Mutzen imd Vergnügen. « Freytag den 24. December 182H. ^ Erinnerung « an das wohlthatige Publicum beym herannahenden Jahreswechsel. D <^ie seit dem Jahre 1817 bestehende Sitte in Laib ach, sich der conventionellen Neujahrs-wünsche durch Erlaßkarten zu entbinden, deren Ertrag den hiesiqen Armcn gewidmet wird, soll auch beym herannahenden Jahreswechsel fortgesetzt, und eine Quelle zur Unterstützung dürftiger Mitmenschen bleiben. So wle es bisher üblich war, werden die schon bekannten Erlaßkarten im Handlungs-comptoir des Herrn Leopold Frörente.ich, Armen-Instituts-Hauptcassier, täglich um den Erlag von 20 kr. jür eine Person, zu haben seyn, wobey jedoch der gewohnten Großmuth der wohlthätigen Menschenfreunde keine Schranken gesetzt werden. Die Nahmen der Neujahrs-Gratulanten werden in gedruckten Verzeichnissen wie gewöhnlich in dieser Zeitung erscheinen, und der Gefammtbetrag besonders bekannt gemacht werden. Der Carneol. (Beschluß). ^3?ehr niedergeschlagen ging er zum geheimen Nathe P.., theilte diesem und dessen Familie seinen Verlust , lind den Verdacht gegen seinen Bedienten mit. Man suchte ihn, so viel als möglich, zu trösten, und bewog ihn, die Bekanntmachung ,',1 die IntelliZenzblnt« ter und Zeitungen einrücken zu lassen. ,,Am sichersten ist es," meinte der geheime Rath, ^daß Sie sich nicht nahmenkundig machen, sondern einen Dritten bezeichn nen, bey dem sich der jetzige Inhaber deS Carneols melden kann " Der Assessor pflichtete dieser Meinung bey, und bath den Goldarbeiter, der ihm den Stein eingefaßt hatte, diese Insertion zu besorgen. '«Sie kennen den schönen Carneol so gut als ich, und wenn sich Jemand mit einem solchen Steine melden sollte, so weiden sie es gewiß gleich entscheiden können, ob er der rechte ist." Die Bekanntmachung geschah, aber ohne Erfolg. Mittlerweile hatte der Assessor seinen Bedienten entlassen, >n,d überzeugt, daß ihm dieser den Carneol entwendet habe, seinen Entlassungsschein so laconisch aus, gefertigt, daß bey Jedem, dem der Brotlose solchen vorzeigte, der Argwohn rege werden mußte, eS fey da-hilner noch etwas verborgen. Jeder beschled den Bedienten, nach Vorzeigung dieses Abschiedes, nacheiln, gen Tagen wieder, und zoa erst bey dem Assessor Ti. nähere Auskunft über ihn ein. Dieser, der seinen Ver« lust nicht verschmerze,, konnte, erzählte dann die Ver- — .Zo6 — anlassung zu des Bedienten Verabschiedung auf eine solche Art, daß sich keiner zu dem Wagestücke verstehen wollte, «inen so unzuverlässigen Menschen in seine Dienste zu nehmen. Er wurde also überall adschlaglich beschieben. Über ein Jahr war verstrichen. Der Carneol war und blieb verloren, und Niemand dachte mehr daran, als der Goldarbeiter zu dem Assessor ins Zimmer trat,, und ihn mit den Worten anredete: ,„Freuen Sie sich, Herr Assessor! ich bringe Ihnen .Ihren Carneol wie. der'" — „Es ist nicht möglich!" rief dieser froh bestürzt aus; denn das menschliche Herz ist gewöhnlich > so verzagt, daß es die Kunde von der unerwarteten Erfüllung eines Lieblingswunsches bezweifelt. — „Über- > zeugen Sie sich selbst," sagte der Goldarbeiter, und hielt ihm den Stein hin, „es ist der Ihrige. Ich kenne ihn viel zu genau. Ich würbe ihn unter hundert herausgefunden haben." — „Ja, er ist es!" rief der Assessor, und fragte dann hastig : .„Sie haben denMen-schen doch gleich examinirt, von wem er ihn erhalten Hat? Nicht wahr, von meinem spitzbübischen Bedienten?" — „Werther Herr Assessor.!