Die Stanleysche Gmin-Expedition und ihre Auftraggeber. Die Ztanleysche Emm-Expedition und ihre Auftraggeber. Nach dm Berichten von sasati, Emm-Pascha, Peters, Iephson und Stanley kritisch bclmchtet von ^. Jaeger.^ Motto: „(iö ist nicht allcö Gold, was glänzt." Mit einer Übersichtskarte. Hannouer-Linden. Verlags'Anstalt von Carl ManZ. (Manz j< 5ange.) 1891. Alle Rechte vorbehalten. Druck von August Grimpc in Hannover, Vorwlir t. I!it der Inaugurierung einer deutschen Kolonialpolitik hat bei uns eine neue Strömung um sich gegriffen, die sich daran gewöhnt, den Weltmarkt, die Welt-Wirtschaft und -Herrschaft nicht mehr nnter dem Protektorat des spezifisch englischen Standpunktes zu betrachten, eine Strömung, die sich von der Einseitigkeit kontinentaler Beschränkung loslöst und die Berechtigung des national-politischen Prinzips anstrebt. Die engherzige Aufsafsuug der anti-kolonialen Richtung, namentlich mit ihrem Pessimismus und ihrer „Nörgelei", tritt jetzt mehr zurück hinter der aktiven Beteiligung weiterer Kreise, uud in allseitigem Fortschritt sieht Deutschlaud erwartuugs-voll dem Anbruch einer neuen Zeit entgegen. Der Konkurrenzstreit mit der englischen Nation hat begonnen, nud wenn auch die deutsche Regierung die denkbar günstigsten Beziehungen mit dem britischen Vetter aufrecht zu erhalten sncht, kann man sich doch nicht darüber forttänschen, daß für die Förderung und Entwickelung unserer überseeischen Interessen ebensosehr ein gewisser Gegensatz zu England notwendig ist, wie wir im Anfange nur mit dieser Stellnngnahme in die neue Epoche hineingekommen sind. Demnach ist auch die Vcurtcilnug englischer Fragen bei uns jetzt-eine weit andere wie damals, als die deutsche überseeische Thätigkeit kaum ein anderes Streben zeigte, als für Englands Größe zu arbeiten. Nicht nnr staatliche und private, sondern selbst internationale Unternehmungen werden heute fast lediglich vom Standpunkt der beteiligten Nationen, also mehr oder weniger parteiisch betrachtet, ohne dabei, wenigstens in Deutschland, eine Würdigung des wahrhaft Guten auszuschließen. So hat mich die jüngste englische Erpeditiou zum sogenannten „Entsatz Emin Paschas" eine sehr verschiedene Beurteilung hervorgerufen, nm so mehr als mit der Zeit dnrch die Unvorsichtigkeit der Teilnehmer manches ans Tageslicht VI lam, das mit den in London angekündigten Motiven schwer in Einklang zu bringen war. Sicht man von allen Nebengedanken ab, so kann man jene großartigen Unternehmungen der Jahre 1887 — 1890 nur mit Be-wnndernng betrachten nnd ihren Urhebern gerechte Anerkennung zollen, aber was sie vor allen anderen so sehr verdammt, ist einmal die mit selbstloser Aufopferung gehißte Flagge der Humanität nnd zweitens als Gegenstück dazu die Rücksichtslosigkeit des Hanptagenten sowohl hinsichtlich seiner Anfträge wie gegenüber dem Allgemeininteresse der Knlturwelt. Alle Bearbeitungen, die sich bislang mit diesem Thema beschäftigt, haben sich mit einer Darstellung der Thatsachen, im günstigsten Fall mit der Zurückweisung einiger Insinuationen begnügt; die jüngst erschienenen Werte von Casati und Peters liefern uns genügendes Material zn einer den Thatsachen mehr entsprechenden Anffassnng; Zweck der folgenden Arbeit ist ein Versnch, auf Grund der bisher bekannten Quellen die englischen Pläne und ihre Ausführung durch die Stanleysche Expedition ohne jede Rücksichtnahme zn enthüllen. Magdeburg, im Mai 1891. Per Verfasser. Z n h a l t. Scite Rapitel I. Die englische Sudan «Politik .................. 1 „ II, Die Pläne der englisch-ostafrikanischen Gesellschaft, , . 14 „ III. Die Pläne der englischen Regierung............. 2!) „ IV. Die Stanleysche Expedition................... 33 1. Thätigkeit Stanleys bis zum Zusammentreffen mit Emin 33 2. Verhalten Stanleys zu den Plänen seiner Auftraggeber . 53 3. Stanleys Intriguen und ihr Erfolg ............ 65, 4. Rückmarsch nach Sansibar.................. 90 V. Leopolds II. Pläne und Lrfolg................105 „ VI. verhalten der englischen Gesellschaft und Regierung während der Expedition...................112 „ VII. Schlutzbetrachtung .........................127 I. We englische Man-Politik. Afrika, noch der unbekannteste, herrenloseste, also zeitgemäß um-worbcnste Erdteil, hat im ^aufc des letzten Jahrzehnts die mannigfachsten Ereignisse gezeitigt, mannigfacher, als ein ganzes Jahrhundert früherer Geschichte es vermocht hat. Was seit dem Absterben des altägyptischcn Knlturstaates weder dem phönikischen Unternehmungsgeist noch dem militärgewaltigen Rom noch der Triebkraft des Islam anf seinem Siegeszuge volleuds gelaug, was ferner seit dem Zeitalter der Entdeckungen Enropa, vornehmlich Portngal, vergebens angestrebt, das hat unsere Zeit im weitesten ^?inne nachgeholt, indem sie die Gruudlage zu einem sicheren Erfolge schuf. Der modcrue Fortschritt hat eiu gemeinsames Vorgehen der Nationen veranlaßt und es ermöglicht, daß schon heute, nach Verlauf eiues Jahrzehnts thatkräftigen Wirkens, Afrika ernstlich in das Stadium eintritt, seine Kräfte zn einem Wettbewerb auf dem Weltmarkte zu entwickeln. Eine nene Völkergruppe mit noch teilweise unerkannten Hilfsquellen uud Fähigkeiten wird der zivilisierten Menschheit hinzugewonncn, aber nicht in langdaueruder Kulturarbeit, sondern in überhastetem Streben. Das Kolonisationswerk steht nicht mehr allein im Dienste eines philan-tropischen Ideals, sondern es hat das Gepräge des kaltherzigen Egoismus hinzuerhalteu: wissenschaftliche und humane Bestrebungen sowie kauf- verhältnismäßig friedlich, ohne größere Erschütteruugcu und blutige Konflikte, wie sie die Gewiunung Amerikas so sehr erschwerten, nur beschleunigt durch die Konkurreuz der operierenden Nationen, die sich den Boden für ihre kolonisatorischen Vestrcbuugcu sicheru. Durch eiue Reihe von Verträgen, die noch nicht ihren Abschluß ge-fnnden haben, sind die Küsten- und Binnenlande, soweit sie erforscht und wegen ihrer Produktivität erstrebenswert sind, nahezu besetzt oder zu einem großen internationalen Staate zusammengeschweißt. Nm diesen gruppieren sich sechs europäische Kolonialmächte, von denen England als meistbeteiligtster Interessent den ersten Platz einnimmt. Es ist charakteristisch für die britischen Erwerbungen in Afrika, daß sie im Anfang des laufenden Jahrhunderts mit der Gewinnung des Südens begannen, sich in: Verlanf an der West- und Ostküste des Kontinents verbreiteten nnd am Ende mit dem Gewinn des Nordens nebst seinen zentralafrikanischen Dcpcndenzen zn schließen scheinen, aber noch bezeichnender für die ganze Politik ist es, wie sie ihren ausgedehnten Besitz erworben hat und noch Jaeger. Die EtanlcVsche Emiii. Expedition. 1 _____2____ weiter zu mehren trachtet. Die englische Nation, eingedenk ihrer kosmopolitischen Anfgabe, die sie sich scheinbar uneigennützig selbst gestellt, hat es unternommen, ihre Söhne über den ganzen Erdenrund zn entsenden, um das Los einer geknechteten Menschheit zu mildern nud um Humanität nnd Zivilisation zn verbreiten. Grimmiger Spott, wenn man bedenkt, daß wohl kanm eine namhafte Unternehmung ohne materiellen Hintergrund oder praktische Aussichten iu England ins Wert gesetzt ist! Im folgenden versucheu wir, das ueucstc Beispiel hiervon wieder« zugeben, das zugleich als eine Skizze modern-afrikanischer Geschichte dienen mag, nach dem Maßstabe, wie sie in London zugeschnitten wird, nämlich den Versuch Englands, den östlichen Sudan nach dem Sturze der ägyptischen Herrschaft zn gewinnen. Zur beabsichtigten Darstellung müssen wir erst kurz die politische Konstellation im alten Pharaonenlandc, namentlich die Ziele, die England dort verfolgt, berücksichtigen. Seit der Eröffnung des Sneskanals hat dieses Land eine so immense Vcdcutnng erlangt, wie es in unserer Zeit' rechnuug noch nie gesehen, daß es sogar die Gestaltung gewisser politischen Fragen in nnserem Erdteil zn bceinflnssen im stände ist. Ägypten ist unverkennbar die Perle Afrikas. In kommerzieller Beziehung umfassen seine Hilfsquellen durch das Stromgebiet des Nils fast ein Viertel des ganzen Kontinents; an seinen Küsten ist der europäische Haudclsweg nach den unerschöpflichen Ländern Indiens, Ehinas nnd Ostafrikas unwiderruflich vorüber gelenkt, nnd durch seine Nähe vermittelt es den Verkehr mit Asien. Die politische Bedeutung zeigt sich in der Suprematie über Nord- und Zcntralafrika bis zn den Tschadsceläudern. und in der verbindenden Stcllnng der osmanischen Welt, wodnrch Ägypten ein notwendiger Schlüssel in der Hand des Snltans wird zum Herzen seiner Gläubigen, während es, militärisch betrachtet, eine Riescnfcstnng darstellt, die inmitten dreier Erdteile eine entscheidende Wirkung anf zwei Meere ansnbt nnd den „Thorweg nach Indien" bewacht. Wer am Nil sein Banner aufgepflanzt, hat, wie anf keinem andern Pnnkt der Erde, sich die Berechtigung znr Weltherrschaft errungen. Der Besitz Ägyptens ist für England deshalb höchst erwünscht und in Hinblick anf die Verbindung mit Indien sogar notwendig, da eine Unterbrechung der britischen Etappen eine schnellere Loslösung vom Mutterlandc znr Folge haben würde. Das Nilland stellt die bisher noch fehlende, meerbeherrschende Position dar, welche die Battcrienkette von Gibraltar - Malta bis Aden-Pcrim intakt macht und das Mittel- uud Rote Meer iu Fessclu schmiedet. Diese Pnnkte waren so schwerwiegend, daß sie einen völligen Umschwung in der traditionellen Orientftolitit Englands hervorriefen. Denn während man bisher von London aus die usmanische Pforte mit allcu Mittelu zn stärken snchte, um auf die russischen Expansionsgclüstc in Asien und Enrova einen möglichst starken Drnck ansznüben nnd demgemäß die ägyptische Machtstellung nnr als Stärkung der Türkei ansah und alle Unabhängigkcits>Bcstrebnngcn zn Schanden machte, begann man nach der Dnrchstcchung des Isthmus von Sues allmählich den Knrs zu ändern. Der erste Akt, der die Wcndnng der englischen Politik erkennen läßt, fällt in das Jahr 1875 nnd bezeichnet das Hauptziel der nencn Richtnng. ____3_____ Es war dies der Ankauf der dem ägyptischen Staate gehörigen Sueskanal-akticn und die Entsendung eines tüchtigen, englischen Finanzmannes zur Ordnung der zerrütteten Finanzen. Letzteres bot auch Gelegenheit zu weiterer Einmischung, wobei man mit der französischen Regierung zuerst Haud in Haud zu geheu suchte. Frankreich war weit mehr durch politische, als materielle Interessen beteiligt; alle seine Maßregeln wareu allem auf die Besorgnis zurückzuführen, daß sein Einflnß in Nordafrika von einer anderen Macht überflügelt werden könnte. Daher wurden die autonomen Bestrebungen begünstigt, insofern eine Loslösung von der Türkei eine Vergrößerung seines Einflusses iu sich schloß. Iu Bezug auf die Finanzkontrolle suchte es, die Steucrkraft des Landes zu heben, da vornehmlich französische Gläubiger zu befriedigen waren. Beide Staaten übernahmen die Ordnung der Finanzen und legten den Grnnd zur Fremdherrschaft, iudem sie bald mit, bald ohne Zustimmung des Sultans verfuhreu. Es liegt aus dem Bereich uuscrcr Aufgabe, die Thätigkeit beider zu vcrfolgcu; wir bcschräukeu uns auf den Erfolg. Die langen, ergebnislosen Verhandlungen veranlaßten das Ein« greifen Deutschlands, das wiederum von Frankreich uud England mit der Absetzung Ismael Paschas nnd der Proklamicruug Taufik Paschas zum Khcdiwe übertrumpft wurde. Bald darauf änderte sich die Lage im Nillande noch mehr. Gladstone war zwar vorerst dnrch Lord Beaconsfield an ein gemeinsames Vorgehen mit Frankreich gebunden, was er auch trotz seiucs entgegcugcsetzten Interesses that, aber es stellten sich bald unverkennbare Differenzen ein, welche die Beziehungen lockerten. Schon die An-erkennnng der französischen Besetzung von Tunis hatte man in ^t. James nnr deshalb hinausgeschoben, nm von Frankreich als Kompensation die alleinige Kontrolle in Ägypten zu erlaugeu. Die Exzesse in Alerandrien und die Bewegung der Nationalpartei uuter Arabi Pascha boten denn auch den willkommenen Anlaß zur kricgerischcu Lösuug, uud die folgenden Gewaltakte machten Ägypten zn einem englischen Schutzstaat, der vou in London iuspiricrteu Agcuteu regiert wurde. Das sprechendste Zeuguis für die englischen Ziele war die Besetzung des Kanals von Snes, der, obwohl gar nicht gefährdet, von General Wolseley znr Operationsbasis gemacht war. Frankreich zog sich nunmehr vor einer solchen Vcrant-wortuug zurück uud überließ, nicht ohne-mehrfache Proteste, England den Schauplatz. Seitdem hat es sich jeder offiziellen Einmischuug in ägyptische Angelegenheiten enthalten nnd anch in seiueu neucsteu Versuchen nichts anderes bezweckt, als dem englischen Vorgehen Schwierigkeiten zu bereiten, aber sich ausdrücklich Aktiousfrcihcit im Nillandc vorbehalten. Ägypten, durch seine Geschichte nnd Religion zn Asien gehörig, ist mm thatsächlich dnrch die Gewalt der Waffen an Europa gekettet; der britische Löwe bewacht jetzt die Dcukstätteu der Pharaonen. Natürlich snchten die Engländer, ihre Stellung nach Kräften auszubeuteu uud sich iu ihrer Weise für die Opfer an Geld nnd Menschen zu cutschädigcn. Alle wichtigen Staatsgeschäfte wurden Eugländcru übertragen, ohne eine Verantwortung zu übernehmen; man wollte nnr herrschen, der Schützling sollte gehorchen nnd dnlden. Znerst bezweckte man die formelle Aufhebung der Doppelkontrolle, jedes Fernhalten fremden Einflusses, sowie 1* 4 Stärkung der Autonomie gegenüber der Türkei nnd nicht znm mindesten eine materielle Entschädigung, was mau zum Teil auch erreichte; aber vor einer ausgesprochenen Übernahme des Protektorats scheute man zurück uud wird es auch noch weiter thun, solange der finanzielle Ruin zu unbequeme Verpflichtungeu auferlegt. Während dieses Reorgamsationswcrkes nahm der schon 1881 ausgebrochene Sndanaufstaud unter Mohammed Achmed eine bedrohliche Gestalt an nnd zwang, die beabsichtigte Beschränkung der englischen Okkupationsarmee ans 30)0 Mann hinauszuschieben. Nach den, vorangegangenen Ereignissen mußte England als einziger Souverän in Ägypten sich auch als solcher in dessen Dcpcndeuzen, also im Sudan, betrachteu uud war so direkt und moralisch verpflichtet, den Muhdistcn als Rebellen und Empörern gegen die englische Herrschaft entgegenzutreten. Aber es kam anders: während noch im Jahre 1881 die Einmischung einer europäischen Macht in Ägypten keineswegs wünschenswert war, aber Gladstone sie erzwäng, um Frankreich hinanszukumplimeutiereu, so war die jetzige Einmischung Englands in den sudanesischen Aufstand eine notwendige, aber Gladstone unterließ sie, da sie zn gewagt schien. Immerhin blieb die Angelegenheit unbefriedigend, da das Prestige der englischen Flagge sich schwer wahren ließ. Den Sudan allein mit seinem noch jungfräuliche« Boden, den man nicht mit Unrecht als die „Kornkammer der Welt" bezeichnet i), hätte man zwar gern für den englischen Unternehmungsgeist gewonnen, aber einmal war der Kostenaufwand, deu ein Niederwerfen des Aufstandes erforderte, zn bedeutend, nm mit deu nächsten, kommerziellen Vorteilen in Einklang zn stehen, und zweitens hatte man keine sichere Garantie, das; der zurückeroberte Sudan ausschließlich englischen Interessen zufiel; vielmehr war es sehr wahrscheinlich, daß die Wcstmächte wieder die Initiative ergriffen uud mit diesem Zugeständnis die Übernahme des Protektorats in Ägypten verbanden, oder daß der Khediwe selbst dagegen auftrat und an die Hilfe des Oberhcrrn appellierte. Beides stand in direktem Gegensatz zn den Plänen Gladstones. Man befand sich in London zweifellos in einer sehr uuangenehmcn Lage: Euglaud hatte sich getreu seiuer Überlieferung eingedrängt, Verlegenheiten bereitet nnd dadnrch geherrscht: man konnte nicht mehr zurück, aber mau wollte auch nicht weiter. Hätte uoch Lord Veaeousficld am Staatsruder gestanden, so wäre die Lösuug einfach, ebenso einfach wie der Anfang der Intervention in seinem kraftvollen, rücksichtslosen Stil herbeigeführt wurde. Aber Gladstones Krämerpolitit entbehrte jeder großen Perspektive, sie ließ sich zn sehr von der öffentlichen Meinung leiten nnd schente vor jedem Wagnis znrück. So schien die Mnhdibewcgung den Zielen der englischen Politik entgegenzulaufen, und die Gcwinnnng des Sudan aufs eugstc mit der Lösung der ägyptischen Frage verquickt zu sein. Während am uuteren Nil das Prinzip der Herrschaft ohne Verantwortung ein Abwarten uud Hinaus- ') Der bekannte Reisende und spätere Pascha Sir Samuel Vakcr äußert sich da-uver: „Den Sudan aufopfern, heißt die Kornkammer der Welt wcgschlcudern. Wenn diese Region in zivilisierte Hände kommt, wird sie die reichste des ganzen Kontinents werden." 5 schieben erforderte, verlangte die Sudanfragc sofortige Entschließung. Es kam also daranf an, beide Verwickelungen voneinander zu trennen nnd einzeln zn behandeln. Die angenblickliche Lage in Kairo war anf die Daner unhaltbar nnd ließ zwei Eventualitäten der Lösuug erkennen: erstens Ägypten trat aus der türkischen Machtsphäre aus uud ward ein Schutzstaat Englands, zweitens England räumte Ägypten und gab den Westmächten nnd der Türkei ihre ausschlaggebende Stellung zurück. Im ersteren Falle hätte England sein Recht anf den Sndan stets zn wahren gewußt, wäre aber verpflichtet gewesen, gegen den Aufstand einzuschreiten; im zweiten wäre der Sndan nnter der Garantie Europas ägyptisch geblieben. Da Gladstone zu der ersten Möglichkeit sich nicht entschließen konnte, aber anch der letztern vorbeugen wollte, erfand er einen Ausweg, der in beiden Fällen den Sndan für England sicherte., Es galt vorerst, die beunruhigten Länder sich selbst zu überlassen uud Ägypten öffentlich zum Verzicht zu bewegeu. Dauu war nicht nur jedes formelle Anrecht nichtig nnd der Sudan frei von internationalen Rücksichten für England reserviert, sondern in einigen Jahren nmßte die Muhdibcweguug auch ihre Gefahr verloren haben, so daß das englische Kapital nnr zur Aussaat, uicht erst zum Aukauf des Landes angcwaudt zu wcrdcu brauchte. Damit aber die spätere Okkupatiou uubehelligt stattsiudcn konnte, mußte von vornherein die Konkurrenz anderer Staaten ausgeschlossen, nnd dazu die Eingänge zum Sudau im Namen Ägyptens oder anch im eigenen jetzt gleich besetzt werden, angeblich damit sie den Muhdisten nicht in die Hände sielen. Der letzte Pnnkt wurde auch schon lange angestrebt, da diese Plätze zugleich Etappeu auf dem Seewege nach Iudien uud zur Sicherung dieses Weges schon vorher in Aussicht gcuommeu waren. Man kam hiermit anf den Anfang und die Grundlage der Intervention znrück. Auch uoch ein nencr Vorteil war hiermit verknüpft. Die türkifche wie ägyptische Antorität wird in den Küstengcgenden am Nuten Nicer systematisch gehaßt, nnd wenn England in Ägypten als bleibender Sonvcrän anfträtc, würde dieser Haß neue Nahrung gewinnen dnrch die oppositionelle Haltnng der Nationalpartci, die an den feindlichen Beduincnstämmcn einen steten Rückhalt hätte. Gab man aber diese Stämme jetzt von Kairo ans frei, und gelang es dann später, sich hier dnrch Vcstcchnng oder auf sonstigem friedlichen Wege einen Einfluß zu verschaffen, so hatte man sich die beste Basis zur Wiedergewinnung des Sudan in gleicher Weise wie zur Befestigung des Seeweges geschaffen. Zudem war es für Eugland, das in seinen Kolonien zahlreiche Mohammedaner beherrscht, dienlich, in der Nähe der heiligen Städte feste Stützpunkte zn haben. Deshalb hatte man bereits in früheren Jahren diese Gegenden dnrch Propaganda zn gewinnen gesucht, was seiner Zeit zu einigen Auseinandersetzungen mit der Pforte führte. Die Absicht Englands mag von diesem Standpunkte aus schon lange bestanden haben, aber das Projekt zur Gewiunung des Sudan ist erst mit der Erhebung des Mnhdi entstanden. Beide gelang es so zu tom-biniereu, indem man die fragliche Regelung der ägyptischen Frage anßer acht ließ. Der Sudanaufstaud war für die cnglifchc Politik viel günstiger, als wenn er gar nicht stattgefunden, uud in anderen Ländern würde man 6 eine derartige Bewegung mit Recht auf englische Agitation zurückführen können; hier gründete sie sich zweifellos auf soziale Mißstäude.') Auf solche Erwägungen baute das Londoner Kabinett, als es den Verhältnissen im eigentlichen Sndan unbeweglich gegenüberstand und seine Aufmerksamkeit zunächst nur auf die Sicherung der Küste richtete. Im Sudan brach unterdessen alles morsch zusammen. Durch den mißglückteil Versuch Hicks Paschas, den Kordofan zu erobern, war die letzte Armee Ägyptens vernichtet, uud die ganzen Gegenden bis anf Nubieu thatsächlich in den Händen des Muhdi; der letzte noch erreichbare Posten war Chartum, eine Insel im brandenden Meer, gegen die sich jetzt die vernichtenden Fluteu wälzten. Von den südlichen Aquatorialpruvinzen nnd dem Bahr cl Ghazal..hatte man gar keine Nachricht und nahm deshalb an, daß anch sie der Übermacht erlegen seien. In London mußte man angesichts dieser Schlappen endlich das Programm für die Sudanpolitik ausgeben. Auf eine bezügliche Anfrage des Generalkonsuls in Kairo Sir Evelyn Baring erklärte Lord Granville, daß „die Strcitkräfte ^) sowohl aus Chartnm als aus dem Innern des Sudan zurückgezogen werden" sollten, und daß es nötig wäre, daß die Minister und Gouverneure, welche dies nicht befolgten, aus dem Amte treten müßten. Die Folge war, daß das widerstrebende Kabinett unter Shcrif Pascha zurücktrat^), und Nubar Pascha, der „noch englischer war als die Engländer selbst", mit der Bildung eines gefügigeren betraut wurde. So wurde der schuu längst zur Schattencxistenz verdammte Khediwe Zur Preisgabe des Sudan gezwungen'), und die ägyptische Herrschaft wieder auf ihre frühere Ausdehnung bis znm zweiten Katarakt bei Wadi Halfa beschränkt. In diesem Sinne ist mich die Mission Gordons zu verstehen, er war uichts anderes als ein englischer Agent''), der 1) Die hier vertretene Auffassung basiert zum Teil auf einer Abhandlung in „Unsere Zeit" Jahrgang 1884 Bd. I: „Der Sudanaufstand und die englische Politik" von L. von Asscnbach, 2) In einem Bericht Sir Evelyn Barings an Lord Granvillc werden diese in der Höhe von 3244<» Mann angegeben. 3) Shcrif hatte nämlich Sir E. Baring in einer Note vom 22. Dezember 1888 den Vorschlag gemacht, die Pforte zur Al'sendung von Hilfstrupvcn zu veranlassen oder, wenn sie daraus nicht eingehe, ,ihr die Küste des Noten Meers und den östlichen Teil des Sudan zurückzugeben, damit Ägypten zur Sicherung des Nils bis nach Chartum alle Kräfte gebrauchen tonne. Lord Granville antwortete mit einem scheinbaren Eingehen auf den zweiten Punkt, gab aber zugleich die Direktion der neuen Politik an, die Sherif zum Entsagen zwang. ^) Tausik selbst war hiermit ganz einverstanden-, einem englischen Würdenträger gegenüber soll er geäußert haben, daß die Abtretung eines Territoriums keinen häßlichen Klang für ihn habe; zwar wolle er zugeben, daß er gegen den Rat der bedeutendsten, ägyptischen Staatsmänner gehandelt habe, aber er fühle, daß er recht gethan, und sei völlig zufrieden, wenn man ihn auch von neuem der Schwäche anklage und behaupte, daß er von England verlauft sei. (Nach N. Buchta.) ^) In Gordons Instruktionen hnßt es: I''uroissn 0n"ic«, 18. Januar 1884. „Sie stehen unter den Verhaltungsbefehlcn von Ihrer Majestät Agenten und Generalkonsul n! Kairo, durch den Sie^Ihrc Berichte an Ihrer Majestät Regierung unter offenem Siegel zu senden haben, ^ie werden sich als bevollmächtigt und angewiesen betrachten, auch alle andern Dienste zu übernehmen, mit welchen die ägyptische Regierung Sie zu betrauen wünscht und welche Ihnen durch Sir Evelyn Paring mitgeteilt werden." 7 unter dein Mantel eines ägyptischen Hok'mdars die noch im Sudan weilenden Garnisonen und Beamten herausführen sollte. Für Ägypten war mit der Anfgabe der mittleren nnd oberen Nilgegenden der Verlust der wichtigsten Hilfsquellen ausgesprochen. Die Wichtigkeit Alexandriens bernhte im wesentlichen auf dem Handel mit jenen Gegenden, der noch dazu in letzter Zeit einen ergiebigeren Gewinn abzuwerfen versprach. Aber dies wollten die Engländer gerade vereiteln, indem sie den Warenverkehr nach dem Roten Meer abzuleiten suchteu und dazn schon eine Eisenbahn Berber «Sanakin planten.') Die Aufgabe Gordons war im Sinn uud nach dem Wort Gladstones'-) die einzige, welche „eine befriedigende Lösung der Sudanschwierigkeit in Aussicht" stellte; denn sie war die billigste (England gab den Mann, das arme Ägypten das Geld) und führte gleichwohl zu dem angestrebten Ziel, Reservierung des Sudan für England. Nachdem die Räumung von Ägypten aus bis auf die Beendigung der Gordon-Mission geglückt war, glaubte man zur Ausführung der zweiten Anfgabc schreiten zn können, nämlich durch Besetzung der Zugäuge am Noten Meer alle Rivalen auszuschließen. Hierbei übcrhaspelte sich aber Gladstone und richtete die größten Verwirrungen an. Es galt hier vornehmlich, Sauakin und die nächsten Küstenpunkte besetzt zn halten. Schon Ende 1883 war Valentin Baker Pascha mit geringen Kräften dorthin entsandt, nm die Linie nach Berber gegen Osman Digma aufrecht zn erhalten uud zugleich mit dem Ncgus Negefti von Abessinien Verhandlungen wegen Massauah anzuknüpfen. Aber wegen uugeuügeuder Unterstützung schlug das Unternehmen fehl, und nach der schmählichen Niederlage bei El Teb uud dem Falle von Sinkat sah sich der englische Premierminister wiederum durch den Druck der öffentlichen Meinung gezwungen, da auch Sauatiu jetzt ernstlich bedroht war, eine englische Expedition dieser Seefeste znr Hilfe zu schicken. Obwohl er kurz zuvor bei der Entsendung Gordons erklärt hatte, er sei entschlossen, „nichts zn thuu, was diesem großen, friedlichen Plane entgegenwirken könnte"3), gab er doch jetzt, allein beschäftigt mit der Sicherung der Teeplätze, Befehl, die Linie Sauakin-Berber aufrecht zu erhalten, also Gordons Mission entgegenzuarbeiten. ^) Jedoch nach zwei Siegen, die übrigens nichts entschieden, zog man die Truppen wieder znrück, da man größere Kraftentwickelnng nötig hatte. >) Daß England mit der Aufgabe des Sudan eigennützige Handelzwecke verfolgte, vornehmlich daß es den Gewinn nicht nach Ägypten, sondern direkt in die eigenen Taschen hineinziehen wollte, erkannte schon Juli 1883 der in Chartum weilende österreichische Konsul Hansal- „Der Grund dafür (nämlich daß das britische Kabinett sich aus der Eroberung der verlorenen Bänder nicht« machte) mag sein, daß England die Handelsartikel aus. jenen Provinzen auch auf einer andern Route als über Ägypten zu 1'ezichcn hofft." (Osterreichische Monatsschrift sür den Orient.) 2) Im Unicrhausc am 12. Februar 1884. 3) Aus der bereits oben erwähnten Rede vom 12. Februar 1884. 4) Die aktive Intervention in Sauakin begann schon nach dem Rückzüge Bakers durch Besetzung mit britischen Marincsoldaten und Erklärung des Vclageruugszustandcs, womit diese Seefeste zugleich unter englischen Schutz gestellt wurde. R. Vuchta, „Der Sudan unter ägyptischer Herrschaft". 8 Unterdessen begann die Tragödie von Chartum, das bereits fest von den Scharen Mohammed Achmcds eingeschlossen war. Die Zuschauer in London erkannten die schmachvolle Politik, die den edlen Gordon aufopferte, nnd verlangten nmgcstüm seine Befreiung. Nach längeren: Zögern gab Gladstone nach nnd dot mm seinerseits alles ans, um nicht völlig Fiasko zu machcu. General Wolselcy ward mit einer englischen Armee den Nil aufwärts geschickt, kam aber zu spät; das traurige Ende Gordons bildet die größte Anklage jener schwachen Politik nnd hat anch ihre Wir-kuug nicht verfehlt. Zugleich trat die Notwendigkeit hervor, von Sauakin aus Vorstöße gegen den Nil zu unternehmen, um die englischen Kolonneu auf ihrem Zuge uach Chartum zu unterstützen nnd OZman Digma zurückzuschrecken. Die Hafenplätze wurden also wieder besetzt. Ja man ging jetzt noch weiter: die schon lange projektierte Eisenbahn Sauakiu-Berber ward beschlossen uud einer englischen Firma übertragen. Die Arbeit wurde möglichst beeilt, nm schon in: Herbst 1885 zum Truppen- und Warentranspurt eine größere Strecke bereit zn haben. Mit diesen: Schritt sprach man in London uuvcrkeunbar die Absicht ans, die Ausbeutung des Sudan in industrieller uud kommerzieller Hinsicht zu beginnen uud ihn deshalb mit „ehernen Schienen an England zu ketten". Diese Ansicht ist um so wahrscheiulicher, als Gladstone in: Anschluß au deu Wolselcyscheu Zug iu der That ciueu Schlag gegen die Mnhdi-hordcn zn beabsichtigen schien. Vielleicht gab er sich der verheißungsvollen Hoffnnng hin, durch die beabsichtigten Operationen die Bewegung zu beschränken und das Land von der Küste bis znm Nil jetzt schon für England zn sichern. Hierauf könnte man die Unternehmungen bei Sauakiu leicht zurückführe::, aber noch vielmehr deu Umstaud, daß man in St. James init Italien Verhandlungen anknüpfte, um einen Bundesgenossen zu gewinnen, der eine größere Armee zur Vcrfüguug hatte. Dies gelaug; Italien, das sich seit einigen Jahren am Noten Meer zn schaffen machte ^), ließ sich bereit finden nnd besetzte Massanah.-) Hiermit wurde eiuerscits die Flaute des Muhdi bedroht, uud seine Streitt'räfte vor Chartum geteilt, anderseits war ein gemeinsames Vorgehen von drei Seiten gegen Osman Digma ermöglicht, nach dessen Vcsiegung England hier das Erbe Ägyptens antreten konnte. Wenn Gladstone aber glaubte, daß Italien für englische Interessen das Schwert zog, so irrte er sehr; denn er schaffte sich hierdnrch einen nenen Konkurrenten, der den eigensüchtigen Plänen Albions später gegen-übertrat. Der Sndan sollte eine Domäne Englands werden, und um dies zu ermöglichen, wnrde eine feste Bastion, die man bereits sicher :n der Tasche zn haben glaubte^), einem Fremden anvertraut. Die Folgen dieses Fehlers haben sich in der nenesten Zeit gezeigt, als England von 1) Die Bucht von Assab wurde von Italien schon am 5. Juli 1882 beseht. 2) Um 5. Februar 1885. Das Verhältnis Italiens zu England zur Zeit der Besetzung Massauahs hat Mancini in einer 3tede am 17. März 18.^5 tlcnssclesst. 2) Durch den Vertrag von Adoua am !>, Juli 1884 sollte Massauah dem abcs-sinischen Handeln offen stehen, aber „unter britischem Tchutze". 