verfassung.51 2. Geistige Cultur .... 53 3. Materielle Cultur ... 54 4. Karls Charakter und Portleben in der Sage 55 Zweites Capitel. Verfall und Auf- losung des Frankenreiches. I. Ludwig der Fromme (814 bis 840). 56 II. Die Reichstheilungen; der Vertrag von Verdun (843) . 67 III. Mangel einer inneren Einheit des Reiches.57 IV. Die Einfalle fremder Volker . 58 Drittes Capitel. Zunehmende Maclit der Kirche; Nikolaus I. . . 61 Viertes Capitel. Begrundung und Bliite des deutschen Reiches unter den Konigen a us dem sachsischen und dem fritnkischen Hause (919 — 1125). I. Die sachsischen Kaiser (919 bis 1024). 62 A. Heinrich I. (919—936) . . 62 B. Otto I. der GroCe (936 — 973) 64 C. Otto II. (973 983). ... 68 D. Otto III. (983 — 1002). . . 69 E. Heinrich II. der Heilige (1002—1024) .... 70 II. Die fr&nkischen (salischen) Kaiser (1024—1125) ... 71 A. Konrad II. (1024—1039) . 71 B. Heinrich III. (1039—1056) 73 C. Heinrich IV. (1056—1106) 76 1. Die Zeit der Vormund- schaft (1056 — 1065). . 76 2. Der Aufstand der Sach¬ sen (1073—1075) . . . 76 3. Die Emancipation des Papstthums (1059 bis 1073). 77 Seite 4. Der Investiturstreit ’ (1076—1122) .... 78 5. Abfall der Soline vom Kaiser (1093—1106) . 81 D. Heinrich V. (1106—1125) . 81 Dritter Zeitraum. Vom Begi n ne der Kreuzziige bis sur Thronbesteigung R u d o 1 f s von Habsburg (1096 —1273). Erstes Capitel. Die Kreuzziige (1096—1270). I. Der erste Kreuzzug (1096 bis 1099). 83 II. Die geistlichen Ritterorden . . 85 III. Der zweite Kreuzzug (1145 bis 1147).86 IV. Der dritte Kreuzzug (1189 bis 1193).87 V. Der sogenannte vierte Kreuz¬ zug (1202-1204.88 VI. Der fiinfte Kreuzzug (1228 bis 1229). 89 VII. Der sechste undsiebente Kreuz¬ zug .90 VIII. Ende der christlichen Herr- schaft in Syrien.91 I Zvreites Capitel. Deutschland unter der Herrschaft der Staufer (1138—1254). I. Konrad III. (1138—1152) . . 91 II. Friedrich I. Barbarossa (1152 bis 1190).93 III Heinrich VI. (1190—1197) . 98 1 IV. Philipp von Sehwaben (1198 bis 1208) und Otto IV. der Welfe (1198—1214) . . 99- V. Innocenz III. (1198—1216) . 100 VI. Friedrich II. (1212—1250) . 102 VII. Untergang der Staufer (1250 bis 1268). 105 Hrittes Capitel. Cultur im Zeitalter der Kreuzziige und der Staufer. I. Religion und Kirehe .... 107 II. Der liitterstand.108 Seite III. Die Literatur.109 IV. Die Bildungsstatten der Zeit . 111 V. Die Kunst.112 A. Baukunst.112 B. Plastik und Malerei . . . 114 VI. Materielle Cultur ...... 114 Viertes Capitel. Verfassung, Ver- vvaltung und Volkswirtschaft im deutsehen Reiche. I. Verfassung.115 II. Verwaltung.118 IH. Die deutsehe Colonisation . . 120 Vierter Zeitraum. VonderThronbesteigungRudolfs von Habsburg bis zum Ende des Mit.telalters (1 273 — 149 2). Erstes Capitel. Konige aus ver- schiedenen Hausern (1273 — 1347). I. Rudolf I. von Habsburg (1273 bis 1291).121 II. Adolf von Nassau (1292 bis 1298). 124 III. Albrecht I. (1298—1308) . . 124 IV. Heinrich VII. von Luxemburg (1308-1313). 126 V. Ludwig IV. der Bajer (1314 bis 1347) und Friedrich der Schiine (1314—1330) ... 127 Z\veites Capitel. Die Liucemburger (1347-1437). I. Karl IV. (1347—1378) . . . 130 II. Wenzel 1. (1378—1400) . . 132 III. Der groCe Stiinde- und Stiidte- krieg in Siiddeutsehland unter Karl IV. und Wenzel . . . 133 IV. Siegmund (1410—1437) . ■ • 135 V. Verfall der Kirehe und des Papstthums; Wielif und Hus; Concil von Konstanz; die Hussitenkriege .... 136 Drittes Capitel. Die Habsburger. I. Albrecht II. (1438—1439) . . 141 II Friedrich III. (1440—1493) . 141 VI Seite Viertes Capitel. Die Culturstaaten im westliohen und sudliehen Europa. I. Italien.147 II. Frankreich.149 III. England.152 A. Die angelsachsische Dynastie (827—1016). 152 B. Die Herrschaft der Danen (1016-1042) ;Eduard III. (1042—1066) .... 152 Seite C. Die normannische Dynastie (1066-1154). 152 D. Das Haus Anjou oder Planta- genet (1154—1399) . . 153 E. Die Hauser Lancaster und York (1399—1485) . . 155 IV. Die pyrenaische Halbinsel . . 155 Ende des Mittelalters.156 Geschichte der Neuzeit. Der Ubergang vom Mittelalter zur Neuzeit. I. Erfindungen.157 II. Entdeckung Amerikas und Auf- findung des Seevveges nach Ostindien.158 A. Entdeckung Amerikas. . . 159 B. Auffindung des Seevveges nach Ostindien und Er- richtung der portugiesi- schen Herrschaft daselbst 161 C. Die vvichtigsten Folgen der Entdeckungen .... 162 III. Wiedererweckung des classi- schen Alterthums (derHuma- nismus) . . . .163 A. Der Humanismus in Italien 164 B. Der Humanismus in Deutsch- land.164 C. Die vvichtigsten Folgen der Wiedererweckung des elassisehen Alterthums . 165 IV. Die Renaissanee.167 A. Die Renaissanee in Italien. 167 B. Die Renaissanee im Norden der Alpen.169 Erster Zeitraum. Das Zeitalter der Reformation und Gegenreformation (1492 bis 1648). Erstes Capitel. Die Reformation. I. Die Reformation in] Deutsch- land.171 A. Maximilian I. und die all- gemeinen Zustande in Deutsehland beim Be- ginne der Reformation . 171 1. Maximilian I. (1493 bis 1519).171 2. Die allgemeinen Zu- stiinde in Deutsehland beim Beginne der Re¬ formation .174 B. Martin Luther und das Prin¬ cip der Reformation . . 176 C. Karl V. (1519—1556) und Luther; das Wormser Edict.177 D. Hemmnisse der Reformation 178 E. Forderungen der Reformation 180 F. Ausbreitung der Reformation in Deutsehland bis zum Nurnberger Religions- frieden (1521—1532) . 182 G. Bek&mpfung des Protestan- tismus durch Karl V. (der schmalkaldische Krieg), das Interim und der Augs- burger Religionsfriede (1546-1555). 183 II. Die Reformation in der Schvveiz 186 III. HohepunktdesdeutschenProte- stantismus unter Ferdinand I. und Maximilian II.; Be- griindung der osterr.-ungar. Monarchie; Kampfe mit den Standen; Tiirkenkriege . . 187 VII Seite A. Ferdinand I. (1556—1564). 187 B. Maximilian II. (1564—1576) 189 IV. Die Reformation in Frankreieh (1498—1610); dieDynastien Valois und Bourbon . . . 190 V. Die Reformation in England und Sehottland.192 A. Die Reformation in England unter dem Hause Tudor (1485-1603). 192 B. Die Reformation in Scliott- land unter den Stuarts 195 C. Religidse u. politische Kampfe unter den ersten zwei Stuarts i. GroBbritannien u. Irland (1603-1649) 197 1. Jakob I. (1603-1625) 197 2. Karl I. (1625—1649) . 197 VI. Die Reformation in Danemark, Norwegen und Schvveden . 199 Zweites Capitel. Die Gegen- reformation. I. Kirchliche Gegenreformation . 200 II. Philipp II. von Spanien an der Spitze der politischen Gegen¬ reformation im westliehen Europa.202 A. Philipp II. (1556—1598) . 202 j B. Der Unabhkngigkeitskampf der Niederlander (1568 bis 1648). 203 Seite C. Fortsetzung der kirehliehen Politik Philipps II. unter seinen Nachfolgem Phi¬ lipp III. (1598—1621) und Philipp IV. (1621 bis 1665). 206 III. Die Gegenreformat. in Deutsch- land und in Osterreich- Ungarn; der dreiBigjfthrige Krieg.207 A. Die Gegenreformation unter Rudolf II. und Matthias; Fortsetzung der Tiirken- kriege.207 1. Rudolf II. (1576—1612) 207 2. Matthias (1612—1619) 210 B. Der dreifiigiahrige Krieg (1618-1648) .... 210 1. Der bohmiseh-pfalzisohe Krieg (1618—1623) . . 211 2. Der niedersachs. - dan. Krieg (1625—1629) . . 213 3. Der schwedische Krieg (1630-1635). 215 4. Der schwediseh-franzos. Krieg (1635—1648) . . 218 5. Der vrestf&lische Friede (1648). 219 6. Deutschland am Ende des dreiBigjahr. Krieges 220 EDinleitung. Wahrend sich unter dem stili, doch unwiderstehlich wirkenden Einflusse des Christenthums innerhalb der romisch-griechischen Welt eine neue Lebensanschauung Balin bradi, stiirzte unter den jahen Streicben der wildtrotzigen Volkerstamme der Germanen das ro- mische Weltreidi selbst zusammen, urid neue, germanische Staaten erstanden auf seinen Trtimmern. Mit kiihnem Wagemuthe verbanden die nordischen Eroberer seltene Bildungsfahigkeit. Indem sie, die jugendfrisdren Sobne einer noch unverdorbenen Welt, die 'antik- classische Cultur in sich aufnahmen, bradi fur die erschopften west- europaischen Lander eine Zeit der Wiedergeburt an, das Mittelaltei'. Sehauplatz der Gesehiehte des Mittelalters. Wahrend die Geschichte des Alterthums hauptsachlich auf die Lander am Mittel- meere beschraukt ist, erweitert sich jetzt der Sehauplatz iiber ganz Mitteleuropa, bis an die Nord- und Ostsee. Der Norden und Osten des Erdtheiles nehmen noch nicht, in selbstandiger Weise an der Culturentwickelung tbeil. Quellen. Die wichtigsten — literarischen — Quellen zur Geschichte des Mittelalters sind: 1.) Urkunden. Mit der Untersuchung ihrer Echtbeit beschaftigt sich die Diplomatik. 2.) Annalen, welche die bedeutsamsten Er- eignisse, Jahr fur Jahr erzablt, ohne inneren Zusammenhang bringen. 3.) Chroniken, welche meist kurze Abrisse der Weltgeschicbte und eine ausfuhrlichere Darstellung der Zeitereignisse entlialten. 4.) Brief- sammlungen; z. B. die Sammlung der Briefe der Papste an Karl den Groben, der Briefe Gregors VII. etc. 5.) Biographien, z. B. das Leben Karls des Groben. 6.) Legenden der Heiligen, die eine tiber- wiegend culturgescbichtliche Bedeutung haben. Die eigenthumlicben Schriftzuge des Mittelalters (und Alterthums) lehrt die Palaographie lesen. In der alteren Zeit sind die Geschichtschreiber Geistliche, namentlich Monche, in der spateren uberwiegend Angehorige des Ritter- und des Burgerstandes. Seit dem 13. Jahrhunderte tritt inamer mehr die Landessprache anstelle der lateinischen. Zeehe-Rebhann, Gesch. 1'. d. ob. Cl. d. Rcalschulen, 11. 1 Vorgeschichte des Mittelalters. A. Name, Eintheilung und Wohnsitze der Germanen. Die Germanen zerfielen bei ihrem Eintritt in die Geschichte (I. 41) in zahlreiche Volkerschaften, Ilir welche sie lceinen Gesammt- namen hatten. «Germanen» ist ein celtisches Wort, das wahrscheinlich «Nachbarn» bedeutet. Die Romer unterscheiden die Germanen be- stimmt von allen anderen Volkern; Tacitus hebt besonders ihre KorpergroCe, ihre blauen Augen und das blonde Haar hervor. In sprachlicher Beziehung zerfallen sie in Ost- und I Vestger- manen; zu jenen gehoren die Volkerschaften der gothischen Gruppe und die Skandinavier, zu diesen die Langobarden, Angelsachsen und diejenigen Volkerschaften, aus denen sich spater das deutsche Volk bildete. Die Westgermanen hatten eine Abstammungssage; sie leiteten namlich ihren Ursprung vom Gotte Tuisto, seiuem Soline Mannus und seinen Enkeln Ingo, Isto und Irmino ab. Nach den letzteren hiefien die Volkerschaften an der Nordsee Ingwaonen, die am rechten Rheiuufer vom Main abwarts IsUvaonen und die im inneren Deutscli- land Herminonen; 1 ein kleinerer Ivreis der letzteren waren die Sweben, von denen die Schwaben abstammen. Die altesten Wohnsitze der Germanen lagen an der Elbe und Oder nordlich vom deutschen Mittelgebirge. Zur Zeit des Augustus finden wir sie im Osten bis ilber die (untere) Weichsel ausgedehnt, im Westen und Siiden bildeten in der Kaiserzeit im ganzen der Rhein und die Donau die Grenzen der freien Germanen gegeniiber dem Romerreiche. Doch sind die Germanen schon im Vordringen uber den Rhein begriffen und suchen sich hier auf Kosten der Celten auszubreiten, nachdem sie diese aus einem Theile Deutsch- lands verdrangt hatten. 2 Deutschland war damals ein rauhes, von vielen Waldern und Siimpfen bedecktes Land, so dass nur selten das hellere Griin der 1 Diese (lrei Namen bezeiclmen wahrscheinlich Cultverbande, nacli Art der Ampbietyonien (I. 68). - Die Namen Alpen, Rhein, Donau, Lech, Isar, Maih, Taunus u. a. werden aus dem Celtisclien erklart. Zustande bei den alten Germanen. 3 Saaten das dunklere der Walder und Wiesen unterbrach. Zahlreiche wilde Thiere, wie Auerochsen, Baren, Wolfe u. a., lebten in den Waldern; daran erinnern noch jetzt Ortsnamen, wie Anrach (Auer- ochswasser), Urach, Ebrach u. s. w. B. Religiose, staatliche und gesellschaftliche Zustande; Sitten der alten Germanen. Quellen. Die Geschichte der Germanen konnen wir, dank den Bericliten der Romer, namentlich Casars und Tacitus’, weiter zu- ruckverfolgen, als die eines anderen Volkes, namlich in die Zeit ven¬ elem Ende der Wanderungen. Um die Erforschung der germa- nischen Religion hat sich besonders Jakob Grimm verdient gemacht. Wichtige Fundgruben fiir die Kenntnis der germanischen Religion sind aucli die Skaldenlieder, vor allen die der alteren Edda k Diese ist eine auf Island um 1100 entstandene Sammlung von Gotter- und Heldengesangen, deren alteste dem ausgehenden 9. Jahrhundert angehoren diirften. I. Religion. 1. Weltschopfung und Weltuntergang. Nach der Edda herrschte anfangs Finsternis und Nebel (I. 43); spater entstand Ymir, der Stammvater der Riesen. Nach ilim kamen die Gotter, welche ihn erschlugen; aus seinem Schadel bildeten sie das Himmelsgewolbe, aus den Knochen die Berge, aus den Haaren die Baume u. s. w. Hierauf schufen sie die Zwerge und die Mensclien. Um die Erde windet sicli das Meer, in welchem die Weltschlange ruht; die Esche Yggdrasil verbindet Himmel, Erde und Holle. Einst wird alles Geschaffene, einschliefilich der Riesen und Gotter, nach gewaltigem Ivampfe zwischen beiden durch Feuer zugrunde gehen (. Muspilli, d. h. Weltvernichtung; Gotterdammerung). 2. Die Gottheiten. Allgemeiner Charakter. Die germanischen Gotter sind iiber die Stufe der blofien Personifieation der Naturkrafte (I. 41) schon hinaus und daher vielfaeh ins menschliche Treiben hineingezogen (I. 43). Da die Hauptleidenschaft der Germanen, -vvelehe, zwischen 1 Die jfingere Edda ist ein Handbuch fiir junge Skalden (Siinger) aus dem 13. Jahrhundert. 1 * 4 Vorgeschiclite des Mittelalters. anderen VtSlkern sesskaft, steter Kampfe gewartig sein mussten, der Krieg war, so haben auch ihre Gotter einen kriegerischen Charakter (I. 46). Sie wohnen im Himmel, Wuotan selbst in der goldgliinzenden I Valhalla. Wieder ist der Kampf zwischen den lichten und den finsteren Machten der Mittelpunkt der Mythenbildung (I. 24). Die wiclitigsten Gottheiten (Gotter und Gottinnen) waren: Wuotan, Donar, Ziu und Frija. 1. ) Wuotan (niederdeutsch Wodan, nord. Odhinn) von watan — durchwehen. a) Physische Bedeutung. Wuotan ist ein Himmels- und Windgott. Er ist die alles durcbdringende und schaffende Kraft, die durcli den Regen die Erde befrucbtet. Seine Maclit auBert sich im Sturme, wenn er mit seinen Genossen zur Jagd auszieht. Aus dieser Vor- stellung entstand vielleicbt die Sage vom wiithenden Heere und wilden Jager; noch jetzt sagt man in Mecklenburg: «Der Wode jagt». b) Etbiscbe Bedeutung. Auch im menschlichen Leben ist er die schaffende Kraft; er ist der Erfinder der Schlachtordnung, er verleiht den Sieg, die Gabe der Dichtkunst, Weisheit und Zauberei. Die Skal den machen ihn unter christlichem Einflusse zum Vater der Mensclien («Allvater») und Schopfer der Welt. Er lialt sich in Bergen auf; daher gibt es zahlreiche Wodansberge in Deutschland (Oden- wald), England und Skandinavien. Sein Verweilen in Bergen liegt der Sage vom bergentruckten Kaiser zugrunde. 2. ) Donar (nord. Thor),. der starkste und nach Wuotan mach- tigste Gott, ist der Donnergott, der den befruchtenden Regen sendet und mit seinem Hammer einschlagt; daher wurde er der Schutzgott des Hauses und der Pflege des Ackerbaues. Nach ihm sind der Donnerstag und die Donnersberge benannt. 3. ) Ziu oder Zio (I. 42, nord. Tyr), auch Er oder Ir genannt, wurde durch Wuotan von der hochsten Stelle verdrangt. Er ist der eigentliche Kriegsgott; wie Ares sturzte er sich in den Kampf. Nach ihm ist der Dienstag benannt, der noch jetzt in Bayern und Oster- reich mundartlich Er- oder Irtag heifit. I)iese drei Gotter wurden bei den Germanen am meisten verehrt. Nur im Norden bezeugt sind der Sonnengott Freyr uud der milde und weise Baldr, welcher der Pucke Lokis, des einzigen bosen Gottes, zum Opfer fallt. Nach der Bekehrung zum Christenthum iibertrug das Volk manche Mythen auf Iieilige oder verzerrte die Gotter in Teufel. Zustande bei člen alten Germanen. 5 Einige Gottheiten wurden zu Helden (Siegfried) und Heldinnen (Brunhilde) oder erhielten sich im Marchen (Dornroschen). Die Gottinnen haben eine besondere Vorliebe fiir die Be- schaftigungen und Kunste des Friedens und schiitzen den Landmann. Sie ziehen belehrend, belohnend und strafend im Lande umher und gewinnen dadurch einen traulichen Charakter. In ilirem Wesen fallen sie fast zusammen und sind beinahe nur durch ihre Namen unter- schieden. Aufier Frija (nord. Frigg), der Gemahlin Wuotans, sind besonders zu erwahnen: Nerthus, die von den Ingvvaonen verehrt vvurde; Holda in Mitteldeutschland, die mit der siiddeutschen Ferchta (Bertha) zusammenfallt; Ud, die Gottin der Uuterwelt, zu der die an Krankheiten oder Altersschwache gestorbenen Menschen kommen. Nach der Cliristianisierung der Germanen wurde sie local aufgefasst («Holle»). Nach der nordischen Freyja ist der Freitag benannt. AuBerdem gab es untergeordnete Gottheiten im Dienste Wuotans; so die Nornen, den Parzen vergleichbar, die man sich als spinnend oder webend vorstellte, und die ihnen nahe verwandten Walkiiren, Schlachtenjungfrauen, welche die im Kampfe gefallenen Helden (Wal) in Wuotans himmlische Halle (Wal-halla) geleiten, wo sie, ein dem irdischen ahnliches Leben fiihrend, sich an Kampf, Jagd und Gelagen erfreuen. Die Walkuren haben die Gabe der Weissagung und sitzen im Frieden spinnend am Meeresufer (diu wilden merwip, Nib. Not. 1520, die Schwanenjungfrau in der Kudrun). S. Verehrung der Gotter, Erforschung der Zukunft, Stellung der Priester. Die Verehrung der Gotter erfolgte, wie bei den anderen Volkern, durch Gebet uud Opfer. Der einzelne opferte Friichte 1 , Blumen, Milch, Honig; als gemeinschaftliche Opfer brachte man den Gbttern aufier Hausthieren, besonders Pferden, Kriegsgefangene, Sclaven und Verbrecher dar. Den Germanen eigenthumlicli war das Anziiiiden ron Feuern, das Trinken zum Gedachtuisse (Minne) der Gotter, der Schwertertanz der Jiinglinge zu Ehren Zius. Die Gotter wurden noch uberwiegend im Freien, namentlicli in Hainen, verehrt (I. 44); doch gab es auch schon einzelne Tempel, in welchen die Symbole (I. 44, 116) und Abbilder der Gottheiten verehrt wurden. Als besondere 1 Noch jetzt werden in manclien Gegenden Kukuruzkolben an Bildstocken aufgehiingt. 6 Vorgeschichte des Mittelalters. Festzeiten galten die Zeit der Winter- (nord. Julfest 1 , unsere Weih- nacliten) und der Sommersonnenwende (von der Kirche auf den 24. Juni verlegt). Behufs Erforschung der Zukunft beobachtete man das Wiehern weiBer, zu Ebren der Gotter gehaltener Pferde, den Flug der Vogel, das Rauschen der Baume und das Murmeln der Quellen (I. 44); man achtete auf deu «Angang», die Begegnung von Thieren oder Menschen — noch jetzt theilweise bei Jiigern erlialten —, am wichtigsten aber war das Loswerfen, wobei Buchenstabe (daher «Buchstabe»), die mit geheimnisvollen Zeichen versehen waren, auf ein ausgebreitetes Tuch geworfen wurden; aus den zufallig aufgelesenen Štaben (daher »lesen ») wurde die Zukunft gedeutet. Im Gegensatze zu den Celten (I. 172) kannten die Germanen keinen geschlossenen Priesterstand; jeder Hausvater verrichtete die religiosen Handlungen fiir seine Familie (I. 26), der Konig oder Fiii'st fiir die Vijlkerschaft. Doch genossen die Priester als Hiiter des Gesetzes (ewarte) groben Einfluss. Besonders angesehen waren die «weisen Frauen*, denen man die Gabe der Zauberei und Weis- sagung zuschrieb; daraus entwickelte sich im spateren Mittelalter der Hexenwahn. 4. Die Riesen. Die Itiesen, denen gewaltige Korperkraft zugeschrieben wird, stellen die groBartigen, dem Menschen iiberwiegend feindlichen Krafte der Natur dar; daher werden Eis-, Berg-, Wind-, Wasser- und andere Riesen unterschieden. Im Gegensatze zur griechischen Anschauung (I. 43) mussen die Gotter, namentlich Donar, bis zum Weltuntergange mit ihnen kampfen. 5. Die Zwerge (Elben, Elfen). Sie stellen im Gegensatze zu den Riesen die in der Stille wirkenden Naturkrafte dar; es wird ihnen geringe Korper-, aber groBe Geisteskraft zugescbrieben. Sie zerfallen in Lichtelben, die dem Menschen freundlich, und in Schwarzelben , die ihm feindlich gesinnt sind; gerne necken sie ihn auch, wobei ihnen die Gabe, sich unsichtbar zu maclien, zugute kommt. Nacli dem Aufenthaltsort untersclieidet man die grausamen Nixe und Nixen des Wassers, 1 «Jul» bedeutet walirscheinlich Sclierz. Die bei dem Feste tiblichen ver- mummten Gestalten leben heute noch als Nikolaus, Ruprecht etc. fort. Zustande bei den alten Germanen. 7 die eigentlichen Elben auf Bergen und in Waldern (die « saligeu Fraulein* in den Alpen), die Hausgeister, wie Wichtelmanuchen, Kobolde u. a., welche sicli auf dem Herde auflialten (I. 117) und ilire Dienste dem Menschen freiwillig anbieten. Wegen ihres Auf- enthaltes in Bergen sind sie trefflicbe Schmiede (Wieland). II. Staatliche Zustande. 1. Staatliche Gliederung der Volkerschaften. Die Ansiedlung erfolgte nach Geschlechtern und Familien (1. 121) theils in Dorfern, theils in Einzelhofen («Einoden»). Jede Volkerschaft fiihrte fiir sich ein selbstandiges staatliches Leben. Ilir Gebiet zerfiel in Gaue, deren Zalil und Grobe sehr verschieden war, und die eine grobe Freiheit gegeniiber der Volkerschaft besaben; so konnten z. B. die einzelnen Gaue eigenmachtig Krieg fiihren. Eine Unterabtheilung des Gaues bildeten die Hundertschaften, die eine Anzahl von Ortsgemeinden (100 bis 120) umfassten. a) Die Landesgemeinde. Die Volkerschafts-Versammlung, an der alle Heerpfliclitigen der Volkerschaft theilnahmen, liatte poJitische Rechte, u. zw.: 1.) Wahl der Konige aus dem herrschenden Ge- schlechte, der Fiirsten und Herzoge; 2.) Entscheidung liber Krieg und Frieden; 3.) Wehrhaftmachung der Jiinglinge; 4.) Verleiliung des Waf£enrechts an Freigelassene. Von einer Gesetzgebung kann kaum gesprochen werden. Wahrscheinlich fand jahrlich eine ordent- liche Landesversammlung statt, iiberdies wurden nach Bedarf auberordentliche abgehalten. Vor Beginn der Verhandlungen ge- boten die Priester den Dingfrieden, worauf der Konig (Fiirst) die Verhandlungen eroffnete. Gemeinsame Verhandlungen mehrerer Volkerschaften fanden damals nur zu Opferzwecken statt (vgl. die Amphictyonien I. 68). b) Konig, Fiirst, Herzog; Gefolge. In der Urzeit gibt es nur Vdlkerschaftskonige. In geschichtlicher Zeit dagegen lernen \vir das Konigthum nur noch bei den Volkern des Ostens kennen, weil hier das halbnomadische Wanderleben noch fortdauerte und daher eine einheitliche monarchische Leitung stets nothwendig blieb; bei den Westgermanen verschwand es, weil es mit zunehmender Sesshaftigkeit den freien Mannern entbehrlich schien, um erst in der spateren Kampf- und Wanderzeit wieder aufzutauchen. Der Konig, der aus dem hochsten adeligen — dem koniglichen — Geschlechte stammte, 'var der Anfuhrer im Kriege, der oberste Beamte und Priester im Vorgeschichte des Mittelalters. Frieden. Seine Einktinfte bestanden im Ertraguisse seines bedeutenden Grundbesitzes, einem groben Antheil an der Beute, den Strafgeldern und in freiwillig.en Geschenken (I. 54 u. 122). Die westgermanischen Volkerschaften hatten im Frieden mir auf Lebenszeit gewahlte Fiirsten an der Spitze. Diese waren die Nach- folger der Geschlechtsaltesten der patriarchalischen Zeit (I. 122). Die Fiirsten waren die ordentlichen Richter im Frieden und die Anfiihrer im Kriege. In Zeiten willensbewussten Angriffes und scliwieriger Abwehr setzten die westgermanischen Volker fiir die Dauer des Krieges einen gemeinsamen Heerfiihrer, Herzog (I. 125) genannt, an ihre Spitze. Konige, Fiirsten und Herzoge hatten das Recht, sich mit einem Gefolge zu umgeben. Es beruhte auf einem der Familie nacli- gebildeten Treuverhaltnisse, das den Herrn zum Schutz, Unterhalt und zur kriegerischen Ausriistung der Gefolgsgenossen, diese zur unbedingten Hingabe an den Herrn verpflichtete. 2. Rechtswesen. a) Gerichtsverfassung. Fiir die Rechtsprechung hatte jede Hundertschaft eine Ding- oder Malstatt (mahal = Sprache, Gericht), welche an eine alte Opferstatte gebunden war. An dem Gerichte betheiligten sich auber dem Fiirsten sammtliche ding- (wehr-) pili eliti gen Bewohner der Hundertschaft. Wahrscheinlich vvurde jedeu Monat ein echtes 1 Gerichtsding abgehalten. b) Das Recht (Privat- und Strafrecht). In vorgeschichtlicher Zeit hatte der Vater unbeschrankte Herrschaft iiber Leben und Eigenthum der Familienmitglieder (I. 122); noch in der Taciteischen Zeit komite er neugeborene Kinder todten oder aussetzen, Weib und Kinder in der Noth verkaufen. Spater war seine Gewalt zu einem Schutzrechte (Munt) herabgesunken, das bei Sohnen bis zur Wehrhaftmachung, bei Tochtern bis zur Vermahlung dauerte. Tacitus unterscheidet zwischen todeswiirdigen Verbrechen und siihnbaren Freveln. Zu den ersteren gehorten Landesverrath, Feigheit im Kriege, grober Friedensbruch im Ileere und im Ding, also Ver¬ brechen' gegen den Staat; die letzteren wurden als Privatsache der verletzten Partei angesehen, die, wenn keine Aussohnung erfolgte, zur Selbsthilfe schreiten oder Klage erheben komite. Es galt daher ' Ein solehes wurde an herkommlicher Dingstatte und zu lierkommliclier Zeit abgelialten. Zustande bei den alten Germanen. 9 der Grundsatz: «Wo kein Klager ist, da ist auch lcein Richter.* Die wichtigste Art der Selbsthilfe war die Blutrache (I. 54); kam es zur Klage, so verurtheilte das Gericht den Scliuldigen zur Be- zahluog einer Bufie in Vieh (I. 54), die, wenn es sich um Todtschlag handelte, Manngeld (werigelt) hiefi. Wurde die Bufie, in welche sich Klager und Richter theilten, nicht bezahlt, so verfiel der Schuldige in Friedlosigkeit oder Aclitung, d. h. er wurde aus der Gemeinde ausgestofien («Wolf» oder «Waldganger»). c) Gerichtsverf&hren. Nachdem der Klager die Klage vor- gebracht hatte, stand dem Angeklagten das Recht der Vertheidigung zu. Die wichtigsten Beweismittel waren der E id, die Zeugen und Gottesurtheile. Gevvohnlich brauchte der Schworende eine verschieden grofie Anzahl v on Eideshelfern (Verwandte oder Nachbarn). Einige Gottesurtheile, wie der Kesselfang (Herausholen eines Gegenstandes aus einem Gefafie mit siedendem Wasser) und die Feuerprobe (Tragen eines gliihenden Eisens oder Darliberschreiten), stan imen aus der indogermanischen Zeit. Der Richter schlug das Urtheil vor, die Versammlung hatte das Recht, es zu bestatigen oder zu verwerfen; ersteres erfolgte, wie bei der Volkerschafts-Versammlung, durch Waffengeklirr, letzteres durch Murren. 3. Heerwesen. Das Heerwesen beruhte, wie bei allen Natur- volkern, auf der Wehrpflicht aller Waffenfahigen, die auch ding- pfiichtig waren, so dass Heer- und Landesversammlung zusammen- fielen. Auch das Heer war nach Gauen, Hundertschaften und Ge- schlechtern gegliedert; an der Spitze des Gaues stand der von seinem Gefolge umgebene Fiirst. Als Fermvaffen dienten besonders die Frame (Stofi- und Wurfwaffe), Schleuder, Bogen und Rfeile, als Nahwaffen grofie Schilde, das Sachs (ein langes Messer), Streit- axte und Streithammer; Schwert und Lanze waren nocli selten. Die Reiterei spielte eine untergeordnete Rolle. Die Schlachtordnung war keilformig; wenn mehrere Volkerschaften nebeneina.nder kampften, so bildete jede von ihnen einen ejgenen Keil. Den Kampf eroffneten Schleuderer und Bogensehiitzen, worauf die Framen geworfen wurden. Unterdessen hegann der Ansturm gegen den Feind, dessen Reihcn man zu durchbrechen suchte. Da die Germanen keine Roserve auf- stellten, mussten sie entweder sofort siegen oder erliegen. Bevor sie von der romischen Kriegskunst lernten, beruhten last alle ihre Erfolge auf ihrer Kraft, weshalb sie den Nah- und Einzel- kampf liebten. 10 Vorgescliichte des Mittelalters. III. Gesellscliaftliche Zustande. 1. Die Stande. Das Volk zerfiel in vier Geburtsstiinde, und zwar: a) Adelige. Sie waren wahrselieinlich die Mitglieder derjenigen Geschlechter, aus welchen die Konige, Fiirsten und Priester gewahlt vurden. b) Freie. Sie bildeten die grobe Masse des Volkes und gaben in politischen und Rechts-Angelegenheiten die Entscheidung. c) Horige. Dieser Stand ist wahrscheinlich durch freiwillige TJnter- iverfung eines besiegten Volkes oder Volkstheiles entstanden. Die Horigen waren an die Scholle gebunden und dem Staate, nicht dem einzelnen, verjiflichtet. Sie besaben Grund und Boden, der zins- pdichtig war, politische Redite hatten sie nicht. d) Unfreie. Die Un- freiheit riihrte von der Gefangensdiaft her, seltener von der Schuld- knechtschaft oder der Verheiratung mit einer unfreien Person. Die Unfreien galten als Sache ilires Herrn, dodi wurden sie milder behandelt, als bei den Griedien und Romern. In der Regel tiberlieb ilmen der Herr ein Ackerland gegen eine Abgabe. Ilire Zalil war gering. 2. Grundeigenthum. 1 Urspriinglidi geliorte alles Land dem Volke. Doch bericlitet bereits Časar von den Sweben, dass die Fursten den Grundbesitz jahrlicli nadi Gesdilechtern und Familien zuweisen, was sdion eine Privatwirtscliaft der einzelnen Hofe vor- aussetzt. Daneben gab es die Almende, Wiese und Wald, fur die allgemeine Beniitzung. Obst- und Wiesenbau waren den Germanen nod) unbekannt, der Kornerbau war auf die Sommersaat bescbrankt. Im ganzen nabmen die Germanen eine Mittelstufe zwišchen No- madenthum und Ansassigkeit ein, weslialb auch ihre Hau])tnalirung in Fleisch, Milch und Kaše bestand. 3. Charakter des Staatswesens. Die patriarclialischen Formen der Gesclilechter-Verfassung (I. 25 u. 31) haben die Germanen hinter sieli und sind im Ubergange zum eigentliclien Staate begriffen. Die Spuren der einstigen Gescblechter-Verfassung erkennen wir nocb in der Anordnung des Heeres und der Besetzung des Landes nach Gesdilechtern, sowie in deren Befugnissen und PHicliten auf dem Gebiete des Rechtsivesens. Der Verwandtenlose mag sich wenig vom rechtlosen Fremden unterschieden haben. In allen Staaten liatte die Volkersdiafts-Versammlung die Entscheidung. ' In der Entwickelung des Grundeigentlmms gibt es drei Stufen: 1.) Ge- meingut und Gemeingenuss; 2.) Gemeingut und Sondergenuss, d. h. das Land wurde nocli gemeinsam angebaut und erst der Segen des Herbstes unter die genossenscliaftlichen Ilauslialte vertlieilt; 3.) Sondergut und Sondergenuss. Kriege mit den Romern. 11 IV. Charakterziige der Germanen. «Bei ihnen gelten gute Sitten mehr als anderswo gute Gesetze* (Tacit. Germ.). Sie zeichneten sicli besonders durch Einfachhoit, Treue, Frommigkeit, Heldeiisimi und Mannestrotz, Keuschlieit, Gast- freundscliaft, Wertschatzung der Frauen aus. Ihre grofiten Fehler waren der Haag zu Gelagen, bei welchen die Tliateii der Vorfabren besungen wurden (I. 54), und zum Wurfelspiel, in welchem einzelne sogar ihre Freilieit verspielten. Ihre grofite Leidenschaft war der Krieg, im Frieden betrieben sie eifrig die Jagd, die Arbeit iiberliefien sie den Greisen, Weibern und Unfreien. C. Die Romer und die Germanen. I. Bis zrnu Einbruche der Hunnen und dem Beginne der Vdlkerwanderung (113 v. Chr. bis 375 n. Chr.). 1. Kriege. a) Die friihesten vereinzelten ZusammenstoCe. Sie dauern von der Zeit des Marius bis auf Augustus. 1. ) Kampf mit den Cimbern und Teutonen (113 — 101. Vergl. I. 161). Die Ziige dieser Volker (mit Weibern, Kindern, Greisen, holzernen Hausern, Zelten, den Gerathen, die fiir jedes Haus mit eigener Marke versehen waren, zahlreichem Vieh) eroffnen, soviel wir wissen, die geschichtlichen Wanderungen der germanisclien Volker. 2. ) Casars Kampf mit Ariovist (58. Vergl. I. 173). Dieser war Heerkonig, d. b. Fiihrer beutelustiger Scharen; er betrachtete sicli als Časar ebenbiirtig. Durch seine Niederlage wurde dem weiteren Vordringen der Germanen nach Gallien zunachst Einhalt gethan; diesem Zwecke dienten auch die beiden Rheinilbergange Casars (55 und 53)., b) Die Romer im Angriffe auf die Germanen (12 v. Chr. bis 1.6 n. Chr. Vergl. I. 183 ff.). 1.) Die vier Feldziige des Drusus (12 — 9 v. Chr.). Nach der Ausdehnung der romischen Herrschaft bis ah die Donau (I. 183) begann Drusus die Unterwerfung der zahlreichen germanisclien Volkerschaften, die das nordwestliche Deutschland bewohnten und damals liber den Niederrhein drangten. Es gelang ihm, Deutschland nordlich vom Taunus zwischen Rliein und Weser zu unterwerfen. 113 v. bis 375 n. Chr. 113—101. 58. 55 u. 53. 12 v. bis 16 n. Chr. 12—9 v. Chr. 12 Vorgeschi elite (les Mittelalters. 8 v. bis 2.) Die Thatigkeit des Tiberins (8 v. Chr. bis 6 n. Chr.). Marbod. 6 n. Chr Nach dem Tode des Drusus iibernahm sein Bruder Tiberius das Commando am Rhein. Weniger dureh Waffengewalt als durch kluge Beniitzung der Streitigkeiten der Germanen untereinander und durch Bestecliung ihrer Fiirsten machte er Deutschland zwischen Rhein und Elbe zu einer, \venn auch nocli keineswegs beruhigten Provinz. Um dem Drucke der Romer auszuweicben, hatten die swebischen Markomannen um Christi Geburt unter der Flihrung Marbods die Maingegenden verlassen und Bohmen, wo frtiher die celtiscben Bojer gewolmt hatten (daher der Name des Landes), besetzt. Von hier aus hatte Marbod einen machtigen Bund ins Leben gerufen; 70.000 Mann FuBvolk und 4000 Reiter geliorchten seinem Befehle. Der Untervverfung des nordwestlichen Deutscldand hatte er unthiitig zugesehen. Jetzt solite auch an ihn die Reihe kommen. Im Jahre 6. G n. Chr. zog Tiberius mit zwolf Legionen gegen Bohmen, aber ein allgemeiner Aufstand gegen die Romer in Pannonien und Dalmatien rief ihn zuriick, Marbod war gerettet. 3.) Reaciion der Germanen gegen die romische Herrschaft; Armin. Armins und Marbods Ende. Wahrend Tiberius die Wider- standskraft der Illyrier und Pannonier mit aufierster Grausamkeit fiir immer brach, gelang es den Germanen, die Fremdherrschaft abzuscbtltteln. Der damalige Statthalter im nordwestlichen Deutsch¬ land, P. Quinctilius Varus, hatte freie Germanen nach romischem Rechte geiheln lassen und von verhiindeten Volkerschaften driickende Abgaben eingehoben. Da vereinigte Armin, der Herzog der mit Rom kriegfiihrenden Gaue der Cherusker, 1 sammtliche unzufriedenen Volker zwischen Rhein und Weser zu einem Kriegshuude wider Rom. Durch das falsche Geriicht, dass sich eine Volkerschaft im Innern Deutschlands erhoben liabe, liefi sich Varus verleiten, aus seinem be- festigten Lager aufzubrechen. In dem unwegsamen, sumpfreichen Teutoburger Walde wurde er von Armin angegriffen und fand nach dreitagigem, schrecklichem Kampfe mit ungefahr 20.000 Mann seinen 9. Untergang (9 n. Chr.). So \vendete Armin die drohende Romani- sierung Deutschlands ah. Als er den Versuch machte, seine herzogliche Stellung in ein Konigtlium umzuwandeln, tiel er, r gothischen Volkerschaften, die bei diesem Ereignisse selbst ' Hauptquellen fiir die Geschichte der V81kerwanderung sind Ammianus Murcellinus (I. 202) und der gothische Geschiclitschreiber Jordanis. Die Hunnen und- die Gothen; Alarich. 15 zugrunde gegangen sind. Die Volkerwanderung, die in der Haupt- richtung von Norden nach Stiden verlief (I. 52), ist die grofite Krisis im Leben der Germanen; sie bewies, dass diese befahigt waren, die Trager der ferneren Entwickelung zu werden. 1. Vom Einbruche der Hunnen in Europa bis zum Auftreten Attilas (375—445). 375—445. 1. Die Hunnen und die Gothen. Die Hunnen, ein Zweig der mongolischen Rasse, waren ein wildes Nomaden- und Reitervolk. Tag und Nacht lebten sie auf den Pferden, unter furchtbarem Geschrei beganneu sie nach Art der Steppenvolker aus der Ferne mit Pfeilen den Angriff. Sie waren voli Lug und Trug und hatten keine Religion. Nachdem sie durch das grobe Volkerthor im Norden des kaspischen Meeres in Europa eingefallen waren und die Alanen, deren ethnographische Stellung nicht sicher ist, zwischen Wolga und Don unterworfen hatten, stiefien sie auf die Gothen. Diese hatten unter dem Konige Ermanarich ein groBes Reich gegriindet, vvelches sich liber einen groBen Theil des heutigen Russland erstreckte, aber kurz vor dem Einbruche der Hunnen in ein ost- und \vestgothisches zerfallen war. Der greise Ermanarich, damals Konig der Ostgothen, todtete sich selbst, weil er an dem Widerstande seines durch inneren Zwiespalt geschwachten Volkes verzweifelte. Hierauf schloss sich ein Theil der Ostgothen den Hunnen an und zog mit diesen nach Westen. Die Westgothen vvichen den Hunnen aus; ein Theil zog sich nach Siebenbiirgeii zuriick, ein anderer erhielt vom ostromischen Kaiser Valens gegen Leistung von Kriegsdiensten Wohnsitze auf der Balkanhalbinsel. Diese erhoben sich aber, als ihnen von den romischen Beamten die bedungenen Lebensmittel vorenthalten wurden, und schlugen und todteten Valens bei Adrianopel (378). Allmahlich gelang 378. es dem Kaiser Theodosius dem GroBen, sie zu beruhigen, indem er ihnen als vertragsmaBigen Bundesgenossen neue Wohnsitze zu beiden Seiten des Balkan anwies (I. 201). 2. Die Westgothen unter Alarich (395—410); Griindung 395 — 410 . des tolosanischen Reiches. Als nach dem Tode des Theodosius den Westgothen die bedungenen Jahrgelder nicht entrichtet wurden, erhoben sie den kuhnen Balthen Alarich zu ihrem Konig und durch- z °gen unter seiner Anftihrung plundernd die Balkanhalbinsel, bis sie 'fom ostromischen Kaiser Arcadius Wolmsitze im ostlichen Illyrien 16 Vorgescliichte (les Mittelalters. und in Epirus erhielten. Von hier aus fiel Alaricli mehrmals in Italien ein, das aber der grofie Minister des unfahigen Kaisers Honorius, der Wandale Stilicho, rettete. Nachdem dieser im Auftrage seines misstrauischen Kaisers ermordet worden war, zog Alarich 408 . abermals nach Italien (408) und riickte dreimal vor Rom, das im 410 . Jahre 410, wahrend der Kaiser im festen Ravenna unthatig verharrte, auch besetzt und gepliindert wurde. Alarich richtete nunmehr seine Blicke auf Afrika, starb aher noch im Jahre 410 in Unteritalien und wurde nach der Uberlieferung im abgeleiteten Bette des Busento begrahen. Sein Schwager und Nachfolger Ataulf fiihrte die West- gothen nach Sudfrankreich, wo sein zweiter Nachfolger zwischen der Loire und den Pyrenaen das tolosanische Reich, so benannt nach 418 . der Hauptstadt Tolosa, begrundete (418). Hiemit kam dieses Wander- volk zur Buhe. 3. Weitere Verluste des westromischen Reiches an die Germanen. Inzwischen waren, nachdem Rom zum Schutze Italiens seine Legionen aus Gallien und Britannien abberufen hatte, die Germanen auch in diese Gebiete des westromischen Reiches vor- gertickt. a) Die Alamannen. Sie setzten sich im Elsass (Alisat = Fremden- sitz) fest. h) Die Franken. Diese liefien sich in Belgien nieder. c) Die Alanen, Wandalen und Sweben (ein Volk der svvebischen Gruppe). Diese Stamme durchbrachen die Woluisitze der Alamannen, durchzogen Gallien und liefien sich dann in Spanien nieder, das sie mit Ausnahme des nordostlichen Theiles den Romern entrissen. Unter der Fiihrung des kuhnen Seehelden Geiserich setzten die 429 . Wandalen im Jahre 429 nach Afrika liber und griindeten daselbst ein Reich mit der Hauptstadt Carthago. Von hier aus brandschatzten sie mit ihrer Kriegsflotte die Kusten des westlichen Mittelmeeres 455 . und plimderten sogar Rom (455). Bald aber verweichlieliten sie, und 534 . im Jahre 534 wurde ihr Gebiet dem ostromischen Reiche einverleibt. d) Die Burgunder. Sie errichteten zu beiden Seiten des Mittel- rheines ein Reich mit der Hauptstadt Worms. Ihr Konig Gundahar (Gunther im Nibelungenliede) wurde von den Hunnen besiegt und 437 . getodtet (437), worauf die Burgunder von den Romern Land im siidostlichen Gallien (an den Fliissen Rhone und Doubs) erhielten. e) Die Jiiten, Angelu und Sachsen (von der Elbe bis nach Jutland hinein). Mit den Angelu vereint und durch Jiiten verstarkt, Attila. 17 zogen die Sachsen urn die Mitte des funften Jabrhumlerts nacli Bri- tannien, aiigeblich ton den: romanisierten Bevolmern dieses Landes gegen die sie bedrangenden celtischen Picten und Sco.ten zu IiilfS gerufen. 3ie leistfeteri die 'erbetenb *Hille, blieben abet -ito Lande (verjgl. Ariovist) und begiHindetennmdbrere Reiphe/dkselbst. buu jmnlieM ,(4ih1ow9<1 'lodiiii aorfož n{98xiin9imgfij oih uoi »a ;uid fiuolKiM. nanos si d JmnJ 9 Xu,b 3 sab 6)‘i1aiin 2. Attila (445—4-55,). mm ttriJ ,r:Cl .nodeJa us smoW on enrobmll moa noirioa moil tl; ik Attila und sem ReichJ Der Hurinenkbftig Attila (Etzel inl Nibeiungenliede) war der furchtbarste iind maebtigste Hertscher ddt Zeiti- Seme Lebenstveise war einfach-; mhrfend, . seibe Groben aM goldeftem und silbernem iGe&ohirre tafbiten, beniitzte er selbst holzernes; auch wohnte erilajft.leinem' aus Holz erbauten Hause. In der allgemeinen Heiterkeit :seiuer Umgebung Mieb or ernst; niemand wagte ihn an/ureden. SeiA! Hof war der . eigentlidbe Mittelpunkt Europas, u«d romische und: grieehische iGesaridte, aufierdem aucb Kiinstler, Feldherren und Staatsmanndr fandeii sich daselbst ein, Durch die Ermordung seines Bruders Bleda zur Alleinherrschaft gelangt, beherrsebte er ’ein riesiges Reieh, W8lches‘ hauptsachlich v,On germani soben VolkrarsRhaften lariaFrff m ircobioi nbdo Sie zerfielen in zwei Gruppeu, die der Su/ier und die der Ripuarier. Die Salier. 1 breiteten ( siqh seit dem Anfapge des .ijb Jabr- hunderts im Wege der Colpnisiejqung,,yom tjnterrbeni Jpr ^llmablicii bis an die Sonune aus; die Ripunrior (= Uferfranken) vvobnteii ostlicb von der Maas zu beiden Seiten des Rheines um neb jim olomfiiH trurx' edies derit. stwboIii.) B- Chlodwig (Chlodowech = Ludwig), 481—511. ‘ *i9i , )'ii9 n$b up-7 $38$? j,m[ ogrir^iiB 1. Urspriingliche Stellung Chlodwigs, Fr stumiute dpip GescbJeclite, der Merowing$r. AR er zur Regierunu gfdaugte. war er nur Konig eines oder mehrerer salischer Gane, Doornik war seine Residen?. Seine Regierung bildet .eine Kette f^t ununtpr- brochener Kriege. H ' ,|, j, m , ^nddS neb uodogivra 2. Die Kriege Chlodwigs. a) Kampi' mit Sgagrius (486). Seit dem TJnter.gange des vreatrBmischen Reiebes liatte Syagirius im Nordeai der>Seiiie eine selbstandige Herr&chaft iniife. Ghlod-mg.besiegte ihn bei Soissons und maehte dem letzten Resteramisčber Herrscbaft ebi Fride. In langsamem Kampfe eroberte er darauf das Lami bis ari die. Loire, und Pariš wurde seine Hauptstadt. b) Khmpfrnit den Alamannen imd ChJoihvigs Bekehrung zum 'OhrištentMme ' ; (4*96); Die Alairianneri, weldhe daš' Gebiet' von der oberen Seine bis zum Ledi' iibd’ mittlereri Maih in Besitz hatten, grenzten ah der mittleren Mdsei im die ripuarischen .Franken. Von diesen zu Hille: gerufen, erfačht-CHodvvig — wo.‘i vvissen wir nicht — uber die 1 Alamannen . ieinen >scfawereii Sieg .und gewann damit so- w obl ihre linksrheinisehen Besitzungen ’als audi irechts vom Rhein das Land vonh uuteron Neckari bis an den Alaini uvelcbes., von frankiscben Oolondsten besbtat, den Namen «Franken* erbaltem bat. Eine Tbat von weltgeschicbtlieb6r Bedeutung war es, dass Gblodwig der Alamannenscldacbt,' aR er iiiGefahr war, besiegt zu vverdeR den iUbertritt zum Cbristentbume gelobte urid nach dem iSiege "frver-v- ;Q jo b [lurs.od mm mn t dl bnn nenr/inoD 'todii mmtjgiaoil i ; e* buri ' Sie tiaben, ibren. Nainen, \va,ln'schejnlicli vom Musse.Sala— Y.ssel. 481—511. 486. 496. 26 Ei-ster Zeitraum. — der erste germanische Konig — den Katliolicismus annahm. Da- durch wurde der verderbliche kirchliche Gegensatz, der die anderen germanischen Reiche schwer schadigte, verhiitet, und die Franken wurden sclmell romanisiert. 507. c) Kampf mit den Westgothen (507). Nach der Schlacht auf den catalaunischen Feldern, in welcher der vestgothische Konig Theoderich L den Heldentod starb, hatten die Westgothen ihr Reich allmahlich im Norden bis an die Loire, im Siiden liber die ganze pyrenaische Halbinsel, mit Ausnahme des von einem Reste der Sweben behaupteten auBersten Nordwestens, und im Stidosten bis an den Alpenkamm ausgebreitet. Chlodwig trieb seine Eroberungslust zum Kampfe mit den arianischeu Westgothen. Von den Katholiken als Befreier begruBt, tiberschritt er ohne jeden Vorwand die Loire. Bei Voullon verlor der feindliche Konig Alarich II. Schlacht und Leben, worauf Chlodwig den ganzen in Gallien gelegenen Theil des westgothischen Reiches mit Ausnahme Septimaniens, d. h. des schmalen Kiistengebietes zwischen der Rbone und den Pyrenaen, in Besitz n a,hm . Vielleicht ware schon damals das westgothische Reich zugrunde gegangen, hatte nicht Theoderich der Grofie, welcher fur seinen unmtindigen Enkel Amalarich, Alarichs II. Sohn, die Regierung ftihrte, den Fort- schritten der Franken ein Ziel gesetzt. Er selbst behielt die heutige Provence, um die Franken von den Grenzen Italiens abzuhalten. Das Westgothenreich, das trotz der confessionellen Einigung zur Zeit des Papstes Gregor I. infolge fortwahrender Thronstreitigkeiten — es var ein Wahlreich — im Innern nicht zur Ruhe kam, fiel erst dem 711 . Ansturm der Araber zum Opfer (711). 3. Einigung aller frankischen Gaue. Chlodwigs Charakter und Bedeutung seiner Regierung. Nachdem Chlodwig seine Residenz nach Pariš verlegt hatte, beseitigte er behufs Einigung aller Franken durch List und Mord die Herrschergeschlechter der iibrigen Theil- konigreiche der Salier und Ripuarier, — Chlodwig blieb eben trotz Christenthums, was er gewesen: ein sittlich roher, selbstsiichtigcr, liinterlistiger Barbar, dem jedes Mittel recht war, wenn es zum Ziele fiihrte. Der Erfolg seines Strebens aber verlieh seiner Regierung welthistorisclie Bedeutung. Indem Chlodwig seinen Stamm einigte und ein Konigthum iiber Germanen und Romanen begriindete, schuf er die Vorbedingung fur das Universalreicb der Karoliinrer. Die Merowinger. 27 C. Chlodvvigs Nachfolger. 1. Die Sohne Chlodwigs. Chlodwig hinterlieC vier Sohne, welche nach salischem Erbrechte das Reich wie ein Privatgut untereinander theilten und neue Eroberungen machten. a) Eroberung Thuringens (um 530). Das Reich der Thiiringer Um 530 . erstreckte sicli von der unteren Elbe bis an die Douau. Mit Hilfe der Sachsen besiegte der alteste Sohn Chlodwigs, Theoderich von Metz, die Thiiringer, deren Konig Hermenefried im Nibelungenlied als Irnfrid am Hofe Etzels erwahnt wird, und machte sich das Land botmiifiig: der nordliclie Theil fiel an die Sachsen, das Land am Main wurde von frankischen Colonisten besetzt und nachmals nach ihnen benannt. Der Name Thuringen hat sich nur in der Land- schaft ostlich vom Thuringerwald erhalten. b) Eroberung Burgunds (532). Sie war das gemeinsame Werk 532 . der jiingeren Briider. c) Unter\verfung der Alamannen. Die bisher noch freien Ala- mannen in Suddeutschland und in der Schweiz unterwarfen sich ebenso wie d) die Bayern der frankischen Herrschaft. Die Bayern oder Baju- warier =. Manner von Baias (Bolimen) sind swebisch-markomannischen Ursprunges. Sie liefien sich in der ersten Halfte des 6. Jahrhunderts in den von den Romern verlassenen Gegenden zwischen der Donau, dem Lech und den Alpen nieder und besetzten im Wege der Colonisation im 8. Jahrhunderte theilweise auch Karnten und Steiermark. Ergebnis. Somit war das frankisclie Reich iiber ganz Gallien auBer Septimanien (die Provence hatte Witichis abgetreten) und alle deutschen Stiimme auBer den Sachsen und Friesen ausgedehnt. 2. Die spateren Merowinger. Zerfall des Reiches. Das ge- sammto frankische Reich wurde zwar noch zweimal in einer Hand vereinigt, das erstemal durch Chlodwigs jungsten Sohn Chlotar I. (558—561), das zweitemal durch dessen Enkel Chlotar II. (613 — 628); 558 — 561 . gleichwohl veriiel es rasch. Die wiehtigsten Ursachen liievon sind: 613 — 628 . a) die fortwahrenden Theilungen; b) die korperliche und geistige Sclnvache vieler Merovvinger, namentlich nach Chlotar II.; c) die Unbotmabigkeit der Grofien; d) die nationalen Gegensatze im Reiche. In der Regel zerfiel das gesammte Reich in drei Theilreiche, namlich Austrasien, das rein germanische Gebiet im Osten der Schelde und Maas, Neustrien CVVestland), das Land westlich davon, und Burgund, welches die Rhonegegenden umfasste. ?8 Erster Zeitramn. .086 rali 686 ,- 714 . 687 . 719 — 741 . .16 . 81 : 732 . D. Wiedererhebung des franklschen Reiches unter dem Einflusae der Karolinger. Die Karolinger. Die Gegensiitze im Reiche zuriickzudrangen und die Einheit desselben wieder zu sichern, war die nachste Auf- gabe der Karolinger, eines deutschen, in Austrasien reichbegiiterten Geschlechtes, das nach Karl dem Grofien benannt wird. Der Aus- gangspunkt ihrer Thatigkeit war ilire Stellung als Herzoge in Au¬ strasien, woneben sie zeitweise auch die Wiirde eines Major domus («Hausmeier»), d. h. das hochste Hof- und Staatsamt in Austrasien wie auch im ganzen Reiche, erwarben. 1. ) Pippin der Altere. Er fiihrte unter Chlotar II. mit Arnulf von Metz, dem zweiten Stammvater der Karolinger, die Regierung in Austrasien. 2. ) Pippin der Mittlere (688 — 714). Seit Chlotar II. waren Neustrien und Burgund unter einem Konige und meist auch einem Major domus vereinigt. Gleicliwohl war infolge der Ausschreitungen der Groben gerade in diesen Landen, und namentlich in Neustrien, die Zerriittung grofier als im Osten. Schon hatte sich Aguitanien, d. h. das Land siidlich von der Loire, vollig vom Reiche losgelost, als diesem in dem karolingischen Hausmeier Austrasiens, Pippin dem Mittleren, dem Enkel des alteren Pippin, ein Retter erstand. Mit kraftiger Hand griff er in die neustrischen AVirren ein. Er schlug den Adel Neustriens bei Tertry an der Somme (687) und wurde dadurch Major domus des ganzen Frankenreickes, das er that- sachlich beherrschte. 3. ) Karl Martell (der *Hammer», 719 — 741) konnte erst nach mehrjahrigen Kampfen mit den neustrischen Grofien das Major- domat des gesammten Frankenreiches erlangen. Er wusste mit starker Faust die abfallslustigen Bayern und Alamannen in Ab- hangigkeit zu erhalten und machte auch der Selbstandigkeit der Friesen ein Ende. Seine grofite That war der glanzende Sieg iiber die Araber zwischen Tours und Poitiers (732), die liber die westlichen Pyrenaen in Gallien eingedrungen waren. Es war dies ein Sieg von weltgeschichtlicher Bedeutung, indem durch ihn die christliche Cultur des Abendlandes vor der Vernichtung durch die Araber gerettet ward. 4. ) Karlmann und Pippin. — Entthronung der Merowinger. Im Vollgefuhle seiner Macht und uiibektimmert um den merovvingischen Thron, der seit 737 durch sechs Jalire unbesetzt blieb, theilte Karl das Reich unter seine beiden Soline Karlmann und Pippin (den Kurzen). Verfassung des frankischen Reiches. 29 Diese erhoben zwar noch einmal einen Schattenkonig aus meroiviiigb sehem Hause, Childerich III.; nachdem aber Karlinami in ein K bister gegangen war, macbte Pippin auch dem Namen nacli dem meruVingi 1 - schen Konigthum ein Ende. Mit Zustimmung des Papstes Zachkri&k, der hochsten moralischen Autoritat des Abendlandes, lie& Pippin vtili dem nach Soissons berufenen Reichstage den ohnmachtigen 1 Gbilde- 1 rich III. in ein Kloster verweisen und sich seJbst a/s Konig 'aner- kennen (751). ni dom: / 'ieb ".■Alr.ihasnlri II. Verfassung des frankischen Reiches; gesellschaftliche Zustande. 