Zur Statistik / der Kindesmorde in Krain. Von Scparatabdruck aus der .,^ei(si hrift fur gerichtliche Medicin, iSll'entliche Gcsundheitspflege und Medlcinalgesetzgebung". Wien, 1868. Druek und Papier von Leopold Sommer. Selbstverlag des Verfassers Da die sogenannte Findelhausfrage denmachst wie in ande- ren Kronlandern Oesterreichs auch in Krain zur Discussion kom- men wil'd, so schien mir das Betreten jedes Weges, weleher in irgend einer Richtung zur Beantwortung dieser hochwichtigen, tief in das sociale Leben eingreifenden Frage fuhren konnte, nielit nur angezeigt, sondern gebotea, nnd so entstand diese Ar¬ beit, indem ich glaubte, dadurch, dass icb speeieil die seit einer langeren Keihe von Jahren beim hiesigen k. k. Landesgerichte stattgefundenen Kindesmordproeesse einer geeigneten anaiyti- schen Wurdiguug unterziehen wurde, hiezu taugliches und ver- wendbares Material zu erwerben. Ich dachte mir auf diesem noeh von niemand Anderem eingeschlagenen Wege mindestens einen gerade nicht unrichtigen, in den zum Endziele fuhrenden Haupt- weg einmundenden Nebenweg betreten zu haben; ob meine Hoff- nung auf diesem, vom Actenstaube strotzenden, muhsamen Wege erreicht wurde oder nicht, will ich dahingestellt sein lassen, je- denfalls war mein Wide gut. Im wohlverstandenen Interesse des angeregten Gegenstandes wurde mir in hochherziger Weise vom Herrn Prasidenten Dr. Luschin die Benutzung der Registratur des hiesigen k. k. Lan- desgerichtes in jeder Richtung zur Losung der gestellten Aufgabe gestattet, woffir ich daher nochmals an dieser Stelle demselben meinen ergebensten Dank ausspreche, zngleich den P. T. Herren Registratursbeamten Baltitsch, Janeseh und Wiesler fur ihre mir erwiesene freundliche Unterstiitzung bei Aushebung der Aeten dankend. Die Arbeit umfasst den Zeitraum vom Jahre 1833 bis inclu¬ sive 1866, somit 31 Jahre, und muss ferner bemerkt wer len, dass bis zum Jahre 1850 das hiesige Landesgericht seine Gerichtsbar- keit uber das gauze Herzogthum Krain erstreckte, wiihrend es seit diesem Zeitpuncte nur Ober- und Inuerkrain umfasst. Bei diesem Gerichte waren in diesem Zeitraume 228Kindes- mordprocesse anhangig; hievon wurden 153, i. e. 67'1 Perc. ab instantia freigesprochen, 1, i. e. 0'4 Perc. wurde wahrend der 4 Untersuchung fluchtig, 2, i. e. 0-8 Perc. wurden wegen gemeinen Mordes und 72, i. e. 31'7 Perc. wegen vollbraehtea oder ver- suehten Kindesmordes verurtheilt. Unter den vom Kindesmorde ab instantia Freigesprochenen, jedoeh wegen Verheimlichung der Geburt verurtheilten Fallen waren sehr viele , welche zweifelsohne von Schwurgerichten nicht freigesproehen worden waren, aber auch viele, welche vom Morde gewiss ganz freigesproehen worden waren; diese vielen ab instant!a-Lossprechungen sprechen wohl auch treffend fur die Zweckmassigkeit der endlich beschlossenen Aufhebung dieser Verurtheilung. Obwohl nicht strenge zur gestellten Aufgabe gehorig, diirfte es dennoch von allgemeinem Interesse sein, zu erfahren, dass wahrend des oben angegebenen Zeitraumes wegen einfacher Verheimlichung der Geburt ohne irgend welchen verdaehtigen Anhaltspunct eines stattgefundenen oder versuchten Kindes¬ mordes nur 12 verurtheilt wurden; Kindesweglegungen kamen 53 und Fruchtabtreibungen 92 zur Kenntniss des Gerichtes. Den eigentlichen Gegenstand dieser Arbeit bilden somit 74 iiberwiesene Kindesmorderinnen.