Oskar Elschek Lieder der Frauen und Mädchen in der slowakischen Volksmusik Prispevek obsega tri poglavja. V prvem so navedene priložnosti, ob katerih so pesmi izključno ali pretežno ženska domena; drugo govori o razlogih, zakaj so se zbiralci pesmi obračali zlasti na ženske, saj se je izkazalo, da so te najboljše ohranjevalke izročila; v tretjem pa avtor pokaže na vsebinske, oblikovne in glasbene značilnosti ženskih pesmi. The article is divided into three chapters. The first deals with different opportunities on which songs became exclusively, or at least predominantly, the domain of women. The second lists different reasons why song collectors had turned mainly to women -these have namely been proved the best preservers of tradition. The third chapter discusses the content, form and music characteristics of women's songs. 1. Einleitende Anmerkungen Überall in der Welt spielen Mädchen und Frauen in der Volksmusik eine spezifische Rolle, die ihrer sozialen Stellung und kulturellen Funktion in der jeweiligen Gesellschaft entspricht. a) Ihrer Bedeutung in der Familienstruktur ist die Grundlage zahlreicher besonderer Gattungen, wie etwa in den Wiegenliedern, den Kinder-Spielliedern, ebenso in den Klageliedern und ähnlichen Liedgattungen. Diese Lieder hängen zum Großteil mit dem täglichen Lebens- und Arbeitsablaufs zusammen. Sie kennzeichnen die Sonderstellung der Frau in der Familie, im besonderen Maß ihre Führsorge und Verantwortung für die Erziehung der Kinder und den Tagesablauf im Familienleben. b) Ein weiterer Aspekt der mit der Funktion der Frau bei der Familiengründung zusammenhängt ist im Brauchtumsbereich zu suchen. Es ist vor allem die umfangreiche Gruppe der Hochzeitslieder, die wohl in jeder Volksmusikkultur eine der interessantesten und auch weitgefächertsten Liedgattungen umfassen. Sie beru- hen auf der zentralen Position der Braut (des Mädchens bei den Zeremonien der Frauwerdung) um die die wichtigsten Hochzeitszeremonien oszilieren. In diesen Zeremonien spielt die Gruppe der Frauen aus der Familie, oder den sich vereinenden beiden Familien, eine herausragende Rolle, die auch in den zahlreichen Liedern zum Ausdruck kommt. Diese werden vor allem von Frauen gepflegt, gesungen, gestaltet und ausgehend von ihrer spezifischen Situation und den konkreten Anforderungen der laufenden Hochzeitszeremonie den jeweiligen Situationen angepaßt. Die Frauen sind die tragenden Säulen als Sängerinnen und als auch jene, die die Zeremonien bestimmen und verwirklichen. c) Ein dritter Bereich sind die besonderen Arbeiten und Arbeitsgelegenheiten, die von den Frauen bevorzugt abgedeckt werden. Mit diesen sind auch die eigenständigen Gattungen entstanden. So sind oder waren europaweit die Spinnstuben, die gemeinsamen Arbeiten auf den Wiesen und Feldern, beim Bäumepflanzen und Obstpflücken, im Obst- und Weingarten u.a. Tätigkeiten und Gelegenheiten, bei denen besondere Gesänge entstanden und kontinuierlich gepflegt wurden. Auch sind einige weitere Gattungen zu erwähnen, die obwohl sie keine so eindeutige und organische Verbindung mit ihren Lebensaufgaben aufweisen, so doch weitere entsprechende Liedgattungen mitbestimmen. Zu diesen gehören im west-, mittel und osteuropäischen Volksmusikbereich die Balladen, deren Trägerinnen und Vortragende sie heute, auch wenn nicht ausschließlich, sie doch zum überwiegenden Teile sind. Ich habe hier nur einige