9 Sauakin aus in seinen Bestrebungen, den Weg zum Sudan zn bahnen, in Kassala anf italienische Forderungen trifft. Übrigens schien Gladstone seiu Versehen zu erkennen; auch hoffte er wohl, das^ Italiens Finanzlage nicht zn große Sprünge machen könnte und vorerst durch Abessinien gehindert werde; genug, nm nicht mehr Chancen zu verlieren, besetzte er den einzigen, freien Zngang zum Sudan von Osten her, nämlich die Küste von Las Gori bis zur Tadschura-Bai. Von hier konnte man durch die schon erforschten Provinzen Harar, Schoa nnd Taka sowohl zum oberen, weißen wie blauen Nil gelangen. Hiernach schien man in London allerdings die Pforten znm Sudan so weit wie möglich andern abgesperrt nnd dicfen sich selbst vorbehalten zu haben. Bei allen diesen Plänen konnte sich das liberale Kabinett doch nicht zu einem energischen Vorgehen entschließen, sondern man begnügte sich, nachdem die Gewinnung Italiens sowie die englischen Unternehmungen am Nil nnd um Sauatin mitsamt den Erwerbsgclüsten zn Wasser geworden, auf die Sicherung der Grundlage. Im Mai 1885 ward der vollstäudigc Rückzug aus dem Sndan und die Aufgabe der Bahn Sauakiu-Berber beschlossen und eine bescheidene, fast schmähliche Defensive angeordnet. ') Die sudanesische Politik Gladstones war in ihren Zielen vollkommen klar, aber voll Widersprüchen in ihren Mitteln; ohue Energie, ihre Pläne konsequent durchzuführen, nahm sie in fast allen Fragen eine abwartende, zögernde Stellung ein nnd war deshalb gewöhnlich unglücklich. Die einzige treibende Kraft, die Gladstone ans seinem Zandern aufrütteln konnte, war der Druck der öffentlichen Meinnng, aber seine Unschlüssigkcit hatte in der Regel das Zuspätkommen entschieden. Die größte Verwirrung richtete er an, als er die Evakuation des Sndan mit dem übereilten Plan, den östlichen Teil zn besetzen' vereinen wollte, in dem er dort friedlich, hier feindlich vorging nnd in seiner Zerfahrenheit stets schwankte, ob es geraten wäre, den Kampf wirklich aufzunehmen oder nicht. Alle seine Anläufe verliefen im Sande; die großen Opfer uud Aufopferungen waren vergebens. Die Ehre seiner Nation hat er bei der Durchführung einer schmachvollen Politik verpfändet nnd sein ganzes Ansehen dabei eingebüßt; kurz seine Leitung war voll von Mißgriffen, eine Ära von Verlusten nnd Demütigungen. Nur einen Erfolg hat er seinem Nachfolger übergeben könuen, und das war die Besetzung der östlichen Eingangsthore znm Sndan, aber anch dies war nicht vollständig, da er eine Hanpt-statiou ausschloß nnd damit Abcssinicn ans dem Bereich des englischen Operationsgebiets strich. Eine bisher entgegengesetzte Stellung nahm das neue Kabinett Salisbury ein, welcher die Gladstoncsche Politik, zumal die Aufgabe des Sndau, mit Englands Stellung unvereinbar hielt und sie deshalb aufs heftigste bekämpft hatte. In der ägyptischen Frage stimmte Salisbury der Tradition bei, daß unter Ausschluß einer Neutralisierung und Einmischung i) Im April 1886 waren die britischen Truppen schon bis nach Wady Haifa zurucka.czoa.cn, und wenn der Muhdiaufstand damals nicht durch dcn Tod des Hauptes an Intensität verloren hättc, so wäre cs sehr zweifelhaft, ob Englands Stellung unter der Direktion ciucZ Gladstone überhaupt noch in Ägypten zu halten gewesen wäre. 10 europäischer Mächte die Herstellung der Ordnung allein von England ausgehen müsse. Die Räumung des Sudan war allerdings ansgeführt und nicht mehr rückgängig zu macheu, aber damit doch eiuc spätere Wiedergewinnung nur angebahnt. Wäre der Sudan mit englischer Hilfe für die ägyptische Herrschaft erhalten geblieben, so hätte er doch vorwiegend der Ansnntznng englischer Interessen dienen sollen; allerdings unter der nominellen Aufsicht des Khcdiwe. Jetzt siel diese Zwitterstellnng fort. Salisbury macht so aus der Not ciue Tugend und gerät nnvermertt in das Fahrwasser seines Vorgängers, wenigstens insoweit er dessen Erbschaft zu denselben Plänen ansnntzcn will. Aber sein Vorgehen hat etwas ungleich Bestimmteres, Zielbewußteres, indem er sich stets llar bleibt, was er erreichen kann, nnd wenn er etwas begonnen, sich auch nicht scheut, internationale Rücksichten außer acht zu lasseu. So bildet die Salisburysche Politik eine Fortsetzung der Disraclischen. Sogar mit der Pforte werden die Verhandlungen wieder aufgenommen, um dnrch die scheinbare Ancrtcnnnng der türkischen Souveränität in Ägypten einen Verzicht anf den Sndan oder ein aktives Eingreifen eines türtischen Heeres daselbst zn veranlassen. Es ist das bekannte Manöver der englischen Politik, die Kastanien von anderen aus dem Feuer holen zu lassen. Ein Abkommen wird auch geschlossen; aber als die Pforte die Reorganisation der ägyptischen Armee znr Wiedereroberung des Sudan verlangt, was also identisch wäre mit der Anfgabc für England, sieht man sich in London gezwungen, den eigenen Weg zn gehen nnd den eben erst erneuerten Einflnß der Pforte in ^'lgyptcn wieder zn beschränken. Nebenbei war es sehr dienlich, das Verseheu Gladstones in Massanah abzuschwächen. Die italienische Besitznng hatte sich dort etwas nördlich von Massnnah bis znr Südgrcnze des Snltanats Naheita südlich von Assab ausgebreitet, war also, falls es seine Interessensphäre in das Innere vorschieben wollte, in erster Linie auf Abessiuien nnd dessen tribntäre Länder angewiesen. Die italienische Regierung hatte wiederholt ertlärt, wohl nicht ohne Drnck von London ans, daß sie keineswegs die Absicht habe, über Abcssinicn ihr Protektorat zn proklamieren, sondern es höchstens in den Kreis ihres Einstiches einschließen würde. Hierbei war aber stets die Gefahr vorhanden, daß man in Rom Abessinicn als Verbindungsglied znm Sndan betrachte nnd dort den Engländern zuvorkäme, um so mehr als oer blane Nil an zwei Punkten, am Tanasee nnd bei Ehartnm, leichter von den italienischen Pnntten Assab uud Massauah zu erreichen war (ungefähr 700 Ivm), als von den englischen Stationen.') Hiergegen mußte Salisbury Front machen; anf seine Agitation wird nicht mit Unrecht der unerwartete Widerstand des Negus, znmal die blntigc Schlappe von Dogali <2tt. Januar 18871, znrückznführen sein. Anch noch ein anderer Rivale schien den Engländern bei der Wieder-gewinnnng des Sndan gcgenübertreten zn wollen, nämlich Frankreich im südöstlichen Teil. Schon im Jahre 1862 war von Napoleon III. die Reede von Obot besetzt, nnd im Jahre 1884 das Protektorat über die Tadschura-Vai ausgedehnt, so daß es den Anschein hatte, als beabsichtige i) „Dic politische Tcilnng Afrikas von E. Pamnng." S. 78. 11 Frankreich den Verkehr aus Schoa, der bisher durch Harar zu den englischen Seeplätzen gezogen war, auf dem bequemsten Wege den Hawasch abwärts znr Tadschura-Vai abzuleiten. Gelang dies, so war es sehr wahrscheinlich, daß König Menelit von Schoa, dem nach dem Rückzng der Ägypter auch die Provinz Harar zugefallen war, zn Frankreich in ein Schutzverhältnis trat und dadurch die englischen Besitzungen Zeila, Bultar, Berbera wertlos machte. Die weitere Folge wäre gewesen, daß England nnr noch ein Eingangsthor in den Sndan besetzt hielt und hier sofort den Einmarsch beginnen mußte, um so weit als möglich nach Süden vorzudringen. Kurz, um jeder Gefahr vorzubeugen, ward ein Streit vom Zaun gebrochen'), und in der folgenden Übereinkunft 1887 die Tadschura-Bai geteilt. Hiermit glaubte Salisbury von Italien und Frankreich in der Ordnung der sudanesischen Angelegenheit unbehelligt gelassen zu werden und war, falls diese dennoch ihre Operationen so weit ausdehnten, jedenfalls fest entschlossen, dnrch diplomatische Verhandlungen oder, wenn diese wirkungslos blieben, durch rücksichtsloses Einschreiten ihre Absichten zu vereiteln. Diese Ansicht ist sicher anzunehmen, da er später wirklich so gegen eine deutsche, ebendahin zielende Unternehmung verfuhr, und aus dieser Ansicht erklärt es sich auch, daß er vorläufig an dieser Seite zur Okkupation des Sudan noch keine Vorbereitungen traf. Zu gleicher Zeit war eiue nene Gefahr entstanden, der man ernstlich gcgcnübertreten mnßte. Die Ende 1884 begonnenen Bestrebungen Deutschlands in Ostafrita bezweckten eine Kolonisation im größten Stil nnd waren schon bis Las Gori, d. h. bis zum südlichsten englischen Eingangsthor ausgedehnt. Da die deutschen Anfänge eine zielbewußte Energie verrieten, so fürchtete man in London schon, daß die Südgreuze, wenn nicht der Süden des Sudau, iu die deutsche Interessensphäre hineingezogen werde. Hier galt es, ein Hemmnis in den Weg zn legen, nm so mehr als die Stellung des englischen Generalkonsnls in Sansibar bisher fast eine souveräne gewesen, nnd der englische Haudel au dicseu Küsten am hervorragendsten interessiert war. Auf das Veto Salisburys hin kam das Londoner Abkommen zustande Ende 1886, in dem England dnrch An-erkenuuug der Thatsacheu sein vornehmstes Ziel erreichte. Die deutsche Neichsrcgiernug wollte sich seinen Vorstellungen nicht verschließen nnd räumte dem Freundschaft bietenden Vetter einen Landstreifen von der Küste (Tann- bis Umbamündung) bis zum Ukcrcwc ein mit unbestimmten Grenzen nach Norden westlich vom 37 ^ östlicher Länge. Ohne Zweifel ein Trinmph der Salisburyschen Politik! Die Übernahme einer 29 Meilen langen Küste mit zwei guteu Häfen nnd einem Binncnstreifen von gleicher Breite bedeutete einmal die Sicherung des kürzesten Weges zum Sndan vom Indischen Ozean nnd zweitens die Zcrsprenguug der deutschen Intcresseusphäre iu eine größere südliche und eine kleinere nördliche Hälfte. Wie ein Keil schiebt sich die englische Erwerbung hinein, gleich einem Wall, der geographisch markiert durch den Tana uud Umba, vor allem durch die starken Eckpfeiler des Kenia und Kilima Ndscharo, direkt i) Ein englischer Offizier ließ die franMsche Flagge in Dungarcta herunterreißen. 12 zum Nordende des Ukerewe führt, wo sich die fruchtbaren Thäler Ugandas öffnen, und weiterhin die lebenspendende Ader des Nils ihre Anzichnug ansübt. Das ist in Wahrheit der Schlüssel, der am sichersten in das Herz Afrikas führt, uud der die billigsten Mittel au die Hand giebt, den Handel in den Seengegenden nach Mombas abzuleiten uud in: Innern eine unbeschränkte Herrschaft für englische Interessen zu schaffcu. Dieser Erwerb ist von ungeheurer Tragweite uud kann möglicherweise den Fehler Gladstones in Massauah kompensieren, er charakterisiert sehr treffend die neue, zielbewußte Leitung, die reich an Perspektiven und praktischen Gesichtspunkten der Leistungsfähigkeit' des Volles die weitgehendsten Aussichten sichert. So hatte England schon gleich nach der ausgesprochenen Näunmug des Sudan die Absicht verraten, ihn wieder zu besetzeu und auch trotz der inkonsequenten Politik Gladstones die Eingaugsthore im Osten besetzt und im Südeu dem englischen Unternehmungsgeist geöffnet. Es war nnr zweifelhaft, wann und von wo aus der Vormarsch ausgehen, oder ob er auf allen Pnnktcn zn gleicher Zeit unternommen werden sollte. Von Süden aus wäre die Inangriffnahme zunächst am schwierigsten gewesen, da jede Opcratiousbasis fehlte, uud wenn der Schauplatz uicht durch vorangegangene Unternehmungen geebnet war, oder wenn nicht durch fortwährende Nachzüge ciu fester Rückhalt geboten wurde, fast aussichtslos. Die Kosten hätten hierbei gar nicht im Einklang mit der wirklichen Macht-entwickelnng gestanden; dagegen kam der Vorteil, Deutschlands Rivalität von vornherein auszuschließen, jetzt noch zn wenig in Betracht, da die Ausbreitung der deutschen Machtsphärc vou Sansibar ans nach Unyoro oder von Witu uach Ugauda durch unerforschte Gcgeudcu selbst bei eiucm thatkräftigen Handeln viel Zeit beanspruchen mußte. An den anderen Puukten der Peripherie war ein Vorgehen ungleich besser, da mau an der Küste feste Stützpunkte mit Depots besaß, die mit englischen Hilfsquellen in direktester Verbindung standen. Von Zeila, Bulkar, Berbern aus wäre eiu laugsames Operieren, wie es die englische Politik so meisterhaft beim Niederwerfen halbwilder Völker versteht, sehr am Platze gewesen. Iu Harar übernahm man die Herrschaft der ägyptischen Rcgieruug, wobei man fich allerdings mit dem geldgierigen Menelik von Schoa auseinanderzusetzen hatte, was der englischen Verschlagenheit nicht schwer fallen konnte; von hier war der Weg uach Kaffa erforscht, vou wo Latnka, der Sobat oder Bahr cl Asrak leicht zn erreichen war. Mit dem Besitze jener Länder hätte man sich nicht nnr sehr wesentliche Hilfsquellen erschlossen, sondern vor allen die französischen nnd italienischen Gelüste auf Schoa zurückgewiesen uud auf die Sandtüste beschränkt. Vou Sauakin aus waren die Chancen am günstigsten, aber nur in der Voraussetzung, daß die schon lange projektierte Bahn nach Berber oder vielleicht besser nach Schendi') znr Ansführnng gebracht würde. Auch hier hätte man dem thätigen Auftreten Italiens zuvorkommen können, l) Nach dem Verichie Lord Dusferins vom 6. Februar 1883. der als M?1,-(.«lnini88ionor sich,über die Verhältnisse im Nillandc orientieren sollte, der aber auch die Berechtigung Ägyptens, den Sudan nicht ganz zu räumen, anerkannte. ____13____ wenn es gelang, Kassala zu gewinnen nnd direkt anf Ehartum loszusteuern. Nnr war vor der Hand an ein Eingreifen noch nicht zu denken, da der gefürchtete und schon so oft „vernichtete" Osman Digma noch nicht von der Bühne abgetreten war, vielmehr immer wieder, Unheil verheißend, vor den Mauern Sauakins erschieu. Für welchcu Puukt die Entscheidung ausgefallen ist, scheint fraglich-vielleicht hielt man es noch nicht für geraten, die Plane znr Ausführung zu bringen, da die Wellenschläge des Muhdismus sich noch zu wirksam zeigten und zu große Austrengnngcn erforderten. So lagen die Verhältnisse Ende des Jahres 1886, als das englische Kabinett zn St. James auf eiue Bewegung in London aufmerksam wurde, die mit einem Schlage die ganze Sachlage änderte und die Entscheidung der Sudanfrage nach dem Süden verlegte. Diese Bewegung knüpft sich an den Namen „Emin Pascha". II. Die Pläne der englisch-oftafrikanischen Gesellschaft. Iic englische Sndanpolitik bestand, wie erwähnt, darin, Ägypten zur Evakuation des Sudan zn veranlassen und dazu ihre Unterstützung zu bewilligen. In diesen: Sinne war Gordon instruiert, den sicheren Rückzug der ägyptischen Truppen und Beamten zu bewerkstelligen, und zu demselben Zweck auch später Wolseley abgeschickt, um außer dessen Rettung die letzten Garnisonen heimzubringen. Jene Truppen aber, die noch immer aufs tapferste den Mnhdi'Austurm abwehrten, bcfauden sich an den äußersten Grenzen des Sudau uud waren nur mit Benutzung des Nils oder nach einer Niederwerfung der ganzen Bewegung von Chartum zu erreichen. Gleichwohl hielt cs Gordon, der nicht ganz frei von eiuer abeutcuerlicheu, schwärmerischeu Neiguug war, für möglich und hatte deshalb gleich nach seiner Abreise von Kairo in sein eigentliches Aktionsprogramm') folgenden Passus aufgenommen: „5) Eine Expedition mit füuf Dampfschiffen auszusenden, um die Familien der Truppen iu den Aquatorialproviuzen uud dem Bahr el Ghazal herabzubriugeu." Wir werden später sehen, daß er hiermit noch weitergehende Pläne verband. Gordon brach unter den Trümmern seiner Aufgabe zusammen, Wolseley konnte uud sollte uicht Schritte thun, jenen Getreuen den Rückzug zu sicheru, und so waren die tapfersten Truppen, die allein die Ehre Ägyptens gerettet, schmählich den fanatischen Horden des Muhdi aufgeopfert. Sich selbst überlassen und von Verrat unilauert, war der Bahr el Ghazal schon in der ersten Hälfte 1884 in die Hände Mohammed Achmeds gefallen, nur am Bahr el Djebel trotzte noch ein Gonvcrncnr unentwegt seinen umlagernden Scharen uud schlug seinen Angriff blutig zurück. Das war Emin Bey, Mndir von Hat el Estiva, der Held von Wadelai und letzter Kulturapustel im Sudan. Die Geschichte seine's Ausharrcns ist ebenso heroisch, wie dnrch das Eingreifen fremden Egoismns tragisch geworden. Mit welch ernster Strenge nnd echt deutscher Trene dieser Mann seiner Pflicht genügt hat, und wie er darüber hinaus, als seine Regierung durch ihr Schweigen deutlich gcuug seine Entlassuug ausgesprochen hatte, die ihm anvertraute Flagge aufrecht erhielt uud nnnmehr im Dienste der Zivilisation weiter kämpfte, ist allgemein bekannt uud hat in dem Herzen von Millionen gerechte Anerkennung und Bewunderung hervorgerufen. Während alles um ihn zerbröckelte, stand er trotz Verrat nnd Tücke im eigenen Lager ') Nach der Abreise von Kairo (26. Januar) schickte Gordon an Tir E. Barina, scin Programm ab, das dicscr nnter dem 5. Februar an Lord Granville einsandte. 15 unbeirrt auf seiner ringsumflntetcn Warte und erhielt der Kultur ein Bollwerk, vor dem selbst die Besieger der englischen Ehre zurückscheuten. Einsam, ohne Anfmnntcrung und Anerkennung harrte er aus, immer noch hoffend, daß die Kulturwelt ihn unterstützen werde. Es galt das Werk, das Gordon ihm übergeben, das er bisher glücklich durch die Stnrmwcllen geführt, weiter zn erhalten oder, wie auch jener, mit seinen unerreichten Zielen unterzugehen. „Gordon ist in Frieden," schrieb er,') ..er ist gestorben, wie er gewollt — den Soldatentod. Unsere Pflicht ist es, sein Werk zn vollenden, und mir, seinem letzten überlebenden Offizier im Sudan, wird die Ehre zu teil, seine Absichten zur Durchführung zu bringen. Seid gewiß, daß ich mit Gottes Hilfe darin Erfolg haben werde." Selbstverständlich wollte weder er noch seine Leute gerettet werden und nach Ägypten zurückkehren; denn wenn er danach strebte, wäre es ihm leicht gewesen, sich längst nach der Ostküste durchzuschlagen. Also eine Expedition, welche zu seiner Rettung abgeschickt würde, wäre von vornherein zwecklos gewesen. „Ich verlasse keineswegs meine Leute. Wir haben trübe und schwere Tage miteinander durchgemacht, und ich hielte es für schanwoll, gerade jetzt von meinem Posten zn desertieren." >) Dagegen war es dringend notwendig, ihm Waffen und Munition zuzu^ führen, wenn sein Werk noch länger Bestand haben sollte, und ihm eine Verbindung mit der Außenwelt zu sichern, wenn überhaupt seiu Werk der Kultur zu gute kommen sollte. Zu diesem Zwecke begannen einige semer Freunde die maßgebenden Kreise in Enropa znr Ausscnduug eiuer Hilfsexpedition zn erwärmen, aber ohne entscheidenden Erfolg; es blieb bei einigen fchwachen Versuchen, die auch Emins Unterstützung nicht in erster Linie bezweckten. Erst durch die Rückkehr Di>. Junkers, der bis zum 2. Januar 1886 sich bei Emin aufgehalten hatte, wurde die Frage ncut und zog das allgemeine Interesse auf sich. Die Anregung fand in Deutschland, dem Gebnrtslandc Emins, trotz der unermüdlichen Thätigkeit Profefsor Schweinfnrths wenig Anklang, wie ja in der Regel der Dentschc den Vortritt bei internationalen oder humanen Unternehmungen gern fremden Nationen überläßt. Aber in England, bcziehnngsweise Schottland, war der Boden güustiger, dank der lebhaften Wirksamkeit des Afritareisenden und Missionsarztcs I)i'. Fclkin, der Emin in seiner Thätigkeit kennen gelernt hatte. Diesem gelang es, nicht nnr eine rege Verbindung zwischen englischen Gelehrten und Emin anzubahucu, sondern anch in größeren Kreisen rege Sympathien und Begeisterung hervorzurufen. Die englische Nation mnßte sich ja auch vor allen anderen zu solcher Aufgabe berufen fühlen, da sie die Trägerin der kosmopolitischen Idee seiu wollte, und als solche die Mission der Kulti-vieruug und Christianisierung zurückgebliebener Erdteile übernommen hatte. So hatte ein „Appell an die stolzen Instinkte der herrschenden Rasse" den günstigen Erfolg, den auch die überall spekulierende Presse nach Kräften mitgewinnen half. ') Brief EminZ aus Wadelai, 16. August 1887. 2) Brief (imins vom 17. April 1887 an Dr. R. W. Fcltin. 16 So wenig aber England jemals das Schwert für eine Idee zog, so wenig waren anch seine Söhne im stände, ein Unternehmen zu organisieren, ans dem sie keinen direkten, materiellen Erfolg zogen. Die Bewegung erhielt vielmehr erst Gestalt, als eigennützige, aber kapitalkräftige Männer an die Spitze traten, nm die Strömung für ihre Pläne auszubeuten. Ihre wahre Absicht blieb natürlich dabei geheim, nm die opferwilligen Humanisten unbewußt zu ihreu Zwecken beistenern zu lassen, nnd um selbst in den Angcn der Welt gerechtfertigt, ja geehrt daznstehcn. Die Motivierung, wie diese Lcnte sie ausgesprochen wünschten, giebt uns der spätere Erftcditionschef in seinem ausgezcichueten Rechenschaftsbericht folgendermaßen'): „Wenn das englische Volk die Pflicht zu haben glanbte, seinen wackeren Landsmann und einen so tapferen, berühmten nnd klugen General wie Gordon zn retten, so mnßte es selbstverständlich anch ein reges Interesse an dem Schicksal des letzten der Gouverneure Gordous nehmen, der durch seine klnge, dem Beispiel des Fabins Knnttator nachgebildete Politik dem Schicksal entgangen war, welches die Armeen nnd Garnisonen des Sndan betroffen hatte. Und wenn die Engländer ferner um die Rettung der Garnison von Chartum besorgt waren, so folgt daraus, daß sie auch um das Schicksat eines tapferen Offiziers und seiner kleinen Armee fern im Süden sich ebenfalls kümmern würdeu, und daß, wenn diesen mit nicht zn gewaltigen Kosten Hilfe geleistet werden könnte, keine Schwierigkeit vorhanden sein würde, um einen Fonds zur Erreichung des erwüuschteu Zweckes znsammcuzubringen." Er vergißt hier offenbar, uns zu erklären, weshalb das englische Volk nicht „die Pflicht zn haben glaubte", Luptou Bey, der doch auch „sein wackerer Landsmann" war, den Österreicher Slatiu Bey uud andere zu rettcu, und weshalb gerade Emin bevorzugt wurde, der noch dazn ein Dentscher war. Kurz, das englische Volk soll sich einmütig erhoben haben, nm Emins eindringlichen Bitten zu entsprechen und um seinen eigenen „philantropischeu und humanitären Traditionen treu zu bleiben". Auf diese Weise entstand das vielgerühmte Nmin Schon im Anfang Oktober 1886-) waren diese Pläne entstanden, also ehe man von Di'. Junkers Abreise in Europa gehört ^) hatte. Es war nämlich damals in London eine Gesellschaft in der Vilduug begriffen zur Exploiticruug zukunftsreicher Landstriche am Kilima Ndscharu, die aber wegen der zweifelhaften, politischen Lage, da diese Distrikte der deutschen Machtsphärc zufallen tonnten, keinen Anklang faud uud deshalb schon seit Anfang 1885 nicht über ihre Grundlage hinausgekommen war.^) , !) Stanley, „Im dunkelsten Afrika". I. S. 24 ft. 2) Stanley, „I. d. A." 1. S. 31. 2) Dr. Junker entsandte aus Msalnla unter dem 16. August 1886 Briefe an Prof. Schwcinfurth, die iin November in Sansibar eintrafen. ^) Ihre ersten Grundlagen finden sich in einer Depesche Granvilles vom 25. Mai 1885 an den englischen Botschafter in Berlin: „Wollen Sie ihm (dem deutschen Reichskanzler) mitteilen, daß einige hervorragende Kapitalisten den Plan entworfen haben, in dem Ocbict zwischen der Küste und den Seen, welche die Quellen des Weißen Nils sind, eine britische Niederlassung zu gründen, und dieselbe durch eine Eisenbahn mit dem Küstengebiete zu verbinden." 17 An der Spitze dieses Vorhabens standen der Millionär Mr. (nunmehr Sir) William Mackiuon, Hausbesitzer der British-India-Linie, nnd I. F. Hutton, früherer Vorsitzender der Handelskammer zn Manchester. Ihre Ansprüche gründeten sie auf einen Abtretungsvertrag, den At. John-stone auf seiner Kilima-Ndscharorei.se am 27. September 1884 mit Hänpt-lingen des Tavetalaudes abgeschlossen') nnd auf Hutton übertragen hatte. Um hierfür die Konstituicruug einer Gesellschaft zn ermöglichen, snchten sie die Regierung zu veranlassen, daß sie den politischen Schntz für jene Gebiete überuehme und einen Ansgang nach der Küste sichere. Das liberale Kabinett scheint nicht darauf ciugegangcn zu sein.'") Dagegen kam man dem ueueu Miuisterium wie gerufen, da Salisbury gerade nach vertragsmäßigen Rechten suchte, um den deutschen Bestrebungen in Oftafrika einen Riegel vorzuschieben nnd die englische Priorität in Sansibar zur Geltung zu briugcu. Demgemäß gingen die Verhandlungen mit Deutschland von seitcn Englands von diesem Standpunkt aus, den die deutsche Neichsrcgicrnng trotz der vertragsmäßigen Rechte der deutsch-ostafrikanischeu Gesellschaft au der Küste anerkannte, da sie prinzipiell alle znm Ausdruck kommenden Differenzen mit England lieber durch Zugeständnisse uud Opfer deseitigeu als sich uuabhängig von Rücksichten anf eigene Füße stellen wollte. Der Vertrag wurde am 29. Oktober nnd 1. November 1886 unterzeichnet, aber erst Ende Dezember3) veröffentlicht. Sobald Mackiuon uud Hutton die Versicherung der Regierung erhalten hatten^), gingen sie sogleich an die Arbeit, um bis znm Abschluß des bevorstehenden Abkommens die günstigsten Chancen zu gewinnen und eine kapitalkräftige Gesellschaft ins Leben zn rufeu. Es galt hierbei, einerseits die Grnndlage zn einem Unternehmen im größten Stil zu legen, wozu namentlich die Sichcrnng einer Interessensphäre uud Entfaltung des euglischen Einflnsfes am Ukerewc nötig waren, und anderseits, als nicht unwesentlichster Pmikt, Gelegenheiten znr hohen Verzinsung oder gcwinn-versftrcchende Aussichten znr besseren Finanzierung der Gesellschaft ausfindig zn macheil. Beiden Puukten versprach die Eminfrage Förderung; 1) Den Vertrag haben später die Interessenten veröffentlicht, er findet sich z. N. in der „Deutschen Kolonialzeitung" IV. Jahrgang 1887, 2. Heft, S. 40. 2) Der Staudpunkt Gladstones vom 25. Mai 1885 blieb bestehen: „Die Regierung Ihrer Majestät hat diesen Plan in Erwägung gezogen, jedoch wird sie ihm erst dann ihre Unterstützung leihen, wenn sie die volle Sicherheit darüber besitzt, daß dieser Plan weder Veranlassung zu einem Konflikte mit dem Gebiete, welches unter deutsches Pro-tcktorat gestellt worden ist, geben, noch einen Angriff auf die Vesitzungcn des Sultans bedeuten könnte, welche sich zwischen dein Meere und den: in Ncdc stehenden Gebiete ausdehnen." Selbst als von Bismarck daraufhin am 2. Juni I88'i erklärte, daß das gemeinsame Interesse dadurch nur vermehrt werden könne, trat Gladstone diesen Plänen nicht näher. 2) Die offizielle Veröffentlichung fand in Deutschland am 30. Dezember durch den „Ncichsanzciger" statt, nachdem schon vorher die „Kölnische Zeitung" über die Verhandlungen richtige Aufschlüsse „aus zuvcrlässsgcr Quelle" gegeben hatte. Möglicherweise ist diese in dem Bekauutcntrcisc Mackiuons zu suchen, und dadurch der später ausgesprochene Verdacht gerechtfertigt. ') Etwa August oder September 1886: denn am 3. August übernahm Salisbury die Leitung, uud schon im Anfang Oktober begann Mackinon, die Eminfrage seinen Plänen gefügig zu machen. Jaeger, Die Staulcysche Emm-Expedition. 2 18 denn erstens war die Möglichkeit geboten, in Emins Gebieten festen Fuß zu fassen und dadurch, daß man ihn selbst bewog, in englische Dienste zn treten, das ganze Hinterland mit der Aussicht auf die fruchtbarsten Distrikte im Sndan nicht nur zn sichern, sondern teilweise schon in geordnetem Znstandc zu übernehmen; zweitens befand sich Emin im Besitz großer Elfenbcinschätze, die alle aufgewandten Kosten einer HilfseMdition sicher anfwicgeu würden, so daß die englische Macht am oberen Nil mindestens ohne Inanspruchuahme der eigenen Gelder befestigt werde. Solche Erwägungen haben jedenfalls die beiden Freunde schon im Oktober 1886 beherrscht, als sie sich mit dem damals weitaus gerühmtcstcn Afrikareiseuden H. Stanley in Verbindung setzten uud „ganz ernstlich die Absicht aussprachcn, die erforderlichen Fonds für die ihm (Emin) nötige Hilfe zu sammeln". „Allein viele von ihren Freunden befanden sich nicht in der Stadt, nnd ohne mit denselben zu beraten, konnten sie keinen bestimmten Entschlnß fassen."') Unter den sogenannten „Freuudcu" sind die bereits gewonnenen Mitglieder der Gesellschaft zu verstehen. Es geht hieraus also zweifelsohne hervor, einmal daß die Bildung der Gesellschaft damals schon ziemlich weit vorgeschritten war, und zweitens daß die geplante Expedition allein von dieser ansgehcn sollte. Die Vcratungeu scheiueu übrigeus uicht dm gcwünschen Erfolg gehabt zn haben. Denn da die Uuterstntzuug eilig war, mußte der gefaßte Beschluß sofort zur Ansführnng gebracht werden; aber es verging der Oktober nnd November, ohne daß etwas Bestimmtes unternommen wurde. 2) Es hat vielmehr den Anschein, daß die übrigen Mitglieder erst dnrch die sichere Aussicht auf materiellen Gewiun zu dem Unternehmen einwilligten. Wahrscheinlich ist es, daß die Regicruug hierzu deu Austoß mitgab, indem sie das Ergebnis des deutsch-englischen Abkommens vor der Vcrüffentlichuug ihnen uutcr der Haud mitteilte. Die Eminfrage wurde mit der Zeit immer annehmbarer; sie hatte zwei materielle Vorteile: einerseits erwartete man von der opferwilligen Strömung in England Beiträge in ansehnlicher Höhe, so daß man selbst wenig anss Spiel setzte, nm so mehr da das öffentliche Interesse durch I)r. Junkers Autunft in Sansibar sich sehr steigerte, anderseits mußteu Emius Schätze reichliche Eutschädiguug gewähren. Letzteres gab den Ausschlag. Das Ziel am oberen Nil war aber auch für deu euglischcu Unter-uchmnugsgeist gewiß verloäeud. Schon im März 1883 nämlich hatte Emin berichtet'^), daß er in seinen Magazinen etwa 600 Zentner Elfenbein hätte nnd gerade Vorkehrungen treffe, um weitere Scuduugen aus Monbnttu bequemer nach Düfil« zu übcrführeu. Nach Dr. Iuukers Bericht') war dieser Vorrat bei feiuem Abzüge aus Hat el Estiva auf y Stanley, „I. d. A." I. S. 31. 2) Mackinon hatte zwar ein diesbezügliches Schreiben am 15. November an das Auswärtige Amt gerichtet, aber erst im Anfang des nächsten Monats waren seme Pläne bei seinen Freunden und der Negiern»«. angenommen, so daß er am II. Dezember Stanley telegraphisch benachrichtigen konnte. Einleitung zn „Stanleys Vriefe über Emin Paschas Befreiung" von I. S. Keltic, S. VIII. 2) Priese an Schweinfurth: Lado, 3. und 1«. März 1883. „Emin Pascha, Eine Sammlung von llceiscbriefcn" u. s. w. von Schweinfurth und Nahel, «. 428. 4) Stanley, „I. d. A." I. S. 64. 19 75 Tonnen angewachsen, was in den an Elefanten so reichen Gegenden trotz der Störungen des Mnhdiaufstandes sehr erklärlich war. Um sich einen Begriff hiervon zn machen, sei erwähnt, daß der Totalverbranch an Elfenbein während der Jahre 1879—1883 sich jährlich auf 38 Tonnen belief, mithin Emin mit seiner Menge die ganze Erde zwei Jahre lang versorgen konnte. Der Preis ist sehr verschieden nnd richtet sich nach der Schwere und Qualität der Zähne. Durchschnittlich zahlt man für die verschiedenen Sorten gesunder, mittelschwerer Zähne nach den Notierungen in den Jahren 1880 — 1890 eiioa 50,50^/5 ;,. kx.') Berechnen wir nun für Emins Elfenbein das Kilogramm mit nnr 30 c/^, so erhalten wir schon eine Wcrtsumme von 2 250 000 ^l Zn diesem Resultat kommt auch Icfthson, der längere Zeit während der Expedition bei Emin verweilte und die Elfmbeinmcngcn sah, während Stanley das Interesse seiner Auftraggeber besser zn wahren weiß, indem er das Kilogramm nnr zu 16«//^ angiebt und so auf die Summe 1200000 ^H kommt.