*) Mein Plan ist nun dahin gerichtet, diese Falle zu zergliedern, d. h. auf die verschiedenen ursachlichen Momente, wie Alter, Stand, aussere Verhaltnisse u. s. f, Riicksicht zu nehmen. I. Alter der Kindesmorderinnen. Dieses ist aus der naehfolgenden Tabelle I zu ersehen. Tabelle I. Jahre alt = 74 = 100-0 P. Vordem 20. Lebensjahre ereignete sich kein Kin- desmord, dagegen fallt die grosste Zahl vonKindesmorden zwischen das 20. bis inclusive 30. Lebensjahr, in welchem letztgenannten Jalire uberhaupt absolut die meisten Morde (13'5 Perc.) stattfanden, um alsdann von Jahr zu Jalir stetig abzu- nehmen. Klarer tritt das Alter der KindesmOrderinnen als ein Mo- *) Ieh habe — meiner Ausicht naeh nicht rait Unrecht — die zwei ob gemeinen Mordes Verurtheilten mit einbezogen. meut zur Beurtheilung des Factums hervor, wenn man es mit der Zahl der vorangegangenen Geburten in Verbindung bringt, wie dies Tabelle II zeigt. Tabelle II. Von Primiparis wurde der Kindesmord unbedingt am hau- figsten zwischen dem 20. und 25. Lebensjahre vollfiihrt; es sind ja dies auch die eigentlichen Jahre der Madchenschaft, und steht damit auch das Resultat in Punct XII in Uebereinstimmung. Bei den Multiparis, speciell II- und Illparis, liefert der Zeit- raum yom 26. bis 30. Lebensjahre die grOsste Zahl von Kindes- morden. Wahrlich vereinzelt stehen die beiden Kindesmorde im 44. und 50. Lebensjahre; ersterer betraf eine Illpara verheiratete Bauerin; selbe furchtete sich vor ihrer Schwester, dass sie, selbst so alt, noch immer Kinder bekomme, und noch dazu mit einem 60jahrigen Manne, woriiber sie sich besonders schamte; sie er- stickte das Kind in einer Truhe. Die 50jahrige war eine ledige Magd, eine Frommlerin, sie schutzte ihre Nothlage vor, da der Kindesvater von dem Kinde nichts wissen wollte; selbe gebar in Laibach im October am Ab- orte, warf das Kind in die Seukgrube und goss noch uberdies einige Schaff Wasser auf dasselbe; durch Zufall wurde das Kind gerettet. II. Ob Erst-oder Mehrgebarende? Gleieh mir werden wohl Viele die sichere Meinuug hegen, dass nahezu alle Kindes- mOrderinnen Erstgeschwangerte seien, wahrend thatsachlich hie >• 6 von 28 (37 9 Perc.) Multiparae waren, und zwar 19 Ilparae 6, lllparae und je 1 eiue IV-, VI. und Vlllpara. III. Beziiglich des Standes] waren: ledig 68, i. e. 9D9 Perc., verheiratet 4 und Wittwen 2. Die Verheirateten -waren 2 Ilparae und je eine III- und Vlllpara; die W ittwen je eine II- und VIpara, somit psycholo¬ gist interessant, dass in beiden Kategorien uur Multiparae diese That veriibten. IV. Die Beschaftigung der Kindesmbrderinnen er- gibt sien aus folgender absteigender Scala: 74, id est 1()0 0 Perc. Ms ereignete sich somit der Kindesinord am haufigsien bei solchen, welche sich im elterlichen Hause aul'hielten, und aus Fureht vor ihren Angehorigen und Schaude fiber ihren Fehltritt die That begingen, urn jede Spur desselbeu zu vertilgen, daher auch offenbar aus letzterem Grunde an die Findelanstalt gar nicht dachten. Interessant ist die Thatsac-he, dass mit dem Grade der Bil- dung auch die Kindesmorde abnehmen, und dass selbe sich bei den wohlbabenderen und civilisirteren Stauden gar nicht ereig- neten; dies mag auch von erschwerter Gelegenheit zur Verfiih- rung herruhreu. Ebeuso lehrreich ware es, dieFruchtabtreibungs- versuche in dieser Richtung nicht bios aus gerichtlichen Acten, sondern nach den wirklichen Vorkommnissen studiren zu konnen. V. Bezuglich des Geburtsortes waren samintliche Kindes- morderinnen vom Lande, keine von Laibach geburtig. Dieser Umstand spricht wohl von selbst fur die Zweckmassigkeit der Findelanstalt. VI. Was den Aufenthalt anbelangt, als die That ausgefuhrt wurde, so wurde selbe nur 7mal in Laibach ver- ubt, sonst stets am Lande. Von den 7 Laibacher Mordcn sind nur 5 als eigentliche Kindesmorde zu bczeichnen; sie belrafen 2 Kellnerinncn und je