Lebens- und Gattungsbereiche angedeutet, die im europäischen und z. T. auch in den außereuropäischen Kulturen mit der Musik und dem Musikmachen der Frauen Zusammenhängen. Dieser quasi mehr oder weniger universelle kulturelle und funktionelle Hintergrund der Volksmusik, bzw. des Volksliedes, der jeweils durch weitere spezifische Singgelegenheiten und Gesangsformen erweitert werden kann, schmälert nicht diese Gemeinsamkeiten, die die Sing- und Gesangskultur der Frauen kennzeichnet. Es ist zweifelsohne möglich auch in engeren Regionen und Kulturräumen geringere oder größere Ähnlichkeiten, vor allem funktioneller Art nachzuweisen. Aber nicht dieser Aspekt soll Gegenstand meiner Ausführungen sein. Es ist vielmehr von Belang die Besonderheiten, die auf diesem gemeinsamen funktionsbestimmenden Hintergrund beruhen in ihren spezifischen künstlerischen und ästhetischen Formen zu untersuchen. Das Frauenliedrepertoire ist auf Grund seines Umfangs und seiner Bedeutung sehr wohl dazu befähigt sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiedlichkeiten der einzelnen Volksmusikkulturen in ihrer mikrostrukturellen Zusammensetzung zu dokumentieren. Auch scheinen bestimmte Typen von Liedgattungen dazu befähigt zu sein einzelne Mikroregionen abzugrenzen, wie das etwa bei den Hochzeitsliedern der Fall ist, die ein wichtiger Teil des Frauenrepertoires sind. Um eine bestimmte Abgrenzung zu versuchen, die die Funktion der Frauen in der jeweiligen Volksmusikkultur kennzeichnet, soll noch erwähnt werden, daß im Unterschied zu den oben angedeuteten wichtigen Volksmusikgatlungen, die von Frauen bestimmt werden, sie bei den instrumentalen Musikformen kaum eine nennenswerte Rolle spielen. Die Instrumentalmusik und die mit ihr verbundenen Gattungen, auch die Liedgattungen z. B. der Tanzmusik, jene der Hirten etc., werden im wesentlichen von Männern dominiert. Diese sollen aber nicht Gegenstand meiner Ausführungen sein. 2. Aspekte der Erforschung der Lieder der Frauen Die Frauenlieder waren jeher eine wichtiger Gegenstand der Volksmusik- und Liedforschung, die einen wesentlichen Teil der Sammelarbeit, sei dies im 19. oder 20. Jahrhundert, die vorzugsweise bei den Frauen gesammelt und aufgezeichnet wurden. Das hängt mit dem Umstand zusammen, daß das Singrepertoire der Frauen viel umfangreicher und vielschichtiger ist als jenes der Männer. Man kann sagen, daß die Frauen fast das gesamte Repertoire einer Gemeinschaft kennen, also sowohl ihr eigenes Singrepertoire als auch, bis auf wenige Ausnahmen, jenes der Männer. Diese vice versa Kenntnis ist aus der Sicht der Lieder der Männer viel beschränkter. Die Männer singen z. B. kaum die Brauchtumslieder der Frauen, auch wenn sie sie möglicherweise kennen. Aber sie sind einfach ein Teil des ihnen nicht geläufigen Teiles der Gesangstradition. Frauen sind zugleich nicht nur Kennerinnen des Singrepertoires eines Dorfes, sondern sie sind auch die traditionsbewußten Pflegerinnen und Bewahrerinnen der Singtradition, was auch damit zusammenhängt, daß über sie vorzugsweise die Lieder an ihre Kinder, seien es Mädchen oder Jungen, weitergegeben werden. Die Erziehung der Kinder, ihre durch Jahre andauernde Bindung an den Familienkreis, der insbesondere durch die Frauen bestimmt wird, führt sie weit intensiver in die kulturellen Gepflogenheiten und Kenntnisse der Tradition ein, als dies bei den Männern der Fall ist. Die