« .erwiederte der Goldarbeiter gelassen: „Sie haben sich sehr geirrt. Ihr Bedienter ist ganz unschuldig." — „Wie können Sie dieß behaupten?" —> «Daß Sie den Stein verloren, ist mir ganz klar. Bey dem raschen Ritte nach Ch.. ist er in dem Petschafte los geworden, und Sie stchen in großem Irrthume, wenn Sie behaupten, 'daß Sie ihn noch am spaten Abend gesehen haben. Eine arme Frau, die mit Bretzeln und Zwieback von S.. nach B.. kommt, um sie dorr feil zu biethen, ist ihn vor einigen Tagen zufällig in oemChausseegraben unter Sand und andern kleinen Steinen gewahr worden. Sie hat ihn, ohne seinen wahren Werth zu kennen, aufgeho« ben, und ihn mir, da sie auch zuweilen an meine Frau Bretzeln verkauft, mit der Frage gezeigt: was mag da» Ding wohl werth seyn ? Von der Ankündigung in den öffentlichen Blattern wußte sie nichts, und es ist bloß ein glücklicher Zufall, daß er gerade in meine Hände gekommen ist. Ich machte ihr den Vorschlag, mir den Stein für einen Thaler zu überlassen , und sie war sehr froh darüber." So erfreut der Assessor auch über das wi«dererhal« tene Andenken aus so lieben Handen war, sh versank er doch in «in tmßmuthiges Nachsinnen darüber, daß er sich, in Ansehung seines Bedienten, so geirrt hatte. Er hätte viel darum gegeben, wenn sein Verdacht sich bestätigt hätte, und er befand sich in einer peinlichen Verlegenheit, wie er bey der frohen Nachricht ooir dem wiedergefundeücn Carneol zugleich ein Selbsigestand-niß seiner Übereilung und Harte machen sollte. Er eilte in das P.'sche Haus, und benachrichtigte die Familie, daß, und wie er wieder in den Besitz seines theuern Kleinods gelangt sey. — Julie ^machte ihm einige sanfte Vorwürfe über seinen vorschnelln? lieblosen Verdacht,, und setzte dann hinzu: „Der arme MenschI wer weiß, was aus ihm geworden ist! Sie sollten sich doch nach ihm erkundigen, und ihm ei»e Entschädigung für das ihm zugefügt« Unrecht zukom» men lassen." — „Wer weif;, wo stch der jetzt herum» treibt," erwiederte der Assessor, mißgelaunt über diesen Vorwurf, und noch mehr darüber, daß er an eiüe solche Pflicht nicht selbst gedacht hatte. — IulienS Vater und Mutter stimmten der Tochter bey; der As» sessor mußte ihnen sein Wort geben, sich nach seinem verabschiedeten Bedienten zu erkundigen. Ungern that er dieß, und es war ihm sehr angenehm, als er feiner Geliebten und deren Altern die Nachricht bringen konnte, wie sein Bedienter, durch ihn herrenlos, da er sich vergebens um ein neues Unterkommen bemüht, und sich über dieMitcel seiner Subsistenz nichtgehörig hatte legitimiren können,, von der Polizey in seine Heimath Schlesien.zurückgewiesen sey. Nach mehreren Monathen erhielt der Assessor einen Auftrag, in Dienstangelegenheiten nach Schlesien zu reisen. Nach Beendigung dieses Geschäftes erwartete seiner die ihm-schon längst zugesicherte Beförderung, "und er hätte diese Reise daher mit frohem Herzen an° 'treten sollen, da sie ihn auch dem bis dahin ausgesetzten Tage d-er ehelichen Verbindung mit Julien naher führte; aber.eine unerklärbare Unruhe ängstigte ihn, und beym Abschiede von der Geliebten und ihren Angehörigen war er so erschüttert, daß Julie, selbst weichmüthig, alle ihre Kräfte aufboth , den Muthlosen zu beruhigen. Der Assessor kam in Schlesien an, und in den Stunden der Muße durchreiste er, als ein eifriger Mi. neralog, die donigen Gebirge. — Einst wurde er in — 207 — einsamen ttefenSchluKt von einem in ?m»wen M gehüllten Bettler um ein Almosen angesprochen. In M Gedanken vertieft, warf er kaum einen flüchtigen Blick M nach dem Flehenden, und hieß ihn mit hatten Wor-M ten, ihn unbehelligt zu lassen. Jetzt trat der Bettler M vor ihn, und sagte mit einem Tone der Verzweifelung und des Ingrimms: «Herr Assessor! hab' ich das um sie verdient? Ihr heilloser Argwohn hat niich so weit gebracht, daß ich nirgend mein Brot mir erwerben kann, sondern es ror and-erer Leute Thüre betteln muß, und nicht weiß, wo ich mein Haupt hinlegen soll." — Der Assessor erschrak; ein Hauptzug in seinem