eiue Naherin, Taglohnerin und Magd. Der 6. Fall betraf tine Bettlerin, welche als geistes- sclivvach erkannt vurde; selbe gebar im Arrestlocale. wo sie elen wegen Bettelns angehalten wurde, in den Unratbskubel hinein. Der 7. Fall qualificirt sich als gemeiner Morel und er- eignete sich in der Findelanstalt selbst; die diesbeziig- liche Mutter stopfte ihrem seehswoebentlichen Kinde einen Stein in den Mund und erstickte auf diese Weise dasselbe; warum? — urn aus der Anstalt entlassen zu werden. Da somit wahrend dieses langen Zeitraumes in Laibach selbst eigentlich nur funfraal ein Kindesmord veriibt wurde, so liegt eben darin ein sprechenderBeweis fur dieZweck- inassigkeit der Findelanstalt. Zu diesem Resultate mag auch bei- tragen, dass in grosseren Stadten die Verheimliehung der Schwangerschaft nicht so leicht, jedenfalls aber die Verbergung des Kindesmordes eine schwierige ist. VII. Sammtliehe Kindesmorderi nnen waren bis auf eine ehelicher Abkunft, diese war einLaibaeherFindling;hie- durch ist dieimVolke herrschendeAnsicht,dass uneheliche und Find- linge am haufigsten einesolche That veruben, glanzend widerlegt. VIII. Bezuglich des Leumundes, in welchem die Persouen vor der That standen, so waren hievon 65, i. e. 87 - 8 Perc., unbe- scholten und nur 9 erfreuten sich nicht des besten Leumundes, darunter eine Ipara, welche vom Diebstahle ab instantia freige - sproehen wurde, die iibrigen waren Multiparae. Von diesen wa¬ ren 2 Ilparae der versuchten Kindesweglegung beinzichtigt, eine Ilpara war bereits einmal ab instantia vom Kindesmorde freigesprochen worden, 2 Ilparae waren ob ihres liederliehen Lebenswandels bekannt, desgleichen die VIpara, eine Ilpara war eine sich als ledig ausgebende Bauerin und endlich die VUIpara war cine notorisehe Si'iuferin und auch als Wittwe ab instantia wegen Kindesweglegung freigesprochen. W&brend sich die Iparae bis auf eine (und selbst dieser konnte strenge genommen nichts nachgewiesen werden) des besten Leumundes erfreuten, waren dafiir von 28Multipart acht, i. e. 28-6 Perc. bereits mehr oder weniger ubel beleumundet. IX. Abortivmittel gebrauchtcn Taut eigenenGestandnisses w Ahrend der Schwangerschaft nur drei (2 Iparae, 1 Ilpara). X. Schwangerschaft und Geburt wurde bis auf 10 von alien verheimlicht, resp. gelaugnet; diese 10 KindesmOrde- riunen, welche ihre Schwangerschaft nicht ableugneten, waren 2 Iparae, 5 Ilparae und 3 Wparae — jedenfalls eigenthumlich, dass gerade Multiparae ihren Zustand im Verhaltnisse so haufig nicht laugneten und schliesslich doch das Verbrechen begingen. Vier Iparae wollterr von ihrem Zustande absolut keine Kenntniss gehabt haben, das Verbor erwies jedoch diese Angaben als zwei- fellos liigenhaft; 2 Iparae gaben sich als wassersuchtig aus, von w 7 elchen eine absiclitlich deshalb bei einem Arzte sich Rath holte. 8 XI. Der Zeitpuuct der Geburt erfolgte mit Ausnahmo von 6, deren Kinder iibrigeus auch lebensfahig waren, bei alien am rechtmassigen Ende der Schwangerschaft; — ein einziges Mai waren Zwillinge. XII. Was das Motiv der That aubelangt, so ist es aus Ta- belle III ersichtlich. Tab ell e III. Ich muss im Vorhinein bemerken, dass allerdings nahezu die meisten Kindcsmorderinnen auch die Schande fiber ihren Fall als mitwirkend angaben, dass ich aber, wie zu ersehen, selbe als einzig und allein massgebend nur in 13 Fallen annehmen zu mfis- sen meinte, weil sich mir beim Durchlesen der Processacten eiue oder die andere der angeffihrtenUrsachen als triftiger herausstellte. Diejenigen, bei welchen keine bestimmte Ursache erweisbar war, gaben stets an, „es habe sie Gott verlassen,“ oder „derTeu- fel habe ihnen den Gedanken eingegeben" u. s. w. Betrachten wir nur die Motive naher in’s Auge und zwar mit Berficksichtigung der vorausgegangenen Geburten, so stellt sich als psychologisch richtig heraus, dass bei den I par is absolut vorwiegend die Schande fiber ihren Fall das Hauptmo- ment abgab, wahrend bei den Multiparis die Nothlage un- bedingt in den Vordergrund tritt. Den zweiten wiehtigsten Ilauptgrund gibt die Furcht vorden Angehorigen, wie Eltern, Brudern u. s. f., ab, undjene sowohl bei denPrimi-als Multiparis, insbesondere bei den Ilparis ist diese Furcht die haufigste Ursache, namlich in 36.8°/ 0 . 9 Das dritte Motiv bildet bei Allen, Iparis als Multipart, die Nothlage, nur rait dem Untersehiede, dass dieser Grand bei den letzteren offenbar gegeniiber den ersteren iiberwiegt. Absolut das hervorragendste Motiv bildet die Nothlage, leicht begreiflich bei den Illparis, namlich in 6(1.6%, wahrend dieSchande liber ihren wiederholten Fall ein nur nebenbei mitwirkender Factor ist. Dass Furcht vor dem Kindesvater gerade bei den Erst- gebarendeu von inassgebendem Einflusse sei, ist wohl begreif- lich, wahrend dieser Gruud bei Mehrgebarenden erklarlieherweise schon entfallt. Die Furcht vor dem Seelsorger war bei den Ilparis grosser als bei den Iparis. Interessant ist, dass die aussereheliche Schwangerung gerade nur bei den Multiparis zuerst die Ursache zur Heirat und dann zum Kindesmord abgibt. Die iibrigen Motive stehen vereinzelt da. In den Fallen, wo das Motiv des Mordes die Sehande und die Furcht vor den Angehorigen ist, zeigt sich fur unsere Ver- haltnisse die Fiudelanstalt olmeWerth, daja ebennieht das heim- lich geborene Kind in die Austalt abgegeben werden kann, die Schwangere aber, ohne sich den Ihrigen zu entdecken, nieht fur langere Zeit vom Hause sich entfernen kann. XIII. Das Verhalten des Kindesvaters gegeniiber der Verftthrteu zu eruiren, schien mir in dieser Beziehung als ein schwer wiegendes Moment von grossem Belange, siehe Tab. IV. Tabelle IV. 31, i. e. 41-9% 43,i.e.58-l% 2 10 Wie zu ersehen, bekannten sich somit 31, i. e. 41.9% der Kindsvater zur Vaterschaft, wahrend 43, i. e. 58.1%, dieselbe verlaugneten oder war wenigstens daruber nichts Bestimmtes eruirbar. Jedenfalls ist der Umstand ausserst interessant, dass sich von alien Vatern nur vier (bei je 2 Iparis und Ilparis) zur Erhaltung des Kindes beizutragen der Mutter gegen- uber verpflichteten, somit nur 5.4%, gewiss ein sehr zu be- herzigendes Moment; diesfalls sollte wohl besser im Gesetze vor- gesorgt sein, . trotzdem „mater certa, pater semper incertus“, denn wurde man nicht in alien und jeden Fallen den Vater gar so leicht durchlassen, so wurden gewiss die Kindesmorde auf ein Minimum gegenuber der Jetztzabl sich reduciren. XIV. Von dem Bestehen einer Gebar- und Findelan- stalt wussten wahrscheinlichAlle, denn dass die Mehrgeschwiin- gerten hievon nichts wissen sollten, erscheint kaum glaublich, jedoch diesbeziigliche positive Angaben wurden von mir nur bei 11 (6 Iparis und 5 Ilparae) constatirt, dieselben wussten genau, dass es Gebarhauser gebe, und darunter die Modalitaten der Aufnahme. Von Interesse durften folgende Daten bezuglich dieser 11 Personen sein, uud zwar: a) Iparae = 6, hievon gebar 1 am Wege in’s Gebarhaus, 1 wollte nach Triest und habe sich in der Schwangerschaftsdauer geirrt, 2 gingen trotzdem ob Scham nicht in’s Gebarhaus, 1 kam gleich nach verubtem Morde in die Gebaranstalt, um ein Zeug- niss bittend, dass sie nicht schwanger sei, und endlieh 1 verubte den gemeinen Kindesmord im Gebarhause selbst. b) Ilparae = 5, hievon wollte 