-) In Wahrheit muß aber der Elfenbeiuvorrat viel größer gewesen sein, da Iephsou das Kilogramm nur zu 24 ^ berechnet und nach seiner Aussage außerdem noch etwa 1000 Zähne (d. h. etwa 30000 k«' ^ 900000 ^) in Monbuttn der Obhut eines befreundeten Häuptlings anvertraut seien; jener berichtet auch, daß Emin schon seit drei Jahren das Sammeln von Elfenbein aufgegeben habe und, wenn er es stetig fortgesetzt hätte, wohl den doppelten Vorrat aufweisen könnte.^) Dies war jedenfalls der Köder, der die Herren in London lockte. Man muß die entscheidenden Motive des Unternehmens nntcr einem rein kaufmännischen Gesichtspunkt betrachten und stellt sich hierzu die noch keine feste Gestalt angenommene Gesellschaft als eine privat-geschäftliche Vereinigung vor, etwa als eine Geschäftsfirma, was sie im Grunde genommen ja auch war. Dann gewinnt mau folgendes Bild: Mackinon & Komp. beabsichtigten gleich nach oder bei ihrer Gründung, Kapitalien recht einträglich anzulegen nnd waren so anch schon verschiedene Verbinduugen eingegangen, die aber alle erst für spätere Zeit und dann auch nnr mäßigen Ertrag abzuwerfen versprachen. Jetzt bot sich die Möglichkeit, ein anszuleihendes Kapital in einigen Jahren zn verdoppeln und außerdem, da der Gläubiger bankerott macheu mnßte, das Pfandobjekt, das einen immensen Wert repräsentierte, miteinzuzieheu. Wer sollte es da dem Hauptchcf verdenken, daß er sich^ höchst vergnüglich die Hände rieb nnd sich alle erdenkliche Mühe gab, seine kurzsichtigen Kompaguous zu überzeugen? Vorsichtig, wie eben Geschäftsleute sind, hatte er schon vorher mit einem Frennd die erste Berechnung aufgestellt, zog dann einen anerkannt tüchtigen Sachverständigen hinzu, der sich in ähnlichen Geschäftsreisen rühmlich bewährt hatte, und den er anch für diese Anfgabc in Anssicht genommen hatte, und fand, daß dessen Schätznng „die wirklichen Kosten" der Reise noch „nm 500 Pfd. St. überstiege".') 1) „Deutsche KolmnalMtuna,." Neue Folge, II. Jahrgang Nr. 39, S. 365. 2) Stanley, „I. d. A." I. S. 64. ^) Icphslln und Stanley, „Guiin Pascha und die Meuterei in Aquatoria." S. 71. ') Stanley, „I. d. A." I. S. 31. 2"° 20 Im ganzen scheint man das auszuleihende Kapital oder die Reisennkosten auf 21500 Pfd. St, oder etwa 440000 ^ veranschlagt zn haben, wenigstens brachte man diese ^umme mit Zuhilfenahme freiwilliger Beiträge damals auf. Der Ersah hierfür befand sich aber am oberm Nil, von wo er erst zur Küste geschafft werden mnßte, was eine erhebliche Mehransgabe verursachte. Man beabsichtigte, später mit dem bekannten Araber Tippn Tib einen Vertrag zu schließen, wonach dieser 603 Träger znm Transport stellen sollte, nnter der Bcdingnng, daß jeder Mann 70 Pfd. Elfenbein tragen nnd für jede Rundreise von den Stanlcyfällen nach dem Albertsee 6 Pfd. St. erhalten sollte'), so daß jede Rundreise 3600 Pfd. St., nnd da etwa 3^ ,M^ wären, alle zusammen 12 600 Pfd. St. oder noch nicht 260000 I//6 kosten würden. Rechueu wir noch die Transportkosten auf Dampferu bis zur Küste mit Umgehung der Strecke Stanleypool-Matadi hinzn, so würden wir etwa 300000 ^ bekommen. Also: 440000^5 Exfteditionstostcn, 300000 „ Trägerkosten, 740000 ^ Summ^dcr Ansgaben, 2250000^. Einnahmen^in Elfenbein, mithin ein Nettogewinn von 1510(M^^^"200,4^). Hierbei sind die von Humauisteu zugeschossenen Gelder gar nicht mitgerechnet, in der Voraussetzung, daß diese Summe etwa so viel bctragcu würde, wie der Autcil, den man den einzelnen Geschäftsreisenden im Fall der glücklichen Beeudigung zugesichert hattet) Ebenso wollen wir die Ansbeutuug von anderen Vorräten Emius z. V. vou Straußenfedern, Aäuten, Ölen usw. uicht mitbcrücksichtigen, die er in seinen Magazinen in großen Mengen aufgespeichert hatte ^), da hiermit leicht unvorhergesehene Unkosten gedeckt werden könnten. Eine solche Spekulation allein war schon zu günstig, nm nicht versucht zu werden. Aber sie eröffnete noch größere Aussichten: Emin, der Verwalter dieser erstrebenswerten Schätze, war so gnt wie der Besitzer, da sein Herr sowohl ihn wie seine Güter aufgegeben hatte, nnd stand jetzt vor der Alteruative, „Pleite zn machen", d. h. in seinem cigeucu Siune unterzugehen oder seinen Besitz mcistbietend losznschlagen, d. h. dem Schntze einer sicheren Macht auznvertraueu. Da audere Machthaber wenig Lnst zn haben schienen, in diesen verlassenen Gebieten Verpflichtungen zu übernehmen, wäre England bezw. vorerst englische Private die einzigen Bewerber gewesen. Schon ans diesem Grnnde war man überzeugt, das Erbe sicher autretcn zn könucn, znmal weun man dem Verwalter ein gntes Wort gab nnd ihm höhere Löhnung in Anssicht stellte. Emin beabsichtigte man uämlich zunächst beizubehalten, da er mit den dortigen Verhältnissen am besten vertrant war und nach sciueu Zeuguissen es verstand, einen klingenden Ertrag zu gewinnen. Ans vi'. Felkins Ve- y Stanley, „I. d. A." I. S. 64. 2) Nach einer Außenma. Rose Troups in der Presse. 2) Briefe Gmins an Schweinfurth, 3. und 18. März 1883. Reiseberichte, S. 428. Zur Züchtung von Straußen vergl. Reiseberichte, S. 250. 21 richt!) ging hervor, daß Emin bei der Übernahme der Mndirie im Jahre 1878 eine „übermäßige Schuldenlast" vorfand, die dnrch die anfänglichen Kosten der Okkupation nnd dnrch die auf die Provinz von verschiedenen Sndangouverneuren abgewälzten eigenen Schnldcn ganz enorm angewachsen war. Hierzu kamen noch viele nene AnZgabcn, die er selbst znr Hebung des Landes angewandt hatte, wie „Einrichtung einer regelmäßigen wöchentlichen Post, Nenban fast sämtlicher Stationen, Van besserer, dauerhafter Straßen" usw. Aber trotzdem war er schon im Jahre 1882 im stände, sich nicht mir finanziell ganz unabhängig von Chartum zn stellen, pndern dorthin sogar nach Abzug aller Gehälter einen Überschuß von 8000 Pfd. St. zu senden.-) Das Land selbst mit seinen zum Teil überaus rcicheu Hilfsquellen bot so eine lohnende Ansbente, nnd die materielle Seite des Unternehmens schien gesichert. Aber es wäre einseitig nnd nnrichtig, wenn wir dem Unternehmen allein kaufmännische Motive nntcrlcgcn wollten, wenn anch diese die Expedition erst ermöglichten. Die englische Nation ist das Volk der politischen Kanflcntc, ein Ergebnis ihrer politischen Reife, in der sie nns weit überlegen sind, nnd vereinigen als solche stets beide Gesichtspunkte. So auch hier: die politischen Aussichten allein waren zwar den Herren in London zu unsicher, um größere Kapitalien leichtsinnig aufs Spiel zu setzen, aber sobald Mackinon das kaufmännische Ziel in den Vordergrnnd stellte, indem er Emins Schätze verhieß, gewann er Anklang. Anf diesen Grnnd hatte die Versichcrnng Salisbnrys nnd später das Londoner Abkommen die erwünschte Wirtnng, wodnrch die Heranziehung größerer Kapitalien ermöglicht wnrdc. Man darf nicht vergessen, daß die Gesellschaft beiden Umständen ihre Gestaltung verdankt, von denen der eine dnrch den anderen erfolgreich wnrde, nnd daß die Thätigkeit der Negierung erst der Gesellschaft sowohl als solcher, wie anch in Beziehung zum Emin-Untcrnehmen das Politische Gepräge gab und Mackinons Versuche erfolgreich machte. Einige Monate nach dem erwähnten Abkommen ward die Bildung der Gesellschaft vollendet ^) mit einem Kapital, das bald anf 1 Million Pfd. St. erhöht wnrde. Sie nahn: den Namen Ine Li'M^i N^8t ^,fi'i(HN ^.880oiati0ii an nnd stand natürlich nnter dem Präsidmm Mackinons, des eigentlichen Erfinders nnd Trägers der mm beginnenden Thätigkeit. Dem unbefangenen Auge enthüllt sich jetzt die Verwickelung, welche die treibende Kraft verdeckte, ganz einfach. Sie war eben nichts anderes als eine mit der Zeit fcstgeformte Vereinigung von Privaten, die je nach Bedarf ihren Namen nnd ihre Ziele änderte: als Agitatiunsgcsellschaft, die im Lichte der Humanität werben und die selbstsüchtigen Pläne verdecken sollte, hieß sie Emin-Entsatz-Komitee; als Geschäftsfirma, die anf >) Im Dezember 1887 aus Cdinbura; abgedruckt in Emins Reiseberichten XIV-XVII. 2) Briefe EminZ an Schweinfurtl), 3. und 18. März 1563. Reiseberichte, H. 4.>4. 3) Dies geschah nach dem Aufbruch der Stanlcyschen Expedition, so das; der Führer von dieser neuen Gründung noch nichts wissen konnte. Wir werden später sehen, das; er bei den Verhandlungen mit Glnin schon das Vorhandensein einer derartigen Gesell» schaft vermutet und sich dadurch verrät. 22 die materielle Ausbeute der Äqnawrialprovinzen spekulierte, hat sie sich selbst keine Bezeichnung gewählt, aber dnrch ihre Thätigkeit eiuc solche nahe gelegt, nämlich Mackiuou t. nnd, als später eine Mchr-fordcrnng nötig war, znsammen ziemlich 50) Lord Granvillc in ciuer Depesche vom 25i. Mai 1885 an Sir E. Malet. -) Tic erste Erwähnung der Liseubahn findet sich in der bereits öfter angeführten Depesche Granvillcs an Malet. Nach dem Mißlingen blieben beide Plinkte für den Vau maßgebend, nur der lelsierc wurde noch auf das «ilima-Mscharo-Gebiet ausgedehnt, um den Verkehr, der biLhcr nach Tanga und Pangani gezogen war, in dic englische Interessensphäre hiuübcrznlciten. Tcshalb wurde die im August 1890 (?) begonnene Fcldspurcisenbahn von Momdas zuerst nach Taucta gelegt. 26 In ähnlicher Weise mußten die drei Missionsgesellschaften nud die ab-Nngige ^li'ienn 1.^ssa-Hochplateau, die auf der vou Livingstone vorgeschlagenen Ronte nach dem Tanganyika strebten '), anf dentsche Ansprüche stoßen. Beide Teile vereinigten sich, nm von Norden nnd Süden ans den dentschen Interessen in den Rücken zu fallen nnd deren Ausdehnung nach Westen dnrch einen Gürtel wn englischen Ansprüchen einzuengen. -) Als Beweis, daß mau schon an die thatsächliche Ausführuug dieser Pläne dachte, dient der Auftrag, den Missionar Mackay erhielt, die Häupliuge südlich des Njansasces für England zn gewinnen.^) Diese große Aktion, die zuerst nichr eine handelspolitische Gestalt anzunehmen schien, sollte gleichfalls von humanitären Bestrebungen getragen werden nnd uuter der selbstlosen Flagge der Ausrottung der Sklaven-jagden vor sich gehen. Man würde solche Pläne, wenn sie von Dentschen ersonnen wäreil, in der dcntschcn Presse ohne Bedenken mit Kolonial-Chauvinismus vernrteilt nnd sie sofort in das Gebiet von Utopien verwiesen haben; in England aber sind sie nicht nnr von vielen Gesellschaften gutgeheißen, pudern auch vou einer einmütigen Presse beurteilt und dem Interesse empfohlen worden. Wären der Ausführuug uicht die unlcidigen, diplomatischcu Verhandlungen in Europa zuvorgekommen, so wäre es heute gewiß zweifelhaft, wessen Flagge in diesen Gegenden das größere Anrecht besäye. 4) Glückten dies vereinte Vorgehen zwischen den Seen uud die Pläue im Sndan, dann hätte mau iu der That bald behaupten können, daß Afrikas Geschicke vou Alexandrien bis znr Kapstadt in London gelenkt würden. Das Emin-Unternehmen war hierbei ein besonderer Fall, der die Operationen der ostafrikanischen Gesellschaft zn schnell nach dem Sndan ') Im Anschluß hieran wurde die bekannte ktLvon^m, 1!nllä geplant, die aber immer noch nicht zur Ausführung gebracht sein soll. 2) In einem Eingesandt in der „Times" sind diese englischen Bestrebungen tlar-gclegt, wobei auch beniertt wird, das; „die herzliche Mitwirkung der britischen Ost» afrikanischen Gesellschaft gesichert" sei. Vergl. „Teutsche Kolonialzcitnng", Neue Folge 11. Jahrgang Nr. ^3 S.'i77 fs., Nr. 24 S. 187 st. 2) Von Wißmann, Antwort auf den offenen Vrief D. Warnccks, S. 8. ') Tie deutsche Negierung hat ihre Unthätigkcit diesen englischen Privatgelüstcn gegenüber damit entschuldigt, daß sie Mitte 1887 in London die Erklärung abgegeben hätte, bei den Zugeständnissen von 1886 wäre sie nur von der Poraussetzung ausgegangen, daß ihr südlich des Viktoria-Sees und östlich vom Tanganjika- unc> Njassa-See freie Hmld gelassen würde. Die englische Negierung hat hiermit ihr Einverständnis erklärt und das gleiche Necht für das Hinterland der englischen Sphäre durchgeseiht, durste also jenen Bestrebungen nicht ihren Schul; geben. („Denkschrift ül'er die Beweggründe zu dem deutsch-englischen Abkommen." Teutfchcs jkoloniall'latt" I. Jahrgang Nr. 1<>, S. 170.) Jedoch wäre eine Umgehung diefcr Vereinbarung nicht die erste gewcfcn in der englischen Kolouial-Politik — man denke Z.B. an das Schirc-Njafsa-Hochplateau —, „och dazu da die öffentliche Mcinuug, die schon oft die Ncgierung zu den weitgehendsten Schritten veranlaßt hat, diesen Fragen gegenüber nicht nur eine sympathische, fondern sehr agitatorische Stellung einnahm. Ehe aber neue Thatsachen ciuc Andernng der Lage nicht erkennen ließen, konnte Salisbury nicht von obigem Standpunkt zurücktreten uud mußte deshalb sowohl vor wie nach der Stanlcyfchen Expedition allen Verdächtigungen unt der Erklärung entgegentreten, daß Stanley von der Regierung keine Aufträge erhalten re^,. feine Verträge nicht im Namen Ihrer Majestät abgcfchloffcn habe, da man „nicht beabsichtige, im Hinterland der dcntfchen Interessensphäre Erwerbungen zu machell". 27 verlegte und ihre Thätigkeit über Verhältnis anspannte nnd zersplitterte. Der Erfolg war auch bei längerer Überlegung sehr zweifelhaft: Emins Herrschaft trug den Keim des Unterganges in sich, den eine hinzukommende Hilfsexpedition wohl eine Zeit lang hinausschieben, aber nicht völlig abwenden tonnte. Die einzige Möglichkeit zu danerndcr Erhaltung wäre gewesen, durch nachfolgende, kostspielige Expeditionen die Position am oberm Nil zn stärken nnd die Muhdihorden, also einen Feind, vor dem selbst die englische Negiernng die Flagge gestrichen, so lauge zurückzuhalten, bis eine sichere Verbindung längs des Nord- und Ostnfers des M'crcwc mit der Küste geschaffeu wäre. Diese Pläne wareu aber ohue Etappen aussichtslos und finanziell unerschwinglich. Es wäre hierzn am vorteilhaftesten gewesen, eine feste Basis am See zn gründen, von der aus die Expedition zn Emiu ziehen und die Verbiuduug anbahnen konnte. Nm aber ein starkes Vollwerk zn schaffen, fehlte die Zeit, da Emin bei jedem neuen Ansturm erlicgcu kuuutc, und ob sich die erste Erpedition ohne sicheren Rückhalt lange halten konnte, war wicdcrmn sehr zweifelhaft. Zn derselben Zeit, zn der man Unterstützungen nach Hat el Estiva führte, hätten die Länder zwischen Mombas nud dem Ukerewe erforscht nnd beseht, sowie Etappen angelegt werden müssen. Damit unterhielt man aber zwei Armeen zugleich, beide in vollster Thätigkeit und gegen verschiedene Feinde wirkend. Solchen Aufgaben konnte sich wohl eine Gesellschaft, nnd verfügte sie über noch so bedeutende Kapitalien, nicht gewachsen fühlen. Die findigen Politiker in London erfanden denn auch ciuen Ausweg, der die doppelten Operationen beschränkte uud mit geringeren Unkosten zu demselben Ziele führte. Nämlich sobald die Unterstütznngstrnppc Emin erreicht nnd ihn mit seinen Leutcu für die Dienste der Gesellschaft gewonnen hatte, wollte mau dcu uuheilvolleu Kampf gegen die Muhdistcn anfgebcn, da die reaktionäre Vcwcguug nach dem Tode des Mnhdi im südlichen Sndan noch nicht an Kraft verloren zu haben schien, nnd das Land verlassen. Emin sollte mit seinen Trnppcn uud Vorräten (Elfenbein!), geführt von dm Agcutcu der Gesellschaft, nach der Nord-Ostccke des Ukercwe ziehen nnd hier das noch fehlende Vollwerk gründen, von dem ans man mit vereinigten Kräften die Gebiete bis Mombas leicht erwerben konnte. Sobald dies gelnngen, konnte der Vormarsch dnrch Uganda und Unyoro nach den Äquatorialprovinzen uud dem Sndan ohne zu große Hemmnisse unternommen, und die ersehnte Erbschaft am oberen Nil angetreten werden. ^) Die ansznscndende Expedition zeigte sich also dem anfmerksamcn Beobachter als ein politischer Schachzug, ausgeführt und ansgebentct von Ge« schäftsleutm, die nnter der Maske der Humanität gewinnsüchtige Politik trieben. An Emins Persönlichkeit lag ihnen gar nichts, wofern er nicht den Schlüssel zur Gewiuuung der oberen Nilgegcnden in Händen hielt, »der wenigstens nicht so viel, daß es des Schweißes der edlen Briten wert gewesen wäre, aber sein Werk galt ihnen alles, uud da sie dies nicht ') Diese Gedanken gründen sich auf die englischen Anerbieten Stanleys bei den Verhandlungen mit Emin. ganz erwerben konnten, wollten sie es zusammenstürzen, nachdem sie vorher die Schätze an sich gerafft, um es später wieder von eben demselben Emm anfbanen zn lassen. Nicht helfen, sondern berauben, nicht retten, sondern zerstören war der Grundgedanke der englischen Expedition, nnd um diesen dnrchzufnhren, scheuten sie, wie wir später sehen werden, weder Lügen, noch offene Gewalt nnd Verrat. Man ersieht, wie elend die Krämer-Politik des Komitees uuter der Hülle hochtrabender Phrasen ihrem Eigennutz fröhnte, indem sie die letzte Kulturstätte im Innern Afrikas zum Hohn aller Gesittung preisgab, elender wahrhaft noch, als die Glad-stonesche Politik Ägypten zwang, den Sndan zn ränmen, mn ihn später selbst zu besetzen. Beide haben sich nichts vorzuwerfen, sie sind einander wert! III. Vie Pläne der englischen Zlegmnng. ) Unter dem 23. Februar 1887. (I. S. 62.) 2) Stanley I. S. 36. 3) Thomson bewarb sich noch, kurz zuvor Stanley England verlies;, sich an der Expedition beteiligen zu dürscn, wurde aber nach mehreren Beratungen zurückgewiesen (Stanley, „I. d. A." I. S. 47 ff.). Der Grund liegt auf der Hand! Thomson war Afritarcisendcr (zwar gerade lein gefürchteter, was auch sein eigenes Werk „Durch Massai-Land" beweist. Perssl. Peters, „Die deutsche Emin - Pascha - Expedition", S. 209 — 211), hatte sich auch gegen die Kongoroutc ausgesprochen und hätte höchstens für Stanley unbequem sein können. ^) Wißinann befürwortete bei den Verhandlungen im deutschen Komitcc die Tana-route. Peters, „D. d. E.-P.-G.", S. 12. 41 Pläne gefügig zu machen und seiue Hauptaufträge glücklich zu Eudc zu führen, zweitens Emiu ging nicht darauf ein uud wies sowohl seine Ratschläge wie seinc^ Rettung zurück. Im ersteren Falle hätte er seinen Ruf bestätigt, aber selbstlos nur für die Auftraggeber gearbeitet, im zweiten dagegen völlig Fiasko gemacht. Um vor letzterem sich zu bewahren und zugleich jenes günstiger für sich zu weuden, snchtc er dnrch Losung geographischer Fragen seiner Expedition einen doppelten Wert beizulegen. Auf dem Wege von Sansibar schienen für eiucn Stanley angcmesseue Verdienste nicht mehr zu erringen, dagegen galt es, anf der Kongoronte dnrch Entdccknng der bisher noch unbekannten Länder westlich nnd südlich des AlbcrtsceZ dem Lorbecrkranzc des uielgcrühmtcii Helden ein frisches Reis hinzuzufügeu. Der Kougo war der Schauplatz seiucr Siege, uud der neugebildctc Staat das Ergebnis seiner Thätigkeit. Wie verlockend nmßte unn die Aussicht sein, durch Erforschuug des nordöstlichen Teils des Flußgebiets sciucn Namen unverlöschlich mit dem ganzen Kongobeckcn zu verknüpfen und Späteren keine Möglichkeit zu epochemachenden Reisen in diesen Distrikten mehr zu lassen, wo allein sein Nnhm thronen sollte. Wann aber bot sich wieder eiuc so ausgiebige Gclegcuhcit als gerade jetzt, wo uoch dazu ungcmesseue Mittel ihm zur Verfügung gestellt nun den? Man versteht nuu auch, wozu die vou ihm so schmerzlich vermißten Wal-fischfängerboote eigentlich dienen sollten; mit ihnen war die Erforschung des Arnwimi, den Stanley schon mit den NÄle-Makua identifizierte, beabsichtigt. ') Natürlich ließ Stanley dadurch, daß er das Unternehmen in erster Linie zu einer Entdeckungsreise gestaltete, seine Aufträge außer acht uud machte so, schon ehe er England verließ, die Möglichkeit des Mißlingens recht annehmbar. Diese Annahme wird noch bestätigt dnrch seilt Verhalten auf dem westlichen Wege, da er durch einen Übertritt auf die Route Junkers, der er sich auf zwei Tagereisen an zwei Punkten-) genähert hatte, leicht ohue uamhafte Verluste Emin erreichcu kounte, indem er durch die reicheu Läuder des Vomotandi uud Kibali nach Makraka zog. Daß derartige Erwäguugeu im Lager zur Sprache gekommen und vou Stanley kurz zurückgewiesen sind, beweist unter anderen, daß er ciuem seiucr Offiziere, der ihu um die Erlaubnis bat, deu UMe-Mobaugi-Fluß zu erforschen, in verletzenden Worten seine Pflicht vorhielt. Aber vergaß er denn nicht selbst seine Pflicht, wenn er die Ausführuug der ihm gc-stclltcu Aufgabe durch eigcue Pläue iu Frage stellte? ^) 1) Nach ssasati, „Zehn Jahre in Äquatoria und Rückkehr mit Lmin-Pascha" II. S. 144. 2) An der Mündung des Ncpoko in den Aruwimi und bei Ugarrowwlls Lager. 2) An anderer Stelle verrät er sich übrigens ganz often: wenn er damals gewußt hätte, als er den Ncpoto erreichte, daß er cine Woche später mit den Manjcmahordcn der Araber zusammentreffen würde, so hätte er sich bemüht, „einen Breitengrad zwischen den Mittelpunkt ihres Einflusses" und sich zn bringen, mit anderen Worten, so wäre er den Nepoko aufwärts auf die Route Junkers übergegangen. Auch überlegte er schon eine Änderung ocs Weges infolge der Äußerungen des Monbuttu-Knabens Junkers, der ihm von den' nördlich wohnenden Momfu-Volkc eine verführerische Beschreibung gab. Vgl. „Deutsche Kolonialzcitung", Neue Folge. III. Jahrgang, Nr. 16, S. 192 fs. 42 Dem entsprechend konzentriert sich anch wirklich das Hauptinteresse des Stanleyschcn Wertes anf die Beschreibung des Urwaldes, die Ent decknng des Rnvenzori nnd die Verfolgling der Nilquellen bis zum Albert-Edwardsee, mit deren Beschreibung er offenbar seinen Haupttrumpf auszuspielen glaubt, aber leider den Zweifel an seinen wissenschaftlichen Fähigkeiten nnr noch vermehrt. Ja in seiner naiven Selbstgefälligkeit versichert er uns noch ausdrücklich mit dem Versprechen, „so wenig langweilig wie möglich zn sein", daß es kein anderes Buch, nicht einmal ein Manuskript oder sonstige Aufzeichnung, gäbe, als seine eigene, in denen eine Schilderung dieser Gegenden enthalten sei. ') Dies war der zweite Fehler, den das Komitee beging, nämlich daß cs anf Stanleys abenteuerliche Pläne einging nnd die bisher änderst günstigen Auspizien wieder zweifelhaft machte. Unter Stanleys Leitung organisierte sich das Unternehmen schnell. Kurz vor seiner Abreise wnrde er noch in besonderer Audienz von der Königin empfangen, wo er „eine sehr anfmerksamc Zuhörerschaft" hatte"), und von Sir Percy Anderson, der ihm die genaue Defiuitiou der englischen Pläne nochmals einschärfte. ^) Er war also Geschäftsträger der Gesellschaft nnd Veanfsichtiger seiner eigenen Thätigkeit. Stanley selbst drückt sich hierüber sehr uuklar mit den Worten aus: „Was Emin Pascha anlangt, so lanten meine Informationen verschieden." Hierzn gehörte es anch, daß er mit seinen Offizieren, um den Schein zn wahren, znerst nach Ägypten reiste nnd dort von Nnbar Pascha die nichtssagenden Anfträge und vom Khcdiwc den von England gebilligten hohen Ferman empfing, in dem Elnin znm Pascha erhoben wnrde. In Sansibar sammelte sich dann die Expedition nnter dem Schutz des englischen Generalkonsnls F. Holmwood, wo der erste Anftrag erledigt werden sollte. Dieser bestand darin, daß Stanley, da anf Grund der Abmachung vom Ende 1886 die Souveränität des Snltans von Sansibar über den Küstcnsanm vom Tana bis znm Rovnnia mit 18 kin Tiefe anerkannt war, die Konzession erlangen sollte, den Wirkungskreis der Gesellschaft anf die Strecke vom Tana bis Umba auszudehnen. Mackinon suchte den Snltan dnrch ein Empfehlungsschreiben ^das Stanley erklärlicherweise nnr deshalb abdruckt, weil er darin gelobt wird) für die Verhandlungen gefügig zu machen, indem er ihm die Dienste der Expedition anf dem Heinimarsch verhieß, wo sie im Rücken der dentschcn Besitznngen ihm ein Gegengewicht gegen diese verschaffen konnte. Wie weit er diese in Anspruch uahm, ist ungewiß, wahrscheinlich hatte er schon die Flinte ins Korn nnd sich selbst in die Arme des englischen Generalkonsuls ge-worfeu, der nach dem Prinzip des letzten Abkommens ihm eine Aufnahme seiner phantastischen Pläne nicht gestatten konnte. Stanley verrät hierbei ganz uuzwcidcutig seiucu Auftrag, natürlich nur um als englischer Bevollmächtigter bei Sr. Hoheit Said Bargasch zu prunken, und giebt als Ergebnis seiner Bemühung das Zugeständnis an: ,.So Gott will, werden ') Stanley I. S, 134. 2) Stanley I, S. 47 ff. 2) Stanley I. S. 54/ 43 wir zu einer Vereinbarung kommen/') Also Inschallah! wenn heute nicht, so morgen. Stanley hat trotz der erwünschten Antwort das erste Ziel nicht erreicht, was aber im Hinblick auf das Hanptunternehmen noch nicht sebr ins Gewicht siel, da die Gesellschaft die Verhandlungen sofort durch ihre Organe fortsetzen ließ. Wir greifen etwas vor und teilen das Ergebnis gleich mit. Unter dem 24. Mai 1887 schlössen beide Kontrahenten einen Vertrag-), nach dein die Gesellschaft in dem betreffenden Küstensanm im Namen des Sultans die ganze Verwaltung auf 50 Jahre übernalnu und dafür den Gesamtbetrag der augenblicklichen Eingangszölle nebst 50 Prozent von den nenen Abgaben <,die sie selbst auferlegte) an diesen abführte. Die Privilegien der Kompanie sind hierbei so weitgehende, daß sie die Ansübuug ciuer Souveränität bedeuten, die nach Ablauf eines halben Jahrhunderts zweifellos als Thatbestand konstatiert werden wird. Wenn auch wirklich Vereinbarungen über den Zeitpunkt nach Beendigung der Konzession getroffen sind, so ist dies nur mit Rücksicht anf einen Sultan geschehen, der augenblicklich noch durch die Rivalität der Mächte aufrecht erhalten wird, aber die politischen Konsequenzen deuten den Kontrakt unzweideutig als eine Frage der Zeit, die nach Verlauf der angegebenen Frist spruchreif sein wird. Die Gesellschaft besaß hiermit in Ostafrika eine Landeshoheit, die zwar hinsichtlich des Küstenstreifcns dem Snltan, hinsichtlich des Binnenlandes der englischen Regicrnng untergeordnet, aber bei beiden Fällen in der Aktionsfreiheit souvcräu war. Diese Staatsgewalt war durch die verschiedene Staatsangehörigkeit der Gebiete nicht beeinträchtigt; im Gegenteil, beide waren dnrch eine Art von Territorial-Union vereint, die jede Schranke anfhub. Hiermit hatte die Kompanie die Hände von Sansibar aus frei und konnte nun ihre ganze Kraft einsetzen, uni von Osten die Verbindung mit dem Ukerewe herzustellen und den Emin-Pläncn die Wege zn ebnen. Während seines Anfcnthaltes in Sansibar beging Stanley ein zweites Versehen, das sich später auf dem Zuge sehr fühlbar macheu sollte, nämlich daß er den bekannten Vertrag mit Tippn Tib abschloßt), der hente ein interessantes Nachspiel in: Gefolge zn haben verspricht. Wie schon erwähnt, wurde dieser Araberhäuptling, der „Sibehr des Kongobcckens", »vie ihn Stanley nennt, gewonnen, nm mit 600 Trägern das Elfenbein vom Albertsce zn den Stanleyfällen zu trausportiereu. Ein ähnliches Engagement würde man so leicht nicht gefunden haben, ein sichreres gewiß nicht, nnd da das Elfenbein nnn einmal znm Kongo gebracht werden mußte, um die weiten Taschen in London zn füllen, so machte man ans der Not eine Tngend und übertrug das Geschäft dem größten Kultur-npostel Zentralafrikas, dessen einziger Ehrgeiz darin bestand, rücksichtslos alles Elfenbein zusammenzuscharren nnd nach Sansibar zu verkaufen, oder mit andern Worten, man machte den Bock znm Gärtner. „Weshalb sollten wir nicht den Versuch macheu, dieses Elfenbeiu nach dem Kongo 1) Stanley I. S. 60-62. 67—69. 2) Vanning, „Tie politische Teilung Afrikas", S. 55 ff. 3) Stanley I. S. 63—65. 69—72. zu befördern", fragt Herr Stanley ganz naiv an, indem er sich den Anschein giebt, als ob die Rcttnng des Elfenbeins Nebensache, die Emins Hauptsache sei, erspart sich aber leider in seiner Bescheidenheit die Antwort. Ja, er erheuchelt uns noch ein etwas lächerliches Geständnis vor, daß er sich jetzt einigermaßen vor den Desertionen der Sansibaritcn sicher fühle, da Tippn Tib ihm verpflichtet sei, gesteht aber bald darauf, ius entgegengesetzte Extrem zurückfallend, ein, daß er den gefürchtcien Araber wie ein Maximgcschütz mit drohender Mündnng betrachte.') Dieser Vertrag kam im Beisein des englischen Generalkonsuls zustande, ohne dessen Bestätigung ein so wichtiger Akt wohl nicht vorgenommen werden durfte. Unterdessen hatte ein Agent Mackinons in Sansibar alles zur Abfahrt vorbereitet, so daß diese am 25. Febrnar 1887 mit Freund Tippu Tib nebst Begleitung an Bord erfolgen konnte. Am 18. März war die Kongomündnng nnd am 21. Matadi erreicht, von wo der Übcrlandmarsch bis Stanleypool mit namhaften Vcrlnsten ausgeführt wurde. Nach vielen Schwierigkeiten kam man am 15. Juni nach Iambnja am nnteren Arnwimi, einer Reihe von Dörfern, welche den eigentlichen Ansgangs-pnnkt der Expedition bilden sollten. Ehe noch Iambnia verlassen war, war bereits der vierte große Fehler vor dem eigentlichen Beginn des Znges begangen; der Aufbruch selbst war der Anfang vom Ende. Nämlich mit dem Engagements Tippu Tibs war notwendig eine Teilnng der Expeditions verbunden; Stanley wollte mit der Vorhnt, bestehend ans 388 Mann und 357 Gcwchrcu, so schnell als möglich Emin zn erreichen snchen, um ihn vor dem drohenden Untergang zu bewahren, während Major Barttclot im Lager von Iambuja mit 260 Mann und 139 Gewehren anf Tippn Tib warten nnd mit ihm zusammen folgen sollte. Die Schwicrigkeiteu der Nachhnt waren viel bc> deutender, als sie sich in dem Unterschied dieser Zahlen darstellen, da erstens die zügellosen Horden lnach Stanley die „Myrmidoncn") des übermächtigen Despoten an den Stanleyfällen, sofern sie überhaupt erschienen, den: Zngc Hindernisse, wenn nicht offene Feindseligkeiten, bereiten würden, zweitens die große Bagage transportiert werden mußte, drittens die Nachhnt nnr ans unzuverlässigen nnd kranken Lenten bestand, die bei einem ernstlichen Kampf auseinandergelanfen waren. Wir sehen auch hier Stanleys Grnndzug bestätigt, was selbst aus seinem Bericht klar hervorgeht, daß er nämlich in Iambnja sich selbst alle möglichen Faktoren zum Gelingen gewinnt anf Kosten Bnrttclots, den er fast jeder Stütze beraubt und den Plänen der Elfenbein-Spekulation aufopfert.-^) Trotz dieses ') Nämlich als Major Parttelot nähere Auskunft über Tippu Tib zu haben wünschte. Stanley I. S. 123. '-) Stanley I. S. 101—103. 