Charakter war Stolz, unb dieser Vorwurf kränkte ihn um so tieftr, als er dessen Wahrheit selbst sich gestehen musne. „Nun, wer kann mir den Carneol anders genommen haben, wenn er's nicht gewesen ist?" sagte er unüberlegt und auffahrend. — Dü wurde der Be-diente das Petschaft mit dem Verlornen Steine an'der Uhvkctte seines ehemahligen Herrn'gewahr. „Wie können Sie dieß behaupte,, ?" rief er, vor Zorn glühend, ans, und indem er nach der llhrkette mit Hefiigkeit griff: „Sie haben ihn ja da hangen!" >— „Dieb! Mörder!" schrie der Assessor, alle Fassung verlierend. — „Nun, wenn ich doch ein Dieb u»d Mörder mit Gewalt seyn soll, so will ich's auch weiden!" Bey diesen Worten packte er den Assessor an der Gurgel, warf ihn zu Boden, erdrosselte ihn, nohm ihm dann die Uhr und Börse ab, und verlor sich ins Gebirge. Der Ermordete wurde halb vermißt, man suchte ihn, und'fand den Leichnam am dritten Tage. Vergebens wurden alle Mittel angewender, den Thäter aus.-zumitteln. Bey dem Mangel an allen, selbst den ent« ferntesten Verdachtgründen, konnte man ihm nicht auf die Spur kommen. Aber der Unglückliche,, nach dieser momentanen Wuth von Gewissensbissen gemartert, überlieferte sich selbst den Händen der 'Zerechtigkit. Aus seinen Aussagen erfuhr man den wahren Zusammenhang dieses schalldervHllen Mordes. Die dabey obwaltenden Umstände, und die freywillige Gestehung des Verbrechens bestimmten das Gericht, statt auf Todesstrafe, auf lebenslängliche Gefangenschaft zu erkennen. Nach Verlauf einiger Jahre, da der Verhaftete das Zeugniß «in«s musterhaften Betragens von dem Fe-stung>Commandanten, dem Platzmajor und dem Auf- seher der Glfa? Z.-nen erhielt, wurde er, bey einer Be. 1 gnadigung mehrerer Verbrecher, mit begnadigt. ' Es ist nichc mn lieblos, sondern auch gefährlich, ^ einem entehrenden Verdachte in seinem Herzen unge-prüft Gehör zu geben, und laut werden zu lassen. Der ungerecht Gekränkte fühlt sich dadurch auf das tiefste verletzt, und es gehört eine seltene Selbstüberwindung und Großmulh dazu, die im Innern kochende Rache gegen den Beleidiger zu unterdrücken. Merkwürdiger Krankheitsfall. M (Aus dem Wanderer vom i5. December). Seit mehreren Tagen spricht man in Wien von ^ emem Kranken, der feit 'vielen Monathen nicht vom Schlafe «wachte und in diesem Zustande von Komorl» nach der Iosephinischen Akademie (Militär-Spital) ge-bracht win'He. Der Wanderer hielt es für seine Pflicht, sich über jenen Vorfall genau zu unterrichten, und was er seinen verehrten Lesern hierüber mittheilt, ist aus ganz echten Quellen gezogen. Carl Haag, welcher früher einer dauerhaften Gesundheit genoß, versiel am 6. Iuny »623 durch einen äußerst heftigen Schrecken in einen cataleptischm*) Zustand. Bald nach diesem Vorfall wurden alle dem Willen unterworfene-,, Muskeln gelahmt, so zwar, daß ihm alle frey'iiilllgen Bewegungen durchaus unmöglich wurden. Man konnte mit seinem Körper nach Belieben vornehmen, was man wollte, und in ber Lage, worein man ihn versetzte, blieb er unverändert liegen. An. , fangs, und bis über die Hälfte der bisherigen Krank, heitsdauer, hielt er, Tag unb Nacht starr auf Eine» Punct schauend, die Augen offen, welche er sehr selten und nur auf kurze Zeit schloß; seit jener Epoche aber hält er sie Tag und Nacht geschlossen. Seine übrigen Verrichtungen, als: Kreislauf der Säfte, Körperwärme, Hautausoünstung, gehen unverhindert, ie-doch schwach fort. Seine Nahrung von Anfang bis jetzt besteht in flüssigen Sachen, als: Panadl, Gersten. schleim, Wemsuppe, Reis, Gries, Milch. Geschah *) Die Catalcpsis ist ,ine Art convulsivischer Schlafsucht und Ttarrsucht. Anm. d. Nand. — 2o3 —' es, daß er etwas Gröberes bekam, was aN«nfalls dem K^uen unterlag, so wurde dieser etwas