1 nach Triest und sei von der Geburt uberrascht worden, 1 war in der Triester Anstalt und wurde ob noch nicht geniigend vorgeruckter Schwangerschaft entlassen, 1 wollte der Kindsvater die Kosten der Triester Anstalt zahlen und die 4. war als Schwangere in der Laibaeher Anstalt und verliess auf eigenes Verlangen dieselbe und verubte dann einen gemeinen Mord durch Ersaufen ihres mehrere Tage alten Kindes; die 5. hatte das erste Mai im Gebarhause geboren. Eine Ipara will von der Gebaranstalt unbediugt gar keine Kenntniss gehabt haben, ebenso nicht ihr Liebhaber. XV. Die Art und Weise, wie der Mord verubt wurde, ist in psychologischer Beziehung interessant, abgesehen von den Schlussen, die daraus fur die geriehtsarztliche Praxis Werth haben durften; siehe Tabelle V. Tabelle 11 12 Hieraus ist im Allgemeinen zu ersehen, dass vorzugsweise solehe Todtungsarten gewahlt w urden, welche schnell zum Ziele fuhren, wie Erwiirgen und Ersticken, woran sich das pas¬ sive Yerhalten durch Nichtunterbi nden der Nabelschnur, Liegen- lassen des Kindes u. s. f. zuniichst anschliesst; diese Reihen- folge gilt fur die Iparae und Ilparae. Erwiirgen und Ersticken sind aueh der Ausdruck der in der ersten Gerouthsaufregung unternommenen Handlungen be- hufs Verhinderung und Stillung des verratherischen Kindesge- schreies; hiebei mag eine theilvveise Unzurechuungsfahigkeit zweifellos mit im Spiele sein. Iuteressant ist, dass die Illparae uberwiegend, die IV-, VI- und VUIpara einzig und allein die Todesart durch Unterlas- sung der nothigen Hilfe wahlten; es beweist ihre kluge Berechnung, das Kind zwar sicher, aber obne Gewaltspuren um- zubringen und sich so am leichtesten aus der Scbliiige zu ziehen; sie hatten namlich schon in dieser Richtung bei den fruberen Geburten Erfahrungeu gesammelt, welche sie nun zu ihrem Ver- brechen ausnutzten. Gleicbe Percente beanspruchen bei den Iparis das Yergra- ben und Treten des neugeborenen Kindes; erstere Todesart wurde meist bei im Freien Gebarenden, das Treten bei im Bette Gebarenden gewahlt gefunden; im letzteren Falle wurde das neugeborene Kind mit den Fiissen gegen das Bettende au- gedriiekt. Das Yergraben wurde aueh relativ haufig bei im Freien ge¬ barenden Ilparis beobachtet. In den Abtritt hinabgeboren haben 2 Iparae und eine Ilpara. Alle ubrigen Todtungsweisen ereigneten sich bei den I-, II- und Illparis je einmal; allerdings finden wir darunter aueh solehe, welche sowohl auf den Seelenzustand bei der Geburt ein eigen- thumliehes Schlaglicht werfen, als aueh den hochsten Grad des moralischen Verkommenseins zu beweisen scheinen; ich erwahne nur, dass eine ihr Kind beim Fenster hinausschleuderte, eine andere dasselbe wahrhaftig mit der Sehere massacrirte und eine das neugeborene Kind lebend den Schweinen vorwarf! Eine Ipara hat das erdriickte Kind gekocht, dann das Fleisch von den Knochen abgelost und den Schweinen vorge- worfen, welche es verschmahten, die Knochen hat selbe in die Save geworfen. XVI. Von Wichtigkeit erschien mir das Forschen naeh dem Orte, wo die Geburt stattfand, i. e. der eigentlichen Geburtsstelle; das diesbeziigliche Resultat ist in der Tabelle VI ersiehtlich gemacht. 13 Wie aus der Tabelle zu ersehen ist, ereignete sich der Kin- desmord haufiger so zu sagen im Ilause als ausserhalb desselben, namlich 54• 0°/ o : 43 2°/ 0 . Entschieden iiberwiegend wurde derselbe von den Primi- paris im Hause vollftthrt, namlicli in 66'6°/ 0 , wahrend das Ent- gegengesetzte bei den Multipass stattfand, namlich in ()7'8°/ 0 , und zwar sowohl in der Gesammtmenge, als einzeln bei den llparis (67'4°/ 0 ), Illparis (66 6°/ 0 ) und bei der IV-und VIpara. 