3) Hierzu citieren wir aus einem Aufsat; Rose Trmips aus New-Hork: „Ich glaube, daß Stanley nicht ausschließlich aus philantropischcn Rücksichten vorwärts getrieben wurde, als er uns hilslos zurückließ, als er sich in ein uncntdecktcs Land stürzte. Was er suchte, war Reichtum und Ruhm. Er ließ uns im Lager mit dem Versprechen vm, Verstärlungen durch Tippu Tib, die nie kamen. Monat auf Monat verging olM Hilfe. Unsere Leute blieben rechts und links tot liegen. Einige desertierten" usw. Stanley 45 Schuldbewußtseins wagt er später, jenen braven Offizier mit den schändlichsten Anschuldigungen zu bewerfen und iu Europa gegen den Tuten eine so genieine Polemik zn eröffnen, daß jeder rechtlich denkende Mensch sich mit Abscheu von dieser tugendhaften Karikatur abwenden muß. ^) Varttelot ist ähnlich wie Emin ein tragischer Held geworden, beide fielen Stanleys Egoismus zum Opfer, aber mit dem Uuterschied, daß jener dabei sein Leben, dieser sein Werk einbüßte. Aber weshalb diese Umdrehung im Kommaudo? Es wäre doch viel natürlicher gewesen, wenn Stanley selbst als der Chef der ganzen Expedition das Hanpthcer, also die Nachhut, befehligt und eine Abtciluug vorauf zu Emin entsandt hätte, ähnlich wie Zncrft bei der deutscheu Emin-Expedition Wißmann mit eiuer kleinen Trnpve zum Alberts« marschieren, uud Peters mit der Haupttuloime uachfolgeu sollte'-); deun das Gelingen der Hauptanfträge beruhte doch auf der sicheren Führnng der Nachhut. Austatt dessen wnrde diese möglichst geschwächt, aber ihr dieselbe Bedeutung gelassen, und die Vorhut, die nur den Zweck haben dnrfte, die Wege zn ebnen, so sehr gestärkt, daß sie thatsächlich der stärkste Teil war, ohne dementsprechend für das Gelingen entscheidend zn sein. Diese widersinnige Anordnuug erklärt sich daraus, daß Stanley die Vorhnt kommandieren wollte, nni seine eigenen Pläne, die geographische Erforschung jener Länder, durchzuführen, und weil er, da das Risiko mit einer kleinen Abteilung dem alternden Helden zu groß war, eine solche auch gar nicht seiner Stellung entsprochen hätte, dazn Elitemauuschafteu gebrauchte. Denu hätte er einen seiner Offiziere voranfgesandt, so daß die Erforschnng des Aruwimi, die erste Erreichung des AlbeNsce von Westeu aus uud andere Probleme, anf deren Lösnng sein Ehrgeiz brannte, ihm entgangen wären, dann hätte ja die Kongoroute gar keinen Nutzen für ihn gehabt, nnd er wäre viel sicherer von Sansibar zu Emin gezogen. Man merkt es seinem wußte ganz gut, was er von Tippu Tib zu erwarten hatte — so erinnert er Parttclot daran, daß jener 1876 den Kontrakt mit ihm gebrochen, daß Lenz deshalb keinen Erfolg gehabt hätte, weil er sich auf den Araberhäuptling «erlassen, und daß er Stairs die „Ordre gegeben habe", bei den: ersten Anzeichen von Verräterci seine Niederlassung mit der Schnellfcuerlanone zu bombardieren" (I. S, 123) —- aber trotzdem schließt er jenes Übereinkommen ab. Ja noch mehr, Tippu Tib befand sich zu Vcginn der Expedition in Sansibar, und ehe er über Tabora nach Njangwe gekommen wäre, konnte Stanley Iambuja schon längst verlassen haben, su daß eine direkte Gefährdung von dieser Seite nicht vorlag, zumal da die Araber nur den Ausgang einer Straße nach dein Alberts« beherrschten. Also auf Unkenntnis beruht die Engagicrung nicht, und da auf dem Hinmarsch kein zwingender Grund vorlag, so große Kräfte zu entwickeln, muß Stanleys ausgesprochener Grund als richtig angenommen werden: man beabsichtige, «daß cr (Tippu Tib) Munition trägt und auf dem Rückwege Elfenbein mitbringt, das mit zur Deckung der Kosten der Mission dienen kann". Stanley I. S. 123. Vcrgl. I. S. 64. 71. 1) Bemerkenswert ist es, daß Stanley bei seinen Insinuationen nur von Bonny unterstützt wird, der allerdings zuletzt der einzige Weiße bei der Nachhut war, aber nuch nach seinem ganzen Auftreten sowohl auf der Expedition wie später in Europa eine ziemlich zweifelhafte Persönlichkeit zu sein scheint. Dagegen Iephson erklärt m seinem Werk (S. 374) ganz offen, was um so mehr zu beachten ist, als Stanleys Mit-verfafserschaft ihn nicht davon abhielt: „Daß Varttelot seine Pflicht mutig und ehrenhaft erfüllt hat, habe ich keinen Augenblick bezweifelt" usw. 2) Peters, „D. d. E.-P.-E," S. 3. 46 ^ Bericht auch an, daß Major Barttclot keineswegs mit solcher Teilung einverstanden war und nur uach vielem Sträuben nachgab.') Hiernach konnte der Aufbruch der Vorhut crfolgm, die selbst am Rande des Abgrundes hinter sich Leute ließ, die dem Untergänge geweiht waren, um andere zu retten, die sie in solcher Lage wähutc. Die bisher begangcncn 'vier großen Verschen knüpfen sich alle an den Namen „Stanley", jcdocl^so. daß das erste allein der Gesellschaft, die drei anderen vor allen dem Führer beizumcssen sind. Ausschlaggebend für das Mißlingen war die Wahl der Kougoroute, der die Regierung wohl namentlich deshalb zustimmte, um ihr offenes Programm gegenüber den Mächten durchzuführen. Am 18. Juni 1887 verließ die Vorhut das Lager vou Iambuja und erreichte am 14. Dezember desselben Jahres den Albertsee in der Stärke von 170 Mann-!, nachdem sie volle 160 Tage mühsam unter größten Verlnsten sich dnrch den dichtesten Urwald gearbeitet hatte, den Stanley in seiner Allwissenheit vorher auf zwei Wochen Marsch berechnet hatte. Dieser unaufhörliche Kampf mit Hemmnissen der Natnr und umschwärmenden Eingeborenen ist sicher eine Großthat zu nennen und, wenn auch die Berichte der Teilnehmer etwas zu farbenreich wiedergegeben sein mögen, immerhin eine originelle Eigenart afrikanischer Reisen, die über das gewühnlchc Maß hinausgeht. Man könnte sie wohl am besten mit dem ^'cnophonschen Rückzng von Knnai'a nach Trapeznnt vergleichen, wenigstens insofern das aufgewandte Risiko, die Haltung der Eingeborenen und eigene Not bei beiden eine ähnliche war, hier beweist sie nns nnr das eine, daß aus der Hilfsexpedition eine hilfesuchende, aus dem siegesgewissen Führer ein ängstlicher Flüchtling wurde, der von demselben Emin, dem er Entsatz zuführen wollte, Rettung erwartete. Als man den Albertsec erreichte, „jauchzte" alles auf, denn mau hatte gehofft, hier den rettenden Pascha zu fiuden. Aber es kam anders; die erste Freude war bald verrauscht, und an Stelle dessen trat ein „fröstelndes Gefühl", das sich bald in Niedergeschlagenheit und Hoffnungslosigkeit, bald in Ärger äußerte. Vou Emiu war nichts zu sehen, ja die Eingeborenen wollten nicht einmal von ihm gehört haben. „Ängstlich untersuchte ich nut dem Glase genau die fernen Küsten des Sees . . . uud zum crstcumal kam mir der Gedanke, daß die Opfer an Menschenleben doch umsonst seieu." Die Hoffnungsfreudigkeit hatte ein jähes Ende erreicht; denn „unsere Hanpthoffnung bernhte auf Emin Pascha" uud der 1) W. G. Varttelot, Bruder des Kommandeurs der Nachhut, hat in einem kürzlich erschienenen Buch aus dessen Tagebüchern nachgewiesen, daß ein gespanntes Verhältnis zwischen dem verstorbenen und Stanley von Anfang an bestanden hätte; der Expeditions-chef hätte sogar seinem Bruder gedroht, wenn er nicht willig sei, würde er seinen militärischen Nuf vernichten. Man versteht nun auch, weshalb Barttelot zur Nachhut kommandiert wurde. 2) Kasati berichtet „wenig mehr als hundert Leute" (II, S. 145), doch scheint dies auf einem Irrtum zu beruhen, da Casati die Expedition bei ihrer ersten Ankunft am See gar nicht sah und hier das Ttanleyschc Werk allein authentisch ist. Vei dieser Gelegenheit bemerken wir, daß bei Stanley die größten Widersprüche bei Angabc von Ortsemfernungen, Bestand und Verluste der Expedition u. dcrgl. sich in so großer Anzahl finden, daß bei einer genauen Statistik die korrigierenden Anmerkungen den größten Umfang annehmen würden. 47 „wollte oder konnte" die hart am Abgrnnd weilenden Übereste seiner eigenen Hilfsexvcditim: nicht retten. Man kann sich die fatale Lage sehr wohl vorstellen: von allen Seiten umschwärmt von feindlichen Eingeborenen, vor sich den See, hinter sich den steilen Anfsticg znm Valcggaplatean, nirgends ein fester Anhalt, bei längerem Anfenthalt „dem Verhungern von Angesicht zn Angesicht gegenüber" nnd bei jedem Vordringen ein endloses „Kämpfen, Töten, Zerstören, Vernichten und Vernichtetwcrden", in der That ein würdiger Abschluß jener Odyssee von Unglücksfällen, ans denen sie alle nach eigenem Geständnis „nnr mit genauer Not lebend" entkommen waren. Dazu keine Boote anfzutreibcn, nnd ohne diese hätte man einen Weg von 25 Tagen bis Wadelai nötig gehabt, ohne jede Gewißheit, Emin zu erreichen oder auf dem Wege nicht zn verhungern. Daß ein Entsatz dnrch Zuführung von Munition bei einem Vorrat von 47 Kisten (beim Hinmarsch hatte man 30 Kisten verbraucht) nicht mehr möglich war, ist selbstverständlich. Stanley stellte seinen Offizieren die trostlose Lage vor: „Ach, meine Herren, sehen Sie nicht so trübe aus, Sie macheu meinen eigenen Kummer uur um so größer." Selbst er, der stahlfestc, unbeugsame Held, hatte die Sprache eines Mannes verloren nnd erging sich in schmählichen Anschuldigungen gegen den, der sich nicht am See aufgestellt hatte, nm ihn mit schützenden Armen zu empfangen und der später noch thatsächlich sein Retter werden sollte. Man beschloß, ohne Briefe für Emin zurückzulassen, nach Ibwiri znrückznkehren, um sich dort häuslich einzurichten, die dort zurückgelassenen Mannschaften von Ugarrowwa uud Ipoto zu holen uud dann nochmals gestärkt znm See aufzubrechen.!) Eine Nückbeweguug wurde uotwcudig, da die Expedition fich am See, wo es keine Anpflanzungen gab, nicht lange halten konnte nnd sich nicht stark gcnng fühlte, nach Unyoro vorzurücken. Aber warum nicht einmal der Versuch gemacht wurde, Mswa vom Plateau aus zu erreichen oder sich mit der Besatzung in Verbindung zu setzen, ist im Stanlcyschcn Bericht nicht genügend motiviert; denn Mnnitionsmangcl war nicht zwingend, der Weg nach Mswa gewiß kaum so weit wie uach Ibwiri-) nnd die Vorteile sowohl hinsichtlich der Geld- und Zeitersparnis als auch des Schutzes iu Mswa weit überwiegend. Wir glaubeu kaum, daß wir hierbei Stanley der Unentschlossenhcit bezichten, wie Di'. Peters es thut 3), uud ihm nicht vielmehr bestimmte Absichten uuterlegen sollen. Sehr leicht möglich ist es, daß Stanley das Risiko eines Znges nach Norden nicht zn übernehmen wagte nnd seinen Entschluß allein ans äußeren Umständen ableitete; dagegen läßt es sich vielleicht noch besser darans erklären, daß Stanley mit der Anknnft in Mswa auf die Wirksamkeit seiner Pläne verzichten mußte. Denn nach dem, was er bisher von den Znständen an: Nil 1) Nber die erste Ankunft nm See vcrgl. Stanley I. S. 300—315. 2) Stanley erfuhr vun den Eingeborenen am Sec (I. S. 306), „daß merkwürdige Leute in Buswa (Mswa) fein sollen,'aber das ist weit von hier". Auch erboten sie sich, ihm den Weg zu zeigen. Daraus konnte er annehmen, daß diese Leute im Verkehr mit den Ägyptern standen, daß also Mswa kaum so weit entfernt liegen tonnte als Ibwiri, das am See ganz unbekannt war. 2) Peters, S. 520 ff. ____48____ annehmen konnte, wäre er in der Provinz Gast des Paschas nnd mit seinen geringen Kräften nicht im stände gewesen, ans die Entschließungen des Wirtes einen Drnck auszuüben. Mochte Stanley nun damals schon seine eigenen Plänen näher formuliert haben oder nicht, jedenfalls erheischten anch die englischen Aufträge eine Situation, die er selbst beherrschte nnd uach Umständen für sich ausnutzen konnte; er dnrftc nicht ein von Emin abhängiges Verhältnis, sondern mnßte ein umgekehrtes anstreben. Hierans erklärt es sich anch, das; er stets aus der Provinz fortgeblieben und so Herr der Situation geblieben ist. Am 7. Iannar 1888 hatte man Ibwiri erreicht, wo man ein Fort (Vodo) erbante. Von Ipoto hatte Stanley die zurückgelassenen Mannschaften nntcr Nelson nnd Parte herangezogen nnd dann noch einmal Leutnant Stairs ausgeschickt, um die Kraulen von der Station Ugarrowwa zu holen nnd 20 Buten von dort an Major Varttelot abzuschicken.') Die letzte Entsendung, sowie die voraufgegaugeucn Verhandlnngen, die diese erreichten, lassen erkennen, daß man im Zweifel war, ob man sich nicht gleich mit der Nachhnt verbinden nnd dann gemeinsam znm See zurückkehren solle, wie es das natürlichste gewesen wäre. Nach dem Erfolg zu urteilen, bat Stanley die Ansicht vertreten, sich mn Major Varttelot vorläufig nicht weiter zn kümmern und sich erst über Euiiu Klarheit zu verschaffen, dagegen scheinen die Offiziere berechtigt aufgetreten zn sein. Jener stellt die Sache allerdings so dar, als ob ihm die Nachforschung nach dem Pascha oder dem Major gleich erwüuscht wäre, und als ob die „Anführer einstimmig dafür" gewesen wären, nach dem Njansa auf-zubrecheu; dauu versteht mau aber gar uicht, wie fie „schließlich" „zn einem Kompromiß" kommen konnten, nachdem sich vorher eine „Diskussion" „zwischen den Anführern nnd uns" entsponnen hatte, wenn man sich überhaupt ciuig war. Höchst wahrscheinlich dagegen hat Stanley den Marsch nach dem See vorgeschlagen uud, wie so oft, gegcu den Willen seiner Anführer durchgesetzt. Das erklärt die Lage uud macht allerdings, wenn übcrhanpt ein Weißer Schnld an dem Tode Barttclots haben soll (wie Stanley behauptet), ihn selbst zn dem Urheber desselben. Daß aber dieser anf die Dnrchführnng seines Planes drang, den er nnch schon bei der ersten Anknnft am See geäußert'-), ist sehr erklärlich; bei dem Zuge uach Iambuja staud wegen des Zustandes der Expedition die Existenz auf dem Spiel, der Gewinn konnte im günstigsten Falle nur eine Vereinigung mit Barttclot und Tippu Tib bilden, wobei ein Zusammen -marschicrcn wegen der armen Gegend tanm möglich uud mit den größten Hindernissen verknüpft schien; vor der Hand war die Nachhut auch uicht nötig, und ihr Hcrauziehcn hätte so viel Zeit beansprucht, daß nnterdessen Emin verloren, uud alles vergebens gewesen sein tonnte. Die nahe liegende Möglichkeit, daß Barttelot in Not sei, wozu er selbst ihm möglichst viel Chaneen gestellt hatte, die er also bei seinen Entscheidnngen vornehmlich in Betracht ziehen mnßte, war natürlich unvermögend, Stanley zu beein- >) Aufenthalt in Fort Vodoi Stanley, I. S. 324—345; in Bezug auf die folgende Erörterung vcrgl. I. S. 337—338. U) Stanley I. S. 309. 49 flusscn; er staud bor der Alternative, Barttelot oder Emin zu retten, d. h. sein Leben der Gefahr preiszugeben und seine Pläne zn opfern oder Ruhm zu gewinnen. Mit dem Zuge nach dem See hatte er vielleicht eben so viel Aussicht, sein Ziel noch lebend anzutreffen wie in Iambnja, aber die Möglichkeit war doch jetzt ungleich annehmbarer, als nach der Rückkehr von Iambuja, die nach dem Hinmarsch gerechnet ziemlich ein Jahr (in Wirklichkeit später ^ Jahr) danern würde. Wie begründet die Ansicht der Offiziere war, ersieht man aus den späteren Ereignissen, wodurch entsprechend sich auch die Schuld des Führers beim Scheiteru der Nachhut steigert. Diese Verhandlung in Ibwiri scheint uns die passendste Erwiderung zu sein auf die Beschuldigung Stanleys in seiner Guildhallrede, daß Emin durch seiu langes Ausbleiben am See den Tod Bartteluts nnd die Verluste der Nachhut verschuldet habe. Wäre Stanley im Januar 1888 noch nach Iambuja aufgebrochen, so hätte er gewiß Barttclot von der Kugel des Mörders befreien köuncn; denn der Major ward erst am 19. Iuui erschossen. Bei dieser Gelegenheit verweisen wir als illustrierendes Seitenstück auf dcu Brief Stanleys an Iephson, datiert Kawalli, 18. Januar 1889, „Streng vertranlich" und heben daraus den betreffenden Passus hervor, der im Stanleyschen Werk ausgelasseu ist') (ohne Puukte zu setzen), im Iefthsonschen sich aber findet»): „Jameson bezahlte 1000 Pfd. St., nm uus zu begleiten; nun, er hat den Befehlen nicht gehorcht und ist, wie Sie sehen, zurückgelassen, um über seiu Verfahren nachzugrübeln. Ward wünschte, wie Ihnen bekannt ist, sehr dringend, sich nns anzuschließen, gehorchte aber ebenfalls nicht nnd blieb in Bangala, ein Opfer feines Heißhungers nach Abenteuern. Barttelot, der arme Bnrsche, war toll anf Kudos und hat das Leben und alles verloren, ein Opfer seiner Halsstarrigkeit." Ein nettes Bekenntnis, das Herrn Stanley in seiner wahren Grüße erkennen läßt! Nach Emins Aussage soll Iephson nach Empfang des Briefes nut den Worten zu ihm gekommen sein: „Sehen Sie, in welch abscheulicher Weise Stanley über einen nnserer Kameraden urteilt." E. Vuhseu hat diese Äußerung Emins in der „Kölnischen Zeitung" veröffentlicht uud Icphson darin zum Widerruf aufgefordert, ,.1)i'. Emin Lügen zu strafen, falls diese von I)r. Emin mir erzählte Episode anf Unwahrheit beruht". Durch diese Herausforderung hat sich wohl der englische Offizier bewogen gefühlt, jene Stelle in dem Schreiben mit aufzunehmen, dagegen wird wohl Stanley bei der Durchsicht der Iephsonschen Arbeit, als deren Mitverfasser er sich nennt, die Lektüre der Briefe übergangen nnd so jenen ihn kompromittierenden Passns nicht bemerkt haben. In seinem Werk ist er wenigstens nicht müde geworden, Emins Fernbleiben bei seiner ersten Ankunft am Albcrtsce mit den schärfsten Ausdrückcu zu tadelu und daraus die widersinnigsten Konsequenzen zu ziehen, selbst dann noch, als ihm nach dem Zusammensein mit Emin die Sachlage klar sein mnßtc. Er scheint anch jetzt noch in dem Wahn befangen zn sein, vor einem ungelösten Rätsel zn stehen; denn später hat er erklärt, daß der Pascha sein Geheimnis, weshalb er ') II. S. N7 ff. 2) S. 368 ff. (hier: 370). Iacgcr, Die Stanlcyschc Lmin - Expedition. ____50____ nicht im Dezember 1887 in Kawalli ihn erwartet, glücklich bewahrt hätte, bis er (Stanley) so weit sich von Bagamoio entfernt hätte, daß er ihn persönlich nicht mehr danach hätte fragen können.') Wie nnsinnig diese Aussage ist, lenchtct ein, da Stanley mit Emm über 300 Tage znsammen verlebt hat und in dieser Zeit nie eine Gelegenheit gehabt haben will, persönlich ihn danach zu fragen. Da wir bisher noch keine Erörterung dieser Fragen gefunden haben, gehen wir hier knrz daranf ein. Stanley hatte am 24. Februar 1887 einen Brief an Emin von Sansibar durch Eilboten abgeschickt, in dem er ihn aufforderte, ihm in Kawalli oder dessen Umgebuug Nachricht von seinem Anfcnthalt znkommen zu lassen.'') Über dm Verbleib dieser ist authentisch nichts bekannt geworden; jedenfalls ist daranf die Notiz im Casatischen Werk zu beziehe»^, daß der Minister und ein Häuptling des Königs Tschna von Unyoro Streifzüge in die Nähe Ugandas nnternahmen, „um sich der Knriere von Sansibar zu bemächtigen, welche sich in Mcuakulia in Erwartuug der Erlaubnis des Königs, Unyuro betreten zn dürfen, halten geblieben waren". Im Znsammenhang hiermit wurde eiu Eingeborener, der Briefe für die Weißen brachte, beraubt und gcmißhaudelt, eine Karawane aus Karagwe zerstreut und einige Leute fcstgeuommeu, da mau Korrespondenzen bei ihnen vermutete. Danach ist wohl anznnchmen, daß Stanleys Brief nicht nach Unyoro hingekommen ist, geschweige denn, daß er Emin erreicht hätte; Casati, der damals als Emins Vertreter in Unyoro weilte, würde auch uicht verfehlt haben, es zn erwähnen, da er im übrigen sorgfältig jede Nachricht von Stanley anführt. Des Königs Vorsicht, alle Briefe, die sein Land passierten, abzufangen, konute, nachdem der Verdacht schon rege war, schwerlich getäuscht werden. Dagegen war schon vorher, da vom März 1887 an Casati heimliche Verbindung mit Uganda unterhielt^, die aber bald wieder unterbrochen wnrde, vielleicht im Inni bis Juli, als die Waganda eingefallen^'), eine Depesche vom englischen Generalkonsul aus Sausibar augekommen uud Emin zugesandt''), iu der auch ein Ferman vom Khediwc nnd Briefe der ägyptischen Regierung angekündigt waren. Diese wnrden von Mackay ans Uganda Casati zugeschickt und erreichten den Pascha erst in Mnggi, wohl Ende 1887 oder Aufaug Iauuar 1888.') Am 3. Januar 1888 erfuhr Easati in Uuyoro die Ankunft der Entsatzexpedition in: Lande der Wallega^), konnte aber erst am 16. Emin hiervon Mcldnng machen. ^) Der Pascha fnhr daranf am 30. nach Mswa, am 25. Fcbrnar von dort nach dem Süden, um nach Stanley zn rekognoszieren, nnd kam nach vergeblichen Snchen am 6. März nach Mswa znrück."') In Tnngnru setzte er seine Untersuchungen fort 1) Stanley I. S. 362 Annl. 2) Stanley I. S. 62 ff. 2) Casati II. S. 82. -») Casati II. S. 6". 5) Casati II. S. 68 — 71. 6) Die Emin im November in Kibiro zugestellt wurden. II. S. 81. ') Casati II. S. 1."s. ») Casati II. S. 85. ") Casati II. S. 132. '") Casati II. S. 132-134. ^51____ und entsandte in den ersten Tagen des April einen Häuptling mit Brief an Stanley, auf die Nachricht hin, daß weiße Männer im Gebiet Ndussumas ständen. Am 23. April erfuhr er die Ankunft Iephsons in Mswa nud setzte sich sogleich mit ihm uud der Expedition in Verbindung. ^) Hiernach können wir konstatieren, daß Emin, sobald er die Nachricht von der Ankunft der Expedition erfahren, alles aufgeboten hat, ihren Aufenthalt zu ermitteln. Stanley dagegen behauptet, obwohl er nach seinem Zusammensein mit Emin jene Bewegungen wissen mußte, daft dieser bis zum 25. März „ruhig in seinen Stationen geblieben" wäre, d. h. bis zu dem Tage, an dein er den letzten Brief geschrieben. 2) Die Hauptanschnldiguugen Stanleys richten sich jedoch gegen Emms Ausbleiben am See im Dezember 1887, hauptsächlich wohl deshalb, weil er damals sich in größter Not befand, und die Erinnerung an jene beiden ihn noch lange verbittert haben mag. Die Nachricht von der Entsendung einer Erpedition muß etwa im Mai 1887 oder etwas später uach Äqua-toria gekommen sein (Emin spricht in einem Brief an Felkin vom November davon) uud zwar durch einen Brief Dr. Innkcrs, in dem dieser das Nahen Stanleys ankündigte.-^) Jedenfalls hat Stanleys Brief Emin nicht erreicht, also auch die Notiz nicht, daß der Pascha ihn in Kawalli erwarten solle. Das Nahen der Expedition kann sich außerdem mündlich durch die Kaufleute aus Sansibars, die in Unyoro weilten oder durch die Eilboten Stanleys, die wohl bis an die Grenze Unyoros vordrangen, ausgesprochen haben, war anch in der „Depesche" des englischen Generalkonsuls, die am 7. Februar 1887 aus Sansibar abgegangen 5), angegeben. Kurz, Emin wußte im November 1887, daß eine Entsatz-expedition unter Stanley heranziehe. Wahrscheinlich kannte er anch die Zeit, in der sie von der Küste abgegangen sei lresp. abgehen sollte); denn er berechnete ihre Ankunft ungefähr auf den 15. Dezember. Um Nettungs-versucheu von der Kvngogegeud leichter die Hand reichen zu können, hatte er schon 1886 die Stationen in Makraka neu besetzen lassen'') und entsandte, als er die Nachricht von der Expedition erhielt, eine Rekognos-zierungsabtciluug, „um nach Stanley Umschau zu halten".?) Aus dem Umstände, daß diese Nachforschungen nicht in der Umgebung von Kawalli angestellt wnrden, geht also untrüglich hervor, daß Emin den Brief Stanleys nicht erhalten hatte ^) und ihn auf dem natürlichsten Wege erwartete; also wohl im Flußgebiet des Ucllc-Makua, weun er überhaupt schon von der Wahl der Kongoroute Kenntnis hatte. Dagegen Stanley geht bei seinen Behauptungen allein davon aus, daß Emin im November sein Nahen gewnßt, ganz gleichgültig, ob er seinen Brief erhalten oder nicht, ') Casati II. S. 139 ff. 2) Stanley I. S. 363 Änm. 3) Stanley I. S. 415 ff. «) Casati II. S. 56. 5) Icphson S. 25. ^) Vmin Pascha, „Sammlung von Reisebriefen" usw., S. 505. 7) Stanley I. ..S. 80»> Anm. s) Nach einer Äußerung Iephsons (3. 25) hat Emin ihm gesagt, daß er Stanleys Brief nicht erhalten habe. 4. 52 und seine Ankunft auf den 15. Dezember berechnet habe; er fei aber den 14. am Südcnde des Sees eingetroffen, nnd Emin hätte fich nicht einmal sehen lassen. Natürlich, wenn Emin allein im Norden des Sees feine Ankunft für mögllch hielt, kmnite er nicht anf den Gedanken kommen, die Expedition südlich von feiner Provinz zn erwarten, eben fo wenig, wie er ihr Nahen vom nördlichen Bahr cl Ghazal aus vermutete. Es spricht weuig für den Scharfsinn, aber sehr für den Egoismus des Herrn Stanley, wenn er feine Thaten als Normen aufstellt, noch dazu bei einer solchen Expedition, die, wie er selbst am besten wnßte, anf ganz abnorme Wege geleitet war. Wie folltc Emin anch fo thuricht von einer Expedition denken, daß fie fich den schwierigsten Weg zu ihm bahnen würde, von dein er noch nie Kunde erhalten l), daß fie, die doch Abficht hatte, ihn zn entsetzen, gar nicht zu ihm kommen wollte, sondern weit ab im Süden anf ihn wartete. Hiermit fallen die Bcschnldignngcn, die Stanley fo oft gegen den Pascha geschlendert hat, nicht nur haltlos zufammen, sondern wenden sich direkt gegen ihn felbst, da Emins Fernbleiben im Dezember nnr den Anfbruch znm Entsatze der Nachhnt beschleunigen mnßtc, Stanley ihn aber in Ibwiri zurückwies. Diesen Pnnkt übersieht der sonst so Scharf-fichtige ganz, daß er es allein in der ßand hatte, Varttelot zn retten, wenn er z. V. behauptet'-): „Hätte Emin Pascha, der uns am 15. Dezember erwartete, sich nur die Mühe gemacht, seine Dampfer anf eine neunstündige Fahrt nach Mswa auszuschicken, dann wären wir fchon am 14. Dezember mit seinen Lentcu zupmmen getroffen, hätten fünftägige Kämpfe crfpart, nicht vier Monate Zeit verloren, uud ich wäre am oder gegen den 15. März innerhalb der Pallisaden von Iambuja gewesen, früh genug, um Barttclot vor dem Mörder, Jameson vor dem tödlichen Fieber -anfail, Troup vor der Notwendigkeit, als Invalide nach Hanse gesandt zn werden, Wood (soll wohl heißen Ward) vor seiner vollständig nntz-lofen Miffion nach San Paolo dc Loanda und Vonny vor der Leidcns-zeit in Vanalja zn bewahren." Doch zurück; in Ibwiri einigte fich Stanley mit seinen Anführern fo weit, daß 20 Boten an Major Barttelot geschickt wurden. Dann brach er, fobald er von einer Krankheit gcnefen war, am 2. April in der Stärke von 126 Mann nach dem See anf, noch ehe Stairs von feiner Reife znrückgekehrt war, ein Zeichen, daß er es eilig hatte. Aber anch jetzt noch befand fich die Expedition keineswegs in einer angenehmen Lage und bedürfte dringend der Erholung nnd Hilfe. Noch im April ward das Ziel erreicht, wo sofort Iephfon auf dem von Ibwiri mitgetragenen Stahlbuut „Advance" entsandt wurde, um Emin, dessen Brief man kurz zuvor erhalten, zn melden, daß die Expedition am 1) II. 2. 225 erzählt Stanley, das; „ein großer breiter Fleck, von dein absolut nichts bekannt ist", sich südlich und westlich von der Provinz befände, daß aber Emin mit seinen Leuten nicht der Aufgabe gewachsen sei, sich einen Wen, durchzubahnen. Wenn er hiervon überzeugt war, so ergiebt sich doch daraus, von seinem Standpunkt ans, daß der Pascha das Durcharbeiten einer schwächeren Expedition dort für unmöglich halten mußte, 2) Stanley I. S. 352. 53 Ufer des Sees angekommen sei und sehnsüchtig auf Entsatz warte. Stanley fügte einen Brief') bei, um dem Pascha zu „raten . . . genügend Proviant mitzubringen, etwa 6000—7000^' Getreide, Hirse oder Mais u. dergl.", auch äußert er, daß einige Milchkühe sehr angenehm sein würden. Iephsons Schilderung über seine Äntnnft in Mswa und über Emins Fürsorge läßt uns denn auch nicht lange im Unklaren, wer eigentlich die Entsatzpartei war: die, welche ..in Lumpen und Schmutz" eingetroffen, int Genuß des ersten „anständigen Mahls" schwelgte und nicht genng „zn essen vermochte" oder die, welche in tadelloser Kleidung die andere liebevoll aufnahm uud auf jede Weise unterstütztes) Am 26. April fuhr der Pascha mit Casati und Iephson auf dem Dampfer „Khediwe", „der einem kleinen Bauernhofe glich", wegen der zahlreichen Rinder, Milchkühe, Schafe, Zicgcu, Hühner und des großen Gc-treidevorrats, zu Stanleys Lagerplatz, wo die vor Freude „ganz toll" ge-wordenen Sausibariteu mit Triumphgeschrei, Gewehrfeuer uud Faäclu dem Retter eutgegcustürmtcn und ihn fast vom Erdboden aufhoben. ^) Dieser Empfang ist das sprechendste Zeugnis der von Stanley so oft verleugneten Lage der Expedition.^) 2. Verhalten Stanleys zu den Plänen seiner Auftraggeber. Im Lager wnrdc Emin mit seinen Leuten in seltsamer Weise von Stanley empfangen, der jetzt, sich in Sicherheit fühlend, sofort seine Festigkeit und Unverfrorenheit wiedergewann nnd den Großmütigen spielte. In gravitätischer Haltnng nimmt er lächelnd den Dank des „Retters" entgegen und geleitet ihn herablassend in sein Zelt. „Erwähnen Sie des Dankes nicht, sondern treten Sie ein und setzen Sie sich." Bei Nsabe wurden in der Nähe bei einander Lager aufgeschlagen, und Emin ließ es sich angelegen sein, der Expedition durch Kleidungsstücke, Proviant usw. wieder aufzuhelfen, wofür Stanley kaum ein Wort des Dankes übrig hat. 2) 1) Stanley I. S. 303 ff. 2) Iephson S. 13—25. 3) Iephson S. 26 ff. °l) In dem Berichte von I)r. Peters über sein Zusammensein mit Emin findet sich ein Versehen. Im Magazin (Nr. 45. 188N) nämlich erzählt jener, daß Stanley zum ersten Male „in einem fast verlorenen Zustande" am See angekommen sei. und ohne Emins Unterstützung kaum hätte zurücttommcn können; bei der zweiten Ankunft habe er seine geheimen Pläne eröffnet und ihn zum Eingehen gezwungen; die dritte wird gar nicht erwähnt. Wahrscheinlich ist diese Pcrquickung der ersten und zweiten Ankunft am See, die auf ganz falfchc Bewegungen der Expedition schließen läßt, daraus zu erklären, daß Peters, als er jene Abhandlung verfaßte, das Stanlcyschc Werk noch nicht genau gelesen hatte. In seinem kürzlich erschienenen Werk wird jenes versehen einerseits abgeschwächt dadurch, daß die Expedition, nachdem sie zuerst nach Kawalli gekommen war, zurückgeht und nach vier Monaten wieder den See erreicht, wu sie „vom Untergänge bewahrt" wird. anderseits aber wieder erneuert, da einige Zeilen vorauf gesagt ist, daß Stanley bei seiner ersten Ankunft verloren gewesen sein würde, wenn Casati und Emin ihm nicht zu Hilfe gekommen wären. Tiefer Widerspruch läßt sich sehr leicht dadurch heben, daß man anstatt „zum ersten Male" (S. 5,17, 18. Ncihe) liest zum zweiten Male. ") Emin hat Peters (S. 517) erzählt, daß durch seine Unterstützung die Expedition vom Untergange bewahrt wäre. Vcrgl. Easati II. S. 146. 