sog. Männertradition und die Weitergabe kultureller Überlieferungen geht mehr über den professionellen Weg, etwa bei den Hirten, Handwerkern und anderen Professionen, in die die Burschen gemäß der Familientradition eingebunden werden. Auch ist von der Homogenität der Frauenlieder her zu beachten, daß die Frauen stärker an die Familien- und Dorftradition gebunden sind als die Männer, die sehr häufig außerhalb der Dorfgemeinschaft ihrer Arbeit auch für längere Perioden nachgehen. Alle diese Aspekte determinieren nich nur die Unterschiedlichkeiten, die sich in der Singtradition der Frauen im Vergleich mit jener der Männer verfestigte, sondern sind auch die Grundlage eine eigenständigen Singtradition der Frauen in der jeweiligen Volksgemeinschaft. 3. Einige kennzeichnende Gattungen slowakischer Frauenlieder Die Lieder der Frauen spielen auch in der slowakischen Volksmusik eine besonders wichtige Rolle. Das bezieht sich auf den Umfang der Lieder der Frauen als auch auf die besonders wichtige Funktion, die sie in der Überlieferung des poetischen und musikalischen Bestandes der Volksmusik spielen.1 Sie beruhen einerseits auf dem Umstand, daß 1 Dies ist aus den Ergebnissen der Feldforschung zu ersehen, wie sie in den letzten 100 Jahren getätigt wurden. Sängerinnen mit einem Repertoir von hundert und mehr Liedern waren hei den slowakischen Volksliedsängerinnen keine Ausnahme. So schrieb schon Heia liartok in seinem Beitrag Slovak folk songs: In: Musical Courier (New York) 1920: -Sie ist was die Melodiezahl anbetrifft - außerordentlich reichhaltig, um vieles reichhaltiger als die der Magyaren. Während man bei den Magyaren Sänger, die über ein Repertoire von cca 100 Melodien verfügen ganz ausnahmsweise antrifft, ist es Gang und Gebe, daß man bei den Slowaken 150-200 Melodien von einer einzigen Person (nahmentlich von Frauen) aufzeichnen kann.-(Documenta Bartokiana 4, Budapest 1970, S. 105). Bartok zeichnete in den Jahren 1915-1916 bei einer einzigen Sängerin - Zuzana Spiäiakovä - 507 Lieder auf (die er in seine Sammlung Slowakische Volkslieder. Bratislava SAV 1959,1970) aufnahm, ln den 70er Jahren wurden von einer einzigen Sängerin, Maria Zajacovä aus Zäblatie, 1500 slowakische Volsklieder aufgenommen Siehe Julia Kovačovä: I’ozoruhodnä nositefka piesfiovej tradicie v oblasti Trenäna - Maria Zajacovä. (Eine bemerkenswerte Trägerin der Liedtradition in der Trenschin Region - Maria Zajacovä) In: Musicologica Slovaca X, 103-135. in der Slowakei die Brauchtumslieder einen immer noch wesenlichen Teil der Tradition bestreiten, andererseits handelt es sich um besonders wichtige Gattungen die in der Singtradition der Frauen verankert sind. Und die Brauchtumslieder werden in allen Gattungsformen zu einem wesentlichen Teil von Frauen nicht nur gesungen, sondern sie bilden auch den Grundstock des jeweiligen lokalen und regionalen Singrepertoires. Dies bezieht sich nicht nur auf die Hochzeits- und Tauflieder, die ich erwähnte, sondern auch auf den wesentlichen Teil der Lieder des Jahresbrauchtums. Dies betrifft im besonderen Maße z. B. die Lieder die von Mädchen zur Frühlingszeit gesungen werden, die vom Heraustragen des Winters im Vorfrühling bis zu den Johannesliedern, den in Juni traditionsmäßig vorgetragenen Singformen, reicht. Diese werden von den Mädchen und Frauen bei den Heischeliedern, den Umzügen mit den Wunschliedern vorgetragen.2 Im Unterschied