14 Die VUIpara, eine verschmitzte verheiratete Bauerin, gebar zu Hause. Eigenthumlieh ist, dass 19 Primiparae, i. e. in 42 2%, im Bette gebaren, wahrend dieses bei den Multiparis nur 6mal, i. e. in 21 -4%, der Fall war. Dass die meisteu Primiparae iin Hause und sogar im Bette die That veriibten, mag wohl darin seinen Grand haben, dass dieselben so zu sagen von der Geburt uberraseht werden mogen, dass sie namlich die Geburtsschmerzen nicht gleieh erkennen, etwa fiir Kolikschraerzen halten, und endlich ihren Irrthum ein- sehend, keine Zeit mehr gewinnen kOnnen, irgendwo anders zu gebaren. XVII. Was den Zeitpunct der Entdeekung des gesche- henen Verbrechens anbelangt, so wurde dasselbe in 63 Fallen, somit in 85°/ 0 , fast unmittelbar nach der Veriibung entdeckt, und llmal, somit in 15%, zwisohen dem zweiten und neunteu Tage enthullt, und zwar bei 7 Iparis je lmal am zweiten, vier- ten und fiinften Tage, und je 2mal am achten und neunten Tage, bei 2 Ilparis je am dritten und vierten Tage, bei einer Illpara am achten und bei der VUIpara am fiinften Tage. Tab ell e VII. XVIII. Bezuglich der Bezirke, in welchen sich die betref- fenden Kindesmorde ereigneten, bin ich erst vom Jahre 1846 in der Lage, genauere Details geben zu kOnnen, indem ieh, auf- richtig gestanden, zu spat diesen wichtigen Umstand beruck- 15 sichtigte und dann nicht mehr die Herren Beamten mit dem Aufsuehea und micb nicht mit dem nochmaligen Durehstobern der staubigen Acten belastigen wollte. Die seit dem Jahre 1846 stattgehabten Kindesmorde ver- theilen sich auf 18 Bezirke und sind in der Tabelle VII ersieht- lich gemacht. Wie zu ersehen, sind die Kindesmorde in Oberkrain in bedeutendem Uebergewichte; es mag dies damit im Einklange stehen, dass die Oberkrainer gegenuber den iibrigeu Bewohnern des Landes in besseren Verhaltnissen leben, es herrscht dort doch noch mehr Wohlhabenheit, und es mag daher dort ein solcher Fehltritt strenger beurtheilt werden. !>ie in Laibach stattgefundenen Kindesmorde betreffen naeh dem Geburtsorte: 2 Ilparae aus Oberlaibach und je eine aus Stein (Ip.), Uingebung Laibach (IIIp.), Sittich (Ip.), Neustadtl (Ip.) und eine aus Karnten (lip.). XIX. Nehmen die Kindesmorde ab oder zu? — Zur Beantwortung dieser Frage diene Tabelle VIII. Tabelle VIII. Kindesmorde fanden statt im Jahre 44 in ganz Krain. Kindesmorde fanden statt im Jahre 30 in Ober- und Innerkrain. NachMelzer*) waren vom Jahre 1821 — 1834 im gauzen Kronlande Krain 25 Kindesmorde vorgekommen, dann bis zum Jahre 1850 im ganzen Lande 44, und seitdem in Ober- und Innerkrain allein 30 Kindesmorde; somit mussen wir leider die unleugbare Tbatsache zugebeu, dass die Kindesmorde zu nehmen. *) Melzer, Oeschichte der Findlinge in Oesterreich mit besonderer Rucksicht auf ihre Verhaltnisse in Illyrien. Leipzig, bei Fest, 1846- 16 Betraehtet man die einzelnen Jahre fiir sich, so waren nur die beiden Jahre 1856 und 1858 ohne erwiesene Kindesmorde, tiberhaupt kommen die wenigsten Kindesmorde in dein Zeitraume vom Jahre 1848 bis inclusive 1859 vor, seit welehem Jahre die- selben wieder auffallig zunehmen. In nicht unbedeutendem Masse mag hieran das Kriegsjahr, resp. dessen Folgen, die permanen- ten kolossalen Militardurchziige und Einquartierungen am flachen Lande Schuld mittragen, denn Thatsache ist und bleibt, dass seitdem die Zahl der uneheliehen Geburten in Krain zugenommen hat, und in Ortsebaften und Gegenden nun uneheliche Kinder haufiger zum Vorschein kommen, wo sonst sehr selten derlei zu findeu waren, iudem eben dort sonst nie gewohnte Eiuquartie- rungen durch langere Zeit statthatten, XX. Geburtshilfliche Bemerkungen: 1. Ilervorzuheben ist der Umstand, dass trotz des tiefgrei- fenden psychischen Einllusses der ausserehelichenSchwangerung und des Bestrebens, mittelst enger Kleider u. s. f. den Zustand zu verheimlichen, die Schwangerschaft fast stets das uor- male Ende erreicht. 