54 Dann begann der Agent mit der geschäftlichen Seite. Wie verändert aber war mm seine Lage von derjenigen, ans der heraus er im Sinne der Auftraggeber seine Anerbieten stellen sollte. Man hatte geglaubt, durch große Unterstützungen Eiuiu daukbar und gefügig zu machen und schien fest überzeugt, daß, weun sich die englische Macht recht wirtsam bei ihm zeige, jener sicher daranf eingehen würde, da sich jetzt die einzige Gelegenheit böte, sein Werk, wenn anch nicht anfrccht zu erhalten, su doch wieder aufzubauen und es dann als Zentralisationspnnkt aller auf Zcutral-afrika gerichteter Kulturbestrebnngcn zu behaupten. In dicfem Sinne sollte Stanley operieren, er mußte die Nichtigkeit der ägyptischen Negiernug im Sndan, ihren öffentlichen Verzicht, die Aufgabeu des humanen England nsw. vorstellen, er mußte aus dem Fcrman des Khediwc seine ausgesprochene Eutlassuug ableiten, ihn von allen Rücksichten frei erkläre» und nicht zum wenigstens ihm ciue selbst zn bestimmende Höhe des Gehalts sowie weitgehcude Aktionsfrciheit sicheru, so daß ihm die Haltlosigkeit seiner Stelluug kciuc audere Entscheidung übrig ließ. Hierbei blieb einer der wichtigstell Puukte, von den Anfängen der dentschcu 'Kolonialpolitik in Ostafrika zu schweigen oder, falls sie schon bekannt waren, die Unmöglichkeit einer Anknüpfnng mit ihr darznstcllen, da Emin in seinen Briefen stets ein lebhaftes Interefse für seine alte Heimat beknudct hatte. Stanley befand sich ja aber einer ganz anderen Sachlage gegenüber, da Emin ihm vielleicht noch weniger verpflichtet war wegeu seiues gnten Willens zur Nettuug, als er jeuem wogeil der thatsächlichen Rcttnng. Diese Verdrehung brachte keiuerlei Verwirrung bei der Allsführung der Anfträge hervor- Stanley war eben durch uud durch Realpolitiker, der weder moralische Gesetze noch sonstige Verpflichtungen, sundern lediglich das Nützlichkeitsprinzip anerkannte. In diesem Falle drehte er den Spieß nm nnd warf Emin Undankbarkeit, Uucntfchlossenheit, Streben nach vizeköniglicher Gewalt und vieles anderes vor, als dieser noch zauderte, auf seine Anträge einzugehen. In seinem Rechenschaftsbericht, nebenbei ein Werk, von dem es zweifelhaft ist, ob die absolut richtigen Thatsachen oder die in der Phantasie des Verfassers gesponnenen Situationen in größerer Anzahl vorhanden siild, hat Stanley nicht verfehlt, nns über die natürlich nnr nebenbei mitgenommenen Aufträge zn unterhalten, deren Verhandlungen er noch dazu ill dramatischer Form giebt, gewiß deshalb, nm nns sichtlich in das Interesse hineinznziehcn nnd das pun^tnui 8«.1i6N8 erkennen zn lassen. Wie aber oben gesehen, war eine solche Veröffentlichung ebensowenig vor wie nach der Expedition bestimmt; es wäre anch im Sinne der Anftraggeber geradezn widersinnig gewesen, so gegen ihr eigenes Interesse zu handeln, nud es wäre auch nie geschehen, wenn nicht Stanley dnrch Emins Äußerungen direkt dazn gezwnngcn wäre. Nämlich nach seinen vielen Insinuationen a/geu den Pascha, der damals krank im Lazarett von Bagumojo lag, hielt dieser nach seiner Genesung es für unwürdig, daranf zu antworten, aber sich auch uicht mehr für verpflichtet, über die Hauptziele der Expedition Schweigen zu bewahren. Seine wenigen Anssagcn wnrdm vom Vertreter der dentsch ° ostafrikanischcn Gesellschaft nach Berlin über-sandt und dort der Presse zur Veröffentlichung übergeben. Ein Ableugucn ____55___ schien nun nicht mehr ratsam, und so gestand Stanley zu, allerdings nur iu der schwächsten Form, wie wir gleich sehen werden, um seine Frennde möglichst wenig zu kompromittieren. In den Refrain fielen denn anch später die Herren vom Komitee volltönig ein und wuschen sich die Hände in Unschuld; ob mit Erfolg, mag die öffentliche Meinung entscheiden. Znm Beweise, daß die Veröffentlichung der geheimen Aufträge nur erzwungen wurde, sei angeführt, daß in Stanleys Briefen, die vor dein Bekanntwerden der Pläne herausgegebeu wurden, diese gar nicht erwähnt werden, wenigstens nicht miwcröffentlicht sind; in der Fassnng, wie das Komitee es für gut befunden hat, die Briefe dem Publikum zu unterbreiten, finden fich nnr wenige daranfbezügliche Stellen zerstrcnt, die noch dazn den Uneingeweihten unverständlich bleiben mußten. In seinem Bericht hat Stanley ebenfalls sorgfältig darauf geachtet, nicht zn viel Zn verraten, nnd demgemäß selbst in den angeführten Briefen, sowie den offiziellen Berichten der Offiziere alles Anstößige gestrichen, wobei er aller' dings öfter ans der Rolle gefallen ist; denn, erläutert er, „es giebt viele Diuge, welche murrende, cyuische, nnglänbige nnd gemeine Menschen nicht zu wissen branchen". Die Darstellung wird so an verschiedenen Pnnktcn mit Vorbedacht unverständlich und leidet trotz der großen Ausführlichkeit öfter an nicht unwesentlichen Auslassungen, die man erst aus dem Nach-stehcndcn oder überhaupt nicht versteht, so daß das ganze Werk mit Ans-nahme einiger geographischer Ausführungen mehr den Anschein einer oberflächlichen Zusammenstellung der Tagebücher gewinnt, bei deren Korrektion allein die stlbjektiue Färbung vorgenommen wurde. Hierzu berechtigt auch die Zeit von nicht ganz zwei Monaten, die Stanley znr Abfassung des 972 Druckseiten enthaltenen Werkes gebraucht hat. >) Bei den folgenden Verhandlungen zeigte es sich, welchen Mißgriff das Komitee mit der Wahl Stanleys znm Expeditionschcf gethan hatte. Schou das Engagement hatte der berühmte Reisende jedenfalls nnr in Hinblick auf seine eigenen Pläne angenommen, aber gewiß nicht zu dem alleinigen Zweck, sein Leben für die Spekulationen Mackinons & Komp. aufs Spiel zu setzen. In dieser Absicht hatte er gegenüber seinen Auftraggebern die Wahl der Kongoronte durchgesetzt nnd bisher nur die Befriedigung seines Ehrgeizes im Auge gehabt. Für die Interessen der Gesellschaft war bisher nichts erreicht, sondern alles, was direkt zu deren Gunsten unternommen, entweder resultatlos geblieben oder in das Gegenteil Hingeschlagen. Aber alle diese Mißerfolge würden nicht so sehr ins Gewicht fallen, wenn es gelang, das Hauptziel, die Gewinnung Emins, seiner Schätze nnd Truppen für England zu erlangen. Ein solcher Erfolg war nnr möglich, wenn der Weg zum Ziel mit Stanleys eigenen Plänen konvenierte. Dies war nur zur Hälfte der Fall. Der große Entdecker hatte zwar durch das Bekanntwerden des Aruwimi-waldes schon viel für sich erreicht uud hoffte anch noch, auf der Heimreise das Nilquelleu - Problem endgültig zu lösen, was sein Forschertalent wieder in neuem Glänze erstrahlen lassen mußte, aber es fehlte uoch eine ') In welcher Zeit er außerdem noch 400 Briefe und 100 Telegramme geschrieben haben will. II. S. 423. 56 in die Augen springende Großthat, die mit dem Hauptzweck der Expedition in Verbindung stand, womöglich diesen in „schneidiger" Weise erfolgreich machte. Wozu war er denn eigentlich ausgezogen? — doch um Emm zu entsetzen, um ihm Unterstütznngen zuzuführen oder, wenn er sich in Not befand, ihn zu retten. Enropa wähnte ihn aber in Nut, folglich mußte er ihn für die öffentliche Meinnng in Enropa retten. Da aber die Rollen vertauscht waren, und eine Rettnng thatsächlich nicht möglich schien, so mußte eben eine bezügliche Situation künstlich vorbereitet, und dann eine Rettuug abgeleitet werden. Seinen Thaten würde erst dann die gebührendste Würdigung, ihm selbst die Krone des unbesiegbaren Heldentums zu teil, wenn er Emin im Triumph heimführen und der Kultnrwclt übergeben konnte, mn dafür, wie er in seiner Selbstlosigkeit wahrhaft rührend anzeigt, die einfache Anerkennung zu erhalten: ,.Es ist gut gemacht."') Diese Aussicht ist das leitende Motiv gewesen, das nicht nnr die Verhandlungen am See, sondern anch den weiteren Verlanf der Expedition beeinflußt hat. Ungewiß bleibt es dabei, ob Stanley diesen Gedanken schon vor oder erst während der Verhandlungen als maßgebenden Plan betrachtet hat. Die englischen Anfträgc wurden hierbei nur so weit berücksichtigt, als sie mit seinen eigenen Absichten übereinstimmten, also bis dahin, wo Emin anstatt nach Kawirondu zur Küste geführt werden sollte. Das eine stand demnach bei dem Egoisten nnd Agenten in gleicher Weise fest, nämlich daß Emin die Provinz verlassen mußte, nnd diese Gleichheit der Interessen errang den Erfolg. Wie weit hierbei beide Standpunkte verquickt waren, und der Selbstsüchtige die Hülle des Selbstlosen annahm, zeigt am besten der Umstand, daß Stanley erst anf dem Rückwege, am Südcnde des Ukerewe, offenkundig mit seinen eigenen Plänen hervortrat. Wir stehen trotzdem ans gewissen Gründen, die wir an jener Stelle darlegen wollen, nicht an, diese Absichten ihm schon bei seiner zweiten Ankunft am Albert-see unterzulegen, und sind überzeugt, daß sie die Verhandlungen beeinflußt haben. Das Ergebnis ist hiernach zu beurteilen. Es erscheint vielleicht gewagt, dem vielbesungenen Stanley so unloyale, ja man kann sagen, gemeine Absichten zuzutrauen, aber es ist uns nicht möglich, eine andere, einheitliche Richtschnur bei der Verschiedenheit uud dem Wirrwarr seiner Handlungen zn finden, nnd eine Einheitlichkeit ist stets bei seinen Thaten vorhanden, wenn sie anch noch so widersinnig zu sein scheinen. Seine letzte Wirksamkeit in England, die er bald, als ihm dort der Boden nnter den Füßen zu heiß wurde, in Amerika mit größerem, nnr ihn: eigentümlichen Schneid fortsetzte, rechtfertigen diese Auffassung vollkommen; zndem schließt sie sich seinem früheren Wirken nicht uncbenbürtig an nnd erklärt sich aus seinem Charakter überzeugend. Um so komischer erscheint diese Darstellung, als ja der Schwächere den Stärkeren zu einer Handlnng bewegen wollte, die diesen 1) Mit diesen Worten schließt cr seinen Vnef an Mackinon, in dem er ihm sein Werk widmet. I. S. 10. 57 machtlos machen und in seine Hand liefern sollte, aber der Erfolg hat sie bestätigt. Daneben mnßte Stanley noch seine eigene Lage und die seiner Leute verbessern, um gegenüber Emin kraftvoller auftreten nnd den Rückzug weniger gefährdet antreten zu tonnen. Zu diesem Zwecke wollte er die Nachhut mit den großen Hilfsmitteln an sich ziehen. Da aber von Major Varttclot nuch keine Nachricht an den See gedrungen war, ahnte der wackere Stanley wohl schon, daß jener infolge seiner Machinationen Iam-buja noch nicht verlassen habe oder in ein verhängnisvolles Unglück geraten sei, nnd beschloß nunmehr, um doch wenigstens jemand zn entsetzen, zum Entsatze der Nachhut herauzueilen. Sodann mußten doch auch die Manjematräger Tippu Tibs herangeholt werden, um das reiche Hat el Estiva seiner Schätze zu berauben. Iu dem letzteren Pnnkt war wiederum eine Gleichheit der Interessen beider Parteien (Stanleys und der Auftraggeber) vorhanden, die aber durch die Uugunst des Schicksals erfolglos blieb. Mit welchen Mitteln sollte aber die Nachhut gerettet werdeu! — Natürlich konute hier kein anderer helfen, als wieder Emin, der Retter in der Not, der sie alle aus der trostlosen Lage befreit hatte. Aber wozu sollte der eigentlich helfen? — Doch nur, um den Gegner so zu stärken, daß dieser im stände wäre, seine Pläne, denen er selbst zum Opfer falleu sollte, auszuführen. Wir sehen, mit welcher Genauigkeit der englische Expeditionschef seinem Protektor in London die Manöver der englischen Politik in Ägypten abgelauscht hatte. Nach solchen Erwägungen ging Stanley sehr vorsichtig zu Werke, indem er sich znerst des für Emiu naheliegendsten uud natürlichsten Auftrages der ägyptischen Regierung entledigte. „Seine Absicht war hierbei folgende: znerst sollte Emin allein dnrch seine Überredungskunst znr Rückkehr nach der Küste bestimmt werden, darauf, falls er hierauf nicht einging, wollte er das englische Anerbieten vorbringen, nm ihn durch diese Vorspiegelung fortzulocken; gelang dies — nnd es mußte gelingen, denn es war die letzte Aussicht für Emin, sein Werk in gewissem Sinne fortzuführen — mit anderen Worten, war der Pascha erst im englischen Lager, so war kein Hindernis mehr znr Verwirklichung der eigenen Pläne vorhanden. Dem Komitee gegenüber konnte er sich mit der Gewinnung Emins für England begnügen nnd für das Unterlassen des Zuges nach Kawirondo hinreichend Entschuldigungen ausfindig machen, nm die er ja nie verlegen war. Das Geschick war ihm auch hierbei günstig. Seine Pläne veranlaßten Stanley, seine Aufgaben falsch zu vcr-steheu, aber seine Instruktionen waren auch so mannigfach, daß er gewissen Pnnktcn immerhin gerecht wnrdc. An Emins Persönlichkeit lag doch vorerst den Herren in London nichts, wohl aber an seiner Stelluug, seiuen Schätzen und seinem Heer. Stanley suchte uun Emins Person für England mitznbringen, um seinem Ruhm zu gcnügcu, Emins Stellung zu stürzen und für Englands Gewinnsucht freizuhalten, sowie seine Schätze zu rauben, um das Komitee zu befriedigen, auf dem Rückweg Verträge abzuschließen, um die Regierung willfährig zu stimmen. Jeder sollte etwas erhalten, aber keiner so viel als er erwartete. ____58 Demnach begann Stanley mit dem ägyptischen Auftrag. >) Da dieser aber keine bestimmten Instruktionen enthielt, sondern freie Wahl zn jeder Entschließung ließ, übernahm er es bereitwillig, „dieses Schreiben mit dem zn ergänzen", was er selbst positiv wnßte, d. h. wozu er Auftrag erhalten hatte, was ihm also zuerst paßte. Er ging davon aus, das Verlassen der Provinz als selbstverständlich hinznstellen; die ägyptischen Beamten wären nach den Berichten Di'. Junkers überzeugt gewesen, daß Emiu seine Provinz nicht verlassen wolle, uud hätten deshalb, da Ägypten jede weitere Verpflichtnng nnd Hilfeleistung ablehnen müsse, ihre Wünsche so formuliert, daß, wenn der Guuverueur bleiben wolle, er dies „auf eigene Verantwortlichkeit uud eigenes Risiko" thun könne; in diesem Falle dürfe er sich natürlich nicht mehr als ägyptischer Beamter betrachten und nur bis zu diesem Zcitpnntt Gehaltszahlung beanspruchen. Sei er dagegen entschlossen zn bleiben, in der Hoffnnng seine Stellung zu erhalten, so wäre dies ganz widersinnig, da es nach seinem Tode doch gewiß zusammenfallen werde. Sobald erst das Alter heranschleiche und seine Kraft schwinde, würden die Aussichten schon sehr zweifelhaft werden, er würde das Bedürfnis haben, sich zurückzuziehen und seine Leute zn retten, ehe der sichere Rum eintrete. Dann aber würde tciue Macht da sein, die ihm helfend zur Seite stände, nnd wenn trotzdem alles gelänge nnd er mit seiilcn Lenten glücklich die Küste erreiche, könne er weder diese unterhalten noch in ihre Heimat befördern, alles dieses, nachdem er Ägyptens Hilfe zurückgcwicscu. Emins Entgegnuugeu, daß er seinen Entschluß von dem seiner Leute abhängig mache, sucht Stanley mit dem Hinweis auf die Zweckmäßigkeit, anf seine Pflicht usw. zu begegnen. Es würde zu weit führen, das Für nnd Wider bei den Verhandlungen zn verfolgen, wir begnügen uus mit dem Resultat: Emin bleibt oder zieht mit seinen Leuten. Iu demselben Sinne entschieden sich auch Easati nnd die Mehrzahl der anwesenden Beamten. -) Dieser Entschluß staud fest, behagte aber Stanley wenig, der sogleich begann, wirksamere Seiten anfzuziehcu. Einmal suchte er Emins Pflichtgefühl, das ihn znm Bleiben zwang, abzuschwächen oder zn verkehren, indem er einen direkten Befehl ans dem Ferman des Khediwe ableitete, daß „der Weg der Pflicht für einen trcnen Offizier" klar sei, „ohne Rücksicht dnranf, was mit anderen geschieht", uud daß sein Bleiben ihn Persönlich nicht von dem Verhalten entbindet, das ihm die Pflicht gegen den Vizckönig vorschreibe.^) Ja, er erklärte, immer noch an der Hoffnung festhaltend, ohne Benutzung der englischen Anfträgc zum Ziel zu gelangen, daß er vom Khediwc allein, zu dem Zwecke hergeschickt sei, nm ihm den Befehl zur Räumnng der Aqnatorialprovinzcn zn überbringen. Dann als auch dies nichts verfing, gab er „zu verstehen, er sei nötigen- !) Stanley I. S. 372-377, 380—381. 2) Casati II. S. 146. Stanley I. S, 377. 3) Später äußert sich Stanley gerade entgegengesetzt: „Wenn Ägypten ihn los zu sein wünschte, was brauchte das ihn zu kümmern? Hier würde ihm......ein Gehalt von 1500 Pfd. St. geboten," 11. S. ^12. 59 falls ermächtigt", ihn „mit Gewalt aus der Provinz fortzubringen" (nach Emins Aussage».') Das ist die Sprache des Geretteten gegen feinen Retter, der fich mit wcuig Begleitung bei jenem aufhielt. Was follte Emin hiergegen thun! — Man vergegenwärtige fich feine Lage. Schon feit dem Jahre 1885, als alles nm ihn zusammengestürzt war, hatte er au die philanthropische Gesinnung des euglifchen Volks appelliert und daraufhiu feine Leute durch Verfprechuugcn hingehalten, daß man ihnen ans Europa ficher zur Alfe kommen werde. Von Jahr zu Jahr immer nur diesen einen möglichen Entsatz vor Angen, hatten sich die Beamten lind Soldaten damit getröstet, vor einem ncnen Mnhdiansturm bald geschützt zu werden nnd fich auch infolge des Lobs, das der Gouvernenr der Opferwilligkeit feiner Raffen-angehörigen in zu reichlichem Maße fpendete, daran gewöhnt, in einer Hilfsexpedition „die Quelle alles Heiles zu feheu".-) Jetzt war eiue folchc angckounncn, das Gerücht verbreitete fich fchuell, und uian glanbte nnn, vor feindlichen Störuugeu bewahrt, mit reichlicher Zufuhr vcrfehen zu werden nnd in Bequemlichkeiten leben zu können. In diefer Stimmung wnrdc Icphson von der Garnison von Mfwa nüt grußartigen Salut-fchüffcu und einer Ehrenwache stürmifch bewillkommt und unter Trompetenklängen und mit fliegenden Fahnen wie im Trinmph in die Station geleitet. ^) War es da uoch möglich, daß der Gouverncnr, der die Hilfe gerufen, ihr feindlich gegenübcrtrat? — Gewiß nicht; für Emin gab es nur eine Möglichkeit, wenn er nicht feiner Stcllnng jeden moralifchen Halt nehmen und feinen Lenten fich als Hcnchlcr zeigen wollte, nämlich mit Stanley wenigstens scheinbar im Einverständnis zu handeln. Die Umstände ließen keinen anderen Ausweg zu nnd zwangen ihn gegen seinen Willen, zu einer Vereinbaruug zu kommen und fich Bedingungen vor-fchreibcn zn laffen. Unter diefem Zwang wurden folgende Punkte befchloffeu: 1) die Beamten nnd Soldaten folltcn befragt werden, ob fie geneigt wären, über Sansibar nach Ägypten zurückzukehren, und alle, die fich hiermit einverstanden erklärten, folltcn fich zn Nfabc sammeln, nm die Rückkehr Stanleys zn erwarten, der unterdessen die Nachhut heranholen wollte; 2) zu diesem Zwecke, zugleich damit Stanley bei seinem Rückzug einen festen Anhaltepuukt am See habe, follte Emin in Nfabe eine kleine Station erbaueu und diefe mit Rcfervcvorrätcn an Getreide nnd Vieh sowie mit einer Vcfatzung vcrfehen; 3) Emin sollte mit Soldaten und Trägern nach Fort Bodo aufbrechen, nm den dort zurückgelaffcuen Teil der Expedition nach der ueueu Station zu bringen; 4) Emin follte mit Trägern nnd Proviant Stanleys Kolonne fowcit aufhelfen, daß fie im stände fei, durch den Aruwimiwald zum Entfatze der Nachhnt zn dringen; 5> um die Beamten uud Soldaten zum Verlassen der Provinz zu bewegen, follte eiu englischer Offizicr als Gast des Gouverncnrs alle Stationen befnchcn, um deu Leuten die offiziellen Schreiben vom Khediwc nnd Nnbar Pafcha fowie eine Proklamation Stanleys vorzulesen. 1) Peters S. 517. „Das Magazin" 1890, Nr. 45, S. «97. 2) ssasati II. S. 146. 2) Iephsun S. 13. 60 Mit diesem Erfolg hatte Stanley wohl die Möglichkeit, aber nicht die Gewißheit erhalten, Emm zum Abzug zu bestimmen; denn der Pascha hielt unentwegt an seinem Entschluß fest, nnr dann mitzuziehen, wenn seine Leute dazn bereit wären. Dagegen war es ihm jetzt klar geworden, daß es jenem schwer würde, sich von skrupulösen Verpflichtungen gegen seine Lente loszusagen, uud daß er eine gewisse Scheu bezeugte, nach Ägypten zurückzukehren, um sich dort mit einigen schönen Worten ,hinauskomplimentieren" zu lassen. Hieranf bante Stanley weiter, als er jenem durch Vorbringuug des englischen Anerbietens beiden Wünschen nachzukommen anheimstellte. Schon vorher hatte er angedeutet, wenn diese Provinzen „in nicht gar zu großer Entfernung von der See" lägen, so daß ihm in steter Verbindung mit der Außenwelt leicht Mittel zur Verteidiguug seiuer Stellung zugeführt werden könnten, er der letzte wäre, der ihm den Nat geben würde, das ägyptische Anerbieten anzunehmen. Man sieht, wie er hier etwas zn früh aus der Rolle fällt, da er gleich darauf die Pflicht gegen den Khediwe als einzige Richtschnur eines braven Offiziers hinstellt. Jetzt aber, nachdem sich Emin schon mit dem Gedanken an eine Heimkehr vertraut gemacht hatte, übersieht er seine kaum ausgesprochenen Scheinargumente, kommt ihm scheinbar entgegen nnd stellt ihm ein Anerbieten, das in der Mitte zwischen Bleiben und Gehen die einzige friedliche Lösung der Schwierigkeit bot und für Emin doppelt annehmbar sein mußte, da es eine Verletzung der Pflicht gegen seine Lente ausschloß und ihm eine neue Thätigkeit in Zentralafrika anwies. Der englische Vorschlag ist in dem Stanleyschen Berichte sehr abgeschwächt l), man merkt es dem Vcrfafser an, mit welcher peinlichen Sorgfalt er sich zusammennimmt, nm nicht zu viel zu verraten. Aber gerade diese Entstellung des einzigen Auftrages, den die Urheber des Unternehmens ihm gegeben, beweist nns, daß dieser die eigentliche Hanptsache bei dem Unternehmen war, und daß man sich noch nach dem Mißlingen in eine selbstlose Hülle verstecken wollte. Das Anerbieten haben wir schon bei den Plänen der Gesellschaft skizziert, wir geben es hier im Detail wieder nnd zwar Znerst nach den Aussagen Emins>), anf dessen Glanbhaftigkelt hier vertraut werden darf, da kein Grnnd von seiner Seite znm Verdrehen der Thatsachen vorliegt. Hiernach sollte er mit der ganzen militärischen Macht, die er zusammenbringen könne, in den Dienst der britisch-ostafrilanischen Gesellschaft treten, derart, daß Rang und Gehalt der Offiziere nnd Mannschaften beibehalten würde, sollte seine Provinzen anfgcbcn und um den Viktoriasee herum nach Kawirondo ziehen, um dort eine geeignete Insel zn befestigen nnd mehrere Stationen zu gründen. Untcrdcfsen würde Stanley znr Küste nach Mom-bas hinabzichen und von dort zwei zerlegbare Dampfer nnd sonstige Unterstützungen (jedenfalls als Ersatz für die im Arnwimiwald verloren gegangenen!) für Emin heraufholen, der mm seinerseits den Handel der am See gelegenen Länder nach Mombas ableiten sollte. Zu diesem Zwecke 1) Stanley I. S. 382. Z87. 388. 2) Peters S. 518 ff. „Das Magazin" 1890, Nr. 45, S. 398, Schreiben des Hofmarschalls von Saint Paul Illaire an P. Neichard ilbcr die Äußerungen EminZ gegenüber seinem Sohn. ^I____ war schon lange eine Bahn Mombas-Kawirondo geplant und znr Erforschung und Sicherung der dazwischen liegenden Gebiete fortwährend Expeditionen von der Küste abgesandt. Sobald eiue feste Verbindung mit der See hergestellt sei, solle Emin nach Uganda nnd Unyoro vordringen, beide Länder durch Vertrag oder Krieg gewinnen nnd sich nach Norden und Westen über sein früheres Gebiet ausdehnen. In diesem neuen britischen Reich würde er dann als „selbständiger Gouverneur" eingesetzt mit einem Gehalt, das nach der einen Aussage mit der Gesellschaft zu vereinbaren wäre, nach der andern die Höhe von 3000 Pfd. St. erreichte. Stanley sncht in seinem Werke dies Angebot darzustellen nur als „Ausfluß seiues guteu Willens . . . und des ernstlichen Wunsches", Emin uud seine Leute vor deu vernichtenden Folgen, die ein Bleiben nach sich ziehen würde, zu bewahren; er sei überhaupt gar nicht befugt, ihm einen solchen Vorschlag zu machen, aber doch überzeugt, die „herzliche Billigung uud Mitwirkung der Gesellschaft" hierbei zn erlangen. Der sonst so geriebene Stanley hat sich hierbei gründlich geirrt, wenn er glaubte, der Welt alle möglichen Verdrehungen vormachen und dabei auf die treue Verschwiegenheit eines Mannes rechnen zn können, den er mit den elendsten und haltlosesten Anschuldigungen zn bcwcrfen nicht aufgehört hat. Nach der wiederholt bekräftigten Versicherung Emins nämlich brachte der englische Geschäftsträger einen „notariell ausgefertigten, mit Siegel versehenen nnd von den Gründern der britisch-ostafrikanischen Gesellschaft unterschriebenen" Vertrag mit, der nur vom Pascha unterzeichnet zn werden brauchte, „um die Sache perfekt zu machen". Dadnrch, daß Stanley dies Dokument vorzeigte, wollte er wohl nnr die Sicherheit des Vorschlages feststellen, ohne Emin wirtlich znm Unterschreiben aufzufordern, was auch, als dieser darauf eiuging, nicht geschah. Die Unterschrift hatte ja auch Zeit, bis man sich in Kawirondo trennte. Hätte Stanley gewnßt, daß er durch dies Versäumnis den letzten Erfolg, die Gewinnung Emins für England, unbeachtet ließ, so würde er damals wohl ihn dnrch Unterschrift kontraktlich gebunden haben, weil er gewiß gern im Schlußeffekt der Befriediguug seiner Entsender Rcchnnng getragen hätte; da er es aber unterließ, nnd die Folgen doch nicht schwer zu erkennen waren, so ist nicht ausgeschlossen, daß er in dem Eintritt einer solchen Autorität, wie Emin, in englische Dienste nur das Entstehen einer nencn Rivalität erkannte, die seine bisher einzige Stellung vielleicht etwas in den Hintergrund drängte. Seine Brandreden und Berichte gebeu hierzu genauere Illustrationen. Im Zusammenhang mit dem englischen Anerbieten erzählt uns der schlaue Agent ganz unbefangen, wie er in Emin gedrungen sei, ihm nnr zu vertrauen, er würde eine englische Gesellschaft veranlassen, ihn mit seinen Truppen zu beschäftigen. „Wahrscheinlich," so fügt er hinzu, „ist eine solche in diesem Augcublilke bereits gebildet worden, um eiuen englischen Besitz in Ostafrika herzustellen." Ja an anderer Stelle spricht er sogar schon von einer britisch - ustafrikauischcn Gesellschaft. Der Unvorsichtige, der von einer solchen doch noch gar nichts wissen durfte, wie konnte er nnr die vertraulichen und offenen Gespräche mit Mackinon so konfnndiereu, daß er nns die Möglichkeit einer Identifizierung des Entsatz-Komitees mit der Direktion der ostafrikanischcn Gesellschaft recht nahe legte. ____62^___ Der englische Bericht hat uns dies Anerbieten auch in einer längeren Rede motiviert, die vom Verfasser in einem Atcmznge angeschlossen wird. Sie wird eingeleitet mit der höchst bedenklichen Bitte, ihm (Stanley) gc° dnldig Gehör zn schenken, „damit ich Ihnen Ihre hiesige Stellung gcnan anscinnndcrsctzen kann". Dann beginnt er mit formgewandtem Redeschwall die Schäden der ägyptischen Herrschaft im Sndan und die Notwendigkeit, ihn anfzngebcn, darzulegen, wogegen Emin andächtig dabei steht nnd seine Kenntnisse lind Gewandtheit stninm bewundert. Man bedenke, ein Stanley, der, mag man über seine sonstigen Fähigkeiten denken, wie mau will, iu Verwaltnngsfragen gewiß nicht mehr als ein Laie ist, unternimmt es, einen allgemein anerkannten Vcrwaltnngsbeamten, der von den verschiedensten Seiten nnter den größten Unkosten zn gewinnen gesncht wird, darüber aufzuklären, was an dem System seiner Regierung falsch ist. Diese Alt-klngheit wirkt etwa so lächerlich, als wenn Herr Voulaugcr nach Bcrliu käme. nnt dem dcntschen Reichskanzler die Neuigkeit mitzuteilen, daß die soziale Frage noch nicht gelöst sei. Die Annahme des englischen Anerbietens suchte Stanley so verlockend als thnnlich vorzustellen nnd war auch entschlossen, es anf alle Fälle durchzusetzen, was er eudlich „halb durch Drohungen"') erreichte. So erklärte er ihm z.B., daß er moralisch znm Eingehen anf diesen Plan gezwungen sei, da er im Jahre 1886 in einem Brief an Sir John Kirt England seine Länder angeboten habe; die Engländer seien jetzt gekommen, um seinem Wnnsche zn willfahren, und erwarteten die Übergabe. Es ist dies eine ziemlich plnmpe Falle, insofern Emin England bekanntlich um Hilfe bat und dabei den Wnnsch anssprach, daß es für seine Provinz viel segensreicher sei, wenn die britische Rcgiernng als eigentlicher Souverän in Ägypten auch die Erhaltung von Äqnatoria übernehme. Bei den Verhandlungen mit Stanley konnte sich Emin nur schwer entschließen, obwohl er keinen andern Ausweg sah: „es ist noch etwas dabei, was ich (Stanley) nicht zn begreifen vermag."-) Schließlich gab er nach, in der Hoffnnng, seine Lente zum Übersiedeln zn bewegen nnd später wieder in die alte Heimat znrnckznführen, ohne aber eine bindende Antwort zn geben. Er erklärte, durch die Umstünde gezwnngen, daß dieser Vorschlag der thnnlichstc von allen sei, ging aber daranf ein, sich die Sache noch zn überlegen, bis die Nachhnt angekommen sei. Stanley jubelte: „er war offenbar von dem Vorschlage bezüglich des Viktoria-sees entzückt. "3) Das erste Ziel war jetzt beträchtlich näher gerückt, so daß seine Er-reichnng keine namhaften Hindernisse mehr zu bieten schien. Es galt nnn, die Elfenbeinspcknlation möglichst gcwinnreich zn gestalten und dazu die Nachhnt mit den Manjematrägern Tippn Tibs zu holen. Gegenüber Emin hat Stanley wohl bei seinem ersten Znsammensein mit ihm von dem Elfenbein nichts erwähnt^), da er jedenfalls keinen schlechten >) Nach GminZ Nussassc. Peters S. 5l9. 2) Stanley I. S. 390. 