zu den Liedern des Weihnachtsbrauchtums, bei denen die Burschen und Männer einen beträchtlichen Teil der Brauchtumslieder bestreiten, inbegriffen die zahlreichen Weihnachts-Wunschlieder, die über die Krippenspiele und ihre Lieder bis zu den Neuahrs- und Dreikönigliedern und bis in die Faschingszeit gesungen werden.3 Somit gibt es in den Brauchtumslieder eine Art Polarisierung, bei der die Frühligslieder fast nur von Frauen, hingegen die Lieder des Weihnachtsbrauchtums von Burschen gesungen werden. Dies hängt auch mit der Bindung der Weichnachtlieder an die Hirtentradition zusammen. Von den zahlreichen Gattungen und den mit ihnen verbundenen Weisen und Texten seien einige kurz angesprochen. Den eigentlichen typischen, unersetzbaren Gattungebreich der Frauenlieder bilden die Gesangsformen, die bei den Einschläfern und bei der Unterhaltung mit den Kindern vorgetragen werden. In ihnen überschneiden sich einige Bereiche. Sie gehören zu den subjektivsten und intimsten Liedern im Repertoire jeder Frau. Unabhängig von diesen subjektiven Merkmalen, die sowohl die Auswahl der Weisen als auch ihren poetischen Inhalt betreffen, verwenden sie dennoch eine ganze Reihe von Ausdrucksmitteln die universeller Natur sind. Dies betrifft vor allem die Funktion der Lieder und ihre poetische Aussage. Die slowakischen Wiegenlieder wurden einer eingehenden Untersuchung unterzogen, die gleichermaßen die Texte als auch die Melodien betrafen.4 Es gibt allerdings weltweit bei den Wiegenliedern einige universale Merkmale, die sich auf den Vortrag, das Tempo, die rhythmisch-metrische Gestaltung, die Tonalität und weitere Parameter beziehen.5 Es gibt selbstverständlich Volksmusikkulturen, die keine wesentliche Rolle der Gestaltung der Wiegenlieder zuweisen, solche, in denen diese Gattung keine besondere Merkmale aufweist. Die Wiegenlieder haben in allen Regionen der Slowakei eine wichtige Funktion, die dementsprechend auch in der Vielzahl von Typen, insbesondere in der Mittel- und Ostslowakei vertreten sind. Die Weisen der Wiegenlieder überschreiten in der Regel nicht den Umfang einer Quint, sind meist vierzeilig, verwenden in der Motivik und den Texten onomatopo- ‘ Elschekovä, Alica: Das Winteraustragen und Sommereinbringen im Gemer Gebiet. In: Gemer. Narodopisne studie 2,1976, 235-311; Koväfiovä, Julia: Dievčenske spevy v jarnom zvykoslovi na Slovensku. In: Musicologica Slovaca XII, 20-71. ’ KrekoviCovä, Eva (ed.): Slovenske koledy. Od štedreho večera do troch krälov. (Slowakische Weilinachtslieder). Prä ca Bratislava 1992; Demo, Ondrej. Vianočne Fudove koledy, vinše a hry. Matica slovenska Martin 1998. 1 Elschekovä, Alica: Uspävanky a detske zabävanky na Gemeri (Ich psychofyziologickä funkcia, hudobnopoeticke skladby a typolögia. In: Vlastivedne Studie Gemera 5, Martin 1987, 88-151. ' Kneutgen, J.: Eine Musikform und ihre biologische Funktion. Über die Wirkungsweise der Wiegenlieder, ln: Zeitschrift für experimentelle und angewandte Psychologie XVII, 1976, S, 466 ff. etische Elemente und beziehen sich in thematisch-inhaltlich auf das Kind. Sie sind zugleich eine Gelegenheit bei der die Mutter die Probleme ihres Lebens artikuliert. Es ist meist ein Dialog der Mutter mit dem Kinde, bei dem die Mutter dem Kind ihre Not und Lebensschwierigkeiten »mitteilt«, das das Kind eigentlich nicht verstehen kann. Es ist eine Beichte, die eine Art Selbstgespräch darstellt. Im