2. Vor Allem bleibt die Thatsache von hohem Interesse, dass von sammtlichen 73 Wochnerinnen*) nur eine an Puerperalfieber erkrankte. Wenn man bedenkt, dass diese Personen durchwegs gleieh nach der Geburt, vvelche anundfursich unter den fiir die Gesundheit naehtheiligsten Umstanden statt- fand, ihren gewohnlichen Verrichtungen nachgingen, und somit vieleStunden, jaTage sich keine Ruhe gbnnen konnten,um endlich nach geschehener Entdeckung oft zur strengsten Jahreszeit den Transport in die Untersuchungs-, respective Strafhaft und noch dazu nicht selten zu Fuss durchzumachen; — wenn man weiters berucksiehtigt deren psychische Aufregung wabrend und nach der That, den geistigeu Kampf, bevor sie zum Gestandnisse schritten, endlich die fortwahrenden Aufregungeu bei den Ver- horen, das Confrontiren mit ihrem gemordeten Kiude u. s. f., so muss man wahrlich staunen, dass keine iin Wochenbette er¬ krankte. Die im Wochenbette von einem todtlich endendeu Puerperal¬ fieber Befallene war eine ledige IVpara; selbe hatte im Monat Februar im elterlichen Ilause hinter deni Stallgebaude stehend geboren und ihr Kind durch absichtliche Unterlassung des nii- tbigen Beistandes getodtot; die Nabelschnur soli hiehei von selbst gerissen sein; die That wurde gleieh entdeckt, deren Mo- tiv konnte nicht eruirt werden; sie fieberte alsbald sehr heftig und starb am 14. Tage nach der Geburt. *) Die 74. hat im Gebarhause geboren und daselbst den gemeinen Mord verubt. IT 3. Als mir ini Verlaufe des Excerpirens eben der Umstand,dass keine von den Persunen erkrankte, aufficl, riclitete ich schliess- lich auch mein Augeninerk auf die Monate, in welchen die Geburten stattf'audeu, in der Meiuung, dieselbeu fanden nuistzur warmeren Jahreszeit zufallig statt, uud es liege darin die theilweise Erklarung des glflcklichen Wochenbettansganges. Laut Tabelle IX vertheilen sich die aufnotirten 36 Geburten folgendermassen: Tabelle IX. Die meisten Geburten Helen somit in die kalteren Monate; obenan steht October mit 7, September mit 5, dann December und Mai mit je 4 Geburten; es bleibt daher in geburtshilflicher Beziehung jedenfalls eiu interessantes Factum, dass dessenuuge- achtet iuVerbindung mit alien auderen ungiinstigen Verhaltnissen die betreffenden Woehnerinnen uicht erkrankten. Beim Ueberblicken dieser Tabelle reut es mich, auf die No- tirnng der Geburtsmonate nicht eher gedacht zu haben, denn es spricht bereits die Zusammenstellung dieser wenigeu Geburten deutlich dafur, dass die meisten Conceptionen zur Fasehings-, Assentirungs- undErntezeit stattfinden, Zeitporioden, wo begreif- lich das Weib den ••giinstigsten Gelegenheiten zur Verfiihrung ausgesetzt ist, wofur auch der weitere Umstand spricht, dass in diesen Monaten auch die meisten Primiparae waren. 4. Was die Stellung oder Lage der Gebarenden beim Geburtsacte anbelangt, so haben notorisch eine Ipara knieend, 3 18 eine Ipara hoekend uud 9, darunter 4 Ipara, 2 Upara, 2 Illpara und 1 lYpara, stehend geboren. 5. Das spontane Abreissen der Nabelschnur ward zur Entschuldigung der Verblutung desKindes so oft augegeben, dass dessen numerisehes Vorkommniss ob seiner Unwahrschein- lichkeit keinen geburtshilfliehen wissenschaftlichen Werth haben kann. Bei dieser Gelegenheit erlaube ich mir anzufuhren, dass ieh laut meiner Erfahrung bei abgerissenen Nabelstrangen eine Yer- blutung nicht fur moglich eraehte. 