2) Stanley I. S. 403 Anm. 4) Hierzu verweisen wir auf die Notiz Stanleys, die wie alle hierauf bezüglichen Stellen in seinen Briefen mit unklaren Worten geschrieben ist, nämlich in seinem Vricf 63 Eindruck bei dcn Verhandlungen hervorrufen wollte, aber er hat vielleicht unter der Hand hingehorcht, ob die Schätze wirtlich in so großen Mengen aufgespeichert seien. Als er die Bestätigung vernahm, war er zufrieden und brach in dieser Gewißheit beruhigt nach Iambuja anf. In Banalja traf er auf die Reste der Nachhut, von 257 nur noch 71 Mann und davon 52 diensttauglich, über 270 Prozent Verlnst. Wie dem Biedermann bei diesem Anblick wohl zn Mute gewesen sein mag, da er sich sagen mnßte, an diesem Ergebnis die Hauptschuld zu tragcu. Von den Mnnjcma und Begleitern konnte er nur 170 gebrauchen, so daß er für den Marsch nach Fort Bodo zusammen 283 Träger hatte, kaum genügend, um 2W Lasten zu transportieren, geschweige denn die Elfenbcinmcngen Emius mitzuuehmen. In Gefahr, auf die materielle Ausbeute von Äquatoria zn verzichten, wollte er wenigstens den Versuch machen, Tippn Tib zur Stellung von Trägern oder selbst zum Mitmarsch zu bewegen, und schrieb deshalb, obwohl er einsah, daß er von ihm hiutcr-gangen sei, an diesen einen Brief, in dem er ihn durch Anlockungen zu reizen suchte; er hätte auf dem ganzen Wege von Njansa bis Banalja nur drei Mann verloren (in Wahrheit 44>, von denen noch dazu zwei ertrunken nud einer davongelaufen sei, der Weg sei ihnen nach dem zweimaligen Marsch vollkommen bekannt,,.so daß sie in keine Unannehmlichkeiten geraten könnten, Emin hätte Überflnß an Elfenbein, Rinder zu Tausenden, Schafen, Ziegen, Hühner nnd Lebcnsmittel jeder Art, seine Freigebigkeit und Freundlichkeit, mit der er sie empfangen und beschenkt hätte, sei ohne Grenzen, und viele seien bereit, mit ans dem Lande zu ziehen, er solle nur kommen, die Expedition würde noch zehn Tage auf ihn warten uud daun langsam weiterziehen.') So anziehend diese Aussicht für Tippu Tib auch sciu mochte, so war er doch zu schlau, um darauf einzugehen; er sah wohl ein, daß die Schwierigkeiten des Weges nach den Aussagen der Araber weit gefährlicher schienen, und daß er seine Leute upferu würde, ohne einen entsprechenden Einsatz zn gewinnen; hingegen konnte es ihm vielleicht größeren Vorteil bringen, wenn das Elfenbein am oberen Nil blieb, als wenn die Herren in London sich den Verdienst aneigneten. Kurz, er blieb und ließ Stanley warten, der, zum zweitenmal getäuscht, wieder nach dem See aufbrach, wohl in der Hoffnung, dort bei befreundeten Stämmen die nötige Anzahl von Trägern zu requirieren. Solange Tippn Tib von Nutzen sein konnte, war er Stanleys „guter Freund", als aber die Expedition zn Ende war, wurde er plötzlich ein „Erzbösewicht""), obwohl von ihm nicht mehr bekannt geworden war wie damals, als er mit ehrenden Ausdrücken und höflichen Formen zum Mitgehen aufgefordert wurde. In Verbindung hiermit stand natürlich die Länge des dritten Aufenthaltes am See, der sich unter Umständen weit hinziehen konnte. Deshalb an Mackinon, dauert Insel Vunyancta (bei Panalja), 28. August 1888: „Alles Weitere unterbleibt, bis ich mit der vereinigten Expedition an dcn Njansa zurückkehre." Dies bezicht sich höchst wahrscheinlich auf dic Elfenbcmfpckulation, über die er seine Auftraggeber zu beruhigen nicht unterlassen dürfte. ') Keltic, „Stanleys Briefe", S. 18 ff. 2) Stanley II. S. 422. ____64____ vermied es Stanley, sich gegen Emin über den Zeitpunkt der Abreise aus-zusprechen, da er kaum hoffen konnte, das Elfenbein anf einmal mit sich zu nehmen.') Für diesen Entsatzzug uach Iambuja hatte Emin der Verabredung gemäß die ganze Expedition (auch Fort Bodo) verproviantiert und ihr 130 Maditräger mitgegeben, die nach zwei Desertationen anf 101 Träger nud 4 Soldaten ergänzt wurden. Welche Arbeit diesen unterwegs aufgebürdet wurde, gegenüber den Sansibaritcn, die natürlich nun geschont wurden, berichtet Stanley nicht, der noch dazu der eiuzige Weiße auf dem Zuge von Fort Bodo bis Banalja war, läßt es aber aus den Verlusten erkennen: bei der Antnnft in Vanalja waren nur drei Sansibariten, aber die Hälfte der Madi untergegangen, und bei dem letzten Aufeuthalt in Fort Vodo nnr noch 26 Madi nnd 3 Soldaten vou Emins Lenten am Leben. Stanley erwähnt dies nur nebenbei als belanglos, als ob diese Unterstützung zum Rückzüge gar uicht nötig gewesen wäre, dagegen ist Emin überzeugt, daß jeucr ohne Hilfe nicht hätte zurückkommen töuuen. ^) Es zeugt wenig von den so oft anerkannten Fähigkeiten Stanleys als Expeditionschef, wenn er von seinem zweiten nnd dritten Zuge durch dieselbe Gegcud noch immer von Verhungern und sonstigen Schwierigkeiten zn erzählen weiß, aber noch weniger zengt es von seinem vielgerühmten Scharfsinn, daß er hierbei noch durch Schilderung,von Leiden Teilnahme nnd. Sympathien hervorzurufen glaubt, und dieser Überzeugung fast bis zum Überdrnß Rcchnnng trägt. Die Aufnahme ist keine Be-lobignng, wie der Verfasser beabsichtigt, sondern ein Tadel, der seine Fähigkeiten immer zweifelhafter werden läßt. In seinem Wahn vergaß er ganz, daß, wie jedes Bild der Phantasie des Bildners, so auch jede That den Motiven des Thäters uud jede Schilderung den Absichten des Schildcrcrs entspringt, mithin daß, wenn seine Expedition dem Verhungern nahe ist, er selbst es allein ist, der dies verschuldet, um so mehr, wenn dies öfter uud an denselben Orten uud iu derselben Situation der Fall ist. Nach der Vereinigung mit der Nachhnt erstattete Stanley dem Entsatzkomitee Berichts, was er bisher erreicht, aber so, daß es für fremde Leser nicht auffällig erscheiut. Wohin z. B. Emiu ziehen soll, ist nicht angegeben; das Komitee wird natürlich denken, nach Kawirundo, aber sein Geschäftsträger weiß das besser. Der Gonverncnr würde nach seiner eigenen Behauptung mit seinen Irregulären, Matrosen, Handwerkern, Schreibern nnd Dienern zusammen 8000 Mann bei sich haben (verlockende Aussicht für das militärarme England!), hätte aber noch nicht sicher zugesagt; jedenfalls, so läßt er durchblicken, würde er seine Ent-sender znfrieden stellen können. Der Aufenthalt in Banalja wnrde hervorgerufen dadurch, daß man die Expedition reorganisieren und die Waren nen verpacken mußte, vor allem jedoch um Tippu Tib sich anschließen zn lassen. Wenn Stanley 1) Casati II. S. 148. 2) „Das Ma«azin". 1890, Nr. 45, S. 697. ^) Keltic, „Stanleys Briefe", S. 19—35. 65 aber behauptet, daß er auch Jameson in den Stand setzen wolle, mitzuziehen, so ist dies wieder eine von den vielen Unwahrheiten, mit denen er sein Werk so reichlich ausgestattet hat. Denn wenn er wirklich eine solche Absicht gehabt hätte, wäre es doch selbstverständlich gewesen, Jameson von seiner Anwesenheit zn benachrichtigen und ihm, wie er es anch in dem Brief an Tippn Tib that, den Ort der Zusammenkunft und die Zeit des Anf^ bruchs anzugeben; sodann hat er uns in einem unbewachten Augenblick verrateu, daß Jameson von ihm deshalb zurückgelassen sei, weil er seinen Befehlen nicht gehorcht habe, ,.nm über sein Verfahren nachzugrübeln".!) Auf die Ereignisse der Nachhnt nnd Stanleys Insinuationen tonnen wir nicht eingehen, wir haben uns damit begnügt, sie verschiedentlich zu streifen. Bei dieser Gelegenheit verweisen wir anf,die beiden englischen Vcrteidignngsschriften, die anch schon in deutscher Übersetzung erschienen sind: „Stanleys Nachhnt in Iambnja unter Major Edm. M. Bart-telot. Nach dem Tode des Majors Varttclot heransgcgcben von Major Walter G. Barttelot" und „Forschuugeu nnd Erlebnisse" im „dunkelsten Afrika". Geschichte der Nachhut der Emin-Pascha-Entsatz-Expedition von James S, Jameson. Nach dessen Tode herausgegeben von Fr. S. S. Jameson. 3. Stanleys Intriguen und ihr Erfolg. Während die Entsatzcxpedition dnrch Nückbewcgnngcn ihren Namen bethätigen wollte, nachdem es ihr dnrch Vorwärtsbewegungen versagt war, blieb Iephson mit drei Sndaueseu nnd einem früheren Diener 1)i'. Innkers als Dolmetscher nach der Verabredung bei Emin zurück, um iu den Stationen vor versammelten Soldaten die offiziellen Schreiben der ägyptischen Regierung sowie eine Proklamation Stanleys vorzulesen und sie zur Rückkehr uach Ägypten aufzufordern. Emin hatte nämlich geäußert, seiuc Offiziere fcieu äußerst skeptisch uud würden nicht glauben, daß die Expedition wirklich vom Khcdiwe zn ihnen gesandt sei, nnd hatte deshalb gebeten, einen englischen Offizier sich den Soldaten zeigen zu lasseu, damit sie sich selbst durch Frageu überzeugen könnten; das würde sie befriedigen und entscheiden lassen, wer das Land verlassen wolle und wer nicht. Stanley hatte diesem Wunsche bereitwilligst entsprochen.-) Während Iephson uud Emin die Stationen in der Provinz besuchten, gaben sie unvermerkt einer oppositionellen Strömung nenc Nahruug, die zum Teil schon seit Jahren offen ihr Hanpt erhoben, zum Teil unter Ve< teucrnngen kriechender Heuchelei ihr Innerstes verborgen hatte. Als sie zum zweiten Mal nach Labors kamen, stießen sie vor der Front der Soldaten auf Widersetzlichkeiten, nnd gleich darauf brach iu Düfilö die Rebellion ans. Als authentische Quellen über diese Ereignisse existieren vorläufig zwei sehr ungleiche Werke von Casati uud Iephsou, die sich dadurch unterscheiden, daß dieser nns den Eindrnck eines Enroftäers wiedergiebt, der mit den Verhältnissen dcr Provinz ebensowenig wie mit der Behandlung !) Iephson S. 370. 2) Icphson S. 29, Stanley I. S. 376. 398. Casati II. S. 148. Jaeger, Die Stanlcyschc Lmin - Expedition. 5 66 des Negers vertraut ist und die Erregung auf nichts anderes als die Dummheit der Sansibaritcn lind Iutrigueu der Ägypter zurückzuführen weiß, währcud jener auf Gruud eiuer tiefcll Sachkenntnis uud langjährigen Erfahrung das Hauptgewicht darauf legt, die gauze Bewegung auf notwendige Ursachen zurückzuführen, die er selbst in ihrer Gefährlichkeit lange vorhcrgesehcn; während uns also Icphson, ein gntcr Schüler Stanleys, eine rein deduktive, nach zivilisiertem Maßstab zugeschnittene Schilderung giebt, klärt uns Casati streng induktiv darüber auf, wie die Bewegung gewissermaßen aus deu Verhältnissen geboren wnrdc. Letztere Darstellung legen wir der folgenden Skizze vornehmlich zn Grnndc, wobei wir allerdings den Stanleyschen Intriguen, die hier allein in Betracht kommen, mehr Gewicht beilegen. In den letzten drei Jahren waren in der Mudiriö manche Unordnungen eingerissen, die infolge der gelinden Verwaltuug und Duldung Emius bei dem ersten Bataillon in Nedjaf sogar znr völligen Lösung der Disziplin geführt hatten. Das Ansehen des Gouvcrncnrs war start erschüttert, seine Schritte wurden oft mit Zweifel beobachtet, er selbst that eigentlich uichts, um die Zügel der Rcgieruug etwas straffer zu zicheu, uud fügte sich iu optimistischer Auffassung, „auf ein besseres Morgen" vertrauend.') Eine start orientalisch gefärbte Anschauung ließ ihn nur selten die notwendige Strenge finden, den Verhältnissen die Stirn zu bieten; er war selbst zn empfindsam, um ein strenger Gebieter zu sein, und wenn er sich znm energischen Handeln aufraffte, geschah es mehr, nm Einflüsterungen ehrgeiziger nnd selbstsüchtiger Offiziere nachzugeben, was wieder nenc Vcrdächtigungeu und Unrnhcn hervorrief. Diese Unsicherheit währte schon, zwar wenig anffällig, seit 1884, als die Gefahren von Seiten der Muhdisteu gegen Hat el Estiva heraufzogen. Emin hatte damals nnvorsichtigcrwcise geänßert, ohne den Gedanken je ansführen zu wollen, daß es seine Anfgabc sei, die Weißen zn retten, die schwarzen Soldaten würde er Kabrcga von Unyoro übergeben, nm dafür die Erlaubuis zum Durchzug durch sein Land zu erhalteu. Dieses Wort verbreitete sich schnell nnd rief Verdacht nnd Mißtrauen hervor.-)., Dazu kam der „vernichtende Einfluß" der uach Äquatoria verbannten Ägypter, die jede Gähruug erst heraufbeschwöre». Casati nennt sie anch sehr treffend, „eine Schnlc der Heuchelei und Gewaltthat, das tägliche Hindernis zu allem Guteu".-^) Diese Hanptumstände waren vermögend, die Autorität des Gouvernenrs zn untergraben; mau kauute ihn wohl als den vom Khediwc eingesetzten Befehlshaber an nnd gehorchte seinen Befehlen, aber anderseits schente man sich anch nicht, seine Äußeruugcu öffcutlich zu bekrittclu uud öfter nach eigenem Gutdüukcn zu haudcln. Die Scheu, in Unyoro zurück-gelassen uud aufgeopfert zn werden, blieb und erregte Unwillen, später offene Widersetzlichkeiten und Weigeruug, als der Gouverneur die nördlichen Stationen einziehen und seine Macht im Süden konzentrieren wollte. ') Casati II. S. 136. 2) Casaü I. S. 277 ff. 2) Casati I. S. 296. 67 Demgemäß waren auch die Stationen im Norden zum größten Teil von unruhigen Elementen besetzt, während im Süden die Soldaten noch willig für ihren Herrn kämpften und der Revolution widerstanden; unter ihnen war anch die Descrtation gering, so daß der Gouverneur stets eine gefügige Partei als Anhalt benutzen tonnte. Diesen Sturm sollte Emin allein beschwichtigen, rings umgeben von Unzuverlässigen und Verrätern, im Norden offene Rebellion uud überall Zündstoff in Menge. Daß hierbei ein einzelner Mann, der noch dazu mehr Vater als Herrscher eines Volkes seiu wollte, unterlag, nimmt uns nicht Wunder; im Gegenteil, wir staunen, daß er so lange dem Anfruhr steueru konnte und nicht schon früher der notwendigen Reaktion erlegen ist. Sein Rückzng nach Wadelai wurde ihm als „Flucht" ausgelegt'), und alle Beteuerungen, daß der Sndan von Ägypten geräumt, Ehartum gefallen, und uur noch ein Rückzug uach der Ostküstc offen sei, wurden mit derselben Znrückhaltnng und demselben Unglaubeu aufgenommen, wie jene obige Äußerung, womit man die Handlungen des Gouverneurs zu motivieren suchte. Der Ausbruch der allgemeinen Revolution muß natürlich noch einen besonderen Anstoß gehabt haben, und der ist nirgends anders zu suchen, als in der Ankunft der Entsatz-Expedition, wodurch die Räumnng der Mndiric, d. h. Emins Rückkehr nach Sansibar uud das Zurücklassen der Soldaten in dem feindlichen Unyoro veranlaßt werden sollte. Die Gemäßigten waren cuttäuscht, als sie „mit aufgesperrten Augeu und mißtrauischem Herzen ihre Blicke nach diesen Resten einer Erpedition" richteten'-), die ihnen ein Ende aller Schwierigkeiten bringen, die aber erst selbst vom Untergang gerettet werden wollte. Bei den unruhigen Elementen brachen die entfefsclten Leidenschaften vollends los, sie verschwuren sich im Geheimen, bei der ersten Gelegenheit „im offenen Anfrnhr anszubrechcn".^) Emin wähnte die Stnrmwcllen, die ihn verschlingen sollten, nicht so nahe, wohl hatte er den ungünstigen Eindruck bemerkt, den die Beschreibung des verlustreichen Zuges der Expedition anf seine Leute gemacht, und deshalb Stanley „wiederholt anfs dringendste" gebeten, selbst in die Provinz zu gehen, um durch sciue Gegenwart jeden Verdacht zu beseitigen, aber der hatte sich im Hinblick auf die Nachhut damit entschuldigt, keine Zeit verlieren zu dürfen, trotzdem aber die Tage in Ruhe vergehen ließ uud fast einen Monat in Nsabe verweiltet) Was Stanley hiermit bezweckte, läßt sich ans seinen Plänen leicht motivieren. Sein Hanptstreben war doch darauf gerichtet, den Pascha selbst mit nach Sansibar zu nehmen. Da dieser sich aber wiedcrholentlich dagegen ausgesprochen hatte und an der Spitze seiner Truppen auch uicht in seinen Entschließungen nachhaltig zu beeinflussen war, wäre es für Stanley gewiß nicht erfolgreich gewesen, sich in jenes Macht zu begeben, nm ihm ein Zugeständnis abzuzwingen. Hingegen wenn er mit dem Pascha 1) Casati I. S. 29«. 2) ssasaii II. S. 146. 3) Casati II. T. 152. -i) Casati II. S. 146 ff. 5* 68___ in Mem Lager verhandelte, tonnte er nicht nnr vollständig Herr der Situation bleiben nnd seinen Kontrahenten von falschen Znflüsternngen fernhalten, sondern anch, wenn alles fehlschlug, mit dem Recht des Stärkeren thun, was ihm beliebe. Er hatte also die Wahl, sich seiner Überlegenheit zu entäußern nnd den Erfolg der Verhandlungen von günstigen Umständen zu erwarten oder anf die Entschließungen einen Druck auszuüben nnd nötigenfalls mit Gewalt seinen Willen dnrchznsetzen. ^chon allein von diesem Gesichtsvnnkt ans hat es Stanley stets vermieden, die Provinz zn betreten, sowohl bei seinem ersten und zweiten Aufenthalt am See, wie bei seinem dritten, als ein Eingreifen nnnmgänglich notwendig war. Aber weiter; sollte Emin sein Land wider seinen Willen verlassen, so mnßtc erst seine Macht gebrochen werden. Nach dem bisher Erreichten war der Pascha gewillt, das englische Anerbieten anzunehmen, nnd würde, wenn keine Gcgcnvorkehrnngen getroffen, mit seiner militärischen Macht nach Kawirondo übersiedeln, ohne sich weiter führen oder schulmeistern zn lassen. Stanley konnte mit den Trümmern seiner Herrlichkeit dagegen keinen Protest erheben und hätte der Dnrchführnng seiner Hanptanfgabc zuschauen müssen, wie ein abgetrumpfter Pudel, der die Milch in den Sand gegossen hat. Seine Pläne verlangten einen machtlosen, gefügigen Pascha, der ohne größere Bcgleitnng ganz in seine Macht gegeben war, nnd nm Emin in diesen Znstand zu versetzen, mnßte er jedes einmütige Handeln in der Provinz verhindern. Anch hierans erklärt sich sein Weigern, in die Provinz zn gehen, vollkommen, da er dnrch sein Erscheinen leicht die falschen Gerüchte hätte widerlegen nnd die Soldaten znm Abzng bewegen können. Emin hoffte dnrch seine (Stanleys) Gegenwart den schmerzlichen Eindrnck bei seinen Leuten verwischen zn können, aber je mehr er in ihn drang, desto entschiedener weigerte sich jener, indem er nichtige Ausflüchte vorschützte. Eudlich um die englische Mission im echt humanen Sinne durchzn-führeu, war es notwendig, Leute zu retten. Da aber des Schicksals unabänderlicher Lanf die zur Rettung Ansgcfandten in die Geretteten verwandelt hatte, so war es, nm dasselbe Programm aufrecht zn erhalten, wiedernm notwendig, die unpassenden Ereignisse dnrch Verschweigen der Vergessenheit anheimfallen zn lassen nnd eine Möglichkeit znr Rettung zn provozieren. Eine solche mnßtc aber künstlich hergestellt werden, da augenblicklich weder Emin noch seine Leute der Rettung bedurften und sich als die Stärkeren schwerlich vor den Triumphwagen spannen ließen. Unter solchen Umständen sah sich Stanley gezwungen, einzugreifen und zwar, da ein direktes nicht passend erschien, indirekt, durch Iutriguen.') Gleich im Anfang wollen wir einer Verteidigung Stanleys entgegentreten, mit der er seine Thaten so oft zn beschönigen pflegte, nämlich, daß er die Verhältnisse in der Provinz nicht gekannt habe. Wenn er solche Behauptung aufstellen wollte, hätte er aber t'onseancnt verfahren müssen nnd nicht so viel von den Wirren am Nil an jener Stelle ansplandern dürfen; da er es aber gethan, natürlich nnr, nm die Zweckmäßigkeit seiner Mission l) Emin glaubt, das; der Aufstand seiner Soldaten, „wenn nicht direkt durch Intriguen, su doch dnrch das Auftreten der Engländer Ueranlaßt" sei. Peters S. 518. 69 in das rechte Licht zu rücken, so hat er uns mal wieder durch seine eigene Schilderung den Gegenbeweis zn seiner Behauptung gegeben. Zwar hatte es Emin unterlassen, sowohl in seinen Briefen wie im Verkehr mit den Engländern, auf die Zerwürfnisse und Spaltungen anfmerksam zu machen '), aber in seineu Gesprächen hatte er doch soviel Andeutuugen fallen gelassen, daß jeder merken mußte, daß die Zustände uicht so wären, wie man sie in Europa gerühmt.'-) Zudem sah Stanley selbst einige Beispiele von der lockeren Disziplin, die er nicht übergeht, heftig zu tadeln^), und hatte verschiedentlich nach Vorkommnissen in der Provinz gefragt, die ihm dann von Emin sachgemäß erzählt wnrden. Vor allem aber hatten einige Offiziere ihm ausführliche Mitteilungen gemacht, uach dcucn er über die Zn° stände gar nicht mehr im Zweifel sein konnte. Schukri Aga hatte ihm z, B. erzählt 4), als zuerst die Nachricht vom Nahen der Expedition durch Iuukers Brief bekannt wurde, wären 190 Soldaten vom ersten Bataillon nach Kiri gezogen, nm den Pascha zu verhafteu und in Nedjaf gefangcu zu halteu; Emiu wäre aber anf Bitten der andereu Offiziere uoch rechtzeitig^ uach Mswa eutflohen. Diese beabsichtigte Gewaltthat wäre dnrch die Überzeugung hervorgerufen, daß die Sicherheit der Provinz in der Anwesenheit des Gouverneurs liege uud, weil man fest glaube, daß Emin mit der Entsatz-Expedition sich zurückziehen und die Soldaten ihrem Schicksal überlassen werde. Im crsteu Bataillon halte man überhaupt uoch an dem Glanben fest, daß die Negiernng sie mit Dampfern aus Chartum holen werde, und würde deshalb Nedjaf nie aufgeben; „denn, sagten sie, wir kennen nnr einen Weg, und der führt den Nil hinab über Chartum". Stanley ging mit dieser Botschaft zu Emiu, der ihm dieselbe bestätigte und noch hinzufügte, daß jene Soldaten sich mit 900 Negcru verbuuden uud die Absicht gehabt hätteu, nach seiner Gefangennahme sich mit dem zweiten Bataillon zn vereinen nnd am rechten Flußufer uach 1) Casati tadelt dics sehr, zumal weil er wiederholt in ihn gedrungen sei, die Lage der Provinz rückhaltlos klarzulcgcn; doch widerstrebte dies der „Hoheit seines Geistes". II. S. 147. Wenn Emin auch im allgemeinen wenig über die eigene Ohnmacht geschrieben und gesprochen haben mag, so finden sich in seinen Briefen immerhin eine genügende Anzahl von Stellen, die das Verhältnis zu seinen Untergebenen ziemlich deutlich erkennen lassen. Wir führen zur Erläuterung eine au aus seinem Briefe vom 15. Mai 1886 lSchmcinfurth und Nal;el, „Emin Pascha", S. 502 ff.): „Ich habe nun neuerdings einen Versuch gemacht, die Leute zur Vernunft zu bringen; schlägt auch dieser fehl, so heißt es, sich resignieren, und wenigstens so lange, als es noch angeht, den mir gebliebenen Schein von Autorität wahren. Geht aber auch das nicht mehr, so wird mir nichts übrig bleiben, als die Zügel in die Hände des ältesten sudanesischen Offiziers zu legen, und zu sehen, ob ich selbst mich zu Kabrega zurückziehen kann, um dort abzuwarten, bis die Leute vernünftig werden und nur folgen — denn folgen werden sie doch. Für jeden Fall werde ich das Gouvernement mit dieser Pust von allen hiesigen Vorgängen in Kenntnis scl;cn." 2) (lasati erkennt dies auch an, fügt aber hinzu: „Er (Stanley) fand nicht Muße, sich in die Lage der Dinge hineinzuleben, da alle feine Gedanken von dem Schicksale des Hauptkorps der Expedition . . . eingenommen waren." II. S. 15s). Diese Annahme scheint doch mehr entschuldigen zu wollen, da die Anklage zu groß würde. 2) So die Szene, in der er den Major Auasch Effendi den Bau der Station auf Njamsassi überträgt. Stanley I. T, 834. 4) Stanley I. S. 415 ff. 70 Chartum zu marschieren, wo er selbst mit seinen Getrcneu, wem: die Stadt wirtlich gefallen sei, sich allein überlassen werden sollte. Bei dieser Eröffnnng fügt der englische Chef trocken hinzu: „Da der Pascha dies wußte, scheint er mir doch sehr unklug gehandelt zu haben, als er sich unter diese Rebellen wagte, ohne sich vorher darüber zu ver» gewissern, welche Wirkung seine Gegenwart auf sie ausüben würde." Wir können von uuscrm Standpunkt nnr dazn bemerken: wenn Herr Stanley dies wnßte, so scheint er nns sehr klng gehandelt zu haben, als er sich nicht unter diese Rebellen wagte", sondern einen seiner Offiziere schickte, nachdem er vernommen hatte, »welche Wirkung seine Gegenwart anf sie ausüben würde". Außerdem hatte auch Emin selbst wiederholentlich erklärt, daß seine Lentc nicht nach Ägypten gehen würden') nnd erst, als Stanley trotzdem darauf bestand, gebeten, nm den Versuch erfolgreicher zu machen, einen Offizier bei ihm zurückzulassen, in der Hoffnung, daß dieser seine Lente beschwichtigen werde. Wenn schon die Nachricht von einer EutsatzeMdition bei dein ersten Bataillon den Versnch einer Revolution hervorrief, dann mnßte die Anknnft selbst dort noch größere Wirren veranlassen. Diese Aussicht mnßtc für Stanley maßgebend sein, nm so mehr als er von ägyptischen Beamten nnd Soldaten dnrch eine getreue Schildernng aller Vorgänge in der Provinz darin bestärkt wnrde, und danach mußte er seine Vorkehrungen treffen. -) Widersinnig erscheint es allerdings nnter normalen Verhältnissen, daß er Iephson in die Provinz schickte, mit anderen Worten deu Klanen des Tigers zur Beute überwies. Dieser Widersprnch löst sich einfach, wenn man sich die Instruktioueu Ievhsons im Stanlcyschcn Sinne ansieht. Diese Befehle waren nämlich daranf zugespitzt, Emin Schwierigkeiten zu bereiten nnd seine Stellung zn untergraben, so daß er ohne jeden Halt keinen andern Ausweg haben sollte, als sich den englischen Herren in die Anne zu werfen. Lediglich deshalb, weil Stanley überzengt war, daß die Soldaten unter keiner Bedingnng nach Sansibar zieheu würdeu, schärfte er Iephson ein, von keinem andern Plan als gerade von diesem etwas verlauten zn lassen: denn nachdem die Lente sich schon offen geweigert hatten, die nördlichen Stationen aufzugeben uud ihreu Gouverneur bei dem mutmaßlichen Versnch, nach Süden abzuziehen, gefangen nehmen wollten, war jetzt, wo. eine fremde Nation, noch dazu diejenige, welche die Nationalpartei in Ägypten zn Boden geschlagen hatte, uud da außerdem sich viele von diesen Patrioten wegen der dämpfe nnter Arabi in Äauaturia befanden2), sie aufforderte, nach Süden zn ziehen, alles eher zn erwarten, als daß sie diesem Rufe folgen würden. Aber anch das englische Anerbieten, nach Kawirondo zn gehen, dnrfte Stanley ihnen nicht machen lassen, da er hiermit vielen Wünschen, namentlich von Offizieren, welche die Soldaten doch zn allen hätten be- ') Stanley I. S. 375. 387. 2) Verssl. unten. 3) Stanley II. S. 134. Casati I. S. 2W. Iephson fügt bei seinen Bekanntschaften stetß hinM. ob sie sich an Arabis „Rebellion" beteiligt haben! S. 38. 40. 64. 182. Ägyptische Offiziere und Beamte waren in der Prouinz 56. Iephson S. 41. 71 wegen können, entgegenkam. Denn.. Emin hatte ihm erklärt, daß seine Lente nnr gegen den Marsch nach Ägypten sich sträubten, dagegen nach dem Vittoriasee ihm gewiß folgen würden'), nnd hatte nnr in dieser Voraussetzung zngesagt. Wie richtig Stanley hiermit handelte, merkte er später ans dein Iephsonschen Bericht: nämlich während seines Aufenthaltes in der Provinz hatte dieser oft Gelegenheit gehabt, die günstige Stimmnng für eine Übersiedelung nach Kawirondo zu beobachten, ja sogar, es wurde ihm gegenüber von einflußreichen Offizieren mehrfach die Ansicht ausgesprochen, daß es das beste wäre, „die Bewohner mit ihrem Gouvcruenr in eine andere Gegend im Bereich der Seen zu führen, damit sie sich dort niederlassen konnten.....Doch sagte ich nichts dazu, da mir aufs strengste zu verstehen gegeben war, daß unsere erste Pflicht dem Khediwe gelte. "2) Die Mission Iephsons muntc auf jedcu Fall in der Provinz zwei Parteien hervorrufen, eine größere, die darauf bestand, zn bleiben oder nach Norden zu zieheu, uud eine kleinere uuter Emin, unvermögend, eine einheitliche Handlung durchzusetzen oder eine Autorität zu wahren. Die Expedition sollte sich dann mit der letzteren in Verbindung setzen und mit ihr nach Kawirondo resp. zur Küste abziehen. Vorauszusehen war, daß eine kleine Partei dem Pascha treu blieb, die aber wieder uicht so start seiu dürfte, daß sie im englischen Lager die Macht der „Netter" überwog nnd uuter ihrem Gouvernenr selbständig blieb; vielmehr mußte sie mehr den Anschein von Flüchtlingen erhalten, die ans den zusammenbrechenden Trümmern gerettet wären. Aber darüber ließen sich ja später, wenn die Sache erst entschieden war, je nach den Umständen Beschlüsse fassen. Dies umständliche Manöver benntzte Stanley zugleich deshalb, um Emin während seiner Abwesenheit für sich günstig zn erhalten nnd ihm dnrch Eingehen anf seine Pflichten jeden Grnnd zur Weigerung zn entziehen. Denn, erklärte er Iephson, „für den Fall, daß seine Leute sich weigern sollten, das Land zu verlassen, .... könnte ihm dann nie der Vorwurf gemacht werden, daß er sein Volk verlassen habe".^) In diesem Sinne hatte Icphson anch dafür zu sorgen, daß gleich im Anfang Emin seinen Verpflichtungen nachkam, nämlich in Nsabe ein Fort zu crbancn nnd den im Fort Vodo zurückgelasseuen Teil der Expedition heranzuholen. Waren beide Bedingungen erfüllt, so blieb immer ein fester 1) Stanley I. S. 387. ') Icphson S. 49. 69. S. 7«^ übertritt Iephson sugar seinen Auftrag, da cr der Versuchung nicht widerstehen kann, die allgemeine Stimmung der sudanesischen Offiziere hinsichtlich des englischen Anerbietens zu erfahren. Im Gegensatz hierzu steht eine andere Stelle (S, W1 fi.), die eiuc Beeinflussung des Chefs erkennen läßt, insofern sie eine Entschuldigung seiner Thaten anstrebt. Zuerst heißt es dort: Das Beste wäre es, alle Leute Emins in der Nähe des Viktoriasccs anzusiedeln, da, weun alle init nach Ägypten zögen, ihre Regierung die seit Jahren rückständigen Gehaltszahlungen nicht leisten könnei gleich darauf aber erklärt cr, daß cr niemals seinen Beistand dazu geben würde, eine solche „Räuberbande", wie Emins Leute, in ein noch ruhiges Land unter friedliche, hilflose Eingeborene (?j zu bringen, da sie „das schönste Land in eine Hölle auf Erden" verwandeln würden. Was aber bleibt dann noch übrig, wenn fie weder nach Ägypten noch nach dem Utcrewc ziehen sollten, als daß sie zurückgelassen werden mußten! 2) Iefthson S. 29. 72 Halt, anf dm sich Emm und Iephson zurückziehen konnten. Beide Punt'te waren auch ohne Zwischenfall leicht durchführbar und machten dem englischen Offizier „herzliche Frende"'), aber die Haufttanfgabe war eine Sisyfthus-Arbeit, von deren Undnrchführbarkeit der Auftraggeber eben deshalb überzeugt war, weil er sie in dem gestellten Sinne gar nicht ausgeführt wissen wollte. Höchst wahrscheinlich ist anch anzunehmen, daß zu der in Nsabe zu erbanenden Station das Elfcnbeiu geschafft werden, nnd daß schon Iephson in der Provinz Emin znm allmählichen Überführen veranlassen sollte.-) In seinem Bericht erzählt uns dieser junge Offizier, daß in Wadelai der Statiunschef ihn in den Vorratsgebänden umher' geführt nnd ihm „die ungehenren Mengen" Elfenbein gezeigt habe; dann fügt er hinzn: „Dieser ganze Elfcnbeinreichtnm mnß doch aufgegeben werden, da wir nicht imstande sind, ihn nach der Küste zn tragen. Es ist schade, daß man einen solchen Geldwert wegwerfen muß."^) Diese Notiz ist jedenfalls eine spätere Eintraguug, wahrscheinlich eiue Stanleysche Korrektur; denn Iehpson hat jene Schätze mit ganz anderen Augeu augesehen, da vor dem Scheitern der Nachhut anch die Gewinnung des Elfenbeins noch offenstand, und erst mit dem Aufstand die Preisgabe ver-bnnden war. Man erkennt überhaupt bei solchen wichtigen Stellen in der Icphsonscheu Erzählung eine erheuchelte Gleichgültigkeit des Verfassers, die bedenkenlos anf die sorgende Hand des Expeditionschefs zurückzuführen ist, obwohl letzterer in einem Brief an seinen Schützling bctoute, daß es gar nicht erforderlich sei, die Stellen, die er selbst geschrieben, „genauer zu bezeichnen".') Übrigens müssen wir zu Stanleys Ehre erklären, daß er nicht im Sinne hatte, gerade eine Revolution heraufzubeschwören, sondern nnr jeden Gruud zur Weigerung Emin zu rauben, dadurch, daß er dem Mißtranen der Soldaten neue Nahrung zuführte uud fie gegen ihren Gouverneur aufhetzte; er wollte also lediglich Emins Anhang dnrch Erregung von Schwierigkeiten zerstören, ohne wohl zu ahnen, welchen Umfang diese annehmen tonnten. Aicrzn noch eiue Illustration. Eines Tages kanten ein Hauptmann nnd ein Schreiber zn Stanley nach Nsabe, nm sich über ihren Gouverneur zu beklagen. Sie entwarfen ein getreues, „wenig schmeichelhaftes Bild" von den Ereignissen, die sich in der letzten Zeit in Äquatoria zugetragen, so daß das Hanpt der Expedition in alle Wirren und Komplotte ans bester Qnelle eingeweiht war. Anstatt aber Abhilfe bezw. Rücksprache ') Icphson S. 31. 