Beilage zur Kaibacher Zeitung. ^U 40. Mfter Jahrgang. 5. Oktober ^8O^l. Harre aus. 3/arrc aus bei deinen Fahnen, Sohn des Lichts, mein freier Geist, Wandle fort anf deinen Bahnen, wo du dich nnhemmbar weißt. Alle Souucn, die da prächtig vorwärts zichn in Glanz und Licht, Jeder Frühling, der da mächtig Dunkelheit und Winter bricht, Jeder Stern ist dir verbündet, mit dir ist, was licht und frei, Jeder Lichtstrahl, der dir kündet, daß er unaufhaltsam sei,! Machtlos jede Erdcnschranke vor dem Schritt des Geistes fällt, Denn ein Gott ist der Gedanke, uud wer denkt, beherrscht die Welt! Die Hinkende. Novelle von Leopold Kord esch. (Fortsetzung.) „>Vie reisen morgen, wie ich hörte," sprach Hermine, ihm entgegentretend, indem sie ihm einen Sitz anbot. »So ist es," entgegnete Bremer, „und da ich nicht weiß, wie lange mich Geschäfte in Wien zurückhalten und Fräulein Cacllia, — dabei sah er verlegen zu Boden — „indessen vielleicht unser Haus schon verlassen könnte, um — nm sich ins Kloster zu begeben, so wollte ich Ihnen, meine verehrten Fräuleins, vor dem Scheiden meine Verehrung darbringen." „Hier meine Hand, lieber Bremer, daß ich mein Elternhaus nicht verlasse, bevor Sie wieder zurück sind," sagte im herzlichen Tone Cäcilie und reichte dein Buchhalter ihr Sammethä'ndchen hin. War es Schüchternheit, Innggesellenscheu, Respekt oder welches Motiv sonst — Bremer stand wie ein Schul-knabe da uud erzitterte bei Berührung von Cäciliens Hand so, daß er dieselbe kaum zum Munde zn führen vermochte, war aber außer Stande, ein Wort der Erwiederung zu finden. Die Mädchen, welche von ihrem Vater ans den Buchhalter hoch in Ehren zu halten gelernt hatten, kamen seiner Verlegenheit auf die liebenswürdigste Weise entgegen und erklärten sich dieselbe als Folge seines zu geringen Umganges mit Frauen. Als der junge Mann endlich mit der Versicherung, eine halbe Stunde unter zwei Engeln verbracht zu haben, Abschied nahm, glänzten Thränen in sei« neu Augen. Bremer war nach Wien abgereist. Wenige Tage darauf saß der Chef des Hauses, Mengen, über Wechsclrech-nungcn im Comptoir, als ein ansehnlicher, elegant und fein gekleideter alter Herr nn sein Pult herantrat. „Habe ich die Ehre, mit Herrn Engelbrecht Mengen zu sprechen?" fragte er. „So heiße ich," entgegncte dieser, dem Fremden artig einen Sitz am Sopha anbietend. „Sehr verbunden, mein Herr. Ich bin Kaufmann Rößer von Lübeck, habe hier Geschäfte und komme neben« bei, um Ihnen zu Ihrem Buchhalter zu gratuliren und diesem selbst herzlich die Hand z>: drücken. Er heißt wohl Moritz Bremer, nicht wahr?" „Wie Sie sagen, mein Herr, leider ist er derzeit in Geschäften nach Wien verreist." „Schade, schr Schade, daß ich ihn nicht persönlich kennen lernen soll, den Ehrenmann!" rief der Lübecker Kaufmann, durch die erhaltene Nachricht unangenehm berührt. „Es freut mich, von meinem Buchhalter so reden z« hören," warf Eügelbrecht geschmeichelt ei». „Willen!" rief er, die GlaZthüre öffnend, ins Comptoir zum zweiten Buchhalter gewendet, „gehen Sie heute an mciner Stelle auf die Börse." „Erlauben Sie, Herr Mengen," sprach mit einem ge« wissen Eifer der fremde Handelsherr, „daß ich Ihnen vor Ihrem ganzen Comptoir»Personale erkläre, was mich hier« hergeführt." — Nachdem der Chef des Hauses die Comptoirisien heran» treten ließ, sagle Nöder: „Meine Herren, so gern ich Herrn Bremer persönlich gesehen hätte, so ist es mir gewissermaßen lieb, daß er abwesend ist. Ich kann Ihnen über ihn jetzt eine Aufklärung geben, die er in seiner Bescheidenheit gewiß verhindert hätte. Sie halten sämmtlich, wie ich gut unterrichtet bin, den wackern Bremer für einen Geizhals, für einen Filz und Knauser, weil cr in einer Dachstube wohnt und speist, weil er nirgends zu sehen ist, nichts ausläßt, ja bei cincm respektablen I.ihrgchalte sogar darbt und sich das Nöthigste versagt. Sie wissen aber nicht, 158 daß er scit seinem Eintritts in dieses verehrte Haus unablässig gespart und entbehrt hat, um als braver Sohn die Ehre seines längstuerstordeilen Vaters, Kassiers bei einem meiner Handelsfreuude in Lübeck, zu retten. Sein halbes Leben hatte der Wackere vielleicht dabei verblacht, wäre ihm lncht zufällig das Lottoglück günstig gewesen. Als Knabe gelobte er, eine kompromittireudc Schuld nach seinem unglücklichen Vater zu zahlen und als Mann hat er sein Wort gehalten. Vare 12.000 Thaler ersetzte er nach und nach und verwischte so jede Makel von der Ehre seines Vaters. Nicht genug! Seine alte, siebenzigjährige Mntter lebt in Lübeck bloß von dem Arbeitsschweiße und den Ersparnissen ihres edlen Sohnes, den sie täglich segnet, und ganz Lübeck spricht mit Hochachtung von ihm. Da ich nun hierher reiste, beauftragten mich einige Verehrer dieses seltenen Menschen, ihm in ihrem Namen wärmstcns die Hand zu drücken und ihm ihre Achtung kund zn geben. Ich drücke in seiner Ab--Wesenheit hier die Hand seines Herrn und Chefs und bitte ihn, daß er bei der Rückkehr seines Buchhalters dasselbe thue an meiner Stelle." — Alle sahen sich an, Allen siel es wie Schuppen von den Augeu, Alle baten dem Wackern ihre herben Anspielungen, ihren Verdacht, ihr Unrecht im Stillen herzlich ab. Eine edle Rührung überkam sie und wie auf ein verabredetes Zeichen erscholl es im Chorus: „Unser Bremer lebe hoch!" ,/Ich stimme herzlich ein!" schloß Engelbrecht, cine Thräne, die sich über seine Wange stahl, nicht verbergend, „mein Haus ist stolz auf ihn u>,d es würde mich sehr freuen, Herr Nöder, wenn Sie für heute Gast an unserer frugalen Tafel sein wollten, damit die Herrinnen dieser Firma, zwei große Verehrerinnen Bremers, das Vergnügen haben könn« ten, dessen wohlverdientes Lob aus Ihrem eigenen Muude zu hören." Gern sagte Nöder zu und entfernte sich mit einem kräftigen Handdrucke. Zur bestimmten Stunde wurde er von Engelbrecht beim Schwesterpaare eingeführt. Welchen Eindruck, welche Rührung die einfache Erzählung des Lübecker