Notenbeispiel 1. ist die Motivik eine thematische Sequenz in der die Mutter das Kind zwischen die Zäune legt, es mit Brot, Blumen, und dem Polster einbettet und zur Arbeit gehen muß. Jede Strophe wird mit einer refrainartigen Kadenzzeile (Schlafe, Schlafe ein) abgeschlossen. Es ist ein individuelles Wiegenlied, das melodisch eine kreisende Motivbewegung bevorzugt und vom Texte her keine direkten Parallelen hat. Notenbeispiel 1. Wiegenlied aus der Ostslowakei6 Vcfmi vofne; uspavanka; Šariš, Kräsna lüka; M. Kandrdčovd (1956); F-SAV 2567,1982; zap. O.E. J. 100/ 26" v — —J J —M— -J- y—jJ 1. Lu-laj, fu-laj, ko-If-äem ce, hej, fu-fu že mi - i - Tu - Tu. 2. Položim ce medzi ploty, sama pujdzem do roboty. Hej, fufuže mi fufu. 3. Priložim ce kuskom chleba, sama pujdzem kde mi treba. Hej, fufuže mi fufu. 4. Priložim ce kvitečkami, sama pujdzem chodničkami. Hej, fufuže mi fufu. 5. Priložim ce perinkami, sama pujdzem kade tady, Hej, fufuže, mi fufu. Häufig stehen musikalisch und poetisch die Wiegen- und Unterhaltungslieder mit den stilistischen Elementen der Kinderlieder und Kinderliedmotive im Einklang.7 Zu den schönsten und individuellsten Beispielen aus der Gruppe der Hochzeitslieder sind die Abschiedslieder der Braut von ihrer Familie, insbesondere von ihrer Mutter zu bezeichen. Sie gehören in der Regel nicht den archaischen, kollektiven Brauchtums-Hochzeitliedern an, sondern sind solistisch als Klage, als Klagelied der Braut zu verstehen. Es ist meist nicht nur ein Dankeslied an die Eltern, deren Haus die Tochter verläßt, sondern auch ein Vorwurf und Trauer, daß sie sie überhaupt aus dem Hause gehen lassen. Das Mädchen, die Braut singt im nächsten Lied über ihre Rückkehr in das Elternhaus, sie will den ganzen Ahornwald abholzen, der zwischen zwischen 6 Bei den Liedern werden jeweils angeführt: Region, Ortschaft, Sängerin, Phonoarchivnummer, Jahr der Sammlung und Aufzeichner. Alle Beispiele wurden der Sammlung Elschekovä, Alica: Slowakische Volksgesänge 1. ASCO Bratislava 1995, entnommen, die unter den Nummern 28, 83, 151, 154 und 36 zu finden sind. 7 Dies ist aus den Veröffentlichungen ersichtlich, die sich mit Kinderliedern befaßten: Ondrejka, Kliment; Medvedci, Elena; Moži, Alexander (ed.): Z pramaitov kräsy a poznania. Smena Bratislawa 1979. Ondrejka, Kliment (ed.): Deti, det'om (Kinder für Kinder). 14 Bde. Osvetovy üstav Bratislava 1974-1993. Elschek, Oskär (ed.): Spevy slovenskeho fudu. Opus Bratislava. 1988. Schallplattenausgabe, die Aufnahmen 1-35. ihrer Mutter und ihrer neuen Familie liegt. Es ist ein schmerzlicher Dialog zwischen Mutter und Tochter, in einer vierzeiligen, isometrischen, sechsilbigen melotexlichen Gestalt, in der quarttonale Elemente als eine Reflexion alter Hochzeitsweisen auftreten. In diesem Sinne finden wir in den Hochzeitsliedern kennzeichnende regionale Elemente, die eigenständige aber auch ethnisch mehrschichtige Elemente miteinander vereinen. Zwischen diesen sind auch altslawischen und gemeinslawische, vor allem in den tonalen Merkmalen der Lieder vertreten.“ Notenbeispiel 2. Abschiedslied der Braut von ihrer Mutter.aus der Ostslowakei Gemer, Bohdanovce; B. Gaiäkovä (1975); 1983; zap. O.E. J. 73/44" 1. Da - li sce me mam-ko, za les ja - vo t • ro - vy, by ja ne- vi - dze - la dze naš va-lal 2. A ja z toho lesa po kus rtibac budzem, pres les javorovy ku väm mamko pridzem. 3. Ach, mamičko moja, za tym hustym lesom, či sebe spomnece, ach, Bože möj dze som. 4. Spomenem, spomenem, ty moja dze več ko, ked na tebe myslim, boli me serdečko. sto - ji. Zahlreiche Vortragsgattungen der Frauenlieder werden gemeinsam gesungen und sind deshalb auch eine der häufigsten Gelegenheiten bei denen die mehrstimmige Gesangart der Frauen gepflegt wird. Die Mehrstimmigkeit weist allerdings zahlreiche regionale und stilistische Unterschiede in den Frauenliedern auf. Diese Unterschiede beziehen sich gleichermaßen auf die einzelnen funktionsgebundenen Liedgattungen. Es hängt zugleich vom Tempo, dem Umfang der Weise und den jeweiligen individuellen musikalischen Voraussetzungen der Sängergruppe ab. In der Liptau sind die mehrstimmigen Vortragsformen der Männer und Frauen recht unterschiedlich, haben einen Freiraum für die Gestaltung der Mehrklangsfolgen, die durch die relativ freie * Elschekovii, Alica: Functions and transformational processes of cultural European wedding songs. In: World of Music 39(3), 1997, 31-50. Führung der einzelnen Stimmen im harmonischen Ablauf ermöglicht werden.9 Vor allem die langgezogenen Singformen mit einen freien, rhapsodischen, metrisch-rhythmischen Vortrag weisen solche Merkmale auf. Dies ist z. B. bei den Liedern der Fall, die an den Juniabenden über der Ortschaft gemeinsam von Frauen gesungen werden. Es sind Lieder, mit denen sich die Sängerinnen an den Hl. Johannes wenden um ihn zu preisen. Zugleich sind es Neck-Liebeslieder, die in der ganzen Slowakei bei solchen abendlichen Singgelegenheiten vorgetragen werden. Es ist ein Teil der Liebesmagie, sie verheiraten, verbinden in den Texten der Lieder Liebespaare, Mädchen und Burschen aus ihren Freundeskreis."1 Der Vortrag jeder Strophe beginnt mit einem Vorgesang und die mehrstimmiger Faktur wird kulminierend verdichtet, und am Ende im Chorunisono kadenziert. Notenbeispiel 3. St. Johanneslied der Frauen aus der Tatra-Region Liptov, Vychodnä; A. Gašparčikova a ieny; F-SAV 2536,1982; zap. A.E. J-96/12" i_, ____ _______________________________ 1.0, J4-ne,o, Jä • ne, kde tu chva-lic mä - me, kdefa chvä-lic ma-me. 2. Na zäpadnej strane tam fa chvälic mäme. 3. Koho oženime, Vlada Majerčika. 4. Koho že mu dame, Danku Ratkošovie. Die im musikalischen Vortrag und poetischen Ausdruck entwickeltste und ästhetisch ausgereifteste mehrstimmige Singform repräsentieren die Heuerntelieder der Frauen, die vor allem in den mittelslowakischen Regionen sehr unterschiedliche stilistische Merkmale aufweisen. Was als kennzeichnende Gemeinsamkeit zu bezeichnen ist, das ist die sehr harmonisch ausgewogene, eher einfache, auf den harmonischen Klangablauf der Melodie und ihre Begleitstimmen bezogene Vortragsart. Die langgezogenen, langsam und mit voller Stimmintensität vorgetragenen Phrasen sind den akustischen Gegebenheiten in der freien Natur, auf den Wiesen und den hochalpinen Bergmilieu angepaßt. Vor allem die intensiven Unisoni, die bis zu 15-20 Sekunden Elschekovä. Alica: Typologia tradičneho viachlasu z h'/iadiska historickeho, technickeho, psychoakustickeho In: Slovenska hudba XXIIIO-2), 1997, 6-26; dieselbe: Typologie der vokalen und instrumentalen Mehrstimmigkeit in der europäischen Volksmusik. In: Festschrift für W. Wiora Tutzing, H. Schneider 1997, 61-88. 10 Urbancovä, Viera: Jänske piesne z Liptova. K charakteristike žanru na zaklade regionalne vymedzeneho materialu (Johannislieder aus Liptov - Zur Genrecharakteristik aufgrund eines regional abgegrenzten Materials). In: Musicologica Slovaca et Europea 18, 1993, Bratislava ASCO, 29-64. lang ausgehaltenen Halb- und Finalkadenzen, sind in der Liptau besonders kennzeichnend. Einen solchen einfachen Typus repräsentiert das nächste Notenbeispiele, das bei dem Harken der Mädchen auf den Wiesen unter der Tatra gesungen wird. Obwohl die Heuerntelieder als eine Art von Arbeitsliedern bezeichnet werden, da sie vor allem bei den Arbeitsgelegenheiten auf den Wiesen praktiziert werden, werden sie eher selten unmittelbar bei der Arbeit gesungen. Sie sind eine Art gesanglicher Verständigung, die zwischen den einzelnen Gruppen von harkenden Sängerinnen praktiziert wird." Die Lieder werden vielmehr in den Arbeitspausen gesungen und Notenbeispiel 4. Heuerntelied aus der Liptau Liptov, Štrba; ieny\ F-SAV 2360,1983; zap. A.E. J. 160/ 27" 1. Hra-baj diovča hra-baj, i _ 3 to ze-le-nuo se- no ved bi ja hraba-la, hej, nemim na-ko-se - nu o. 8: Či to I I zvo-ny zvo-nia a, či orga-ny hra-ju u, to štrbians-ke diev - ča a • td spie-va-jü. 2. Keby ja vedzela, kde moj mily kosi, zanesla by som mu, hej, do krčiaška rosy. 3. Ozyvaj sa hlase, po horc, po lesc, že sa mi milieinu, hej, do uši donese. 4. Či to zvony zvonia, či organy hrajü, či si to štrbianske dievčata spievajü. 5. Zvony to nezvonia, organy nehrajü, ale si štrbianske dievčata spievajü. 11 Demo, Ondrej: Slowakische dialogische Gesänge (Antiphonalformen) aus den Nordwestkarpaten. In: Elschekovä, A. (ed.): Stratigraphische Probleme der Volksmusik in den Karpaten und auf dem Balkan. Bratislava SAV 1980, 141-153. (In diesem Sammelband widmen sich auch weitere Beiträge dieser Problematik, jene von C.d. Georgescu, VI. Hoschowskyj, K. Vetterl und auch A. Elschekovä). Leuten die Glocken? Spielt die Orgel? oder singen für sich die Mädchen aus Štrba? Kling Stimme, über Berge und Wälder! Sie soll den Liebsten, sie soll sein Gehör finden. sind nur sehr vage auf die Arbeit bezogen. Es sind ausgeprägte Liebeslieder, die in die Gruppe der archaischen und schönsten lyrischen Liebesliedformen der slowakischen Frauen gehören. Typisch sind die bewegten fast gesprochen-gesungenen Melodiephrasen und die sich immer wiederholenden poetischen Motive, wie das im nächsten Notenbeispiel der Fall ist. Der wesentlichste Teil des Frauen-Gesangsrepertoires sind Balladen und Liebeslieder, die alle Formen enthalten, sowohl in ihrer regional differenzierten Schichtung, so auch in den unterschiedlichen historischen und Gattungsformen. Sie gehören in ihrer überwiegenden Zahl dem Repertoire des späten 18. und 19- Jahrhunderts an, weisen aber auch kontinuierlich Veränderungen und Repertoireerweiterungen auf, die bis in die Gegenwart als aktualisierte lyrische Liebesliedformen praktiziert werden. Der Umfang und die thematische Streuung ist in den Weisen als auch in der poetischen Aussage außerordentlich groß. Sie umfaßt sehr einfache, objektivierende, wenig subjektiv und indivudell ausgeprägte alte Lieder, die ausgereiften Modellcharakter haben, ebenso wie sentimentale gefühlsbetonte Formen, die in den letzten Jahrzehnten entstanden sind, wobei häufig alte Motive und Modelle veiwendet werden. Die slowakischen Balladen wurden in ihrer thematischen Vielgestaltigkeit in einen synthetischen Typenkatalog zusammengefaßt,12 Die Problematik der Liebeslieder wird fast in jeder