2) Tann als Iephson noch zögert, das Angebot, bei Emin zurückzubleiben, anzunehmen, weil er sich der schweren Arbeit (— Entsa»; der Nachhut) nicht entziehen wolle (^- „eine nicht leichte Mission" Casati II. S. 4^. Man sieht, wie ahnungslos der „junge Icphson" in die Gefahr laust), drängt Stanley ihn. er könne ihn sehr wesentlich Unterstufen, wcnn er alles vorbereite, damit der Marsch nach Sansibar so rasch wie möglich nach seiner Rückkehr von Iambuja angetreten werden könne (Iephson S. 2ii). Daraus geht hervor, daß die Elfcnbcinsrage keinen größeren Aufenthalt am See verursachen, mithin zum größten Teil schon erledigt sein sollte. 3) Icphson E. 70 ff. 4) Vorrede zu Iephsons Wert S. IX. 73 mit Emiu oder dem Khediwc oder dergleichen zu verheißen, entließ er sie achsclzuckcnd, indem er sie mit ironischer Bitterkeit ermähnte, ihren Genossen, nnr Eintracht nnd Gehorsam zu predigen nnd „eifrig den Abgang nach Ägypten vorzubereiten". Der Pascha erfnhr hiervon in Nsabe nichts; als er aber später nach Tungnrn kam. war ihm Mitteilung davon ge-macht und noch dazu, daß jeuc beideu Leute in der Station Unheil stiften wollten; sie hätten behauptet, Stanley wolle sie gar nicht retten, sei auch gar uicht von Ägypten gekommen, sondern sei ein Betrüger und habe sich mit dem Pascha verschworen, die Soldaten und Beamten als Sklaven den Eugläudcru zu übcrgcbeu; iu demselben Sinne hätten sie auch Schreiben an alle Stationen gesandt, um zur Erhebung aufzufordern. Verletzt durch das Verschweigen Stanleys und noch mehr durch die Intriguen seiner Beamten, traf Eniin sofort Anstalten zu eiuer heimlichen Untersuchung, um zugleich die Aufwiegler und Unzufriedenen, von deren bösem Geiste er Kenntnis erhalten, zu bestrafen. Die Folge war, daß der Hauptmann und eiuige audere Offiziere degradiert und der Schreiber in Gefangenschaft gesetzt wurde; damals wurde auch Osman Latif, bisher Vizegouverueur, beschuldigt und seines Amtes verlustig erklärt. Wie weit Stanley hierbei direkt beteiligt war, d. h. ob er jene Leute bestimmter zu solchen Anfrei-zuugen angewiesen, oder ob er nur durch Äußeruugen jeuen die Absicht nahe gelegt hat, daß er in verräterischer Absicht gekommen sei, ist ungewiß; jedenfalls geht aus obigem hervor, daß er die Unruhen in der Provinz mehren wollte. Die Möglichkeit hat hier Ranm für die größten Anschuldigungen, zumal da Stanley in seinem znerst geschriebenen Bericht kühnlich behauptet, daß Emin jene beideu Leute zu ihm geschickt hätte, niu mit ihm zu reden; beide hätten aber zu seiuem Erstaunen auf ihren Gouverneur geradezu geschmäht.') Dieser Vorfall ist durch die Ehrlichkeit eiuiger Leute iu Tungnrn an die Öffentlichkeit gedrungen; aber wie viele andere Sticheleien Stanley noch absichtlich zweifelhaften Ägyptern gegenüber hat fallen lassen, überhaupt wie weit er direkt oder iudirekt zu deu in der Proviuz auftauchenden Gerüchten beigetragen hat, ist nicht bekannt geworden, aber nach dem Stauleyscheu Charakter uud seiueu Absichten nicht gering zn veranschlagen. Auf Emins Wunsch war vom Erpcditiouschef noch eine Proklamation au die Soldaten aufgesetzt, die Iephson zur Bekräftigung auf den Stationen miivorlesen sollte.'-) Der Inhalt umfaßt eine Versicherung dessen, an das die Lentc bisher nicht glauben wollten, uud ciue Aufforderung dazu, wovor fie sich scheuten. Die rein sachgemäße Darstellung, namentlich daß der Khediwe sich ihnen gegenüber nicht als Herr zeigte, sondern anheimstellte, zn thun, was sie wollten, konnte ebensowenig auf Glauben rechnen, wie Emins bisherige Versichcruugen. Um eine Kollision Iephsons mit Emin zn verhüten, da durch jenes Thätigkeit der Abzug uach Ägypten gepredigt wurde, währcud doch Emiu von dem Abzüge uach Kawiroudo überzeugt war, muß Stanley vorher I) Stanley II. S. 2N. Iu dein Voissnng uevgl. Casati II. S. 153-^155. Iephson T. 38—3!1. -) Stanley I. S. 3li8 st. Iephson 3. 45 ff. 74 diesen vun der Thuulichkeit eines vorläufigen Verschweigcus des englischen Vorhabens überzeugt haben, daß es besser sei, zuerst deu Versuch zu machen, die Soldaten zum Abzug nach Ägypten zu bewegeu, da ja später in Kawiroudo zurückbleiben töuue, wer »uollc. Diese Ansicht ist sicher au-zunchuicu, da auch noch später anf dem Rückzüge Emin seinen Leuten gegenüber Schweigen bewahrte und erst iu Usambiro erkannte, daß er sich machtlos in die Höhle des Löwen begeben hatte. So kam es, daß man iu der Proviuz uicht in Gegensatz trat, was auch durch deu Ausbruch der Revolution bald verhindert wurde. Die Mission Iefthsous bezweckte also eine Vergrößerung der Schwierigkeiten und zwar dadurch, daß sie dem ersten Bataillon uud alten un-ruhigeu Elemeuten in die Hand arbeitete. Dnrch die Ankündigung des Rückmarsches nach Süden waren diese in ihrem Verdacht bestärkt, während die Gemäßigten, die bisher der Revolution Widerstand geleistet, sich durch die Thatsachen überzeugeu ließen; jene gewannen Anklang uud siegten. Der ..junge Iephson" war so ahnnugslos in die Rebellion verstrickt nnd kam in dieselbe Gefahr, wie Varttelot durch Stauleys Eigennutz unterzugehen. Die Weigerung Stauleys, in der Provinz sich zu zeigeu, sowie die heimlichen Abmachungen in Nsabe') uud der Erfolg der euglischeu Intriguen veranlaßten die verschiedensten Gerüchte, die von den Erbittertsten, namentlich einigen Beamten uud Ägyptern, für ihre Zwecke ausgebeutet wurden. Emiu war auch während der Verhandlungen so unvorsichtig, in Gegenwart seiner Leute die cuglischen Pläne als den thunlichsten Ausweg zu rühmen, uud säte dadurch ucues Mißtrauen sogar bei denen, die ihm bisher noch vertrauten. Hierdurch gewaunen die Gerüchte, daß man die Provinz an England abtreten wolle, daß die Soldaten verkauft werden sollten nsw., immer mehr Glanben, bis man endlich an ihre Thatsache lichkcit uubcdingt festhielt, uud als nuu Emiu mit Iephsou nach dem nördlichen Teil der Provinz kam, mn allmählich die Einziehung der Stationen durch Überführung vou Vorräten zu veraulasscn, fand mau die Glaubwürdigkeit jener Vetenernugen allgcmeiu bestätigt nnd revoltiertet) In Düfil« wurden Eniin nnd Vita Hassan (aber nicht Iephson, obwohl er es selbst glaubte ^) am 1i). August gcfaugen genommen uud dort bis zum 17. November 1888 uuter Verwahrung gehalten. Bald machte sich eine Gegenströmung geltend, die durch die herrschcude Unordnung, wie durch das Eindringen nnd die Siege der Muhdisten begünstigt, Emins Freilassung nnd Übersiedelung nach Wadelai durchsetzte. Von hier zog sich der Pascha mit Icphsuu,' Casati, Vita Hassan nnd Vegleituug nach Tuuguru zurück, um die Auknnft Stanleys und den Verlauf der Wirren abzuwarten. Unterdessen war Stanley vom Entsatz der Nachhut zurückgekehrt. Etwa ciueu Tagcmarsch von: Albertsee entfernt, empfing er Briefe von Emin und Iephsou aus Düfilö, Wadelai uud Tuuguru, iu denen ihm 1) Casati II. S. 149 ff. 153. 2) Casati II. S. 159 ff. 2) Iephson S. 151. Casati II. S. 162. 75 die Anarchic am Nil mitgeteilt wurde. ^) Letzterer schrieb den Ansbrnch der Empörung der Agitation jener beiden Leute zu, die in Nsabe sich beim Expeditionshanpt beklagt hatten, nnd beschuldigt so nnbcwnßt seinen Chef, den Anstoß gegeben zn haben. Als Stanley sah, daß die Saat, die er vor acht Monaten so sorglich gesät, aufgegangen nnd in unerwarteter Blüte stand, gcberdctc er sich höchst erstaunlich'-), gleichsam als ob er gar nicht verstehe, wie man so kopflos in die Falle laufen könne. Die Revolution schien im ersten Augenblick alle Pläne zusammenzustürzen, insofern die Elfenbeinspcknlation und die lebendigen Siegestrophäen entschwunden sein konnten, bald aber merkte er, daß sie viel gelegener kam, als wenn sie gar nicht ansgebrochen wäre. Es war dies ein ähnliches Ergebnis, wenn anch mit anderen Folgerungen, wie Anfang der achtziger Jahre, als der Mnhdianfstand dcu Sudan von Ägypten losriß nud den Gladstuneschen Plänen entgegenarbeitete. Wenn wir damals die Äußerung thaten, daß nnter ähnlichen Umständen eine solche Vewcgung auf englische Agitation zurückzuführen sei, so ist hier ein Beispiel gefunden, allerdings nnr ein schwaches, da die Ägypter selbst die hauptsächlichsten Vorarbeiten ausgeführt hatten. Die englische Expedition hatte hiermit ihr Ziel erreicht; aber nicht im Sinne ihrer Auftraggeber, sondern in dem ihres Hauptes. In London lockte zuerst nur die pekuniäre Seite, die auch die großartige Durchführung der Expedition erst zn stände brachte, nnd weiterhin, namentlich für die Negierung nnd einige hervorragende Komiteesmitgliedcr, wie Mackinon und seine Gönner, war das Gelingen der politischen Pläne maßgebend. Aber dieses hatte die Expedition nicht nnr nicht angestrebt, sondern geradezu unmöglich zn machen versucht. Das Elfenbein befand sich in der Provinz, also in den, Händen der Aufständischen, nnd schien, wenn nicht eine sehr wesentliche Ändernng zu Emins Gunsten eintrat, für die englischen Spekn-lanten verloren; das Heer war auf ein Minimum reduziert, das lange nicht vermögend war, der eigenen Expedition das Gleichgewicht zn halten, nnd endlich das Unterlassen des Znges nach Kawirondo wnrde als selbstverständlich angenommen. Alle Begehrlichkeiten, die zn dem Unternehmen Vcranlafsnng gegeben, waren geschwunden. Anch die Machtstellnng am oberen Nil war gestürzt oder mußte in knrzcr Zeit vollends zusammensinken, nnr der Mann, der alles gehalten, blieb allein übrig. Für die englischen Pläne war der Pascha ja gefügig geworden, nnr hatte er sich nicht dnrch Unterschrift verpflichtet; alfo wenn die Gesellschaft noch jetzt, nachdem er aller Vorzüge cutkleidet war, daranf bestand, so konnte sie ihn ja engagieren — Stanley hatte jedenfalls seine Schuldigkeit gethan und, als alles zusammenbrach, dem Komitee wenigstens den Haupthelden mitgebracht. Dagegen für sich selbst hatte das Haupt der Expedition alles erreicht, was er von Emin ertrotzen wollte. Nnr die Hoffnnng anf materielle Entschädigung, die er vorher als selbstverständliche' Zngabe unbeachtet gelassen, wurde höchst zweifelhaft. Das war den Mitgliedern der Expedition ') Stanley II. S. 108—113. 2) Stanley II. S. 108. 76 nicht gerade angenehm, da die ihnen versprochene Entschädigung ohne Gelingen der Spekulation rccht bescheiden ansfallen würde, nnd ihre Mühen doch bezahlt sein wollten. Stanley war in noch fatalerer Lage als seine Offiziere, da er als Chef eine weit größere Summe beanspruchen tonnte. Allerdmgs hat cr vorher, seinem Prinzip getren, verbreitet, daß er „ohne jede Entschädigung nnd Belohnung" seine Anfgabe übernommen habe'), aber wir wissen es ja, wie wir seine Versicherungen anfznnchmcn haben, nnd werden auch am Schlnß, bei der Abrechnung, Gelegenheit nehmeu, obigen Pnnkt etwas richtiger zn stellen. Im wesentlichen hatte Stanley zwei Vorteile, die ihm der Ansbrnch der Revolution gewährte: einmal war Emin jedes Haltes beraubt nnd mnßtc sich ihm anf Gnade oder Ungnade ergeben, zweitens hatte er jetzt dem Komitee gegenüber eine genügende Entschuldigung, den Zng nach Kawirundo zn unterlassen. Die Mission Iefthsuns hatte nnbewnßt das, wozn sie wirken sollte, zur vollsten Befriedigung des Entsenders erreicht, der auf diesen Erfolg um so stolzer war, als er kaum erwartet hatte, in seinen Plänen soweit gefördert zu werden. Ein kleiner Teil von Getreuen, glaubte cr, würde seinem Gouverneur doch folgeu, uud daß diese Partei nicht zu mächtig anwachse, hatte er ja ganz in der Hand; denn er war nnbcschränktcr Herr anf dem Platcan: die Eingeborenen waren ihm nuter-worfen nnd znr Stellnng von Trägern nnd Soldaten verpflichtet, so daß ohne seine Erlanbnis fich niemand dein englischen Lager nähern tonnte'-^), ferner hatte cr es frei, wenn die Schar der dem Pascha Trenbleibenden zu groß würde, zn jeder Zeit nnter nichtigen Vorwändcn aufzubrechen und so viel „Flüchtlinge" mitzunehmen, als er für thnnlich hielt. Dagegen stand Emin jetzt vor der Alternative, sich zn Stanley zn begeben oder von den Fluteu der Rebellion verschlungen zn werden. An die Aufrccht-crhaltnng einer Herrschaft in Äquatoria noch zu denken, war Thorheit, nnd wenn der Pascha sich wirklich jetzt noch nicht von skrnpnlüsen Verpflichtungen lossagen tonnte, so mnßte ein Hinweis anf die englischen Pläne jedes Zandern beseitigen. Wenn aber^erst der Pascha im Lager war, dann war das Spiel gewonnen, nnd Stanley konnte bald die Flagge des Eigennutzes entfalten. Anf der andern Seite war er in den Angen der Welt gerechtfertigt, da cr unmöglich gegen die Mnhdisten nnd Dissidenten znglcich kämpfen und Emin in seine alte Stellnng einsetzen konnte, ebenso gegenüber dein Komitee, das mit einem Hänflcin von „Flüchtlingen" in Kawirondo keinen Staat gründen konnte, ki-FO bei den veränderten Umstäudeu war kein anderer Ausweg vorhaudcn, als zur Küste zn marschieren. Diese Verteidigung ist natürlich nur für die Unzufriedeueu iu Europa, dachte Herr Stanley; denn augenblicklich in Kawirondo ist sie noch nicht am Platz, nnd deshalb verschwieg cr Emin damals, als der richtige Zeitpuutt gc- ') So schrieb Mackinon an das Auswärtige Amt unter dem 15>. November 1886. Keltic S. VIII. Stanley versichert sugar, daß cr „Geld, Feit, Iahrc, Kraft, Gesundheit, Leben, alles und jedes, freiwillig, freundlich und hingebend, ohne auch nur den Gedanken an eine Belohnung" angewandt habe, überhaupt sei jede Entschädigung, wie sic auch beschaffen sein möge, siir ihn vollständig unzureichend. (II. S. 413.) 2) Stanley II. S. 117. Briefe an Icphson. 77 wesen wäre, sciu Vorhaben. Hätte er es ihm mitgeteilt, so war es sicher, daß jener den Mitmarsch verweigern nnd mit seinen Lenten den Versuch machen würde, sich von ihm zu trennen. Dann hätte das Schlimmste znm Schlimmen kommen können, d. h. es wäre für Stanley, wenn er, wie anznnehmen war, unentwegt an seinen Plänen festhielt, thatsächlich kein anderer Answeg geblieben, als den Pascha mit soviel Leuten, als ihm beliebe, gefangen zu nehmen und zur Küste zu transportieren. Wenn dazn noch ein Umschlag zn Emins Gnnsten in der Provinz eintrat, so war Herr Stanley nahe daran, vor sich selbst blamiert zn werden. Deshalb zog er noch einmal die Hülle des selbstsüchtigen Englands an nnd öffnete seine stets so bereiten Arme, nm die hilfesuchenden Flüchtlinge Äqnatorias aufzunehmen. Welche Befriedigung aber brachte die Revolution erst seinem Ehrgeiz? Die letzte Provinz im Sndan brach zusammeu, und alles wäre dem fanatischen Muhdistcnschwarm erlegen, wenn er nicht im rechten Augenblick am See erschienen, die Überreste in seine sichere Obhut genommen nnd vor einem sicheren Untergänge bewahrt hätte. Seine Mission konnte nie, auch daun nicht, wenn die Auftraggeber unbefriedigt blieben, erfolglos bezeichnet werden. Denn seine That war der einzige erfolgreiche Entsatz, der in der zehnjährigen Geschichte der Sudaukämpfe zu verzeichnen war. Was Valentin Baker, was später Wolseley, Graham nnd alle anderen Generäle Englands vergebens angestrebt, das war ihm, dem nie Besiegten, gelungen: er hatte die schmachvolle Haltung Albions im Sndan durch einen glänzenden Erfolg zu Ehren gebracht nnd die Schlappe von Chartnm ausgewetzt. Die Emin-Expedition bildet also den Abschluß der ägyptischen Machtstellung in: Sudan nnd zugleich den Anfang swenn anch mir den Vcrsnch) der englischen Herrschaft. Ihr Name wird in der ägyptischen Geschichte ebensowohl wie in Englands jüngsten Bestrebungen den Wende-pnnkt einer nenen Politik bezeichnen, die in ihren Ergebnissen vielleicht der Knltur die größte Errungenschaft der nächsten Zeit einbringen, den dnnklcn Erdteil nm ein gut Teil erhellen nnd Europas Sympathien loder anch seine Rivalität) im weitesten Sinne spannen wird. Die Stanleysche That hat so neben der politischen Bedeutung eine kulturelle, die ihr für immer einen würdigen Platz in den hochherzigen Bestrebungen der Humanität anweisen wird, und „Stanley" heißt der Name, der die letzten Verteidiger einer langjährigen Kulturarbeit gerettet, Stanley der Sieger, der Ägypten vor der letzten Schmach seiner ehemaligen Größe bewahrt, Stanley endlich der Held, der der größten Nation neue Bahnen gewiesen. In Wahrheit ist das Resultat allerdings genau umgekehrt. Doch müsseu wir erst den Verlauf der Staulcyschen Pläne weiter verfolgen, um znm Schluß das wahre Ergebnis obigen Gedanken gegenüberzustellen. In Hinblick darauf, daß die Expedition jetzt die Situation beherrschte, beschloß ihr Haupt, inmitten der unterworfenen Völkerschaften, in Kawalli, ein^ Lager zn beziehen und die Flüchtlinge bis zn einer gewissen Anzahl nufzuuehmcu. Eiue Gefährduug seiucr Autorität durch Emin war er entschlossen schroff zurückzuweisen. Es schien anch tauin möglich; denn der Pascha war ja ein Flüchtling nnd konnte auf eine maßgebende Stellung nicht mehr Anspruch machen. ____78^___ Sehr unangenehm hingegen »rar es ihm, als er immer sicherer die Uberzengnng gewann, daß die Elfenbein-Aussichten in unerreichbare Fernen entschwanden. Denn zu einem energischen Vorgehen gegen die Rebellen war der Ersatz ihm nicht entsprechend, da er damit die Existenz der Kolonne llnfs Spiel setzte; auch fühlte er sich zu schwach dazn^ und ohne einzugreifen, würden die Aufständischen ihre Schätze gewiß nicht willig herausgeben. Immerhin konnte der Versuch gemacht werden, von Flüchtlingen wenigstens einige Zähne mitbringen zu lassen, um die Träger nnd Bundesgenossen auf dem Platean abzillohnen. Die von Banalja mitgebrachten Manjcma hatten Lasten znm Entsatze, also für Emiu, getragen nnd mußten deshalb erklärlicherweise von dem, der entsetzt werden sollte, dafür bezahlt werden Stanley schrieb an Iephson nach Tnngnru: „Ich brauche zu ihrer Abluhnuug 42 Elefautenzähne. Ziehen Sie gefälligst in Erwägung, wie die Bezahlung zu ihrer Befriedigung geschehen kann." ') Dieser wandte sich sofort brieflich an Sclim Aga, Haupt der gemäßigten, Emiu freundlichen Partei, um ihn zn bitten, die nötigen Zähne zn beschaffen.") Bei der Nachricht von dem Ausbruch der Nevolutiou wäre es wohl das Natürlichste gewesen, daß Stanley nach Tnnguru aufgebrochen nnd die Bedrängten befreit hätte. Bei seiner zusammengezogenen Macht tonnte eiu solcher Versuch uicht zn gewagt erscheinen, zumal da die Kräfte iu der Provinz zersplittert und im Norden teilweise dnrch die Muhdisteu beschäftigt wurden, uud da er selbst nach seiner eigenen Behauptung 2000 bewaffnete Hilfstrnftpen nnd 300 Gewehrträger anfbicten konnte.'^) Aber im Fall des Sieges stand der Erfolg nicht im Einklang mit dem aufgewandten Risiko, nnd im Fall des Mißlingens war das Schlimmste zn erwarten. Zwar gab er sich, als Icphson persönlich Zweifel ausdrückte, ob Emin kommen würde, in eiuem Brief an diesen den Anschein, als ob er ihn mit Gewalt befreien wollte''), aber dies geschah nnr zu dem Zweck, >) Icphsun S. 367. Casati II. S. 1l>9. Stanley hat in seinem Vericht (II. S, 113 —117) diese Stelle ausgelassen, ohne Punkte zu seyen, so daß es den Anschein gewinnt, als ob Emin später die Zähne aus freiem Willen mitgebracht habe. Vcrgl. Stanley II. S. 13«. 167. 2) Iephson S. 37!». Casati II. S. 200. 2) Stanley II. S. 117. 132. <) Stanley II. S. 132 ff. Ichhson machte ihm den Vorschlag, er solle ihn wenigstens mit einer Abteilung Sansiliariteu nach Mswa schicken, um (5min, falls er da wäre, nach Kawalli zu geleiten; aber Stanley vermied es, sich über seine Pläne aufzusprechen, indem er vorschiilzte, „er müsse erst den Ntest der Expedition nach Kawalli schaffen, ehe er etwas thun könne, da Emins Macht augenblicklich zu schwach sei, um einen entschiedenen Schritt zur Unterstützung des Paschas machen zu dürfen, und erklärte, daß, wenn er sich zur Ausführung dieses Planes entschließe, er sich nicht eher in Vewcgung scl;cn würde, bis er höre, daß Emin thatsächlich in Mswa sei". (Icphjou, S. 412.) Also weil Emin zu schwach war und sich iu Nut befand, wollte er keinen Vorstoß machen, mithin nur dann, wenn jener in Sicherheit war und der Rettung nul,t mehr bedürfte. Nach den Äußerungen Icphsons, sowie nach einem Brief Emins ^Stanley II. S. 129) mußte er auch annehmen, daß Emiu Tuuguru nicht eher verlassen würde, bis sein Schicksal in der Provinz entschieden sei, so daß seine Antwort auf Icphsons Vorschlag fast einer Weigerung, den Pascha zu retten, gleichkam. Der junge Engländer dagegen schreibt unter der Ägide seines Meisters, daß er „diesen Entschluß Stanleys nur als höchst weife betrachten" könne (S. 412). An anderer Stelle (Stanley II,- S. 126) betont er auch, daß es von der größten Wichtigkeit sei, so rasch wie möglich den Pascha zu befreien. 79 um den Pascha zuiu eiligen Aufbruch zu bewegen. Die Nichtigkeit dieses Vorhabcus geht schon aus dem Gegensatz zu den: vorher au Emin geschriebenen Brief hervor, der, uach den Umständen zu urteilen, mit viel größerer Gewißheit auf Stanleys wahre Absichten schließen läßt.') Das Elfenbein kouute durch ein Eingreifen gewonnen werden, aber hiermit wäre anch die Wahrscheinlichkeit einer neuen Machtstellung des Pascha uud demgemäß anch eines Zuges uach Kawiruudo wieder recht annehmbar geworden. Also das Interesse der Auftraggeber erheischte hier cm unbedingtes Vorgehen, aber Stanleys Ruf konute dabei nicht so viel gewinnen als zu Schadcu kommen, und deshalb unterblieb es. Später als der Egoist mit seinem Opfer ungefährdet von dauucu zog, frohlockte er ^in dem Kapitel „Emin Pascha eine Studie""): es hätte nur des festen Entschlusses des Pascha bedurft, um ihu zn veranlassen, die ganze Provinz über den Hänfen zu werfen; iu Mswa hätte er au-gcfaugen und die Besatzung ^60 Manu) auf dcu Dampfer eingeschifft ()voher er dcu Dampfer hat, weiß er anscheinend selbst nicht), Tnngnrn „wäre in einer halben Stunde abgethan . . . . , Wadclai ohne den Verlust eines Mannes gefallen" nnd die übrigen Stationen hätten erschreckt kapituliert. Es fehlt uur uoch, daß seiue vou Süden entschlossen heranrückende Kolonne auch die Muhdisten auseinandersprenge, Ehartum ohne Verluste nehme nnd uneigennützig in Kairo dem Khcdiwc seine ver-verlorcnen Länder zurückgäbe. Staulcy stellt bei diesem Gedanken natürlich znr Motivierung auch die Frage auf, welchen Vorteil ein solches Verfahren gehabt hätte. Die obige Erörterung durfte er doch uicht geben, da, wie er sich ausdrückt, „nnglänbige und gemeine Menschen" das „nicht zu wissru brauchen"'^), uud deshalb kommt er mit einer längst verbrauchten Auseinandersetzung, nämlich daß, nachdem er Emin in seine Provinz wieder eingesetzt hätte, neue Hilfserpeditionen ansgefandt werden müßten, die sich alle nicht bezahlt macheu würdeu (wie die englische). Hierbei unterwirft er die Handlungsweise des Pascha einer scharfen Kritik nud beschuldigt ihu des'Irrtums, die Expedition irre geleitet zu haben, verfällt aber gleich darauf iu das entgegengesetzte Extrem nud gesteht thatsächlich sciucn eben begangenen Irrtum ein mit der Erkläruug: „Man darf die Charakterzügc eiucr vertraucusvolleu, liebenden Natur, wie die Emin Paschas, nicht mit kecker Oberflächlichkeit behandeln."^) Stanley hat uidi ^t c>M verkündet, daß er Emiu gerettet habe; bisher war ihm weder die Gelegenheit noch seine eigene Lage günstig, diesen guteu Willen zn bethätigen. Zu sciuer dritteu Ankuuft am Albert-see hatte er eine solche Situation herbeigesehnt; als sie aber da war, schreckte er vor der Kühnheit seiner eigenen Gedanken zurück. Zweimal war er in seiner trostlosen Lage von Emiu aufgeholfen; anstatt nun beim !) Datiert Lager bci Mpinga,,.17. Januar 1887; weiter untcn erwähnt. -) Stanley II, S. 213 ff. Ähnlich äußert cr sich fpätcr in Vrindisi einem Vertreter des „New ^urk Herald" gegenüber: „Nichts ist von Emins Werk übrig geblieben. Man gebe mir eine folchc Streitmacht, wie er hatte, nnd ich will alles in einem Munat zurückcrlangcn." 2) Stanley I. S. 5. 4) Stanley II. S. 217. 80 dritten Mal, als dieser sich in Not befand, Gleiches mit Gleichem zn vergelten und, wie anch Iephson hoffte, die Weißen ..erforderlichen Falls mit Gewalt" zu befreien, ist er froh, nur einigermaßen selbst dem Unglück entronnen zu sein, und verspürt nicht einmal Lust, einen Vorstoß zu machen, um das Fortkommen jener zn erleichtern. Die von ihm so oft ins Treffen geführte Undankbarkeit, hinter der er mit Vorliebe seiucn Unmut zn verstecken suchte, fällt auf ihu selbst beschuldigend zurück. Dies hindert ihn auer nicht, die Sache umzudrehen und Emin mit recht undankbaren Insinuationen zu bewerfcn; deuu als der Pascha in deutsche Dienste trat, zeigte er doch ganz offen, daß er nicht einmal einen Fuuken von Dankbar--tcit in sich fühle. Stanley motiviert deshalb seine Polemik im Schlußkapitel des Iephsouschen Werkes, das jedenfalls auf seine Autorschaft zurückzuführen ist: „Wenn er (Emin) sich uur darau hätte eriuuern können, . . . daß cr uus von der Expedition ein klein wenig Dantbarbeit schuldete, so würde ich teiu Wort mehr hinzugefügt haben."') Als Stanley die Briefe aus Tunguni erhalten, übersandte er Emiu ein „wenig höfliches Ultimatum"^ in dmi er ihm ankündigte, binnen 20 Tagen sich mit ihm in Verbindung zu setzen und zugleich auf Dampfern Getreide zn senden, da die Lcbeusmittelfrnge Besorgnis errege; falls bis zum Ablauf dieser Frist kciue Nachricht zu ihm käme, werde er sich nicht mehr verantwortlich halten für das, was geschehen könnet) Indem der englische Geschäftsträger so für die Vefreiuug Emins nnr die Hand zum Schreiben eines Briefes rührte, war er fest überzeugt, daß der ehemalige Gouverneur bei dem Gedanken, wenigstens einen Teil der Seinen noch retten zn können, zu ihm kommeu würde. In dieser Gewißheit mußten sich allerdings die entgegengesetzten Pole anziehen, wenn auch die Sympathien für einander tcincgswcgs Bcrühruugspunttc auszuweisen hatten. Der Ez-pcditiuuschcf hatte jetzt, als das Übergehen der englischen Pläne genügend motiviert erschien, kein anderes Ziel mehr vor Augen, als die unentwegte Durchführung seines Hanptvlans, und diese Einheit krönt wieder den Erfolg; sie macht ihn gewaltthätig nnd rücksichtslos bis zum äußersteu. Au Iephsou schrieb Stanley einen laugen, offiziellen Brief l), nm ihm einmal die Ereignisse anf seinem Zuge nach Vanalja mitzuteilen, sodann weitere Instruktionen zn geben. Der letzte Teil dieses Briefes ist wichtig, insofern cr die Absicht verrät, den Pascha znm Abzng zn bewegen. Die darin ansgesprochene Eile ist begreiflich und erklärt die Notwendigkeit, eine bestimmte uud klare Zusage zu erhalteu, um danach schleunigst Vorkehrungen znr llberwinduug der letzten Schwierigkeit zu treffeu uud dann heimzueilen. Eine Weigerung von seiten Emius war eigentlich kaum denkbar; denn es war ihm die Wahl gestellt, nach Kawalli zn kommen, ') Icfthson S. 480. 2) Nach Casati II. S. 2M. 3) Datiert 17. Januar 1887. Stanley II. S, 118—119. Icphsun S. 371—373, Casati II. S. 1!15. Iu der a,crina,cn Frist licmcrtt Gmin, daß cr dann wahrscheinlich Stanley nicht wiedersehen werde, was dieser nicht versteht (Stanley II. ^>. 130). 4) Unter demselben Datum wie an Emin. Iephson S. 360—368. Stanley II. S. 113—117. Casati II. S. 196 — 200 (stückweise). ____81^___ um sich und einige Leute retten zu lassen oder da zu bleiben und unterzugehen^ Stanley sagt dies ganz unzweideutig mit den Worten: „Weuu der Pascha uicht imstande ist, persönlich mit einer genügenden Eskorte treuer Leute zu mir nach Kawatli zn kommen....., wird mir nichts anderes übrigbleiben, als die Munition, die wir mit so viel Mühe hierher gebracht haben, zn zerstören und nach Hanse zurückzukehren." Aber daß er dies nicht ernst meinte, sondern beabsichtigte, Emin mitzunehmen, geht schon aus den folgenden Zeilen hervor, in denen er ihn durch dasselbe Manöver, wie bei den Verhandlungen, durch das englische Angebot fort-zulocken sucht, l) Daueben erhielt Iephson noch ein streng vertrauliches Schreibens in dem Stanley, wie er so oft in kritischen Momenten zu thuu pflegte, drohte, daß, wenn er halsstarrig wäre, es ihm ähnlich gehen würde wie den Offizieren der Nachhut; er solle sofort mit seinen Sudanesen kommen und seinen Befehlen „blind ergeben nud ohne zu fragen gehorchen". Interessant ist hierbei außer den Stelleu, die wir oben berührt haben, nuch folgender Passus: „Ich will dem Pascha. ..helfen, aber er muß mir ebenfalls helfen und mir Glauben schenken. Wenn er aus seinen Schwierigkeiten heraus will, daun bin ich sein ergebenster Diener und Freund; weun er aber nochmals zögert, würde mich Verwunderung und Verwirrung ergreifen. Ich könnte ein Dutzend Paschas retten, wenn sie gerettet werden wollen ^d. h. uatürlich, wenn sie zu nur kommen). Ich würde den Pascha auf den Knien anflehen, seinen eigenen Fall zn bedenken." Wir glaubeu, daß diese Sprache deutlich genug ist: will Emin sich retten lassen, bin ich sein Frennd; will er es nicht, sein Feind, nämlich indem ich ihn gewaltsam mitnehme. Iephson suchte seiner Aufgabe gerecht zu werden, iudem er möglichst in Emin drang, ihn nach Kawalli zu begleiten, aber vergebens; der Pascha war entschlossen, mit „Festigkeit nnd Vertrauen die Entwickelung der Er-ciguisse abzuwarten".-^) Darauf versuchte jeuer uoch Selim Aga zu be^ stimmen, mit dem erwähnten Elfenbein uach Tungnrn zn kommen und den Pascha mit zu Stauley zu nehmen, nnd eilte dann, um seinen Herrn nicht dnrch längeres Ausbleiben zu crzüruen, allein nach Kawalli. ^) Emin wurde in seiner Wcigeruug, von Tnngnru uicht fortzugehen, von Casati bestärkt'), dagegen die englischen Herren legen sie ihm als Schwäche uud Uucntschlossenheit aus. Der Pascha war sehr wohl entschlossen, die Vegleituug der Expedition zu gebrauchen, wie er dem Haupt auch mitteilte''), aber nicht um allem gerettet zu werden, sondern nm uoch allen die Möglichkeit zum Abzng zu erwirken. Zn diesem Zwecke hatte 1) Stanley entschuldigt sich auch in diesem Brief, daß er nicht zur Hilfe herbeieilen könne: „Sie müssen begreifen, daß meine Lelitc nur Träger find. Sie haben den mit mir abgeschlossenen Kontrakt mit beispielloser Treue erfüllt; nun, da sie das Voot und die Waren hierher gebracht haben, ist ihre Pflicht zu Euoc." (Icphson S. 366 ff.) Diese Stelle ist im Stanleyfchen Wert ohne Vermerk ausgelassen. 2) Stanley II. 2. 