1 l ■! i 1. Das Konigthum. Der Konig hatte, \vie der mittelalterliolid Ivonig iiberhaupt, zwei Hauptaufgaben: Schutz des Friedens,;Paoli aufieri und Wahrung der Rechtsordnung im Iiiuern. Fiir den ersteren Zweck hatte er die Fiibrung des Heeres und sChlosš Frieden und Biindnisse, fiir den letzteren verfiigte er iiberi dih Geriehtsbohoit und den Bann 2 ; kraft jener setzte er die Grafen (Richter) ein,.: kraft dieses komite er Strafgebote erlassen. i , .. . i : •• >f> 2. Staatliche Gliederung des Reiches. Es sind Provinzen (Herzogthiimer), Gaue oder Grafschaften uiid Hundertfcčhaften zu berucksichtigen. Die Provinzen waren die Stammekgebiete, z. B. Austrasieiij Neustrien u. s. w. Die Gaue 3 traten anstello der Volkeršchaftsstadten der Urzeit und waren die eigentlieheii Ve rival tvngsbežfrke. Jedem Gaue stand ein Graf vor, so dass der Gau zur Grafbchaft' wurde. Die einstigen 1/undertschaften waren jetzt die ordentlichen Gerichts 2 - sprengel; denn wenn auch der Gtkf- Richter - war, so iibte er die Rechtspfiege doch an den alten Dingst&tteii in den Hundertschaften aus, deren ein Gau durchschnittlich vier hatte: < 1 3. Beamte. a) Staktsbeamte. Es gaW HundettSchafts-, Gau- und Provinzbeamte; es waren dies der Schultheifi, ddr Graf und det Herzog. Der SchultheiB (= Schuldeneinforderer) war der Gerichts- vollzieher und Stellvertreter des Grafen, def ihri einsetžte. Dor Graf 1 »Dem Konige war nichts gelasseu vvorden, ais dass er, zufrietlen mit dem bloBen Ivoiiigsnameu, mit herabhangendem Haar und ungescborenem Iiart auf dem Throne saB und den auflern Scliein des Herrsehers gefioss. » '(Emin; Iiaheii Karls). 2 Bann bedeutet Strafrecht und Strafo. In den ehemals rbmischen Provinzen ivnrden die : Stadtgebiete;(I. 1 138) ais Gaue betrachtet. 751. 30 Erster Zeitraum. war der ordentliche Richter, iiberwachte alle offentlichen Einnahmen — Rechtspfiege und Verwaltung waren im Mittelalter ebensowenig wie im Alterthume getrennt — und befehligte die Mannschaft . 1 2 Als Einnahmen bezog er ein Drittel der gerichtlichen Gefalle und hatte gewisse, mit dem Amte verbundene Gtiter. Der Herzog hatte den Oberbefebl iiber alle Aufgebote des Herzogthums. h) Hofbeamte. Die vier hochsten Hofbeamten, welche allmahlich auch in staatlichen Angelegenbeiten Verwendung fanden, waren: der Seneschalk , 3 der Vorstand des ganzen Hauses, unter den Karolingern Truchsess genannt; der Marschalk, der Aufseber liber die Marstalle; der Kammerer, der Aufseber iiber den Schatz und den ganzen Hausrath, und der Schenk. AuBerdem gehorten zum Hofe die Mitglieder des koniglichen Gefolges (Antrustionen). Am einflussreichsten unter allen wurde der Seneschalk, der spater unter dem Namen Major domus der Vorgesetzte aller Hof¬ beamten wurde und aucli auf die staatlichen Angelegenheiten ent- scbeidenden Einfluss gewann. Bei Minderjahrigkeit oder Abvvesenheit des Konigs war er der Reichsverweser. Pippin schaffte nach seiner Kronung das Amt ab. 4. Rechtswesen. Das Strafrecht zeigt bereits einen Fortschritt, indem die Felide hauptsacblicb auf Falle von Todtung, Entfiihrung und Ebebrucb eingeschrankt ist. Zu den alteren Beweismitteln kamen noch die Urkunden. Strafbestimmungen sind der Hauptinhalt der vierzehn germanischen Stammesrechte, welche mit Ausnahme des angelsaclisischen allmahlich in lateinischer Sprache aufgezeichnet wurden. Wahrend der Germane nach seinem Stammesrechte gerichtet wurde, wo immer er sicb aufhalten mocbte, blieb fiir die Romanen iiberall das romische Recht verbindlich. Man unterschied das «ec/jfe», d. h. regelmiihige Ding und das «gebotene », welches nur in besonderen Fallen abgebalten wurde. Sie wurden in den Hundertschaften, aber fiir den ganzen Gau giltig, abgebalten ; alle mundigen Freien hatten zu erscheinen. Das Ur- tlieil wurde von sieben Ratbgebern (Rachiinburgen) vorgescblagen, von den iibrigen Freien, dem Umstande, bestiitigt. AuBerdem bestand das konigliche Hofgericht, an vvelches jeder Recbtsfall gelaugen 1 Vergl. dagegen die Trennung der Civil- und Militiirgewalt in der romisclien Kaiserzeit (I. 196). 2 Urspriingliche Bedeutung: «Altknecht», womit die unfreie Geburt be- zeichnet ist. Zustande im Merowingerreiche. 31 konnte, dem aber ausdriicklicli vorbehalten waren: die Verhangung der Reichsacht, Todesurtheile iiber freie Franken, Entscheidung liber Amtsvergehen u. s. w. 5. Heeresverfassung. Die Franken dehnten die Wehrpflicht aucb auf die Romanen des Reiches aus. N ur der Konig konnte das Heer aufbieten; wer dem Aufrufe nicht folgte, wurde zu einer bohen Geld- strafe, dem Heerbanne 1 , verurtheilt. Zu Chlodwigs Zeit fand jahrlich eine allgemeine Versammlung des Heeres, Marzfeld genannt, statt, die von Pippin dem Kurzen auf den Mai verlegt wurde und nach dem Tode Karls des Groben eingieng. 6. Entstehung des Lehenswesens. Das Lehenswesen entstand aus der Vereinigung von zwei urspriinglicb getrennten Einrichtungen, dem Beneficial- und dem Vasallitatsivesen. a) Beneficiahvesen. Es ist kircblichen Ursprunges. Die durch Schenkungen reich gewordene Kircbe gab namlich Grundstiicke zu- meist zu lebenslanglichem Nutzgenusse weg, und solclie Leben (von ‘leihen») nannte man Beneficien 2 , d. b. Wohlthaten, weil die dafur verlangten Dienste aufierordentlich gering waren. Nach dem Beispiele der Kirche haben dann aucb die Konige und weltlicben Groben Bene¬ ficien weggegeben. b) Vasallitat. Vasse oder Vasall bedeutete urspriinglicb einen unfreien Diener, spater einen Freien, welcber sich in den Schutz eines Grobgrundherrn (Senior, Seigneur) begab und in einem beson- deren Eide versprach, ihm dafur treu dienen zu wollen allerwegen, vornebmlich in der Noth des Kampfes. So bildeten sicb allmaldicb neben dem Gefolge des Konigs Privatgefolge, Brivatheere der GroBen, die wahrend der Reclitsunsicherheit des 7. Jahrhunderts auberordentlich anwucbsen. c) Verbindung des Beneficiahvesens mit der Vasallitat. Um einerseits die weltlichen Groben an sicb zu fesseln und anderseits dcren kriegerische Leistungsfabigkeit zu vermehren, zog Karl Martell einen groben Tlieil der kircblichen Giiter (Sacularisation) ein, verlieb davon den Groben Beneficien und zwang sie, in ihrer kriegerischen Stellung zum Herrscher dieselben Lebensgrundsatze zu befolgen, 1 Erst seit dem 13. Jahrliunderte wird mit diesem Worte dns Heer selbst bezeichnet. 2 Spiiter witd dafiir audi die Bezeicliouiig Feudum (altliochdeutsch fe-od = Besitz) gebriiuchlich. 32 Erster Zeitraum. 8ifeT fiii - ihr Gbfolge’Umen gbgeniiber galten. Indem uh er die Bene- /icibrteri 'dem &6riigb ■ h4e besoiidere freue der Gefblgschaft schwuren, wurden sie dessen Vusul len. Damit \var im 'vvesentlichen die Verbimdufag 1 beider Einrichtungeh volkogen. Militarische Ruck- sichten waren es, ans demdn sie erfolgte. 7. Firianzwesen. Infolge der Abhangigkeif des Mehschen vdn der NiUhr geht Gbera.Il die Natural- der Gehhvrrtschaft voran: daher saiik aučli damals die stkdtisehe Cultur der Romerzeit in die bauefliche : zuruck, : die ! im Gegensatze zur ! stkdtischen (»eld- eine Natural wirtschaft ist, bei velcher die Bedurtnisse 'eiMš \Virtschafts- J kreises, z. B. eines Buucrnho/es, dutch die Erzeugnisse desselben Wirtschaftskreises gčdeckt \verden. 1 Infolgedessen musfite 1 auch das romische Finanzvvesem-gl. 197) verfallen. 1.) Binnuhmnn des Btaates: Die meisten Einnabmen lieferten die iileradsi zablreichem Mronguter, die theils fiir den Hof bewirt- sehaftetj tlkeilfe gegfen Leistungen (Abgaben, Diehste) anderen tiber- lassdn wurden. Iiiezh kamen Zolle, Tribute, Beute, Banngelder, niimpntliob dei’ Hberbann. k.) 1 Aušgaben. Aufier der Erhaltutig des Hofes kamen fast nur Geschenke in Betracbt, da die Wehrpflichtigen sich šelbst ausriisteten und verpflegten (I. 129), die Rechtšptiege Einualimen liefbrte, die Verwaltungsgescliafte nnbeder,remi v.-iron umi um eigentliebe Cultur- anfgaben (Unterricht [I. 140] u. s. w.i der Staat siob nieht kiimmerte. 3.) J Tiinzwesen. Infolge des verhaltiiism&Big regen Handels- keikebres; der von Marseille aus mit den Provinzen dbs byzantinischen Rbicbes unterluilten wurde, fiibrten die merowingišchen Konige (seit 543) die bjzantinische Miinzordnuiig in ibrem Reiche ein. Neben dem Goldsolidus 2 (Schilling; ungef&hr fl.) gab es als Scheidemiinze den Silberdenar \W kr.).' Unter den Karolingern wurden nur Silbermiinzen gepragt, und zwar galt nach dem von Karl dem Groben eingefulirten und bis ius 12. Jahrhundert bei- behaltenen Muiizfu&e der Solidus etwa 2 tl. 70 kr., der Denar 23 kr. Doch war d!er Geldumlauf infolge der Naturalwirtschaft nur ein geringer, die grobe Masse bedurfte des Geldes zu ihrem Giiter- austausche so gut wie gar nickt. l-*m—■ - ■ ; ;t:nsorX. ji:=x Ini n 9 tud) mi rund, ;:l rrV, ti-n j >:\ ' Die Griechen giengen im 7. uud 6., die Romer im 5. und 4. Jalirhunderte zur Geldwirtschaft uber. 2 Constantin fiihrte den Goldsolidus anstelle des Aureus (I. 177) ein. Gregor der GroBe. 33 8. Die Stande. Der alte Geburtsaclel wurde durch den Dienst- adel verdrangt. Dieser setzte sich aus den hoheren Beamten, den Bischofen, den Grobgrundbesitzern und den Gefolgsleuten des Konigs zusammen. Die Freien zerfielen in diejenigen, welehe sich, zunachst ohne ihre Freiheit zu verlieren, auf den Giitern der Grobgrund- besitzer angesiedelt liatten und unter deren grundherrliche Gewalt gerathen waren, und in diejenigen, welche sich hievon unabhangig erhalten hatten. Die letzteren nahmen an Zahl immer mehr ab. Die Horigen (Liten, Barschalke u. s. w.) waren nicht mehr Staatseigen- thum, sondern einem Herrn verpflichtet, von dem sie gegen Zins und Frohndienste ein Ackerland erhielten, das sie nicht willkiirlich verkaufen durften. Die grobe Menge abhangiger Romanen (I. 194) wurde zu diesem Stande geschlagen. Die Horigen konnten frei- gelassen werden. Die Unfreien galten zwar noch immer als Sache, doch fanden sie auch sclion staatliclien Schutz gegen Ungerechtig- keiten ihrer Herren. Die Besserung ihres Loses nahm so zu, dass sie unter den Karolingern von den Horigen nicht mehr unterschieden wurden. 9. Das Grundeigenthum. Bei der Eroberung Galliens fiel alles Staatsland, sowie das herrenlos gewordene Privatland, dem Konige zu; den einzelnen Romanen blieb dagegen, was sie als Privatgut besaben. Der Konig versclienkte Theile dieser Landereien an seine Volksgenossen, und zwar hauptsachlich an Grobgrund- besitzer, die leichter ein Ertragnis erzielen konnten, weil sie ihre Giiter mit Hilfe von Unfreien und Horigen bewirtschafteten. So entstanden eigene Hofgemeinden, die vom betreffenden Herrn ab- hangig waren. Drittes Capitel. Die Kirche im Zeitalter der Merowinger. Gregor I. der GroCe. Christianisierung der Angelsachsen und der Deutschen; Bonifatius. Eiitsteliung neuer Irrlehren. Das Monchswesen. Der Sieg des Christenthums schuf im Gegensatze zum antiken Staate ein selbstandiges kirchliches Gebiet neben dem weltlichen. Iiiedurch wurde die ganze Folgezeit machtig beeinflusst. Zeelie-Rebhann, Gesch. f. d. ob. Gl. d. Realschulen, II. 3 sc 34 Erster Zeitraum. I. Zunehmende politische Bedeutung des Papstthums. Rom und das Papstthum. Gregor I. der GroBe (590 — 604). Seitdem Ravenna anstelle Roms Kaiserresidenz geworden (I. 201), iiber- nahmen die Papste, welche iufolge zablreicber Schenkungen schou im 4. Jahrhunderte den grofiten Grundbesitz in Italien hatten, mit der Sorge fur Roms Wohlfahrt im allgemeinen aucb den Schutz und die Vertheidigung der Stadt gegen ihre aufieren Bedranger. Dadurch gewann das Papstthum zu dem kirchlichen mehr und melir auch politischen Einfluss. Zu ganz besonderem Ansehen aber gelangte es durcb die Thatigkeit Papst Gregors I. des Groben. Indem dieser gewaltige Papst Rom nicbt nur gegeu die Langobarden kraftvoll vertheidigte, sonderu aucb gegen die Beamten der eigenen kaiserlichen Regierung unerschrocken in Scbutz nahm, schwang er sich in den Augen der Bevolkerung thatsachlich zum Herrn Roms auf. Und in¬ dem er ferner den Ubertritt der Langobarden und der Westgothen zum Katbolicismus forderte und die Bekehrung der Angelsachsen leitete, wurde er der geistige Mittelpunkt des christlichen Europa und der eigentliche Begrunder der mittelalterlichen Papstgewalt. 11. Christianisierung der Angelsachsen und der Deutschen. Von den germanischen Stammen waren auber den Skandi- naviern nur noch die Angelsachsen und die in Deutscbland zuriick- gebliebenen Volkerschaften heidnisch. 1. Bekehrung der Angelsachsen. Als einst Gregor L auf dem Sclavenmarkte in Rom einige angelsachsische Junglinge zum Ver- kaufe ausgestellt sah, beschloss er, von ihrer Schonheit geriihrt, das Volk zu bekehren, und scbickte deshalb 40 Monche unter dem Abte Augustin nach England, welcher den Konig Ethelbert von Kent bekebrte und das erste Bisthum in Canterbury begriindete. Innerhalb eines Jahrhunderts wurde das ganze Volk christlich; aus England giengen die Glaubensboten zur dauernden Bekehrung der Deutschen hervor. 2. Bekehrung der Deutschen. a) Irische Mission. Den Anfang mit der Bekehrung der Deutschen machten Glaubensboten aus Irland, das durch den h. Patricius (um 440) bekehrt worden war. Der erste 600 — 610 . war Columban, welcher durch 10 Jahre (600 — 610) in den Vogesen und am Bodensee (um Bregenz) wirkte. Sein Schiller Gallus griindete 688. St. Gallen. Ein dritter Irlander, der h. Kilian , war um 688 im frankischen Mainlande thatig, wahrend um dieselbe Zeit (696) der Bouifatius. Irrlehren. 35 Franke Ruprecht, gleichfalls ein Schiller Columbans, unter den Bayern das Christenthum verbreitete, den Herzog Theodo taulte und durch Errichtung eines Doppelklosters auf den waldbewachsenen Triimmern des romischen Juvavum den Grund zur Stadt Salzburg legte. Doch entbehrte die junge Kircbe in Deutschland nocb einer festen liierarchischen Ordnung und eines engeren Anscblusses an Rom. Beides brachten angelsachsische Missionare, unter denen Winfried (Bouifatius) der einflussreichste war. h) Bonifatius. 1.) Seine Thatigkeit a/s Missionar. Bouifatius begann seine Missionsth&tigkeit um 720 bei den Friesen, predigte Um 720. dann namentlich in Thiiringen und Hessen, errichtete uberall Ivirchen (Vorfall in Geismar) und kleine Kloster, machte drei Reisen nach Rom und wurde vom Papste zum Erzbischofe von Deutschland erhoben, als welcher er seinen Sitz in Mainz nahm, das daher die angesehenste deutsche Metropole im Mittelalter war. Da ihn diese Stellung nicht befriedigte, begab er sicli als Missionar nach West- friesland, das zwar schon zum frankischen Reiche gehorte, aber noch grofitentheils heidnisch war. Schon hatte er bedeutende Erfolge erzielt, als er in der Nahe von Dokkum von Heiden iiberfallen und sammt seinen Genossen erschlagen wurde (754). Nach drei Tagen 754. wurden die Morder von den Christen des Landes getodtet, die ubrigen Heiden bekehrten sich. 2.) Seine kirchenorganisatorische Thatigkeit. Er organisierte die deutsche Kirche, indem er mehrere Bisthumer (\Viirzburg, Eich- stadt, Buraburg bei Fritzlar, Regensburg, Freising, Salzburg und Passau) als Mittelpunkte grofierer Sprengel, Diocesen genannt, er¬ richtete, beziehungstveise erneuerte, 1 die Bischofe den Erzbischofen unterordnete und die gesammte frankische Kirche in ein enges Ab- hangigkeitsverhaltnis zum Papste braclite. Unter seinen zahlreichen Klostergriindungen ist besonders das Kloster Fulda zu nennen, das durch mehr als 100 Jahre ein Hochsitz deutscher Cul tur war. In allen seinen Unternehmungen genoss Bonifatius die Unterstiitzung der Karolinger, namentlich Karl Martells und Pippins. III. Entstehung neuer Irrlehren. Wahrend durch die Beseitigung des Arianismus im Abendlande die Einheit des kirchliclien Glaubens liergestellt wurde, entstandeu im ostromischen Reiche verschiedene Irrlehren, welclie namentlich 1 Versuche, in Bayern eine kircliliche Organisation zu schaffen, lassen sich seit der Thatigkeit Ruprechts daselbst nachweisen. 3 * 36 Erster Zeitraum. die Doppelnatur des Erlosers zum Gegenstande hatten. An den Streitigkeiten, welche daraus hervorgiengen, betheiligten sich auch das Volk und der kaiserliche Hof in lebhaftester Weise. Zu einer Er- schtitterung des Gesammtreiches fiihrte der an Gewaltthaten und 717 — 741 . Emporungeu reiche Bildersturm , den Kaiser Leo III. (717-—741) durch das Ver bot der Bilderverekrung entfachte, und der nacb mehr 842. als lOOjahriger Dauer durch das Concil von Constantinopel (842) gegen die Bilderstiirmer entschieden. wurde. Durch diese Verhalt- nisse wurde friihzeitig die morgenlandische Kirche der romischen ent- fremdet. IV. Das Monchswesen. Im Gegensatze zum Morgenlande erfuhr im Westen (I. 202) das Monchswesen eine hochst segensreiche Entwickelung. Entscheidend 529. hiefiir war die Thatigkeit des h. Benedict, der im Jahre 529 zu Monte Cassino das Mutterkloster des Benedictinerordens griindete. Er verpflichtete namlich die Monche nicbt nur zum Gebete, sondern auch zur Arbeit. Diesein Orden verdankt das Mittelalter die \vichtigsten Fortschritte in geistiger und materieller Beziehung ; denn: 1.) die Monche schufen Wald und Haide in bliihendes Ackerland um und wirkten durch die rationelle Bebauung des Bodens sowie die Ver- breitung der Obst- und Weincultur anregend; 2.) sie bewahrten die Uberlieferungen kunstlerischer Teclmik als Architekten, Biklhauer, Maler, Schreiber; 3.) sie retteten durch Abschreiben der antiken Werke wenigstens einen Theil derselben; 4.) aus ihrer Mitte giengen zahlreiche Missionare hervor; 5.) sie schufen fast die gesammte kirchliche Bildung des Mittelalters, die sie in ihren Schulen der Jugend vermittelten; 6.) sie tibten als Rathgeber der Flirsten auch einen bedeutenden politischen Einfluss aus. Viertes Capitel. Literatur und Kunst im Zeitalter der Merowinger I. Die Literatur. Um 600. a.) Poesie. Um das Jahr 600 fallt die Blute des deutschen Ileldengesanges. Wie der auderer Volker (I. 28, 53), bat auch der deutsche Heldengesang seinen Ursprung in einer groben Volks- bewegung. Der Inhalt der altdeutschen Heldensage umfasst die Grofithaten der Volkerwanderung; er erstreckt sich iiber ungefahr Literatur und Kunst. 37 300 Jalire, iiidem er mit dem gothischen Konig Ostrogotlia (um 250) beginnt und mit dem Einzuge der Langobarden in Italien endet. Die Sanger begleiteten die Heldenlieder mit der Harfe; sie waren an den Fiirstenhofen gerne gesehen (L 54) und wurden erst im zehnten Jabrhunderte von possenreibendeu Spielleuten verdrangt. Doch ist von den zahlreichen deutscben Heldenliedern, die miind- lich fortgepflanzt wurden, nur das Bruchstiick des Hildebrandsliedes erhalten (um 800). Dagegen besitzen die Englander aus der zweiten Um 800. Halfte des siebenten Jahrhunderts das Beo\vulf-Epos, dessen Held einen Unhold todtet, aber im Kampfe mit einem feuerspeienden Drachen fallt. b) Prosa. Da im Abendlande die Wissenschaften wahrend des Mittelalters von der Kirche geptiegt wurden, war die lateinische Sprache auch die Sprache der Wissenschaften. Die beiden hervor- ragendsten Sehriftsteller der Merowingerzeit sind Gregor von Tours (um 550), dessen Werk «zehn Biicher frankischer Geschichte* die Um 550. Hauptquelle fiir die zweite Halfte des sechsten Jahrbunderts ist, und Beda (um 700), ein angelsachsischer Monch, der durcli seine Um 700. geschichtlichen und mathematisch-astronomischen Schriften einer der einflussreicbsten Lehrer des Mittelalters wurde. Der Orient geht seinen eigenen Weg, denn sclion seit Justinian wurde im byzantinischen Reiche die griechische Sprache vorherrschend. Der Thatigkeit der byzantinischen Gelehrten verdanken wir die Er- haltung des grofiten Theiles der auf uns gekommenen altgriechischen Literatur. II. Die Kunst im ostromischen Reiche. Die Kunst steht im Mittelalter wesentlich im Dienste der Kirche. Weitaus am wichtigsten ist die Baukunst, der die anderen bildenden Kunste untergeordnet sind. 1 a) Baukunst. Die wichtigsten Bauten sind Kirchen, deren Baumeister bis ins 13. Jahrhundert Geistliche sind. Wahrend das Abendland am Basilikenstil (I. 203) festhielt, wurde in Constantinopel der bjzantinische ausgebildet. Die Unterschiede liegen in der AnJage des Baues, in der Capitalform und in der Art der Ausschmiickung. 1 Vergleiche die ahnlichen Verhaltnisse im Orient und in der iilteren griechischen Zeit. 38 Erster Zeitraum. 1. ) In der Anlage der Kirchen kam n a eh dem alles tiberragenden Vorbilde der Sophienkirche der Centralbau mit der Kuppel iiber einern ganz oder annahernd quadratischen Grundrisse zur ausschliefi- licben Herrschaft. 2. ) Das Capital ist ein abgeschragter Steinwurfel, dessen vier trapezformige Seiten mit Flachreliefs verziert sind. 3. ) Unter Vermeidung fast aller plastiscben Gliederung durch Gesimse, Profile u. s. w. werden die Wande mit bunten Marmorplatten bedeekt (I. 14) und wird die Kuppel mit Mosaiken auf Goldgrund geschmiickt. Der byzantinische Stil verbreitete sich namentlich liber alle jene Lander, welche von Byzanz das Christentbum erhielten, so hauptsach- Um 1000. licb nacli dem um das Jalir 1000 christlich gewordenen Russland, \vo aber die Kuppel die unschone Zwiebelform erhielt. Im Abendlande geboren ihm S. Vitale in Ravenna aus der Gothenzeit, die Marien- kirche Karls des Grofien in Aachen, die Marcuskirche in Venedig (11. Jahrb.) an. b) Plastik und Malerei. Kunsthandwerk. Infolge des Bilder- sturmes gieng die Plastik im Oriente fast ganz ein. Dagegen behauptete die Malerei in der griechischen Kirche einen sehr be- deutsamen Platz, indem sie namentlich jene Tvpen Cbristi und der Heiligen sebuf, obne welche ein Kirchengebaude im byzantinischen Stile gar nicht denkbar ist. Bedeutend waren die Leistungen des byzantiniscben Kunst- handwerkes. Die Stickereien der Byzantiner, ilire Arbeiten in Metali, Email und Edelsteinen, ihre Elfenbeinschnitzereien und vor allem ilire Mosaikbildnerei waren beruhint und weithin begebrt. Filnftes Capitel. Der Islam. 1. Mohammed. Wabrend das Innere Arabiens grofitentheils von Beduinen be- wobnte Wiiste ist, entwickelte sicb an der Westseite in den jetzt turkischen Provinzen Hedschas und Jemen infolge der reichlicheren Niederschlage ein stadtisebes Leben. Hedschas, wo die Stadte Mekka und Medina liegen, war von den Ismaeliten, Jemen von den Jokta- niten bevvohnt. Beide Stamme leiteten ibren Ursprung von Abraham Mohammed. 39 her; doch war ilir Glaube Vielgotterei. Ihr Nationalheiligthum war die Kaaba, ein kleines, wiirfelf6rmiges Gebaude in Mekka, das einen schwarzen Stein, wahrscheinlich ein Meteor, enthielt, der dem hochsten Gotte, Allah, lieilig war (Fetisch, I. 7). Die priesterlichen Verrichtungen in der Kaaba besorgte ein Zweig der Ismaeliten, die Koraischiten; diesem geliorte auch Mohammed an. 1. Aus dem Leben Mohammeds. Mohammed wurde in der Handelsstadt Mekka geboren und nach dem friihen Verluste seiner Eltern von einem armen Oheim aufgenommen, der ihn dem Kauf- mannsstande zufiihrte. Anf Handelsreisen nach Syrien lernte er die Vorzuge des Christenthums und Judenthums gegeniiber dem arabi- schen Sterndienste kennen, und seitdem gab er sicli mehr religiosen Betraclitungen als kaufmannischen Unternehmungen hin. Infolge der Vermiihlung mit einer reichen Witwe konnte er vollig seiner Neigung leben; er brachte jahrlich einen Monat in einer Hohle bei Mekka zu, wo verschiedene Visionen in ihm die Uberzeugung weckten, dass ihn Gott zum Glaubensboten bestimmt habe. Doch fand er mit seinen Lehren nur bei seinen nachsten Vervvandten Anklang; als er offent- lich zu predigen begann, wurde er von den um ihren Einfluss besorgten Koraischiten aus Mekka vertrieben (622). Er fioh nach 622. Medina. (Von dieser «Flucht» [Hedsclira] an begann spater die mo- hammedanische Zeitrechnung nach Mondjahren.) Von Medina aus gelang es ihm nicht nur, Mekka zur Annahme seiner Lehre zu zwingen, bald war ganz Arabien bekehrt oder untervrorfen. Er starb ohne Hinterlassung eines Sohnes, 63 Jahre alt, im Jahre 632. 632. Mohammed war ein hervorragender Politiker, ein groher Redner, auch auf der Hohe seiner Macht einfach. Leidenden und Armen spendete er Trost und Hilfe, wo er konnte. 2. Der Islam 1 (= Unterwerfung unter Gott). Die fiinf Haupt- forderungen des Islam sind: der Glaube an den einen Gott Allah und seinen Propheten Mohammed; taglich fiinfmaliges Gebet, das Antlitz gegen Mekka gerichtet; Fasten ; Almosengeben und mindestens einmal eine Pilgerfahrt zur Kaaba. Fiir besonders verdienstlich er- klarte Mohammed die Ausbreitung seiner Lehre mit den Waffen. Da er den Glauben an ein unabanderliches Schicksal (Fatalismus) lehrte, sttirzten sich seine Anhanger mit wilder Begeisterung in den Kampf. 1 Daher Moslem, Pl. Moslemin, woraus in Deutschland Muselmanner gemaclit wurde. 40 Erster Zeitraum. Mohammed hat seine Lelire nur auf losen Palmenblattern, Steinen u. dergl. aufgezeichnet; bald nach seinem Tode wurden diese gesammelt, wodurch der Koran, die Bibel der Mohammedauer, ent- stand. Einige Jahrzehnte spater fand eine Nachlese von angeblichen Ausspriichen des Propheten statt (Sunna). 632—661. 11. Das Wahl-Chalifat (632 661). Die Chalifen, d. b. die Nachfolger, bekleideten die hochste geist- liche und weltliche Wiirde, die sie durch Wabl erhielten, und nahmen ihren Sitz in Medina, wo Mohammed begraben worden war. Als ihre Hauptaufgabe betrachteten sie die Ausbreitung des Islam mit dem Schwerte, weshalb sie besonders mit dem byzantinischen und dem persischen Reiche in Kriege geriethen. Die Wahl-Chalifen sind Abu Bekr, Omar, Othman und Ali; Abu Bekr war der Sclrmeger- vater, Ali der Schwiegersohn des Propheten. Unter diesen Chalifen 634—644. war Omar (684 — 644) der eigentliche Begriinder der arabischen Weltherrschaft. Er selbst vollendete die schon von Abu Bekr be- gonnene Unterwerfung Sjriens, wahrend von seinen Feldherren Saad das neupersische Reich, Amru Agypten eroberte, wo Memphis nieder- gebrannt und Cairo als neue Hauptstadt erbaut wurde. Die Aus¬ breitung des Islam wurde auch dadurch nicht aulgehalten, dass die letzten drei Chalifen ermordet wurden. 661—750. 111 . Die omajjadische Dynastie (661—750). Ali musste dem Omajjaden Mua\via I. tveichen, welcher Statt- halter in Syrien getvesen war. Mit dem Wechsel des Herrscher- geschlechtes vollzog sich auch eine bis zur Stunde fortdauernde religidse Spaltung der Mohammedauer in Sunniten, welche die Sunna anerkannten, und in Schiiten 1 , welcho sie vertvarfen. Mit Muawia kam die Partei der Sunniten zur Herrschaft. Muawia machte das Chalifat erblich und erhob das glanzende Damaskus zu seiner Residenz. Auch unter den Omajjaden wurden im Osten und im Westen die Eroberungen fortgesetzt. 1. Eroberungen auf Kosten des byzantinischen Reiches. Die Araber entrissen diesem in Asien einen Theil Ivleinasiens, in Afrika den ganzen Nordrand (endgiltige Vernichtung Carthagos 698), wo seitdem Arabisch die Verkehrssprache geblieben ist, in Europa 1 Von Selila, Aufangerschaft. Die Tiirken sind Sunniten, die Perser Schiiten. Die Omajjaden. 41 Sicilien, Corsica und Sardinien. Die Eroberung Constantinopels scheiterte zum Heile des Christenthums an der festen Lage der Stadt und ihrer Vertheidigung durch das griechische Feuer 1 . 2. Eroberung Spaniens. Diese wurde durch die unseligen Zu- stande im westgothischen Reiche veranlasst. Als daselbst die Grofien Roderich, von dem die Geschichte fast nur den Namen kennt, zum Konige wahlten, rief eine Gegenpartei die Araber aus Nordafrika herbei. Musa, der Statthalter von Nordafrika, sandte seinen Unter- feldherrn Tarik nach Spanien. Dieser schlug die Westgothen in der siebentagigen Schlacht bei Xeres de la Frontera (711), worauf er Toledo, die Hauptstadt, und, gemeinsam mit Musa, alles Land bis an die Pyrenaen eroberte. Nur das nordwestliche Gebirgsland er- hielt sich unabliangig; von ihm gieng die Wiedereroberung der Halbinsel aus. Den Versuc.h der Araber, auch Frankreich zu erobern, wies Karl Martell fiir immer zuriick. Mit der Eroberung Spaniens hatte das arabische Reich seine grofite Ausdehnung erlangt. 3. Sturz der Omajjaden. Der Sturz der Dynastie wurde durch Streitigkeiten im regierenden Hause selbst herbeigefiihrt. Ahul Abhas, ein Urenkel eines Oheims des Propheten, erhob sich und siegte iiber den letzten omajjadischen Chalifen am ZabHusse (750). 2 Der Sieger lockte 90 Prinzen des gcsturzten Hauses nach Damaskus, wo sie bei einem Gastmahle ermordet \vurden ; der einzige Abderrhaman entkam glucklicli nach Spanien und begriindete daselbst ein eigenes Reich, das Chalifat von Cordova (755). Da dieses seine TJnabhangigkeit von den Abbasiden behauptete, so war auch die politische Einheit des Islam beseitigt. IV. Der Islam in Spanien. Infolge innerer Zwietracht loste sicli das Chalifat von Cordova nach dem Sturze des letzten Omajjaden (1031) in eine Menge un- abhangiger Furstenthumer (Emirate) auf. Die durch die gegenseitige Befehdung der einzelnen Emire begunstigten Fortschritte der christ- liclien Waffen fiihrten zur Einmischung Jussufs, des gewaltigen 1 Es wurde entweder aus kupfernen Rohren gegen den Feind geschleudert oder mittelst Flachs an Pfeile und WurfspieCe gebunden. Es ist niclit bekannt, aus welchen explosiven und leielit entziindlichen Stoffen das griechische Feuer bestand. 2 751 Sturz der Merowinger. 750. 755. 1031. 42 Erster Zeitraum. 1086 . Eroberers von Mauretanien (1086), und diesem gelang es, dem Islam in Spanien von neuem Festigkeit zu verleihen und die arabischen Schopfungen noch fiir einige Zeit vor volliger Aufldsung zu bewabren. 1248 . Der grobe Sieg der Christen bei Sevilla (1248) beschrankte endlich die Araber auf Granada, als den letzten Sttitzpunkt maurischen Wesens auf der pyrenaischen Halbinsel. So zerfallt die Herrschaft des Islam in Spanien in drei Abschnitte, und zwar: 1.) unter den 711 - 1031 . Omajjaden (711 — 1031); 2.) unter maurischen Herrschern bis zur 1086 - 1248 . Eroberung ‘Sevillas durch die Christen (1086 — 1248); 3.) das mau- 1248 - 1492 . rische Konigreich in Granada (1248—1492). Im ersten Abschnitte iiberwog die Pflege der materiellen Cultur (Gartencultur infolge kiinstlicher Bewasserung, Bergbau, Industrie, Handel); im zweiten die Pflege der humanistischen Wissenschaften, vor allem das Studium des Aristoteles (I. 108); im dritten die der Kunst, besonders der Baukunst, namentlich in den groben Stadten Cordova, Sevilla und Granada. 750-1258. V. Die Abbasiden (750-1258). 1. Bliite und Verfall der Herrschaft. Die Abbasiden, welche ihre Residenz in Bagdad aufschlugen, das bald der Mittelpunkt eines hochentwickelten Culturlebens, namentlich auch Sitz der Gelelirsamkeit wurde, setzten zunachst das Werk der Eroberungen in Asien fort. Der beriihmteste Abbaside ist Harun a 1 Baschid, der Zeitgenosse Karls des Groben, dem er Geschenke iibersaudte. Doch schon im 9. Jahrhunderte begann der Verfall des Reiches. 1 Die wichtigsten Ursachen hievon waren: 1.) das schwelgerische Leben der Chalifen, welche die Bahn der Eroberungen verlieben; 2.) der Abfall einzelner Provinzen, wo machtige Stattlialter unabhangige Reiche und neue Dynastien griindeten (Morabiten u. a.); 3.) die Griindung einer turkischen Leibwache, deren Commandanten die weltliche Gewalt an sich rissen; 4.) die Entstehung neuer Secten; 5.) die grobe Culturverschiedenheit der unterworfenen Volker. 2. Errichtung des Seldschukenreiches; die Mongolen. Diese Verhaltnisse machten es moglich, dass die wilden seJdschukischen Tiirken, welche im 11. Jahrhundert aus der alten turkischen Heimat Turan nach dem Westen aufbrachen, den grobten Theil des elie- maligen Abbasidenreiches unterwarfen, so dass die Chalifen auf die 1 Damals begann audi die Auflosung des karolingischen Reiches im Abend- lande. Cultur des Islam. 43 Herrschaft liber Bagdad und seine nachste Umgebung beschrankt wurden. Aber das Reich der Seldschuken zeriiel ebenso schnell, als es errichtet worden war, daher bestanden beim Beginne der Kreuz- ziige in Vorderasien mehrere mohammedanische, aus dem Seld- schukenreiche hervorgegangene Theilreiche, von welchen das Sul¬ tanat von Iconium am wichtigsten war. Dem Reste des Abbasiden- reiclies machten die Mongolen durch die Einnahme von Bagdad ein Ende (1258). VI. Cultur des Islam. 1. Literatur. Die Araber lernten in einem Theile der eroberten Lander die hellenistische Cultur kennen. der sie sicli anschlossen; daber sind ihre Leistungen in der Literatur von den griechischen Vorbildern abhangig (vgl. den Einfluss der Romer auf die Germanen). Wahrend die philologischen Studien des Hellenismus auf das Abend- land ubergegangen waren, wendeten sich die Araber im Oriente besonders den physikalisch-mathematischen Studien zu (I. 109). a) Poesie. Das Drama blieb den Arabern versagt. Mit besonderer Vorliebe pflegten sie das Marchen, wie die Sammlung »Tausend und eine Nacht» beweist, die in s Eigenthum aller Culturvolker iiber- gegangen ist. Der groBte Epiker des Islam ist der Perser Ferdusi (um 1000), der im Schahname (). In allen Kreisen, den ritterlichen und den bauerlichen, fand der Ruf lebhaften Wiederhall. Noch im Jahre 1096 zogen schleclit- gertistete bauerliche Scharen unter der Anfiihrung des Einsiedlers Peter von Amiens und des Ritters Walther von Habenichts durch Deutschland, wo sich nur wenige ilinen anschlossen, nach Asien, wurden aber bei Nicaa von den Tiirken zersprengt. Bald zog auch O* 1096-1273. 1096-1270. 1096 - 1099 . 1095 . 84 Dritter Zeitraum. besitzloses Volk aus den Rheingegenden aus, d as liber die Juden herfiel und sich ihres Geldes bemachtigte, aber schon in Ungarn wegen seiner Verwilderung fast ganz vernichtet wurde. Inzwischen riisteten sich aucb einzelne Fiirsten zum Kreuzzuge, denen aus den fernsten Landern, wie England, Danemark, Norwegen, Ritter zustromten; da sich aber kein Konig betheiligte, fehlte es an der rechten Einheit. Die wichtigsten Theilnehmer, hauptsaclilich Ro- manen, waren: Gottfried von Bouillon, Herzog von Niederlothringen, dessen Bruder Balduin von Flandern, Graf Raimund von Toulouse, Boemund, Fiirst von Tarent, und sein Vetter Tankred. Die einzelnen Fiirsten zogen auf verschiedenen Wegen nach demBosporus; so zog Gottfried liber Wien durch das Morawa- ins Maritzathal, Raimund liber den Groben St. Bernhard, durch Venetien und Dalmatien nach Durazzo und dami quer durch die Balkanhalbinsel; Boemund fuhr von Brindisi iiber das Meer und lenkte dann in den Weg Raimunds ein. So sammelten sich allmahlich etwa 300.000 gut geriistete Krieger, denen ein langer Tross von Mannern und Weibern folgte. Der griechische Kaiser steli te aber erst die nothigen Scbiffe bereit, nach- dem ihm die Fiirsten uen Lehenseid fiir die zu erobernden Lander geschworen hatten. 2. Verlauf des Kreuzzuges. Nach dem Siege bei Borylaum 1097 . (1097), wo europaische und tiirkische Reiter einander bekampften, zog das Heer unter mancherlei Entbehrungen und Leiden durch das Inn ere Kleinasiens. Wahrend Balduin das Hauptheer verliefi, Edessa eroberte und daselbst ein selbstandiges Ftirstenthum errichtete, zog dieses vor Antiochia, das erst nach neunmonatlicher Belagerung in die Hande der Christen fiel. Unmittelbar nach der Eroberung der Stadt erschien ein ungefahr eine halbe Million starkes Entsatzheer des Sultans von Mosul, welches nun Antiochia mit dem Kreuzheere einschloss. Schon waren die Christen in arge Noth gerathen, als sie, begeistert durch die angebliche Auffindung der heiligen Lanze, bei einem Ausfalle das feiudliche Heer vollstandig schlugen. Durch Streitigkeiten unter den Fiirsten noch ein halbes Jahr zuriickgehalten, brachen sie endlich gegen Jerusalem auf, wahrend Boemund in Antiochia ein Fiirstenthum griindete. Als die Christen vor Jerusalem, das kurz vorlier die Fatimiden, die Beherrscher Agyptens, den Seldschuken entrissen hatten, ankamen, zahlte ihr Heer nur noch 20.000 Fufiganger und 1500 Reiter. Doch dank der begeisterten Stimmung ersturmten sie die lieilige Stadt Die geistlichen Ritterorden. So (1099), in der sie ein groBes Blutbad unter den Unglaubigen an- richteten. Der Rath der Fiirsten beschloss, in Jerusalem ein Konig- reich zu errichten, und bot Gottfried die Krone an; dieser lehnte aber den Konigstitel ab und nannte sich »Beschiitzer des heiligen Grabes*. Er schlug die Fatimiden, welche Jerusalem wieder erobern wollten, bei Ascalon vollstandig (1100). Als er noch in demselben Jahre starb, wurde sein Bruder Balduin zum Konig eingesetzt. 3. Das Konigreich Jerusalem. 1 Urspriinglich ein Wahlreich, wurde es spater in eine Erbmonarchie umgewandelt. Mit Hilfe fernerer Unterstiitzungen aus dem Abendlande gelang es, das Reich zu erweitern und namentlich alle Kiistenstadte zu erobern; zu einer inneren Festigkeit konnte aber das Konigreich Jerusalem nie ge- langen. Denn von Anfang an schadete ihm seine scliwache Organi- sation (Lehenswesen); der Konig war in allen wichtigen Dingen an die Zustimmung der GroBen gebunden; dazu kamen noch haufige Streitigkeiten mit den iibrigen Fiirstenthumern, die nicht einmal der Lehenshoheit Jerusalems unterstanden. Auch die hohe Geistlichkeit, besonders der Patriarch von Jerusalem, und die groBen Stadte be- reiteten durch ihre Macht nicht selten Schwierigkeiten, ebenso die geistlichen Ritterorden durch iliren Starrsinn und ihre Tollkuhnheit. II. Die geistlichen Ritterorden. In ihnen sind die Grundsatze des Monchs- und des Ritter- standes zu einem idealen Zwecke, Vertheidigung des Christenthums im Oriente, vereinigt. Die drei wichtigsten Ritterorden entstanden im 12. Jalirhunderte, sie gelangten bald zu grofiem Reichthume. 1. Der Templerorden wurde von franzosischen Rittern ge- griindet. Die Tempelritter bewohnten einen Theil des Konigspalastes an der Stelle des Salomonischen Tempels. Der Orden wurde auf Be- treiben des franzosischen Konigs Philipp IV. vom Papste Clemens V. (1312) aufgehoben, hauptsachlich-weil sich der Konig der groBen Giiter des Ordens in Frankreich bemaclitigen wollte. Als Vorwand dazu diente, dass sich der Orden der Ketzerei schuldig gemacht babe, was aber niemals erwiesen worden ist; denn die Gestandnisse, welche Ilunderten von Ordensmitgliedern unter den Qualen der Folter erpresst wurden, haben keine Beweiskraft. 1099 1100 1312 Torquato Tasso, «Das befreite Jerusalem*. Kaulbaclis Fresco in Berlin. 86 Dritter Zeitraum. 2. Der Johanniter- (Hospitaliter-) Orden ist eine Stiftung der Italiener. Schon im 11. Jahrhunderte hatten reiche Amalfitaner — Amalfi war damals eine sehr bedeutende Handelsstadt 1 — zur Pflege armer kranker Pilger in Jerusalem ein Kloster und ein Krankenhaus errichtet, das dem h. Johann dem Barmherzigen ge- weiht war. Die Erfolge der Templer veranlassten die Umgestaltung dieser Genossenschaft in einen Ritterorden. Nach dem Verluste des h. Landes liefien sich die Johanniter auf Rhodus nieder (Rhodiser- ritter), und als diese Insel in die Gewalt der Tlirken fiel, iibergab ihnen Karl V. die Maltagruppe (Malteserritter), wo sie bis zur Er- oberung Maltas durch Napoleon I. ihren Sitz hatten. 3. Der deutsche Orden ist eine Schopfung deuischer Pilger aus Liibeck und Bremen, welche vvahrend des dritten Kreuzzuges im Lager vor Akkon ein Hospital griindeten, aus welchem der Orden hervorgegangen ist (1191). Er erlangte seine vveltgeschichtliche Be- deutung durch die Christianisierung PreuBens. Seit dem Anfange des 14. Jahrhunderts hatte er seinen Sitz in Marienburg. 1145-1147. III. Der zweite Kreuzzug- (1145 — 1147). 1144. 1 . Veranlassung; der h. Bernhard. Im Jahre 1144 eroberte Ženki, der Sultan von Mosul, Edessa. Um die Gefahr, welche infolge- dessen dem Konigreiche Jerusalem drohte, abzuwenden, liefi Papst Eugen III. durch den h. Bernhard von Clairvaux, den zweiten Griinder des Cistercienserordens, das Kreuz predigen. Seiner hin- reifienden Beredsamkeit gelang es, zunachst den Konig Ludwig VII. von Frankreich und dann auch den Konig Konrad III. von Deutsch- land fiir einen Kreuzzug zu gewinnen. Auch Herzog Wladislaw von Bohmen, Herzog Heinrich II. von Osterreich und viele Grofie aus Osterreich, Steiermark und Karnten nahmen das Kreuz. 2. Verlauf des Kreuzzuges. Wahrend sich die Franzosen in Metz sammelten, brachen die Deutschen von Regensburg aus auf und schlugen, von den Griechen theilweise angefeindet, den ge- wohnlichen Landweg nach Constantinopel ein. Konrad setzte noch vor der Ankunft Ludwigs nach Asien liber. Bald wurde er durch Mangel an Lebensmitteln und die Angriffe des Feindes zur Umkehr genothigt. Wahrend er sich zur Heilung einer Wunde nach Byzanz zuriick begab, zog Ludwig, an den sich die Triimmer des deutschen Heeres ansclilossen, langs der Kiiste Kleinasiens liber Antiochia nach Jerusalem. Nachdem Konrad sich erholt hatte, begab er sich gleich- Der dritte Kreuzzug. 87 falls nach Jerusalem. Da die Unglaubigen inzwischen Edessa zerstort hatten, lieBen sich die beiden Konige bereden, mit dem Konige von Jerusalem zur Belagerung von Damaskus auszuziehen, das unter einem tiirkischen Emir stand.' Infolge der Treulosigkeit der orienta- liscben Christen misslang aber die Belagerung, so dass der Kreuz¬ zug ohne jeden Erfolg ■ endete. IV. Der dritte Kreuzzug (1189 — 1193). 1189-1193. 1. Veranlassung. Saladin der Solin des Wesirs Ejjub aus Damaskus, hatte die schwachen Fatimiden gestilrzt und die Regierung Agyptens selbst iibernommen. Er eroberte Syrien und fast ganz Meso- potamien, so dass er Jerusalem umklammerte. Da fiilirte der Ubermuth eines franzosischen Ritters die Katastrophe herbei. Dieser iiberliel trotz des mit Saladin abgeschlossenen WaSenstillstandes eine Karawane, bei der auch eine Scliwester Saladins war, und pliinderte sie voll- standig aus. Da der Konig von Jerusalem die verlangte Bestrafung des Schuldigen nicht vorzunehmen wagte, kam es zum Kriege, in welchem die Christen besiegt wurden und Jerusalem in die Hšinde Saladins fiel (1187). 1187. 2. Verlauf des Kreuzzuges. a) Das deutsche Heer unter Friedrich 1. Barbarossa. Die Nachriclit von dem Falle Jerusalems rief die einmiithige Erhebung Europas liervor. In Deutscliland stellte sich der greise Kaiser Friedrich I. selbst an die Spitze der Bewegung. Sein Heer, das glanzendste deutsche Heer des Mittel- alters, zahlte 50.000 Reiter und 100.000 Mann FuGvolk. Wahrend es in Osterreich, Ungarn und Serbien, das sich vom byzantinischen Reiche unabhangig gemacht hatte, gut aufgenommen wurde, musste es mit den Griechen wiederholt kampfen und sich durch Drohungen die Uberfahrt liber die Dardanellenstrafie erzwingen. Denn der Kaiser Isaak (aus dem Hause der Angeli) stand mit Saladin im Bunde. Trotz vielfacher Leiden 1 2 gelangte das Heer vor Iconium, die Haupt- stadt des gleiclmamigen Sultanats, das durch Sturm genommen wurde. Naclidem Friedrich das Heer nocli iiber den Taurus gefiihrt hatte, ertrank er beim Baden im reibenden Bergstrome Saleph. In der ganzen Christenheit rief die Nachriclit hievon den grofiten Schmerz hervor. Des Kaisers Solin, Herzog Friedrich von Scliwaben, fiilirte das Heer, das durch Kampf und Seuclien immer mehr zusammen- 1 Lessings «Nathan der Weise». 2 Uhlands «Schwabisclie Kunde». 88 Dritter Zeitraum. 1190. schmolz, nach Akkon (1190). Wahrend der Belagerung dieser See- feste starb Herzog Friedrich selbst an der herrschenden Seuche. h) Eroberung Akkons durcli Richard I. Lčhvenherz von Eng- land und Philipp II. Anglist von Frankreich; Ausgang des Kreuz- 1191. zuges. Im Jahre 1191 waren zuerst Philipp, dann auch Richard vor Akkon eingetroffen, nachdem kurz zuvor Leopold V. von Osterreich den deutschen Kampfern ein kleines Heer zugefiihrt hatte. Infolge des Ubermuthes und der Unvertraglichkeit Richards kam es zu zahlreichen Misshelligkeiten zwischen den Kreuzfahrern. Trotzdem wurde endlich die Stadt eingenommen; beim Einzug in die Festung lieS Richard das osterreichische Bamier, das Leopold auf einem von ihm hesetzten Thurme aufgepflanzt hatte, in den Koth werfen. Kein Wunder, dass der schwer beleidigte Herzog alsbald nach Europa zuriickkehrte. Philipp II. hatte gleichfalls infolge des Hochmuthes des englischen Konigs schon vor Leopold die Heimfahrt angetreten. Zwar verrichtete Richard in einzelnen Gefechten noch Wunder von Tapferkeit; aber infolge seines Eigensinnes, der Uueinigkeit der orientalischen Christen und der iiberlegenen Kriegskunst Saladins errangen die Christen keinen entscheidenden Sieg, so dass ihnen nur die Kiiste von Joppe bis Tyrus und einige Besitzungen im nordlichen Syrien blieben; auBerdem durften sie als Pilger nach Jerusalem kommen. Die Lebensfahigkeit des christlichen Staates in Palastina war vernichtet. 1202-1204. V. Der sogenannte vierte Kreuzzug (1202 — 1204). 1. Veranlassung. Wahrend sich der machtige Papst InnocenzIII. mit Erfolg bemiihte, einen neuen Kreuzzug zustande zu bringen, er- schien der bvzantinische Prinz Alexius, dessen Vater Isaak der eigene Bruder vom Throne gestiirzt hatte, in Deutschland und bat Konig Philipp, seinen Schwager, um Hilfe gegen seinen Oheim. Philipp unter- stiitzte dieses Ansucheu beim ritterlichen Markgrafen Bonifaz von Montferrat, dem Fiihrer des Kreuzheeres, das wieder grofitentheils aus Franzosen bestand, und beim greisen Dogen Heinrich Dandolo von Venedig, von wo aus die Uberfahrt stattfinden solite. Die Zumuthung, gegen Constantinopel zu ziehen, fand lebhaften An- klang, namentlich bei Dandolo, der nun der eigentliche Fiihrer des Zuges wurde. Weil aber die Kreuzfahrer nicht einmal die Halfte der Uberfahrtskosten (85.000 Mark) bezahlen konnten, dienten sie den fehlenden Betrag den Venetianern ab, d. h. sie zwangen Triest, den Der fiinfte Kreuzzug. 89 Venetianern zu huldigen, und ersturmten Žara, dessen seerauberische Bewohner den Handel Venedigs vielfach geschadigt hatten. In Žara versprachen Gesandte Philipjps im Namen des Alexius den Kreuzfahrern freie Verpflegung und 200.000 Mark Silber und stellten dessen Mitwirkung dafiir in Aussicht, dass die Griechen sicb der romischen Kirche unterwiirfen und Hilfe gegen die Unglaubigen leisteten. 2. Erstiirmung Constantinopels. Mit ungefahr 40.000 Mann fuhr die Flotte nach Constantinopel. Eine kurze Belagerung reichte hin, Isaak die geraubte Krone wieder zu verschaffen. Doch vermochte dieser die von den Kreuzfahrern mit seinem Sohne vereinbarten Bedingungen niclit auszufiihren. Als iiberdies in der Stadt eine Revolution ausbracli, wahrend welclier Isaak starb und sein Solin Alexius, den er zum Mitregenten angenommen liatte, iiber Ver- anlassung seines Gegenkaisers im Kerker erwiirgt wurde, ersturmten die Kreuzfabrer Constantinopel, steckten es in Brand und vviitheten in der grausamsten Weise. Die Uberfahrt nach Palastina wurde ganzlicli aufgegeben. Das Ergebnis des Kreuzzuges bestand in der Theilung des byzantinischen Reickes und der Erriclitung des lateinisclien Kaiser- reiches (Romanien, 1204—1261). Kaiser wurde Balduin von Flandern, 1204-1261. welcher mit Thracien als Kronland die Oberherrschaft iiber das ganze Reich erliielt. Trotz ofterer Nachschiibe aus dem Mesten war aber die Zalil der Abendlander viel zu klein, um dieses Reich, welches nach den Grundsatzen des Lehensystems eingerichtet wurde, kraftig beherrsclien und den Anschluss an die romische Kirche erzwingen zu konnen. Da durcli das Unternehmen viele Krafte dem Kampfe gegen den Islam entzogen wurden, war es ein Fehler, und nur die Venetianer, welche mehrere Inseln und Kiistenplatze besetzten, hatten davon dauernden Gewinn. Ohne Miihe gelang es dem griechischen Geschlechte der Palaologen, welche das Kaiserthum Nicaa ge- griindet hatten, dem Reiche ein Ende zu machen. VI. Der fiinfte Kreuzzug (1228 — 1229). 1228-1229. 1. Veranlassung. Der deutsche Kaiser Friedrich II. gelobte bei seiner Kronung in Aaclien einen Kreuzzug, verschob aber die Ausfiihrung des Geliibdes von Jahr zu Jahr. Im Jahre 1227 schiffte er sich mit einem Heere, welches iiberwiegend aus Deutschen bestand, in Brindisi ein, doch kehrte er wegen Krankheit schon nach wenigen Tagen wieder um, \vorauf er vom Papste gebannt wurde. 90 Dritter Zeitraum. 1248 . 1217 - 1221 . 2. Verlauf des Kreuzzuges. Nach seiner Genesung fuhr der Kaiser trotz des Bannes ab und landete in Akkon. Obwohl ihm die Templer und Johanniter den Gehorsam versagten, erlangte er doch durch Unterhandlnngen mit dem Sultan von Agypten, Alkamil, der mit seinem Neffen, dem Sultan von Damaskus — das Reich Saladins \var nach dessen Tode getheilt worden — , zerfallen war, die Abtretung Jerusalems, Bethlehems, Nazareths und eines Streifen Landes von Joppe bis Beirut auf zehn Jahre. In Jerusalem setzte sich Friedrich in der Ivirche des h. Grabes die Krone von Jerusalem aufs Haupt, da er sich schon vor dem Antritte des Kreuzzuges mit Jolanthe, der Tochter des Titularkonigs Johann von Jerusalem, vermahlt hatte. Bald darauf kehrte er nach Europa zuriick. VII. Der sechste und siebente Kreuzzug. 1. Der sechste Kreuzzug (1248). Nach dem Abzuge Friedrichs II. bekampften sich in Palastina die weltlichen und die geistlichen Grofien, die Templer und die Johanniter gegenseitig. Unter solchen Verhalt- nissen wurde Jerusalem abermals eine Beute Agyptens. Da unternahm der franzosische Konig Ludwig IX. der Heilige, eine ritterliche Natur, einen neuen Kreuzzug, und zwar gegen Agypten. Schon in den Jahren 1217 — 1221 war ein rnafiig grofies Kreuz- lieer, an dessen Spitze Konig Andreas II. von Ungarn und Herzog Leopold VI. von Osterreich standeu, gegen Agypten gezogen, um die Herrschaft der Ejjubiden zu stilrzen. Damals wurde Damiette durch Aushungerung erobert. Als aber das Kreuzheer nach dem Abzuge der beiden Fiihrer gegen Silden aufbracli, wurde es infolge der Uber- schwemmung des Landes durch den Nil vollstiindig eingesclilossen, so dass die Triiminer des Heeres um Frieden bitten mussten. Dieser wnrde gegen Herausgabe von Damiette gewahrt. Einen ahnlichen Verlauf nahm der sechste Kreuzzug. Zwar wurde Damiette ohne Muhe genommen; als aber das Heer landein- warts zog, wurde es bei Mansura, wo auch friiher die Katastrophe erfolgt war, nach blutigem Kampfe vollstandig eingeschlossen. Auf dom Riickzuge wurde Ludwig mit einem grofien Theile des Heeres gefangen genommen, und nur gegen die Riickgabe von Damiette und Bezahlung eines hohen Losegeldes konnte der Konig die Freiheit erlangen. Er zog dann nach Syrien, kampfte hier noch mit den Un- glaubigen ohne besonderen Erfolg und kehrte erst im Jahre 1254 nach Frankreich zuriick. Ende der cliristlichen Herrschaft in Syrien. 91 2. Der siebente Kreuzzug (1270). Ludwig IX. gewann seinen 1270. Bruder Karl von Anjou fiir einen neuen Kreuzzug, der gegen Tunis, das unter der Herrschaft der maurischen Almohaden stand, unter- nommen wurde. Bei der Belagerung der festen Stadt brach eine Seuche aus, der auch Ludwig erlag. Der ganze Erfolg des Unternehmens war, dass deu Christen in Tunis die Ausiibung ihres Gottesdienstes ge- stattet wurde. Vili. Ende der christlichen Herrschaft in Syrien. Unter fortdauernden Kampfen mit deu Unglaubigen war die christliche Herrschaft in Sjrien bis auf Akkon zusammengeschmolzen. Im Jahre 1291 brachte der &gyptische Sultan auch dieses letzte 1291. Bollwerk der Christen in seine Gewalt. Vergebens versuchten die Papste bis ins 15. Jahrhundert hinein, die erloschene Begeisterung wieder zu entflammen. Anstelle der kriegerischen Unternehmungen begannen wieder friedliche Pilgerfahrten und entwickelte sich ein bliihender Handelsverkehr. Zweites Capitel. Deutschlaiul unter der Herrschaft der Staufer (1138—1254). 1138-1254. Nach der Zwischenregierung Lothars II. 1 (1125 —1137) folgten 1125-1137. die Staufer, so benannt nach der Burg Staufen (Hohenstaufen), unter welchen Deutschlaiul den Hohepunkt seiner mittelalterlichen Cultur erreichte. Freilich war auch diese Zeit im ganzen keine Zeit des Friedens; die Ilauptereignisse sind die Kampfe mit den Welfen, den Papsten und den lombardischeii Stadten. I. Konrad III. (1138-1152). 1138-1152. 1. Die Welfen und die Staufer. a) Stellung der beiden Hiiuser. Nach dem Tode Heinrichs V. hatte sein Neffe, der Staufer Friedrich, Herzog von Schwaben, gehofft, zum Nachfolger gewahlt zu werden, doch hatten die Fiirsten zunachst den Markgrafen Leopold III. von Osterreich in Aussiclit genommen. Dieser hatte nach dem Tode Friedrichs von Staufen (S. 80) dessen Witwe Agnes, die Mutter des 1 Lothar selbst nennt sicli stets III., obwohl es vor ihm weder einen Kaiser noeh einen deutschen Konig Lothar II. gegeben hatte. Ludwigs des Frommen Enkel Lothar war nur Konig von Lothringen (S. 57). 