festere Nahrungssioff durch heftiges Husten >uieder ausgeworfen. Er wurde zur bestimmten Zeit geatzt. Die Arzeneyen, welche er bekam, bestanden Anfangs aus äußerlichen Neitzmitteln, als- flüchtig« Einreibungen, Canthari-den, bann Opium, Valeriana ic. Aber alle angewandten Mittel waren vergeblich ; er verrieth nichteineSpur von Verä»deruna. Sein Psychisches scheint mit seinem Physischen »icht in Einklang zu stehen ; denn m«n sah Thränen von sei< nen Backen rollen, als in seiner Gegenwart über sein« traurige Lage gesprochen wurde. Auch rotheten sich seine blassen Wangen bey verschiedenen Gelegenheiten, und so nahm man aus verschiedenen Merkmahlen wahr, daß er wisse, was außer ihm vorqeht. Dieser Kranke lam am 3. November von Komorn in Wien an, und man hatte seitdem Gelegenheit, durch sein milgekommenes Weib folgendes Nähere über tzss Geschichtliche seiner Krankheit zu «fahren. Carl Haag ist 35 Jahre alt, nery»s, N'rita, beln Temperaments; er genoß einer fortwährenden re-lativen Gesundheit bis zum 6. Iuny 1625, an wel. chem Tage er, dmch Einwirkung eines heftigen Schreckens, in starke Convulsionen veriiiel, welche mehlere Stunden anhielten, und alle Symptome eines epilep. tischen Paroxismus darbothen. Einige Tage darauf wurde er ron einem nsch heftigeren Anfalle ergliffen, der für sein Leben fürchten lieh-. Die darauf fast jede Woche zwey Mahl erfolgten Parorismen nahmen nun an Dauer und Heftigkeit ab, so zwar, daß er n^ch einem Zeitraum von drey Monathen, wahrend welchen die Augen starr und fortwahrend auf Einen Gegenstand gerichtet waren , in dem nunmehrigen soporöfen (schlaf-füchtigen) Zustand gerieth, in welchem er ohne die ge« ringste Muskelbewegung feit sechszehn Monathen dsrniederliegt. Die Gliider können durch fremde Kräfte nach Will' kühr gebogen werden, behalten aber die ihnen gege« bene Richtung nicht. Die dem Willen nicht unterworfenen Muskelbewegungen,, als: tzie Respiration und der Blutumlauf, dauern fort. Die Körperwärme ist normal; gegen die Frühstunden kesMetsich der Kranke immer i» einer gleichförmige!: Transpiration. Er zeigt eine völlige. Ullempfindlichkeit gegen äußere Eindrücke und eine vollkommene Neitzlosigkeit der Sinnesorgane. Von. Nahrungsmitteln könnln ihm nur die flü^i« gen gereicht werden; festere, welche dem Kauen unterliegen/ werden durch den verursachten Reitz uud da durch bewirkten Husten zurückgestoßen. M i s c e l l e n. Lord Selkirk hatte zwey Treibhäuser, m i^der Rücklicht sich gleich. Sein Gmtner, ein geborner ^3chot« te, war ein höchst methodischer und geregelter Mann. Eines Tages reitet Lord S elk irt aus, und steht bey der Rückkehr aus jedem seiner Treibhäuser den Kovf eines iunßen Menschen gucken. „Was stellt da? vor l" fragte er den Gärtner. „Edler Lord, das ist ein Spitzbube, den ich gefangen habe, da er Euch Obst stehlen wollte, und ihn glelH dort inS Treibhaus sperrte!" — „Nun, und der Andere? Das ist ja dein Sohn! hat der auch etwas gethan?" — „Keineswegs, ich sperrte ihn bloß der Symmetrie wegen dort in däs andere Treibhaus!" Eine der Pariser Bühnen ist s«t einiger Zeit so verödet, daß der Director Willens ist, irgend ein außerordentliches Thier mir auftreten zulassen, um den Reitz einigermaßen zu erhöhen. Als er kürzlich seine Un-schlüssigteit in der Wahl eines solchen Thieres äußerte, schlug ihm Jemand ein Kamehl vor, weil Ließ die Wüste nicht scheue!! Berichtigung der, im letzten Wochenblatte erschienenen Charade. In der ersten Zeile soll es heißen: „Wenn Geister in derErsten mich umwehen,« ^ Dann in der achten Zeile von oben soll es heißest: „Um Segen fürM egi « en zu erflehen.« Anch hat das irrig der Charade beygesetzte Mo« i nogramm keine Deutung. Gedruckt bey Ignaz Aloy5 Edlen von KI«inmayr.