117-118. Iephson 2.368 — 371. ^) Casati II. S. 201. Icphsou S. 31;t völlig cutschlosscn, das Land.,zu verlassen, um sonstwo ein Unterkommen zu finden; nicmaud denkt aber daran, nach Ägypten zu gehen, mit Ausnahme vielleicht von etlichen Offizieren und Mannschaften", uud Blies Einins aus Tunguru, 27. Januar 1«8!1 (Stanley II. S. 12!'): Ich muß „Ihnen mitteilen . . . ., das; auch eine Menge Leute den Wunsch hegen, nach dem fernen Ägypten oder uach einein andern geeigneten Ort ,zu gehen". Emin ist also unwissend ein Opfer der Ttnnleyschcn Ehrsucht geworden. Tagcgcn die Beweggründe, die zum Entsenden seiner Hilfsexpedition bestimmend gewesen, hatte er fchon von Anfang an durchschaut. Nach Pater Schynse („Mit Stanley und Emin Pascha durch Deutsch-Ostafrika") äußert er sich darüber ganz ofscn: „Ich l'in den Herren ja recht dankbar für das, was sie für mich gethan haben, aber der Endzweck der Expedition war mir bereits klar geworden, als ich mit Stanley meine erste Unterredung hatte. Machte er mir auch keine direkten Vorschläge, so suhlte ich doch sofort heraus, daß etwas andres dahinterstecke, als der einfache Wunsch, ein paar ägyptische Beamte heimzuholen." ^) Eafati II. S. 200. 2) Hierzu vergl. Iephsons Bericht (Stanley II. 2. 128): ..Ich (Emm) weiß, ich bin in keiner Weise verantwortlich für dicfc Leute, und dennoch kann ich es nicht über mich gewinnen, selbst fortzugehen und jemand zurückzulassen, der das Land zu verlassen wünscht. Ich weiß, es ist reines Gcsühl, und vielleicht ein Gefühl, mit dem Sie nicht sympathisieren werden, allein meine Feinde in Wadclai würden mit Fingern auf mich zeigen und zu den Leuten sagen: „Ihr seht, er hat euch verlassen." 83 langen Aufenthalt in: Orient ganz verwirrt geworden.!) „Das Gefühl ist der schlimmste Feind des Paschas. Emm Pascha hält niemand zurück als Emin Pascha selbst."-) Das ist das Schlagwort, mit dem diese Verkleinerer seine vornehmste Eigenschaft, die ihn nns gerade so wert macht, abzuschwächen suchen. Ja Icphson schrieb spater an seinen Ehef, als er vernahm, daß Easati gegen die Abreise von Tungnrn gewesen sei: ,.Man kocht innerlich über die Selbstsucht dieser Lente nnd über ihre Unfähigkeit oder Abneigung, die Dinge so anzusehen, wie sie wirklich sind."3) lind Stanley, der in seinen Insinuationen oft gar nicht mehr weiß, welche ncncn Vorwürfe er erheben soll, beliebt, später einmal zu erklären: wenn er die Wahrheit sagen wolle, so sei Emin vor der Macht seiner Soldaten geflohen.^) Unterdessen vollzog sich bei den Aufständischen in Wadelai eine wesentliche Änderung. Die Vernünftigen unter Major Selim Matcra snchten. der immer mehr überHand nehmenden Zügellosigkcit einen „Riegel vorzuschieben", in der Überzcngung, daß es das Geratenste sei, das Land zu verlassen, da die Stellnng nicht mehr zn halten sei; die andere Partei unter dem Hauptmann Fatcmnla intriguierte dagegen, bis, nachdem die widersinnigsten Beschlüsse gefaßt uud wider verworfen waren, beide Teile sich in der Vestrebuug einigten, sich mit Stanley in Verbiuduug zu setzen, jene, um nach Ägypten zurückzukehren, diese, um ihrem Mangel an Kriegsvorräten aufzuhclfcu. Selim, der das Oberkommando führte nnd stets Emin seine Ehrerbietung bewahrt hatte, fand keinen anderen Ausweg, als dem Pascha die Verhandlungen mit Stanley anzuvertrauen, wozu man ihn um Verzeihung für das Geschehene bat und ihn in seine frühere Thätigkeit einsetzte. ^) In Mswa übernahm Emin am 9. Februar 1889 wieder die Leitung der Geschäfte, indem er Selim znm Oberstleutnant nnd Vizegonbernenr erhob und weitere Ernennungen nnd Auszeichnungen anordnete.''^ Die Gegenpartei in Wadclni dagegen setzte, entrüstet über diese Schwäche, Selim ab, berief Fatcmnla nntcr dem Titel eines Obersten an dessen Stelle nnd verhängte über Emin nnd Casati das Todesnrteil. Diese Vcschlüsse erstreckten sich natürlich nicht über den Einflnß der Partei hinaus, und au ihre Ausführung wnrde wohl selbst in Wadelai nicht gedacht. Emin begann unterdessen die Übersiedelung aller derjenigen, die zur Heimkehr nach Ägypten entschlossen waren, von Mswa nach Usre; fast alle Anhänger Selims waren dazu bereit und schon zum kleinen Teil in Mswa versammelt. Ihr Abzug ging also ganz nnabhängig von der Entsatz-Expedition vor sich und wurde von dieser viel weniger gefordert 1) Iephson S. 380. 2) Stanley II. S. 121. 3) Stanley II. S. 13!'. 4) Auch nach ieincr Nücktehr nach Europa hat Stanley erklärt, daß Emm die Provinz aufgegeben habe, die nun von den Muhdiftcn erobert sei. 5) Easati II. S. 202—205. 6) Casati II. S. 205—206. 6* ____84____ als geradezu erschwert. ^) Stanleys Verhaltet! den Vorgängen iu der Provinz gegenüber flößte wenig Vertrauen ein, nnd seine ganze Art, wie er am See anftrat, hatte die Erregnng derartig gesteigert, daß die Dissidenten an ihrem Entschlnß zn bleiben nnbcirrt festhielten. Als Stanley hiervon Nachricht erhalten nnd später dnrch einen Brief Emius darin bestärkt wnrdc, daß „die Woge des Wahnsinns, welche das Land überflutet hat, verschwunden" sei, wurde er schon argwöhnisch, daß der nahe Erfolg noch entschwinden könne. Wie schon so oft, fühlte er sich auch hier durch die Gefahr gestählt, ihr ansznweichcn nnd, da die Verhältnisse hicrzn nicht paßten, ordnete er sie seinem Willen unter. Uni zngleich sein späteres Handeln zn motivieren, giebt er uns an jener Stelle den Eindrnck wieder, den er beim Empfang jener Knnde gehabt hatte, der aber wohl auf eine spätere Korrektion znrückznführen ist; er läßt einen ägyptischen Sohn des Veclzebnb auftreten nnd ihn nnter „donnerndem Applaus" der Rebellen, Verräter nnd Muhdisten, aus denen natürlich die Versammlung in Wadelai bestand, den Vorschlag machen, den gutmütigen Emin nm Verzeihung anzuflehen nnd wieder znm Pascha nnd Gouverneur zn erheben, allein deshalb, damit man dnrch ihn Zntritt znm englischen Lager erhalte; sobald dies geglückt, wolle man sowohl Emin wie alle Weißen und die Schätze der Expedition dein Muhdi ausliefern.-) Die Auseinandersetzung erscheint ebenso gezwungen, wie sie thatsächlich gcsncht ist. Stanley hatte doch noch kurz zuvor erklärt, die Verhältnisse in der Provinz gar nicht zn verstehen, geschweige denn, daß er die Absichten jener Len'te durchschauen könne; jetzt ist ihm plötzlich über Nacht das Verständnis gekommen. Wo man eben Entschuldigungen braucht, ist das Papier geduldig. Der Pascha war jetzt das Haupt der einen Partei geworden, allerdings zn dem alleinigen Zweck, ihr den Rückzug zu sichern, und nnter-zog sich seiner Aufgabe mit größtem Eifer, da er so der Erfüllnng seiner Pflicht nnd dein vermeintlichen Wunsche des Khediwe am besten nachkommen konnte. Hierbei war es doch wohl selbstverständlich, daß er die Leitnng über die Lentc, die ihn wieder als ihren Gouverneur auerkannten, behielt, znm wenigsten so lange, bis seine Karawane vollständig versammelt und organisiert wäre. Die Gegend von Mre am See, wo das Ver-cinignngslager von Emins Untergebenen anfgeschlagen war, paßte hierfür außerordentlich, sowohl nm die Ankommenden anfznnehmen, als um fortwährende Beziehnngen zn der Expedition in Kawalli anf dem Hochplateau zu uutcrhaltcu. Ebenso mnßte Stanley, wenn er sein offenes Programm anfrecht erhalten wollte, so lauge wartcu, bis die Vereinignng der ägyptischen Soldaten nnd Beamten erfolgt wäre. Zog er es aber vor, schon früher anfznbrechen, so hätte dies für Emins Thätigkeit keine Änderung hervorgerufen, da er den Weg mit seinen Leuten anch alleil, finden tonnte; man hatte ja Gewehre genng nnd wäre anch nach Überreichung der Kriegs-nmnition, die Stanley noch abznliefern hatte, gewiß imstande gewesen, sich auf dem Marsch selbst zu schützend) ') Casati II. S. 208. 2) Stanley II. S. 135, ff. 2) Ellsati II. S. 208—209. 85 Mit solchen Auffassungen, die auch von Casati gebilligt wurden, brach Emin zu Stanley auf, den er am 26. Februar erreichte, um das Gesuch seiner Offiziere zu unterstützen. Dieser, vielleicht noch in der Hoffnung, daß es sich um eine Handvoll Flüchtlinge handele, jedenfalls fest entschlossen, die ganze Leitnng zu übernehmen, tam ihnen höflich entgegen nnd stellte ihnen auf ihre Bitte eine Votschaft aus. um die Offiziere und Beamten in Wadclai znm Mitmarsch zu veranlassen. Diese Proklamation war, bei Lichte besehen, ein Danaergeschenk, das anch nichts anderes bezwecken sollte, als die Scharen der Mitziehenden nicht zu hoch anwachsen zu lassen. Stanley stand darin eine „anständige Frist" bis zum Auf-bruch zu, ohne sie aber anzugeben, da je nach den Umständen der Auf-brnch sofort erfolgen mnßte; alle, welche mitziehen wollten, hätten sich die Transportmittel für ihr Gepäck uud ihre Angehörigen selbst zn beschaffen mit Ausnahme Emins, Easatis und des griechische« Kaufmanns Marco, alle nicht notwendigen Gegenstände müßten zurückbleiben, und die Reserve-munition stäude nur dem Pascha znr Verfügung. Zum Schluß fügt er uoch hinzu, um sie durch sein Verhalten scheinbar einzuladen, in Wahrheit abzuschreckcu, er wünsche es klar verstanden zu wissen, daß er allein für die Auffmduug des richtigen Weges usw. verantwortlich sei, d. h. daß er allein zu gebieten habe, nnd weiter, die Offiziere thäten gut daran, bevor sie einen Entschluß faßten, eine allgemeine Versammlung zu berufen nnd die Antwort in Erwägung zu ziehen; wer Mnt nnd Mittel hätte, könnte kommen, die übrigen müßten zurückbleiben.') Also Stanley, der die Zeit des Anfbrnchcs nicht erwarten konnte und deshalb jedes Zögern tadelte, leistet hier dem Warten Vorschnb. Aber noch mehr; später ließ er, als jene Offiziere seinen Rat befolgten, sie eben deshalb znrück, worans doch sicher hervorgeht, daß er ihr Kommen so lange hinausschieben wollte, bis er genügend lange gewartet hätte, nm aufbrechen zu können. Selim hatte für Stanley die verlangten Elcfantenzähne mitgebracht nnd die Zahl nnf 60 erhöht, so daß den Geschäftsagenten doch wenigstens eine kleine Probe von dem Millioncnschatz zu Teil wnrde. „Dieser Überschuß wird ohue Zweifel von Nutzen sein", hatte Iephson an seinen lLhef berichtet2), aber als dieser 41 Zähne zur Ablohnuug der Manjematräger verwenden wollte, wiesen die sie znrück nnd verlangten als Bezahlung Zeugstoffe. 3) Später hat Stanley, um wenigstens einigen Nutzen davon zu haben, 16 dazu verwaudt, Masamboni für seine trcueu Dienste zu be-lohnen^), so daß immerhin einige in die Hände des Komitees nach London gelangt sein mögen. Das Haupt der Expedition hatte das, wie er später eingesteht, übereilte Versprechen gegeben, das Gepäck der Flüchtlinge von Mre nach Ka-walli hinauszuschaffen^'), damals wie er noch in dem Glauben befangen war, zu wenig Begleiter für den Pascha zu erhalten; als er aber sah, daß diese Wenigen eine zahllose Menge von alten Koffern, Mahlsteinen 1) Casati II. T, 211 ff. Stanley II. S. 140—145. 2) Stanley II, S. 138. 2) Stanley II. 2. 167. 4) Stanley II. S. 204. 5) Stanley II. S. 139. 146. Casati II. S. 221. 86 und allerlei Gerumpel mitbrachten, flucht uud wettert er über die „undankbaren, herzlosen Menschen", die solche Arbeit gar nicht verdienten; er betrachte diesen Trägerdienst als „einen wesentlichen Teil" seiner Pflichten gegen die „Gäste" und bedauere unr, daß die anstrengende Arbeit völlig uutzlus sei. >) Mithin soll dieses selbstlose Kalten des Versprechens wohl den Anschein einer „Rcttuug" annehmen; denn bisher war weder von eiuer Entsetzung noch Rcttnng die Rede, uud doch hat Stanley der Welt verkündet: „Anfsnchnng, Rettung nnd Rückzug Emin Paschas". Bei dem zweiten Aufenthalt am See ist es doch über allen Zweifel sicher, daß Emin die Expedition aufgesucht, gerettet und entsetzt hat, bei der dritten, daß Emin wiedermn die Kommenden anfgcsncht und mit Proviant verschen hat. Zwar sehen die Engländer die Aufsuchung Emins, wie sogar in einer Kapitelüberschrift angegeben ist'), in der Fahrt Iephsons nach Tnngnrn, aber sie vergessen dabei, daß, wenn sie wirtlich einer Knnd-schaftsreise die Erreichung des ersten Hauptziels zuschreiben wollen, nicht Iephson zn Emin, sondern dieser zn jenem gekommen ist, nnd daß dieser Bestich sich fast ebensowenig wie sein späterer im Sinn^ der Expedition als eine Anfsnchnng deuten läßt. Anderseits aber hat Stanley die Gelegenheit versäumt, bei seiner dritten Ankunft den Pascha zu befrcieu, sondern hat M) unr mit ihm vereint oder bester Emin mit ihm; denn er blieb rnhig im Lager liegen, ohne dem Pascha entgcgcnznziehen. Daß dieser damals machtlos gewesen nnd nicht allein hätte nach Sansibar ziehen können, ist anch nicht zntrcffend, da er an der spitze einer Partei stand -nnd uur durch Stauleys Drängen bewogen wnrde, seine Anhänger in der Provinz nntcr Selim sich sammeln zn lassen nud nnr mit wenigen uach Kawalli zn ziehen. Also wenn Stanley behauptet, daß er den Gun-verneur gerettet habe, so mnß dies eine ihm eigentümliche Ncttnng ohne Thätigkeit sein; vom allgemeinen Standpunkt wird man mit der schärfsten Lnpe tanm eine solche Handlnng seinerseits ansfindig machen tonnen. Hiermit aber ist nicht gesagt, daß der hochtrabende Titel im „Im dunkelsten Afrika" falsch wäre; keineswegs, man mnß ihn nnr richtig verstehen. Nämlich wie Stanley in seinem Bericht gern gewisse Stellen unverständlich oder zweideutig läßt, so hat er dasselbe Manöver, wohl absichtslos, anf dem ersten Blatt des ganzen Wertes angewandt, so daß nns gleich im Anfang in höchst bezeichneter Weise angekündet wird, wie das beschaffen sein wird, was folgt: „Anfsnchnng, Rcttnng nnd Rückzug Emm Paschas" soll nämlich im Sinne des Verfassers objektiv verstanden werden, daß er Emin anfgcsncht, gerettet habe und mit ihm zurückgezogen sei, was er aber unterläßt zu bemerken; drehen wir wieder einmal die Sache um, d.h. fassen wir „Emiu Paschas" als 6ßN6tivu8 suIiMtivu» und ergänzen zu den ersten beiden Ausdrücken das notwendige Objekt, so ist dieser Titel den Thatsachen vollkommen angemessen. Am 25. März kam ein Brief aus Wadelai an, von Z6 Offizieren unterschrieben, der in „bestimmten Worten, ohne Ostentation und Prunk" ihren festen Entschlnß ankündcte, mitzuziehen; Selim teilte mit, daß er 1) Stanley II. S. 154. 156. 2) Iephson, I. Kapitel. 87 außer seinem Anhang noch 10 Offiziere znm Abznge bewogen habe nnd allein mit 600—700 Soldaten von seiner Partei kommen würde. Der Pascha an der Spitze seiner Streitmacht bedeutete für Stanley den Verzicht anf seine Pläne sowohl hinsichtlich des alleinigen Kommandos anf dem Heimmarsch, als des Schlnßeffektes, den ihm die Führung Emins nach Sansibar in Ansficht stellte. Es wnrdc sogleich ein Nat versammelt, in dem Stanley mit der Notwendigkeit, schnell abzureisen, natürlich durchdrang, angeblich weil Fatemula und andere Rebellen den Brief mitunterzcichnct hatteu; diese aber wären Mnhdisten und wollten die Expedition dem Kha-lifcn ausliefern; wenn sie ins Lager gelassen würden, so stände zn erwarten, daß sie sich in einer Nacht erhöben, alle Munition beschlagnahmten und sie selbst vernichteten. Die englischen Offiziere schworen auf die Worte ihres Meisters, mit Ansnahme von Kapitän Nelson, der mit der Erklärung protestierte, daß der Pascha seine Pflicht bei einem so plötzlichen Abgänge verletzen müsse. Trotzdem ward der 10. April festgesetzt, eine Frist, die unverkennbar die Absicht aussprach, die große Zahl in Wadelai znrück-zu lassen,') Stanley entschuldigt sein ungeduldiges Treiben damit, daß jeder weitere Monat Aufenthalt dem Komitee 400 Pfd. St, kosten, daß seine Offiziere von der Karriere in der Armee zu lange abgehalten, und daß seine Sansibariten schon uugcdnldig würden. Alles dies war doch aber für solchen Egoisten ziemlich gleichgültig, was er hier seltsamerweise anch zugicbt: wenn er nur einen Beweis hätte, daß Selim uud Anhang es aufrichtig meinten, „dann wird es keine Schwierigkeit machen, noch einige Monate länger zn bleiben." Mithin gesteht er ein, daß der Aufbrnch von Kawalli allein davon abhängig sei, ob die Leute aus Wadelai kommen wollten oder nicht, Da er keinen Beweis dagegen hatte, dafür aber die Versicherung der Offiziere, so mußte er znm wenigsten erst eine definitive Absage abwarten, ehe er aufbrach. Aber gerade daraus, daß er dies nicht that, sondern sich von zweifelhaften Existenzen für seine Pläne passende Verdachtsgründe znrecht machen ließ, geht hervor, daß er die Antnnft jener Leute scheute. Um den gefaßten Beschluß auszuführen, wurden alle Lasten nnd Leute, die noch im Lager von U^re waren, heraufgeholt und die Vorbereitungen beschleunigt.'-) Unter den Ägyptern nnd Sudaneseu rief die Eile der Abreise Enttäuschung und Schmerz hervor, als sie sahen, daß man ihre Gefährten preisgeben wollte, ja sie murrten und erklärten, nach Wadelai zurückkehren zn wollen, um dann znsammen zu ziehen. Stanley witterte böse Absichten, Vorboten einer Meuterei nnd Verschwörung oder stellte sich nur so, da sie ihn ja zu energischen Maßregeln zwingen mnßten; >) Casati II. S. 228. Stanley II. S. 160—165. Letzterer erwähnt Nelsons Prutest nicht, sondern behauptet: „Alle Offiziere antworteten einer nach dem andern verneinend," Casati bemerkt, „es fei rein unmöglich, daß in fünf und zwanzig Tagen (bis 10. April) die zur Abreise bestimmten Leute zusammenkämen". In gleichem Sinne äußert sich später (5min nach der Aussage eines Leiters der deutschen Koloinalunter-nclnnungcn in der „National - Zeitung": er sei nur deshalb mit so wenigen Soldaten abgezogen, weil die ihm von Stanley gelassene Zeit zur Sammlung seiner Wannschaften „viel zu kurz bemessen" gewesen sei. 2) Lasati II. S. 230. 88 die Einflüsterungen einiger ägyptischer Schurken, so namentlich des von Emin abgesetzten Vizcgonverncnrs Osman Latif, sowie die Berichte seines spionierenden Dieners bestärkten ihn scheinbar in dem Glauben, daß die Leute in Wadclai sich znr Vcrnichtnng der Expedition verschworen hätten, in Wahrheit aber in der Absicht, möglichst eilig nach Süden zn ziehen, ehe die Dampfer landen konnten.') So kam der 5. April 1889 heran. Schon verlautete ganz bestimmt, daß Wadclai geräumt, und daß man ans dem Wege nach Kawalli sei, schon meldeten die Spione, daß Emin schwanke, ob er nicht auf sciue Leute warten solle, nnd daß die nngünstige Bewegung im Lager zuuehme, — die Existenz aller Pläne stand anf dem Spiel, — da war es dem unerschrockenen Meister nicht länger möglich, seine Ungcdnld zn bemeisteru; alle Selbstbeherrschung und rnhigc Überlegung war dahin, er zeigte sich jetzt, bar des Firnisses übcrtünchter Höflichkeit, so wie er von Natnr geartet war, wie ein hungriger Löwe, dem man den Weg zum Nnhm versperrt. Aufgeregt begab er sich zum Pascha, und als dieser ihm rnhig eutgcgnetc, er verstände gar nicht, wo er hinaus wollte, brach der verhaltene Ingrimm vollends los. „Werden wir nicht breit, Pascha; das ist meine Sitte nicht", brauste er ihn rücksichtslos an; dann stellte er ihm, nachdem er ihm das Wort abgenommen, das, was er jetzt hören werde, zu verschweigen, die Wahl, entweder werde er selbst mit seinen Sansi-bariten das Lager umschließen oder Emin solle, ohne daß jemand es erführe, mit treuen Leuteu sogleich nach Süden aufbrechen; Easati, Vita Hassan und Marco werde er nötigenfalls gefangen nehmen uud mitführen. Als Emin entrüstet diese Anträge zurückwies, erreichte die Wut Stanleys den Gipfel; „er stampfte mit den Füßen auf den Boden nnd rief mit fiebernder Stimme: „ttoäänm! Ich lasse Sie mit Gott, nnd das Blut, das fließen wird, mag anf ihr Hanpt fallen!'" Damit stürzte er ans dem Zelte, alarmierte das Lager, ließ alle Ansgänge besehen und trat, einen Winchester in der Hand nnd hinter sich etwa zwanzig bewafsucte Sausibaritcn, blind vor Zorn den ägyptischen Offizieren nnd Soldaten entgegen, sie auffordernd, ihn, den Wehrlosen, zn töten. Dann rief er, als alle sich znm Abmarsch bereit erklärt hatten: ......ich erinnere Ench daran, daß ich Stanley heiße, nnd daß ich nicht gesonnen bin, eine Erncucruug der Uuordnung von Düfil« nnd Wadclai zn erleben. Haltet Euch wohl gegenwärtig, daß der Anfbruch unwiderruflich auf dm 10. festgesetzt ist... Nur meine Befehle haben hier Geltung, nnd wenn einer Widerstand leistet oder Weigerung entgegensetzt, so werde ich ihn mit dieser Waffe töten nnd unter meine Füße treten."-) Dann wnrdcn die Versammelten entlassen, und der Belagerungszustand erklärt: wer sein Zelt verließ, wnrdc verhaftet, die Wachtposten verdoppelt nnd in der Nacht fortwährend Patrouillen durchs Lager gcsaudt. Dies alles geschah ') Casati II. S. 231. Stanley II. S. 1l!7 sf. 2) Casati II. S. 231—234. Die Erzählung Stanlcys (II, S. 181—1«?) schwächt die Sccnc sehr ab. Obwohl dieser die Vorsicht gebrauchte, den Pascha bcziiglich der Vorschläge zum Schweigen zu verpflichten, hat (5asati sie doch erfahren, so daß die turze Notiz Icphsuns, daß Casati „doch gewöhnlich alles zu hören pflegte, was geschah" (S. 377), wohl berechtigt sein inag. 89 bei einer Anwesenheit von 570 Personen ans der Provinz, unter denen nur einige Soldaten sich befanden, die im ganzen über 40 Flinten verfügten, während dem englischen Führer 350 nnd davon 294 bewaffnete Lentc von der Expedition znr Verfügung standen, abgesehen von dem großen Eingeborenen-Kontingent, das er zu jeder Zeit aufbieten konnte und das ihm beim Abznge in der Stärke von 550 Mann folgte.') Was hatte Stanley min mit dieser Gewaltthat erreicht? Wie gesehen, war die Mission Icphsons ein Intriguenstück, das vom Führer deshalb ins Wert gesetzt wurde, weil er als der Schwächere mit ehrlichen Waffen nichts ausrichten können. Nachdem er aber dnrch den Erfolg dieser That der Stärkere geworden war, konnte er das heimliche Spiel unterlassen nnd offen anftreten. Die Gefahr war vorhanden, dnrch Stärknng Emins einen Teil der Icphsonscheu Mühen zu vereiteln, nnd um dies zu verhüten, mußte er die Vereinigung mit Seliin hintertreiben. Znerst versuchte er, diesen abzuschrecken; als der aber trotzdem dabei beharrte, wollte er vor ihm entfliehen. Ein Konflikt mit dem Pascha und dessen Leuten war hierbei uicht zu vermeiden, da beide sich nur in der Voraussetzung nach Knwalli begeben hatten, daß ihre Brüder und Anhänger ihnm folgen uud mit ihnen zusammen heimkehren würden. Stanley erkannte das Entstehen von Differenzen und rücksichtslos, wie er einmal in Entscheidungen stets war, hat er mit einem Schlage jeden Widerspruch gedämpft und gründlich die Bahn für feinen Eigennutz geglättet. Hervorgerufen wurde dieser Gewaltakt lediglich durch die Nachrichten vom Nahen Sclims. Stauley hat natürlich ein milderndes Motiv angegeben, das nach den vorausgegangenen Ereignissen erklärlich sein soll, in Wahrheit aber nnr Mittel znm Zweck war. Seine Scheinargumcute sind schon deshalb hinfällig, weil sie sich anf die Aussagen jener Ägypter gründen, die noch in demselben Znsammenhang als „spcichcllcckcnde, hinterlistige Schurken, die Betrng uud Treulosigkeit zu ihrem Geschäft gemacht haben", hingestellt werden.-) Die „Flüchtlinge" Äquatorias waren jetzt thatsächlich von dem, der sie stärken sollte, machtlos gemacht; an eine Vereinigung mit Selim oder eine Unabhängigkeit war gar nicht mehr zu denken; ihr Wohl hing allein von der Gnade des englischen Chefs ab, nud von der stand nicht viel zu erwarten. Der Pascha war das geworden, wozu Stanley ihn schon seit Mai 1888 hatte machen wollen, eine Siegestrophäe, die seinen Triumphwagen schmücken sollte. In Kawalli befand sich Emin fast in demselben Verhältnis, wie Iephson während seiner Gefangenschaft in Düsil^. Veioe hatten wohl freie Bewegung unter den Augeu ihrer Peiniger, aber keinen freien Willen zu bethätigen, und wenn Icphson behauptet, Gefangener gewesen zn sein, wogegen Casati meint, mau habe in ihn den Gast geehrt, so weicht hiervon die Lage in Kawalli nnr insoweit ab, als man in Emin mehr, das Beutestück sah, das dem Unternehmen die Krone aufsetzen sollte. Der Pascha hätte nicht mehr zurückbleiben können, wenn er gewollt; denn er hatte sich ahnungslos in die Höhle des ') ssasati II. S. 264. 2) Stanley II. S. 187. 90 Löwen begeben, der seinen Nanb nicht wieder losließ. Ungewiß bleibt es, ob Stanley ihn direkt zum Abzüge gezwungen hat, wahrscheinlich, daß Emin weder Gelegenheit noch Möglichkeit hatte, seinen Willen zu äußern, sicher dagegen ist es, daß er bald nach dem Aufdruch seine Vereinigung mit Stanley bereute. „Herr Stanley, es thnt mir leid, daß ich überhaupt mit Ihnen gegangen bin".>) Dieser Ausspruch deutet mehr darauf hin, daß Stanley wieder das englische Anerbieten vorgebracht oder dnrch andere Anssichtcn den Pascha znm Mitgehen bewogen hat. P^re Lourdcl erzählt später Doktor Peters: „ii n'i». M8 vmün, 8wu1?.v 1'tr jN'i« (!<)uiin6 im v<»1^m'"2), worans hervorgeht, daß selbst bei den Eingeborenen die Ansicht verbreitet war, Emin wäre wider seinen Willen von Kawalli fortgeführt. Sei dem, wie ihm sei; jedenfalls zog Emin nur in der Hoffnung mit, am Viktoriascc zurückzubleiben. Schon vorher hatte der Pascha gemerkt, wie sehr der englische Agent danach trachte, die alleinige Leitung der vereinigten Expedition zn übernehmen, und hatte deshalb, nm einen Kompeteuztouflikt zn vermeiden, freiwillig daranf verzichtet nnd die meteorologischen und naturwissenschaftlichen Arbeiten übernommen. Stanley staunte, daß er so leicht zum Ziele gekommen, nnd damit nicht jemand glaube, er habe den Pascha dazn ge-zwnngen, versicherte er ausdrücklich und zugleich herablassend, daß er ihn „mit seiner Einwilligung und thatsächlich auf seinen eigenen Vorschlag" dazu „ernannt" habe.^) 4. Rückmarsch nach Sansibar. Am Morgen des 10. April 1889 brach die gesamte Kolonne nach Süden zum Albert-Edwardscc auf. Das in Brand gesteckte Lager kündete den abziehenden Sudanesen die Preisgabe ihrer Gefährten an und erregte Widerwillen und Schmerz; man wünschte lieber znrückznkehrcn, um mit den Brüdern dasselbe Schicksal zu tcilcu, als sich von den Sansibariten höhnen zn lassen uud unter fremder Willtür allen Unbilden der Reise ausgesetzt zu sein. Znerst wirkte noch die Fnrcht vor Strafe, aber schon am 25. April schlichen sich 69 Soldaten uud Diener durch die Posten und entkamen; andere Dcscrtationen, namentlich von Lastträgern, die man von befrenndeten Stämmen auf dem Valegga-Plateau requiriert hatte, folgten, su daß die Expedition in eine uuaugeuehme Lage geriet. Sobald Stanley der Ausführuug seiner Pläne nichts mehr entgegensah, wollte er anch nicht mit zn wenig „Flüchtlingen" zur Küste kommen nnd ordnete deshalb strenge Strafen für Desertation an, womit er gleich dnrch Anf-tnüpfen den Rnfang machen ließ/') Kurz zuvor hatte er allerdings erst erklärt, als Emin sich Heransnehmen wollte, gleichfalls energisch gegen Unruhestifter unter seinen eigenen Leuten einzuschreiten, daß Sansibariten ihm dabei nicht behülflich sein dürften; denn „wir find hierher gekommen, um Menschenleben zn retten, nicht nm sie zu zerstören". Er hatte offen- ') Stanley II, S. 417. Iophsun S. 432. 2) Peters T, 418. 2) Stanley II. S. 149. Casaü II. S. 221. 4) Stanley II. S. 196—19!). Casati II. S. 236—240. 91 bar vergessen, daß er nur deshalb so eilig von Kawalli aufgebrochen war, um „Menschenleben" 6ii Mci«86 ihren Feinden zn überantworten. Der Abzug der im Anfang 1510 Seelen umfassenden Karawane Vollzug sich naturgemäß laugsam, uoch mehr verzögert durch eine Krankheit Stanleys in Niangnbo, wie überhaupt auf dein gauzeu Rückzüge bei Unpäßlichkeiten des Führers die Expedition wochenlang an denselben Pnnttcn liegen blieb, während anf andere Mitglieder t'ciuc Rücksicht genommen wurde.') Wir können hier nicht auf die schmähliche Behandlung der Sudanesen, anf die fortwährenden Verluste uud Zwaugsmaßregeln eingehen, sie zeigen nns, daß den Engländern ihre „Gäste" anf dem Wege höchst lästig waren, nnd daß unter Hiutcnansetzung aller Humauen Verpflichtungen der Marsch beschleunigt wurde, ganz egal, was unter den Stockschlagcn nnd Lasten zusammenbrach, ein Fraß den Ranbticren oder eine Bcntc den Feinden. Easati giebt uns hierüber auch eine genügende Schilderung, die wohl am treffendsten englische Henchclci nnd Stanleysche Selbstsucht an den Pranger stellt. Man kommt fast in Vcrsnchung, diesen Rückzug mit dem Stlavenzug eines arabischen Händlers zn vergleichen, in--sofcru beide Mcuschcu wider ihreu Willen zur Küste schleppten, um dort aus ihucu Gewiun zn schlagen; auch die Verluste siud jcucr Art gewiß au die Seite zu stelleu: vuu etwa 600 Personen aus der Provinz übergab Stanley den ägyptischen Behörden in Kairo nur 260.-) Desgleichen ist hier nicht der Ort, auf die vieleu Iusiuuatioucn Stanleys gegenüber Emin, sowie anf das Bekanntwerden des Ruwenzuri mit seiueu haltlosen Reklamen einzugeheu'^), wir lasseu uur eiuc kurze Darstellung folgen, wie der Erpcditiousführcr seine cigeueu Pläne bis ans Ende verfolgt hat. Als den „Geretteten im Lager durch die Wachsamkeit der englischen Offiziere uud der Sausibariteu der Weg zur Flucht abgeschnitten war, suchten sie deu Marsch der Karawane möglichst anfznhalten, um ihren Gefährten, die sich schon in Mswa zum Abmarsch gesammelt hatten, Gelegenheit, sie einzuholen, zn bieten. Deshalb hatte anch ein Hauptmann sich brieflich mit Sclim Bey in Vcrbinduug gesetzt; er möge selbst vorerst mit W0 Soldaten kommen, um uoch eine Verlängerung des Wartens bei Stanley durchzusetzen. Unglücklicherweise war dieser Brief von Spähern aufgegriffen nnd Stanley übergebcu, der, die Gefahr erkeuueud, uicht zögerte, Selim Bey und Anhängern jede Wahrscheinlichkeit znm Nachkommen abzuschneiden. Mit einer erstaunlichen Findigkeit malt er wieder die alte Erzähluug aus, daß jene Leute ein Komplott anzettelten, nm die Erpedition aller Gewehre, Munition uud sonstiger Habe zn beranben, daß also „diese Leute unverbesserliche Verräter seieu" und sich mit ihnen „im Kriegszustande" befänden. Gleichsam zum Beweise seiucr Erklärung trifft der ehrliche Schukri Aga, Kommandant von Mswa, mit zwei Leuten ein, nachdem ihm 18 entlaufen waren. „Eines Kommentars bedarf das nicht." ^) ') Peters S. 520. 2) Stanley II. S. 423. ^) Hierbei verweisen wir auf die kleine Schrift von Prof. Kirchhofs „Emin und Stanley", die der Pascha selbst bereits gelesen hat, wie aus einem jüngst veröffentlichten Brief von ihm aus Bukuba hervorgeht: „Es ist lesenswert." ^) Stanley II. E. 203. 92 Gewiß nicht, Herr Stanley, wer so mit den armen Flüchtlingen nmgeht, dcch diese in ihrem Herzen der Stunde flnchcn, „da sie ihr Ohr dein schmeichlerischen Angebote der Nettnng geliehen hatten"'), der kann sich nicht wundern, daß ihre Brüder bei der Anssicht, ähnliche beiden nnd Mühsalen zn ertragen, es vorziehen, ins Ungewisse oder ins Elend zu gehen. Bei der dringenden Gefahr, daß es Selim mit einer ansehnlichen Begleitung, die nach einer Nachricht schon bis znm Lager am See vorgedrungen sein sollte, gelingen können, ihn zn erreichen nnd seine Pläne zu dnrchkrcuzeu, giebt Stanley, obwohl er wegen seiner Krankheit noch nicht gehen konnte, doch schon am 8. