UDK 003.26:76:929 Dürer A. DIE GEMATRIE VON DÜRERS »MELANCHOLIE« Tine Kurent Im Kupferstich von Dürers »Melancholie«, Kat. Nr. 270,1 ist das magische Quadrat mit der Schlüsselzahl 34 abgebildet. 16 3 2 13 5 10 11 8 9 6 7 12 4 15 14 1 Die letzte Quadratreihe stellt gematrisch das Entstehungsjahr, den Namen des Künstlers und das Thema der Grafik dar.2 Bewor ich fortfahre, sollte man die Bedeutung des Wortes »Gematrie« erklären. Zuerst entstanden Buchstaben und erst später Zahlen. Aus diesem Grunde verwendete man bekannte Lautsymbole auch als Symbole für Zahlen. 1 Albrecht Dürer, 1471—1971, Ausstellung des Germanischen Nationalmuseums, Nürnberg, 21. Mai bis 1. August 1971. 2 Gematrie ist ein Wort hebräischen Ursprungs. Es ist weder im Duden (Das große Wörterbuch der deutschen Sprache in 6 Bänden, Band III, G-Kal, Bibliographisches Institut Mannheim / Wien / Zürich, Dudenverlag, Herausgegeben: Mannheim 1987.) noch in Mackensens Deutsches Wörterbuch und auch nicht in Webster's Dictionary zu finden. Gematrie wird jedoch erwähnt in: — Cavendish, R., A History of Magic, Weidenfeld and Nicolson, London, 1977. — Crowley, A., Liber 111 and Other Quabalistic Writings, Gematria and Sepher Sephiroth, Samuel Weiser, Inc., York Beach, Maine, 1988. — Farbridge, M. H., Studies in Biblical and Semitic Symbolism, The Library of Biblical Studies, KTAV Publishing House, Inc., New York, 1970. Mehr über die Gematrie selbst: — Kurent, T., Gematrie Writing with Numerals in Sizes of some Slovenian Architectures, Zbornilc za zgodovino naravoslovja in tehnike, 10, Slovenska Matica, Ljubljana, 1989. — Kurent, T., La signature gematrique de Rabelais par les nombres 66 et 99, Acta Neophilologica, XIX, Ljubljana, 1986. 3 34 34 34 34 16 3 2 13 34 5 10 11 8 34 9 6 7 12 34 4 15 14 1 34 D 1514 A M 40 4 E 5 _ 5 A 30 3 A 1 1 r 3 3 X 600 - 6 0 70 7 A 30 - 3 I 10 1 A 1 1 790 34 M 13 j k 1 E 5 L 12 L 12 B 2 E 5 R 18 N 14 E 5 C 3 C 3 0 15 H 8 L 12 T 20 I 9 D 4 A 1 U 21 E 5 E 5 I 9 R 18 N 14 E 5T S 19 R 18 136 140 1 + 2 + 3 + .. .4-16=136 1 4 A D ANNO DOMINI ALBRECHT DUERER A 1 A 1 B 2 B 2 C 3 r 3 D 4 A 4 E 5 E 5 F 6 9 6 G 7 Z 7 H 8 H 8 I 9 0 9 J 10 I 10 K 11 K 20 L 12 A 30 M 13 M 40 N 14 N 50 0 15 »—i H 60 P 16 0 70 Q 17 n 80 R 18 A 90 S 19 p 100 T 20 s 200 U 21 T 300 V 22 T 400 W 23 $ 500 X 24 X 600 Y 25 * 700 Z 26 0 800 So entstand die hebräische und darauf die griechische Gematrie. Gematrie ist also nichts anderes als die Übertragung von Buchstaben in Zahlen und umgekehrt. Noch später entstanden mehrere Varianten zu lateinischen, gotischen, kyrillischen und arabischen gematrischen Verschlüsselungssystemen.3 Die Gematrie entstand bereits in jener Zeit, in der man noch mit Hilfe von Sternchen verschiedene Rechnungen durchführte. Mit einem Calculus war es möglich, nicht nur, zum Beispiel, ein einziges Geldstück zu bezeichnen, aber auch ein Paar Ochsen (die Zahl 2), oder ein Dutzend