6. In geburtshilflicher Richtung ausserst interessant ist das Faetum, dass bei lceiner von den 73 Gebarenden eine Blu- tung stattfand; es scheint somit gerade die psychische Aufre- gnng auf die Uteriualnerven sehr reizend einzuwirken, i. e. eine sehr kritftige Wehenthatigkeit zu veraulassen, denn fastalle wol- len sehr rasch geboren haben, und da trotzdem keine Blutung weder irn Verlaufe der eigentlichen Geburt, noch in der Nachge- burtsperiode, noch im Wocheubette eiugetreten, so musste sich jedentalls die Gebarmutter stets sehr energisch zusammengezo- gen haben. 7. Wichtig und ein Beweis, dass man die Ausstossung der Nachgeburt eigentlich stets ganz und gar der Natur uberlassen sollte, ist die Thatsache, dass bei 70 Personen die Naehge- burt von selbst abging, und zwar meist nahezu mit der Aus- stossung des Kindes zugleich erfolgte, nur eiumal verhielt sich die Nachgeburt durch voile 2 Tage, jedoch ohne irgend einen Naehtheil. Bei 2 Iparis wurde die Nachgeburt nach den Regeln der Ivunst entfernt, und zwar bei einer durch die Hebamme bald nach der Geburt des Kindes, der zweite Fall betraf diejeuige, welcbe sich um ein Unschnldszeugniss verwendete; selbe war zwar nicht unschuldig, aber Eines stand enviesen, dass sio vorn Geburtsvor- gange noch keine richtige Idee hatte, denn man musste die in ihr noch befindliche strangformig verwachsene Nachgeburt miihsam kunstlich losen, da nach Credd die Ausstossung nicht gelang. Schlussbemerkungen. 1. Yor dem 20. Jahre ereignete sich kein Kindesmord. 2. Unbedingt am haufigsteu ereignete sich derselbe zwischen dem 20. bis 30. Lebensjahre. 3. You Primiparis ward derselbe am hautigsten zwischen dem 20. bis 25., von Multipass zwischen dem 26. und 30. Jahre vollfuhrt. 4. Unter den Kindesmorderinnen stelleu die Multiparae ein bedeutendes Contingent. 5. In der Regel sind die Kindesmorderinnen ledigen Standes. 19 6. Die verheirateten und verwittweten Kindesmbrderinnen waren alle Multiparae. 7. Ueberwiegend ward der Kindesmord von solchen, die sich nocli ira elterlichen Ilause aufhielten, ausgeiibt. 8. Mit dem Grade der Bildung scheint der Kindesmord ab- zunehmen. 9. Keine Kindesmorderin war aus Laibach, dera Sitze der Findelanstalt, gebiirtig. 10. In Laibach selbst wurden nur 5 Kindesmorde vollfubrt. 11. Nur eine eiuzige Kindesmorderin war unehelich und zugleich ein Findling. 12. Die Primiparae sind fast durchwegs unbescholten, nicht so die Multiparae. 13. Abortivmittel wurden fast keine versucht. 14. Alle Primiparae verheimliehten die Schwangerschaft, nicht so die Multiparae. 15. Die getodteten Kinder waren alle lebensfahig und bis auf 6 alle reif. 16. Bei den Primiparis ist uberwiegend die Sehande, bei den Multiparis die Nothlage das Hauptrnottreat des Kindesmordes. 17. Die Kindesvater wollen fast niemals zur Erhaltung des Kindes beitragen. 18. Primiparae fiihren durch Erwurgen und Ersticken, Mul¬ tiparae durch absichtliche Unterlassung des Beistandes am hau- figsten die That aus. 19. Das Verbrechen wird bei Primiparis uberwiegend so zu sagen im Wohnhause, von Multiparis ausserhalb desselben voll¬ fuhrt. 20. Die Kindesmorde werden in der Regel unmittelbar nach der That entdeckt. 21. Die Kiudesmorde sind in Oberkrain — Gebirgsgegend — haufiger. 22. Die Kindesmorde uehmen unlaugbar an Haufigkeit zu. 23. Die meisten Kindesmorde ereignen sich in den kalteren Monaten. 24. Die Kindesmorderinnen erkranken fast nie an Puerperal- processen. 25. Bei keiner Kindesmorderin ereignete sich eine Blutung. 26 . Bei alien giug die Nachgeburt von selbst ab.