Volksliedausgabe reflektiert und ist auch ein Teil zahlreicher Studien, die sich auch anderen Themen widmen, da die Liebesliedthematik in allen Gattungen mehr oder weniger umfangreich angesprochen wird. Die Liebeslieder wurden für das Gebiet der Ost-Mittelslowakei, der Gemer Region, einem speziellen vergleichenden Studium unterzogen, das sich gleichermaßen auf die Weisen als auch auf die Texte -als wichtigen Gattungskomplex bezog.13 Die Liebeslieder sind allerding zugleich auch eine Gattung, die obwohl zum wesentlichsten Teil von den Frauen bestritten wird, doch auch einen beträchtlichen Teil der Männerlieder miteinschließen, wobei selbstverständlich zwischen den Frauen- und Männerliebesliedern wesentliche thematische und poetisch-ausdrucksmäßige Unterschiede bestehen, auf die hier im einzelnen nicht eingegangen werden kann. Als Beispiel eines poetisch sehr hochstilisierten, bildhaften Liebesliedes mit Natursymbolen verbunden sei, die nächste Weise angeführt. Sie stammt aus der Ostslowakei wo die schönsten Liebeslieder gesungen werden, in sehr ausgewogenen u Burlasovä, Sorta: Katalog slovenskych narativnych piesni (Typenindex slowakischer Erzähllieder). Bratislava SAV 1998. 2 Bde. w Elschekovä, Alica: Lübostnä lyrika v gemerskom Tudovom speve -Tematika, motivika a melodika zäletnickych piesni. (Die Liebeslyrik in den Volksliedern des Gemer-Gebietes - Die Thematik, Motivik und Melodik des Kiltliedes). In: Gemer, Narodopisne Studie 4, 1981, 245-329. melodisch-rythmischen Formen (wie im Notenbeispiel 5) aber auch in der Gattung der rein von Frauen getanzten Kreistänze, in denen das Liebeslied eine bevorzugte Stellung hat. Bei den Weisen hat die modale Tonalität eine große Bedeutung, wie das auch im nächsten Beispiel der Fall ist. Notenbeispiel 5. Liebeslied aus der Nordostslowakei. Spiš, Novä Lubovna; dievčatd\ F-SAV 2500,1982; zap. A.E. . u J. 88/30" . 1. I-dzevo - da pro-ci vo • dze, sit-ke l&v - mi-lä mo - ja zo-be-rie ce ky zob-ra-la, lern jed-nom zo • hab-je-la. 2. Po ktorej moj mily chodil, svojom milom v renče vodil padlo jabko z jabloni, skülalo še do vody. Die Frauenlieder bilden aus der Sicht der oben angeführten Charakteristika und der ausgewählten Beispiele einen unabdingbaren und auch wohl interessantesten Teil der slowakischen Volksliedtradition. Povzetek Pesmi žena in deklet v slovaški ljudski glasbi Prispevek obsega tri poglavja. V prvem, naslovljenem »Uvodne pripombe«, so navedene priložnosti, ob katerih so pesmi izključno ali pretežno ženska domena. To je najprej družina s pesmimi ob zibanju in vzgoji otrok. Druga priložnost je svatba. Od svatovskih pesmi so nekatere izrazito ženske, npr. o slovesu neveste. Tretja priložnost so različna skupna dela, ki jih opravljajo samo ženske. Vse to velja seveda tudi za druge evropske narode. Avtor pa želi prikazati, kar je značilno za slovaško pesemsko izročilo. Drugo poglavje, »Vidiki raziskovanja ženskih pesmi«, govori o razlogih, zakaj so se zbiralci pesmi obračali zlasti na ženske in opozarja na znano dejstvo, da je žena bolj navezana na družino in domačo vas ter je že zato ohranjevalka izročila. V tretjem poglavju z naslovom »Nekaj značilnih zvrsti slovaških ženskih pesmi« pa avtor ob petih notnih primerih pokaže na vsebinske, oblikovne in glasbene značilnosti, po katerih se ženske pesmi razlikujejo od moških. Nekatere, ki so povezane s šegami, se odlikujejo zlasti po načinu petja.