92 Dritter Zeitraum. Thronwerbers, geheiratet, so dass diese die Stammutter zweier glor- reicher Geschlechter, der Staufer und Bahenberger, wurde. Leopold lehnte indes ab, worauf die Fiirsten unter dem Einflusse des Erz- bischofs Adalbert von Mainz Lothar, der nach dem Erloschen der Billinger Herzog von Sachsen geworden war, auf den Thron erhoben. Iniolgedessen kam es zwischen Lothar und den staufischen Briiderii Friedrich und Konrad zu Kampfen, bei welchen sich Lothar auf die Welfen stiltzte, welche kurz vor dem Ausbruche des Investitur- streites das Herzogthum Bayern erhalten hatten, alte Hausgliter in Scliwaben besafien und durch Erbschaft groJBe Besitzungen in Sachsen gewannen. Lothar kettete die Welfen dadurch an seine Person, dass er den Herzog Heinrich den Stolzen mit seiner Tochter vermahlte. Die staufischen Bruder mussten sich demtithigen, doch blieb Friedrich im Besitze seiner Erbgiiter und Schwabens. 1138 - 1142 . b) Erster Kampf z\vischen den Staufern und Welfen (1138 bis 1142). Heinrich der Stolze hatte von seinem Schwiegervater aucli noch Sachsen erhalten. Im Besitze einer Macht, wie sie noch kein deutscher Furst hesessen, betrachtete er sich heim Tode Lothars bereits als Erben des Reiches. Aher die Fiirsten wahlten nicht ihn zum Kouige, sondern Konrad, weil dieser ihnen jetzt weniger ge- fahrlich erschien als der machtige Welfe. Alsbald verlangte Konrad die Iderausgabe Sachsens; da Heinrich dies verweigerte, wurde er geachtet und Sachsen ihm entzogen. Als dariiber in Sachsen Krieg ausbrach, verlor Heinrich auch Bayern, welches Konrads Stiefbruder, der Markgraf Leopold IV. von Osterreich, erhielt. Heinrich be- hauptete sich zwar in Sachsen und riistete sich auch zur Wieder- eroberuug Bayerns, starh jedoch schon im Jahre 1139 mit Iiinter- lassung eines zehnjahrigen Knaben Heinrich (der Lowe), fur welchen des Verstorbenen Bruder Graf Welf den Krieg fortsetzte. Dah er schritt Konrad zur Belagerung der welfischen Stadt I Veinsberg 1 , das sich nach einer Niederlage Welfs ergeben musste. 1142 . Bald darauf kam es zu einer Aussohnung zu Frankfurt (1142); Gertrud, Heiurichs des Stolzen Witwe und Mutter des jungen Heinrich, vermahlte sich mit Heinrich II. Jasomirgott, dem Bruder und Nach- 1 Sage von der Weibertreue! Hier sollen zum erstenmale die Schlachtrufe: «IIie Welf! Hie Waiblinger!» erscbollen sein. Aus «Waiblinger» (nach Waiblingen, ostlich von Stuttgart, einem alten Hausgute der Staufer) machten die Italiener Ghibellinen; diese sind die kaiserliche, die Welfen (Guelfen) die papstliche Partei. Friedrich I. Barbarossa. 93 folger Leopolds IV., Heinrich (der Lowe) wurde Herzog von Sachsen, dagegen verzichtete er auf Bayern, das 1143 an Heinrich von 1143. Osterreicli fiel. 2. Konrads Theilnahme am zweiten Kreuzzuge s. S. 86. II. Friedrich I. Barbarossa (1152 — 1190). 1162-1190. Da Konrads III. Solin beim Tode seines Vaters erst sieben Jahre zahlte, wahlten die Fiirsten des Konigs tapferen Neffen Friedrich zu seinem Nachfolger. Friedrichs Hauptstreben war, im Innern den kurz vor dem Tode Konrads III. neuerdings ausgebrochenen ver- derblichen Streit mit. den Welfen zu beenden und nach auBen, namentlich in Italien, das kaiserliche Anseben wieder herzustellen. 1. Belehnung Heinrichs des Lowen mit Bayern. Erhebung Osterreichs zum Herzogthume. Um den Streit mit den Welfen zu beenden, belehnte Friedrich auf dem Reichstage zu Regensburg Heinrich den Lowen mit Bayern, auf welches aber Heinrich von Osterreicli erst nach langeren Verhandlungen und gegen bedeutende Zugestandnisse verzichtete (1156). Osterreicli wurde namlich um 1156. drei Grafschaften im lieutigen Oberosterreich 1 vergrofiert und zum Herzogthume erhoben. Zugleicb ertbeilte der Kaiser dem Herzoge und seinei' Gemalilin das sogenannte kleine Privilegium, durcb welches u. a. festgesetzt wurde, dass Osterreicli nach dem Tode Heinrichs und seiner Gemalilin auf ihre Sohne und beim Mangel solcher auf ihre Tochter iibergehen solite; wenn sie aber keine Kinder hinterliefien, sollten sie berechtigt sein, dem Kaiser einen beliebigen Nachfolger vorzuschlagen. Um das kaiserliche Ansehen in Italien neu zu be- griinden, unternahm Friedrich fiinf Ziige nach Italien. 2. Die Lage in Italien. a) Die Studie in Ober- und Mittel- italien. Im Investiturstreit erlangten die groBeren Stadte der Lom- hardei und Mittelitaliens theils durch kaiserliche Privilegien, theils durcb Eigenmachtigkeit die Selbstverivaltung und iibten nun die koniglichen Iloheitsrechte oder Regalien, d. h. das Zoll-, Miinz- und Marktrecht sowie die Gerichtsbarkeit, selbstandig aus. Das Selbst- gefiihl dieser Stadte erlaugte durch die Steigerung des Handels und des Wohlstandes infolge der Kreuzzuge eine weitere Erhohung, so dass sie den Kaiser kaum mehr als ihren Herrn anerkannten; Venedig, Genua, Piša, Mailand waren geradezu selbstandige Staaten geworden. 1 Diese lagen wahrscheinlich zwischen der Traun und dem Passauer Walde. 94 Dritter Zeitraum. b) Die Papste. Noch vor dem Abschlusse des Wormser Con- cordates war zwischen Heinrich V. und dem Papste wegen des MathiJdischen Erbes Uneinigkeit ausgebrochen. Die grofie Grafin batte namlich den Papst zum Erben ihres Gebietes, das aus Eigen- giitern (Alloden) und Reichslehen bestand, eingesetzt. Da die letzteren nur im directen Mamiesstamm erblich waren, besetzte Heinrich das ganze Erbe und versprach dem Papste die Herausgabe derjenigen Gebiete, fiir welche er den Beweis, dass sie Allode gewesen seien, erbringen konne. So blieb die Sache zunachst unerledigt, Auch die folgenden Konige hielten gegenuber den Anspriichen der Papste den Anspruch des Reiches. auf das ganze Mathildische Erbe aufrecht. Als daher unter den Staufern abermals der Kampf zwischen dem Kaisertbum und dem Papsttlium tiber den Vorrang ausbrach, con- centrierte er sich besonders auf eine territoriale Frage. c) Unteritalien. Nach dem Tode des Robert Guiscard war das normannisehe Gebiet getheilt worden; sein Solin Boemund erhielt Tarent und Otranto, sein Bruder Roger vollendete die Eroberung Siciliens. Dem Sobne Rogers, Roger II., gelang trotz des Wider- strebens des Papstes die Vereinigung des ganzen Gebietes; im 1130 . Jahre 1130 erhielt er v.on Anaclet II. die Kdnigs\viirde, die seitdem den normannischen Fiirsten verblieb. Es war natiirlich, dass sich diese Machte vereinigten, als Friedrich die deutsche Herrschaft in Italien wieder herzustellen ver- suchte (S. 78). 3. Friedriehs Kampfe in Oberitalien bis zur Zerstorung 58 - 1162 . Mailands (1158 —1162). Im Jahre 1153 wandten sich Lodi und Como wegen Bedriickungen durch die Mailande» an Friedrich, dessen Mahnschreiben die Consuln (Btirgermeister) von Mailand mit Fiifien traten. Erst nach fiinf Jahren, wa,hreud welcher Friedrich den Frieden in Deutschland herstellte und Polen zur Vasallenpflicht zu- ruckfiihrte, Mailand aber alle Burgen in der Nahe der Stadt besetzte, fiihrte er. ein stattliches Heer tiber den Brenner und schritt zur Belagerung Mailands. N on Hunger und Pest heimgesucht, ergab sich Mailand unter der Bedingung, dass die Consuln kunftig zwar vom Volke gewahlt, jedoch vom Kaiser bestatigt wurden. Hierauf versammelte Friedrich auf den roncalischen Fe.ldern bei Piacenza einen Reichstag, auf welchem eine neue Verfassung fur die Lom- bardei beschlossen wurde, durch welche depi Kaiser allein die gesetz- gebende Gewalt, die Einsetzung der Consuln und die Ausilbung der Friedrich I. Barbarossa. 95 Regalien zuerkanht vvurden. 1 I)a aber Mailand an dem Rechte, seine ConSuln zn wahlen, festhielt, belagerte es Friedrich neuerdings zwei Jahre lang und lieB es nach der Eroberung groBtentheils zerstoren. Bald war die ganze Lombardei unterworfen, sogar Genua huldigte dem Kaiser, der in den unterworfenen Stadten Reichsbeamte (Podesta), meist Deutsche,- einsetzte, Tuscien als kaiserliches Land behandelte und die Eroberung Siciliens ins Auge fasste. 4. Friedrichs Beziehungen zu Hadrian IV.; Arnold von Brescia und Friedrichs Kaiserkronung; Ausbruch des Schismas (1155 1160). In der Kirche lassen sich damals drei Stromungen 1155-1160. erkennen: eine hierarchische, der es vor allem um weltliche Macht zu tliun war (Adalbert von Mainz [S. 92]), eine entgegengesetzte, welcbe die Kirche zur urcbristlicben Armut zuriickfiihren wollte (Arnold von Brescia), und eine Partei, welche im Gregorianischen Sinne eine machtige, aber aucb sittlich reine Kirche wiinschte (Bernhard von Clairvaux und Norbert [s. S. 82]). Arnold kam um 1145 nach Rom. Um 1145. Durch seine Reden, welche zum Ungehorsam gegen den Papst auf- reizten, erwarb er sich bald allen Einfluss in der Stadt, welcbe den papstlichen Truppen erfolgreich Widerstand leistete. Daber lud Hadrian IV. Friedrich ein, nach Rom zu kommen. Diesem gelang es, den demagogischen Arnold, dessen Vertreibung der Papst durch die Verhangung des Interdicts iiber die ewige Stadt durchgesetzt hatte, in seine Hande zu bekommen. Er iibergab ihn dem Papste, der ihn als Ketzer verbrennen liefi. Als Preis fiir die Auslieferung Arnolds erhielt Friedrich die Kaiserkrone (1155). 1155 . Als nun der Kaiser, auf die roncalischen Beschliisse gesttitzt, auf- den Mathildischen Giitern und in der romischen Campagna Steuern eintrieb, nalierte sich der Papst dem Konige von Sicilien und verlangte vom Kaiser die Herausgabe des Mathildischen Erbes und anderer Gebiete in Mittelitalien. Da Friedrich diese Zumuthung ablehnte, wollte ihn Hadrian bannen, starb aber plotzlicb (1159). 1159. Nun kam es zu einer stiirmiscllen Papstwabl; die Mebrzahl der Car- dinale entschied sich fiir Alexander III., die kaiserlich gesinnte Minder- zahl fiir Victor IV., den aucb Friedrich anerkannte, weshalb er von Alexander gebannt wurde. Da sich aucb Frankreich, das sclion seit langem in allen kirclilichen Fragen die wichtigste Stellung einnahm, fiir Alexander entschied, war dessen Sieg gesichert, und wedc>,r Victor noch seine beiden Naclifolger gelangten zu allgemeiner Anerkennung. 1 Die letzteren warfen iiber 9 Millionen Gulden ab. 96 Dritter Zeitraum. 5. Friedrichs Kampfe mit den Lombarden und dem Papste 1164-1183.(1164— 1183). a) Bis zur Schlacht bei Legnano (1176). Das Schicksal 1176 - Mailands machte auch Venedig besorgt, daher trat der Doge mit Sicilien and Constantinopel ,in Verbindung und stiftete durcli Be- stechung der Stadte in der Mark Verona den Veroneser Bund, den der Kaiser durcli die Belagerung Veronas nicht zersprengen konnte. So hinderte Venedig im entscheidenden Augenblicke die Befestigung der kaiserlichen Gewalt. Als Alexander III. nach mehrjahrigem Aufenthalt in Frankreicli nach Rom zuriickkehrte, belagerte Friedrich die Stadt, die sich ihm nach der Flucht des Papstes ergab und Treue schwur. Friedrich stand a uf dem Hohepunkte seiner Erfolge. Da brach eine schreckliche Seuche im Lager und in der Stadt aus, weshalb Friedrich Rom verlassen musste. Unterdessen hatten Cremona, Brescia, Bergamo 1107. und Mantua im Jahre 1167 gegen die Bedriickungen der Podesta den lombardischen Bund ins Leben gerufen, dem sich auch Mailand, das wieder aufgebaut werden solite, und alle grofieren Stadte der Lombardei anschlossen; bald trat er mit Alexander und dem Vero¬ neser Bunde in innige Beziehungen. Da der Kaiser zu schwach war, um des Bundes Herr zu werden, zog er nach Deutschland zuriick; in seiner Abwesenheit erbaute der Bund, iiber welchen der Papst gleichsain eine oberherrliche Gewalt erlangte, eine neue Festung, dem Papste zu Ehren Alessandria genannt. Mit nur 8000 Mann zog Friedrich iiber den Mont Ceniš. Er 1174. belagerte Alessandria (1174), konnte es aber nicht einnehmen — ein Wendepunkt in seiner Geschichte. Nachdem Friedensverhandlungen zu keinem Ziele gefiihrt hatten, beschloss der Kaiser im Vertrauen auf die Tapferkeit der Deutschen die Fortsetzung des Kampfes, \vurde aber, da Heinricli der Lowe die erbetene Heeresfolge nicht leistete, durch die Ubermacht des Feindes bei Legnano vollstandig geschlagen. b) Von der Schlacht bei Legnano bis zum Frieden von 1176-1183. Konstanz (1176 —1183). Nun kniipfte Friedrich mit Alexander, den er inzwisclien als rechtmaBigen Papst anerkannt hatte, Ver- 1177. handlungen an, die zu dem Frieden von Venedig fiihrten (1177), in welchem er vom Banne befreit und der Papst gegen Verzicht auf die Reichslehen in Italien als unabhangiger Herrscher im Patri- monium sancti Petri anerkannt wurde. Uber das Mathildische Erbe solite ein Schiedsgericht entscheiden, thatsachlich blieb es aber in Friedrich I. Barbarossa. 97 der Hand des Kaisers. Mit den Lombarden schloss der Kaiser einen Waffenstillstand, der erst nach sechs Jahren in Konstanz in einen formlichen Frieden umgewandelt wurde (1183); der Kaiser erkannte die Selbstandigkeit der Stadte an, verlieh ihnen gegen Entrichtung eines Zinses die Regalien und behielt sich die Investitur ilirer Consuln vor. So war die burgerlich-stadtische Freiheit neben Kirche und Adel als politischer Factor anerkaunt. 6. Zweiter Kampf zwischen den Staufern und den Welfen (Friedrich und Heinrich der Lowe). a) Heinrich auf dem Ildhe- punkte seinev Macht. Seit dem Jahre 1159 hatte der Kaiser von Heinrich keine Heeresfolge mebr verlangt; er liefi ihm vielmehr freie Hand in Sachsen, das Heinrich im Kampfe gegen die Wenden er- weiterte. Heinrich besafi 40 Stadte, deren bedeutendste Liibeck war, und 67 Burgen. Im stolzen Gefiihle seiner Macht verweigerte er dem Kaiser, als dieser seiner Hilfe gegen die Lombarden dringend bedurfte, die geforderte Heeresfolge. b) Heinrichs Sturz (1180). Nach dem Frieden von Venedig kehrte der Kaiser liber Burgund, wo ihm der Erzbischof von Arles die Konigskrone aufsetzte, nach Deutschlan d zuriick, um Heinrich zur Verantwortung zu ziehen. Er lud ihn viermal vor, docli Heinrich erschien nicht. Deshalb wurde er geaclitet und aller seiner Lehen und Eigengiiter verlustig erklart. Da ihn seine Ministerialen im Sticiie lieBen, unterwarf er sich zu Erfurt dem Kaiser. Die da- selbst versaminelten Ftirsten bestimmten, dass Heinrich alle Lehen und Giiter bis auf die Eigengiiter Braunsclrweig und Liineburg verlieren und auf drei Jahre verbannt vverden solle. Heinrich fiigte sich und begab sich nach England an den Hof seines kdniglichen Schvviegervaters Heinrich II. Sachsen wurde in zwei groBere (und oinige kleinere) Gebiete getheilt; den siidlichen Theil Westfalens erhielt der Erzbischof von Koln, das nordliche Westfalen und ost- liche Sachsen Bernhard, der Sohn Albrechts des Baren von Branden¬ burg, als Herzogthum Sachsen. Bajern kam an die Wittelsbacher, doch wurde Steiermark davon abgetrennt und unter dem bisherigen Markgrafen Ottolcar aus dem Hause der Traungauer zu einein eigenen Herzogthum erhoben, das nach dem Tode Ottokars im Jahre 1192 an Leopold V. von Osterreich fiel. 7. Friedrichs Theilnahme am dritten Kreuzzuge s. S. 87. Friedrichs Charakter und Stellung. Friedrich war fromm, in allen 1183 1159 1180 1192 Zeehe-Rebhann, Gesch. f. d. ob. Cl. d. Realschulen, II. 7 98 Dritter Zeitraum. ritterlichen Kiinsten wohlgeiibt, kiihn, gtitig, mafiig und freigebig. 1 Er nabm noch einmal eine centrale Stellung in Europa ein, wie der 1157. Hoftag zu Wiirzburg (1157) beweist, anf welchem Gesandte aus Constantinopel, England, Burgund, Ungarn, Italien mit Geschenken und Bitten erscbienen. Die Stutzen seiner Stellung waren: sehr viele Festungen, die von Goslar bis Viterbo verstreut lagen, zablreiche Reicbsministeriale, die Einkunfte aus der Po-Ebene und ein grofies Domanengebiet. So war er im Gegensatze zu den Ottonen von den Bischofen vrirtschaftlich unabhangig. 1190-1197. III. Heinrich VI. (1190-1197). Die wichtigsten Ereignisse seiner Regierung sind: 1.) die Er- 1194. werbung Unteritaliens (1194); 2.) die Verwickelungen mit Richard I. Loweuberz und die dritte Phase des Kampfes zwischen den Staufern 1192-1195.und Welfen (1192—1195); 3.) Heinrichs Bestreben, das deutsche 1196. Reich zu einem Erbreicbe zu machen (1196). 1. ) Die Erwcrbung Unteritaliens batte Friedrich I. dadurch vor- bereitet, dass er Heinrich mit Constanze, der Erbin des Reiches, vermahlte. Da die Normannen von einer Fremdherrschaft nichts wissen wollten und sich daher um einen Seitensprossen des alten Konigshauses scharten, musste Heinrich zwei Feldzilge nach Unter- italien unternehmen. Er unterwarf das Land, docli konnte er sich nur durch despotische Strenge behaupten. 2. ) Als Richard gelegentlich des dritten Kreuzzuges auf Sicilien landete, bestarkte er die Normannen im Widerstande gegen Heinrich; er stand ferner auf Seite seines Scbvvagers, .Heinrichs des Lowen, welcher mit anderen Reichsfiirsten eine Verschworung zur Wahl eines neuen Konigs gebildet batte. Als daher bekannt wurde, dass Richard auf der Ruckkehr im adriatischen Meere Schiffbruch gelitten habe, beauftragte Heinrich die Fiirsten, ihn womoglich gefangen zu nehmen. Trotz seiner Verkleidung als Pilger wurde er in einem Dorfe bei Wien erkannt, von Leopold V. von Osterreich gefangen genommen und dem Kaiser ausgeliefert, der ihn erst gegen An- erkennung der deutschen Oberhoheit und Bezahlung eines hohen Losegeldes freigab (1194). 1 Er veranstaltete wohl das glanzendste Fest, das je in Deutschland statt- fand, zur Feier der Schwertleite (feierlicheu Uberreichung des Schwertes) seiner beiden alteren Soline (Mainz 1184); 40.000 Ritter waren drei Tage lang des Kaisers Gaste. Pliilipp von Schvvaben und Otto IV. der Welfe. 99 Damit war ancli die Versclnvorung des Lowen, der bereits im folgenden Jahre starb, zu Ende. Durcb die Vermahlung seines Sohnes mit eiuer Stauferiu, welcbe ihrem Gemahle die Rheinpfalz 1 verschaffte, wurde der Friede liergestellt. 3.) Um die Zustimmung der Fursten zur Umwandlung Deutsch- lands in ein Erbreich zu gewinnen, bot er vergeblich den geistlicben Fursten den Verzicbt auf das Spolienrecht 2 , d. h. auf die Einziehung ilires beweglichen Nachlasses, den weltlicben die Erblichkeit ihrer Lehen auch in weiblicher Lime an. Heinrich musste sicli mit der Wahl seines zweijahrigen Sohnes Friedrich zum Nacbfolger zu- friedengeben. Heinrichs phantastische Plane. Audi ihn erfasste der Walm eines Universalreiches. Wie Englaud, sollten auch Frankreich und Spanien die deutsche Oberhobeit anerkennen; er dachte an die Er- oberung des bvzantinischen Reiches, des nordlichen Afrika und Palastinasj, und schon war ein Theil des von ilim aufgebotenen Kreuzbeeres eingeschifft, als er in der Bliite der Jahre starb. Der Erbe seiner Stellung war dem Namen nach ein Kind, in Wirklichkeit Innocenz III. IV. Philipp von Sdhvvaben (1198 — 1208) und 1198-1208 Otto IV. der VVelfe (1198—1214). 1198-1214 1. Die Doppelwahl und der Thronkampf (1198—1208). Da 1198-1208 Friedrich erst drei Jahre alt war, verlangten die Feinde der Staufer eine Neuwahl, wobei sie an die Erhebung eines Welfen dachten. Die staufische Partei, welcher die Mehrzahl der Fursten angehorte, gab nach und wahlte Philipp, Heinrichs VI. Bruder, die welfische Otto, den Solin Heinrichs des Lowen. Das war die erste Doppelwahl in Deutschland, das dadurch in eiuen verderblichen Biirgerkrieg — vierter Kampf zwischen den St auf er n und Welfen — hinein- gezogen wurde. Walther von der Vogelweide klagt: «Untriuwe ist in der saze, gewalt vert uf der straže, fride unde relit sint sere wunt.» 1 Von den vier Pfalzgrafen, welclie Otto I. einsetzte, -\vurden die lothringi- selien am wichtigsten. Friedrich I. iibergab diese Pfalzgrafscbaft seinem Brnder Konrad, der um Worms und Speyer grofie Besitzungen liatte und sicli seitdem «Pfalzgraf bei Rhein» nannte. 2 Friedrich I. fibte dieses Recht aus, doch hatten es die Kirchenfiirsten niemals anerkannt. 100 Dritter Zeitraum. Beide Konige bewarben sicb um die Anerkennung des Papstes Innocenz III., welcber sich nach langerem Zogern fur Otto entschied, weil dieser des Papstes Anspriiclie auf Mittelitalien anerkannte. Der Kampf wurde besonders in Norddeutschlaud gefiihrt. Schon neigte sich der Sieg zu Gunsten Philipps, und auch der Papst war geneigt, ihn anzuerkennen, als Philipp vom Pfalzgrafen Otto von 1208. Wittelsbach aus Rache ermordet wurde (1208). Nun fand Otto, der den Morder mit dem Tode bestrafte und sich mit der Tochter Pliilipps, Beatrix, vermahlte, allgemeine Anerkennung. 1208-1214. 2. Otto und Friedrich II. (1208—1214). Kaum war Otto zum Kaiser gekront worden, so zerfiel er mit dem Papste. Es zeigte sich die Unvereinbarkeit der kaiserlichen und der papstlichen Ansprtiche. Otto wollte namlich die Reichsrechte in Mittelitalien nicht preis- geben, zugleich begann er einen AngrifE auf Unteritalien, um es Friedrich zu entreifien. Da wusste der Papst, nachdem er Otto ge- bannt, die deutschen Fiirsten filr die Neuwahl Friedrichs zu gewiunen. Allen voran hatte sich Premysl Ottokar I. von Bohmen fur Friedrich erklart. Dafiir erhielt er die erbliche Konigswurde, die ihm schon Philipp verliehen hatte, auch von Friedrich bestatigt. 1212. Im Jahre 1212 wurde Friedrich in Frankfurt zum deutschen Konige gekront. Abermals kam es zum Thronkampfe. Otto suchte, von seinen fruheren Anhangern verlassen, bei seinem Oheim Johann von England Hilfe, aber beide wurden von dem mit Joliann ver- feindeten franzosischen Konige Philipp II., der durch die Vermittlung 1214. des Papstes auf Friedrichs Seite getreten war, bei Bouvinos (1214) geschlagen. Otto starb nach vvenigen Jahren in Vergessenlieit. Zum erstenmale war die innere Geschichte Deutsclilands durch fremde Machte entschieden worden. 119S-1216. V. Innocenz 111. (1198 — 1216). Wiihrend nach Alexander III. das Papstthum bestandig gesunken war, erhob es sich unter Innocenz zur groBten Machtfiille. Das leitende Princip aller Handlungen dieses mit seltenen Geisteskraften, Kenntnissen und Herrschergaben ausgeriisteten Papstes war die Idee, dass dem Papste als dem Stellvertreter Gottes auf Erden die un- mittelbare Regierung der Welt gebure. Er beanspruchte in allen Streitigkeiten sowohl der Fiirsten untereinander wie zwischen Iderr- schern und Volkern das oberste Schiodsrichteraint. Innocenz III. 101 1. Innocenz’ Stellung in Italien. Bei der allgemeinen Ver- wirrung, welche nacli Heinriclis VI. Tode in Deutschland einriss, gelang es Innocenz, seine Macht in Italien auf Deutschlands Kosten zu erweitern. Er braehte das Exarchat, die Pentapolis, die Mark Ancona, das Herzogthum Spoleto und die Mathildischen Gtiter an sich. So Herr von Mittelitalien, empfieng er kurz vor dem Tode der Kaiserin Constanze (Nov. 1198) auch noch die Vormundschaft iiber deren Solin Friedrich und sein Reich Sicilien. So war Innocenz geradezu Herrscher von ganz Italien. 2. Innocenz’ Stellung in Europa. Auch in die Geschichte der meisten anderen Staaten griff er entscheidend ein. Durch den vierten Kreuzzug, der hauptsachlich sein Werk war, gewann er auf der Balkanhalbinsel Anerkennung; um Philipp II. August in einem Ehe- streite zur Nachgiebigkeit zu bestimmen, verhangte er das Interdict iiber Frankreich; Aragonien und Portugal maclite er tributpflichtig; der englische Konig erkannte seine Lehenshoheit an; in Ungarn, Schweden und Norwcgen entschied er Tbronstreitigkeiten; seine Legaten waren in allen Reichen tbatig. Seine Stellung zeigt auch das vierte Lateran-Concil (1215), auf welchem 71 Erzbischofe, dar- unter die Patriarchen von Jerusalem und Constantinopel, 412 Bi- schofe, iiber 800 Abte und Priore erschienen; fast alle Herrscher des Abendlandes sowie die Fiirsten von Byzanz und Jerusalem hatten Gesandte geschickt. Noch nie war der Papst so als Mittelpunkt des Abendlandes erschienen; es war eine vollendete Theokratie (S. 77). Gerade in der Zeit der grofiten Machtfiille des Papstthums breitete sich als Reaction gegen die Verweltlichung der Kirche das Sectemvesen aus, wahrend die Papste in den neugegriindeten Bettel- orden eine sehr feste Stiitze ihrer Macht gewannen. 3. Die Katharer und Waldesier. Die Katharer (daher «Ketzer»), d. h. die Reinen, vervvarfen die Einrichtungen und Gnadenmittel der Kirche. Die Waldenser — so benannt nach dem Stifter der Secte, dem Lyoner Kaufmanne Waldes (um 1173) — suchten durch Uber- nahme frei\villiger Armut die apostolische Reiuheit der Kirche wieder herzustellen. Beide Secten verbreiteten sich im 12. Jahrhundert in Oberitalien und im siidlichen Frankreich. Walireud Innocenz III. das Katharertlium in Italien in wenigen Jahren im wesentlichen unterdrilckte, behauptete es sich in Siid- frankreich, zuinal da es an dem Grafen von Toulouse eine machtige Stiitze hatte. Deshalb liefi Innocenz gegen die Ketzer das Kreuz 1198 . 1215. 102 Dritter Zeitraum. predigen, wodurch ein greuelvoller Burgerkrieg ausbrach, der mit 1209-1229. Unterbrechungen von 1209 bis 1229 dauerte. Unter der Anfilhruiig Simons von Montfort wurde das ketzerische Land besetzt und ver- wiistet, der Kriog aber erst beendet, als Ludwig IX. darau theil- nahm. Der Konig erbielt den groCten Theil der Grafschaft Toulouse. Da es im geheimen noch iminer Ketzer in Siidfrankreich gab, so wurde die Inquisition, ein Glaubeiisgericht, vvelches sie aufspiiren solite, errichtet; Gregor IX. betraute damit den neugegriindeten 1232 . Dominicanerorden (1232). Als Beweismittel galten Zeugen und Folter, als Strafe wurde auBer der Giitereinziehung ftir die reuigen Uber- wiesenen lebenslangliches Gefangnis, fiir die iibrigen der Feuertod festgestellt. So wurde seit der Mitte des 13. Jahrhunderts die Ketzerei unterdruckt. 4. Die Bettelorden. Dem Principe der Armut, das der reicben Kirche gefahrlieli werden kounte, wurde dadurcli die Spitze ab- gebrocheu, dass es in den Dienst der Kirche gestellt ward. Dies that zur Zeit Innocenz’ lil. der edle Franz von Assisi, der Griinder des Francišcanerordens, dessen Mitglieder fiir sicli und den Ordon auf alles Vermogen verzichteten, so dass sie auf milde Gaben angewiesen waren. Nach seinem Beispiele griindete der Spanier Dominik den Orden der Dominicaner. Beide Orden gewannen be- sonders durcb eifrige Pflege der Predigt groben Anhang. Sie waren entscbiedene Vorkampfer der Papste gegen die Gliibellinen. 1212 - 1250 . VI. Friedrich li. (1212—1250). Friedricha II. Regierung zerfallt in drei Abschnitte, und zwar: 1.) die Zeit der Streitigkeiten mit den Papsten bis zum Frieden von 1212 - 1230 . S. Germano (1212—1230); 2.) die Zeit des Friedens mit dem Papste 1230 - 1239 . und der Reformen (1230—1239); 3.) die Zeit der fortvvahrenden 1239 - 1250 . Kampfe mit den Papsten und den italienischen Stadten (1239 — 1250). 1.) Friedrich lieb gegen das Innocenz gegebene Versprechcn seinen Sohn Heinrich, den Erben Siciliens, auch zum Konige von Deutschland wahlen und verschob vviederholt den Antritt des bei seiner Kronung gelobten Kreuzzugeš. Unter dem milden Honorius III., dem Nachfolger Innocenz’ III., blieb der Phiede erhalten; dagegen sprach dessen Nachfolger, Gregor IX., den Banu iiber den Kaiser aus, der nun den Kreuzzug unternahm (S. 90). Inzwischen lielo der Papst, weil Friedrich die Reichsrechte in Mittelitalien efneuert hatte, Friedrich II. 103 ein Heer in Unteritalien einrucken, das aber Friedrich nach seiner Riickkehr rascb zuriickwarf. Hierauf kam es unter Vermittlung des osterreichischen Herzogs Leopold VI. des Glorreichen, de s groBten Babenbergers, 1 zu San Germano zum Frieden (1230), demzufolge Friedrich gegen deri Verzicht auf Mittelitalien vom Banne befreit wurde. 2.) Es ist die fruchtbarste Zeit seiner Regierung. a) Die Re¬ formen in Unteritalien. Hier sehuf er anstelle des Lehensstaates, in welchem der Herrscher auf den guten Willen der Vasallen an- gevviesen ist, einen modernen Beamtenstaat, indem er die Verwaltung Beamten ilbertrug, die von ihm ernannt wurden, absetzbar waren und einen bestimmten Gebalt bezogen (Gegensatz zur Natural- wirtschaft), weshalb er eine allgemeine Besteuerung einfiihrte. Da den Adeligen das Fehderecht genommen wurde, erfreute sich der Staat einer grofieren Ruhe als irgend ein anderer. Friedrichs Hof in Palermo war einer der ersten Musensitze der Zeit. b) Seine Thiitigkeit in Deutschland. Eine ganz andere Ent- vvickelung hatten die Verhiiltnisse in Deutschland genommen. Auf dem Reichstage zu Worms (1231 ) musste Konig Heinrich den Fiirsten, welche zum grofien Nachtheile der koniglichen Einkiinfte theils durch kaiserliche Privilegien, theils durch Anmafiung zahlreiche Regalien ervrorben hatten, die volle Landeshoheit zuerkennen, so dass sie aus absetzbaren Beamten erbliche Landesherren wurden. Als im Jahre 1235 Heinrich von seinem Vater abtiel, eilte dieser ilber die Alpen und zwang ihn zur Ergebung; Heinrich wurde bis zu seinem Tode gefangen gehalten, sein Bruder Konrad zum Thron- folger gewahlt. Der Kaiser besetzte damals auch Osterreich, da Herzog Friedrich II. der Streitbare, der Nachfolger Leopolds VI., Heinrich, der mit seiner Schwester Margareta vermahlt war, unter- stlitzt hatte; doch gewann der Babenberger bald nach dem Abzuge des Kaisers sein Land vvieder und versohnte sich mit diesem. Im Jahre 1235 wurde auch der Reichstag von Mainz abgehalten. Daselbst wurde beschlossen: 1.) die Einschrankung des Fehderechtes auf den Fali der Nothwehr und Festsetzung eines allgeineiuen Land- 1 Leopolds VI. Kreuzzug s. S. 90. Leopold hob den Biirgerstand durch Verleihung von Stadtrechten (Wien 1221) und begiinstigte den Handel durch Ertheilung von Privilegien. Auch ptlegte er Kunst und Wissenschaft, namentlich bliihte die Dichtkunst an seinem Hofe (Walther von der Vogelweide). 1230 . 1231. 1235. 1235 . 104 Dritter Zeitraum. friedens; 2.) die Erhebung Braunschweigs und Luneburgs zu einem Herzogthume fiir Otto das Kind, einen Eukel Ottos IV., wodurch der h undertjahrige Kampf der Staufer mit den WeJfen beendet wurde. 3.) Sonst verbrachte Friedrich fast die ganze folgende Zeit in Italien, wo es zum Kample mit den lombardischen Stadten kam, welche sich den Konstanzer Bestimmungen nicht mebr fiigen wollten und sich an Heinrich angeschlossen hatten. Der Kaiser schlug sie 1237 . im Jahre 1237 bei Cortennova so entschieden, dass er an ihre voll- sthndige Unterwerfung denken konnte. Er stand auf dem Hohe- punkte seiner Macht — als abermals der Kampf mit Gregor IX. 1239 . ausbrach. Der Papst bannte den Kaiser im Jahre 1239 neuerdings, weil dieser die bisher anerkannten Anspriiche des Papstes auf Sar- dinien durch die Vermahlung seines Sohnes Enzio mit der Erbin dieser Insel beseitigen wollte. Die Erneuerung dieses Kampfes war umso beklagenswerter, als damals die wilden Mori golen unter Anfiihrung Dschingiskhans nach der Niederwerfung Russlands in Deutschland und Ungarn einfielen. Sie besiegten den Herzog Heinrich von Niederschlesien bei Liegnitz 1241 . (1241) und noch in demselben Jahre Konig Bela IV. von Ungarn am Sajo, worauf Ungarn grauenhaft verwiistet wurde. Friedrich riickte in den Kirchenstaat ein und belagerte Rom. Als Gregor ein allgemeines Concil nach Rom berief, nahm Friedrich iiber 100 dahin reisende Bischofe gefangen, wodurch das Concil 1241 . vereitelt wurde. Gregor starb im Jahre: 1241; sein zweiter Nachfolger war Innocenz IV. Dieser floh nach Frankreich, sprach auf einem von deutschen Bischofen fast gar nicht besuchten Concil zu Lyon 1245 .. (1245) liber Friedrich Banu und Absetzung aus und forderte die Fiirsten zu einer Neuwahl auf. In der That wahlten, wahrend Friedrich den Kampf in Italien mit wechselndem Erfolge bis zu seinem Tode fortsetzte, mehrere Fiirsten den Landgrafen Heinrich Raspe von Thiiringen zum Gegen- konige, der es aber ebensovvenig zu einer Bedeutung braclite, wie der nach seinem Tode von einigen Bischofen und Grafen zu seinem 1247 - 1256 . Nachfolger erwahlte Graf Wilhelm von Holland (1247 —1256), da die weltlichen Fiirsten und die Reichsstande Konrad treu blieben. Friedrichs Charakter und Fortleben in der Sage. Geriihmt wird seine Herrschergabe, Tapferkeit, Bildung, Verstandesscharfe; er war misstrauisch und selbstsiichtig, Milde und Erbarmen waren ihm fremd, sein Ideal war der Despotismus eines mohammedanischcn Herrscliers. Er ist der groBte Staatsmann des Mittelalters, der in Untergang der Staufer. 105 Sicilien den Beweis lieferte, dass der Staat ein Gemeinwesen sei, dessen Aufgabe hoher stehe als das Interesse einzelner Stande. Der Kampf mit dem Papsttliume war unvermeidlich, da audi er die hochste Vorstellung von seiner Wtirde hatte. In religioser Beziehung war er tolerant. Eine doppelte Sage nahm fiir ilm die Unsterblidikeit in An- spruch. Nadi der einen, welche von italienischen Monchen stammt, wird er als Antichrist wiederkehren, um den Untergang der Welt herbeizufiiliren, nach der andern, welche in Deutscliland entstand, schlummert er in irgend einer deutschen Pfalzburg, um, wenn es notlitliut, zu kunftiger Rettung Deutschlands wieder aufzusteben. Im 15. Jahrhunderte wurde die Sage auf den Kyffhauser localisiert und im 16. Jahrliuuderte — in einem zu Augsburg erschienenen Volksbuclie — irrthiimlich auf Barbarossa bezogen. Durch Friedrich Riickerts volksthiimliches Gedicht («Barbarossa*) wurde die Uber- tragung der Sage auf Friedrich I. endgiltig veranlasst. (Vergl. Karl der Grobe im Untersberg.) VII. Untergang der Staufer (1250 — 1268). 1. Konrad IV. (1250—1254). Nach dem Tode seines Vaters gab 1250-1254 er den Kampf gegen Wilhelm auf und eilte nach Italien, um sein Erbe gegen Innocenz IV. zu sichern. Er behauptete sich bis zu seinem friihen Tode im Besitz Apuliens und Siciliens. 2. Manfred (1254—1266). Da Konrad nur einen zweijahrigen 1254-1266 Knaben hinterlieB, den die Italiener Conradino nannten, kam die Regierung des Konigreiches an den ritterlichen Manfred, einen Solin Friedrichs II. Aber die Papste ruhten nicht, solange ein Sprosse des verhassten Geschlechtes in Italien regierte. Daher belehnte Urban IV., der zweite Nachfolger des Innocenz, Karl von Anjou (S. 91) mit dem Erbe der Staufer. Bei Benevent (1266) verlor Manfred Sclilaclit und Leben. 3. Konradin (1266 —1268); Karl von Anjou. Karl machte 1266-1268 sich ob seiner Grausamkeit bald allgemein verhasst. Deshalb rief die ghibellinische Partei Konradin herbei, der am Hofe seines Oheims, des Herzogs von Oberbayern, erzogen wurde. Begleitet von seinem Jugendfreunde Friedrich von Baden, dem Soline Hermanns von Baden und Gertruds, der Nichte des letzten Babenbergers (S. 122), zog der ritterliche Jiingling liber die Alpeu, allenthalben von den Ghibellinen freudig begriifit. Schon hatte er das Heer seines Gegners 106 Dritter Zeitraum. 1268. hei Scurcola besiegt (1268), als die Deutschen in einen Hinterhalt geriethen und geschlagen wurden, so dass Konradin mit einer Schar Getreuer zur Flucht genothigt war. Es gelang ihnen, bei Astura die Kuste zu erreicben und in einem Kahne das Meer zu gewinnen. Aber der Herr von Astura, Frangipane, sohickte den Fluchtigen ein Scliiff nach, welches sie zuriickbrachte, worauf er sie fiir eine grobe Geldsumme an Karl auslieferte. Dieser liefi, trotzdem das von ihm. eingesetzte Kriegsgericlit Konradin fiir unschuldig erklart liatte, ihn und Friedrich zum Tode verurtheilen; beide bestiegen zu Neapel das Blutgerust, nachdem Konradin den Konig Peter III. von Aragonien, den Schwieger- sohn Manfreds, zu seinem Erben bestimmt hatte (1268). Karl ward seines Sieges nicht froh; der Hass gegen die Franzosen 1282. rief die sicilianische Vesper hervor (1282). Am Ostermontage dieses Jahres brach in Palermo zur Vesperzeit ein Aufstand aus, der mit der Ermordung aller Franzosen auf Sicilien endete. Die Sicilianer crhoben Peter von Aragonien zu ihrem Konige. 4. Die nachsten Folgen des Sturzes der Staufer. Diese waren: 1.) das Interregnum in Deutschland, d. h. die Zeit von 1254-1273.1254 bis 1273, bis zur Thronbesteigung Rudolfs von Habsburg, in welcher das Faust- und Fehderecht lierrschte und infolge einer neuerlichen zwiespaltigen Wahl (1257) zwei fremde Ftlrsten, Richard von Cormvallis und Alfons X. von Castilien, den Namen eines deutschen Konigs fuhrten; 2.) eine allgemeine Verivirrung in Italien, namentlich fortgesetzte Kampfe der Guelfen und Ghibellinen, die in allen Stadten bis tief ins 14. Jahrhundert hinein dauerten, worauf endlich durch das Aufkommen von Tyrannen (I. 55) geordnetere Verhaltnisse herbeigefiihrt wurden; 3.) der Niedergang des Papst- thums, das zunachst von den Anjous, seit dem Anfange des 14. Jahr- hunderts von den franzosischen Konigen abhangig wurde; 4.) die Trennung Siciliens von Neapel. Drittes Capitel. Cultur im Zeitalter der Kreuzziige und der Staufer. Die Kreuzziige erweiterten den geistigen Horizont der abend- landischen Bevolkerung (I. 106), die damals neue Lan der und eine vorgeschrittene Cultur kennen lernte (S. 45) und im Verkehre der verschiedenen Volker untereinander vielfache Anregung gewann. Da¬ mals erreichte das mittelalterliclie Culturleben seinen Hiihepunkt; Religion und Kirche. 107 viele seiner Aufierungen (Ritterstand, hofische Epik und Lyrik, die Ritterorden, Kriegskunst, Turniere, Bau der Burgen, die Gothik, Kleidermoden) haben ihren Ursprung in Frankreich. Die Franzosen, welche sich am lebhaftesten an den Kreuzztigen betheiligten, iiber- nabmen daher aucb seit dem 12. Jahrbunderte die geistige Fiihrung des Abendlandes; bis nach Palastina hinein war die franzosische Sprache verbreitet. («Franken» fur Abendlander.) I. Religion und Kirche. Ausbreitung des Christenthums. 1.) Endgiltige Bekehrung der Wenden. Sie ist das gemeinsame Werk der Kirche und mehrerer deutscben Fiirsten (nicht mebr der Kaiser). Von kirchlicber Seite waren namentlich die Pramonstratenser und Cistercienser, von welt- licher die drei zeitgenossischen Fiirsten Adolf Graf von Holstein, Markgraf Albrecht der Bar und Heinrich der Lowe hiefiir thatig. Diese Fiirsten eroberten das Weudenland und verdrangten die ein- heirnische Bevolkerung theilweise durch deutsche Colonisten. 2. ) Bekehrung der PreuBen. Aucb den Preufien wurde das Evangelium mit dem Schwerte, und zwar von deutschen Ordens- rittern gepredigt, welche der polniscbe Herzog Konrad von Masovien /um Schutze gegen sie im Jahre 1230 ins Culmerland berief. Spaterbin bildeten die Ordensritter nur den Generalštab, die Er- oberung vollzogen die Kreuzbeere aus dem Westen, welche die Papste hinschickten, und die deutschen Colonisten, die am Anfange des 15. Jahrhunderts 93 Stadte und 1400 Dorfer daselbst bewobnten. Koch vor Ablaul des 13. Jahrhunderts war ganz Preufien unterworfen. Bald nach dem Falle Akkons wurde Marienburg der Sitz des Hoch- ineisters des Ordens. 3. ) Bekehrung der russischen Ostseelander. Sie fallt in die erste Halfte des 13. Jahrhunderts und ist das Werk des Ritterordens der Sclnvertbruder, den der Bischof Albert von Riga am Anfange des 13. Jahrhunderts griindete. Dieser Orden gewann Livland und die angrenzenden Theile Kurlands und Estlands dem Christenthume. Noch vor der Mitte des 13. Jahrhunderts vereinigte er sich mit dem deutschen Orden; auch er begiinstigte die Einwanderung der Deutschen, daher ist noch jetzt ein Theil der dortigen Stadt- bevolkerung deutsch. 4. ) Skandinavien. Wahrend das Christenthum in Danemark und Norwegen schon unter Knut dem Grofien (1016 —1035; S. 72) 108 Dritter Zeitraum. durchdraug, war dies in Schweden erst im 12. Jahrhunderte der Fali. Von Norwegen aus wurde Island bekelirt. So war mit Ausnahme Litauens, das erst am Etide des 14. Jahr- hunderts bekehrt wurde, und des siidlichen Spanien, wo nocli der Islam herrschte, gauz Europa christlich. Uber die Festsetzung der mohammedanischen Tiirken auf der Balkanhalbinsel s. S. 135. II. Der Ritterstand. 1. Ursprung des Ritterthums. Ritter = Reiter ist urspriing- licb jeder, der den Kriegsdienst zu Pferde leistet; es sind dies die edlen oder freien Herren (Barone), die Reste des altgermanischen Geburtsadels, und die Ministerialen des Konigs und der Fursten, deren Stellung wegen der erforderlichen Erziehung seit dem 11. Jahr- hundert erblich wurde, wodurch allmahlich der Makel der Unfreiheit schwand und sie mit den edlen Rittern verschmolzen. 2. Bildung des Ritterstandes. Den Adelscharakter erhielten die Ritter dadurch, dass sie sich gegeniiber den Burgern und Bauern zu einem eigenen Stande mit bestimmten Begriffen von Elire und Berufspflichten abschlossen, eine Entwickelung, welclie in Deutsch- land in die Zeit Friedrichs L fallt. Die Kemizeichen des Ritteradels waren: 1.) feine (hofische) Erziehung, 2.) kunstgerechte Filhrung der ritterlieben Waffeu (Schwert und Speer), 3.) christlicli-fromme Lebens- auffassung. Nack dem Vorbilde der geistlichen Ritterorden zerfielen die Mitglieder des Ritterstandes, in welchen man durch die Schwert- leite eintrat, in Ritter und in Knechte; die ersteren sind diejenigen, welche den Ritterschlag, d. h. einen Schlag mit der Hand von einem Ritter in den Naeken, erhalten hatten, die letzteren, bei denen dies wegen der damit verbundenen Kosten nicht der Fali war. a) Hofische Erziehung. Der Sohn eines Ritters kam mit zwolf Jahren auf die Burg eines anderen Ritters oder an den Hof eines Fursten, wo er als Junkherr (Knappe, Garzun) einem Ritter diente, bis er selbst Ritter wurde. In der Bliite der Ritterzeit (um 1200) lernte der heranvvachsende Knabe und Jiingling initunter die sieben freien Kunste (S. 53), namentlicb aber Reiteu, Schwimmeu, Pfeil- schieben, Fechten mit Schwert und Scliild, Jagen, Schachspiel und die Verskunst. Daneben wurde auf hofische Manieren, gewahlte Rede, Kenntnis fremder Sprachen grofier Wert gelegt. h) Kunstgerechte Filhrung der Waffen. Sie fand Ausdruck in den ritterlichen Spielen (L 69), an denen nur Ritterburtige theil- Die Literatur. 109 nehmen durften. Die wichtigsten Arten waren die Tjost, der Buhurt mul das Turnier. Die Tjost war ein Zireikampf, in welchem Mann gegen Mann stritt, entweder im Ernstfall mit scharfen Waffen oder im Spiel mit stumpfen. Als Kampfsp/e/ fiihrte man die Tjost zur Ubung oder bei Festen zur Unterhaltung der Gaste und als Kraft- probe aus. Ilir Zweck war, den Gegner vom Pferde zu stoBen. Fielen beide gleichzeitig in den Sand, so griff man zum Schwerte, doch meist erst dami, wenn alle Speere (oft 40 bis 50) verstochen waren. Der Buhurt war ein Iiaufenspiel, das zur Kurzweil bei feierliclien Anlassen aufgefiilirt wurde; deshalb bediente man sicli audi stumpfcr Speere. Das Turnier war wie der Buhurt ein Massenkampf, in welchem aber die gegnerischen Parteien stets mit scharfen Waffen kampften. Das Turnier war das Abbild einer grofien Reiterschlacht und vertrat gevrissermaflen unsere Manover. c) Christlich-fromme Lebensauffassung. Die ritterlichen Tu- genden sind auBer der Tapferkeit besonders Treue, Ehrgefiilil, Frei- gebigkeit, Mafiigung, Barmherzigkeit; auch verlangte man vom ltitter genaue Einhaltung der kirchlichen Vorschriften und Bescliiitzung der Armen, Witwen und Waisen. 3. Verfall des Ritterstandes. Diese Idealitat erhielt sicli indes nicht lange, die hofischen Sitten verfielen, woriiber schon Walther klagt, die Ritter sanken zu Raubrittern und Schlemmern herab. Am argsten war es im Zwischenreiche. III. Die Literatur. Wahrend friiher fast nur Geistliche literariscli thatig waren, geht jetzt die Pflege der Poesie an den Ritterstand und nach dessen Verfall an den Biirgerstand iiber; dagegen bleibt die Pflege der Wissenschaften bis ins 15. Jahrhundert hinein Saclie der Geistlichen. 1. Poesie. a) Die hofische Dichtung. Ilatten friiher den In- halt der Dichtung fast ausschlieBlich kirchliche Stoffe gebildet, so athmet die ritterliche Poesie Weltlust und Frohsinn. Die hofischen Sanger waren tlieils Lyriker, theils Epiker; das Drama war damals nocli nicht entvvickelt (I. 81). Die Ljrik wurde in Stidfrankreich, namentlich in der Provence, von den Troubadours gepflegt, deren groBter, Bertrand de Bom' , ein Zeitgenosse Heinrichs II. von England war. Die Troubadours beeinfiussten besonders in der Form die 1 Uhlands gleichnamigos Gedicht. 110 Dritter Zeitraum. deutschen Minnesanger, deren grofiter, Walther von der Vogehveide, nach seiner eigenen Angabe in Osterreich singen und sagen gelernt hat. Der Hof in Wien unter den letzten drei Babenbergern und der Ilof der Landgrafen von Thiiringen zu Eisenach und auf der Wart- hurg waren die wiclitigsten Pfiegestatten der deutschen Dichtung. Die Epik bliihte in Nordfrankreich, ihre Trager hiefien Trou- vbres. Die behandelten Sagenstoffe sind zum kleineren Tlieile antike, weit iiberwiegend mittelalterliche (romantische). Von den ersteren waren am wichtigsten die Sagen vom trojanischen Kriege und von den Tliaten Alexanders des Grofien (I. 104). Die beliebtesten roman- tischen Stoffe waren die Artus-, die Tristan- und die Gralsage (Parcival), alle drei britischen Ursprungs, endlich der karolingische Sagenkreis von Karl dem GroBen und seinen Paladinen (Roland). Diese Stoffe behandelten nach franzosischen Vorbildern auch die drei grofien hofischen Epiker Deutschlands, namlich Hartmani 1 von Aue (Artussage), Gottfried von Strassburg (Tristan und Isolde), Wolfram von Eschenbach (Gralsage). h) Volksthumliches Epos. Wahrend in den Frankreich naher- golegenen Gebieten bereits die hdfische Epik gepfiegt wurde, bliihte in Osterreich, das damals das sangesreichste deutsche Land war, noch der volksthiimliche Ileldengesang (S. 36), dessen Erzeugnisse von Spielleuten in den ritterlichen Kreisen vorgelesen (nicht mehr gesungen) wurden. In Osterreich erhielt das Nibelungenlied und Um 1200. wohl auch die Kudrun die endgiltige Gestalt (um 1200). Um 1300 . Alle diese Gattungen der Poesie waren um 1300 verfallen. 2. Prosa, a) Scholastik. Wohl nahm durch die Beriihrung mit den Arabern die Pflege der Geographie, Naturkunde, Mathematik und Medicin einen grofien Aufschwung, trotzdem behaupteten die Theologie und die lange Zeit in deren Dienste stehende Philosophie wahrend des ganzen Mittelalters unter den Wissenschaften des Abend- landes den ersten Rang. Mit Hilfe der Logik des Aristoteles solite der Glaube verstandesmaBig ergriffen und begriffen werden. Das war der Grundgedanke einer neuen «Schulweisheit», Scholastik ge- nannt, die namentlich in der Kunst des Disputierens oder in der Dialectik (S. 53) grofi war. Ihre grofiten Meister waren die Domiui- caner Albertus Magnus aus Schwaben und Thomas von Aquino, vvelclie beide liingere Zeit an der Uuiversitat in Pariš, dem Haupt- sitze der Scholastik, wirkten. Die Bildungsstatten der Zeit. 111 b) Die Mjstik. Die grofiartigen Speculationen der Scholastik mochten wolil den Verstand befriedigen, nicht aber das Herz der- jenigeu, welche die Religion wesentlich als eine Sache des Gemiitbes auffassten. Daher entstand eine Reaction gegen die Scholastik, deren Trager die My stik er waren. Wenig Wert auf das Dogma legend, strebten die Mystiker nach Reinigung des Herzens durch Bube und gute Werke, nach Erleuchtung des Geistes durch die Gnade Gottes, nach der Einigung mit Gott durch die unermiidliche Liebe. Der Meister der deutschen Mystik ist der Dominicaner Eckhard (seit 1325 in Koln). Durch ihre Predigten haben die Mystiker zur Aus- bildung der deutschen Prosa wesentlich beigetragen. c) Die deutschen Rechtsbiicher. Im 13. Jahrhundert entstanden die ersten \vissenschaftlichen Arbeiten iiber deutsches Recht. Es waren dies zusammenfassende Aufzeichnungen des seit Auflosuug des frankischen Reiches lediglich durch Ubung fortgepflanzten Ge- wohnheitsrechtes. Das wichtigste Rechtsbuch war der Sachsenspiegel, der um 1230 von dem Wettinschen Gerichtsschoffen Eike von Repgo\v fiir Norddeutschland abgefasst wurde und die Grundlage des siid- deutschen Schwabenspiegels bildete. IV. Die Bildungsstatten der Zeit. 1. Kloster-, Dom- und Stadtschulen. Damals spielte der Privatunterricht in den hoheren Kreisen eine weit grofiere Rolle als heutzutage. Als offentliche Bildungsstatten bestanden zunachst die Kloster- und Domschulen fort (S. 53), welche vom 9. Jahrhundert an in innere fiir die kiinftigen Geistlichen und in auBere fiir die Kinder der Edellcute und der Freien zerfielen und in Deutschland unter den sachsischen und frankischen Kaisern ihre hochste Bliite erreichten (S. 60). In Osterreich waren beriihmt die Scliulen in St. Florian, Kremsmiinster, Melk, St. Polten, Gottweih. Um 1200 Um 1200. verfielen alle diese Schulen; umso wichtiger war es, dass gerade damals infolge des Aufbluhens der Stadte die Stadt- oder Pfarr- schulen aufkamen. Selbst in den kleinsten Stadten befanden sich seit der Mitte des 13. Jahrhuuderts Schulen, in welchen die biirger- liche Jugend Religion, Latein, Lesen, Schreiben und Rechnen lernte. 2. Universitaten. Seit dem 12. Jahrhundert entstanden in Italien, Frankreich, England und Spanien wissenschaftliche Hoch- schulen, die man Universitaten nannte. 1 Sie waren nach heutigem 1 Urspriiuglicli bezeiclmete der Name nur die mit eigener Gerichtsbarkeit und sonstigen Privilegien ausgestattete Korpersehaft der Lelirenden und Lernenden. 112 Dritter Zeitraum. Sprachgebrauche nur einzelne Facultaten und standen unter kirch- licher Oberaufsicht. Die bedeutendsten waren in Pariš (beriihmteste Schule far Theologie und Philosophie), in Bologna (fur das Rechts- studium) und in Neapel (fur Medicin und die N aturwiss en s cb af ten). V. Die Kunst. Die beiden Hauptstile des Mittelalters sind der romaniscbe und der gothische, die sich iiber die ganze katholische Welt verbreiteten. t)ber den Grundriss der Kirchen s. I. 203 und S. 37. A. Baukunst. a) Der romanische Stil. Dieser Stil taucht in verschiedenen 1000 - 1200 . Landern fast gleicbzeitig auf; seine Bliite dauert etwa von 1000 bis 1200, sie wurde zuerst in Deutschland erreicht. Da sammtliche Bogen (an Fenstern, Portalen, als Verbindung der Saulen und Pfeiler 1 ) rund sind, heifit er wohl auch der Rundbogenstil. 1.) Das Innere. Der Raum fur die Glaubigen zerfallt durch Pfeiler- oder Saulenarcaden in drei Schiffe, von denen das mittlere, das Hauptschiff, gewohnlich doppelt so breit und hoch ist als die beiden Seitenschiffe. Am Ende des Langschiffes schliefit sich das Kreuz- oder Querschiff an, dessen Anlage den Hauptunterschied gegeniiher der Basilika bildet. Es besteht namlich aus drei Quadraten, von denen das mittlere, Vierung genannt, durch vier Pfeiler, die mit Bogen verbunden sind, gebildet wird. Jenseits der Vierung folgt ein viereckiger Raum, Chor oder Presbyterium, an welches sich die lialbkreisformige Nische (Apsis) anschliefit. Eigenthumlich ist diesem Stile die Anlage einer Gruftkirche, Krypta, unter'dem Chore; die beriihmteste Krypta Osterreichs ist in Gurk. Das Capital hat die Form eines Wiirfels mit unten abgerundeten Flachen (VVurfelcapital), die mit verschiedenen phantastischen Thieren, Pflanzen- oder Bandornamenten verziert wurden. Daneben kommt liaufig die Kelchform mit Blatterschmuck vor. Bis tief ins 12. Jahrhundert hinein wurden Idolzdecken an- gewendet, aufierdem Tonnengewolbe, welche die Gestalt eines halben Cylinders haben, endlich auch Kreuzgewolbe, welche aus vier spha- rischen Dreiecken (Gewolbkappen) bestehen. Uber der Vierung erhob sich liaufig eine Kuppel. ller Pfeiler ist in der Regel viereckig und entbehrt des Capitiils. Die Kunst. 113 2.) Das AuBere. Hier ist das Hauptkennzeichen der Rundhogen- fries, der aus einer Reilie miteinander verbundener Halbkreisbogen besteht, welche sich besonders unter dem Dachgesimse hinziehen. Hiezu kommen die Lisenen, pilasterartige Verstarkungen der Mauern, als Schmuck der Fagaden. Besonders reich geschmiickt wurden die Portale. Die wichtigsten Kirchen dieses Stiles sind in Deutschland: die Dome von Mainz, Speyer (mit der Gruft der Kaiser von Konrad II. bis Rudolf von Habsburg), Worms und Bamberg; in Osterreich: die Kirchen in Gurk, Seckau, St. Paul und Trient und die Kreuzgange (d. h. von Arcaden umgebenen Klosterhofe) in Heiligenkreuz, Lilien- feld und Zwettl; in Italien : Dom und Kreuzgang von Monreale bei Palermo. b) Der gothische Stil. Die ersten Bauten in diesem Stile ent- standen in Nordfrankreich um die Mitte des 12. Jahrhunderts; von hier aus verbreitete er sich liber alle katholischen Lander, 1 seine Bliite fallt ins 13. Jahrhundert, sein Ende in deu Beginn der Neuzeit. «Gothisch» nannten die Italiener den Stil, um ilm als einen bar- barischen zu bezeichnen; wegen der eonsequenten Airsvendung des Spitzbogens heifit er wohl auch Spitzbogenstil. 1.) System des Stiles. Die zwei Ilauptgrundlagen des Stiles sind der Spitzbogen und das System der Strebepfeiler und Strebe- bogen. Der Spitzbogen, der sich schon an den arabischen Bauten der friiheren Periode als decoratives Motiv vorfand, erhalt jetzt constructive Bedeutung, d. h. er beeinflusst den ganzen Aufbau. Da der gothische Stil allgemein das Kreuzgewdlbe anwendet, welches nur auf die Ecken des Viereckes, woriiber es gespannt ist, einen grofien Druck ausiibt, so suchte man diese durcli das System der Strebepfeiler und Strebebogen zu stiitzen. Die ersteren, kraftige Pfeiler, sind an der Aufienseite der Kirche gerade gegeuiiber den Pfeilern, welclie die Gewolbe des Hauptscliiffes tragen, angebracht; die Strebebogen liber den Seitenšchiffen verbinden die Pfeiler mit¬ einander. Fernere Abiveichungen vom romanischen Stile sind: a) Krypta und Vierung entfallen; b) die Nische wird polygonal gebildet; c) die grohen Fenster, durch steinerne Štabe — Pfosten — gegliedert, werden durch Spitzbogen abgeschlossen, deren oberer Theil durch das MaB\verk, steinerne Kreise und Kreistheile, verziert ist. 1 Nach Osterreich gelangte die Gothik erst gegen Ende des 13. Jahrhunderts. Zeehe-Rebhann, Gesch. f. d. ob. Cl. d. Realschulen, II. 8 114 Dritter Zeitraum. 2.) Bas AuBere. Es erhalt sein Geprage durch die Strebepfeiler und Strebebogen, welche bei reicheren Bauten mit Kreuzhlumen und Krabben geschmiickt sind; die ersteren sind kreuzformig ge- staltete Bildungen, deren Querbalken und Spitze mit Blattornamenten geschmiickt sind, die Krabben sind kleinere Ornamente in Blattform. Bei noch reicherer Decoration setzt man an die Spitze der Strebe¬ pfeiler Spitzsaulchen (Fialen), deren Spitzen mit Kreuzblumen und deren Kanten mit Krabben geschmiickt sind. Auch finden wir Fialen zwischen den Wimpergen (Windbergen), steilen Giebeln, welche iiber Fenstern und Portalen angebracht werden; ebenso werden die spitz- bogigen Portale und die Thiirme reich geschmiickt. Die beiden groben viereckigen Westthiirme gehen oberi hilufig in ein achtseitiges Prisma liber, liber welchem die steile Pyramide des Helmes mit einer Kreuz- blume an der Spitze aufgesetzt ist. Die wichtigsten Denkmaler dieses Stiles sind die Dome von Pariš, Chartres, Amiens, Reims, von Canterbury und Salisbury, von Freiburg, Strassburg, Kolu, 'von Wien und Prag. Die hochste Leistung des deutschen Profanbaues im Mittelalter ist das gothische Schloss des deutschen Ordens in Marienburg. B. Plastik und Malerei. Wahrend die monumentale Plastik und Malerei in der Zeit vom 10. bis zum 12. Jahrhunderte diirftig und roli ist, hat das Kunsthand\verk eine bobe Entwickelung erreicht; namentlich bot der Goldschmiedekunst, der Weberei und Stickerei die Herstellung kirchlicher Gerathschaften Gelegenheit zur vollsten Entfaltung. Erst seit der Mitte des 12. Jahrhunderts nahm die Plastik einen bedeutsameren Aufschwung, indem die decorative Pracht der Gothik eine grobe Zahl plastischer Werke hervorrief, wahrend die Malerei zuriickblieb, da ihr die groben Fenster der gothischen Bauten den Raum raubten. Einen theihveisen Ersatz hiefiir bot die Glasmalerei, die am Ende des 10. Jahrhunderts erfunden wurde und im 13. Jahr¬ hunderte zur Bliite gelangte. IJiezu kommt die Poljchromie (I. 71), indem verschiedene Bautheile, wie Capital er, Gurten u. s. w., bemalt wurden. VI. Materielle Cultur. Ackerbau, Gewerbe, Industrie und Handel nahmen damals einen groben Aufschwung. Der Ackerbau wurde nun rationeller betrieben; man diingte den Boden, wechselte mit dem Anbau der Frucht, lieb den Boden Verfassung. 115 nicht melir jahrelang bradi liegen u. s. w. Diejenigen Bauer n, welche aus dem Oriente zuriickkamen, galten infolge papstlicher Bestim- mung als frei; der durch die Kriege bewirkte grobe Verlust an Bauern verbesserte die Lage der iibrigen. Die hobe Entwickelung des Gewerbes und der Industrie im Oriente reizte zur Nachabmung, so dass jetzt audi in den Landern mit stadtischer Cultur (Italien, Frankreich, Flandern) das Fabriks- wesen, z. B. Spinnerei, Weberei, aufbliibte. Wie im Alterthume (I. 110 u. 194) wurden auch im friihen Mittelalter Seide aus China, Gewiirze, Spezereien, Perlen, Edelsteine, Elfenbein aus Indien eingefiihrt, wobei anfangs die Perser, spater die Araber den Zwischenhandel besorgten. Die Hauptstapelplatze dieser Waren waren Constantinopel und Alexandrien, von wo ita- lienische Kaufleute, namentlicb aus Amal/i, Venedig, Piša und Genna, die Waren holten. Wahrend der Kreuzziige nahm der Levantehandel einen boben Aufschwung; orientaliscbe Waren wurden damals nach Flandern und Eugland gebracht und deutsche Kaufleute ftihrten sie weiter nach den Landern der Ostsee. Die Eroberungen der Mongolen im 13. Jabrhunderte kamen dem Handel sogar zugute, weil sie den Italienern das Innere Asiens erschlossen. Ja, drei Venetianer aus der Familie Polo gelangten sogar im 13. Jabrhunderte bis China; Marco Polo bat die von ibm besuchten Landschaften geschildert. Doch verfallt dieser Handel im 14. Jabrhunderte wieder infolge des Auftretens der Ttirken und des Sturzes der mongolischen Herrscher in China, das sich erst seitdem dem Auslande gegeniiber abgeschlossen liat. Von den Arabern lernte man den Compass kennen, der im Abendlande etwa seit 1300 verwendet wurde. Viertes Capitel. Verfassung, Vervvaltung und Volksvvirtscliaft im deutschen Reiche. 1. Verfassung. 1. Der Konig. Seit Otto I. empfiengeu alle Konige, auber Konrad III., Philipp und Konrad IV., vom Papste die Kaiserkrone. Die Naclifolge berubte auf einer Mischung von Erblichkeit und Wahl; das Erlosclien mehrerer Dynastien erinnerte die Fiirsten immer wieder an ihr Wahlrecht. Bei Konrad II. wird zum letzten- 8 * 116 Dritter Zeitraum. male der Zustimmuug des Volkes zu der Wahl der Fiirsten gedaclit. Aus dem Elirenrechte, dass einzelne Fiirsten ihre Stimmen zuerst abgaben, 1 bildete sich im 13. Jahrlmnderte das ausschieBliche Wahl- recht einiger Fiirsten aus. So gelangte man zur Siebenzahl der 1257. Kurfiirsten (S. 130) zuerst bei der Doppelwahl des Jalires 1257. Der Wahlort war Frankfurt, die Kronungsstadt Aachen; eine feste Re- sidenz gab es nicht. 2. Die Reichsfursten. Man unterscheidet einen alteren und einen jiingeren Fiirstenstand; die Grenze beider fallt in die Zeit Friedrichs I. Seit Friedrich I. ist der Fiirstenstand nicht mehr an die Ausiibung eines vom Konig iibertragenen Amtes, sondern an den Besitz eines nur vom Reiche abhangigen Gebietes, z. B. eines Herzog- thumes, gekniipft. Die Reichsfursten waren: a) geistliche, namlich Erzbischofe, Biscliofe und Reichsabte; b) weltliche, uiimlich Herzoge, Markgrafen, Graf en und Burggrafen. 2 Die Landeshohe.it der Fiirsten (S. 103), deren eigentlichen Kern auch fernerhin die grafliche Gerichtsbarkeit bildete, entwickelte sich einerseits durch die Erwerbung von immer mehr Regalien, anderseits durch die Aufsaugung der fremdherrlichen Gebiete innerhalb des ftirstliclien Territoriums. Die Landeshoheit fand ihren starksten Ausdruck in den LandestheiJungen, wodurch das Land als Familien- besitz erscheint. So theilten die Wittelsbaclier ihren Besitz in Ober- bayern und die Pfalz einer- und Niederbayern anderseits, die Wettiner in Sachsen -Wittenberg und Lauenburg, die Welfen in Braunschweig und Liineburg — aus dem letzteren ist Hannover hervorgegangen —, die Gorzer Grafen in Gorz und Tirol; auch die Habsburger theilten im 14. Jahrhundert ihre Lan der. Seit der Ausbildung der Landeshoheit entvvickelte sich allmahlich die Pflicht der Fiirsten, die Grofien ihres Territoriums, namlich die Pralaten, Grafen, Edelherren, Ministerialen, und die. Vertreter der landesfurstlichen Stadte, d. h. derjeuigen, welche nur dem Landesherrn unterstanden, bei Entscheidungen iiber wichtige Landesangelegen- heiten zu Rathe zu ziehen. So entstanden die Landstande, die in Fragen der Gesetzgebung, Besteuerung, Verpfandung und Veraufierung von Landestheilen u. s. w. um ihre Zustimmung befragt werden mussten. 1 Dieses Vorrecht beruhte bei deu vier weltlichen Fiirsten vermutblicli auf dem Besitze des Erzamtes (S. 64). 2 Befehlskaber in einer Burg, welcbe neben den mili tari schen Functionen die Gerichtsbarkeit in deren Gebiete ausiibten. Verfassung. 117 3. Der Reichstag. Der Reichstag wurde zur Berathung von Reichsangelegenheiten einberufen; der Kaiser lud sammtliche Reichs- fiirsten zu demselben ein. In seine Competenz gehorten: 1.) die Reichsgesetzgebung, 2.) Reichsheerfahrten, einschliefilich der Romer- ziige, 3.) Reichssteuern, 4.) Veranderungen im Stande der Fiirsten- thiimer und 5.) Vertrage mit dem Auslande. 4. Staatliche Gliederung des Reiches. Die Stammesherzog- thiimer waren durch Theilungen und Zersplitterungen (S. 68 u. 97) zu Landesherzogthumern geworden, das letzte, Schwaben, ist mit dem Tode Konradins eingegangen. Die Grafschaftseintheilnng ist im 12. Jahrhunderte zerriittet; dies veranlassten: 1.) die Immuni- taten, deren Inhaber durch die Erlangung der hohen Gerichtsbarkeit vom Grafen unabhangig wurden; 2.) das Aufkommen der Reichs- vogte im 9. Jahrhunderte, welche die koniglichen Domanen unab¬ hangig vom Grafen verwalteten; 3.) die Ertheilung von Stadtrechten, da die Stadte haufig dem Grafengerichte entzogen wurden; 4.) be- sonders die Erblichkeit der Lehen, da hiedurch die Grafschaften den Charakter einer Eigenberechtigung erhielten, so dass Theilungen und Vereinigungen von Grafschaften immer haufiger wurden. Des- halb benannten sicli auch die Grafen, z. B. die Ilabsburger, nicht mehr nacli dem Gau, sondern nach einer Burg. Die Hundertschaften haben sich im ganzen erhalten. 5. Lehenswesen. Es erreichte unter den Staufern seine Bliite, indem Friedrich I. auch die Kirchenfiirsten in den Lehensverband zog, weshalb damals auch diese von kriegerischem Geiste erfiillt wurden. Gegenstand der Belehnung konnte alles sein, was einen dauernden Ertrag abwarf, auch Amter und Wiirden; daher durchdrang das Lehenswesen den ganzen Staat. Die Erblichkeit der Lehen galt nur im directen Mannesstamme, schloss also die Briider aus. Falls die Person des Herrn oder des Vasallen wechselte, musste binnen Jahr und Tag die Lehenserneuerung nachgesucht werden (Mutung ); war kein Erbe vorhanden, so trat der Heimfall des Lehens ein. 6. Die Stande: a ) Der Adel. Zu ihm gehorten die Fiirsten, die aus dem karolingischen Amtsadel hervorgegangen sind, die edlen oder freien Herren (S. 108) und die weltlichen Immunitatsherren. Umen entstammte der hohe Adel. b) Die Ministerialen. Sie bildeten seit dem 11. Jahrhundert einen eigenen Geburtsstand, der die Quelle des niederen Adels wurde; mit ihnen fallt der Ritterstand vielfach zusammen. 118 Dritter Zeitranm. c) Die freien Bauern, welche theilweise ihren Besitz veri oren hatten. d) Die Hdrigen, welclie ihrem Herrn einen Zins zahlten. e) Die Leibeigenen. Sie waren die Hausdiener und galten als Sache ihres Herrn; ihre Zalil nahm stetig ab. Das 13. Jahrhundert ist die Bliitezeit des deutschen Bauern- standes; damals gab es vielfach nur freie Bauern. Das anderte sich im 15. Jahrhunderte vollig. Das Aufhoren der Rodung, der Colonisation und der Stadtegrundungen (»Stadtluft macbt frei») driickte den Wert des Bauern herab, Theilung des Ackerlandes und der Druck der offentlichen Abgaben fiihrten seine Verarmung berbei, so dass er mit Ausnahme der tapferen Dithmarsehen (im westlicben Holstein), der Schweizer und eines Theiles der Tiroler Bauern zum \veitaus groBten Theile horig wurde. II. Verwaltung. 1. Das Finanzwesen. Die wichtigsten Einkiinfte des Reiches = des Konigs waren: 1.) die Ertragnisse der Domanen, die jedoch am En de der Stauferzeit durch Scbenkungen und Entfremdungen fast ganz zusammengeschwunden waren, 2.) die Geldleistungen lta- liens (S. 95) und der slawischen Volker, solange die letzteren dem Reiche nicht einverleibt waren, was unter Friedrich I. geschah; 3.) die Gerichtsgelder; 4.) die Regalien (S. 95). Zu einer ordent- lichen Beiclissteuer hat es das Mittelalter nicht gebracht; neben den kirchlichen Beden (S. 65) sind besonders die ordentlichen Beden der Reichsstadte seit dem 13. Jahrhunderte wichtig. Die bedeutendsten Auslagen waren der Unterhalt des Ilofes und die Geschenke an Kirchen, Fiirsten, den Papst etc. Culturaufgaben spielten auch da¬ mals keine Rolle (S. 32). Nach dem Verlalle des karolingischen Miinzsystems (S. 32) gab es infolge der Miinzhoheit der Fiirsten keine einheitliche Wahrung. 2. Das Gerichtswesen. Bis zur Ausbildung der Landeshoheit liatte die Gerichtsverfassung einen einheitlichen Charakter; seitdem nimmt sie jedoch einen territorialen Charakter an und zeigt dalier grofie Verschiedenheiten. Die alten Hundertschaltsgerichte (S. 29) gewannen den Blutbann, d. h. das Recht, Todesurtheile zu fallen. Fiir die niedere Gerichtsbarkeit entstanden neue Gerichte mit der Verwaltung. 119 Competenz fiir einzelne Dorfschaften und einem Schulzen an der Spitze, dessen Amt liaufig erblich war. Infolge der Theilung dieser Gerichte stand mituuter jedes Iiaus eines Dorfes unter einem anderen Gerichtsherrn. 1 Darunter litt die Rechtsptlege sehr, ja sie gieng gegen Ende des Mittelalters stellentveise ganz ein: die letzte Er- innerung an die Gauverfassung war beseitigt. Fiir alle Reichs- unmittelbaren, d. h. nur dem Konige Unterstehenden, bestand das konigliche Hofgericht als ordentliches Gericht; seine Mitglieder, wenigstens sieben, wahlte der Konig nach Belieben -— unfertiger Zustand dcs Staates. Auberdem gab es Specialgerichte fiir die Vasallen eines Herrn in Lebenssachen, fiir die Horigen eines Gutsherrn, fiir Klagen gegen die Cleriker n. s. w. Allgemein galt als Grundsatz, dass man nur durcb Genossen oder Iioherstehende gerichtet werden konnte. Das Wergeld und die Gottesurtheile horten seit dem 13. Jahr- hundert auf, Hinrichtung und Verstiimmelung wurden allgemein fiir den Mord eingefiihrt, und die Strafen wurden immer grausamer. 3. Die Stadte. Walirend in Italien mit seinen aus der Romer- zeit erhaltenen Stadten sicb friih biirgerlich-stadtiscbes Leben ent- wickclte, verharrte Deutschland bis ins 12. Jalirhundert hinein in bauerlichen Zustanden. Nocli um 1000 war Deutschland mit groben Siimpfen und Waldern bedeckt, zwischen denen viele Dorfer lagen. Er st in der Stauferzeit entfaltete sicb unter dem Eindusse der Kreuzziige und der Verbindung mit Italien die biirgerlich-stadtisclie Cultur auch im inneren Deutschland. Am Rhein und an der Donau hatten sich wohl romische Stadte als Marktplatze erhalten; aufierdem entstanden Stadte bei koniglichen Pfalzen, an Bischofssitzen, um einzelne Burgen Heinrichs I., an hervorragenden Handelsplatzen und an Bergwerksorten. Die Stadte waren ummauerte, mit Marktrecht, Gerichtsimmunitiit und Selbstver.waltung ausgestattete Orte. Alle Stadte waren urspriinglich von demjenigen Herrn abhangig, welchem der betreffende Boden gehorte. Man unterscheidet daher: 1.) konigliche, 2.) bischoliiche, 3.) landesfiirstliche Stadte. Indem die beiden ersteren das Redit der Reichsstandschaft (d. h. der Theil- nahme an den Reiclistagen mit Sitz und Stimme) erlangten, bildete sich die Kategorie der Heichsstadte. 1 Nameatlich arg war die Zersplitterung in Niederosterreicli, wo etwa auf 100 km 2 ein Landgericht mit dem Anrechte auf Stock und Galgen entfiel. 120 Vierter Zeitraum. Fiir die stadtische Gerichtsbarkeit und Verivaltung setzte der Stadtherr gewohnlich einen seiner Ministerialen als Ammann oder StadtschultheiBen ein, dem in der Regel ein aus den angeselieneren Bewohnern gebildetes Schoffencollegium zur Seite stand. Im 13. Jalir- liunderte gelangten trotz des Widerstandes der Stadtherren ali e Stadte zn einem eigenen Selbstverwaltungs-Organe, dem von einem oder mehreren Biirgermeistern geleiteten Stadtrathe, der durch freie Wabl der Burger gebildet wurde. Die Summe aller ihrer Rechte und Privilegien, ihrer Verwaltungs- und Ilandelsgrundsatze wurde nunmehr gesammelt und in den « Stadtrechten* codificiert, von deuen einige groben Ruf und Einfluss gewannen, wie das von Magdeburg, welches fiir ganz Mitteldeutschland, Bohmen, Schlesien und Polen mustergiltig wurde. Die Stadtrechte entwiokelten sicli theils auf Grund selbstgeschaffener statutarischer Aufstellungen, theils giengen sie auf kaiserliche oder landesherrliche Privilegien zuriick (S. 103, Note). Ul. Die deutsche Colonisation. Die Deutschen gehoren zu den bedeutendsten colonisierenden Volkern; ihre Colonien sind iiberwiegend Ackerbaucolonien (I. 67). Die Bltitezeit der deutschen Colonisation fallt in das 12. und 13. Jahr- hundert; seit der Mitte des 14. Jahrhunderts, als «der schwarze Tod» unter der Bevolkerung wiithete, horte sie auf. Sie wurde besonders von den Klostern und den weltlichen Fiirsten begiinstigt und gieng Hand in Hand mit der Christianisierung der betreffenden Lander (S. 107). Neben den Moorflachen des westelbischen Tieflandes wurden das ganze heutige Norddeutschland ostwarts der Elbe, bedeutende Gebiete in den Alpen- und Sudetenlandern und theilweise auch Ungarn und Siebenbiirgen colonisiert. Fast drei Ftinftel des heutigen deutschen Gebietes wurden auf diese Weise dem deutschen Volksthume gewonnen. Vierter Zeitraum. Von der Thronbesteigung Rudolfs von Habsburg bis zum 1273-U92. Ende des Mittelalters (1273—1492). Die Vorherrschaft des deutschen Reiches ist zu Ende, die grobe Politik der Staufer wird fallen gelassen und die Ilerrschaft der Papste in Mittelitalien anerkannt, so dass jetzt friedlichere Beziehungen zu diesen eintreten. Die Kaiserkronung wird fast zur Rudolf I. von Habsburg. 121 Ausnahme; sie verleiht nur mehr einen gewissen Glanz, keine hohere Macht. Im Innern schreitet die Auflosung des Reiches fort; das Hauptinteresse drelit sicli um Landerenverb seitens der Konige und der Fiirsten und die Ent\vickelung der Stadie, in denen damals die beste Kraft der Nation ruhte. Die Konige sind infolge des Verlustes der Reichsgiiter (S. 118) genothigt, sich eine Hausmaclit zu er- werben, um sicli darauf gegen die Fiirsten stiitzen zu koimen. In allen wichtigen Dingen ist der Konig an die Zustimmung der Kur- fiirsten gebunden, die durch Willebriefe ertheilt wird. Das Auf- kommen einer kčniglichen Djnastie wird moglichst hintangehalten. In den anderen Staaten werden die Grundlagen der nationalen Verfassung gelegt, demzufolge wir fast iiberall standisch-gegliederte Reichsversammlungen und erbliches Konigthum finden; nur Deutsch- land und Italien machen Ausnabmen. Erstes Capitel. Konige aus verschiedenen Hausern (1273 — 1347). 1273-1347 I. Rudolf I. von Habsburg (1273 — 1291). 1273-1291 a) Ursprung und Stellung der Habsburger. Die Ilabsburger, die sich so seit dem Ende des 11. Jahrhunderts nacli der Habichts- burg im Aargau benennen, sind ein schwabisches Geschlecht, das an der Aar und Reufi, wie zu beiden Seiten des Rheines von Basel bis unterhalb Breisacli reich begiitert war. Von Friedrich I. erhielten die Habsburger die Grafschaft im Ziirichgau und ausgedehnte Be- sitzungeu in Luzern und Unterwalden, von Friedrich II. auch die Grafschaft im Aargau. Seit 1240 stand Iiudolf, der Grunder der Grdile des osterreichischen Herrschergeschlechtes , an der Spitze seines Hauses. Wahrend des Zwischenreiches ervvarb er sich als Erbe der Grafen von Kiburg, die damals ausstarben, deren Eigengiiter bis zuin Wallen- und Bodensee und die Grafschaft im Tliurgau, so dass er zur Zeit seiner Wahl die Grafenrechte im ganzen Gebiete am linken Rheinufer von Breisacli bis zum Bodensee ausiibte. b) Rudolfs Wahl. Die unseligen Verhaltnisse des Zwischen- j reiches bestimmten endlich die Fiirsten nach dem Tode Richards von Cornwallis (1272), dem Reiche ein allgemein anerkanntes Ober- 1272 . liaupt zu geben; namentlich gaben sich in diesem Sinne der Erzbischof Werner von Mainz und der Herzog Ludwig von Oberbayern M lihe. 122 Vierter Zeitraum. Denselben Wunsch hegte auch Gregor X., da er mir in diesem Falle einen Kreuzzug zustande bringen konnte. Fiir Rudolf, der damals 55 Jabre alt war, war besonders sein Vetter, der Burggraf Friedrich von Niirnberg aus dem Hause der Ilohenzollern, thatig; ihn empfahlen seme Frommigkeit, Tapferkeit, Einfachheit, Klugheit, so dass ihn die Kurfiirsten einstimmig wahlten. Die wichtigsten Thaten Rudolfs sind: der Kampf mit Pfemjsl Ottokar II, die Ubergabe des babenbergischen Erbes an seine Sohne und seine Thatigkeit fiir die Sicherung des Landfriedens. 1276 n. 1278. c) Der zweimalige Kampf mit Ottokar (1276 u. 1278). 1 1246. 1.) Ottokars Stellung. Als im Jahre 1246 der kinderlose Herzog Friedrich II. im Kampfe gegen Konig Bela IV. an der Leitha fiel, waren Osterreich und Steiermark erledigt, da vveder seine Schwester Margareta noch seine Nichte Gertrud erbberechtigt waren (S. 93). Der Kaiser Friedrich II. zog daher die erledigten Lander ein und lieB sie durch Statthalter verwalten. Nach dem Tode des Kaisers riickte Ottokar, damals Markgraf von Mahren, im Einvernehmen mit den Kirchenfiirsteu von Salzburg und Passau (S. 55, Note) und den hervorragendsten Edeln von Osterreich daselbst ein und besetzte dasLand; hierauf vermahlte er sich mit Margareta, die beim Volke als rcchtsmafiige Erbin galt, um einen Rechtstitel auf das baben- bergische Erbe zu gewinnen. Da trat ihm Bela IV. entgegen. Als Beschutzer Gertruds, die sich mit seinem Verwandten Roman von Halitsch vermahlte, fiel er mit drei Heeren in Osterreich, Mahren und Steiermark ein. Durch Vermittlung des Papstes kam es zum 1254. Frieden von Ofen (1254), durch welchen Ottokar, der nach dem Tode seines Vaters Wenzel I. auch Konig von Bohmen geworden war (1253), Osterreich erhielt, wahrend Steiermark an Bela fiel. Die .nationale Abneigung der Steirer gegen die Magyaren fiihrte zu einer Erhebung im Lande, die Ottokar unterstiitzte. Die Schlacht bei 1260. KroiBenbrunn (1260) entschied wider Bela, der deshalb auf Steier¬ mark verzichtete. Nun verstiefi Ottokar seine Gemahliu und vermahlte sich mit Kunigunde, einer Nichte Belas; zugleich liefi er sich von Konig Richard mit Osterreich belehnen. Hiezu erwarb er noch von seinem Vetter Ulrich III., dem letzten Sponheimer Herzoge, Karnten 1269. (1269), dami Krain (Oberkrain) und die windische Mark (Unter- krain), die damals mit Karnten verbunden waren. Grillparzer, «Koiiig Ottokars Gliick und Ende». Rudolf I. von Habsburg. 123 Ottokars Regierung war wohlgeordnet; wahrend er den Adel im Zaume hielt, begiinstigte er die Geistlichkeit und den Biirger- stand. Wie unter seinen Vorgangern, liatten sich auch unter Ottokar zahlreiche Deutsche, namentlicli Kaufleute, in Bohmen angesiedelt. So wurde damals zum erstenmale die Errichtung eines Donau- staates durch die Verhindung der Sudeten- und der Alpenlander versucht. Durch die Wahl Rudolf s wurde jedoch Ottokars Macht- stellung untergrabeu. 2. ) Veranlassung zum Kriege. Ottokar erkannte Rudolf niclit an, obwohl ihn Gregor X. dazu aufforderte. Deshalb bescliloss der Reichstag in Ntirnberg (1274) : a) Rudolf soli alle seit dem Lyoner Concile heimgefallenen Lehen an sich ziehen; b) Ottokar hat den Anspruch auf Bohmen und Mahren verloren, weil er binnen Jahr und Tag die Mutung (S. 117) niclit nachgesucht hat; c) der Pfalzgraf am Rhein soli Ottokar wegen dessen rebellischer Haltung nach Wiirz- burg vorladen. Da sich Ottokar niclit fiigte, kam es zum Kriege. 3. ) Erster Krieg (1276). Wahrend Rudolfs Jugendfreund Graf Meinhard von Gorz Karnten und Steiermark besetzte, zog Rudolf rasch iiber Linz gegen Wien, das er belagerte, indes Ottokar, der den Angriff in Bohmen erwartet liatte, erst heranzog. Da sein Heer durch Desertion zusammensclimolz und ihn auch die Witigonen, das machtigste bohmische Adelsgeschleclit, verliehen, musste er Frieden schliefien, worauf sich auch Wien ergab. Die wichtigsten Bestim- mungen waren: Herausgabe der Alpenlander und Abschluss einer Doppelheirat zwischen den Kindern der beiden Konige. Ottokar leistete im Lager vor Wien Rudolf die Huldigung. 4. ) Z\veiter Krieg (1278). Bald bereute aber Ottokar seine Nachgiebigkeit und erneuerte im Bunde mit Polen und einigen Reichsftirsten, denen Rudolf zu machtig zu werden schien, den Krieg. Dagegen schloss Rudolf mit den Ungarn ein Btindnis. Am Weiden- bache in der Nahe von Durnkrut kam es zur Schlacht. Sie endete mit dem vollstandigen Siege Rudolfs und dem Tode Ottokars. Bald folgto der Friede; Ottokars Sohn Wenzel II. behielt Bohmen und Mahren, die im Jahre 1276 festgesetzte Doppelheirat wurde nun vollzogen. d) Ubergabe des babenbergischen Erbes an die Habs- burger (1282). Rudolf war nun fest entschlossen, das babenbergische Erbe ftir sein Haus zu ervverben. Auch die Kurfiirsten gaben nach langeren Verhandlungen ilire Zustimmung, worauf er auf dem Reichs- 1274 . 1276 . 1278 . 1282 . 124 Vierter Zeitraum. tage zu Augsburg (Weihnachten 1282) seine Sohne Albrecht und Rudolf mit Osterreich, Steiermark, Karnten, Krain und der win- dischen Mark belehnte; docli wurde auf Bitten der Stande die Be- lehnung im folgenden Jahre auf Albrecht eingeschrankt. Im Jahre 1286. 1286 gab Rudolf Karnten seinem Bundesgenossen Meinhard, dem er scbon friiher ftir seine Auslagen im Ivampfe gegen Ottokar Krain und die windische Mark als Pfand iiberlassen batte. Von nun an verwucbs das Haus Habsburg so innig mit der Geschichte dieser Lander, dass es bereits um 1400 als «Haus Osterreich* bezeichnet wurde. e) Rudolfs Thatigkeit fiir die Sicherung des Landfriedens; seine Bedeutung. »Die kaiserlose, die schrecklicbe Zeit* war zu Ende. Mit Eifer und Strenge nahm sich Rudolf des Landfriedens an, zog als Richter im Reiche umher, bracb eine Anzahl Raub- schlosser (in Thuringen allein 66) und liefi viole Raubritter hinriehten. Er h at unter den sclnvierigsten Verhaltnissen das Reich \vieder aufgerichtet. Seine nimmermude Thatigkeit fiir das Wohl der Be- volkerung sicberte ihm deren Dankbarkeit, wie seine Einfacbbeit und seine Leutseligkeit ihm die Herzen aller gewannen. Rudolf konnte seinen Lieblingswunsch, seinem altesten Sohne Albrecht die Nachfolge zu verschaffen, nicht durchsetzen, obwohl die vier weltlichen Kurfiirsten seine Schwiegersohne waren; vielmehr wurde der Graf 1292-1298. II. Adolf von Nassau (1292 — 1298) gewahlt, der durch sein Streben nach Machterweiterung veranlasste, dass die Mehrzahl der Kurfiirsten ihn absetzte und Albrecht zum 1298. Konige wahlte, der seinen Gegner bei Gollheim schlug (1298). Adolf fiel in der Schlacht, Albrecht wurde nun nochmals einstimmig gewahlt. 1298-1308. III. Albrecht I. (1298-1308). Die wichtigsten Ereignisse aus seiner Regierungszeit sind die Versuche, seine Hausmaclit zu erweitern, und die Entstehung der Schweizer Eidgenossenschaft. 1. Albrechts Versuche, seine Hausmacht zu ervveitern. Damals erloschen die Dynastien in Ungarn und in Bohmen; die 1301.1306. Arpaden starben 1301 mit Andreas III., die Premysliden 1306 mit Wenzel III. aus. Vergebens versuchte Albrecht, Ungarn zu erwerben; nach langerem, greuelvollem Biirgerkriege gewann liier namentlich Albrecht I. 125 infolge der Untersttitzung durch den Papst Bonifacius VIII., der die Machtfiille Innocenz’ III. beanspruchte, das in weil)licher Linie mit den Arpaden verwandte Ilaus Anjou, eine Nebenlinie des in Neapel regierenden Hauses, die Konigskrone (1308—1382). Dagegen ge- 1308-1382. langten die Habsburger vorilbergehend in den Besitz der bolimischen Krone. Als Wenzel III., der Sohn imd Nachfolger Wenzels II., in Olmiitz aus unbekannter Ursache ermordet wurde, zog Albrecht das Land als erledigtes Reichslehen (S. 64) ein und tibergab es seinem Sohne Rudolf; als dieser aber im folgenden Jahre starb, wahlten die bohmischen Stande Ileinrich, den Sohn Meinhards von Karaten, einen Schwager Wenzels III., zum Konige (1307). 1307. 2. Begriindung der Schweiz. a) Die Sage. Angebliche Be- driickung durch die osterreichischen Vogte Hermann Gessler und Beringer von Landenberg veranlasste die Bewohner der Wald- statten, sich auf der einsamen Bergwiese Riitli zum Kampfe gegen die Habsburger zu vereinigen. Noch vor dem bestimmten Tage kam die Bewegung infolge einer neuen Willkurthat Gesslers, der den beriihmten Schiitzen Tell zwang, einen Apfel vom Kopfe seines Sohnes herabzuschiefien, zum Ausbruclie; Tell todtete den Vogt durch einen Pfeilschuss, worauf die Schweizer das verhasste Joch ab- schiittelten. 1 b) Die Geschichte. Die Urkunden belehren uns, dass die Schweizer die Angreifenden waren. Die Bildung der Scliweiz gieng von den Waldstatten oder Urcantonen Schwyz, Uri und Untervvalden aus. Da die beiden ersteren und das ostliche Unterwalden zum Ziirichgau, das westliclie Unterwalden zum Aargau gehorten, unter- standen die Freien in diesen Landschaften der Grafengewalt der Habsburger. Nun waren aber die Bewolmer Uriš und Unterwaldens grofitentheils Horige, theils der Habsburger, theils verschiodener Kloster; uber diese Bewohner iibten die Habsburger theils als 1 Die gleichzeitigen Quellen wisseii nichts von der Sage; am Anfange des 15. Jahrhunderts wird nur im allgemeinen von Bedriickungen gesprochen, spiiter werden sie ausfiihrliclier dargestellt und auch die Namen der Vogte genannt. Die abschliellende Gestalt der Sage finden wir bei Tscliudi im 16. Jahrhunderte; ihm folgte Schiller im «Willielm Tell». — Die angebliche That Teliš, dessen Name erst um 1470 erwiihnt wird, hat einen mythischen Hintergrund. Sagen von beriihmten Schiitzen finden wir in Asien, in Holstein, Diinemark, Norv-egen, a.m Rhein u. s. w.; ihnen liegt vermutlilich die indogermanisclie Vorstellung vom Kampfe des lichten und des finsteren Elements zugrunde (vergl. Siegfried und llagen und S. 4). 126 Vierter Zeitraum. Grundherren , theils als Vdgte mehrerer Kloster die Gerichtsbarkeit aus. Auf diese dreifache Stellung gestiitzt, konnten sie daran denker, sich nach Art der tibrigen Fursten eiii geschlossenes Territorium zu sehaffen. Dies verhinderten Uri, dessen Bevolkerung Konig Heinricli 1231. auf ihre Bitte im Jahre 1231 dem Reiche unmittelbar unterstellte, 1240. und Schwyz, das im Jahre 1240 vom Kaiser dieselbe Stellung erhielt. Als Rudolf Konig wurde, war die Rechtsfrage gleichgiltig; dagegen 1291. schlossen im Jahre 1291 Uri, Schwyz und Unterwaklen einen ist eigentlich ein Siegel in goldener Kapsel (bulla). Karl IV. 131 dem Herzoge von Sachsen-Wittenberg und dem Markgrafen voii Brandenburg. Die Wabl solite in Frankfurt stattfinden, die Mehrzabl der Stimmen entscbeiden. Das Kurrechi haftet an den Kurlanden; diese sollten ungetlieilt bleiben. Die Kurfursten erbielten das Miinz- recht, die Zolle und die Bergvverke, welcbe bisber Regal, d. h. konig- licbes Eigenthum waren, ferner die oberste Gerichtsbarkeit, so dass von ihrem Richtersprucbe nicbt jeinmal an den Kaiser appelliert werden durfte. So wurden die Kurfursten unabhangige Herren in ihren Landern. 3. Karls Stellung zu Rudolf IV., dem Stifter, von Habsburg (1358—1365); die Erwerbung Tirols durch Rudolf (1363). 1358-1365. Albrechts II. altester Sobn Rudolf mir ein bochsinniger, rastlos tha- 1363 - tiger, fiir Wissenschaft und Kunst begeisterter Fiirst. Sein Lander- gebiet ubertraf an GroBe alle Kurfurstenthiimer. Da er sicb aber infolge der Vorrechte, welcbe Karl den Kurfiirsten eingeraumt liatte, zu einem Fiirsten zweiten Ranges berabgedriiokt sah , wollte er einen vom Kaiser und Reich unabhangigen Staat errichten. Daher kam es zwischen ibm und seinem kaiserlichen Schwiegervater zu Misshellig- keiten, die erst im Jahre 1364 auf dem Congresse zu Briinn aus- 1364. geglichen wurden. Hier schlossen beide einen gegenseitigen Erb- vertrag, nachdem Rudolf kurz vorher^einen solchen mit Ludwig von Ungarn eingegangen war. Dam it war der osterreichische Staats- gedanke ausgesprochen. Die Bischofe von Brixen und Trient (S. 72) hatten ihre Leben weiter vergeben, fast alle waren im Laufe des 13. Jahrhunderts an die Graf en von Tirol gekommen, die sich nacb der Burg Tirol be- nannten; der letzte dieses Geschlechts vererbte seine Besitzungen an seinen Schwiegersohn Meinhard von Gorz, dessen Urenkelin Mar¬ gareta damals in Tirol regierte. Da Albrecht II. die kirchliche An- erkennung ihrer zweiten Ebe herbeigefiihrt hatte , sicherte sie fiir den Fali, dass ibr Sohn ohne .Erben stiirbe, Rudolf die Nachfolge zu. In der That starb ihr Sohn Meinhard, der mit Rudolfs Sclnvester verheiratet war, obne Nacbkommen, ivorauf Margareta noch in dem- selben Jahre das Land an Rudolf abtrat, dem Adel und Stadte ohne Widerstand liuldigten. In Brunn bestatigte Karl diese Schenkung. Rudolf gab viele Gesetze, begann den Umbau der romanischen Stephanskirche im gothischen Stile und begriindete die Universitat in Wien (1365). Er starb im 26. Lebensjahre. 1365. 9 * 132 Vierter Zeitraum. 4. Karls Landertheilung und Charakter. Karl theilte bei seinem Tode seine Hausmacht. Der alteste Sohn Wenzel erhielt Bohmen, Schlesien und die westliche Lausitz; Siegmund Branden¬ burg; Johann die ostliche Lausitz. Mahren behielt Jobst, der Sohn Johann Heinrichs, als bohmisches Lehen. Karl ist der gelehrteste deutsche Kaiser; er sprach und schrieb deutsch, lateinisch, franzosisch, italienisch und čechisch. Er war ein klug berechnender Mann, der die Unterhandlungen weit mehr als den Ivrieg liebte. Uber seine Thatigkeit aufierte sich Maximilian L: »Karl war Bohmens Vater, des lieiligen romischen Reiches Erz- stiefvater.» 1378-1400. II. Wenzel I. (1378-1400). Wenzel war von Natur gutmiithig, aber auherst jalizornig. An- fangs nahm er sich der Regierung eifrig an, aber es fehlte ihm die nothige Ausdauer, und durch seine Riicksiclitslosigkeit gerieth er mit dem liohen Clerus und Adel in erbitterte Kampfe. Daber stieg unter ihm in Bohmen und in Deutschland die Yerwirrung auf den Hohepunkt. 1. Zustande in Bohmen. Die Adeligen ziirnten dem Konige, weil er seine Rathgeber nicht aus ihrer Mitte nahm. Mit dem Erz- bischofe von Prag zerfiel er vollstandig, als er dessen Generalvicar Johann von Po m uk, welcher die von Wenzel geplante Errichtung eines Bisthums im siidwestlichen Bohmen vereitelt liatte, foltern und in die Moldau stiirzen lieh. Durch diesen Zwiespalt ermuthigt, schloss der hohe Adel den Herrenbund, dem aucli Jobst von Mahren, um Bohmen zu gewinnen, beitrat. Wenzel bvurde sogar gefangen gesetzt. Wohl erlangte er seine Freiheit wieder, doch die Verhaltnisse blieben zerriittet wie zuvor. 2. Wenzel als Kaiser. Zwar suelite er anfangs aucli in Deutsch¬ land fiir den Landfrieden zu sorgen, da er aber keinen Erfolg hatte, 1389. kliminerte er sich seit dem Jahre 1389 um Deutschland fast gar nicht mehr. Dies, sowie der Verkauf der Herzogswurde von Mailand an Johann Galeazzo Visconti veranlassten die rheinischen Kur- fiirsten, Wenzel abzusetzen und Buprecht, Pfalzgraf am Rhein, zum 1400-1410. Konige zu wahlen (1400—1410), der es aber gleichfalls zu keinem Ansehen brachte. Die Auflosung des Reiches zeigt der grofie Stande- und Stadtekrieg in Suddeutschland. Der grofie Stande- und Stiidtekrieg. 133 III. Der grofie Stande- und Stadtekrieg in Suddeutschland unter Karl IV. und Wenzel. 1. Standische Gliederung in den Stadten. Die Bevolkerung der Stadte, deren Deutschland unter Karl IV. bereits iiber 200 zahlte, bestand aus Patriciern und Handwerkern. Die Patricier oder Ge- schlechter (vrohlhabende Groftgrundbesitzer und Kaufleute) bildeten anfangs allein die bereclitigte Btirgergemeinde. Ihnen gegeniiber seblossen sicb seit dem 12. Jahrkunderte die Handwerker des gleichen Gewerbes zu Ziinften oder Innungen zusammen. Die Ziinfte iibten eine eigene Gericbtsbarkeit aus und wachten iiber den Zunftzwang, d. h. die ausscklieBliche Berechtigung der Zunftgenossen aul den Betrieb eines bestimmten Gewerbes. Infolge des zunehmenden Wohl- standes ihrer Mitglieder (I. 55) verlangten sie auch Antheil an der Bildung des Stadtratlis. Da sich die Patricier dagegen \vebrten (vgl. den romischen Standekampf), so kam es im 14. und 15. Jahr- hunderte fast allerorts zwiscben beiden Classen von Biirgern zu blutigen Zusammenstofien, die im allgemeinen mit dem Siege der Ziinfte endeten. 2. Die Stadtebiindnisse. Ibr Zweck war der Scbutz des Handels und der politischen Selbstandigkeit der Stiidte gegeniiber den Fiirsten uudRittern, die auch wieder eigene Verbaude bildeten. Die wichtigsten Stadtebiindnisse waren der rheinische, der schwabische Bund und die Hansa. Die Hansa war der wicbtigste dieser Verbaude. Sie uinfasste zur Zeit ihrer hoclisten Bliite ungefahr 90 niederdeutsche Stadte, welclie tlieils an der Nord- und der Ostsee, theils auch landeinwarts lagen. Ilire gemeinsamen Angelegenheiten beriethen die Stadte auf den Hansatagen in Ltibeck, das an der Spitze des Bundes stand. Die Hauptgebiete des auswartigen Handels der Hansa waren 1.) England, 2.) Flandern (nebst Nordwestfrankreich), 3.) Norvvegen, 4.) Schonen (nebst Danemark), 5„) Gothland und Schweden, 6.) Russ- land. Ilire vier wichtigsten Contore (dauernde Niederlassungen) waren Nowgorod, London, Bergen und Briigge. Die Hansa verfiigte iiber ein Iloer und eine Kriegsflotte, schloss Vertrage mit dem Auslande, erwarb ganze Gebiete und legte daselbst Festungen an. Sie ist des deutschen Biirgerstandes groBte Tliat im Auslande. Mit dem Erstarken der nordischen Staaten und der Veranderung der Handels- wege am Ende des Mittelalters sank die Bedeutung der Hansa immer mehr, bis sie zuletzt auf Hamburg, Liibeck und Bremen beschrankt war. 134 Vierter Zeitraum. Wahrend die norddeutschen Stadte mir durch den Handel bltihten, war dies bei den siiddeutschen durch Handel und Industrie der Fali. Wichtig war besonders der lebbafte Verkehr mit Venedig; dies gilt fiir Augsburg, Niirnberg, Linz, Enns, Steyr, Wien (das scbon 1207 eine der hervorragendsten deutschen Stadte nach Kolu genannt wird), Villach, Salzburg, Laibach. Die Waren giengen meist liber den Brenner und iiber Villach nacb Wien. Die Bedeutung des Blirgerstandes auf literariscbem Gebiete zeigt das Aufkommen des Meistergesanges am Ende des 14. Jahrhunderts. 3. Der grobe Stadtekrieg. Die Fiirsten strebten bebufs Ab- rundung ibrer Territorien nach der Unterwerfung, die Ritter, deren Bedeutung seit der Erfindung des SchieBpulvers immer mehr sank, nacb der Beraubung der Stadte. Es musste dalier zwiscben diesen Standen zum Kampfe kommen, und zwar gerade in Stiddeutscbland, weil in Schwaben und Franken, entsprechend den geographiscben Verhaltnissen, die groCte territoriale Zersplitterung lierrschte. Die Landfriedensgesetze Karls und Wenzels erwiesen sicb als machtlos. Der Ausbruch des Kampfes erfolgte in Schwaben, wo nach dem Erloschen des Herzogthums (S. 117) die Grafen von Wlirttemberg den grofiten Einfluss gewannen. Graf Eberhard der Greiner von Wiirttemberg 1 iiberfiel die schwabischen Stadte; diese siegten aber 1377 . bei Reutlingen (1377) vollstandig liber seinen Sohn Ulrich. Nun verband sich der Bund auch mit den rheinischen Stadten. Trotzdem erlagen die Stadte Eberhard und den mit ihm verbundenen Fiirsten 1388 . bei Doffingen (1388), worauf der Reichstag in Eger alle Stadte- biindnisse untersagte, ein Beschluss, der nicht zur Ausfiihrung ge- langte. So endete dieser Krieg mit dem Siege der Fiirsten, auf deren Stellung nach dem Niedergange der Kaisermacht und der Demiithigung der Stadte die weitere Entwickelung beruhte. 4. Der Krieg der Habsburger mit den Schweizern. Die Habsburger regierten bis zum Tode Rudolfs IV. ihre Lander ge- meinsam. Rudolfs Briider Albrecht III. und Leopold III. theilten aber, nachdem sie zuvor infolge des kinderlosen Ablebens des Grafen Albrecht von Gorz noch dessen Gebiete in Istrien (um Pisino 2 ) und in der windischen Mark durch Erbschaft erworben hatten, im Jabre 1379 . 1379 ihren Besitz so, dass der erstere nur Osterreich, der letztere Steiermark, Karnten, Krain, die windische Mark, Istrien, Tirol und 1 Uhla,nd, «Graf Eberhart der Eauscbebart*. 2 Der ilbrige, westliche Theil der Halbinsel war venetianisch. Siegmund. 135 die Vorlande, d. h. die Besitzungen in Scbwaben und am Rhein, erhielt; so entstanden die Albertinische und die Leopoldinische Linie. Leo¬ pold gewann durch Vertrag die Stadt Triest (1382), die bei ihm Scliutz 1382. gegen Venedig suchte, auberdem durch Kauf die Grafscbaft Feld- kirch. Da brach der Kampf mit den Schweizern aus. Als namlich die Luzerner das habsburgische Stadtchen Sempacli uberfielen, zog Leopold mit einem Ritterlieere gegen sie, wurde aber bei Sempach gescblagen und getodtet (1386). * 1 Als die Osterreicber 1386. gegen neue Ubergriffe der Scbweizer ins Feld ruckten, wurden sie bei Nafels besiegt (1388), worauf ein zwanzigjahriger Waf£enstill- 1388. stand abgeschlossen wurde, demzufolge die Habsburger auf Luzern, Zug, Glarus und Sempach verzichteten. Als die Schweizer wahrend des Konstanzer Concils auch den Aargau und im Jabre 1461 den 1461. Thurgau besetzten, waren die Habsburger aus der Schweiz verdrangt. IV. Siegmund (1410—1437). 1410-1437 Wie unter Karl und Wenzel der V erfali des Kaiserthums, ist unter Siegmund der Verfall der Kirche und des Papstthums, der zweiten Saule des Mittelalters, hervorzuheben. a) Siegmunds Wahl. Nach dem Tode Ruprecbts wablte ein Theil der Kurfiirsten Siegmund, ein anderer Jobst, wahrend auch Wenzel den Anspruch auf die Krone nicbt aufgab. Da jedoch Jobst im folgenden Jahre starb und Wenzel verzichtete, wurde Siegmund allgemein anerkannt. Seine bisherige Thatigkeit war besonders Ungarn gewidmet gewesen, als Kaiser nahm er sich der Herstellung der kirchlichen Ordnung an. b) Siegmund als Konig von Ungarn. 1.) Ungarn unter dem Ilause Anjou. Der zweite Konig aus diesemHause (S. 125), Ludwig I. der GroBe (1342 — 1382), gab Ungarn die groBte Ausdehnung, die 1342-1382 es je erreicbt hat. Die Ftirsten der Moldau undWalachei, Bulgariens, Bosniens und Serbiens machte er zu seinen Vasallen, den Venetianern entriss er Dalmatien. Uber die Erwerbung Polens s. S. 142. Dieser Grofimachtstellung Ungarns machte das Vordringen der osmanischen Tiirken ein Ende, die gegen Ausgaug des 13. Jahrhunderts in Klein- asien ein selbstandiges Reich erricbtet batten und von da aus nach Europa iibergesetzt waren (1357). 1357. 2.) Niedergang Ungarns unter Siegmund. Auf Ludwig folgte in Ungarn nach langerem Burgerkriege der Gemahl seiner Tochter Maria, Siegmund, unter dem die Erwerbungen Ludwigs auf der Balkan- ‘ 1 Auf diese Sclilacht bezieht die Sage den Heldentod des Arnold Winkel- ried. Die altesten Quellen wissen von Winkelried nickts. 136 Vierter Zeitraum. halbinsel theils an die Venetianer, tlieils an die Ttirken wieder verloren giengen. Wahrend sich die ersteren Dalmatiens bemachtigten, be- siegten die Tiirken unter ihrem Sultane Bajesid die Serben auf dem 1389. Amselfelde (1389) und Siegmund, welcber mit einem aus Franzosen, Deutschen und Magyaren bestehenden Heere dem Fiirsten der Wa- 1396. lacbei zu Hilfe eilte, bei Nicopolis (1396). Die militarische Uber- legenheit der Tiirken iiber die Heere des Abendlandes beruhte auf ihrer ausgezeiclmeten Reiterei und dem fanatischen Fufivolke der Jan it s obar en. 1416. c) Verleihung Brandenburgs an die Hohenzollern (1415). Die schwabischen Ilohenzollern liatten unter Heinrich VI. die Burg- grafenwiirde von Niirnberg erhalten. Durch Kauf und Erbschaft erweiterten sie ibre frankischen Besitzungen und bildeten daraus die beiden Fiirstenthumer Anshach und Bayreuth. Zuin Danke fiir verschiedene Dienste verlieh Siegmund Friedrich VI. von Niirnberg die Mark Brandenburg mit der Kurvviirde. V. Verfall der Kirche und des Papstthums; Wiclif und Hus; Concil von Konstanz; die Hussitenkriege. 1. Verfall des Papstthums und das groDe Schisma. Clemens V., der zweite Nacbfolger Bonifaz’ Vlil., verlegte seinen 1309 - 1377 . Sitz nacli Siidfrankreich; fast 70 Jahre lang (1309 — 1377) residierten nun die Papste in Avignon («babylonisekes Exil»). Sie geriethen hier in Ahhangigkeit von den franzosischen Konigen (S. 106 u. 128); anderseits suchten einzelne von ibnen, wie der geizige Johann XXII., um ein glanzendes Ilofleben fiihren zu konnen, ibre Einkiinfte durch verschiedene driickende Abgaben zu erhohen, welche sie unter allerlei Titeln bei Gelegenheit der Besetzung von Bisthiimern, der Verleihung kirchlicher Amter etc. einbobcn. Darunter litt die Kirche in sittlicher Beziehung, wie sie denn auch allmahlich aufhorte, an der Spitze der geistigen Bewegung zu stehen; es gab damals selbst Kirchen- fiirsten, die kaum lesen oder schreiben konnten. 1 Das Ubel wurde 1378-1416. noch grofier, als das groBe Schisma (das langste, 1378—1415) ausbrach. Infolge des Drangens Karls IV. iibersiedelte namlich Gregor XI. 1377. nach Rom (1377); als er aber schon im folgenden Jahre starb, \vablten die franzosischen Cardinale gegen Urban VI. einen Gegen- 1 Um 1290 bekennen der Abt und das Capitel von St. Gallen, dass sie nicht schreiben konnen. * Verfall der Kirche und des Papsttliums. 137 papst, Clemens VIL, der so wie seine Nachfolger sich in Avignon niederliefi, wahrend die italienischen Cardinale in Rom Papste wahlten. Als das Concil von Piša (140!)) einen neuen Papst Alexander V., 1409 dem bald der unwurdige Johann XXIII. naclifolgte, einsetzte, hatte die Christenheit gar drei Papste, da audi die beiden anderen ihre LViirde nicht niederlegten. 2. Wiclif und Hus. Diese Zustande riefen eine allgemeine Unzufriedenheit hervor, vvelche sicb auf verschiedene Art auBerte, iliren starksten Ausdruck aber in jener Bewegung fand, deren Trager Wiclif und IIas waren. a) Johann Wiclif (f 1384) war Professor in Oxford. AuBer dem 1384 weltlichen Treiben der Geistlichkeit griff er auch mehrere Dogmen der Kirche an, namentlich den papstlichen Primat, die Ohrenbeichte und die Lehre von der Transsubstantiation. Obwohl ihn eine Synode in London als Ketzer verurtheilte und seines Lehramtes entsetzte, konnte er docli infolge des groBen Anhanges unter der Bevolkerung bis zu seinem Tode als Pfarrer seiner geistlichen Wirksamkeit obliegen. b) Magister Johann Hus. «) Seine Beformbestrebungen (bis 1409). Hus, Professor an der Uuiversitat und Prediger an der 1409 Bethlehemskirche in Prag, eiferte gegen das Wohlleben der Geist¬ lichen und suchte anfangs im Einvernehmen mit den kirchlichen Oberen eine Reform herbeizufuhren. Erst als diese Bestrebungen scheiterten, griff er auch mehrere Dogmen an, wobei er sich meistens wortlich an Wiclif anscldoss. ;9) Der nationale Z\viespalt in Bohmen. Die Bewegung erlangte ihre groBe Bedeutung dadurch, dass sich mit dem kirchlichen Elemente ein nationales verband, der Gegensatz zwischen den Deutschen und Čechen. Der Bruch zwischen den Deutschen und čechen erfolgte im Jahre 1409; damals entschieden sich die čechischen Professoren 1409 der Uuiversitat auf Wunsch des Konigs fiir die Neutralitat im Kampfe zwischen dem rornischen Papste Gregor XII. und dem Concile von Piša, wahrend sich die deutschen fiir den Concilspapst erklarten. Wenzel iibervvies nun auf den Rath des Hus die Leitung der Uni- versitiit, welche bislier in den ILanden der zahlreicheren Deutschen lag, den Gechen. Darauf verlieBen die deutschen Studenten, angeblich 5000, mit ihren Professoren Prag und veranlassten die Griindung neuer Universitaten, z. B. in Leipzig, wiihrend die Prager von einer Welt- zu einer Landesuniversitat herabsank. Noch im Jahre 1409 wurde Hus Rector der Universitiit. 138 Vierter Zeitraum. y) Bruch zwischen Wenzel und Hus. Wenzel begunstigte Hus auch dann noch, als der Papst iiber ihn den Bann und iiber Prag 1412 . das Interdict verhangte. Erst als er im Jahre 1412 keftig gegen einen Ablass auftrat, dessen Ertragnis Johann XXIII. flir den Kampf gegen den Konig Ladislaus von Neapel bestimmt hatte, veranlasste ihn Wenzel infolge der wachsenden Erregung, Prag zu verlassen. Hus begab sich auf das Gut eines Adeligen in der Nahe des jetzigen Tabor und verbreitete nun seine Lehren auch unter der Land- bevolkerung. Inzwischen war Siegmund zum deutschen Kaiser 1 gewahlt worden. Alsbald betrachtete er als seine Hauptaufgabe die Ein- berufung eines allgemeinen Concils zur Behebung der kirchlichen Ubelstande; nach langeren Unterhandlungen liefi sich Johann XXIII. auch dazu herbei. 1414 - 1418 . 3. Das Concil von Konstanz (1414—1418). Es war eigentlich cin auBerordentliches Parlament des ganzen Abendlandes, denn es fanden sich liier iiber 18.000 Geistliche, die Zierden der Universitaten, der Kaiser und eine grofie Zahl weltlicher Fiirsten, im ganzen 80.000 Laien, zu kiirzerem oder langerem Aufenthalt ein; noch einmal leucli- tete der Glanz des Kaiserthums, unter dessen Autoritat sich das Concil stellte. Um nicht den besonders zahlreichen Italienern die Entscheidung zu iiberlassen, wurde nach Nationen (Deutsche, Franzosen, Englander, Italiener, Spanier) abgestimmt. Gegenstande der Beschlussfassung waren die Verurtheilung der hussitischen Irrlehre, die Beseitigung des Schismas und die Durchfuhrung einer Kirchenreform. a) Die Verurtheilung der hussitischen Irrlehre. Hus wurde wegen Verbreitung ketzerischer Lehren rorgeladen; er begab sich nach Konstanz, nachdem ihm Siegmund durch einen Geleitsbrief personliche Sicherheit verburgt hatte. Doch nach kurzer Zeit wurde er verhaftet, da die Kirchenversammlung entschied, dass es der weltlichen Macht nicht zustehe, einen den Kirchenstrafen verfallenen Priester in Scliutz zu nehmen. Dreimal vor das Concil gefiihrt und vergeblich zum Widerrufe aufgefordert, wurde Hus als «unverbesser- licher Ketzer» zum Feuertode verurtheilt und noch am selben Tage 1415 . (6. Mai 1415) verbrannt. Im nachsten Jahre erlitt sein Gesinnungs- genosse Hieronymus von Prag dasselbe Schicksal. 1 Nach seiner Kaiserkronung nahm er anstelle des bisherigen einkopfigen einen zweikopfigen Adler ins Wappen, daher stammt der osterreicbische Doppeladler. Die Hussitenkriege. 139 b) Beseitigung des Schismas. Das Concil forderte alle drei Papste zur Abdankung auf; Benedict XIII. in Avignon ftigte sich nicht und verlegte seinen Sitz nacli Spanien, wo sich bald niemand nm ihn kiimmerte; Gregor XII. und Johann XXIII. entsagten ihrer Wiirde, letzterer in der Hoffnung, durch Nachgiebigkeit seine Wieder- wahl zu sichern. Bald bereute aber Johann XXIII. sein Entgegen- kommen, er floh, von dem Herzoge Friedrich von Tirol unterstiitzt, aus Konstanz und widerrief die Abdankung, worauf ihn das Concil absetzte. Durch die Wahl Martins V. (1417) wurde das letzte grobe Schisma 1417. beseitigt. c) JDurchfiihrung der Kirchenreform. Martin V. konnte sich liber die vor dem Zusammentritte des Concils allgemein geforderte Reform der Kirche mit den verscliiedenen Nationen nicht einigen, weshalb er mit den Deutschen, Englandern und Franzosen Concordate schloss, wodurch nur die argsten Missbriiuche eingeschrankt oder beseitigt vvurden, eine eigentliche Reform aber nicht zustande kam. 4. Die Hussitenkriege (1419—1436). Die Nachricht vom Tode 1419-1436. des Hus steigerte die Gahrung in Bohmen. Der Ausbruch erfolgte im Jahre 1419. Als damals auf eine hussitische Procession vom Neustadter Rathhaus in Prag mit Steinen geworfen wurde, stiirzten die Hussiten den Biirgermeister und einige Rathsherren auf die Spiefie der unten harrenden Menge hinab. Infolge der Aufregung dariiber starb der kinderlose Wenzel; Siegmund solite ihm folgen, doch weigerten sich die Hussiten, ihn anzuerkennen. Diese zerfielen in mehrere Parteien, von denen die Utraguisten oder Calixtiner und die Taboriten die wichtigsten \varen. 1 Die ersteren, welche ihre Stiltze an der Universitat und der Stadt Prag hatten, unterschieden sich dogmatisch kaum von den Katholiken; dagegen verwarfen die Taboriten, welchen hauptsachlich Bauern und Handwerker angehorten, alle Sacramente aufier der Taufe und dem Abendmahle, verlangten Beseitigung des Unterschieds der. Stande, aller Vorrechte der Geburt, der Bildung und des Vermogens (Communismus) u. a. Wahrend die beiden Parteien sich selbst auf s heftigste bekampften, hielten sie gegen die katholischen Deutschen und die Kreuzheere fest zusammen. a) Die Hussiten in der Vertheidigung (1419 —1426). Vereint 1419-1426. schlugen die beiden Parteien Siegmund am I Vischehrad bei Prag 1 Die ersteren haben den Namen, weil sie sub utrague specie (d. h. unter beiden Gestalten), bezw. mit Benutzung des Kelches (lat. calix) communicierten, die letzteren von dem neugegriindeten Tabor. 140 Vicrter Zeitraum. und zwangen ihn, Bohmen zn verlassen. An die Spitze der Taboriten trat nun der Ritter Johann Zišk a, der mit seinen mit Drescliflegeln und Keulen bewaffneten Haufen eine deutsclie Stadt um die andere und zahlreicbe Kloster und Kirchen zerstorte. Als Siegmund wieder 1422 . in Bohmen einfiel, scldug ihn Ziška bei Deutschbrod (1422) voll- 1424 . standig. Doch starb er im Jahre 1424. Nun wahlte der grobte Theil der Taboriten den ehemaligen Monch Prokop den GroBen zum Aufuhrer, und dieser brachte den Deutschen bei Aussig eine fiirchter- 1426 . liche Niederlage bei (1426). 1427 - 1431 . b) Die Hussiten im Angriffe (1427 —1431). Nachdem in Bohmen infolge der Verwiistungen Mangel an Lebensmitteln eingetreten war, unternahmen die Taboriten Raubziige nach Schlesien, Osterreich, Bayern, Sachsen, Brandenburg, ja bis an die Ostsee. Daber verbanden sich die Naclibaru und entsendeten grobe Kreuzdieere nach Bohmen, 1427 . die aber alle besiegt wurden; so im Jahre 1427 bei Mies und im 1431 . Jahre 1431 bei Taus. Die Hussiten verdankten ihre Erfolge auber ihrem religiosen Fanatismus hauptsachlich 1.) ihrem Fufivolke, das nach der durch Ziška begriindeten Taktik den schwerfalligen Rittern der deutschen Heere gegeniiber die Terrainverh<nisse sorgfaltigst berucksichtigte, und 2.) der politischen und militarischen Uneinigkeit der Deutschen. c) Die Ver h an dlungen mit dem Basler Concil und der Friedens- 1431 - 1436 . schluss (1431 —1436). Infolge dieser Niederlagen leitete das Concil von Basel, das bereits von Martin V. einberufen, aber erst unter seinem Nachfolger Eugen IV. eroffnet wurde, Unterhandlungen mit den Hussiten ein, welche in Basel begonnen und in Prag abgeschlossen wurden; daher heifit ihr Ergebnis Basler oder Prager Compactaten. Diese bewilligten den Hussiten unter anderem den Genuss des Abend- mahls unter beiden Gestalten. Da die Taboriten die Compactaten ablehnten, so verbanden sich die der langen Anarcliie miiden Utra- quisten und die Ivatholiken und schlugen die Taboriten in dem Ge- 1434 . metzel bei Lipan (1434) so vernichtend, dass ihre Reste in der Folge nur mehr als bolimische und mahrische Briider ein fried- liclies Dasein ftihrten. 1436 . Im Jahre 1436 wurden die Compactaten auf dem Iglauer Land- tage feierlich verkiindet und aucli Siegmund als Konig von Bohmen 1437 . anerkannt. Mit ihm erlosch der Mannesstamm der Luxemburger (1437). 5. Folgen der Hussitenkriege. 1.) In politischer Beziehung: Das Konigthum war sehr geschwacht, der Clerus verlor die Land- Albrecht II. Friedrich III. 141 standschaft, und der Adel gewann das Ubergewicht, da er fast aus- schlielilich die Fiibrung der Taboriten hatte. 2.) In socialer Beziebung: Der Biirgerstand war zu Boden geworfen und der herabgekommene Bauernstand fiir die Leibeigenschaft reif geworden. 3.) In nationaler Beziebung: Wie Prag \vurden aucb die meisten anderen deutsehen Stadte in Bohmen čecliisiert. 4.) In cultureller Beziebung: Bohmen glich einer groben Ruine; das flache Land war verwiistet, viele Kirchen, Stadte und Kloster waren niedergebrannt, die geistige Bliite des Landes war vernichtet. Drittes Capitel. Die Habsburger. Mit Ausnabme einer kurzen Unterbrechung zur Zeit der Maria Tberesia wurden von nun an nur Habsburger auf den deutsehen Thron erhoben. I. Albrecht II. (1438-1439). Unter ihm wurde zum erstenmale der osterreichische Staats- gedanke verwirklicht,• woran die Habsburger seit Albrecht I. mit groCer Kluglieit und Thatkraft gearbeitet hatten. Als Sprosse der Albertinischen Linie (Albrecht V.) verwaltete er namlicli Osterreich, und als Schwiegersolm Siegmunds wurde er zum Konige von Ungarn und Bohmen gewahlt; aufierdem beriefen ihn die Kurfiirsten auf den deutsehen Thron. Auf einem Zuge gegen die Turken starb dieser hoffnungsvolle Fiirst. Erst nacli seinem Tode wurde sein Solin Ladislaus Posthumus (d. i. der Nacligeborene) geboren. II. Friedrich lil. (1440-1493). 1. Das deutsche Reich unter Friedrich. Nach auben erlitt das Reich manche Einbufien, im Innern herrschte grobe Verwirrung und Rechtsunsicherheit. a) EinbuEen des Reiches. Sie betreffen Mailand, das deutsche Ordensland und Schleswig-Holstein. Als in Mailand die Visconti ausstarben (1447), machte sich der Soldnerfiihrer (Condottiere) Franz Sforza, der Scliwiegersohn des letzten Visconti, selbst zum Herzoge, ohne sicli um Friedrich zu kummern. 1438 - 1439 . 1440 - 1493 . 1447 . 142 Vierter Zeitraum. Das deutsche Ordensland erlitt eine schwere Schadigung durcli den Aufschwung Polens. Als daselbst der Mannesstamm der Piasten 1370 . mit Kasimir dem GroBen, dem «Bauernkonige», ausstarb (1370), folgte ikm sein Neffe Ludwig I. von Ungarn. Nach dessen Tode wurde die Personal-Union zwischen Ungarn und Polen aufgelost, denn die Polen iibertrugen die Krone ihres Reiches der jungeren Tochter Ludwigs, Hedwig, die sich mit dem damals noch lieidnischen Fiirsten von Litauen, Wladislaw aus dem Hause der Jagellonen, ver- mahlte, der nun mit seinera Volke zum Christenthum iibertrat (S. 107). Das erstarkte Polen strebte nach der Kiiste. Infolgedessen kam es zwischen ilim und dem deutschen Orden zu langwierigen Kriegen, durcli welche die Macht des letzteren vollstandig gebrochen wurde. 1466 . Im Frieden von Thorn (1466) musste er das Culmer Land und das Bisthum Ermeland an Polen abtreten und fiir denJJRest die polnische Iioheit anerkennen. 1397 . Durch die Calmarer Union (1397) wurden Scliweden, Norwegen und Danemark zu einem Staate vereinigt. Da die Stande von Schles- \vig- Holstein nach dem Aussterben der Grafen von Holstein (S. 107) die Unionskonige aus dem Hause Oldenburg zu ihren Herzogen wahlten 1460 . (1460), giengen beide Lander dem Reiche verloren. b) Verhaltnisse im Innern. Hervorzuheben sind der Wieder- ausbruch des Stadtekrieges in Siiddeutschland und die Herrschaft des Fehdevvesens einer-, die Fehme anderseits. AuBerdem kommt noch das geistige Leben des Volkes in Betracht. 1449 - 1450 . 1 .) Erneuerung des Stadtekrieges (1449 — 1450) und das Fehde- wesen. Am scharfsten spiegelt sich die damalige traurige Rechts- lage Deutschlands in dem zweiten, an sich ergebnislosen Stadtekriege in Franken und Schwaben, in welchem sich Markgraf Albrecht Achilles von Brandenburg und die Stadte Ansbach und Nurnberg gegeniiberstanden und iiber 200 Dorfer und Stadte niedergebrannt wurden. In jener Zeit gieng iiberhaupt wieder Macht vor Recht (S. 106); die Fiirsten bekampften sich gegenseitig, die Ritter waren zu Wegelagerern herabgesunken, die Burger und die Bauern in der schlimmsten Lage. Alle Versuclie, durch Reformen diesem Kampfe aller gegen alle ein Ende zu machen, scheiterten an der nackten Interessenpolitik der Fiirsten. Auch Friedrichs Bemiihungen, den Landfrieden zu sichern, blieben erfolglos. Die Folge dieser Verhaltnisse war, dass das Ansehen der Fehme aufierordentlich stieg. Friedrich III. 143 2. ) Die Fehme. Die vvestfalischen Fehmgerichte gelien auf die Grafengerichte Karls des Grofien zuriick, welche sich in Westfalen erhielten, vvahrend sie in den iibrigen Landern durcli die fiirstlichen Hofgerichte oder die niederen Landgerichte (S. 119) verdrangt vvurden. Dainals ervvartete man nur mehr von den 'vvestfalischen Gericliten ein ehrliches Urtheil, vveshalb diese seit dem Ende des 14. Jalir- liunderts ihre Wirksamkeit ilber das ganze Reich ausdehnten. Den Richterstand bildeten der Freigraf als Vorsitzender und die Schoffen oder Wissenden, so genannt, weil sie sich an geheimen Zeichen er- kannten. (Die Freigrafen \vurden von dem Stuhlherrn, d. h. dem- jenigen Fiirsten oder Herrn ernannt, auf dessen Gebiete sich’das Gericht befand.) Die Beaufsichtigung der Freigrafen oblag dem Erz- bischofe vou Koln. Man unterschied zvvei Arten von Gerichtssitzungen (Dingen): das echte oder offene und das heimliche Ding. Die ge¬ heimen Gericlite befassten sich bloG mit todeswiirdigen Verbrechen und verurtheilten nur zum Tode durch den Strang. Spater gelangten Unwiirdige zu dem Sclioffenamte, und statt ein Schutz der Schwachcn und Armen zu sein, vvurde die Fehme ein Werkzeug der Unter- driickung durch die Machtigern. Dieser Umstand, sowie die allmahliche Verbesserung des Reclitsvvesens in den einzelnen Territorien brachen gegen den Ausgang des Mittelalters die Macht der Fehme. 3. ) Das geistige Leben. Trotz der unseligen offentlichen Ver- haltnisse trieb damals das geistige Leben des Volkes manche Bliiten; besonders vvichtig sind die Leistungen der Kolner Malerschule sowie die Ent\vickelung des Dramas. Das ernste Drama des Mittelalters ist Jaus dem "kirchlichen Gottesdienste, und zwar aus der Weihnachts- und Osterfeier hervor- gegangen. Die zur Feier dieser Feste in der Kirche veranstalteten Spiele hatten anfangs einen lateinischen Text, der sich an die Evangelien enge anschloss; infolge des Anwachsens des Textes und der Aufnahme von derb-komischen Scenen (die Juden, der Teufel) \vurden die Spiele allmahlich ins Freie verlegt. Am wichtigsten vvurde das Passionsspiel, dessen Inhalt nach und nach iiber das ganze Leben des Heilandes ausgedehnt vvurde. Im Gegensatze zu dem religiosen Ernste der geistlichen Spiele zeigt das komische Drama (Fastnachtspiel) ziigellose Roheit. Ver- mummte Leute fiihrten in der Fastnacht in biirgerlichen Hausern gegen Bevvirtung kleine Spiele auf, die gerne Angehorige verschiedener Stande, namentlich die Bauern, verspotteten. 144 Vierter Zeitraum. 2. Die osterreichischen Lander zur Zeit Friedrichs. In Betraclit kommen: a) die Vormundschaft Friedrichs iiber seinen Miindel Ladislaus Posthumus; b) die Streitigkeiten mit seinem Bruder Albrecht und seinem Vetter Siegmund; c) die Einfalle der Tlirken; d) die Streitigkeiten mit den Konigen von Bohmen und Ungarn; e) die Erwerbung Burgunds. a) Nach dem Tode Leopolds III. iibernahm die Verwaltung Steiermarks, Karntens, Krains und des osterreichischen Istrien sein alterer Solm Ernst der Eiserne, die Tirols und der Vorlande sein jiingerer Sohn Friedrich IV. (mit der leeren Tasche), der wegen der Begiinstigung der Fluclit Johanns XXIII. aus Konstanz gebannt und geachtet wurde, was den Verlust des Aargaues zur Folge hatte (S. 135). Der iilteste Sohn Ernsts war der Kaiser Friedrich, vvelcher die Vormundschaft iiber Ladislaus Posthumus, den Solm Albrechts II., iibernahm. Er sorgte bestens fiir dessen Erziehung, trat aber fiir die Anspriiche seines Miindels auf Bohmen und Ungarn nicht ent- schieden ein. Die Ungarn wahlten den Jagellonen Wladislaw zu ihrem Konige. Erst nach dessen Tode in der Sclilacht bei Varna 1444 . (14 4 4) gegen die Tiirken erkannte man in beiden Landern die Redite des Ladislaus an, doch wurden in Ungarn der grofic Turkenheld Johann IIunyady, in Bohmen der Utraquist Georg von Podiebrad mit der Regierung betraut, so dass Friedrich in beiden Landern ohne Einfluss blieb. Ja, iii Niederosterreich zwangen ihn die Stande 1452. durch die Belagerung in Wiener-Neustadt (1452) zur Freilassung seines Miindels, der jedoch schon im Jahre 1457 starb. Mit ihm e.r- losch die Albertinische Linie. b) Uber das Erbe des Ladislaus kam Friedrich wiederholt in Streit mit Albrecht VI., der ihn durch eine Belagerung in Wien zur Abtretung Osterreichs zwang, das aber Friedrich nach dem Tode 1463. seines Bruders (1463) wieder zufiel. In diesen Streitigkeiten stand auf Seite Albrechts auch Siegmund von Tirol, der Sohn Friedrichs IV., dem der Kaiser einen Theil der Einkiinfte aus Osterreich iiberlassen musste. Als Siegmund die Regierung von Tirol und den Vorlanden 1490 . zu Gunsten Maximilians, des Kaisersohnes, niederlegte (1490), mar die Vereinigung aller habsburgischen Besitzungen gesichert. 1453. c) Im Jahre 1453 hatten die Tiirken durch die Eroberung Constantinopels dem letzten Reste des Palaologen-Reiches (S. 89) ein Ende gemacht und seitdem Ungarn und die Alpenliinder fortwahrend bedroht. Als sie im Jahre 1456 Belgrad belagerten, eilte Johann Friedrich III. 145 Hunyady mit einem von dem grofien italienischen Prediger Johann Capistran zusammengebrachten Kreuzheere herbei und schlug die Tlirken vollstandig. Docb starb Hunyady noch in demselben Jabre; seitdem fehlte es an jeder thatkraftigen Abwehr der tiirkischen Horden, welche durch ihre zablreichen Einfalle (seit 1469) namen- loses Elend iiber die Alpenlander brachten, die sich zu keiner ge- meinsamen Vertheidigung aufraffen konnten. d) Nach dem Tode des Ladislans versuchte Friedrich vergebens, die Kronen von Bohmen und Ungarn zu gewinnen. Dort wahlten die Stande Georg von Podiebrad (1458—1471), hier Matthias 1458-1471. Corvinus, den Sohn Johann Hunyadys (1458—1490). Wahrend 1458-1490. Friedrichs Stellung zu dem ersteren wechselte, bestand zwisehen ibm und Matthias ein iiberwiegend feindlicbes Verhaltnis. Matthias suchte namlich den osterreichischen Staatsgedanken von Ungarn a us —die dritte Moglichkeit — zu verivirklichen (S. 131); er gewann im Kampfe gegen Georg und dessen Nachfolger die bohmischen Nebenlander Milhren, Schlesien und die Lausitzen, vertrieb den Kaiser durch zwei Feldziige aus Osterreich, besetzte einen grofien Theil Steiermarks und Karntens und eroberte sogar Wien (1485). 1485. Matthias sorgte fiir eine geordnete Rechtspflege, grilndete eine Universitat in Ofen, legte eine grofiartige Bibliotbek an, berief aus- wartige Gelebrte, Kiinstler und Handwerker, so dass seine Regierung a-ls das goldene Zeitalter Ungarns im Mittelalter gilt. Nach seinem Tode eroberte Maximilian Niederosterreich, machte aber vergebens Anspruche auf Ungarn; vielmehr erhoben die Stande den Jagellonen Wladislaw, der in Bohmen nach Georg gewahlt worden war, aucli auf den ungarisclien Thron. e) Der Name «Burgund» war nach der Zerbrockelung des Konigreiches Arelate (S. 73) an dessen nordlichem Tlieile haften geblieben, der in die ostliche JTreigrafschaft (Franche-Comte) und das westliclie Herzogthum (Bourgogne) zerfiel; ersteres war ein deutsches, letzteres ein franzosisches Lehen. Aufier diesen beiden Ge- bieten batten die Herzoge von Burgund, Verwandte des franzosischen Konigshauses, im 14. und 15. Jahrhunderte durch Waffengewalt, Kauf und Erbschaft die durch Industrie und Idandel bluhenden Land- schaften erworben, welche das heutige Holland und Belgien bilden. Mit dem damaligen thatkraftigen Herzoge Karl dem Kiihnen unterhandelte der Kaiser, um dessen Tochter Maria, die Erbin dieser Gebiete, zur Braut fiir seinen Sohn Maximilian zu erhalten. Karl 10 Zeehe-Rebhann, Gesch. f. d. ob. Cl. d. Realschulen, II. 146 Vierter Zeitraum. dagegen hoffte mit Hille des Kaiser s 1.) Lothringen, das seine deut- schen und franzosischen Landereien treimte, und 2.) die Konigskrone zu erlangen. Wiewohl er weder das eine noch das andere erreichte, gab er 1476 . docb seine Zustimmung zur Verlobung Marias mit Maximilian ( 1476 ). Nun wandte sicli Karl gegen die Schweizer, welche seinem Bundesgenossen, dem Herzoge von Savoyen, ein Stiick Landes entrissen 1476. hatten, wurde aber im Jahre 1476 bei Granson und bei Murten gescblagen, obwohl die Schweizer ibm an Streitkrafteu nacbstanden — die Zeit der Ritterheere \var voriiber 1 (S. 127 u. 135). Durch diese Niederlagen ermuthigt, erhoben sich die Lothringer unter ihrem vertrie- benen Herzoge gegen die Fremdherrschaft und schlugen im Vereine mit 1477 . den Schweizern Karl bei Nancj, wobei er selbst den Tod fand (1477). Nun vermahlte sich Maximilian mit Maria. Als er aber ihr Erbe in Arisprucb nahm, kam es zu mehreren Kampfen mit Franlt- 1493 . reich, die erst durch den Frieden von Senlis (1493) beendigt wurden, demzufolge das tlerzogthum Burgund an Frankreich, die librigen Landschaften an Maximilian fielen. Dadurch erstarkten die Iiabs- burger so bedeutend, dass sie trotz des Zerfalles Deutschlands weiteren Ubergriffen Frankreichs entgegentreten konnten; freilich begann seitdem auch die fast 300 Jahre dauernde Bekampfung der Ilabs- burger seitens Frankreichs. Der Aufschmmg des Hauses Habsburg hat auch der zerrissenen deutschen Nation einen Halt gegeben. Charakter Friedrichs. Friedrich war ein Meister im diploma- tischen Hinhalteu und Uberreden, dagegen fehlte ihm rasche Ent- sclilossenheit. Das gereichte ihm mehrfach zum Schaden. Aber selbst als landerloser Fliichtling gab er den Gedanken an die Grobe seines Hauses nicht auf. Er war gebildeter als die meisten Ftirsten seiner Zeit; auch schmuckten ilm Ehrenhaftigkeit, Frommigkeit, Mafiigkeit und Sinn fiir ein gliickliches Familienleben. Er fiihrte den Titel «Erzherzog» im habsburgischen Hause ein (1453) und ist der letzte in Rom gekronte Kaiser. Ergebnis. So zeigte der Staat unter Friedrich allerorten Ver- \virrung und Auflosung; er musste, um seiner holien Aufgabe: For- derung der Wohlfahrt der Bewohner, zu entsprechen, auf neuen Grund- lagen aufgebaut werden. Dies geschah durch Maximilian, dessen glanzende Anlagen einen trostlichen Blick in die Neuzeit eroffnen, die mit ihm beginnt. 1 Anstelle der verfallenen Vasallenheere trat im 15. Jahrhundert allmahlich das Soldnerwesen. Italien. 147 Yiertes Capitel. Die Culturstaaten im westlichen und sudlichen Europa. 1. Italien. lnfolge der Kampfe der Kaiser mit den Papsten und den Stadten blieb Italien im ganzen Mittelalter zerstiickelt (S. 24). Nacli dem Sturze der Staufer bekampften sich in den meisten grofieren Stadten die Ghibellinen und die Welfen mit wildem Hasse (S. 106). AUe moglichen Verfassungsformen wurden ausgebildet, wie einst in Griechenland; wie dort bildete auch hier fast jede Stadt einen eigenen Staat. Diese Zustande begiinstigten das Aufkommen von Tyrannen, die sicli als Soldiierfiihrer (Condottieri) die Herrschaft errangen (I. 55 und S. 106). 1. Venedig. Venedig war die reichste Handelsstadt Europas und stand im 15. Jahrhundert auf seinem Hohepunkte. Damals belierrsclite es ganz Venetien und die Lombardei bis zum Comer-See, den groBten Theil Istriens (S. 135), Dalmatien (S. 136), die joniscben Inseln und Cyperu. Das Vordringen der Tiirken und die Veranderung der Ilandolswege infolge der grofien Entdeckungen der Portugiesen und Spanier machten seit dem 16. Jahrliunderte der Bliite des Staates ein Ende. An der Spitze des Staates stand der Doge (lat. dux = Herzog), dem aber durch die eiferstichtigen Nobili, welclie eine streng olig- arcliische Regierung bildeten (I. 155), die Hande vollstandig ge- bunden waren; das Volk war politisch reclitlos. Durch eine iiberaus harte Gerichtsbarkeit mit Folter 1 und Bleikammern erdriickte die auBerst misstrauische Oligarchie alle Versuche, sie zu stiirzen. 2. Mailand. Hier begrtindete Heinrich VIL die Herrschaft der Visconti, indem er ihnen das Reichsvicariat iiber die Stadt und die Umgebung verlieh. Wenzel verkaufte dem Johann Galeazzo Visconti die Herzogswiirde, die nach dem Aussterben der Visconti an den Soldnerfuhrer Franz Sforza, und dessen Naclikommen iibergieng. 3. Savoyen. Urspriinglicli ein Theil Burgunds, wurde es all- mahlich vom Genfer-See bis ans Mittelmeer ausgedehnt und von Siegmund zu einem Herzogihum erhoben. ' Die Folter ist im spateren Mittelalter, hauptsaclilich infolge der zu- nehmenden Ausbreitung des romischen Rechtes, immer allgemeiner geworden. 10 * 148 Vierter Zeitraum. 4. Genua, die zweitgrbfite Handelsstadt des Mittelalters. Diese Re¬ publik wurde durch viele Streitigkeiten im Innern zerriittet und durch einen mebr als hundertjahrigen Kampf mit Venedig sebr geschwacht. 5. Florenz. Hier gelangte am Anfange des 15. Jahrhunderts das kunstsinnige Kaufmannsgeschlecht der Medici, welches die Fiihrung des Volkes im Kampfe gegen die adeligen Geschlechter tibernommen hatte, an die Spitze der Verwaltung. Die beriihmtesten Medici sind 164 . Cosimo (f 1464) und sein Enkel Lorenzo der Prachtige (f 1492). 192 . Namentlich der letztere machte Florenz zum Mittelpunkte der kiinst- lerischen und gelehrten Bestrebungen der Zeit. Noch jetzt besitzt Florenz zwei der groBartigsten Gemaldesammlungen im Palazzo Pitti und in den Uffizien. Am Beginne der Neuzeit erlangten die Medici die Herzogswurde liber Florenz und Umgebung. 6. Der Kirehenstaat. Wahrend des babylonischen Exils loste sich der Kirehenstaat in eine Anzahl von Stadtrepubliken und Tyrannen- herrschaften auf; in Rom selbst bekampften sich die welfischen Orsini und die ghibellinischen Colonna mit der grofiten Erbitterung, weshalb hier Raub und Mord etwas Gewohnlich.es waren. Diese Zustande ermoglichten es dem Wirtssohne Cola di Rienzo, der sich an den Schriften und Ruinen des alten Rom begeistert hatte, die Herrschaft 147 . des Adels zu stiirzen (1347) und als Tribun die unumsehrankte Gewalt zu erringen. Er wollte Rom zum Haupte eines nationalen Staatenbundes in Italien erheben, weshalb er die Stadte des Landes aufforderte, Abgeordnete zu einem Parlamente nach Rom zu ent- senden. Aber auf der Hohe seines Erfolges wurde Cola ein schwel- gender Tyrann; das Volk wandte sich von ihm ab, und der Adel vertrieb ihn nach siebenmonatlicher Thatigkeit. Als ihn spater (54. Innocenz VI. als Regenten in Rom wieder einsetzte (1354), erbitterte er durch Willkiir und Steuerdruck das Volk derart, dass es sich erhob und den Tyrannen todtete. Erst die Riickkehr der Papste schuf in Rom bessere Zustande. Die Wiederherstellung des Kirchenstaates war das Werk des kriege- 1500 . rischen Julius II. (um 1500), der die Stadte und die Tyrannen unterwarf. Damit war hier das Mittelalter zu Ende, und die Papste behaupteten sich nun bis ins 19. Jahrhundert hinein im Besitze des Kirchenstaates. 7. Neapel. Hier regierte das Haus Anjou bis um die Mitte des 15. Jahrhunderts, worauf daselbst eine Nebenlinie des in Sicilien herrschenden Hauses Aragonien die Krone erhielt. Frankreich. 149 Die Zerstiickelung Italiens rief zahlreiche innere Kriege hervor und begiinstigte die Einmischung des Auslandes, namentlich Frank- reichs und Deutschlands. II. Frankreich. Im Gegensatze zu Deutschland erstarkte gegen Ausgang des Mittelalters die Konigsmacht in Frankreich, England und Spanien so bedeutend, dass die Konige daselbst wirkliche Herren im Lande wurden. In allen drei Landern entwickelte sich ein politisch berech- tigter Biirgerstand, der stets der beste Verhundete des Konigs war, weil beide die Niederhaltung der Groben wunschten. Fiir Frankreich sind auberdem die Kriege mit England wichtig, welche nach mancherlei ’Wechselfallen zu Gunsten des ersteren endeten. 1. Erstarkung der koniglichen Macht. Obwohl die Capetinger bis zum 13. Jahrhunderte nur Erancien (S. 61) besafien und daber den deutschen Konigen, ja selbst mancben ibrer groben Vasallen an Macht nachstanden, und in Frankreich die Leben frtiher erblicb wurden als in Deutschland, gelang es dem franzosischen Konigthume doch, am Ende des Mittelalters den Sieg iiber den Lehensstaat davonzutragen. Dies ermoglichten namentlicli folgende Umstiinde: 1.) die Capetinger regierten bis 1328 im directen Mannesstamme, seitdem als Haus Valois in einer Nebenlinie das ganze Mittelalter hindurch; 2.) die Konige fuhrten eine geregelte Steuerverfassung ein (Gegensatz S. 118); 3.) die erschutternden Kampfe mit dem Papstthume blieben Frankreich erspart, weshalb hier auch die Kron- giiter erhalten, ja vermehrt wurden; 4.) theils durch Heiraten, tlieils durch Kriege, theils durch das Aussterben der Kronvasallen wurden die Konige die unmittelbaren Herren des ganzen Landes. Die wichtigsten Konige sind die bereits genannten: Philipp II* August, Ludwig IX. der Heilige und Philipp IV. der Schone; dazu kommen noch Ludwig XI., ein Zeitgenosse Karls des Ktihnen, der durch eine Reihe von Gewaltthaten und Treulosigkeiten die Macht der Vasallen vernichtete, und Karl VIII. 2. Die Kampfe mit England. Diese Kampfe zerfallen in zwei Hauptabschnitte. 1.) Erster Kampf zur Zeit Philipps II. August. Als in der Mitte des 12. Jahrhunderts der Mannesstamm des normannischen Hauses in England erlosch, gelangte das in weiblicher Linie ver- wandte Haus Anjou oder Plantagenet mit Heinrich II. zur Regierung. 1328 . 150 Vierter Zeitraum. Dieser besafi auher England als Erbe der normannischen Konige die Normandie und das Lehensrecht iiber die Bretagne, von seinem Vater Anj on, Maine, Touraine und von seiner Gemahlin Eleonore Aquitanien (fast alles Land siidlich der Loire und westlich der Rhone), so dass er in Frankreich mehr Besitz hatte als sein Lehens- herr, der franzosische Konig, selbst. Deshalb beniitzte Philipp II. die Missregierung Johanns ohne Land, des Sohnes Heinrichs II., um sich der Normandie, Maines, Anjous und Touraines zu bemachtigen; der Sieg bei Bouvines (S. 100) sicherte ihm diese Erwerbungen. 1339-1453. 2.) Der Thronkampf zivischen Frankreich und England (1339 bis 1453). Im Jahre 1317 beschlossen die franzosischen Reichsstande die Ausschliefiung der iveiblichen Linie von der Nacbfolge (salisches Gesetz). 1 Als daher der directe Mannesstamm der Capetinger mit Karl IV. erlosch (1328), folgte die Seitenlinie der Valois, die von dem Bruder Philipps IV. abstammte. Dagegen erhob der englische Konig Eduard III., dessen Mutter eine Tochter Philipps IV. war, Anspriiche auf die franzosische Krone. Der Krieg, welcher mit langeren Unterbrechungen iiber hundert Jahre dauerte, zerfallt in zwei Abschnitte. a) Vom Beginne des Krieges bis zum Auftreten der Jungfrau 1 339-1429. vem Orlčans (1339 — 1429). Eduard III. eroffnete den Krieg mit dem 1340. Siege bei Sluys (1340), dem sechs Jahre spater der Sieg bei Cr6cy folgte, wo der erblindete Konig Johann von Bohmen fiel. Der Sieg des englischen Kronprinzen, «des schwarzen Prinzen», bei Poitiers 1356. (1356) war fiir Frankreich umso gefahrlicher, als daselbst ein greuel- voller Aufstand der Bauern (die Jacquerie) ausbrach, welche mit Mord und Brand gegen den Adel wiitheten. Um das Mah des Elends voli zu machen, entstand wegen der Frage der Regentschaft — Karl VI. war geisteskrank — ein erbitterter Streit zwischen Ludwig von OrlSans, dem Bruder, und Philipp dem Kiihnen von Burgund, dem Oheime des Konigs. Die Englander benutzten diese Streitigkeiten 1415. zur Erneuerung des Krieges und siegten bei Azincourt (1415), worauf sich sogar der Herzog von Burgund an sie anschloss, so dass Frank- reichs Schicksal besiegelt schien. Da wurde es durch das Helden- madehen von Orleans gerettet. b) Vom Auftreten der Jungfrau von Orl6ans bis zum Ende 1429-1453.(7429 — 1453). Jeanne d’Are war ein einfaches Landmadchen aus 1 Hiedurch wurde Frankreich vor fremden Dynastien bewalirt. Frankreich. 151 Domremj; sie glaubte himmlische Stimmen zu vernehmen, welche sie zur Befreiung ihres Vaterlandes aufforderten. Nach Uberwindung verschiedener Scbwierigkeiten erbielt sie vom Konige Karl VII. die Erlaubnis, zum Entsatze von Orl6ans auszuziehen, das die Eng¬ lander nach der Eroberung des ganzen Landes nordlich der Loire gerade belagerten. Der Entsatzversuch (1429) gelang, worauf sie den Konig mitten durch feindliches Gebiet zur Kronung nach Reims geleitete. Bei einem Ausfalle aus dem belagerten Compibgne fiel sie aber in die Hande der Englander, die sie als Ketzerin in Rouen verbrennen liefien (1431). Allein der durch die Heldenjungfrau geweckte Patriotismus, der schliefilich auch den Herzog von Burgund an die Seite des Konigs zuriickrief, bewirkte, dass die franzosischen Waffen auch nach ihrem schmahlichen Ende eitien Erfolg um den andern erzielten. Ohne einen Friedensschluss endete der Krieg infolge des Ausbruches des Rosenkrieges in England im Jahre 1453; den Englandern blieb nur Calais, das sie iiber 100 Jahre behaupteten, und die Inseln Guernsey und Jersey, die ihnen noch jetzt gehoren. 3. Bedeutung dieser Kriege. Die Englander verdankten ihre Er- folge besonders ihrer iiberlegenen Kriegskunsi; die festgeschlossenen Reihen ihres Fufivolkes und ihre gefiirchteten Bogenschiitzen iiber- wanden auch hier die Ritter (vgl. die Schweizer und die Hussiten); zum erstenmale gelangten hiebei in Mitteleuropa die Feuerwaffen zu groBerer Anwendung. Die vveltgeschichtliche Bedeutung dieser Kriege ist, dass die englischen Konige, um ausreichende Unter- stiitzung zu erhalten, die politischen Freiheiten ihrer Unterthanen bedeutend erhohten, wahrend die franzosischen Konige mit Hilfe des Volkes die Macht der groben Vasallen brachen und den G rund zu einer absoluten Staatsgewalt legten, die durch die Errichtung stehender Ileere unter Karl VIL — das erste Beispiel in Europa — eine feste Stiitze gewann. 4. Ludwig XI. und Karl VIII. Der Nachfolger Karls VII. war der gewissenlose Ludivig XI. Infolge des Todes Karls des Ktihnen gewann er das Herzogthum Burgund, durch das Aussterben der Anjou, einer Nebenlinie der Valois, Anjou, Maine und die Provence, sein Sohn und Nachfolger Karl VIII. durch die Vermahlung mit der Erbin der Bretagne, welche die franzosischen Konige im 14. Jalirhundert ihrer Hoheit unterworfen hatten, das letzte Kronvasallenland. Nun- mebr war der Konig der unmittelbare Herr im ganzen Lande. 1429 1431 1453 152 Vierter Zeitraum. III. England. Das wichtigste Ereignis in der Geschichte Englands ist die Aas- bildung der constitutionellen Verfassung, die erst infolge der fran- zosischen Revolution allmahlich im iibrigen Europa emgefiihrt wurde. 827-1016. A. Die angelsachsische Dynastie (827—1016). 1. Entstehung des Konigreiches England. Die Angelsachsen errichteten sieben oder acht grofiere und mindestens ebensoviele kleinere Staaten. Egbert, seit 802 Konig von Westsex, dehnte seine Herrschaft iiber alle diese Staaten und auberdem liber das britische Fiirstenthum Gornwallis aus und benannte den von ihm begriindeten Einheitsstaat Anglia (England). 871-901. 2. Alfred der GroBe (871— 901) und die Danen. Alfred, der Enkel Egberts, unterwarf in zehnjahrigen Kampfen die Danen, welche sich des Raubes wegen in dem damals nooh waldreichen Lande niedergelassen hatten, und schlug neue Raubziige ihrer Landsleute gliicklich zuriick. Auberdem hob er die materielle und geistige Cultur des Landes, berief frankische Gelehrte, begriindete durch Ubersetzung der Werke classischer Schriftsteller in die Landessprache die angel¬ sachsische Prosa u. s. w. Er erinnert mehrfach an Karl den Groben. 1016-1042. B. Die Herrschaft der Danen (1016—1042); Eduard III. (1042 -1066). Als Ethelred, ein Urenkel Alfreds, die Danen dadurch von neuen Raubziigen abzuhalten suchte, dass er alle Danen im Lande 1002. an einem Tage ermorden liefi (1002), begannen diese Racheziige gegen England zu unternehmen, wodurch es Knut dem GroBen gelang, die Herrschaft liber England zu getvinnen, die er auch auf seine beiden Sohne vererbte. Als diese gestorben waren, kehrte noch einmal ein Sprosse der Angelsachsen, Eduard III. der Bekenner, Ethelreds Sohn, auf den Thron zuriick, nach dessen Tode der Herzog Wilhelm von der Normandie mit einem gewaltigen Ritterheere (60.000 Mann) die Angelsachsen in der Schlacht bei Hastings be- 1066. siegte und England eroberte (1066). 1066-11B4. C. Die normannische Dynastie (1066—1154). Wilhelm I. der Eroberer beraubte fast den ganzen angelsach- sischen Adel seines Grundbesitzes und schuf daraus etwa 600 grobe und angeblich iiber 60.000 kleine Lehen; die ersteren erhielten unmittelbar vom Konige die groBen Vasallen (Barone, der hohe England. 153 Adel), die letzteren die einfachen Bitter, doch schwuren sie alle, unmittelbare wie mittelbare, grobe und kleine Vasallen, dem Kouige den Lehenseid. (Gegensatz S. 58.) Da die Normannen romanisiert waren, so haben viele romanische Worter in die englische Sprache Eingang gefunden. D. Das Haus Anjou oder Plantagenet (1154—1399). 1154-1399. Nach dem Erloschen der normannischen Dynastie folgte das verwandte Haus Anjou mit Heinrich II. Die wichtigsten Ereignisse unter diesem Hause sind: 1.) die Kampfe mit Frankreich; 2.) der zweimalige Kampf mit den Papsten; 3.) die Begriindung und 4.) die Fortbildung der engliscben Freibeiten. 1. ) Dariiber ist bereits S. 150 fg. gehandelt worden. 2. ) Unter Heinrich II. beschloss eine Reichsversammlung die sogenannten Constitutionen von Clarendon (1164), wonach die Kirchen- 1164. fiirsten vom Konig eingesetzt und die Geistlichkeit der weltlichen Gerichtsbarkeit untergestellt werden solite. Dariiber kam es zum erbitterten Kampfe — einer Art Investiturstreit — zwischen dem Konig und dem Erzbischofe von Canterbury, Thomas Becket. Als dieser zuletzt von vier Rittern in seiner Kirche ermordet wurde, bedrohte Alexander III. den Konig mit dem Banne, den er nur dadurch von sich abvvenden konnte, dass er seine Unschuld an dem Morde besclrvvor und die Bestimmungen von 'Clarendon preisgab. Viel wichtiger war der Kampf, welchen Innocenz III. mit Johann ohne Land, dem Bruder und Nachfolger Richards I. Lowen- herz, fiihrte. Als Johann sich weigerte, den vom Papste eingesetzten Erzbischof von Canterbury anzuerkennen und die Geistlichkeit (die Bischofe) verfolgte, verhangte Innocenz III. das Interdict iiber das Land und den Banu iiber chm Konig. Da Johann auch von Philipp II. August bekampft wurde, demiitliigte er sich aus Furcht, die Krone zu verlieren, erkannte die papstliche Oberhoheit iiber England und Irland, das sein Vater zum Theile unterworfen hatte, an und ver- pflichtete sich zur Zahlung eines jahrlichen Tributs. Beides blieb iiber ein Jahrhundert in Kraft. 3. ) Dem von allen Seiten bedrangten und bei Bouvines geschla- genen Johann entrissen die Barone, Bischofe und Burger die Zu- stimmung zur Magna Charta (1215), 1 welche das Interesse aller • Einfluss der aufieren auf die innere Politik (I. 132). 154 Vierter Zeitraum. Unterthanen, nicht nur des Clerus und Adels, die damals im ubrigen Europa die bevorrechteten Stande waren, sicherte und dadurch die Grundlage der englischen Freiheiten wurde. Ihre wiclitigsten Be- stimmungen varen: a) Die Bischofe sollen vom Clerus frei gevahlt werden; b) der Konig lasst alle unrechtmafiigen Anspriiche auf das Erbe minderjahriger Adeliger fallen; c) jede auBerordentliche Auflage soli nur mit Zustimmung der unmittelbaren Lehensleute erhoben werden; d) den Stadten verden die alten Freiheiten bestatigt, im Interesse des Handels soli im ganzen Lande nur ein Mafi gelten; e) jeder Freie soli nur durcb den Ausspruch seiner Standesgenossen gericbtet werden; f) ein Ausschuss von 25 Baronen soli uber die Aufrechtbaltung dieser Bestimmungen wacben. 4.) Die erste Fortbildung der englischen Freiheiten erfolgte unter dem Sohne und Nachfolger Johanns, Heinrich III. Da sich dieser ganz von unwiirdigen Giinstlingen leiten liefi, die mit seiner Gemahlin aus Frankreich heriihergekommen varen, erhoben sich die Barone gegen ihn, und ihrem Fiihrer, Simon von Montfort, Graien von Leicester, gelang es, alle Gewalt an sich zu reiBen. Um auch 1265. das Volk ftir sich zu gewinnen, berief Leicester im Jahre 1265 einen Reichstag (Parlament) 1 nach London, auf welchem nicht blofi, wie bisher, der hohe Adel und Clerus, sondern auch eine Anzahl von Stadten und Marktfiecken vertreten waren. Heinrichs III. Sohn und Nachfolger Eduard I. bestimmte, dass aus jeder Stadt zwei Burger und aus jeder der 37 Grafschaften (in England erhielt sich die Eintheilung in Grafschaften bis heute) zwei Ritter als Abgeordnete zum Parlamente kommen sollten. Wahrend friiher die vier Arten von Mitgliedern getrennt berathen hatten, vereinigten sich etwa Um 1300. seit 1300 die Vertreter der Stadte und der Gentry (Ritterschaft des niederen Adels) zum Hause der Gemeinen, die hohe Geistlichkeit und die Barone zum Hause der Lords. Infolge des langen Krieges mit Frankreich und der zahlreichen Thronkampfe erhielt das Parlament immer mehr Befugnisse. So gewann es das Besteuerungs- und Gesetzgebungsrecht, ferner das Recht, die Rathgeber des Konigs anzuklagen, und dadurch auch einen Einfluss auf die aufiere Politik, wie es z. B. unter Eduard III. den papstlichen Lehenszins beseitigte. So wurde England ein constitutioneller Staat. 1 Richtiger Parliament, d. h. Bespreclning. Die pyreuiiische Ilalbinsel. 155 E. Die Hauser Lancaster und York (1399—1485). 1399-1485. Nachdem der Enkel Eduards III., Richard II., von einem Ver- wandten gestiirzt worden war, folgte zunachst das Haus Lancaster, das vora dritten Soline Eduards III. abstammte, gegen welches sich das Haus York, dessen Ahnherr der vierte Sohn Eduards III. war, erhob. Es kam zu einem greuelvollen Biirgerkriege (1455 — 1485), 1455-1485. der nacli den Abzeichen der beiden Hauser als Kampf der rothen (Lancaster) und der weiBen Rose (York) bekannt ist. Dieser schlachten- reiche Krieg, der die Mitglieder der beiden Hauser und des hoken Adels zum grofiten Theile hinwegraffte, fand seinen Abscbluss durch die morderische Schlacht bei Bos\vorth (1485), in welcher 1485. der blutbefleckte Richard III. aus dem Hause York besiegt und getodtet wurde. Der Sieger Heinrich VII. Tudor, in weiblicher Linie mit dem Hause Lancaster verwandt, vermahlto sich mit Elisaheth von York und beendete dadurch, dass er die Anspriiche beider Linien vereinigte, den 30jahrigen Biirgerkrieg. IV. Die pyrenaische Halbinsel, Das wichtigste Ereignis der spanischen Geschichte ist der Kampf der Christen gegen den Islam, der mit der Eroberung des letzten maurischen Konigreiches Granada im Jahre 1492 endete. In diesen 1492. Kriegen zeichnete sich besonders der groBe Held Cid (f 1099) aus, 1099. dessen Thaten zahlreiche Romanzen, die wertvollste Schopfung der spanischen Volkspoesie, verherrlichen. 1 1. Die einzelnen christlichen Staaten. Ein Konigreich Spanien gibt es im Mittelalter nicht; es entstanden vielmehr auf der Halb¬ insel mehrere kleinere Konigreiche, deren es am Ausgange des Mittel- alters vier gab: Portugal, Castilien, Navarra und Aragonien; die beiden letzteren waren aus der spanischen Mark hervorgegangen. a) Castilien. Es umfasste den grofiten Theil der Halbinsel, denn es reichte vom Meerbusen von Biscaya bis zur Siidspitze der Halb¬ insel. Seinen Namen hat es von den vielen Castellen, die in einem Theile des Landes gegen die Mauren errichtet wurden (S. 63). b) Aragonien. Dieses Konigreich bestand aus den Landschaften Aragonien, Catalonien und Valencia. c) Navarra. Es breitete sich zu beiden Seiten der Pyrenaen aus. Wiewohl der kleinste Staat, behauptete es dennoch, dank der. 1 Herder, «Der Cid». 156 Vierter Zeitraum. Unzuganglichkeit seiner Gebirge und Schluchten, bis in die Neuzeit seine Unabhangigkeit. d) Portugal. Es bildete bis zum 12. Jahrhundert eine Mark- grafschaft Castiliens, die Portugiesen waren bis dahin kein eigenes Volk (vgl. Holland und die Hollander). Seine Selbstandigkeit verdankt es wie Holland geographischen Verhaltnissen; es ist namlich infolge des westlichen Abfalls des Landes, des Laufes der Fliisse, die nur bis an die spanische Grenze schiffbar sind, und des ausgedehnten Tief- landes um Lissabon ein ziemlich selbstandiges Stiick der Halbinsel. 2. Begriindung des Konigreiches Spanien. Durch die Ver- mahlung Ferdinands von Aragonien mit Isabella von Castilien wurde der Grund zur spateren Vereinigung der beiden Konigreiche gelegt (S. 173 u. 178); ihr Enkel, der Kaiser Karl V., war der erste Konig von Spanien. Ferdinand und Isabella nahmen sicb des Biirgerstandes gegen die Ubergriffe der Groben an und sorgten fiir eine geordnete 1481. RechtspHege. Im Jahre 1481 wurde in Spanien zur Aufspiirung heim- licher Anhanger des Islam und des Judenthums die Inquisition er- neuert; sie verfolgte aber aucli die personlichen und politiscben Feinde des Konigs, der die Impiisitoren aus dem Dominicanerorden ernannte und das Vermogen der Verurtheilten erhielt. Die spanische Inguisition war daher mindestens ebensosehr eine staatliche als eine kirchliche Einrichtung; erst Napoleon I. bat sie aufgehoben. Endlicli erholite Ferdinand seine Macbt dadurch, dass er die GroBmeisterivurde der drei spanischen Ritterorden erwarb, wodurch der Krone bedeutende Einkunfte zuflossen, die sie von den Geldbewilligungen der Stande (Cortes) unabhangig machten. Es ist somit aucb in Spanien die Neuzeit angebrochen. Ende des Mittelalters. Die wichtigsten Grundlagen der mittelalterlichen Ordnung: das Kaiserthum, das Papstthum, die Lehensmonarchie, die Verwaltung der Stadte, waren erscbtittert, die Dichtkunst und die Scholastik verfallen. Der Mensch hatte die Bande des Standes, dem er an- gehorte, zerrissen, es trat das Recht des freien Individuums in den Vordergrund. Geschichte der Nenzeit. Der Ubergang vom Mittelalter zur Neuzeit. Gegen Ausgang des Mittelalters und am Beginne der Neuzeit wurden mehrere wichtige Erfindungen gemacht, neue Lander (Ame¬ rika) und Handelswege aufgefunden und neue Richtungen auf \vissenschaftlichem und kunstlerischem Gebiete (Humanismus und Renaissance) eroffnet. Mit der zunehmenden Ausbildung der ein- heimischen Sprachen wird die lateiniscbe mebr und mehr auf das Gebiet der Theologie und der Kirche eingeschraukt. Aus diesen Griinden lasst man mit dem Ausgange des 15. Jahrhunderts den dritten groben Abschnitt der kVeltgeschichte, die Neuzeit, beginnen. I. Erfindungen. 1. Erfindung des SchieBpulvers. Wann das Schiefipulver er- funden wurde, ist nicht bekannt; 1 Thatsache ist, dass es in den ersten Jahrzehnten des 14. Jahrhunderts bei Belagerungsgescbiitzen und bald darauf auch bei der Bewaffnung des FuCvolkes Verwendung fand. Nachdem schon im franzosisch-engliscben Thronkriege, in den Kampfen der Schweizer mit den Habsburgern und Karl dem Kiihnen sowie in den Hussitenkriegen die Bedeutung des FuSvolkes immer mebr hervorgetreten war, wurde spit der Erfindung des Pulvers die Infanterie der eigentliche Kern der Heere, die nunmehr zum grofiten Theile aus geworbenen Soldnern bestanden. Infolgedessen schwand allmahlich die militarische und sociale Stellung des Ritterstandes, dessen Burgen den neuen Belagerungsgeschiitzen der Landesfiirsten nicht standhalten konnten. 1 Dass der Franciscaner Berthold Schwarz (14. Jahrlmndert) das SchieC- ptilver durch Zufall erfunden liabe, ist ganz ungeschiclitlich. Die iilteste Er- wahnung von Morsern in Osterreich fallt in das Jahr 1390. 158 Geschichte der Neuzeit. 2. Erfindung des Leinenlumpenpapieres. Das wichtigste Schreibmaterial des Mittelalters war das kostspielige Pergament; an seine Stelle trat seit dem 14. Jahrhundert immer mehr das billige Papier, das aus Leinenabfallen bergestellt wurde. Beide Erfindungen wurden den Europaern vom Oriente lier durch die Araber vermittelt. 3. Erfindung der Buchdruckerkunst. Sie ist das Werk des Mainzer Patriciers Johann Gutenberg, der von dem reichen Peter Fust die Geldmittel zur Einricbtung seiner Druckerei erbielt, sie aber wegen des schlechten Geschaftsganges seinem Genossen iiber- 1468 . lassen musste und im Jabre 1468 als Mainzer Hofdienstmann starb. Die Kunst, in Holz geschnittene Bilder abzudrucken (Holzscbnitt oder Xylograpbie), war in Deutscbland und Flandern sicher schon seit dem Jabre 1400 verbreitet. Gutenbergs Verdienst ist, dass er aus Metali gegossene Lettern herstellte, die fiir den Druck der Biicber nacli Bedarf zusammengestellt werden konnten. Hiedurcb wurde es moglicb, anstatt der theuren Manuscripte des Mittelalters woblfeile Biicher herzustellen. Ursprunglich geheim gehalten, ver- breitete sicb die «deutsche Kunst» seit der Eroberung von Mainz (1462) im Kampfe Adolfs von Nassau mit seinem Gegenbiscbofe Dietber in die iibrigen Lander Europas. II. Entdeckung Amerikas und Aufflndung des Seeweges nach Ostindien. Scbon am Ende des 13. Jahrhunderts batten italieniscbe Scbiffer die canarischen Inseln und etwa 50 Jabre spater die Azoren ent- deckt. Aber die ersten planmaBigen Entdeckungsfahrten zur See 1460 . veranlasste der portugiesische Prinz Iieinrich der Seefahrer (f 1460), der zahlreicbe Unternehmungen zur Erforscbung der Westkuste Afrikas ausriistete. Bis zu seiner Zeit waren die Gegenden jenseits des Caps Bojador unbekannt geblieben; denn im Mittelalter waren abscbreckende Erzablungen vom «dunklen Meere» an der Nordwest- ktiste Afrikas verbreitet und galt die heifie Zone geradezu fiir un- bewohnbar. Aber durch den Prinzen Heinricb ermuthigt, drangen die Portugiesen immer weiter nach Suden vor, betraten mit Erstaunen das «griine» Vorgebirge und die capverdischen Inseln und entdeckten 1486 . endlicb im Jabre 1486 unter Bartholomaus Diaz das Cap der guten Iloffnung. Die Erfolge der Portugiesen ermuthigten auch die Spanier Entdeckuug Amerikas. 159 zu Entdeckungsfahrten; wahrend aber jene ihre Fahrten nach Osten richteten, schlugen die letzteren den Weg nacli Westen ein, wodurch sie Amerika entdeckten. A, Entdeckung Amerikas. 1. Christoph Columbus. Columbus war um das Jahr 1446 zu Genua als Sohn eiiies Tuchwebers geboren. Er widmete sich dem Seedienste, kam nach Portugal, maclite Reisen bis zur Guineakiiste und nacli England (ob er nach Island gekommen ist, muss dahin- gestellt bleiben), komite aber die mafigebenden Kreise fur seinen Plan, durch eine westliclie Fahrt nach Asien zu gelangen, nicht gewinnen. Er glaubte namlich, auf Ptolemaus und eine Karte des beriihmten Florentiner Naturforschers Toscanelli gestiitzt, dass Europa und Asien sich iiber zwei Drittel des Erdumfanges ausdehnen und demnach zwischen Tieiden Erdtheileu hochstens 120 Langengrade liegen. Columbus begab sich liierauf nach Spanien, und hier wurden ihm endlich nach der Eroberung Granadas (1492) die Mittel fur die 1492. Fahrt zur Verfiigung gestellt, nachdem ihm die erbliche Admirals- wiirde iiber die neuentdeckten Gebiete und fiir seine Person dieWiirde eiues Vicekonigs sowie der zehnte Theil vom Gewinn aller Producte zugesichert worden war. Mit drei kleinen Schiffen, deren gesammte Bemannung nur 120 Kopfe betrug, fuhr Columbus zu den canarischen Inseln, um von hier aus den Weg nach dem Westen einzuschlagen. Die Fahrt, auf der Columbus die (westliclie) Declination der Magnetnadel kennen lernte, wurde zwar durch die ruhige See begiinstigt, doch fiirchteten die Matrosen, wegen des Nordostpassates und des Sargassomeeres nicht mehr zurtickkehren zu konnen. Bereits drohte eine Meuterei auszubrechen, als endlich im October 1492, einen Monat nach der 1492. Abfahrt von den canarischen Inseln, Guanahani, wahrscheinlicli die jetzige Watlingsinsel, entdeckt wurde. Nachdem Columbus auf der weiteren Fahrt noch Cuba und Haiti aufgefunden hatte, kehrte er nach Europa zuriick, wo er mit dem grofiten Jubel begriiBt wurde. In den Jahren 1493—1504 unternahm Columbus noch drei Reisen 1493-1504. und entdeckte Portorico, Jamaica, Trinidad, die Orinocomiindung, endlich das amerikanische Festland zwischen den Golfen von Hon¬ duras und Darien. Den verheifienen Lohn fand er nicht. Als namlich wahrend seiner dritten Reise in der Colonie S. Domingo auf Haiti ein Aufruhr ausbrach, wurde der leidenschaftliche Bobadilla zur 160 Geschiclite der Neuzeit. Untersuchung abgesendet und auf dessen Befehl Columbus in Ketten nacb Europa gebracht, jedoch alsbald wieder in Freiheit gesetzt. Er starb im Jahre 1506 und nahm den Irrtbum mit ins Grab, dass er den Osten Asiens (Japan) betreten habe; die Erinnerung daran bewahrt noch der Ausdruck Westindien. 2. Balboa. Dieser entdeckte nacli Uberwindung zahlreicher 1513. Schwierigkeiten den groBen Ocean (1513); er benannte ihn, da er von Norden kam, die Siidsee und nahm ihn fiir den Konig von Spanien in Besitz. Nunmehr war festgestellt, dass Columbus einen neuen Continent entdeckt hatte. 3. Ferdinand Magelhaes. Dieser kiihne Portugiese fuhr im 1519. Jahre 1519 in spanischem Dienste nahe der Ostkiiste Siidamerikas nach Siiden, entdeckte die nach ihm benannte Strafie und gelangte quer durch den groben Ocean zu den Philippinen, wo er im Kampfe 1521. mit den Eingebornen den Tod fand (1521). Sein Steuermann Elcano 1522. setzte die Fahrt fort und kehrte im Jahre 1522 nach Europa zuriick. So kam die erste Erdumsegelung zustande. 1519. 4. Ferdinand Cortez. Im Jahre 1519 entdeckte Cortez Mexico und eroberte es mit ungefahr 750 Mann nach zweijahrigem Kampfe und blutiger Unterdruckung eines Aufstandes der hauptstadtischen Bevolkerung, bei dem auch der gefangene Beherrscher des Reiches, Montezuma, den Tod fand. Kaiser Karl V. ubertrug dem Entdecker die Verwaltung des Landes, beschrankte ihn aber spater aus Miss- trauen auf die Ausiibung der Militargewalt. Cortez entdeckte noch Californien und begab sich hierauf nach Spanien, um sich bei Karl zu rechtfertigen; er fand aber nicht die erwartete Aufnahme und lebte deshalb bis zu seinem Tode in Zuriickgezogenheit. In Mexico lernten die Europaer das erste amerikanische Cultur- reich kemien. Die Azteken, die kriegerischen Bewohner dieses Reiches, besaBen eine hochentwickelte Metallindustrie, bauten steinerne Tempel, besafien eine Bilderschrift (I. 35), deren geringe Reste noch nicht entrathselt sind, und betrieben Astronomie und Geschichtschreibung. Im ganzen Lande herrschte groBer Wohlstand. Diese hohe Cultur wurde aber durch grassliche Menschenopfer geschandet. 5. Franz Pizarro und Diego Almagro. Den beiden Spaniern 1532. Pizarro und Almagro gelang im Jahre 1532 unter Veriibung groBer Grausamkeiten die Eroberung von Peru, das damals auch Ecuador um- fasste; Almagro entdeckte und eroberte Chile. Die Eroberung Perus wurde den Entdeckern wesentlich dadurch erleichtert, dass gerade Auffindung des Seeweges nach Ostindien. 161 damals Thronstreitigkeiten zvrischen zwei Briidern aus dem Stamme der Inkas herrschten; beide fanden bei der Eroberung des Landes ein gewaltsames Ende. Uber den Besitz von Cuzco, der Hauptstadt Perus, geriethen die Entdecker miteinander in Streit; Pizarro, der eigent- liche Eroberer des Landes, liefi deshalb Almagro liinriehten, wurde aber spater selbstvon dessen Soline getodtet. Von Peru aus entdeckte Orellana unter aufierordentlichen Gefahren den Amazonenstrom. Peru, dessen nattirliclie Fruchtbarkeit durch Anlage von ktinst- lichen Wasserleitungen gesteigert wurde, glioh einem Garten; hoch oberi im Gebirge wuchs die KartofEel. Die Bewohner waren gescbickt in der Herstellung von Thon-, Webe- und Metallarbeiten. Eigen- thiimlich waren ihnen die Quipus, die aus verschiedenfarbigen, marmigfach geknoteten Schniiren gebildet waren (* Knotenschrift»). Sie haben sicli in grofier Menge erhalten, konnten aber bisher niclit entziffert werden, obwohl die Knotenschrift noch jetzt bei den Hirten Perus verbreitet ist. Die Religion der unkriegerischen Bewohner war ein Sterndienst ohne Menschenopfer. Da im Jahre 1497 der Italiener Johann G aboto in englischen 1497. Diensten noch Labrador entdeckte, so wurde allmahlich der ganze Continent entschleiert. Auf Vorschlag des deutschen Geographen Waldseemiiller erhielt er den Namen Amerika nach dem Florentinci' Amerigo Vespucci, dessen Beschreibung seiner amerikanischen Reisen viel gelesen wurde. B. Auffindung des Seeweges nach Ostindien und Errichtung der portugiesischen Herrsehaft daselbst. 