Eier (die Zahl 2 x 2 x 3), oder das Entfernungsmaß 1 Passus, das 2 Gradus, oder 5 Pedes, oder 15 Trientes, oder 20 Palmi, oder 60 Unciae, oder 80 Digiti mißt. D. h., daß eine gematrische Zahl die gleiche Bedeutung haben kann wie eine Zahl, die 2-, 3-, 5- fach kleiner oder größer ist als die gematrische Ausgangszahl. Schon das christliche Dogma selbst erinnert daran, daß eine Zahl mehrere Bedeutungen haben kann, so wie die Dreifaltigkeit, die für Gott-Vater, GottSohn und Gott-Heiliger Geist steht, jedoch nur einen einzigen Gott darstellt. Erst die Araber brachten mit ihrem Monotheismus und dem Zahlensystem die unmißverständliche Bedeutung der Zahlen.4 Dürer verwendete in der »Melancholie« das lateinische gematrische Verschlüsselungssystem: A 1, B 2, C 3, D 4, E 5,... P 16, Q 17, R 18,... V 22, W 23, X 24, Y 25 und Z 26. Er verwendete aber auch das griechische gematrische Verschlüsselungssystem. Die mittleren Zahlen der untersten Reihe in magischen Quadrat sind 15 und 14. Sie zeigen das Entstehungsjahr an. Die Zahlen am Rande, 1 und 4, von rechts nach links gelesen bedeuten nicht nur A(nno) D(omini), sondern auch A(lbreoht) D(ürer). Die gematrische Gesamtzahl des ganzen Namens ALBRECHT DÜRER zahlt 140 oder zehnmal 14. Die unterste Quadratreihe gibt demzufolge bekannt: Anno Domini 1514, ALBRECHT DÜRER. In Dürers Kupferstich befindet sich auch die Inschrift MELENCOLIA I. (sie) Weshalb der zweite Vokal im Wort ein E, anstelle von A, ist, wird uns erst nach der Entzifferung des Wortes deutlich. MELENCOLIA EINS zählt gematrisch 136 oder viermal 34. Man sollte an dieser Stelle erwähnen, daß die Gesamtsumme aller Zahlen im Quadrat, von 16 bis 1, 136 ergibt. Dürer hat seine lateinisch-deutsche Aufschrift mit dem Austausch des Buchstaben A zu E der Schlüsselzahl des magischen Quadrates angepaßt. Ins Griechische übersetzt hat das Wort »Melancholie« den Wert 790: Lassen wir jedoch die Nullen der einzelnen Zahlen weg, erhalten wir wiederum die Gesamtsumme 34. In Europa ist die Gematrie nahezu in Vergessenheit geraten. Der letzte große Architekt, der mit den Maßen seiner Bauwerke gematrische Botschaf- 3 Kurent, T., Gematrični ključi, Zbornik ljubljanske šole za arhitekturo, FAGG, Ljubljana, 1988. 4 Allah ist der eine und der einzige: 112. Sure, El Ihlas. 40 + 5 + 30 + 1 + 3 + 600 + 70 + 30 + 10 + 1 = 790 6 ten vermittelte, war der Schüler Otto Wagners an der Akademie in Wien, Jože Plečnik.5 Aber auch heute noch wird die Gematrie in Israel, der Arabischen Welt und in gewißen Kreisen der USA betrieben. 5 Kurent, T., Plečnikova cerkev Sv. Mihaela na Barju, Mohorjev Koledar 1988, Celje, 1988. — Kurent, T., Simboli in sporočila Plečnikovega spomenika NOB v Trnovem, Nova revija, 83/84, Ljubljana, 1989. — Kurent, T., Plečnikov spomenik NOB za Litijo, Borec, 1, Ljubljana, 1989. — Kurent, T., The Slovene Insurance House, Plecnik's Symbols, Triglav, Ljubljana, 1990. 7