1. Vasco da Gama. Die Entdeckungen der Spanier veranlassten die Portugiesen zur Fortsetzung ihrer Fahrten an der Westseite Afrikas. Durch die Umschiffung dieses Erdtheiles hoffte man den Seeweg nach Ostindien zu finden und dadureh die reichen Er- zeugnisse des Orients (S. 115) billiger einkaufen zu konnen. Im Jahre 1497 rustete Emanuel der GroBe (1495 — 1521), eine Flotte 1497. aus, an deren Spitze Vasco da Gama noch in demselben Jahre 1495-1521. Afrika gliicklich umschiffte; seine Reise unter Beniitzung des Siid- ivestmonsuns fortsetzend, landete er in Calicut, dem damals be- deutendsten Gewiirzmarkte Indiens (1498). .1498. 2. Griindung der portugiesischen Herrsehaft in Ostindien. Um die portugiesische Herrsehaft in Indien aufzurichten, wurde Cabral mit einer grofieren Macht abgeschickt; da er aber zu weit Zeehe-Rebhann, Gesch. f. d. ob. Gl. d. Realschulen, II. 11 162 Geschickte der Neuzeit. nach Westen fuhr, gerieth er in die nordaquatoriale Stromung und 1500. entdeckte infolgedessen wider Willen Brasilien (1500), das daher auch von den Portugiesen besetzt wurde. Der eigentliche Griinder der portugiesischen Herrschaft in Indien ist Albuquerque, der von dem eroberten Goa aus unter Beniitzung der Streitigkeiten der zahlreichen indischen Konige die portugiesische Herrschaft von Ma- lacca bis nach Ormus ausdehnte. Nach seinem Tode legten die Portugiesen auch auf der Ostkiiste Vorderindiens Niederlassungen an und erwarben die Herrschaft iiber die Molukken und die Sunda- Inseln. Dio Heldenthaten seiner Landsleute in Indien besang der grofite portugiesische Dichter Camoens in seinem Epos «die Lu- siaden » (= Lusitanier, Portugiesen). G. Die wichtigsten Folgen der Entdeckungen. Damals wurde zum drittenmale der Horizont der abendlandi- schen Bevolkerung in grofiartiger Weise erweitert (S. 106). Aber auch fiir Amerika hatten die Entdeckungen wichtige Folgen. 1. Folgen ftir Europa. a) In politischer Beziehung. Die italienischen Staaten, nament- lich Venedig, verloren infolge der Beeintrachtigung ihres Zwischen- liandels, der auch durch das Vordringen der Ttirken schon EinbuBen erlitt, ihre Vorherrschaft zur See an die am atlantischen Ocean gelegenen Staaten, zunachst an Spanien und Portugal. b) In wissenschaftlicher Beziehung. Die Naturwissenschaften, die Geographie und die Ethnographie gewannen reichen Stoff. Schon im Jahre 1492 fertigte der Niirnberger Martin Behaim, der als Theilnehmer an einer portugiesischen Fahrt die Westkiiste Afrikas kennen gelernt hatte, seinen beriihmten «Erdapfel» (Globus) an, der uns die gesammte Summe der damaligen geographischen Kennt- nisse zeigt. c) In materieller und socialer Beziehung. Europa erhielt aus Amerika den Truthahn, ferner den Mais, die Kartoffel, den Tabak und das Heilmittel Chinin. Die groBe Menge von Gold und Silber, die namentlich aus Peru und Mexico nach Europa kam, ver- mehrte das gemtinzte Edelmetall derart, dass eine ungeheure Geld- entwertung und daher Preissteigerung aller Gegenstande erfolgte. In Spanien, wo jedermann durch den Aufenthalt in Amerika rasch Wiedererweckung des classischen Alterthums. 163 reich zu werden hoffte, verSelen Industrie, Acker- und Bergbau. Auch Portugal erfuhr bald einen Niedergang. Die Einfuhr der Colonialwaren (Kaffee, Thee, Rum, Zucker, Tabak und Gewiirze) rief eine vollige Anderung in der Lebensweise der europaisclien Bevolkerung hervor. 2. Folgen fur Amerika. Europa spendete dem neuentdeckten Erdtheile, der die milch- gebenden Hausthiere und deshalb auch das Nomadenthum nicht kannte, das Pferd und das Rind sowie die abendlaudischen Getreide- arten und die ostindischen Gewachse; ferner wurde die Bevolkerung dem Cliristenthum und den iibrigen Segnungen der europaischen Cultur zugeltilirt. Im iibrigen war das Los der Indianer traurig genug. Denn da die Spanier schnell reich werden wollten, zvvangen sie die schwach- liche einheimische Bevolkerung zu schwerer Arbeit in den Bergwerken und Plantagenwirtschaften, was zur Folge hatte, dass sie in maneken Gegenden Westindiens rasch ausstarb. Um nun die nothigen Arbeits- krafte zu erhalten, begann man Negersclaven aus Afrika einzufiihren. An der Spitze der Colonialverwaltung standen Vicekonige, die wieder dem «indischen Rathe» in Madrid untergeordnet vvaren. III. Wiedererweckung- des classischen Alterthums (der Human ismus). Zwar wurden das ganze Mittelalter hindurch die Werke einiger lateinisclier Classiker gelesen, doch nur, um sich durch Erlernung der lateinischen Sprache fiir das Verstandnis der heiligen Schrift vorzubereiten (S. 53) und sich schone Sentenzen und einzelne Tliat- sachen einzupragen. Er st gegen Ausgang des Mittelalters begann man die Werke der lateinischen Classiker (das Griechische trat bedeutend zuruck) nur um ihrer selbst vvillen zu lesen, sich an ihrem Inhalte, der eine neue Geisteswelt eroffnete, und der schonen Form, die man im Gegensatze zum mittelalterlichen Latein be- wunderte, zu erfreuen. Diejenigen Manner, welche die Werke der antiken Schriftsteller in diesem Sinne lasen, heihen Humanisten und die von ihnen gepflegte Richtung Humanismus. Sein Mutter- land ist Italien; von hier aus verbreitete er sich nach allen Landern, ganz besonders auch nach Deutschland. 11 * 164 Geschiclite der Neuzeit. A. Der Humanismus in Italien. Der erste Abendlander, der durch ein eingehenderes Studium der Schriftsteller und Dichter der alten Romer ein tieferes Ver- standnis des Alterthums erreiclite, ist der beriihmte Sonettendichter Petrarca (geb. 1304, gest. 1374. S. 130). Seit ihm blieb liber ein Jahrlrandert lang seine Vaterstadt Florenz der Hauptsitz der huma- nistischen Studien, mit denen sich auch sein Freund Boccaccio aus Florenz, der Begriinder der classischen Prosa, eifrigst beschaftigte. Den Hflhepunkt erreichten diese Studien zur Zeit Lorenzos des Prachtigen (S. 148). Unter Cosimo, Lorenzos GroBvater, war Florenz auch der Mittelpunkt der griechischen Studien, die namentlich durch die vielen Gelehrten verbreitet wurden, welche nach dem Falle von 1453 . Constantinopel (1453) nach Italien fliichteten. Die dam'als in Florenz zur Pflege der platonischen Philosophie gegriindete platonische Aka- demie (I. 99) ist das erste Muster einer freien Vereinigung zu wissenschaftlichen Zwecken. AuBerdem ragen als Statten der hurna- nistischen Studien noch Mantua, Urhino, die Geburtsstadt RafEaels, Ferrara und Horn hervor. Die Humanisten begannen nicht nur die Spracho und Gelehr- samkeit der Monche zu verspotten, sondern wurden auch theilweise gegen die kirchlichen Dogmen gleichgiltig und bezweifelten die Unsterblichkeit der Seele. Auch das sittliche Leben vieler Humanisten lasst manches zu wiinschen iibrig; gleichwohl hatten sie groBes Ansehen- bei Fiirsten und Republiken, weil sie den Glauben zu erwecken wussten, dass von ihnen der Ruhm bei der Mit- und Nachwelt abhangig sei. Doch verloren sie im Laufe des 16. Jahr- hunderts ihren Einfluss. B. Der Humanismus in Deutschland. Wahrend der Plumanismus in Italien alle Schichten der Be- volkerung ergriff und vom 14. bis ins 16. Jahrhundert dauerte, blieb er in Deutschland auf einen engereu Ivreis von Gelehrten und auf 1450 - 1520 - die Zeit von 1450 bis 1520 beschrankt; seitdem entzieht ihm die Reformation rasch alle Sympathien. Nur \venige deutsche Fiirsten begiinstigten die Humanisten; am meisten that dies Maximilian I Die hervorragendste Pflege fand der Humanismus bei den Biirgem und an den Universitaten des sudwestlichen Deutschland; besonders bedeutend sind Konrad Peutinger in Augsburg und Wilibald Pirck- Die wichtigsten Folgen d. Wiedererweckung des class. Altertkums. 165 heimer in Niirnberg sowie die Universitaten in Wien, Basel, Tiibingen und Erfurt. Die beriilimtesten deutschen Humanisten sind Reuclilin, Erasmus von Rotterdam und Jlutten. Johann Reuclilin wurde besonders dadurch wichtig, dass er das Studium der hebriiisclien Sprache wieder zu Eliren brachte. Seiner Fehde mit dem getauften Juden Pfefferkorn, welcher dieVer- nichtung der nicht ins alte Testament aufgenommenen jiidischen Blicher empfabl, verdanken die « Briefe der Dunkelmanner*, welche aus dem Erfurter Gelebrtenkreise hervorgiengen und die Lebensweise der meisten damaligen Monche in absichtlich scbleohtein Latein ver- spotteten, ihre Entstehung. Erasmus von Rotterdam war der groBte und angesehenste deutselie Humanist. Besonders beriihmt wurde er durch seine kritische Ausgabe des griechischen neuen Testaments und durcli seine Satire Encomium Moriae (Lob der Thorheit), in welcher er nicht nur gegen die verschiedenen menschlichen Schwiichen tiberhaupt, sondern namentlich gegen die Geistlichen bis zum Papste hinauf seine unerbittliche Geifiel schwang. Wahrend sich Reuclilin und Erasmus der Reformation gegeniiber ablehnend verhielten, sclilug sich Ulrich von Hutten offen auf Luthers Seite. Er ist der einzige Humanist, der auch in deutscher Sprache schrieb. G. Die vvichtigsten Folgen der Wiedererweekung des classischen Alterthums. Die nachste Folge der liumanistischen Studien war, dass an die Stelle des verderbten mittelalterlichen Latein ein classisches trat, fiir das besonders Cicero und Quintilian (I. 189) als Vorbilder dienten. Durch das Studium der antiken Scliriftsteller lernte man ganz neue Verlialtnisse kennen; dies forderte den Vergleich mit den bestehenden heraus, so dass der Geist der Autoritat- durch den der Kritik ver- drangt ivurde. 1 Wahrend im Mittelalter das Gesammtwissen durch die Scholastik beherrscht wurde, begannen jetzt die einzelnen Wissensz\veige sich zu trennen; neben der Philologie entstand eine kritische Geschicht- 1 Der Humanist Valla (15. Jahrhundert) wies nach, dass die Urkunde, nach welclier Kaiser Constantin dem Papste das westromiscke Reich gesclienkt liaben solite, eine Fiilscliung ist; die Urkunde war in der Zeit Karls des GroCen ent- standen und wurde im Mittelalter fiir eclit gehalten. 166 Gesehichte der Neuzeit. schreibung, ferner eine selbstandige Mathematik, Astronomie, Me¬ dicin und Jurisprudenz, so dass sich jetzt ein Gelehrtenstand bildete, welcher der Trager einer im wesentlichen \veltlichen Bildung wurde. Besonders beriilimte Gelebrte der Zeit waren: der Florentiner Staats- secretar Macchiavelli, der in seinem Bache « Der Fiirst* die Mittel entwickelte, mit denen ein italienischer Fiirst seine zerspaltene Nation zur politischen Einheit bringen k.onne, freilich Mittel, die durchaus nur nacb der ZweckmaBigkeit, nicht nach den Grundsatzen der Moral bemessen wurden (Mačehiavellismus). Der beriihmteste Mathematiker und Astronom des 15. Jahrhunderts war Johann Miiller von Konigs- berg (Regiomontanus), der eine Zeitlang in Wien als Lebrer wirkte. Im 16. Jahrhunderte lebte Nikolaus Copernicus aus Thorn, Domberr von Frauenburg (j 1543), der durch sein Werk ♦ IJber die Bewegung der Himmelskorper», in vvelchem er nachwies, dass die Erde ein Trabant der Sonne sei, also nicht im Mittelpunkte des Weltalls stehe, das Ptolemaische System endgiltig beseitigte (I. 108). Sein Zeitgenosse Theophrastus Paracelsus war einer der bedeutendsten Arzte der Zeit; sein Hauptverdienst ist, dass er die Naturbeob- achtung in den Vordergrund stellte (I. 100). Durch den Humanis- mus wurde auch das systematische Studium des romischen Rechtes angebahnt. Da gegen den Ausgang des Mittelalters das Schulwesen verfiel (S. 111), so war es von grofier Wichtigkeit, dass in der Lectiire der antiken Schriftsteller ein neues hervorragendes Bildungsmittel gewonnen wurde. Auch begann jetzt wieder die Pflege der korper- lichen Ausbildung der Schuljugend, die in den mittelalterlichen Klostern ganz vernacblassigt worden war. Es fehlten aber auch die Schattenseiten nicht; die Verirrungen italienischer Humanisten wurden bereits erwahnt. Bald entstand ein tiefer Zwiespalt zwischen den classisch Gebildeten und den Nicht- gebildeten, wie ihn das Mittelalter auch nicht annahernd gekannt hatte; es kam so weit, dass alles Einheimische als roh verachtet wurde. Das gilt namentlich fiir Deutschland, wo sich die Humanisten von der Pflege der Muttersprache fernhielten, so dass ihr bereits am Ausgange des Mittelalters eingetretener Verfall weiter fortschritt. Dagegen besafi Italien im 16. Jahrhunderte zwei hervorragende Dichter in der einheimischen Sprache, namlich Ariosto und Torquaio Tasso, die beide eine Zeitlang am Hofe der kunstsinnigen E ste in Die Renaissance. 167 Ferrara lebten; 1 der erstere verfasste das romantische Epos «Der rasende Roland*, der letztere das romantische Epos «Das befreite Jerusalem*. Endlich haben die Humanisten der antiken Astro/ogie, theilweise auch dem verderblichen Hexenwalme, der seit dem Ende des 15. Jahrbunderts immer unheilvoller nm sich griff, Vorschub geleistet, da sie selbst nicbt selten dem antiken Zauber- und Wunder- weseu Glauben schenkten. Durch den Humanismus wurde die geistige Selbstandigkeit der Abendlander machtig gefordert. Uberall strebten die Menschen iiber die engen Grenzen des mittelalterlichen Horizontes hinaus (S. 156). IV. Die Renaissance. Nachdem das Alterthum literarisch entdeckt war, erwachte auch das Verstandnis fiir di'e antike Kunst. Wie man die Biblio- tlieken nach Handschriften durchsuchte, so veranstaltete man na- mentlich in Rom Ausgrabungen zur Auffindung antiker Kunstwerke; dadurcli wurden der Apollo vom Belvedere (I. 45), die Laocoon- Gruppe und andere Werke der Bildhauerkunst aus dem Schutte hervorgeholt. Auch wurden die Reste der antiken Bamverke sorgfaltig ver- messen und zum Vorbilde fiir die neuen Bauten genommen. So entstand ein neuer Baustil, der Renaissance (Wiedergeburt) genannt wurde. Wahrend ferner im Mittelalter die Kunst wesentlic,h im Dienste der Kirche gestanden war (S. 37), feierte die Baukunst der Renaissance ihre hochsten Triumphe in der Palastarchitektur und erweiterte sich das Gebiet der Malerei allmahlicli iiber alle Dar- stellungsgebiete (Weltgeschichte, Mytliologie, Portrait, Genre, Thier- stiick, Stilleben, Landschaft). So wurde auch die Kunst weltlich. Gleichzeitig horte das dienende Verhaltnis der Sculptur und Malerei gegeniiber der Baukunst auf (S. 37); die Kiinstler, durchaus weltliclie, schufen nun Werke der Plastik und Malerei ohne Riicksicht auf die Werke der Baukunst, die durch jene geschmiickt werden sollten. Auch die Renaissance verbreitete sich von Italien aus in die iibrigen Lander. A. Die Renaissance in Italien. 1. Die Baukunst. Die Baumeister der Renaissance entnahmen den romischen Uber- resten zweierlei: sie verwendeten die classischen Saulenanordnungen und Ornamente zur Ausschmiickung der Gebaude uud studierten die 1 Vergl. Goethes «Torquato Tasso*. 168 Geschichte der Neuzeit. schone Anlage des Grundrisses (I. 196 und 203), ohne jedoch dabei ihre kohe kiinstlerische Selbstandigkeit einzubiifien. Man theilt die Renaissance in die Fruh-, die Hoclirenaissance und den Barockstil ein. 1420-1600. a) Friihrenaissance (1420 — 1500). Der groBte Meister der Friih- renaissance ist Brunellesco (f 1476) aus Florenz, der Geburtsstatte der Renaissance wie des Humanismus. Er baute die kolossale Dom- kuppel in Florenz, eine Tambourkuppel, so genannt, weil sie auf einein Tambour, d. h. einem trommelahnlichen Unterbau, ruht, und den Palazzo Pitti, dessen burgartiger Charakter noch fiir lange Zeit der Typus aller florentiniscben Palaste wurde. AuBerlialb der Stadt Florenz ist das gefeiertste Baudenkmal der Zeit die unvollendete Fagade der Certosa (Kirche des Karthauserklosters) bei Pavia. In der Freude liber die neugefundenen Ornamente wurden damals die Ge- baude mitunter etwas uberladen. 1500-1580. b) Hochrenaissance (1500 — 1580). Nunmehr wurde jeder An- klang an die Gothik fallen gelassen, und in der Verwendung der Ornamente herrschte weises MaBbalten. Die einzelnen Stockwerke wurden durcb edel gebildete Gesimse abgegrenzt, Fenster und Portale mit antiken Saulen- und Pilasterformeu geschmiickt und mit Giebeln gekront. Der Hauptsitz der Hochrenaissance war Rom unter Julius II. (S. 148) und seinem Nachfolger Leo X. Der grofite Baumeister war damals Bramante (f 1514); sein profanes Meisterwerk ist der Palast der Cancellaria in Rom mit dem schonsten Saulenhofe der ganzen Renaissance. Er begann auch den Bau der neuen Peterskirche. Der Grundriss dieses Baues, ein tonnengewolbtes Langhaus mit gewal- tigen Pfeilern uiul einem Querschif£e mit einer Kuppel, wurde tur den ganzen folgenden Kirchenbau maBgebend. Die groBartige Kuppel dieser Kirche erbaute Michelangelo Buonarotti (f 1564). Auch in Genua und Venedig herrschte damals rege Baulust; in Venedig ist namentlich die herrliche Marcusbibliothek von Jacopo Sansovino zu erwahnen. c) Barockstil. 1 Um groBere Wirkungen zu erzielen, wurden die antiken Saulenordnungen, Pilaster, Giebel u. s. w. in der willkiir- lichsten Weise verwendet, die schmiickenden Motive gehauft, die Wandflachen gekriimmt. Der bekannteste Meister dieser Zeit ist Bernini, der die groBartigen Colonnaden des Petersplatzes erbaute. ' Man nennt auch die Ausartung eines Stiles iiberhaupt »Barockstil» und spridit in diesem Sinne von einer grieckischen (der spateren alexandrinischen) und einer gothischen Baroclczeit. Die Renaissance. 169 2. Die Plastik. Zum Studium der antikeu Statuen trat das der Natur, so dass die plastischen Werke der Renaissance im Gegensatze zu den idea- listischen des Mittelalters einen mehr realistischen Charakter tragen (L 83). Der beriihmteste Plastiker der Zeit war Michelangelo , der zuerst in Florenz thatig war, spater aber von Julius II. nach Rom berufen wurde. Er schuf in Florenz die Kolossalstatue des jugend- lichen David und die Grabdenkmaler ziveier Medici, ferner die Riesengestalt des sitzenden Moses in Rom. Schon vor der Mitte des 16. Jahrliunderts war die Plastik in ganz Italien verlallen. 3. Die Malerei. Anch die Malerei schlug die Wendung zum Realismus ein; doch beschrankten sich die grofien Maler sowenig wie die Plastiker auf eine getreue VViedergabe der Natur, sondern stellten sie in idealer Verschonerung dar. Die grofiten Maler, die alle dein 15. (Quatrocento) und 16. (Cincpiecento) Jabrhundert angehorten, sind Lionardo da Vinci, Michelangelo, Raffael Santi und Tizian. Lionardo (f 1519) ist das Haupt der lombardischen Schule, die in und um Mailand thatig war. Sein beruhmtestes Werk ist das «letzte Abendmahh in einem Kloster zu Mailand. — Michel¬ angelo bemalte in der sixtinischen Kapelle (im Vatican) die Dečke mit neun Bildem, welche den biblischen Stoli; von der Schopfung bis zur Siindflut behandeln, und schuf als Altarbild der Kapelle das nahezu 20 m hohe «jiingste Gericht». — Raffael (f 1520 in Rom) malte ungefahr 50 Madonnen, von denen die Madonna della sedia, in den Ufficien (S. 148) und die sixtinische Madonna in Dresden die beriihmtesten sind. Er schmuckte ferner vier Gemacher (Stanzen) des Vaticans mit Fresken, welche die geistige Macht des Papstthums verherrlichen, und die Loggien (Hallen) in einem Hofe des Vaticans mit reizenden Decorationen. — Tizian (f 1576) ist das Haupt der venetianischen Schule, die in der Schonheit des Colorits ihre liochsten Triumphe feierte. In der zweiten Halfte des 16. Jahrhunderts verfiel die Malerei in ganz Italien. B. Die Renaissance im Norden der Alpen. 1. Die Baukunst. Im Norden der Alpen wurde noch bis ins 16. Jahrhundert hinein im gothischen Stile gehaut. Nur vereinzeR ist die Friihrenaissance vertreten; dagegen gelangte der Barockstil uherall zur Herrschaft. 170 Geschichte der Neuzeit. Die beriihmtesten Renaissancebauten in Deutschland sind das Rath- haus in Koln und das Schloss in Heidelberg , in Osterreich das Belvedere in Prag, ein Lustschloss Ferdinands I., und das Schloss des Fiirsten Porzia in Spital (Karnten), in Frankreich der Louvre in Pariš. 2. Die Plastik. Auch im Norden der Alpen regte sich am Anfange des 15. Jahr- hunderts der realistische Sinn. In Deutschland schuf die Holz- hildnerei, deren hervorragendster Meister Veit StoB war, eine iiber- groBe Zahl von Schnitzaltaren im gotbischen Stile, die reich ver- goldet und mit Gemalden und Reliefs geschmiickt wurden; der schonste erhaltene Schnitzaltar ist wohl der in St. Wolfgang (Ober- osterreicli). Nicht minder eifrig wurde die Plastik in Stein betrieben; Adam Krafft ist der beriihmteste Vertreter dieses Ruristzweiges. Der groBte ErzgieBer Deutschlands ist Peter Vischer, der die Statuen der Konige Arthur und Theodorich am Denkmale Maximilians I. in Innsbruck schuf. Alle drei Meister waren in Niirnberg thatig. 3. Die Malerei. Der Realismus in der nordischen Malerei beginnt in Flandern, wo am Anfange des 15. Jahrhunderts Hubert und Jan van Eyck einen grofiartigen Aufschwung der Malerei herbeifiihrten. Ihr Ein- fluss rief auch in Deutschland die realistische Formengebung wach. Da aber den deutschen Kiinstlern infolge der groben Fenster der gothisclien Kirchen der Raum fiir die Fresken fehlte, so waren sie auf die Herstellung von Miniaturen (S. 54) und Tafelgemalden be- schrankt. Am wichtigsten wurden die schwabische Schule in Augsburg und die frankische in Niirnberg. Der groBte Meister der ersteren ist Hans Holbein der Jiingere (f 1543). Besonders volksthiimlich wurde sein Holzschnittwerk «Der Todtentanz«, in dem er mit Humor und Ironie darstellt, wie der Tod auch die Reichsten und Machtigsten nicht verschont. AuBerdem ist er der hervorragendste deutsche Portrait- maler. Das Haupt der frankischen Schule ist der groBte deutsche Maler, der Niirnberger Albrecht Diirer (f 1528). Er hat eine groBe Menge von Holzschnitten und Kupferstichen, die besonders die Passion und das Leben der h. Maria darstellen, geschaffen; zwei seiner beruhmtesten Gemalde: die Marter der Zelmtausend und Die Reformation in Deutschland. 171 das Allerheiligenhild, bewahrt die kaiserliche Kunstsammlung in Wien. Diirer war auch ein sehr bedeutender Portraitmaler. Der frankischen Scliule gehort auch Lukas Cranach an, der Maler der Reformatoren. Infolge derWirren der Reformation verfiel die Kunst in Deutsch- land rasch, die Greuel des 30jahrigen Krieges machten ihr voll- standig ein Ende. Alle diese Erfindungen, Entdeckungen, wissenschaftlichen und ktostlerischen Bestrebungen hatten eine gewaltige Gahrung der Geister und eine Erstarkung der Cbaraktere zur Folge, ohne die der Eintritt der Kirchenspaltung undenkbar ware. Erster Zeitra/u.m. Das Zeitalter der Reformation nnd Gegenreformation ( 1492 — 1648 ). Erstes Capitel. Die Reformation. I. Die Reformation in Deutschland. A. Maximilian I. und die allgemeinen Zustande in Deutschland beim Beginne der Reformation. 1. M ax i m i 1 i an I. (1493 — 1519). 1493-1519. Maximilian war ein tapferer Ritter und kiihner Jager, der grofite Kenner des mittelalterlichen Turnierwesens. Ein Freund der alten Heldenpoesie, liefi er das «AmbraSer Heldenbuch* anlegen und be- tlieiligte sich an der Abfassung des metrischen Romans «Teuerdank», der seine Thaten als Ritter und Jager, und des prosaischen «Weifi- kunig», der seine Erziehung und seine kriegerischen Unternehmungen darstellt. Daneben begunstigte er den Humanismus, dem er an der Wiener Universitat eine Heimstatte bereitete, und suchte Diirer, Viscber und Krafft in ibren Werkstatten auf; niemand bat damals die deutsche Kunst so selir gefordert wie er. Sein lebbafter Geist verfolgte niclit 172 Erster Zeitraum. selten mehrere Plane auf einmal; daran sowie an seiner Geldnoth und dem Widerstreben der deutschen Fiirsten scheiterten nicht selten seine Absichten. Sein Vater hinterliefi ihm zwei ungeloste Fragen, namlich die Reform des Reiches und die der Kirche; die erster e ist unter seiner Mitwirkung theilweise zustande gekommen, fur die Durchfiihrung der letzteren reichten seine Krafte nicbt mehr aus. 1. Die Reichsreform. Sie betraf die Verwaltung und Rechts- pflege einer- und das Heerwesen anderseits. a) Reformen in der Verwaliung und Rechtspffege. Auf dem 1495 . Reichstage zu Worms (1495) beschlossen die Stande unter Zu- stimmung Maximilians: 1.) die Feststellung eines ewigen Land- friedens, der das Fehdewesen bei Strafe der Acbt verbot; 2.) zur Scblichtung der Streitigkeiten der Reichsstande die Errichtung eines Reichskammergerichies, das anstelle des verfallenen Hofgerichtes trat (S. 119), und dessen 17 Mitglieder, tlieils Juristen, theils adelige Nichtjuristen, vom Konige mit Zustimmung des Reichstages ernannt werden sollten. Zur Besoldung der Rathe des Kammergerichtes und zur Bezahlung der Soldner wurde 3.) die Einflihrung des gemeinen Pfennigs, d. h. einer allgemeinen Reichssteuer beschlossen (S. 118). Doch blieb es bei den Beschlussen. Das ganze 16. Jahrhundert ist noch von Fehden der Ritter erfullt, aucli die Reichssteuer kam nicht zustande. Ja, die «Eidgenossen» erkannten nicht einmal die Zu- standigkeit des Kammergerichtes an und begannen offenen Krieg mit 1499 . Maximilian, der sie im Frieden von Basel (1499) von der Verbind- lichkeit der Wormser Beschliisse befreien musste; seitdem gehorten die Schweizer als «Reichsverwandte» nur mehr dem Namen nach zu Deutschland. Eine Fortsetzung fand die Reichsreform auf dem Reichs- 1512 . tage zu Koln (1512); daselbst wurde behufs leichterer Handliabung des Landfriedens und des Aufgebotes in Kriegszeiten das Reich in zehn Kreise eingetheilt. b) Retormen im Heerwesen. Um die Zuchtlosigkeit, durcli welche sich die Soldnerbanden jener Zeit furchtbar machten, von seineu Truppen fernzuhalten, schuf er die Einrichtung der Lands- kneclite, einer Soldtruppe, die aus den eigenen Landeskiudern ge- bildet war. Mit Speeren, Schwertern und «Feuerrohren» bewaffnet, hielten sie im Gegensatze zu den anderen entarteten Soldnern auf militarische Ehre. Die Reformation in Deutscliland. 173 2. Theilnahme Maximilians an den Kriegen in Italien. Italien war damals in politischer Beziehung vollstandig zerriittet (S. 147). Die vier groBeren Staaten, namlich Venedig, Mailand, der Kirchenstaat und Neapel, iiberwachten sich gegenseitig mit grofier Eifersucht. Diese Zustande reizten das Ausland zur Einmischung. Karl VIII. von Frankreich erhob als Erbe des Hauses Anjou (S. 151) Ansjn-uche auf Neapel, vvahrend sein Nachfolger Lud\vig XII., in weiblicher Linie mit den Visconti verwandt, die Erwerbung Mailands ins Auge fasste. An den daraus entstandenen Kampfen betbeiligten sich Maximilian als Oberhaupt des deutschen Reiches, dessen An- seheu in Italien freilich liingst dahin war (S. 130), und Ferdinand der Katholische, der (zu Sicilien) gleichfalls Neapel gewinnen vvollte. In diesen Kampfen um das Ubergewicht in Italien (1495—1515) 1495 - 1515 . wechselte die Stellung der einzelnen Maclite vielfach; Biindnisse wurden geschlossen und gebroclien, ganz nach dem augenblicklicheu Vortheile. Als im Laufe dieser Yerwickelungen Maximilian einen Romerzug zum Empfange der Kaiserkrone unternehmen wollte, ver- weigerten ihm die Venetianer den Durchzug durch ihr Gebiet, weshalb er den Titel «erwahlter romischer Kaiser* annahm (1508); seitdem 1508. nannten sich alle folgenden deutschen Konige «Kaiser*, der einzige Karl V. wurde noch vom Papste, und zwar in Bologna, gekront. Das endliche Ergebnis dieser Kriege war: Maximilian erhielt von Venedig einige Gebiete in Siidtirol, Mailand fiel nach dem Siege, den Ludwigs XII. Nachfolger Franz I. bei Marignano erfocht (1515), Frankreich zu, 1515 . Neapel kam in den Besitz Spaniens, das Ferdinand kurz vorher um Hochnavarra (siidl. v. d. Pyrenaen) erweitert liatte, und der Kirchen¬ staat erlangte einige Erwerbungen in der Romagna auf KostenVenedigs. 3. Gebietserwerbungen Maximilians. Infolge alter Erbver- triige erhielt Maximilian beim Aussterben der Gorzer Grafen die Grafschaft Gorz und Gradišča (1500) und durch seine Parteinahme 1500 . in einem Erbfolgestreite zwischen den beiden Wittelsbach’sclien Linien von Bayern-Miinclien und der Pfalz (S. 116) auch Kufstein und andere Stadte in Nordtirol, vvahrend ihm die Kampfe mit Venedig Rovereto, Riva u. s. w. in Siidtirol eintrugen. Besonders grofie Ge¬ biete aber fielen den Habsburgern infolge von zwei Heiraten zu. Maximilian vermahlte namlich seinen Sohn Philipp den Schonen mit Johanna, der Tochter Ferdinands von Aragonien und Isabellens von ' Castilien, vvelche die spanische Monarchie erbte. Sodann bereitete er durch die Doppelheirat seiner Enkelkinder Ferdinand und Maria 174 Erster Zeitraum. mit Anna und Ludivig, den Kindern des Konigs Wladislaw, die Erwerbung Bohmens und Ungarns vor. So wurden dank der klugen Politik Maximilians die Habsburger am Beginne der Neuzeit das machtigste Herrscherhaus Europas, nachdem bereits sein Vater Friedrich III. den Grund dazu gelegt hatte (S. 146). 4. Begriindung des modernen Staates in Osterreich. Unter dem Einflusse des Humanismus siegte die Ansicht, dass der Landes- lierr nicbt nur fiir den Frieden und das Recht, sonderu auch fiir das materielle und geistige Wohl seiner Unterthanen zu sorgen habe (Gegensatz S. 32). Die Vermehrung der Geschafte veranlasste Maximilian zu Reformen auf dem Gebiete der Verwaltung, deren Grundgedanke die Ersetzung des feudalen durch den Beamtenstaat (S. 103) und die Starkung der Staatsgewalt war. So kam es zur Errichtung ron zwei Regimenten und zwei Rait- oder Rechnungs- kammern; die ersteren waren die politischen und die Justiz- (S. 30), die letzteren die finanziellen Behorden. Die Beamteri wurden nicht mehr auf die Ertragnisse ihrer Lehen angewiesen, sondern mit einem bestimmten Gehalt angestellt (I. 183 und S. 103). So steht Maximilian in jeder Beziehung an der Wende zweier Zeitraume, und mit Recht heifit er daher der letzte RitterA 2. Die allgemeinen Zustande in Deutschland beim Beginne der Reformation. AuBer den im Abschnitte «Der ‘Ubergang vom Mittelalter zur Neuzeit-* angefiihrten allgemeinen europaischen Verhaltnissen kommen fiir Deutschland insbesondere noch in Betracht: a) Die Einfiihrung des romischen Rechtes. Die mit der Er¬ richtung des Reichskammergerichtes verbundene Einfiihrung des romischen Rechtes wurde durch den Zustand des einheimischen bedingt, welches unzureichend, bei den verschiedenen Stiimmen, ja von Stadt zu Stadt verschieden und zu einer einheitlichen Fort- bildung ungeeignet war. Den grohten Gewinn zog aus der Einfiihrung des neuen Rechtes die landesherrliche Macht, da dienstfertige Ju- risten den Absolutismus, den jenes den romischen Kaisern zuerkannte, auch auf die Stellung der deutschen Fiir sten anwandten. Mit der Einfiihrung des romischen Rechtes anderte sich auch das Rechts- verfaliren; anstelle der Geschwornen traten namlich jetzt Juristen als Urtheilsfinder, und der Gerichtsgang wurde schriftlich, geheim A. Griin, «Der letzte Ritter*. Die Reformation in Deutschland. 175 und kostspielig. Weil iiberdies die Juristen ohne Riicksichtnakme auf das bisherige Recht bei der Einfiihrung des romischen mit groBer Harte vorgiengen, wurden sie bald sehr verbasst. b) Sieg der Geldwirtschaft. Im 13. Jahrkunderte wurde der Gebrauck des Geldes in den Stadten (S. 119), seit dem Beginne der Neuzeit aucb auf dem Lande herrschend; der ZinsfuB sank immer tiefer herab, 1 je mehr Edelmetall in Umlauf kam, und die kirchliche Lekre, dass den Cbristen das Zinsnehmen verboten sei, vrurde nickt mehr beacktet. Noch bildeten die Bauern den groBten Tkeil der Bevolkerung; sie empfanden die geminderte Kaufkraft des Geldes umsomekr (S. 162), als sie jetzt manche Gegenstande, die sie nickt mekr selbst erzeugten, kaufen mussten (Gegensatz kiezu S. 32) und nun der Betrieb von Geiverbe, Bergbau und Handel den meisten Gewinn abwarf. Hiezu kam noch ein anderer Umstand. Die Bauern waren in ganz Deutsckland, mit Ausnakme des nordwestlicken Tkeiles, der Schweizer Urcantone und Tirols, mekr oder weniger ikren Guts- lierren unterthanig und an die Scholle gebunden; da nun diese von den Fursten zur Bestreitung der erkokten Staatsausgaben be- steuert wurden, so belasteten sie wieder die Bauern mit koheren Abgaben und Diensten. Der Bauer war daker damals als «der arme Mann* allgemein missacktet (S. 143). Der wirtscliaftlick schwackere Tkeil der Bevolkerung litt ferner unter der wuckerischen Ausbeutung seitens reicher Capitalisten, wie der Fugger und Welser in Augs¬ burg, die formlicke « Ringe* zwecks Erhokung der Preise, z. B. der Metalle, der Gewiirze, des Leders u. s. w., bildeten. Es bestand daker damals in Deutsckland, namentlick unter den Adeligen, den Bauern und Handwerkern, eine heftige Erbitterung gegen die gr o Ben Ca¬ pitalisten. c) Unziufriedenheit mit den kirchlichen Zustanden. Seit dem Konstanzer Concil war es in der Kirche nicht besser geworden. Etwa ein Drittel des Bodens gekorte der Kircke, und die geistlichen Fursten bezogen sekr grobe Einkiinfte aus dem Zeknten, den frommen Stiftungen und den Ablassgeldern, wahrend sie von den stadtiscken Abgaben frei waren. Die vveltliclien Fursten waren besonders dariiber unwillig, dass die Papste sekr viel Geld (ungefahr 300.000 fl. jakrlick) 1 Yom 12. bis zum 14. Jahrkunderte galten in ganz West- und Mitteleuropa 2O°/ 0 als erlaubt. In Zeiten groBer Geldknappheit war es noch arger; so wurde den Juden in Osterreich 1244 gestattet, 174°/ 0 zu nehmen. Der englische Staat zahlt jetzt nur 2-5%. 176 Erster Zeitraum. 1483-1546. 1507. 1517. 1517. aus Deutschland bezogen (S. 136), das ihnen so wenigstens zum Theile entgieng. Audi jetzt noch widmeten die Papste nicht alle ibre Krafte der Reform der Kirche. Dagegen gaben manche, wie der uu- wiirdige Alexander VI. (j 1503) durcb ibre personliche Lebensfiihrung, Begiinstigung der Verwandten (Nepotismus), Verschwendung u. dgl. offentliclies Argernis. d) Die literarischen Zustande. Gleidi den Humanisten riditete auch die volksthumliche Literatur heftige Angriffe gegen die Geist- lichen: so die am Ende des 15. Jahrhunderts erscbieuene nieder- deutsche Bearbeituog des Reineke Vos, das «NarrenschifE> von S. Brandt und die «Narrenbeschworung» von dem Franciscaner Th. Murner. Auch bei Hans Sachs fehlt es nicht an satirischen Bemerkungen tiber den Clerus. So herrschte damals in ganz Deutschland eine tiefgehende Gahrung, die alle Schichten der Bevolkerung ergriffen hatte; das war der Boden, in dem die Saat Luthers gedeihen konnte. B. Martin Luther und das Princip der Reformation. 1. Dr. Martin Luther (1483—1546). Luther wurde zu Eisleben geboren. In Mansfeld verbrachte er seine Jugend, von seinem Vater, einem Bauer und Bergmanu, fromm, aber streng, ja hart erzogen. Er besuchte die Lateinschulen in Magdeburg und Eisenacli und be- zog hierauf die Universitat in Erfurt, um die Bechte zu studieren. Doch trat er spater gegen den Willen seines Vaters in den strengeri Orden der Augustiner-Eremiten in Erfurt. Im Jahre 1507 wurde er zum Priester geweiht und schon im folgenden Jahre wegen seiner Gelehrsamkeit an die Universitat Wittenberg berufen, wo er Philo- sophie und Theologie lehrte. Zugleich wirkte er an der Schlosskirche zu Allerheiligenstift als Prediger. Im Jahre 1517 hatte Papst Leo X. einen Ablass ausgeschrieben, dessen Ertragnis dem Ausbaue der Peterskirche gewidmet war. Entgegen der kirchlichen Lehre herrschte damals vielfach die Meinung, dass der Kauf eines Ablasszettels zur Vergebung der Siinden geniige. Als nun der Dominicaner Johann Tetzel in der Nahe von Wittenberg den Ablass verkiindete, glaubte Luther gegen die miss- brauchliche Auffassung der Lehre vom Ablass einschreiten zu sollen und schlug deshalb am 31. October 1517 seine 95 Lehrsatze (Thesen) an der Schlosskirche an, iudem er sich gleichzeitig nach damaliger Sitte erbot, sie gegen Andersdenkende zu vertheidigen. Die Reformation in Deutschland. 177 Dies geschah in mehreren Disputationen'; den vom Papste gefor- derten Widerruf aber leistete er nicht. Im Verlaufe der Disputation, welche er in Leipzig mit Dr. Eck, Professor der Theologie in Ingol- stadt, abhielt (1519), gab er auch seinem Zweifel an der Unfehl- 1519. barkeii der Kirche und der Concile Ausdruck. Damit hatte er den Boden der Kirche verlassen. Dr. Eck ervvirkte nun vom Papste eine Bulle, welclie Luther mit dem Banne bedrohte, wenn er nicht binnen 60 Tagen widerriefe. Durch die Zustimmung, die Luther von vielen Seiten, namentlich seitens der Humanisten fand, ermuthigt, wagte er es, die Bannbulle unter grofier Theilnahme der Professoren und Studenten zu verbrennen (1520). Nunmehr wurde der Bann iiber 1520. ihn wirklich ausgesprochen. 2. Das Princip der Reformation. Der Angelpunkt der Re¬ formation ist die Lehre von der Rechtfertigung. Nach Luthers An- schauung ist sie ausschliefllich das Werk der glaubigen Hingabe des Menschen an Gott und des gottlichen Erbarmens; er vertvarf dalier die Verdienstlichkeit der guten Werke (Fasten, Wallfahrten, Heiligenverehrung u. s. w.). Rasch bildete er seine Lehre weiter aus, und so entstanden folgende Hauptunterschiede zwischen den Katho- liken und Protestanten: a) Hinsichtlich des Glaubens: Nach Luther ist die einzige Glaubenscpielle die heilige Schrift; nur die Taufe und das Abendmahl, letzteres unter beiden Gestalten, werden als Sacra- mente beibehalten. h) Hinsichtlich des Gotiesdienstes: An die Stelle der lateinisclien Messe trat ein deutscher Gottesdienst mit Gebet, Gesang und Predigt. c) Hinsichtlich der Kirchenverfassnng: Die Lehre vom Primate des Papstes und der apostolischen Nachfolge der Bischofe wurde verworfen, die Geistlichen (Pastoren) erhielten ihre Anstellung theils vom Staate, theils von der Gemeinde. Von der grobten Wichtigkeit war es fiir die Entwickelung der durch Luther entfachten kirchlichen Bewegung, wie sich das neue Reichsoberhaupt dazu stellte. C. Karl V. (1519-1556) und Luther; das Wormser Edict. 1519-1556. 1. Karls Regierungsantritt in Spanien und seine Wahl zum deutschen Kaiser. Karl, als spanischer Konig der erste seines Namens, war im Jalire 1500 in Geni geboren und wurde in den Niederlanden erzogen. Nach dem Tode seiner Grofimutter Isabella (1504) und seines Vaters Philipp des Schonen (1506) iibernahm, da seine Mutter Johanna ob des frtilien Todes Philipps in Wahnsinn 12 Zeehe-Rebhann, Gesch. f. d. ob. Gl. d. Realschulen, II. 178 Erster Zeitraum. 1521 . verfiel, sein miitterlicher Grofivater Ferdinand der Katholische die vormundschaftliche Regierung iiber ihn in Castilien und behielt sie bis zu seinem Tode (1516). Nach dem Tode Maximilians I. bewarben sicli um die deutsche Krone sein Enkel Karl, nunmehr Konig von Spanien, und der fran- zosische Konig Franz I. Karl gelangte erst ans Ziel, nachdem ibm die Fugger zur Bestechung der Kurfiirsten liber eine halbe Million Gulden zur Verfiigung gestellt hatten. Auch musste Karl eine so- genannte Wahlcapitulation unterschreiben, in der er sich unter anderem verpflichtete, ohne Genelimigung der Kurfiirsten keinen Krieg zu erklaren. 1 2. Reichstag zu Worms (1521). Karl berief bald nacb seiner Kronung einen Reichstag nach Worms, auf dem aucli die kirch- licbe Frage ausgetragen werden solite. Luther erschien daselbst unter Zusicherung freien Geleites. Er wurde aufgefordert, seine Lebre zu widerrufen, doch erklarte er, dies nur dann thun zu konnen, wenn er aus der h. Schrift widerlegt wtirde. Infolgedessen wurde nach seiner Abreise das sogenannte Wormser Edict verkiindet, welches iiber Luther die Reichsacht verhangte und die Verbreitung seiner Lehre untersagte. Auf der Riickreise lieB ihn sein Landesherr, der Kurfiirst Friedrich der Weise von Sachsen, zum Scheine uber- fallen und auf die Wartburg bringen, wo er sich besonders mit der Ubersetzung der Bibel beschaftigte, die infolge ihrer allgemeinen Verbreitung die Einheit der neuhoclideutschen Schriftsprache sicherte. D. Hemmnisse der Reformation. Den meisten Eintrag that der Reformation der Widerstand des Kaisers, der freilich infolge der territorialen Zersplitterung des Reiches sein en Willen nicht durchsetzen konnte. Wahrend die Kirchen- fiirsten mit wenigen Ausnahmen treu zur alten Kirche hielten, wen- deten sich die meisten i veltlichen Herren und Reichssiande der neuen Lehre zu; von den grofieren Laienfiirsten blieben auf die Dauer fast nur die Habsburger und Wittelsbacher feste Stiitzen des Katholicismus. Diesem kam auch der Ausbruch der Revolution in Deutschland zugute, die der conservativ gesinnte Luther entschieden bekampfte. 1 Alle folgenden Kaiser mussten eine derartige, nach der Eintheilung in Capitel benannte Urkunde unterschreiben. Die Reformation in Deutschland. 179 1. Revolution im Burgerstande (1522). Damals brach in 1522. Zwickau, namentlich unter den schwer gedriickten Webern, eine Bewegung aus, an deren Spitze der «Prophet» Thomas Miinzer stanci. Die Anhanger dieser Bewegung, welche die Taufe nur an Erwachsenen vorgenommen wissen wollten und daber die Kinder- taufe verwarfen (« Wie d er ta ufer ><) und die Bilder in den Kirchen vernichteten, fanden auch in Wittenberg Anliang. Da verliefi Luther die Wartburg und stellte durch die Macht seines Wortes die Ordnung wieder her. Bald schritt er, von dem Humanisten Ph. Melanchthon unterstiitzt, an die Organisation der neuen Kirche in Sachsen, wobei er yon der Selbstandigkeit der einzelnen kirchlichen Gemeinden und dem Oberaufsichtsrechte des Staates iiber sie ausgieng. 2. Erhebung des Ritterstandes (1522—1523). Gleich nach 1522-1523. dem Wormser Reichstage trat der gelehrte Ritter Hutten ent- schieden auf die Seite Luthers; auch vrollte er den schwer be- drangten Riiterstand (S. 157) heben und verband sich deshalb mit seinem Freunde Franz von Sickingen, einem hervorragenden Soldner- fuhrer und erbitterten Feinde der Fiirsten und Stadte, deren Be- deutung zu Gunsten des Ritterstandes herabgedrlickt werden solite. Als aber der letztere den Kurfiirsten von Trier ilberfiel, um ihn seines Landes zu berauben, erhielt dieser von anderen Reichsfiirsten Unterstiitzung, und Sickingen fand bei der Belagerung seiner Burg Landstuhl den Tod. Noch in demselben Jahre (1523) starb auch 1523. Hutten als unsteter Fliichtling. Im Kampfe mit dem Fiirstenthume war die Ritterschaft endgiltig unterlegen. 3. Der groCe Bauernkrieg (1524—1525). Schon wiederholt 1524-1525. waren seit dem Ausgange des 15. Jahrhunderts in Stiddeutschland vereinzelte Bauernaufstande ausgebrochen; jetzt erfolgte die erste allgemeine Bauernerhebung in Siid- und Mitteldeutschland (ein- schliefilich der osterreichischen Alpenlander), die urspriinglich einen wirtscliaftlichen Charakter hatte (S. 175), durch den Einfluss Luthers (dessen Flugschrift: «Von der Freiheit des Christenmenschen^) und die Aulreizung Miinzers aber auch eine religidse Seite gewann. Die Bewegung brach im siidwestlichen Deutschland aus und verbreitete sich rascli bis nach Thiiringen hinein. Anfangs verlangten die Bauern in den zwolf Ariikeln nur freie Wahl der Prediger, freie Ilolzung, freien Fischfang, Milderung der Abgaben an den Gutsherrn u. s. w. Aber bald forderten sie die Abschaffung des Furstenstandes und ver- iibten die grofiten Grausamkeiten gegen ihre Herren, so dass Luther 12 * 180 Erster Zeitraum. 1535. in Erbitterung liber die falscbe Auslegung, welche seine Lehre fand, die Fiirsten zu riicksichtslosem Kampfe gegen die Aufriihrer aufforderte. Die gefahrlichste Ausartung zeigte die Bewegung in Thiiringen, wo Thomas Miinzer eine auf allgemeiner Freiheit und Gleichheit be- ruhende Ordnung einfiihren volite. Anfangs hatten die Bauern, die theilweise auch Ritter, z. B. Gotz von Berlichingen 1 , zu Ftihrern hatten, Erfolge, bald aber wurde die Bevegung iiberall nieder- geworfen. Das Los der Bauern wurde im allgemeinen noch veit schlimmer, als es bisher gewesen war. 2 Miinzer wurde bei Franken- hausen besiegt, gefangen und enthauptet. 4. Die Wiedertaufer in Miinster (1535). Trotz der Verfolgung, welche die Wiedertaufer nach der Beendigung des Bauernkrieges traf, verbreiteten sie sich doch besonders nach Mahren, in die Nieder- lande und nach Miinster. In dieser Stadt vertrieben sie den Bischof und bemachtigten sich unter der Fiihrung des fanatischen Schneiders Jan Bockelson aus Leyden der ganzen Stadtverwaltung. Bockelson fiihrte Guter- und Weibergemeinscliaft ein und begann als *Konig des neuen Sion* 5 ein wahres Schreckensregiment gegen alle ge- mafiigteren Einwohuer. Nach langerer Belagerung fiel aber die Stadt in die Hande fles vertriebenen Bischofs; Bockelson wurde unter entsetzlichen Martern hingerichtet und der Kathoiicismus in der Stadt wieder hergestellt. Darnit war die Bewegung des Wiedertaufer- thums in Deutschland fur immer zu Ende. E. Forderungen der Reformation. Die grofite Forderung erfuhr die Reformation durch die a 11- gemeine Gahrung iiberhaupt und die papstfeindliche Gesinnung der Bevolkerung insbesondere. Dazu kam, dass die Reichsstande beim Ubertritte zum Lutherthume das Kirchenvermogen und die frommen Stiftungen in ihrem Gebiet einziehen und dadurch ihre Macht erhohen konnten. Auch kamen der Reformation die Kriege zustatten, die Karl V. besonders mit Franz I. zu fiihren hatte, und die es ihm unmoglich machten, der neuen Lehre mit allen ’ Gotz liatte im bayrischen Erbfolgestreite die redite Hand verloren und sidi dieselbe durch eine eiserne ersetzen lassen. 2 tlber den Ausgang des Krieges schreibt ein Chronist: «Ein harter Austrag, dass die, welche sich des Karren gewidert hatten, in Wagen sind eingespannt worden.» 3 Hamerlings «Konig von Sion». Die Reformation in Deutschland. 181 Kraften entgegenzutreten. Die Ursache dieser Kriege war die Eifer- sucht z\vischen den beiden Herrschern; auBerdem machte Karl Anspriiche auiMailand (S. 173) und Burgund (S. 146), wahrendFranz Neapel (S. 173) zu gewinnen suchte. 1. Erster Krieg zwischen Karl und Franz (1521 1526). 1521 - 1526 . Karl gewann in diesom Kriege den Papst, England und Venedig zu Bundesgenossen, ferner trat der franzosische Marscliall (Connetable) Karl von Bourbon auf seine Seite, weil ihn die Konigin-Mutter belei- digt hatte. Die entscheidende Scblacht in diesem Kriege, der haupt- sachlich in Oberitalien gefiihrt wurde, fand bei Pavia statt (1525); 1525 . hier erfochten die spanischen Truppen unter Pescara und Karl von Bourbon in Verbindung mit den deutschen Landsknechten unter der Fiihrung des beriihmten Obersten Georg von Frundsberg einen voll- standigen Sieg liber Franz,, der in der Schlacht gefangen genommen wurde. Um seine Freiheit zu erlangen, musste er im Frieden von Madrid auf Burgund und Mailand verzicliten; das letztere Iibergab Karl an Franz Sforza (S. 147). 2. Zweiter Krieg zwischen Karl und Franz (1527 — 1529). 1527 - 1529 . Die harten Friedensbedingungen reizten Franz umsomehr zur Er- neuerung des Krieges, als alle friiheren Bundesgenossen Karls auf seine Seite traten und er auch Genua, dessen Kriegsflotte damals Andreas Doria, der grofite Seeheld jener Zeit, befehligte, fiir sieh gewann. Das wicbtigste Ereignis des Krieges war die Eroberung und grauenhafte Pliinderung Roms im Jahre 1527 durch deutsche, 1527 . meist lutherische Soldner, die schon seit langerer Zeit unbezahlt waren und sioh nun ohne Zucht durcli die Strafien der ewigen Stadt ergossen, da Frundsberg wegen scliwerer Erkrankung in Bo¬ logna zuriickgeblieben und Karl von Bourbon beim Sturme auf Rom gefallen' war. Nun versohnte sicli der Papst mit Karl. Als auch Doria, von Franz beleidigt, zum Kaiser iibergieng und die Franzosen infolgedesseti Unteritaljen, das sie besetzt hatten, raumen mussten, vermittelten die Mutter des Konigs und die Tante des Kaisers den Frieden von Cambrai (Damenfrieden, 1529), in vvelchem 1529 . Franz auf Mailand und Neapel verzichtete, jedoch Burgund zuriick erhielt. Im folgenden Jahre wurde Karl vom Papste zum Kaiser gekront (S. 173). 3. Dritter Krieg zwischen Karl und Franz (1536—1538). 1536 - 1538 . Nachdem Karl im Jahre 1535 einen siegreichen Feldzug gegen die mohammedanischen Seerauber von Tunis, velche seit Jahren die 182 Erster Zeitraum. Kiisten Italiens und Spaniens pliinderten, unternommen und hiebei 20.000 Christensclaven befreit batte, bracb abermals der Krieg mit Franz aus, da dieser nacb dem Tode des Franz Sforza seine An- spruche auf Mailand erneuerte. Wahrend die franzosischen Truppen in Italien einfielen und dessen Kiisten im Einvernehmen mit Franz durch eine tiirkische Flotte gepliindert wurden, drang Karl in Siid- frankreicb ein. Da vermittelte der Papst einen zehnjahrigen Waffen- stillstand zu Nizza, dem zufolge der friihere Zustand hergestellt wurde. 1542 - 1544 . 4. Vierter Krieg zwischen Karl und Franz (1542—1544). Da die Seerauber von Algier aus ibre Pliinderungen fortsetzten, unternabm Karl im Jahre 1541 einen Zug gegen sie, erlitt aber infolge von Sturmen scbwere Verluste. Dies ermuthigte Franz zu einem neuen Kriege mit dem Kaiser. Aber Karl drang im Bunde mit England bis gegen Pariš vor (S. 68) und nothigte Franz zum Frieden von Cr6py. In diesem verzichtete Karl auf Burgund und Franz auf Neapel. F. Ausbreitung der Reformation in Deutsehland bis zum 1521 - 1532 . Niirnberger Religionsfrieden (1521—1532). In den nachsten Jabrzebnten nacb dem Erscbeinen des Wormser Edictes wandten sich die hervorragendsten Furstengeschlecbter der Reformation zu, und Albrecht von Brandenburg, der Hochmeister des Deutscben Ordens, trat, gleicbfalls fur die Lebre Lutbers ge- wonnen, aus dem Orden aus und macbte PreuBen unter Bei- bebaltung der polniscben Lehenshoheit (S. 142) zu einem \veltlichen Herzogthume (erste Sacularisation in Deutsehland, 1525). 1 Als Franz I. den zweiten Krieg mit Karl begann, beschloss 1526 . der Reichstag zu Speyer (1526) unter Zustimmung Ferdinands, des Statthalters Karls in Deutsehland, dass jedem Reichsstande die selbstandige Entscheidung der kirchlichen Frage iiberlassen bleiben solle. Als aber der Krieg fur den Kaiser glucklicb verlief, wurde auf 1529 . einem neuerdings nacb Speyer berufenen Reicbstage (1529) der Bescbluss des vorigen zuruckgenommen. Dagegen legten einige Reichsstande (7 Fursten und 13 Reichsstadte) einen Protest ein, weshalb die Lutberaner spater als Protestanten bezeichnet vvurden. 1530 . Als im Jabre 1530 der Kaiser von allen kriegerischen Verwickelungen 1 Die Reste des Ordens wahlten einen nenen Hochmeister, der seinen Sitz in Mergentheim nahm. Die Reformation in Deutschland. 183 frei war, berief er einen Reichstag nach Augsburg, den er selbst eroffnete. Hier tiberreichten ihm die Lutheraner ihr Glaubens- bekenntnis («die Augsburger Confession*). Doch Karl lelmte die Zu- lassigkeit desselben ab und forderte, dass die Protestanten bis zur endgiltigen Entscheidung durch ein Concil zur katholischen Lehre zuriickkehren sollten. Da schlossen die protestantischen Stande gegen den Kaiser den bewaffneten Bund zu Schmalkalden und traten zugleich mit Johann Zapolja, dem Gegenkonige Ferdinands in Ungarn, in Verhandlungen. Dies veranlasste den Kaiser, im Niirn- berger Religionsfrieden (1532) den Protestanten die Ausiibung ihrer Religion bis zur Entscheidung durch ein allgemeines Concil zu gestatten. G. Bekampfung des Protestantismus durch Karl V. (der schmalkaldisehe Krieg), das Interim und der Augsburger Religionsfriede (1546—1555). 1. Der schmalkaldisehe Krieg (1546 —1547). Da Karl im Jahre 1545 keinen aufieren Feind zu bekampfen hatte, hoffte er, die kirchliche Frage in Deutschland endgiltig losen zu konnen. Er bewog Paul III., das Concil zu Trient zu eroffnen; die Protestanten lehnten jedoch die Beschickung auf Anrathen Luthers ab, weil das Concil infolge seiner Berulung durch den Papst nicht frei sei. Da beschloss Karl, mit Waffengewalt einzuschreiten. Er gewann den protestanti¬ schen Herzog Moriz von Sachsen dadurch fiir sich, dass er ihm die Aussicht auf die sachsische Kurwiirde eroffnete, und achtete die Haupter des schmalkaldischen Bundes, den Kurfiirsten Johann Friedrich von Sachsen, den zweiten Nachfolger Friedrichs des Weisen, und den Landgrafen Philipp von Hessen. Der Krieg begann in Siiddeutschland, wo die Stadte fiir die Verbiindeten ein groheres Heer unter dem augsburgischen Stadthauptmann Schartlin von Burtenbach aufgeboten hatten. Wochenlang waren die Schmalkaldner, die sich aucli mit den Uiraquisten in Bohmen verbanden, dem Kaiser uberlegen, da dessen Truppen nur langsam aus Italien und den Niederlanden heranzogen; aber die Eifersuclit zwischen den beiden Bundeshauptern und die Schwerfalligkeit des Bundes-Kriegsrathes hinderte jeden Erfolg. Da traf die Nachricht ein, dass Moriz in Kursachsen eingefallen sei. Sofort eilte der Kurfiirst nach Norden und vertrieb Moriz aus seinem Lande. Aber der Kaiser war ihm rasch gefolgt, und bei Miihlherg wurde Johann Friedrich vollstandig 1532 . 1546 - 1555 . 1546 - 1547 . 184 Erster Zeitraum. 1547. geschlagen uud gefangen (1547). Moriz erhielt die Iiurwiirde und einen Theil der Besitzungen seines Vetters Johann Friedrich 1 ; Philipp von Hessen, der Schwiegervater des Moriz, bat den Kaiser fufifallig um Gnade und rettete hiedurch zwar sein Land, wurde aber in Gewahrsam behalten; die siiddeutschen Stadte mussten grofie Geld- summen zahlen, und die bohmischen Stande bufiten ihre Theilnahme am Kriege mit Geldstrafen und dem Verluste politischer Rechte. 1548. 2. Das Interim (1548). Karl stand damals auf dem Hohe- punkte seiner Macht, vergebens versuchte er aber, den Papst und das Concil zu Zugestandnissen an die Protestanten zu betvegen. Deshalb erliefi er auf dem Augsburger Reichstage das sogenannte Interim , 2 das den Protestanten bis zur Entscheidung durch ein Concil die Priesterehe, den Laienkelch und den Besitz der eingezo- genen Kirchengiiter zugestand. Die meisten protestantischen Stande nahmen das Interim an; die Stadt Magdeburg aber verwarf es; deshalb wurde sie geaclitet und von Moriz im Auftrage des Kaisers belagert. 1555. 3. Der Augsburger Religionsfriede (1555). Die Machtstellung Karls erlitt bald einen schweren StoB. Der Kaiser machte sich namlich seinen Bruder dadurch abwendig, dass er die Wald seines Sohnes Philipp zu seinem Nackfolger in Deutschland betrieb, obwohl Ferdinand bereits im Jahre 1531 zum romischen Konige 3 gewahlt worden war, und Moriz, der von seinen Glaubensgenossen wegeu seiner Politik schwere Vorwiirfe boren rnusste, verrieth den Kaiser, verband sich mit Heinrich II. von Frankreich, dem Nachfolger Franz’ L, sicherte ihm gegen Zahlung von Ililfsgeldern die Stadte Metz, Toul, Verdun und Cambrai zu und gevvahrte iiberdies Magdeburg einen billigen Frieden. Sodann drang Moriz durch die Ehrenberger Klause in Tirol ein, um den Kaiser, der in Innsbruck gichtkrank darniederlag, gefangen zu nehmen. Nur durch Flucht rettete sich dieser nach Villach. Auf dem Wege dahin gab er Johann Friedrich frei. Unwillig iiber das Scheitern seiner Lebensaufgabe, ermachtigte Karl seinen Bruder zu Unterhandlungen mit den Protestanten, infolge 1 Johann Friedrich stammte aus der ernestinischen, Moriz aus der alberti- cisclien Linie derWettiner; die ersteren residierten in Wittenberg, die letzteren in Leipzig und Dresden. Aus dem der ernestinischen Linie gebliebenen Iteste simi die jetzigen sachsischen Herzogthumer ontstanden. 2 Es war nur eine einstweilige Regelung [interim (lat.) = einstvreilen]. So heifit. der zu Lebzeiten eines Kaisers gewahlte Nachfolger. Die Reformation in Deutschland. 185 deren es zum Passauer Vertrage kam (1552), der ihnen freie Re- ligionsiibnng bis zum nachsten Reichstage zugestand. Pbilipp von Hessen wurde aus der Gefangenschaft entlassen. Deu durch den Passauer Vertrag vorgesehenen Reichstag eroffnete Ferdinand im Jabre 1555 zu Augsburg, wo der Augsburger Religionsfriede zu- stande kam. Dieser bestimmte: 1.) Die Reichsstande katholischer und Augsburger Confession erhalten gleiche Religionsfreibeit und die Landesherren das Recht, ibre Untertbanen zu ihrem eigenen Bekenntnisse zwingen zu diirfen; die Widerstrebenden diirfen ihre Giiter verkaufen und auswandern; 2.) diejenigen Kirchengiiter, welche die Protestanten bis zum Jahre 1552 eingezogen haben, bleiben in ihren Handen; 3.) wenn ein geistlicber Fiirst zum Prote- stantismus iibertritt, muss er auf seine Steli e verzichten (»geistlicber Vorbebalt»). So war die mittelalterlicbe Einheit der Kirche endgiltig be- seitigt und das deutscbe Fiirstenthum neuerdings befestigt. 4. Luthers Charakter, Bedeutung und Tod. Aus seiner bauer- lichen Abstammung erklart sicb seine Derbheit und Geniigsamkeit, sein Aberglaube und sein Starrsinn. Er war ein bedeutender Kanzel- redner, ein genialer Ubersetzer, ein gewaltiger Volksscliriftsteller. GroBes Verstandnis besaB er ftir Musik und Poesie. Durch sein Mahnschreiben «an die Rathsherren aller Stadte deutschen Landes» hat er sich um die Hebung des Unterricbtswesens verdient gemacbt. Kurz vor Ausbruch des schmalkaldischen Krieges starb er in seiner Vaterstadt. 5. Karls V. Charakter, Bedeutung undj Tod. Karl besaB hervorragende militarische und staatsmannische Begabung und trotz seines schwachlichen Korpers eine sel tene Arbeitslust. Ein Freund der Schweigsamkeit, pflegte er alles reiflicb zu uberlegen, an dem gefassten Entschlusse aber unerscbiitterlich festzubalten. Verzweifelnd an seiner Lebensaufgabe, die Einheit der Kirche auf Grund von Reformen zu retten, verlor er die Lust an der Regierung, verzichtete auf die Kaiserkrone zu Gunsten Ferdinands und trat Neapel, Mailand, die Niederlande und Spanien sammt den Colonien an seinen Sohn Philipp ab. Seine letzten Lebensjahre bra.chte er in der Nahe des Klosters S. Yuste in landlicher Abgescbiedenheit zu. Er starb im Jahre 1558. 1552 1555 186 Erster Zeitraum. II. Die Reform ati on in der Schweiz. Ahnlich wie Luther traten Zwingli im deutschen und Calvin im franzosischen Theile der Schweiz als Reformatoren auf. Beider Anhanger werden Reformierte genannt. 1484 - 1531 . 1. Ulrich Zwingli (1484 — 1531). Auch Zvvingli, Pfarrer in Ziirich, wurde durch die Missbrauche des Ablasses zrnu Kampfe gegen die katholische Kirche veranlasst. Von Luther unterscheidet er sicb hauptsachlicb in der Auffassung des Abendmahls, indem er dieses bloC als eine Erinnerung an den Tod des Erlosers erklarte, wahrend Luther hierin im wesentlichen die katholische Lehre bei- behielt. Zwinglis Kirchenreformation stiefi in den Urcantonen, welche der katholischen Kirche treu ergehen waren, auf einen umso hefti- geren Widerstand, als Zwingli auch gegen das Soldnervvesen («Reis- laufen«) eiferte, das eine Haupteinnahmsquelle der armen Urcantone war. Als nun Zvdngli die Urcantone mit Waffengewalt zum Glaubens- 1531 . wechsel zwingen wollte, kam es zum Kampfe hei Kappel (1531), in welchem die Ziiricher geschlagen und Zwingli selbst getodtet wurde. Der hierauf geschlossene Friede gestattete jedem Canton die freie Ausiibung des Glaubens. 1609 - 1564 . 2. Johann Calvin (1509—1564). Calvin stammte aus Frank- reich, studierte Theologie und Jus, musste aber wegen seines Ab- falles von der katholischen Kirche sein Vaterland verlassen und nahm nach langerem Wanderleben seinen Aufenthalt in Genf, dessen Rath sein Glaubensbekenntnis und seine Kirchenordnung annahm. Den Kern seines Glaubensbekenntnisses bildet die Pradestinations- lehre, der zufolge jedem Menschen wegen der Erbsiinde von vorn- herein bestimmt ist, ob er zur Seligkeit oder Verdammnis gelangen werde. An die Spitze des Kirchenwesens stellte er das Presbyterium; dieses hestand aus den vom Rathe gevvahlten Altesten (Presbytern) und den Geistlichen der Stadt und hildete ein Sittengericht, das die Burger in ihrem gesammten Verhalten strengstens beaufsichtigte. Jeder Luxus, jede frohliche Unterhaltung wurde untersagt, ja sogar mit dem Tode bedroht. Gegen Andersglaubige war er hochst un- duldsam; so liefi er u. a. den spanischen Arzt Servet hinrichten, weil dieser das Dogma von der Dreieinigkeit leugnete. Calvins Lehre verbreitete sich besouders nach Frankreich, Eng- land, Schoitland, Ungarn, in die Niederlande und einen Theil Deutschlands (Pfalz und Hessen-Kassel). Ferdinand I. 187 lil. Hohepunkt des deutschen Protestantismus unter Ferdinand I. und Maximilian II.; Begriindung der osterreichisch-ungarischen Monarchie; Kžimpfe mit den Stlinden; Tiirkenkriege. In den nachsten Jahrzehnten nach dem Augsburger Religions- frieden erreichte das Lutherthum seine gr OB te, Verbreitung inDeutsch- land; von den Reichsstadten blieben schlieBlich nur Aachen, Kolu und Augsburg katholiscb, und zahlreiche norddeutscbe Bisthiimer wurden gegen die Bestimmung des kirclilichen Vorbehaltes protestantisch. Da sich die Fursten immer weniger um das Reichsinteresse kiimmerten, so wandten auch die Kaiser das Hauptaugenmerk ihren eigenen Landern zu; hauptsaclilich nahmen dieses das Verhaltnis zu den meist protestantischen Standen und die Tiirkenkriege in Ansprucli. A. Ferdinand I. (1556—1564).' 1556-1564. Da die osterreichischen Alpenlander ein Gesammteigenthum des Hauses Habsburg waren, so hatten Karl und Ferdinand Anspruch darauf. Mit Riicksicht auf die groBe Ausdehnung seiner iibrigen Lander verzichtete aber Karl auf den Mitbesitz der osterreichischen Lan der, in denen dalier Ferdinand alleiniger Herrscher wurde (1522). Seitdem war das Haus Habsburg in die altere spanische 1522. und die jiingere deutsche Linie getheilt. 1. Begriindung der osterr. - ungar. Monarchie (1526). In 1526. Ungarn und Bolimen war nach dem Tode seines Vaters Wladislaw Ludwig II., der Schwager Ferdinands, Konig geworden. Gerade da- mals regierte der bertilimteste aller tiirkischen Sultane, Suleiman II. der Praclitige, der die Tiirken auf den Hohepunkt ilirer Macht erhob. Nacli der Eroberung von Rhodus (S. 86) und Belgrad (S. 144) fiel er mit einem gewaltigen Heere in Ungarn ein, das von Parteien zerriittet und dalier keines ernstdren Widerstandes fiihig war. Gleichvvolil zog Ludwig dem iibermachtigen Feinde entgegen, wurde aber bei Mohacs nach kurzem Kampfe vollstandig besiegt und fand auf der Flucht den Tod. Da er keine Nachkommen liinter- liefi, so war Ferdinand der berechtigte Erbe beider Kronen. Das Jahr 1526 ist daher das Geburtsjahr der osterreichisch-ungarischen Monarchie. E'erdinand ist der letzte in Aachen gekronte Kaiser. 188 Erster Zeitraum. In Bohmen wurde Ferdinand einstimmig anerkannt, dagegen wahlte in Ungarn die Mehrzahl der Stande den Woiwoden von Siebenbiirgen Johann Zapolja und nur die Minderzahl Ferdinand zum Konige. Diese Doppehvahl verwickelte die Habsburger in lang- wierige Kriege mit den Tiirken. 2. Kampfe mit Johann Zapolya und den Tiirken. Da die Truppen Ferdinands Johann Zapolya besiegten, wandte sicb dieser um Hilfe an den Sultan, wofiir er si eh als dessen Vasallen bekannte. Sultan Suleiman erschien mit einem starken Heere in Ungarn und drang bis Wien vor. Die Belagerung Wiens durch Suleiman und 1529 . Zapolya (1529) bildet das wichtigste Ereignis in diesem Kriege. Trotz der groben Ubermacht — 100.000 gegen 20.000 Mann — mussten die Feinde infolge der tapferen Vertheidigung der Stadt durch den Grafen Niklas Salm, ferner wegen Ausbruches von Seucben die Belagerung aufheben. Vergebens erneuerte Suleiman 1532 . im Jahre 1532 seinen Zug gegen Osterreich, denn der wackere Niklas Juritschitsch leistete den Tiirken in Giins so heftigen Wider- stand, dass der Sultan trotz der Einnahme der Stadt den Riickzug antrat. Die fortwahrende Tiirkengefalir bestimmte Ferdinand, mit Zapolya, mit dem der Krieg bisher fortgesetzt worden war, den Frieden 1538 . von Gro£\vardein zu schliefien (1538), in dem Zapolya Siebenbiirgen und die angrenzenden Theile Ungarns als Konigreich unter der Be- dingung zugesprochen wurden, dass diese Gebiete nach seinem Tode 1540 . an Ferdinand fallen sollten. Nach Zapolyas Tode (1540) riefen seine Anhanger seinen Sohn Johann Siegmund zum Konige aus, zu dessen Schutze Suleiman abermals in Ungarn erschien. Doch erfolgte im 1547 . Jahre 1547 ein WaSenstillstand, demzufolge Ferdinand einen Theil Kroatiens sowie auch das westliche und nordliche Ungarn, Johann Siegmund Siebenbiirgen und das ostliche Ungarn und die Tiirken den Rest erhielten. Ferdinand katte wenigstens die ungarische K6nigswiirde gerettet, wenn er auch dem Sultan ein Jahresgeschenk von 30.000 Du- caten zahlen musste. Gegen die fortwahrenden Einfalle der Tiirken errichtete er die militarisch verwaltete kroatische und windische Grenze. Die langs derselben angesiedelte Bevolkerung musste jederzeit zur Abwehr des Feindes bereit sein (vgl. die Marken des Mittelalters). 3. Ferdinands Verhaltnis zur Reformation. Ferdinand war zwar ein entschiedener Katholik, doch konnte er wegen der vielen Kriege der Ausbreitung der neuen Lehre in seinen Landern nicht nach Wunsch entgegentreten. Wenn er auch an dem Reformations- Maximilian II. 189 rechte des Augsburger Religionsfriedens festhielt, so begniigte er sicb doch im wesentlichen damit, die Wiedertaufer, die sicli von Tirol aus nach Mahren verbreitet hatten, mit der groBten Strenge zu verfolgen, wahrend er den Katholicismus durch Klostervisitationen, Berufung von Jesuiten zur Heranbildung eines tiichtigen Clerus und die Befurwortung von Reformen beim Papste zu fordern suchte. 4. Ferdinands Landertheilung. Indem Ferdinand an dem Nachfolgerechte aller seiner Sohne festhielt, theilte er seine Lander unter sie; Maximilian erhielt Osterreich unter und ob der Enns, Bohmen und Ungarn, Ferdinand Tirol und die Vorlande (S. 134), Karl Innerosterreich, das heifit Steiermark, Karnten, Ivrain, Gorz und Istrien. Die osterreichische Linie erlosch bereits mit den Sohnen Maximilians und die tirolische mit ihrem Grlinder, dem Gemahl der Augsburger Patricierstochter Philippine Welser, so dass darauf die steirische Linie zum zweitenmal (S. 144) alle Lander vereinigte. B. Maximilian II. (1564—1576). 1564-1576. 1. Maximilians Verhaltnis zum Protestantismus. Maxi- milian war als Kronprinz der neuen Lehre so zugethan, dass die Protestanten seinen offenen Ubertritt erwarteten; doch hielt ihn die Rucksicht auf die Erwerbung der Kaiserkrone (das Kurfursten- Collegium war uberwiegend katholisch) sowie die Rucksicht auf die spanische Verwandtschaft vom Religionswechsel ab. Als Kaiser war er in kirchlicher Bezieliung tolerant. Vom Reformationsrechte ab- sehend, gewahrte er sowohl den osterreichischen Standen als auch den Bewohnern Bohmens religiose Zugestandnisse. In Osterreich galt damals nur der achte Theil der Bevolkerung als katholisch. Da Ungarn nicht zum deutschen Reiche gehorte, so galt hier der Augs¬ burger Friede nicht; es verbreitete sich daselbst immer mehr die lutherische Lehre unter den Deutschen und die calvinische unter den Magyaren. So erreichte unter Maxjmilian der Protestantismus im deutschen Reiche und in den habsburgischen Landern seinen Hohepunkt. 2. Maximilians Krieg mit den Tiirken. Die Absicht des Johann Siegmund Zapolya, nach dem Tode Ferdinands sein Gebiet zu erweitern, veranlasste den Wiederausbruch des Krieges mit den Tiirken; obwohl krank, leitete doch Suleiman auch diesen (seinen dreizehnten) Feldzug. Mit etwa 100.000 Mann schritt er an die Belagerung von Sziget (1566), das Nikolaus Zriny mit ungefahr 1566. 190 Erster Zeitraum. 20.000 Mann so tapfer vertheidigte, dass die Tiirken nur einen rauchenden Triimmerhaufen in ihre Hande bekamen. Noch vor dem Falle der Festung war Suleiman gestorben, sein Nachfolger Selim schloss mit dem Kaiser auf Grund des bestehenden Zustandes den 1568. Frieden von Adrianopel (1568). IV. Die Reformation in Frankreich (1498—1610); die Dynastien Valois und Bourbon. 1. Stellung der franzosischen Konige. Die Erfolge, welche Karl VIII. (f 1498), Ludwig XII. (f 1515) und Franz I. (f 1547) in Italien davontrugen, erhohten das Ansehen des Konigthums in Frankreich so sehr, dass Franz nahezu absolut regieren konnte. Gegen die Protestanten des eigenen Reiches verfuhren Franz und seine Nachfolger mit rucksichtsloser Strenge, wahrend sie sich mit den Lutheranern in Deutschland aus politischen Grlinden verbanden. Die neue Lehre verbreitete sich besonders in den hoheren Scliichten der franzosischen Gesellschaft; ihre (calvinischen) Bekenner hieBen Iluge- nottenl 2. Die Parteien in Frankreich. Das Eindringen der Refor¬ mation in Frankreich veranlasste den Ausbruch liochst erbitterter Glaubens- und Biirgerkriege, auf deren Verlauf besonders zwei Ge- schlechter groBen Einfluss iibten, namlich die Guisen und die Bour- bonen. Den ersteren gehorten damals Franz von Guise und sein Bruder, der Cardinal Karl, an, den letzteren, einer Nebenlinie des koniglichen Hauses, Anton, der infolge seiner Vermahlung mit der Erbtochter von Navarra 2 Konig dieses Landes war. Die Guisen waren die Fiihrer der Katholiken, die Bourbonen die der Hugenotten; beide Geschlechter rangen um das Ubergevvicht am Hofe. Zunachst 1559- 1560.trugen unter dem schwachen Franz II. (1559 — 1560), dem Soline und Nachfolger Heinrichs II., die Guisen den Sieg davon. Sie gaben auch die Veranlassung zum Ausbruche der acht greuelvollen Huge- 1562-1598 . nottenkriege, die mit mehreren Unterbrecliungen von 1562 bis 1598 dauerten. 3. Hugenottenkriege. a) Beginn der Kriege. Dem fruh ver- storbenen Franz II. folgte sein minderjahriger Bruder Karl IX. 1560- 1574.(1560 — 1574), fiir den seine rankesiichtige Mutter Katharina von 1 Das Wort ist nicht genligend erklart. 2 Es ist Niedernavarra, d. i. Navarra nordlich von den Pyreniien gemeint (S. 173). Die Reformation in Frankreich. 191 Medici die Regierung fiihrte. Aus Eifersucht auf die einflussreichen Guisen begiinstigte sie die Bourbonen und gewahrte den Hugenotten freie Religionsiibung auf dem Lande. Da wurde eine Anzahl Huge¬ notten, die in Vassy zum Gottesdienste versammelt waren, von dem bewaffneten Gefolge des Franz von Guise niedergemetzelt (1562). 1562. Diese Gewaltthat rief eine allgemeine Erhebung der Hugenotten hervor und veranlasste die Ermordung des Herzogs Franz von Guise. h) Die Bartholomausnacht. Der dritte Krieg endete damit, dass den Hugenotten Religionsfreiheit zugestanden wurde. Die Fiihrer der Hugenotten, zu denen auch der tapfere Admiral Colignj ge- horte, erlangten am koniglichen Hofe grofies Ansehen, ja Heinrich von Navarra, der Sohn des inzwischen gestorbenen Anton, wurde mit des Konigs Schwester Margareta vermahlt (17. August 1572). Infolgedessen sah sich die Konigin-Mutter um ihren Einfluss gebraclit, und sie beschloss nun in Verbindung mit den Guisen das Verderben der Hugenotten. Zunachst wurde ein Meuchelmord an Coligny ver- suclit, doch ward dieser nur verwundet. Das Ereignis veranlasste grofie Aufregung unter den Hugenotten, und Katharina bentitzte diese, um dem unerfahrenen Kouige durch Vorspiegelung einer Ver- schworung die Zustimmung zur Verfolgung der Hugenotten abzu- gewinnen. In der Bartholomausnacht (23./24. August) 1572 wurden 1572. in Pariš und in den Provinzen mindestens 10.000 Hugenotten, darunter auch Coligny, ermordet. Ob dieser Greuelthat, die man auch die Pariser Bluthochzeit nennt, brach der Religionskrieg abermals in heftigster Weise aus. c) Krieg der drei Heinriche. Dem kinderlosen Karl IX. folgte sein Bruder Heinrich III. (1574—1589). Als dieser den Hugenotten 1574-1589. entgegenkam, stiftete Heinrich von Guise, der Sohn des ermordeten Franz, die heilige Ligue, welche, von Philipp von Spanien unter- stutzt, die ganzliche Vernichtung der Hugenotten anstrebte und ihrem Haupte Heinrich von Guise nach dem Tode des kinderlosen Heinrich III. die Konigswiirde verschaffen wollte, deren rechtmafiiger Erbe der Hugenotte Heinrich von Navarra war. Erschreckt wider- rief der in seinen Zielen stets schwankende Konig alle den Huge¬ notten gemachten Zugestandnisse und schloss sich gleichfalls der Ligue an. Als er aber deren ubermafiige Forderungen ablehnte, lietzten die Guisen die Bevolkerung von Pariš gegen ihn auf; es kam zu Barricadenkampfen, den ersten der Geschichte, und der Konig musste aus seiner Hauptstadt fluchten. Er liefi Heinrich von 192 Erster Zeitraum. Guise ermorden und begab sich zu Heinrich von Navarra. Wahrend er mit diesem Pariš belagerte, wurde er von einem fanatischen Do- 1589 . minicaner ermordet. Mit ihm endet das Haus Valois (1589). 1589 - 1610 . 4, Heinrich IV. (1589—1610). a) Das Edict von Nantes (1598). 1698 . £ war setzten die eifrigsten Katlioliken im Bunde mit Philipp II. den Kampf gegen Heinrich fort, und jener strebte sogar die franzosische Krone fiir seine Tochter Isabella, eine Nichte des ermordeten Konigs, an. Als aber Heinrich zur katholischen Kirche iibertrat, offnete ihm Pariš die Thore, und bald wurde er in ganz Fraukreich an- 1598 . erkannt. Im Jahre 1598 erlieB der Konig das Edict von Nantes, das den Hugenotten freie Religionsiibung auflerhalb der Bischofs- sitze, Zutritt zu den offentlicken Amtern und eine Anzahl von Sicher- heitsplatzen, in welche sie Besatzungen legen konnten, gewahrte. Damit horten die Religionskriege endlich auf. b) Wiedererhebung Frankreichs. Die iibrigen Jahre seiner Re- gierung beniitzte Heinrich, unterstiitzt von seinem Minister Sully, um das Land von den Wunden zu heilen, welche ihm der lange Burgerkrieg geschlagen. Es gelang ihnen, den Ackerbau, das Ge- werbe, den Handel zu neuer Bliite zu bringen und die Staatscasse von neuem zu fiillen. I)ann gieng Heinrich daran, das Haus Habsburg in beiden Linien zu bekampfen; doch mitten in seinen Planen wurde er, der volksthiimlichste aller franzosischen Ivonige, von dem religiosen Fanatiker Ilavaillac ermordet. V. Die Reforniation in England und Schottland. A. Die Reformation in England unter dem Hause Tudor 1485 - 1603 . (1485 — 1603). 1509 - 1547 . 1 . Abfall von Rom unter Heinrich VIII. (1509—1547). Der Nachfolger Heinrichs VII. (S. 155) war sein Sohn Heinrich VIII., ein gelehrter, aber tyrannischer Mensch. Nachdem er jahrelang mit der Witwe seines Bruders, Katharina von Aragonien, vermahlt ge- wesen, wendete er sich, angeblich aus Gewissensbissen wegen der nahen Verwandtschaft, in Wirklichkeit aber, um das Hoffraulein Anna Bolegn heiraten zu konnen, an den Papst, um die Trennung der Ehe zu erwirken. Da aber der Papst seinem Wunsche nicht willfahren konnte, so Gel Heinrich von ihm ah, obwohl er friiher wegen einer Streitschrift gegen Luther von Leo X. den Titel «Ver- theidiger des Glaubens® erlialten hatte. Er trennte sich nun eigen- Die Reformation in England nnd Scliottland. 193 machtig von Katharina, heiratete Anna Boleyn und lieC sich vom gefiigigen Parlament und der Geistlichkeit den Supremat, d. h. die oberste Wiirde, liber die englische Kirche iibertragen. Im iibrigen beschrankte er sicb darauf, die Kloster aufzuheben und deren Ver- mogen einzuziehen, wahrend er die katliolische Lehre und Kirchen- verfassung ungeandert lieB. Die Anhiinger des Papstes aber und die Protestanten vei’folgte er mit blutiger Strenge. Hervorragende Opfer seiner Tyrannei waren: der greise Biscliof Fisher, dessen ge- lehrter Freund Thomas Moore und sein Rathgeber Thomas Cromwell. Auch zwei seiner seclis Gemahlinnen, darunter Anna Boleyn, liefi er wegen nichtigen Verdachtes binrichten. 2. Einfiihrung der Reformation unter Eduard VI. (1547 bis 1547 - 1553 . 1553). Eduard VI., der Sohn Heinrichs und seiner dritten Gattin Johanna Seymour, war beim Tode seines Vaters ein Knabe, weshalb eine vormundschaftliche Regierung eiugefuhrt wurde. Unter ihm wurde auf Betreiben des Erzbischofs Cranmer von Canterbury die protestantische Lelire eingefuhrt, wobei aber die bischofliche Ver- fassung beibehalten wurde. Naeli dem frlihen Tode Eduards folgte 3. die Wiederherstellung des Katholicismus unter Maria (1553—1558), der Tochter Heinrichs VIII. und seiner ersten Gattin 1553 - 1558 . Katharina. Da die erste Ehe Heinrichs VIII. willkiirlich geldst worden war, so galt Maria in den Augen der Katholiken als allein zur Nach- folge bereclitigt. Streng katholisch erzogen, schritt sie mit groGer Harte gegen die Haupter der protestantischen Lehre ein; nebst anderen liefi sie auch Cranmer hinrichten. Ihre Vermahlung mit Philipp II. veranlasste sie zur Theilnahme an einem Kriege Spaniens gegen Frankreich, in dem sie Calais verlor (S. 151). Ihre Nach- folgerin war 4. Elisabeth (1558 — 1603), die Tochter Heinrichs VIII. und 1558 - 1603 . seiner zweiten Gemahlin. Ihre Regierung ist in mehrfacher Beziehung von groGer Wichtigkeit. a) Endgiltige Feststellung der anglicanischen Kirchenordnung. Sie iibernahm auf Wunsch des Parlaments den Supremat und be- auftragte eine AnzahI von Geistlichen, die Dogmen der englischen Kirche festzustellen. Dies gescliah durch die neununddreiBig Artikel (1561), die im wesentlichen mit der Lehre und Kirchenverfassung, 1561 . wie sie von Cranmer festgestellt worden waren, ubereinstimmten. Wegen der Beibehaltung der Bischofe heiBt die englische Kirche die bischofliche oder Episcopalkirche. Die Andersglaubigen, Dissi- 13 Zeehe-Rebhann, Gesch. f. d. ob. Cl. d. Realschulen, II. 194 Erster Zeitraum. denten genannt, wurden mit groBer Strenge verfolgt; zu ihnen ge- horten besonders die Presbyterianer oder Puritaner 1 , die als entschie- dene Anhanger Calvins die bischofliche Kirchenverfassung verwarfen. h) Begriindung der englischen Seemacht. Auf Elisabeth be- ruhten damals die Hoffnungen der Protestanten, wahrend Philipp II. als Vorkampfer des Katholicismus auftrat. Da Elisabeth die Nieder- lande, die damals im Abfalle von Spanien begriffen waren, unter- sttitzte und ihre Gegnerin Maria Stuart, eine entschiedene Katholikin, hinrichten liefi, beschloss Philipp, England mit Gewalt wieder katho- lisch zn machen. Er riistete deshalb eine Flotte von 130 Kriegsschiffen, die groBe Armada, aus und schickte sie unter der Anfiihrung des unfilhigen Admirals Medina Sidonia gegen GroBbritannien. Der Admiral segelte in den Canal la Manche. Bei Diinkirchen wurde die Armada theils durch die Ungnnst der Witterung, theils durch die Uberlegenheit der Englander, die sich in den engen Gewasseni des Canals mit iliren kleinen Schiffen leichter bewegen konnten (I. 76), in neuutagigem Kampfe zerstreut; ihre Uberreste vrarden vom Siidwinde nach Norden getrieben, so dass sie um Schottland 1588. lierum nach Spanien entkamen (1588). Dieser Sieg legte den Grund zur Seemachtstellung Englands. Vor und nach diesem Siege unter- nahmen englische Schiffer Entdeckungsfahrten im nOrdlichen Theile des atlantischen Oceans; so durchfuhr Davis die nach ihm benannte StraBe, Hudson gelangte bis zum Eingange der Hudsonsbai, und Bafffn drang noch weiter nach Norden vor, 2 3 Franz Brake aber fulirte eine Erdumsegelung aus. 8 Bald folgte auch die Griindung mehrerer englischer Colonien in Nordamerika, deren erste der Seeheld Walter Raleigh bereits vor dem Siege uber die Armada in Virginien angelegt hatte. Uberdies genehmigte Elisabeth die Bildung der ost- indischen Handelscompagnie, deren Mitglieder das Monopol des Handels mit Ostindien erhielten. c) Aufstand in Irland. Irland gehorte seit Heinrich II. (S. 153), wenigstens theilweise, zu England, doch fiigte sich die celtische Bevolkerung der Insel nur mit Widerwillen der Fremdherrschaft. 1 Presbyterianer hieCen sie wegen der Verwaltung ihrer kirchlichen Ge- meinden durch Alteste (Presbyter), Puritaner, weil sie die Kirche von allen katho- lischen Einrichtungen reinigen wollten. 2 Durch diese Fahrten hoffte man die nordwestliche Durchfahrt, d. h. einen Weg nach Ostasien um Nordamerika herum, zu entdecken. 3 Er soli die Kartoffel nach Europa gebracht haben. Die Reformation in England und Schottland. 195 Der na.tiona.le Gegensatz zu England verscharfte sich, als Elisabeth den Versuch maclite, die Iren in staatliclier nnd kirohlicber Be- ziehung enger mit England zu verbinden. Deshalb begann die katholische Bevolkerung des Landes einen Aufstand, der erst nack langwierigem Kampfe unterdriickt werden konnte. Zahlreiche Iren wurden nun zu Gunsten der englischen Kirche und protestantischer Ansiedler ihres Besitzes beraubt und so der todliclie Hass begriindet, der nocli jetzt auf der Insel gegen die Englander herrsclit. d) Elisabeths Charakter und Bedeutung. Sie war eine selir tiich- tige Iierrscherin,’ aber Eitelkeit, Herrschsucht, Mangel an Gemiith und an Wahrheitsliebe entstellen ihren Charakter. Das Parlament hielt sie in strenger Untenviirdgkeit. Ilire Zeit ist auch dadurcli ausgezeichnet, dass damals W. Shakespeare, der groBte christliche Dramatiker, und Bačo von Verulam, der Vater des modernen Empi- rismus (I. 108), lebten. Zum Erben ilirer Krone setzte .sie Jakob von Schottland, den Solin der Maria Stuart, ein, der somit der erste Konig von Grofibritannien und Irland ist. B. Die Reformation in Schottland unter den Stuarts. 1. Maria Stuart und das Eindringen der Reformation. In Schottland regierten seit dem Jahre 1370 die Stuarts, die wie wenige Dynastien von schweren Schicksalsschlagen verfolgt wurden. 1 Auf Jakob V. folgte seine erst wenige Tage alte Tochter Maria, fur die ihre Mutter Maria von Guise, eine Sclrsvester Franz’ und Karls von Guise, die Regierung fiihrte, wahrend sie selbst am Pariser Hofe erzogen wurde. Nach dem friihen Tode ihres Gemahls, des Konigs Franz II., kelirte sie nach Schottland zuriick, wo inzwischen durch John Knox, einen starrsinnigen Anhanger Calvins, die Reformation eingefiihrt worden war, wahrend Maria dem Glauben ilirer Vater treu blieb. Bald vermahlte sie sich mit dem Grafen Darnlej, ihrem katholisch gesinnten Vetter; dadurch hoffte sie in Verbindung mit dem Papste, mit Frankreich und Spanien nicht nur Schottland wieder katholisch zu machen, sondern auch den englischen Thron, auf den sie als eine Urenkelin Heinrichs VII. Anspriiche erhob, gewinnen zu konnen. Da ihr aber der uugebildete Darnley keine Stiitze gewahrte, so wendete sie ihr Vertrauen ihrem Secretar Rizzio zu; deshalh 1 Vier Konige aus diesem Hause starten eines gewaltsamen Todes, zwei endeteu im Wahnsinn. 13 * 196 Erster Zeitraum. nahm ihr Gemahl an einer Versehworung des Adels gegen Rizzio theil, der zu Fiifien der Konigin ermordet wurde. Im folgenden Jahre fand aueh Darnley ein gewaltsames Ende; es wurde namlich das Landhaus bei Edinburg, in dem er schlief, in der Nacht in die Luft gesprengt. Die Volksstimme bezeiclmete den gevvaltthatigen Grafen Bothivell als den Urheber desVerbrechens. Als nun Maria bald darauf Botbwell heiratete, gerietb sie in den Verdacht der Mitscbuld an der Ermordung Darnleys. Der Adel nahm Maria gefangen und iibertrug die Regierung des Landes ibrem Halbbruder Murray. Das Motiv dieser Handlungen des Adels war die Sicherung des Calvinismus. Zwar gelang es der Konigin, zu entkommen und ibre Anhanger um 1567 . sicb zu scharen, als jedoch ihre Truppen besiegt wurden (1567), floh sie in der Furcht, neuerdings gefangen genommen zu werden, zu ihrer Base Elisabeth nacb England, von der sie freundliche Auf- nabme und Hilfe erwartete, obwohl sie Elisabeth durch Annahme des Titels einer englisclien Konigin schwer beleidigt hatte. 2. Maria Stuart und Elisabeth. Maria wurde von Elisabeth recbtswidrig als Gefangene behandelt, und ihre Haft wurde umso strenger, je ofter die Katholiken, die damals in England noch die Mehrzahl bildeten, ibre Befreiung versuchten. Als ibr dann nach- gewiesen vverden konnte, dass sie in die Verschworung Bahingtons und seiner Genossen, welche Maria auf den englischen Thron erheben und Elisabeth ermorden wollten, eingeweibt gewesen sei, wurde sie von einem aus den vornehmsten Mannern des Staates gebildeten Gerichtshofe zum Tode verurtheilt und nach der Besta- 1587 . tigung des Urtbeils durch Elisabeth enthauptet (1587). Voli Seelen- starke und treuer Ergebung in ihren Glauben hatte sie das Blut- gerust bestiegen. Maria war von der Natur mit Vorziigen des Geistes und Korpers verschwenderisch ausgestattet; sie wa.r sehr gebildet, eine begabte Dicbterin, eignete sich aber an dem Hofe der Katha- rina von Medici eine rankevolle Politik an, die in Verbindung mit ibrem Leichtsinne hauptsachlich ihr Verderben lierbeifubrte. In ibrem Verhaltnisse zu Elisabeth kam aufier der Eifersucht der letzteren besonders in Betracht, dass Maria nach katholischer Anschauung die rechtmaCige Thronerbin von England war, und dass die beiden Koniginnen, die sicb ubrigens niemals gesehen haben, die confes- sionellen Gegensatze verkorperten, die damals im ganzen Abendland in heftigem Kampfe miteinander lagen. Die Reformation in England und Schottland. 197 C. Religiose und politische Kampfe unter den ersten zwei Stuarts in GroBbritannien und Irland (1603—1649). 1603-1649. 1. Jakob I. (1603-1625). Wiewolil in der puritanischen Religion erzogen, wandte sicli Jakob als Konig von GroCbritannien der anglicanisclien Kirche zu, die am meisten seinem Streben nach unumschrankter Macht ent- sprach. Da die Katholiken die Freigebung ihrer Religion nicbt er- zielten, so stifteten einige Fanatiker die Pulververschwdrung (1605) 1605. an, um bei der Eroffnung des Parlaments dieses und den Konig in die Luft zu sprengen; doch wurde das Vorhaben rechtzeitig entdeckt. Einige Verschworene wurden hingerichtet, alle Katholiken aber zu scbweren Geldstrafen verurtheilt. Noch mebr verfolgte Jakob die republikanisch gesinnten Puritaner. Da auch die auBere Politik Jakobs die Bevolkerung nicbt be- friedigte, indem er es unterlieB, die deutschen Protestanten im dreibigjabrigen Kriege nach dem Wunsche seiner Unterthanen kriiftig zu unterstiltzen, so liinterlieB er bereits seinem ihm iibrigens gleich- gesinnten Sobne eine tiefgehende Gahrung. 2. Karl I. (1625-1649). 1625-1649. a) Die Bitte um Recht (Petition of Right) (1628). Als das Parla- 1628. ment das Tonnen- und Pfundgeld, einen Ein- und Ausfuhrzoll, der bisher der Konigin auf Lebenszeit bewilligt worden war, dem neuen Konige nur auf ein Jalir zugestand, loste dieser es auf und liefi die Zolle eigenmachtig einheben. Das zweite Parlament theilte das Schicksal des ersten, als es gegen die eigenmachtige Einhebung jener Zbile protestierte und tiberdies den Herzog von Buckingham, des Konigs Rathgeber, in den Anklagezustand versetzte. Um diesen zu retten, bewilligte der Konig dem dritten Parlamente die Bitte um Recht, welche Schutz gegen willkiirliche Besteuerung und Ver- baftung verlangte. Nichtsdestoweniger wurde Buckingham bald darauf ermordet. h) Die parlamentlose Zeit (1629 — 1640) und die kirchliclie 1629-1640. Gahrung in Schottland. Nunmehr regierte Karl auf Anrathen seines Ministers Lord Strafford elf Jahre lang o h n e Parlament und erhob in dieser Zeit nicht nur die bestelienden, sondern auch eine neue Steuer, das Schiffsgeld 1 , um sicli ein stehendes Heer zu schaffen. 1 Es war anstelle der Schiffe getreten, welche ehedem die Seestadte zum Schutze der Ktiste. gestellt hatten. 198 Erster Zeitraum. AuBerordentliche Gerichtshofe verfolgten die politischen und die kirch- lichen Gegner des Konigs und straften sie nicht selten in barba- rischer Weise. Karl hatte wohl noch langere Zeit in absoluter Weise regieren konnen, wenn er nicht Schottland dadurch zum Aufstande gereizt hatte, dass er daselbst nach dem Rathe des Erzbiscliofs Laud von Canterbury die Episcopalkirche eiiifiihren wollte. Adel und Volk des Landes erhoben sich zum Schutze ihrer Religion. 1642 - 1649 . c) Die Revolution (1642 — 1649). Um Mittel zur Unterdriickung des Aufstandes zu erhalten, berief Karl abermals ein Parlament, das aber wegen seiner Widerspenstigkeit bereits nacli drei Wochen aufgelost wurde. Ebensowenig willfahrig zeigte sich das fiinfte Parla¬ ment, das noch in demselben Jahre einberufen wurde und das lange Parlament heifit, weil es, allerdings mit Unterbrechungen, zwanzig Jahre lang tagte. Es beanspruchte namlich die oberste Leitung aller kirchlichen und weltlichen Angelegenheiten mit Ein- schluss des Heerwesens, vahrend der Konig auf seine absoluti- stischen Bestrebungen nicht verzichten wollte. Strafford und Laud, die Stutzen des weltlichen und kirchlichen Absolutismus Ivarls, wurden vom Parlamente zum Tode verurtheilt und hingeriehtet; dieses begann auch den Krieg gegen den Konig und schloss mit den Schotten, die in Nordengland eingefallen varen, einen Bund. Die Erbitterung gegen Karl stieg noch hoher, als die hart gedriickten Katholiken Irlands Tausende von Presbyterianern auf der Insel er- mordeten und die Schuld an dieser Blutthat (mit Unrecht) dem Konige zugeschrieben wurde. Karls Truppen, von den Gegnern Ču¬ vali ere genannt, erlitten zuletzt durch die Soldaten des Parlaments 1645 . («Rundkopfe») eine schwere Niederlage bei Naseby ( 1645 ), so dass Karl zu den Schotten floh; diese lieferten ihn aber gegen eine bobe Geldsumme an das Parlament aus. d) Oliver Cromwell und die Hinrichtung des Konigs. Die Seele des Parlamentsheeres twar der entschlossene Landedelmann Oliver Cromwell. Er gehorte, wie die meisten lioheren Officiere und ein grofier Theil der Truppen, zu den Independenten (Unabhangigen). Diese calvinische Partei verlangte im Gegensatze zu den Presby- terianern 1 , die im Parlamente das Ubergewicht hatten, dass jede kirchliche Gemeinde vollstandig unabhangig sei. In politischer Be- ziehung waren die Independenten radicale Republikaner, wahrend 1 Die Presbyterianer erkannten iiber dem Ortskircbenratbe (Presbjterium) noch die Provinzial- und die Generalsvnode als hohere kirchliche Behorde an. Die Reformation in Danemark, Norvvegen und Schweden. 199 sicli die Presbyterianer mit der Erreichung einer constitutionellen Monarchie zufrieden geben vrollten. Als sicli die Presbyterianer mit dem Konige versohnen wollten, liefi Oliver Cromwell die Presbyterianer des Unterhauses gefangen nehmen, vvorauf der Rest, das šogenannte Rumpfparlament, obne Riicksiclit auf den Widerspruch des Ober- hauses die Anklage gegen Karl erhob. Es \vurde ein aufierordentlicher Gerichtshof eingesetzt, der den Konig als «Tyrannen', Verrather, Morder und Feind jdes Staates* zum Tode verurtheilte. Infolgedessen wurde Karl enthauptet (1649). VI. Die Reformation in Danemark, Norvvegen und Schweden. In den nordisch-germanischen Staaten gieng die Reformation, wie in England, von den Konigen aus; sie steigerte daher aucb hier im Gegensatze zu Deutschland deren Macht, indem sie sicb einen Theil der eingezogenen Kirchengiiter aneigneten und an die Spitze der kirchliclien Verwaltung traten. Die Bischofe wurden beibehalten, geriethen aber in vollige Abhangigkeit von der Krone. A. Danemark und Norwegen. Die Schweden erboben sich wiederholt gegen die Unionskonige aus dem danischen Hause Olden- burg (S. 142), um ihre staatliclie Selbstandigkeit zuriickzugewinnen. Als nun Christian JI. nahezu hundert liervorragende Bewohner des Landes in Stockholm hinrichten liefi (das Stockbolmer Blutbad, 1520), um den Widerstand der Scbweden zu breclien, machten sich diese unter Gustav Wasa, dem Sohne eines der Opfer dieses Blut- bades, vollkommen unabhangig. Bald wurde der tyrannische Konig aucb aus Danemark vertrieben und, als er mit Waffengewalt die Krone zuriickerobern wollte, gefangen genommen; bis zu seinem Tode musste er im Kerker scbmacbten. Unter seinen beiden Nachfolgern wurde die lutherische Z,ehre allgemein eingefuhrt. In \Norwegen, [das in politischer Verbindung mit Danemark blieb, gelangte die augsburgiscbe Confession obne alle Kampfe zur Herrschaft. B. Schweden. Gustav Wasa wurde zum Danke fiir seinc dem Vaterlande geleisteten Dienste vom scbwedischen Reicbstage zum Konig erboben (1523). Da aber die Krone sehr geringe Einkiinfte hatte, so fiihrte Gustav, um in den Besitz der reicben Kirchengiiter zu gelangen, die lutherische Lehre ein, welche unter seinen Nach¬ folgern dauernd zur Herrschaft gelangte. 1649 . 1520 . 1523 . 200 Erster Zeitraum. So war die Reformation in fast allen katholischen Landern zur Anerkennung gekommen. Nur in Italien und in Spanien gelangten die geringen reformatorischen Ansatze nicht zum Ziele, und Polen, das bereits zum grofiten Theile protestantiscli geworden war, wurde wieder ganz fiir den Katholicismus gewonnen. Das war die Wirkung der Gegenreformation, die aucli einen groben Theil Deutschlands und Osterreichs dem Protestantismus wieder entriss. Zweites Capitel. Die Gegenreformation. I. Kirchliche Gegenreformation. A. Das gute Beispiel der Papste. Die Reformation veranlasste einzelne Papste, namentlich seit der Mitte des 16. Jahrhunderts, sich der kircliliclien Angelegenheiten mit allem Eifer anzunehmen. So setzte Paul IV. eine eigene Congregation zur Hebung der Kirchen- zucbt ein. Sein Nachfolger Plus IV. maciite dem Nepotenwesen, das naliezu hundert Jahre geherrscbt hatte, ein Ende und setzte das kirchliche Reformwerk eiirig fort, wobei er von seinem frommen Neffen Karl Borromeus, dem spateren Erzbischofe von Mailand, kraftig unterstiitzt wurde. Pius’ IV. Nachfolger, Pius V., ein iiber- aus frommer und gerechter Mann, forderte meist durch sein eigenes Beispiel die sittliche Zucht der Geistlichen. Gregor XIII., der Ur- heber der Kalenderreform (I. 8), setzte eine besondere Cardinals- Commission zur Forderung der Gegenreformation in Deutschland ein. So erlangte das Papstthum wieder eine hochst einflussreiche Stellung in der ganzen katholischen Welt. B. Wiedereinfiihrung der Inquisition. Die alte Inguisition 1542 . der Dominicaner (S. 102) war langst verfallen. Im Jahre 1542 fiihrte sie Paul III. in neuer Gestalt zur Ausrottung der Ketzerei wieder ein. Sie solite ein allgemeines Glaubensgericht werden, beschrankte aber ihre Thatigkeit auf Italien und wurde durch Paul IV. auch mit der Anlage des Index, d. h. eines Verzeichnisses derjenigen Biicher betraut, deren Lectiire den Katholiken aus Glaubensriick- sichten untersagt wurde. Kirchliche Gegenreformation. 201 C. Das Tridentiner Concil (1545—1563). 1 Nacli langeren Be- 1545-1563. miihungen setzte Karl V. die Einberufung eines allgemeinen Concils nach Trient durch. Es bestimmte zunachst durch dogmatische Vorschriiten den Unterscbied der beiden Coufessionen im Glauben in unzweideutiger Weise, wodurch es freilich audi ilire Wiederver- einigung unmoglich machte. Spater beschaftigte es sicli hauptsachlich mit der Kirchenreformation : bebufs besserer Erziehung des Clerus wurde die Errichtung von Seminarien beselilossen, fiir die ange- stellten Geistlichen wurden Visitationen eingefiihrt, die Haufung von Pfrtinden verboten, die Predigt in der Landessprache den Geistlichen zur Pflicht gemacht u. s. w. D. Der Jesuiten-Orden. Er wurde von dem h. Ignatius von Loyola (f 1556) gegrtindet und war weitaus der wirksamste Hebel der Gegenreformation. 1. Aus dem Leben des h. Ignatius. Er war der Solin eines spanischen Edelmannes und ergriff die militarische Laufbahn. Im ersten Kriege zwischen Karl V. und Franz I. bei der Vertheidigung von Pamplona verwundet, versenkte er sich in die Lectiire des Leben s Christi und mehrerer Heiligen, was in ihm den Entschluss hervorrief, gleicli diesen ein Kampfer im Dienste der Kirche zu werden. Nach seiner Genesung unternahm er eine Pilgerfahrt nach Jerusalem. Zuriickgekehrt, besuchte er, um Theologie zu studieren, die Universitat in Pariš. Hier griindete er in Verbindung mit Lainez und Franz Xaver den Orden der Gesellschaft Jesu, dessen Mit- glieder aufier den drei Monchsgeliibden aucli noch das des unbe- dingten Gehorsams gegeniiber dem Papste ablegen. Das erste Ober- haupt des Ordens (General) war Ignatius selbst. 2. Bedeutung des Ordens. Die Jesuiten entvvickelten eine viel- seitige Thatigkeit ; sie waren einllussreiche Beichtvater an _ den Fiirstenhofen, predigten das Evangelium in Amerika und Asien (be- sonders beriihmt als Missionar ist Franz Xaver, der Apostel der Indier) und betrieben eifrig theologische und philosophische Studiem Die grofite Bedeutung aber verschaffte ihnen die Ubernahme des Mittelschul-Unterrichtes in den katholischen Landern, wodurch sie einen machtigen Einfluss auf die Gesinnung der Bevolkerung ge- wannen. Bald fiel ihnen auch der Unterricht an den Universitaten ' Da das Concil zweimal vertagt wurde, war es thatsachlich nur sechs Jalire versammelt, namlich in den Jaliren 1545—48, 1551—52 und 1562 — 63. 202 Erster Zeitraum. zn. Die Volksschule vernachlassigten sie; dafiir suchten sie die unteren Stande durch einen besonders glanzenden Gottesdienst, der in pomphaft ausgestatteten Kirchen («Jesui ten stil*) gefeiert wurde, zu gewitmen. So wurde der neue Grden die kraftigste Stiitze des Papstthums im Kampte gegen die neue Lehre. E. Forderung humanitarer Zwecke. Audi in der Neuzeit blieb der Kirche noch ein bedeutender Wirkungskreis in humanitarer Beziehung, und neue Grden widmeten sich diesem Zwecke (S. 82 ). So entstand im 16 . Jalirhunderte der Grden der barmherzigen Briider fur die Pflege der Kranken, ein Jahrhundert spater der Orden der Lazaristen, vrelcher sich der Armen, der Orden der barmherzigen Schwestern, welcher sich der Kranken annahm, der Orden der Piaristen, der namentlich in Osterreich Gymnasien er- richtete. Die Mitglieder aller dieser Orden hatten natiirlich auch Gelegenheit, auf die religiose Gesinnung der Kreise, mit denen sie verkehrten, Einfluss zu iiben. U. Philipp II. voii Spanien a n der Spitze der politischen Gegenreformation im westlichen Europa. 1556-1598. A. Philipp II. (1556-1598). 1. Philipps Charakter und Bestrebungen. Philipp war ein strenger, von Misstrauen und Menschenscheu beherrscliter Fiirst; docli zeichneten ihn auch grobe Charakterstarke und ein seltenes Mah von Selbstbeherrschung aus. Im Gegensatze zu seinem Vater war er kein Feldherr und suchte die Politik von seinem Arbeits- zimmer aus zu leiten. Von streng katholischer Gesinnung und hoher Auffassung seiner Stellung, strebte er die Ausrottung des Pro- testantismus im westlichen Europa und die Aufrichtung einer ab¬ soluten Gewalt iiber seine Unterthanen an. 2. Philipp und sein Sohn Don Carlos. Carlos war von der Natur stiefmiitterlich bedacht und in seiner Erziehung sehr vernach- lassigt worden. Als Philipp gegen die Niederlande die strengsten MaBregeln ergreifen wollte, verlangte Carlos, gegen sie geschickt zu werden; die Nichterfiilkmg seines Wunsches, eine Folge seiner Unfahigkeit, ist der Ausgangspunkt seines friihen Todes. Er veriibte eine Reihe von Gewaltthaten und verstieg sich sogar zu einem Mord- plane gegen Philipp, der deshalb sein en Sohn verhaften lieh. Nach siebenmonatlicher, keinesvvegs strenger Haft starb er im Gefangnis infolge seiner Unmafiigkeit im Essen und im Wassergenusse. Philipp II. von Spanien an d. Spitze d. polit. Gegenreformation. 203 3. Philipps Kriege. Pliilipp filhrte zahlreiche Kriege, die theil- weise die Vernichtung des Protestantismus im westlichen Europa zum Ziele hatten. Ausnahmen davon bildeten: a) der Krieg mit Heinrich II. von Frankreich. Diesen Krieg erbte Pliilipp von seinem Vater, der gegen Heinrich wegen der Besetzuug deutschen Gebietes die Feindseligkeiten eroffnet hatte (S. 184). Graf Lamoral Egmont schlug die Franzosen bei St. Quentin und Gravelingen, so dass Heinrich den Frieden von Chateau-Cambresis scliloss (1559). Darili verpflichtete er sich nur, Savoyen, das noch vom vierten Kriege seines Vaters mit Karl her besetzt war, seinem Herzoge zuriick- zugeben. b) Der Kampf mit den Ttirken. Als die Tiirken unter dem Nachfolger Suleimaiis den Verietianern Cypern entreiBen wollten, wendeten sich diese um Hilfe an Pius V., der aucli Spanien und Genua fiir den Kampf gegen die Unglaubigen gewann. Die christ- liche Flotte errang unter der Anfiihruiig des ritterlichen Don Juan d’Austria, eines Halbbruders Philipps, einen glanzeuden Sieg bei Lepanto (1571), der aber wegen der Zwietracht unter den Verbiin- deten nicht ausgeniitzt wurde. c) Die Eroherung Portugals. Als der Mannesstamm des portugiesischen Konigshauses ausstarb (1580), erliob Philipp als Nachkomme einer portugiesischen Prinzessin An- spriiche auf das Land und liefi es durch Herzog Alba besetzen. Die Verbindung Portugals mit Spanien gereichte jenem zu sclrvverem Scliaden; denn die Niederlander und Englander liolten seitdem die Gewurze nicht mehr aus Lissabon, sondern aus Indien selbst, so dass Portugals Bliite dahin war. Alle anderen Kriege Philipps verfolgten neben dem politischen aucli einen confessionellen Zweck; so suchte er den Protestantismus in den Niederlanden zu unterdriicken, verband sich mit den Guisen zur Bekampfung der Hugenotten, riistete die Armada gegen England aus und reizte die Iren zum Kampfe gegen Elisabeth. Die zahl- reichen Kriege, welche Pliilipp! ftihrte, trugen wesentlich zur Ver¬ nichtung des spanischen I Vohlstandes bei. Am meisten gilt dies von seinem^Kriege mit den Niederlandern. B. Der Unabhangigkeitskampf der Niederlander (1568—1648). 1. Die Niederlande bei dem Regierungsantritte Philipps II. Die Niederlande bildeten geographisch, etlmographisch und historisch einen Theil Deutschlands (S. 146). Das strenge Pfliclitgefuhl, der 1569 . 1571 . 1580 . 1568 - 1648 . 204 Erster Zeitraum. entschlossene Muth und der stolze Unabliangigkeitssinn 1 , wodurch sich die Niederlander vor allen auszeichneten, entwickelten sich im fortwahrenden Kampfe mit dem Meere. Diese Eigenscliaften wurden noch gesteigert durch ihren Wohlstand (I. 55). Philipp setzte seine Schwester Margareta, die Gemahlin des Herzogs von Parma, als Statthalterin in den Niederlanden ein und stellte ilir einen Staats- rath zur Seite, dem die hervorragendsten Niederlander, wie die Grafen Wilhelm von Nassau-Oranien 2 und Egmont (S. 203), ferner der Admiral Hoorne angehorten. Aber Margareta und der Staats- rath waren machtlos neben dem Cardinal Granvella, der von Philipp die eigentliche Regierungsgewalt erhielt. Uberdies iibertrug. Philipp im Widerspruche mit den Rechten der Niederlander zahlreiche Amter an Spanier und lieC spanische Truppen in den Niederlanden stehen. 2. Zunehmende Unzufriedenheit im Lande bis zum Aus- 1559 - 1568 . bruche des Freiheitskampfes (1559—1568). Die Unzufriedenheit, welche Philipps Vorgehen hervorrief, fand neue Nahrung an seiuen kirchlichen MaBnahmen. Um namlich die Reformation auszurotten,' beschloss er die Vermehrung der Bisthiimer und die Einfiihrung der Inguisition. Der Hass der Bevolkerung richtete sich namentlich gegen Granvella, der als Urheber dieser MaBregeln galt, so dass sich Philipp endlich zu seiner Abberufung entschloss. Da aber Philipp im iibrigen seine Politik den Niederlanden gegeniiber nicht anderte, so bildeten einige zvvanzig Manner aus dem niederen Adelsstande, der sich hier geradeso, wie der Ritter- stand in Deutschland, wirtschaftlich in Noth befand, einen Bund, den sogenannten Compromiss; bald traten ihm Tausende bei, Adelige und Biirgerliche, Katholiken und Protestanten. Als nun die Mitglieder des Bundes von der Regentin die Beseitigung der MaBnahmen Philipps verlangten, versprach Margareta, die Sache ihrem Bruder vorlegen zu wollen. Da dieser aber nur ganz unbedeutende Mil- derungen zugestand, so machte sich der Fanatismus des Volkes in einem heftigen Bildersturme Luft, bei dessen Unterdriickung aber die Edelleute die Regentin unterstiitzten. Die Ruhe war im wesent- lichen wieder hergestellt, als der ob seiner Harte gefurclitete Alba 1567 . mit einem Heere gegen die Niederlande heranzog (1567). ' Vergl. die Volksscenen im ersten Acte von Goethes «Egmont». 2 Der deutsche Graf Wilhelm von Nassau erhielt von seinem Vetter Renatns das Furstenthum Oranien (Orange) an der unteren Rh6ne. Der Unabhiingigkeitskampf (Jer Niederlander. 205 Sofort verliefien iiber 100.000 Protestanten das Land, unter ihnen auch Wilhelm von Oranien, wahrend Egmont und Hoorne im Bewusstsein ihrer Unschuld im Lande blieben, aber alsbald von Alba gefangen gesetzt wurden. Dieser iibernalim nach der Abdankung Margaretens die Statthalterschaft und errichtete den Rath der Unruhen («Blutrath») zur Untersuchung wegen Ketzerei; Egmont, Hoorne und achtzehn andere Adelige wurden verurtheilt und hin- gericktet. Dieses Vorgehen Albas liatte den Ausbruch des Freiheits- kampfes unter der Fuhrung der Geusen 1 zur Folge. 3. Der Freiheitskrieg (1568—1648). a) Ris zur Utrechter Union (1579). Geradezu zur Verzweiflung brachte Alba die Nieder- 1579 lander durch seine Steuerdecrete. Er filhrte namlich mit Verletzung des Steuerbewilligungsrechtes der Bevolkerung sebr hohe Abgaben ein und verbot den Handel mit England, wodurch der Wohlstand im Lande vernic-htet werden musste. Da fielen eine Anžah! von Fliicht- lingen, die Wassergeusen, die bei Elisabetli Zuflucht gefunden hatten, in Holland ein und eroberten Brielle (1572), wahrend Wilhelm von 1572 Oranien in Holland und Seeland zum Siatthalter gewab.lt wurde. Da der Aufstand immer groBere Ausdehnung gevvann, so wurde endlich Alba abberufen (1573). Audi den beiden folgenden Statthaltern Luis 1573 de Requesens und Don Juan d’Austria (1573 — 1578) gelang es trotz milderer Mafiregeln nidit, den Aufstand zu unterdriicken. Dagegen brachte Alexander von Parma (1578 — 1592), der Solin der Margareta, welcher nach Don Juans Tode Statthalter wurde, durch politische Zugestiindnisse die wallonisch-katholischen Landschaften des Siidens auf seine Seite, was ihm umso 'leichter gelang, als das mafilose Vorgehen vieler Calvinisten, die langst schon iiber die Lutheraner das Ubergewicht erlangt hatten, die Katholiken abstieB. Die sieben nordlichen germanisch-protestantischen Provinzen 1 2 aber schlossen die Utrechter Union, deren Seele Wilhelm von Oranien war. b) Von der Utrechter Union bis zur Anerkennung der Un- abhangigkeit der Niederlande (1579 — 1648). Bereits im Jahre 1581 1581 sagten sich die nordlichen Staaten von Philipp formlich los. Als aber im Jahre 1584 Wilhelm durch die Kugel eines Meuchelmorders fiel, 1584 1 Die Geusen ivaren die Unterzeichner des Compromisses und deren An- lianger. Ihren Namen erhielten sie davon, dass einer der Ratlie der Regentin diese ermuthigte, sie moge sich doch vor solchen Bettlern (geux) nicht fiirchten. 2 Diese waren: Holland, Seeland, Utrecht, Geldern, Ober-Yssel, Groningen und Friesland. 206 Erster Zeitraum. geriethen sie- in die grofite Gefahr. Da boten sie die Herrschaft der Konigin Elisabeth an; diese saudte ihnen den Grafen Leicester als Generalstatthalter, der aber infolge seiner Unfahigkeit zur Regierung bald wieder nach England zuriickkehrte, worauf Moriz, der Sohn des ermordeten Wilhelm, die Statthalterschaft erhielt. Um sich an Elisabeth zu rachen und auch die Niederlande zu Boden zu werfen, riistete Philipp die groBe Armada aus. 1 Die Vernicbtung seiner stolzesten Hoffnung nabm Philipp aufierlich unbewegt auf, innerlicb aber war er furchtbar erschiittert, denn er fiihlte, dass die Kraft Spaniens gebrochen sei. Das Ende des Kampfes in den Nieder- landen erlebte er nicht mehr. Sein Sohn und Nachfolger Philipp III. schloss einen zwolfjahrigen Waffenstillstand mit den Niederlandern, nach dessen Ablauf der Kampf abermals ausbrach, bis endlich im 1648. Jahre 1648 die Unabhangigkeit der Niederlande anerkannt wurde. 5. Aufschwung der Niederlande. Der lange und gefahrliche Krieg rief, wie einst bei deri Griechen, alle Krafte der Niederlander wach, und auch hier folgte ein Aufschwung a ul materiellem, geistigem und kiinstlerischem Gebiete (I. 78). Die Niederlander Iiberfielen spanische Schiffe, entrissen den Portugiesen das Caplaud, Ceylon und die Sunda-Inseln, entdeckten im Jahre 1606 Australien («Neuholland»), begriindeten die ost- und westindische Handelscom- pagnie und wurden so die ersie Seemacht Europas. In wissen- schaftlicher Beziehung zeichneten sich die Niederlander namentlich durch die Pflege der Philologie und Geschichte aus. Zu einer ganz auBerordentlichen Bliite gelangte aber in derselben Zeit die nieder- landische Malerei. Der grofite aller niederlandischen Maler ist Rembrandt (f 1669), beriihmt wegen der meisterhaften Anwendung des Helldunkels. In den katholischen Landern wirkte gleichzeitig der vielseitig gebildete Rubens (f 1640), beriihmt wegen des kraftigen Colorits und der Lebhaftigkeit seiner Darstellung. Sein grofiter Schiller war der Portraitmaler Anton van Dyck. C. Fortsetzung der kirchliehen Politik Philipps II. unter seinen 1598-1665. Nachfolgern Philipp III. (1598-1621) und Philipp IV. (1621—1665). 1. Spaniens Verfall. Als Philipp II. die Regierung antrat, war Spanien (mit seinen Nebenlandern) in politischer, militarischer und finanzieller Hinsicht das machtigste Reich Europas; als er starb, 1 Die Armada hatte 20.000 Soldaten und 10.000 Matrosen und Ruderer (1.87); Philipp selbst nannte sie die groBe (nicht die uniiberwindliche) Flotte. Die Gegenreformation in Deutschland etc.; der 30ja.hr. Krieg. 207 \var es auf allen diesen Gebieten verfallen. Unter semen Nachfolgern, die seine Politik fortsetzten, wurden die Verhaltnisse noch schlimmer. Philipp III. schlug dem Staate dadurch eine scliwere Wunde, dass 'er die gewerbfleifiigen Moriskos, die getauften Mauren (eine halbe Million), aus Spanien vertrieb (1609), weil sie mit ihren Stammes- genossen in Afrika stets Verbindungen unterbielten. Unter Philipp IV. entstand in Catalonien und Aragonien wegen willkiirlicher Steuer- ausscbreibnng eine Emporung, die zehn Jahre lang dauerte; der Druck der spaniscben Statthalter rief aucli den Ahfa.ll Portugals hervor (1640), dessen Krone an das Haus Braganza kam. Von dem 1640. tiefen Verfalle, den die Politik seiner damaligen Herrscher herbei- fiihrte, hat sich das Land nie mebr erholt. 2. Bliite der Poesie und Kunst. Spanien erlebte in der Zeit seines politischen Verfalles das goldene Zeitalter seiner Poesie und Kunst. Der beriihmteste Romanschriftsteller Spaniens ist Cervantes (f 1616, wie Shakespeare); sein satirisclier Roman «Der sinnreiche Junker Don Quixote von der Mancha* verspo.ttet die Begeisterung seiner Landsleute fiir die schlechten Ritterromane, ihren Grofienwahn und iibertriebenen Hang zu Abenteuern. Eine besondere Hohe er- reichte im 17. Jahrhunderte das Zorama durch Lope de Vega (f 1635) und Calderon de la Barca (f 1681). Zeitgenossen von Calderon waren die beiden groBten spanischen Mal er, namlich Velasguez, einer der bedeutendsten Portraitmaler, und Murillo, der ganz besonders durch seine Madonnen beruhmt ist. Ul. Die Gegenreformation in Deutschland und in Osterreich- Ungarn; der dreiBigjiihrige Krieg. A. Die Gegenreformation unter Rudolf II. und Matthias; Fortsetzung der Tiirkenkriege. 1. Rudolf II. (1576-1612). 1576-1612. Rudolf war ein gutmiithiger Fiirst, der sich gerne mit Alchemie und Astrologie beschaftigte, dagegen die Regierungsgeschafte vollig vernachlassigte. An seinem Hofe in Prag lebten die Astronomen Tjcho de Brahe und Kepler, welch letzterer die elliptische Balm der Planeten und die Gesetze ihrer Umlaufsbewegung um die Sonne entdeckte. 1. Gegenreformation in den habsburgischen Landern. Ob- wohl Rudolf von streng katholischer Gesinnung war, trat er doch infolge seines Charakters gegen die Protestanteu nicht entschieden 208 Erster Zeitraum. auf; wenn gleichwohl unter ihm die Gegenreformation in den habs- burgischen Landern begann, so war dies das Werk der Jesuiten und des damaligen Generalvicars der Passauer Diocese und spateren Bischofs von Wien, Khlesel. Zu derselben Zeit fiihrte des Kaisers Oheim Ferdinand die Gegenreformation in Tirol durch, wo iibrigens nur ein geringer Theil der Bevolkerung protestantiscb geworden war. Weit schwieriger stand es in Innerdsterreich, weil sich daselbst der grofite Theil des Adels, viele Burger und Bauern der lutherischen Lehre zugewendet hatten. Nachdem daselbst schon Erzherzog Karl die Gegenreformation thatkraftig begonnen hatte, vollendete sein Sohn Ferdinand mit dem Beginne des 17. Jahrhunderts die Unter- driickung des Protestantismus. Diese Erfolge reizten auch den Kaiser, entschiedener gegen die Protestanten einzuscbreiten, wodurch er aber in Ungarn einen gefahrlichen Auf stand hervorrief, an dessen Spitze der ungarische Edle Bocskay trat (1604). 2. Rudolfs Beziehungen zu Ungarn und den Tiirken. Im Jahre 1602 hatte der damalige Fiirst von Siebenhiirgen, Siegmund Bathory, sein Land an den Kaiser abgetreten. Als dieser, wie in Ungarn, so auch hier die Ausiibung des protestantischen Bekennt- nisses verbot, fiel die Bevolkerung Siebenbiirgens von ihm ab und wahlte Bocskay zu ihrem Fiirsten. Da auch die Tiirken zu des letzteren Unterstiitzung gegen den Kaiser ins Feld riickten, iibertrug Rudolf seinem Bruder Matthias die Vollmacht, mit Bocskay und den Tiirken zu unterhandeln. Mit dem ersteren kam nun der Friede von Wien zustande (1606), dem zufolge Bocskay als Fiirst Sieben¬ biirgens und des ostlichen Ungarn anerkannt und zugleich den Standen Ungarns die Ausiibung ihres Bekenntnisses gestattet wurde. Nocli in demselben Jahre vermittelte Matthias den Frieden mit den Tiirken an der Zsitva-Miindung («Zsitvatorok»); darin vvurde der gegenseitige Besitzstand anerkannt, und der Kaiser verpflichtete sich gegen Aufhebung des Jahrestributes zu dem Geschenke von 200.000 Ducaten an den Sultan. 3. Rudolf und Matthias. 1 Rudolf weigerte sich, die beiden letzten Friedensschliisse piinktlich auszufiihren, was den Aushruch neuer Verwickelungen in Ungarn befiirchten lieB. Deshalh verband sich Matthias, den die Erzherzoge zum Haupte des Hauses Habs¬ burg erklart hatten, mit den Standen von Osterreich, Ungarn und 1 Franz Grillparzer, «Ein Bruderzwist in Habsburg«. Die Gegenreformation in Deutschland etc.; der 30jalir. Krieg. 209 Mahren zur Durchfiihrung der beiden Friedensschliisse und zwang Rudolf, ihm die Regierung der drei genannten Lander zu iiberlassen und aucli die bohmische Krone zuzusichern (1608). Fiir ihren An- scbluss an Matthias erhielten die Stande Ungarns, Osterreicbs und Mahrens weitgehende religiose Zugestaudnisse. Hinter den Er- rungenschaften dieser Lander wollten aber die Stande Bohmens nicht zuriickbleiben. Sie drangen in Rudolf, und er ertheilte ihnen den Majestatsbrief (1609), dessen wesentlichste Bestimmungen waren: 1.) Alle Protestanten erhalten das Reclit, ilire Religion im ganzen Lande frei auszuiiben; 2.) die Herren, Ritter und koniglichen Stadte durfen auf ibren Gebieten Kirchen und Schulen erbauen. Gleich- zeitig schlossen die katholischen und protestantischen Stande den sogenannten Vergleich, der den ^Protestanten die Erbauung von Kirchen und Friedhofen auch auf den koniglichen Giitern gestattete. Als hierauf Rudolf seinem ehrgeizigen Vetter Leopold, dem Bischofe von Passau, mit WafEengewalt die Nachfolge in Bohmen verschaffen wollte, riefen die Stande Matthias herbei, der seinen Bruder zur Verzichtleistung auf Bohmen nothigte (1611). Im folgenden Jalire starb Rudolf. 4. Zunehmende Spannung zwischen den Confessionen in Deutschland. Diese fand in der Griindung der Union und der Liga und im julich-cleveschen Erbfolgestreit Ausdruck. a) Griindung der Union und der Liga. In der grofitentheils protestantischen Reichsstadt Donauwdrth veranstalteten die Monche eines dortigen Klosters eine Procession, bei der sie vom Pobel mit Kniitteln ins Kloster zuriickgetrieben wurden. Da der Rath die Be- schwerde der Katholiken abwies, so wurde die Stadt in die Acht gethan und Maximilian von Bajern mit der Ausfiihrung betraut. Nach kurzer Belagerung musste sich die Stadt ergeben, Maximilian besetzte sie und begann sogleich mit der Gegenreformation. Dieser Vorfall steigerte die Erregpng unter den Protestanten so sehr, dass sich sechs protestantische Fiirsten zur Union verbanden (1608), deren Haupt der calvinistische Kurfiirst Friedrich IV. von der Pfalz wurde. Daraufhin schlossen mehrere geistliche Fiirsten zum Schutze der katholischen Religion die Liga (1609), deren Fiihrung Maxi- milian ubernahm. b) Der jiilich-clevesche Erbfolgestreit. Im Jahre 1609 erlosch der Mannesstamm der Herzoge von Jiilich, Cleve und Berg. Diese Gebiete bildeten das letzte bedeutende Furstenthum in Norddeutsch- 1609 . 1608. 1609 . Zoehe-llebhann, Gesch. f. d. ob. Cl. d. Realschulen, II. 14 210 Brstet- Zeitraum. land, das noch katholisch war. Anspriiche erhoben der Kurfiirst von Brandenburg und der Pfalzgraf von Neuburg, die beide protestantisch und mit dem verstorbenen Herzoge verwandt waren, wahrend der Kaiser die Entscheidung iiber die Nachfolge fiir sich beanspruchte. Die protestantischen Fiirsten fauden in der Union und in Heinrioh IV. von Frankreich machtige Beschiltzer, dagegen gewann der Kaiser au Spanien einen Verbiindeten. So schien ein europaischer Krieg aus- zubrechen, als Heinrich ermordet wurde. Spater theilten der Branden- burger, der Calvinist, und der Neuburger, vvelcher Katholik geworden war, das erledigte Herzogtbum untereinander, ohne dass der Kaiser etwas dagegen unternehmen konnte. 1612-1619. 2. Matthias (1612-1619). Die Wahl des Matthias zum deutschen Kaiser anderte an den Verhaltnissen in Deutschland und in den habsburgischen Landern nichts, zumal da Matthias zwar ein liebenswiirdiger und kunst- sinniger, aber unselbstandiger Herrscher war, fiir den eigentlich der Wiener Bischof Khlesel die Regierung fiihrte. Da Matthias kinderlos war, adoptierte er Ferdinand von Innerosterreich, der denn auch, wiewohl nicht ohne Widerstreben, sowohl in Bohmen als Konig angenommen 1 als auch in Ungarn zum Konige gewahlt wurde. In die letzten Lebensjahre des Kaisers fallt der Ausbrucli des dreiBig- jahrigen Krieges. 1618-1648. B. Der dreicigjahrige Krieg (1618—1648). Ursache und Veranlassung des Krieges. Die Ursache war die grobe Macht des Adels in den habsburgischen Landern, der zufolge der Landesfiirst fast nur mehr als Prasident einer aristokratischen Republik betrachtet werden konnte. War doch das Recht der Truppen- und Steuerbewilligung in den Handen der Stande und reichte das sonstige Einkommen des Landesfiirsten nicht einmal zur Erhaltung einer kleinen Truppenmacht hin. Der politische Gegensatz zwischen dem Landesfiirsten und dem Adel wurde wesentlich verscliiirft durch die confessionelle Frage; im Interesse der protestantischen Religion gieng auch der Biirgerstand Hand in Hand mit dem Adel, obwohl ihm dieser keine politischen Rechte gonnte. Die Veran¬ lassung zum Kriege gab die verschiedene Auslegung, welche der 1 Die *Annalime» bedeutete die Anerkennung des Erbrechtes der Ilabsburger auf die bohmische Krone. Der bolimisch-pfalzische Krieg. 211 Vergleich seitens der katholischen und der protestantischen Stande Bohmens fand. Die letzteren behaupteten namlich im Gegensatze zu den ersteren, dass miter den koniglichen Giitern auch die Kirchen- giiter verstanden seien, weil diese wiederholt von Konigen verkauft, verschenkt und verpf&ndet worden waren. Als nun die Protestanten in Klostergrab und in Braunau Kirclien erbauten, liefi der Erzbischof von Prag, dem Klostergrab unterstand, die dortige Kircbe nieder- reiCen, wahrend der Abt von Braunau, der Besitzer der Stadt, die Braunauer an der Beniitzung ihrer Kircbe zu hindern versucbte. 1. Der bohmisch-pfalzische Krieg (1618—1623). 1618-1623. a) Der Fenstersturz in Prag (1618) und der Regierungsantritt 1618. Ferdinands II. (1619 — 1637). Als eine Beschwerde der protestan- 1619-1637. tischen Stande wegen Verletzung des «Vergleiches» beim Kaiser, welcher fiir die Zeit seiner Abwesenheit die Regierung Bohmens zebn Statthaltern iibertragen batte, erfolglos blieb, zogen ungefahr 100 protestantische Adelige unter der Fiihrurig des Grafen Matthias Thurn auf das Prager Schloss und stiirzten die beiden Stattbalter Martinitz und Slawata, denen man als Hauptfeinden der Protestanten die Abweisung der Bescbwerde zuscbrieb, und den Secretar Fabricius in den achtzehn Meter tiefen Scblossgraben (S. 139). Die Opfer des Fenstersturzes kamen indessen mit dem Leben davon und konnten sicb durch Flucht retten. Die Protestanten setzten alsbald eine provisorische Regierung von dreiBig Directoren ein, vertrieben die Jesuiten und stellten ein Heer auf, mit dessen Fiibrung sie den Grafen Thurn betrauten. Wahrend Khlesel den Weg der Unter- liandlungen einschlagen wollte, drang die Meinung Ferdinands durcb, dass man die Revolution mit Waffengewalt bekampfen miisse. Ein kaiserliches Heer unter der Ftibrung des Grafen Bouquoy ruckte desbalb in Bohmen ein und behauptete sicb daselbst gegen die Auf- standischen. Auch das katholische Ausland, namentlich Spanien, stellte dem Kaiser Unterstlitzung in Aussicht, wahrend die Union und der Herzog von Savoyen sich auf Seite der Bohmen schlugen und ihnen den Grafen Ernst von Mansfeld mit ungefahr 3000 Mann zuhilfe sandten. Da starb Matthias, und Ferdinand II. kam zur Regierung. b) Niederwerfung des Aufstandes (1620). Wahrend in Bohmen 1620. Graf Ernst von Mansfeld den Kampf gegen Bouquoy fuhrte, drang Thurn mit etwa 8000 Mann durch Mahren gegen Wien vor, um 14* 212 Erster Zeitraum. die iibrigen habsburgischen Lander fiir die Revolution zu gevfinnen. Mahren schloss sich vollstandig an Bohmen an, und in Nieder- und Oberosterreich vervveigerten wenigstens die Stande Ferdinand die Huldigung. Eine Deputation derselben wollte Ferdinand in der Burg zu Zugestandnissen bestimmen, als dieser durch die Ankunft von ungefahr dreihundert Kiirassieren und den Abzug Tburns gerettet wurde; dieser musste namlich nach Bohmen zuriickkehren, weil Mansfeld von Bouquoy vollstandig besiegt worden war. Wahrend nun Ferdinand in Frankfurt zum Kaiser gewahlt wurde, erklarten ihn die Aufstandischen der bohmischen Krone fiir verlustig und vvahlten den calvinistischen Friedrich V. von der Pfalz, einen eitlen und un- selbstandigen Mann, zu ilirem Konige, der trotz der Abmahnung seines Schwiegervaters Jakob I. von England und der meisten deutschen Fiirsten die Wahl annahm. Nun begann auch Gabriel Bethlen, seit 1613 Fiirst von Siebenbiirgen, den Krieg gegen Ferdinand. Aber auch der Kaiser blieb nicht ohne ausgiebige Unterstiitzung; der Papst versprach Hilfsgelder, der spanische Konig stellte Geld und Truppen, Maximilian von Bayern gegen Verpfanduug Oberosterreiclis die Krafte der Liga zur Verftigung, und der lutherische Kurfurst Johann Georg von Sachsen ubernahm die Unterwerfung der Lausitz und Schlesiens, wofur ihm der Kaiser den pfandweisen Besitz der ersteren zusicherte. Die ligistischen Truppen rtickten in Oberosterreich ein, ver- einigten sich mit den Kaiserlichen unter Bouquoy und zogen sodann nach Bohmen, wo nach der Entlassung Mansfelds Christian von Anhalt den Oberbefehl tiber das standisclie Heer ubernommen hatte. Infolge der Verwundung Bouquoys commandierte das vereinigte kaiserlich-ligistische Heer der Niederlander Freiherr von Tilly, ein glaubenseifriger, wohlwollender und umsichtiger Feldherr. Es gelang ihm, die feindlichen Truppen in der Schlacht a m \veiBen Berge bei 1620. Prag am 8. November 1620 nach einstiindigem Kampfe vollstandig zu schlagen. Friedrich von der Pfalz (der «Winterk6nig») floh, wurde vom Kaiser geachtet und aller seiner Lander verlustig erklart; die Union loste sich auf, und Bethlen musste mit dem Kaiser den 1622. Frieden von Nikolsburg schliefien (1622); in diesem gab er den an- gemafrten ungarischen Kdnigstitel auf, wofiir ihm der Kaiser sieben Comitate auf Lebenszeit iiberlieB und auf die Durchfiihrung der Gegenreformation in Ungarn verzichtete. Das Haus Habsburg war gerettet. Der niedersaschsisch-danische Krieg. 213 c) Bedeutung der Schlacht am \veiBen Berge. Ferdinand strafte die Rebellen Bohmens und Mahrens mit groBer Strenge; 27 Theil- nelimer am Aufstande \vurden hingerichtet, die Gtiter der Ver- urtheilten, in Bohmen drei Viertel des ganzen Landes, eingezogen. Mit dem grofiten Ernste betrieb nun der Kaiser, der eigenhandig den Majestatsbrief zerriss, die Gegenreformation; der Jesuitenorden wurde zuriickgefuhrt, und wenigstens 30.000 protestantisclie Familien wurden zur Auswanderung gedrangt. Zur kirchlichen kam die poli- tische Reaction. Im Jahre 1627 wurde Bohmen in der « vernewerten 1627. Landesordnung » fiir ein Erbland des Hanses Habsburg erklart und der Regierung die gesetzgebende Gewalt vorbehalten. Der hohe Clerus erhielt wieder Sitz und Stimme im Landtage (S. 141). Die Riickwirkung auf die iibrigen Lander des Kaisers konnte nicht ausbleiben. In Niederosterreich wurde der Katholicismus ohne viel Widerstand wieder hergestellt; in Oberdsterreich hatte die Ein- fiihrung der Gegenreformation durch die bayrische Regierung einen Bauernaufstand zur Folge, der nur durcli die grofiten Grausamkeiten unterdriickt werden konnte. Die Schlaclit am weiBen Berge ist ein Markstein in der inneren Ent\vickelung Osterreichs; sie bewirkte 1.) dass Osterreich ein katho- lisoher und absolut regierter Staat wurde; 2.) dass die Selbstandig- keit des bobmischen Staates beseitigt und dessen innige Verbindung mit den Alpenlandern ermoglicht wurde. d) Kampf um die Pfalz. Von Bohmen zog sicli der Krieg in die Rheinpfalz, welche mehrere Soldnerfuhrer, wie der Graf Ernst' von Mansfeld, der Herzog Christian von Braunsohweig und der Markgraf Georg Friedrich von Baden fiir Friedrich zu behaupten sucMen. Sie wurden aber von den spanisch - ligistischen Truppen besiegt, worauf der Kaiser dem Herzoge Maximilian die Kurivu rde iibertrug. Eiuige Jahre spater iibergab er ihm gegen Riiokgabe des verpfiindeten Oberosterreich auck die Oberpfalz. 2. Der niedersachsisch-danische Krieg (1625—1629). 3626 1629. a) Wiederausbruch des Krieges. Durch die Furcht der nord- deutschen Protestanten vor den gegenreformatorischen Bestrebun- gen des Kaisers und durch die Einmischung des Auslandes wurde der Krieg von neuem entfacht. Im Jahre 1625 brachte namlicli der franzosische Minister Richelieu einen Bund des danischen Konigs Christian IV., der Kriegsoberster des niedersachsischen Kreises und 214 Erster Zeitraum. als Herzog von Holstein zugleich deutscher Reichsfiirst war, mit England und Holland zustande, dem zufolge Christian unter Zu- sicherung franzosischer Hilfsgelder den Winterkonig, seinen Neffen, in die Pfalz zuriickfuhren solite. Anderseits beschloss nun auch der Kaiser, um von der Liga unabhangig zu sein, ein eigenes Heer anwerben zu lassen und es unter den Oberbefehl Albrecht von Wallensteins zu stellen. h) Wallenstein vor der Ubernahme des Commandos. Wallen- stein stammte aus einem protestantischen Adelsgeschlechte Bohmens, wurde aber nach dem Iriihen Verluste seiner Eltern katholisch erzogen, besucbte die Universitaten in Altdorf, Padua und Bologna und nahm dann Dienste im kaiserlichen Heer e. Durch seine Ver- • mahlung mit einer reichen Witwe gewann er grobe Gliter in Mahren und nach der Schlacht am weifien Berge auch in Bohmen, darunter die Herrschaft Friedland («der Friedlander*); durch seine zweite Ehe mit einer Grafin Ilarrach erwarb er solchen Eintluss bei Hofe, dass er in den Fiirstenstand erhoben wurde. Seine Giiter bewirtschaftete er mit grofier Sachkenntnis, so dass er stets uber sehr bedeutende Geldmittel verfiigte. Wallenstein, einer der grofiten Heeresorgani- satoren, brachte in wenigen Wochen ein Heer von mehr als 20.000 Mann zusammen, die ohne Riicksicht auf Religion und Nationalitat angevvorben wurden. Er war ein wortkarger, im Zorn furchtbarer, der Astrologie ganz und gar ergebener Mann. c) Wallenstein und Tilly im Kampfe mit Christian IV. Wallen- stein und Tilly rtickten, jeder fiir sich, in den niedersachsischen Kreis ein. Zuerst schlug Wallenstein den Ernst von Mansfeld, der 1626. in danische Dienste getreten war, bei Dessau vollstandig (1626); Mansfeld entkam zwar glticklich nach Ungarn, musste aber, als Wallenstein ihn verfolgte, seinen Riickzug weiter fortsetzen und starb in der Nahe von Sarajewo. Mittlerweile besiegte Tilly den Danenkonig bei Lutter. Bald brach auch Wallenstein gegen Christian auf, verfolgte ihn, da Tilly verwundet war, allein und machte ihn nach vvenigen Wochen widerstandsunfahig. Jetzt wollte der Kaiser die neutral gebliebenen Hansastadte fiir die Errichtung einer spanisch- deutschen Handelscompagnie gewinnen, und auch Wallenstein, der zum General des «baltischen und oceanischen Meeres^ ernannt wurde, war mit dem Plane einverstanden. doch scheiterte er an dem heftigen Widerstande der Hansastadt Stralsund. Vergebens belagerte Wallen- stein diese Stadt, die von Danemark und Schweden unterstiitzt wurde. Der sch\vedische Krieg. 215 Da rieth er selbst dem Kaiser zur Nachgiebigkeit, und so kam mit Christian der Lubecker Friede zustande (1629), demzufolge dieser 1629. die verlorenen Gebiete zuriickerhielt, vrogegen er «allen Einwirkungen anf das Reicli» entsagte. Wallenstein erhielt vom Kaiser als Ent- schadigung fiir die vorgestreckten Geldsummen die beiden Herzog- thiimer Mecklenburg, deren Fiirsten er \vegen ihres Anschlusses an Danemark vertrieben hatte. d) Das Restitutionsedict (1629). Der Kaiser stand jetzt auf dem 1629. Hohepunkte seiner Macht, und er wollte diese zur Zuriickdrangung des Protestantismus beniitzen. Deshalb erliefi er das Restitutionsedict, dessen wichtigste Bestimmung war, dass alle geistlichen Giiter, die seit dem Passauer Vertrage von evangelischen Fursten eingezogen worden waren, herausgegeben werden sollten. 1 Angesichts der grofien Aufregung, welche das Restitutionsedict hervorrief, war es klar, dass es der Kaiser nur mit Gewalt durchfuhren konnte, und gerade damals entlieB er Wallenstein. e) Wallensteins Entlassung (1630). Schon seit Jahren klagten 1630. die Reichsstande iiber die Aussaugung Deutschlands durch Wallen- steins Truppen, woran iibrigens die damalige Art der Heeresauf- stellung und Heereserhaltung die Schuld trug, so dass die ligistischen Truppen nicht weniger zu Beschwerden Anlass gaben. Wallenstein war aber allen Fursten besonders deshalb verhasst, weil er zu Gunsten der kaiserlichen Macht ganz offen auf die Vernichtung der Fiirsten- gewalt hinarbeitete. Als der Kaiser einen Kurfiirstentag nach Re¬ gensburg berief, um die Walil seines Sohnes zum romischen Konige durchzusetzen, erneuerten daher die Fursten ihre Klagen gegen Wallenstein, so dass der Kaiser seinen Feldherrn entlieB; dieser begab sich ohne Widerstreben auf seine Giiter, weil er sein Schicksal in den Sternen gelesen hatte. Gleichwohl lehnten die Kurftirsten die Wahl des Kaisersohnes zum Konige ab. Kurz vorher war der schwe- dische Konig Gustav Adolf auf Usedom gelandet. 3. Der schvvedische Krieg (1630 — 1635). 1630-1635. a) Gustav II. Adolfs Charakter und Beweggriinde zum Kriege mit dem Kaiser. Gustav II. Adolf (1611 — 1632), ein Enkel Gustavs 1,1611-1632. ist der groBte schvvedische Konig. Er war ein hervorragender Feld- herr, ein hochgebildeter, fiir Wissenschaft und Kunst hegeisterter 1 Davon wurden zwei Erzbisthumer, Bremen und Magdeburg, zwolf Bis- thiimer und mehr als 500 Abteien, Stifter, Kloster und Kirchen betroffen. 216 Erster Zeitraum. Herrscher, ein offener und ritterlicher Charakter. Personliche, reli- giose und politische Grande veranlassten ihn, sich in den Gang des dreifiigjahrigen Krieges einzumischen. Er war von Wallenstein be- leidigt vrorden, da dieser die ihm verwandten Herzoge von Mecklen- burg vertrieben hatte. Durch die von dem Kaiser betriebene Wieder- herstellung des Katholicismus in Norddeutschland sab der streng evangelisch gesinnte Konig schon den Protestantismus seines eigenen Lan des bedroht. Vor allem aber trieb ihn zum Kriege gegen den Kaiser dessen Plan, eine deutsche Seemacht in der Ostsee zu be- grtinden, die er selbst zu einem geschlossencn schwedischen Meere machen wollte, wozu er bereits den Anfang gemacht, indem er den Russen Ingermanland und Karelien, sowie den Polen Livland und einen Theil WestpreuBens entrissen hatte. h) Gustav Adolfs Erfolge (1630 — 1632). Gustav Adolf, der liber ein Heer von 40.000 Mann verfiigte und von Frankreich Hilfs- gelder erhielt, hoffte auf den Anschluss der deutschen Protestanten, fand aber nur an den Reichsstadten Bundesgenossen, wiihrend sich die Fursten fast ausnahmlos von ihm fernhielten; er musste sich daher mit Waffengewalt den Weg durch Norddeutschland bahnen. Tilly, der Befehlshaber der kaiserlich-ligistischen Truppen, schritt zur Belagerung Magdeburgs, das eine schwedische Besatzung unter dem Obersten Falkenberg aufgenommen hatte. Wahrend Gustav Adolf mit dem Kurfursten von Sachsen Unterhandlungen pflog, eroberte Tilly Magdeburg. Doch nur als ein Triimmerhaufen fiel die Stadt in seine Hande, da Falkenberg ihre Eiuascherung veranlasst hatte. Tilly wendete sich hierauf gegen den Kurfursten von Sachsen, der infolgedessen offen zu Gustav Adolf tibertrat; letzterer schlug Tilly bei Breitenfeld (1631) vollstandig, worauf die Sachsen in Bohmen einriickten, Gustav Adolf durch Franken an den Rhein marschierte und Tilly sich nach Bayern zuriickzog. Die Liga war zersprengt. Im Jahre 1632 drang Gustav Adolf auch gegen Bager n vor und besiegte Tilly beim Stadtchen Rain. Tilly war vervvundet worden und starh bald darauf. Nunmehr war ganz Deutschland dem Schwedenkonige preisgegeben. c) Wallensteins zweites Generalat; die Schlacht bei Liitzen. Bald nach der Schlacht bei Breitenfeld hatte sich der Kaiser neuerdings an Wallenstein gewendet, der sich aber erst nach langeren Unter¬ handlungen gegen Einraumung auBergewolmlicher Vorrechte bereit erklarte, ein Heer von 40.000 Mann aufzustellen und dessen Fiihrung Der schwedisehe Krieg. 217 zu ubernehmen. Neben dem unbeschrankten Oberbefehl iiber alle Truppen im Reiche und dem Rechte der Ernennung aller Officiere wurde Wallenstein auch die Vollmacht, Friedensunterliandlungen einzuleiten, zugestanden und eine Entschadigung fiir Mecklenburg, das Gustav Adolf den vertriebenen Herzogen zurtickgegeben hatte, in Aussicht gestellt. Wallenstein verdrangte zunachst die Sachsen aus Bohmen und zog dann nach Franken, wo Gustav Adolf bei Niirnberg eine feste Stellung bezogen hatte. Wallenstein that dasselbe, und so lagen sich heide Feldherren sieben Wochen gegeniiber. Endlich begann der Schwedenkonig den Angriff, wurde aber zuruckgeschlagen; es war sein erster Misserfolg. Als er nun nach Siiden zog, wandte sich Wallenstein gegen den Kurfiirsten von Sachsen. Da kehrte Gustav Adolf zu dessen Unterstutzung rasch um, und so kam es zur Schlacht bei Liitzen (1632), 1 in der die Schweden nach blutigem Ringen den Sieg davontrugen. Gustav Adolf selbst aber fand den Tod im Handgemenge mit den feindlichen Reitern, deren Anfiilirer Pappenheim todlich verwundet wurde. Wallenstein fiihrte seine Truppen in die Winterquartiere nach Bohmen. Bei den Schweden wurde nach dem Tode ihres Konigs, der nur eine minderjahrige Tochter, Cliristine, hinterliefi, die militarische Leitung den beiden tiichtigsten Generalen aus der Schule Gustav Adolfs, dem Herzoge Bernhard von Weimar und Gustav Horn, die diplomatische dem beriihmten Reichskanzler Axel Oxenstierna iibertragen. d) Wallensteins Verrath und Ende. Wahrend die Schweden Fortschritte in Franken, in der Oberpfalz und am Oberrhein machten, beschrankte sich Wallenstein darauf, die Liicken seines Heeres zu erganzen und einen Zug nach Schlesien zu unternehmen, auf dem er den Grafen Thurn gefangen nahm, um ihm aber alsbald wieder die Freiheit zu schenken. Seine iibrige Zeit fiillten seit dem Sommer des Jahres 1633 hauptsachlich Unterhandlungen mit Brandenburg, Sachsen, den Sclnveden und den bohmischen Emigranten aus, deren Zweck war, einen ihm genehmen Frieden selbst gegen den Willen des Kaisers zustande zu bringen. Sein Vorgehen musste in Wien groBes Misstrauen hervorrufen, und der Kaiser erwog, von Wallen- steins Gegnern ermuntert, die abermalige Absetzung seines Feldherrn. 1 Die Gegend um Leipzig, wo das norddeutsclie Tiefland weit nach Siiden vordringt, ist einfis der wichtigsten Schlaclitfelder Europas. 1632 . 218 Erster Zeitraum. Wallenstein hatte nacli seiner Ruckkehr aus Schlesien in Pilsen Quartier genommen. Da er von der Stimmung in Wien Kunde hatte, suchte er sich der Armee ura j eden Preis zu versichern. Er berief deshalb die meisten Generale und Obersten nach Pilsen und liefi die Erscbienenen bei einem Bankette die schriftliche Erklarung ansstellen, unter allen Umstanden bei ihm auszuharren. Schon dadurcb begieng Wallenstein Verrath gegen den Kaiser, der nunmehr seine Absetzung wirklich anssprach und an den Grafen Gallas ein Patent sandte, worin die Officiere ihrer Verpflichtungen gegen Wallenstein enthoben wurden. Das Patent wurde uberallbin versendet, und rascb begann der Abfall im Heere Wallensteins. Mit nur wenigen getreuen Trujipen zog er nach Eger, um den Sachsen naher zu sein. Hier wurden bei einem Bankette auf der Burg zunachst seine vier vertrautesten An- banger durch Iren vom Regimente des Obersten Buttler ermordet und sodann er selbst in seiner Wohnung in dem Hause des Btirger- meisters auf dem Marktplatze vom Hauptmanne Deveroux mit einer 1634. Lanze erstochen (24. Februar 1634). Die Ermordung Wallensteins war eine eigenmachtige Tbat Buttlers, doch erhielten alle Theil- nehmer an dem Verbrechen reichliche Belohnungen, das gesammte Vermogen Wallensteins wurde eingezogen. 1636. e) Der Prager Friede (1635). Nacli Wallensteins Ermordung trat an die Spitze des Heeres des Kaisers Solin Ferdinand. Dieser erfocht bei Nordlingen einen vollstandigen Sieg iiber die Schweden unter Bernhard von Weimar und Horn, so dass Siiddeutschland von den Schweden geraumt wurde und der Kurfurst von Sachsen mit dem Kaiser den Prager Frieden schloss, demzufolge die Durch- filhrung des Restitutionsedictes auf vierzig Jahre hinausgeschoben, d. h. thatsachlich aufgehoben und dem Kurfiirsten die verpfandete Lausitz endgiltig iiberlassen wurde. Da sicli dem Prager Frieden bald die meisten Reichsstaude anschlossen, so wurde der Krieg nur mehr zu Gunsten der Schweden und Franzosen fortgesetzt, indem die Niederlage der ersteren die letzteren veranlasste, an Deutsch- land und Spanien den Krieg zu erklaren. 1635-1648. 4. Der schvvedisch-franzosische Krieg (1635—1648). Die letzte Pbase des groben Krieges wickelte sich auf zwei Scbauplatzen ab: in Niederdeutschland, wo die Schweden unter Ban6r, in Oberdeutschland, wo die Franzosen unter Bernhard kampften. Bauer schlug die kaiserlicben und die sachsischen Truppen Der westfalische Friede. 219 bei Wittstock (1636) ganzlich. Im nachsten Jahre starb Ferdinand II.; 1636. sein Nachfolger war sein Solm Ferdinand III. (1637 —1657). Der 1637-1667. Thronwechsel auderte aber am Gange des Krieges nichts; immer mehr artete er in einen wilden Vernichtungskampf aus, so dass aus blofier Zerstorungswuth der entmenscbten Soldtruppen die Lander grauenhaft verwiistet und die Einwohner entsetzlich verstiimmelt und hingeschlaclitet wurden. Im Jahre 1639 starb Bernhard, der am Oberrheine nicht ohne Gliick gekampft hatte. Gegen die franzosischen Generale aber, welche an seine Stelle traten, behaupteten sich die Bayern im ganzen, vrahrend Torstenson, welcher nacli dem Tode Baners die Fiihrung der Schweden iibernahm, die kaiserlicheii und die sachsischen Truppen bei Breitenfeld (1642) vollstandig besiegte. Wiederholt fiel Torstenson 1642. verwiistend in Schlesien, Mahren und Bohmen ein und drang sogar bis gegen Wien vor. Die Lage des Kaisers war umso ungiinstiger, als sich damals auch Georg I Rakoczj, der Nachfolger Bethlens in Siebenbiirgen, seinen Feinden anschloss und Spanien (S. 207) ihn wenig unterstiitzen konnte. Da sich aber Torstenson zu schwach fiihlte, um Wien zu belagern, zog er sich wieder nach Mahren zuriick, belagerte Briinn ohne Erfolg und legte, nachdem inzwischen Rakoczy mit dem Kaiser Friede n geschlossen hatte, den Oberbefehl zu Gunsten Wrangels nieder. Mit dessen Zustimmung zog der schwe- dische General Konigsmark nach Bohmen und besetzte einen Theil von Prag. Da endlich erscholl die Nachricht vom heifi ersehnten Friedensschlusse. 5. Der westfalische Friede (1648). 1648. Die Unterhandlungen liber den Frieden ftihrten namentlicli der hohen Forderungen Frankreichs halber lange zu keinem Ziele; sie wurden mit den Franzosen zu Munster und mit den Schweden zu Osnabriick gepflogen. Die Bestimmungen waren kirchlicher, terri- torialer und politischer Art. a) Kircliliche Bestimmungen. Der Augsburger Religionsfriede wurde auch auf die Calvinisten ausgedehnt. Als Normaljahr fiir den Besitz der Kirchengiiter und die confessionellen Verhaltnisse wurde das Jahr 1624 festgestellt, d. h. alle Kirchengiiter, welche die Protestanten bis zum 1. Janner dieses Jahres eingezogen hatten, sollten ihnen verbleiben und die Unterthanen der Reichsstande bei derjenigen Confession belassen werden, zu der sie sich damals 220 Erster Zeitraum. bekannt Jiatten; es horte somit das Reformationsrecht der Landes- herren auf. Nur hinsichtlich seiner Erblander machte der Kaiser keine Zugestandnisse. b) Territoriale Bestimmungen. Frankreich erhielt das oster- reichische Ober- und Unterelsass, aufierdem noch Breisach. An Sch\veden wurde Vorpommern, ein Theil von Hinterpommern, dann die Stifter Bremen und Verden mit Ausnahme der Reichsstadt Bremen abgetreten, so dass es drei Flussmundungen beherrschte; es wurde deutscher Reicbsstand. Brandenburg erhielt den Rest Hinterpommerns und die sacularisierten Stifter Minden, Halberstadt und Magdeburg. Dem Soline des Winterkonigs wurde die Rheinpfalz zuriickgegeben und fiir ihn die achte Kunviirde errichtet. Endlich wurde die Un- abhangigkeit der Schweiz und Hollands anerkannt. c) Politische Bestimmungen. Wahrend bisher rechtlich nur die Kurfiirsten die unbedingte Landeshoheit besafien, wurde sie nun allen Fiirsten zugestanden und ihnen folgerichtig auch das Recht ertheilt, untereina.nder und mit dem Auslande Biindnisse zu sclilieBen, nur sollten diese nicht gegen den Kaiser und das Reich gerichtet sein. Die Landeshoheit war eine wirkliche Staatsgewalt, daher der Spruch: «Jeder Reichsstand ist Kaiser in seinem Land.» Hiemit war demuach der Zerfall des Reiches besiegelt. 6. Deutschland am Ende des dreiBigjahrigen Krieges. a) Politische Zusiande. Der Kaiser war in allen wichtigen An- gelegenheiten, wie Gesetzgebung, Steuerweseu und Kriegserklarung, an die Zustimmung des Reichstages gebunden. Noch walirend des Krieges wurde der Reichstag von Fali zu Fali einberufen und von den Reichsstanden selbst besucht; seit dem Jahre 1663 tagte er aber ununterbrochen (der «immerwahrende» Reichstag) in Regensburg und bestand aus den Abgesandten der Reichsstande. Diese beriethen getrennt in den Curien der Kurfiirsten, Fiirsten und Reichsstadte ; l zu einem giltigen Beschlusse («Reichsschluss») war die Uberein- stimmung aller Curien erforderlich. Da iiberdies die Abgesandten bei wichtigen Anlassen erst die Entscheidung ihrer Herren einholen mussten, so war der Geschaftsgang ein auBerst schleppender, vas bei einem Angriff auf das Reich sehr verderblich werden konnte. Von den Beitragen zur Erhaltung des Reichskammergerichtes ab- gesehen, gab es keine regelmafiige Reichssteuer; der Kaiser bezog ' Die Reichsritter waren auf dem Reiclistage niclit vertreten. Es traten daher im Gegensatze zu England (S. 154) der niedere Adel und der Biirgerstand stark zuriick. Deutschland am Ende des dreifiigjahrigen Krieges. 221 als Oberhaupt des Reiches nur wenige tausend Gulden. Ebenso schlimm stand es mit dem Heerwesen. Ein Reiehslieer wurde erst im Bedarfsfall aus Soldnern gebildet. b) I Vi ris c h aftlic h e und sociale Z ust an de. Der dreifiigjahrige Krieg ist in seinen verderblichen Wirkungen' mit dem peloponnesischeu und dem Rosenkriege in England zu vergleiehen. Deutschland verlor damals ungefahr zwei Drittel seiner Bewohner; * 1 so soli die Bevolke- rung Bohmens von zweieinhalb Millionen auf 700.000 herabgesunken sein. Gewerbe, Handel und Industrie waren ganz verfallen. Weite Landstrecken waren zur Wildnis geworden, und Wolfe streiften in groben Rudeln umher. Entlassene Soldner wurden zu Raubern, die ganze Bevolkerung var verwildert, Unsittlichkeit und Unwissenheit traten tiberall zutage. Ganz besonders bltihte damals der Hexenwahn, der selbst Kinder nicht schonte und erst gegen Ende des 18. Jalir- hunderts in Europa ein Ende nahm. 2 An die Stelle des friiheren Selbstgefuhls trat ein kneehtischer Sinn, der den deutschen Namen auf lange Zeit im Auslande verachtlich machte und den Sieg des Alamodewesens erleichterte. Da der einzelne nur von seinem Landes- herrn, nicht mehr vom Reiche Rettung hoffte, machte das National- gefiihl einem beschrankten Particularismus platz, der die landes- fiirstliche Macht steigerte. Wahrend im Zeitalter des Humanismus der Biirgerstand die geistige Fiihrung der Nation hatte, verdrangt ihn jetzt fiir ungefahr 150 Jahre der A del, der die hoheren Stellen fast aussclilieblich erhielt. c) Geistige Zustande. Bis zum Ende des 17. Jahrhunderts behauptete die lateinische Sprache die Alleinherrschaft in den ge- lehrten Schulen und in der Wissenschaft. Der Verfall der deutschen Sprache (S. 166) wurde namentlich durch die Aufnahme zahlreicher Fremdwdrter befordert, dem Meistergesange bereitete der Krieg im allgemeinen den Untergang. Auf dem Gebiete der Poesie ist auber einigen Kirchenliedern nur der satirische Roman Simplicissimus von Christoph von Grimmelshausen von dauernder Bedeutuug. Nicht minder traurig sah es in der Kunst aus. Die wenigen Kunstwerke, welche die Fiirsten ins Leben riefen, ruhren von Auslandern, nament¬ lich Italienern, Franzosen und Niederlandern, her. Durch den unheilvollen Krieg wurde Deutschland in seiner Entvickelung um mehr ere hundert Jahre zuriickgeworfen. k 1 Die Bevolkerung Deutschlands mag vor dem Kriege 25 Millionen betragen liaben; sie erreichte erst 1820 wieder diese Hohe. 2 In Mexico wurden nocli 1874 in Gegenwart des Gouverneurs zwei IIexen verbrannt1 222 Lage der imTexte nicht naher bezeiclmeten, weniger bekannten Orte. Lage der im Texte nicht naher bezeichneten, weniger bekannten Orte. Adrianopel (= Hadrianopel) siehe I., S. 208. Akkon s. v. Tyrus. Alessandria nw. v. Genua. Aller, r. Nebenfluss der Weser. Altdorf bei Niirnberg. Ainalfi so. v. Neapel. Amiens n. v. Pariš. Amselfeld, Ebene arn Nordabhang des Schar Dagh. Ancona a. d. Ostkiiste Mittelitaliens, so. v. Ravenna. Antiocbia siehe I., S. 207. Aquino n. v. Neapel. Arles im Miindungsgebiete der Rhone. Ascalon sw. v. Jerusalem a. d. Kiiste. Astura s. v. Rom a. d. Kiiste. Aurach. Dorfer dieses Namens in Ober- und Mittelfranken, Tirol (Bez. Kitzbiihel) und Oberosterreich (Bez. Vocklabruck). Avignon siehe I., S. 207. Azincourt so. v. Calais. Beirut n. v. Sidon. Bergamo no. v. Mailand. Bergen a. d. Siidwestkiiste Norwegens. Bockelheim zwischen Trier und Mainz. Bologna siehe I., S. 207. Bosivorth nw. v. London. Bouvines no. v. Amiens. Braunau im no. Bohmen. Breitenfeld n. v. Leipzig. Brescia w. v. Gardasee. Brielle w. v. Rotterdam. Briigge w. v. Antwerpen. Calicut a. d. Siidvrestkiiste Vorder- indiens. t Calmar in Sehweden gegeniiber v. Oland. Cambrai a. d. oberen Schelde. Canossa so. v. Parma. Canterbury so. v. London. Catalaunische Felder bei Chalons sur Marne. Chartres sw. v. Pariš. Chartreuse no. v. Grenoble. Chateau-Cambresis 6. v. Cambrai. Citeaux no. v. Cluny. Clarendon sw. v. London. Clairvaux n. v. Citeaux. Clermont w. v. Lyon. Cleve nw. v. DUsseldorf. Cluny n. v. Lyon. Colonne Cap a. d. Ostkiiste Calabriens. Como am Comosee n. v. Mailand. Compiegne no. v. Pariš. Cordova siehe I., S. 208. Cortenuova w. v. Brescia. Culm unweit derWeichsel n. v.Thorn. Crecy nw. v. Amiens. Cremona siehe I., S. 208. Crepy no. v. Pariš. Damaskus 0 . v. Libanon. Damiette a. d. Mdg. des ostlichen Nilarmes. Dessau nahe der MUndung der Mulde i. d. Elbe. Deutschbrod so. v. Prag. Doffingen sw. v. Stuttgart. Dokkum in Friesland unweit der Nordsee. Domremy sso. v. Verdun. Doornik (Tournay) a. d. Schelde sw. v. Gent. Doryliium so. v. Nicaa. Donauworth no. v. Ulm. Durazzo a. d. Kiiste Albaniens. Diinkirchen no. v. Calais. Dyle mtindet oberhalb Antwerpens i. d. Schelde. Ebrach w. v. Bamberg. Edessa no. v. Antiocbia. Edinburg a. d. Siidkiiste des Firth of Forth. Egerisee im Canton Zug. Lage der im Texte nicbt naber bezeichneten, weniger bekannten Orte. 223 Ehrenberger Klause nw. v. Innsbruck. Eichstadt w. v. Regensburg. Eider, G-renzfluss zwischen Scbleswig und Holstein, miindet i. d.Nordsee. Eisenach w. v. Weimar am Fufie der Wartburg. Eisleben w. v. Halle. Eresburg s. v. Paderborn. Erfurt w. v. Weimar. Ermeland in Ostpreufien. Ferrara no. v. Bologna. St. Florian so. v. Linz. Forchhoim s. v. Bamberg. Freiburg im Breisgau. Frankenhausen sw. v. Eisleben. Freising n. v. Miinchen. Friedland im n. Bohmen am Fufie des Isergebirges. Fritzlar sw. v. Kassel. Fulda a. d. Fulda s. v. Kassel. Gandersheim w. v. Goslar. Geismar nw. v. Fritzlar. San Germano n. v. Neapel. Gnesen no. v. Posen. Goa n. v. Calicut. Gollheim w. v. Worms. Gothland, Insel i. d. Ostsee. Gottweih no. v. Melk. Granson am Neuenburger See. Gravelingen o. v. Calais. GUns s. v. Odenburg. Guernsey, Insel im Canal 1. M. Gurlt nw. v. Klagenfurt. Halberstadt sw. v. Magdeburg. Hase, r. Nebenfluss der Emsr Hastings am Canal 1. M. Heiligenkreuz sw. v. Wien. Hersfeld n. v. Fulda. Iconium so. v. Dorylaum. Ingelheim sw. v. Mainz. Ingolstadt sw. v. Regensburg. Innichen im Pusterthale. Irminsaule in der Nake der Eresburg. Ivrea unweit Turin. Jersey, Insel im Canal 1. M. Joppe s. v. Akkon. Jiilich w. v. Koln. Kaiserswerth n. v. Koln. Kappel s. v. Ziirich. Klostergrab w. v. Aussig. Kremsmunster so. v. Linz. Kroiflenbrunn nahe der March- miindung. Landstuhl w. v. Speyer. Legnano nw. v. Mailand. Lepanto am korinthischen Meerbusen. Leyden n. v. Rotterdam. Liegnitz w. v. Breslau (a. d. Katz- bach). Lilienfeld s. v. St. Polten. Lipan 6. v. Prag. Lodi a. d. Adda so. v. Mailand. Lowen no. v. Briissel. Loyola i. d. span. Provinz Biscaya. Liitticb o. v. Briissel. Ltitzen sw. v. Leipzig. Lutter nw. v. Goslar. Mansura sw. v. Damiette. Marignano no. v. Mailand. Marienburg a. d. Nogat so. v. Danzig. Mergentheim o. v. Heidelberg. Marseille siehe I., S. 208. Melk w. v. St. Polten. Merseburg w. v. Leipzig. Mersen nw. v. Aachen. Mies w. v. Pilsen. Minden a. d. Weser. Mohacs so. v. Funfkircben. Monte Cassino nw. v. Neapel. Montferrat, ehem. Markgrafschaft nw. v. Genua. Morgarten, Bergabhang tiber dem Egerisee. Mosul r. am Tigris. Miiblberg nw. v. Dresden. Muhldorf a. Inn w. v. Braunau. Murten nb. v. Granson. Nafels n. v. Glarus. Nancy s. v. Metz. 224 Lage der im Texte nicht naher bezeichneten, weniger bekannten Orte. Nantes unweit der Mdg. der Loire. Naseby n. v. London. Nicaa siehe I., S. 209. Nicopolis a. d. Donau no. v. Sofia. Nordlingen nw. v. Donauworth. Nowgorod a. Volchov s. v. Petersburg. Orleans a. d. Loire sw. v. Pariš. Ormus am Eingang i. d. persischen Meerbusen. Osnabriick no. v. Miinster. Otranto a. d. gleichnamigen Meeres- straliie. Oxford nw. v. London. Pamplona so. v. Loyola. S. Paul a. d. Lavant no. v. Klagenfurt. Poitiers s. v. Tours. Premontrd no. v. Pariš. St. Quentin no. v. Pariš. liain nahe a. d. Mdg. des Lech. Ravenna d. v. Bologna. Reicbenau, Insel im Bodensee. Reims no. v. Pariš. Rense s. v. Coblenz. Reutlingen w. v. Ulm. Rimini sielie I.. S. 207. Rouen nw. v. Pariš. Saj o, r. Nebenfluss der Theifi, miindet unterhalb des Bodrog. Saleph, Fluss in Sicilien. Salerno so. v. Neapel. Salesbury sw. v. London. Saragossa siehe L, S. 209. Sehlei, lange, schmale Bucht a. d. Ostkiiste v. Schleswig. Schmalkalden so. v. Eisenach. Schonen, Landschaft im stidl. Theile Sclrvvedens. Scurcola no. v. Rom. Seckau no. v. Judenburg. Sempach am gleichnamigen See im Canton Luzern. Senlis no. v. Pariš. Sevilla am unteren Guadalquivir. Sluys a. d. Nordsee no. v. Briigge. Soissons no. v. Pariš. Somme miindet no. v. d. Seine i. d. Canal 1. M. Spoleto zwischen Rom und Ancona. Stralsund gegeniiber der Insel Riigen. Siintel, Berg zwischenWeser u. Leine. Sutri nw. v. Rom. Sziget w. v. Mohacs. Tabor sso. v. Prag. Tagina w. v. Ancona. Taus sw. v. Pilsen. Teutoburger W. siehe I., S. 209. Thorn s. v. Culm. Tolosa (= Toulouse) a. d. Garonne. Toledo am Tajo. Toul sw. v. Metz. Tours sw. v. Orleans. Trausnitz n. v. Regensburg. Tribur i. d. Nahe v. Mainz. Troyes so. v. Pariš. Urach, Name einer Stadtin Wiirttem- berg und eines Dorfes in Baden. Urbino nw. v. Ancona. Usedom, Insel gegeniiber Stettin. Varna in Bulgarien a. d. Kiiste des Schwarzen Meeres. Vassy sw. v. Toul. Verdun o. v. Reims. Viterbo n. v. Rom. Voullon hei Poitiers. Weinsberg so. v. Heidelberg. Wittenberg so. v. Magdeburg. Wittstock nw. v. Berlin. IiVurzburg w. v. Bamberg. Xeres de la Fontera sw. v. Sevilla. San Yuste sw. v. Madrid. Zab, 1. Nebenfluss des Tigris. Zsitva, 1. Nebenfluss d. Donau, miindet unterhalb Komora. Zwettl nw. v. Krems. Stammtafeln. 1. E> ie frankischen Oynastien e,) IDIe Meroudng-er. Merowech Ghilderich 1. f 481 Chlodowech I. f 511 Audefleda j (Gemahlin Theoderichs d. Gr.) Theoderich I. f 534 Ghlodomer f 524 Ghildebert I. f 558 G h lot h ar I. f 561 Theodebert I. f 518 Ghaiibert f um 570 Guntram f 594 Sigebert, ermord. 575 Chilperich, errnord. 584 (Gemahlin: Brunhilde, (Gemahlin: Fredegunde hingerichtet 613) f 597) Ghildebert II. f 571 Ghlotar II. f 628 Theodebert II. Theoderich 11 Dagobert 1. t 612 f 613 f 638 Chlodowech II. f 656 • Ghlothar III. f 670 Ghilderich II. (bis 673) Ghilperich II. -j- 720 Ghilderich III. (bis 751) To) IDIe Ha,roli:ngr©2- Arnulf von Metz Pippin der Altere f 639 Ansegisel Begga Grimoaid (hingerichtet) Pippin der Mittlere f 714 Grimoaid Karl M a rte 11 f 741 Karlmann Pippin der Kurze f 768 Karlmann 1.) Karl d. Gr. f 814 f 771 2) Ludwig der Fromme f 840 3.) Lothar I. f 855 Pippin Ludwig II. der Deutsche 5.) Karl II. der Kahle | f 876 f 877 4.) Ludwig II. Lothar Karlmann Ludwig 6.) Karl III. der Dicke f 875 f 869 v. Bay. rn f 888 7.) Arnulf f 899 Ludwig III. das Kind f 911 Die den Namen vorgesetzten Zahlon bezeichnen die Kaiser. Ludwig V. f 987 (letzter westfrankischer Karolinger) Die Dynastien a.) IDie saciLsIscli.erL Kstiser. Heinrich I. f 936 Thankmar f 938 Otto I. f 973 Heinrich (I,), Herzog v. Bayern, f 955 Liudgard (Gemahl: Herzog Konrad v. Lothringcn) Liudolf, Herzog v. Schwaben, f 957 Otto II. f 983 Hedwig (Gemahl: Burkhard, Herzog v. Schwaben) Heinrich (II.) der Zanker f 995 Brun, Erzbisehof v. Koln, f 965 Otto III. f 1002 Heinrich (III.) II. Gisela der Heilige (Gemahl: Stephan f 1024 v. Ungarn) To) IDie frazilszisclb.enn. ZE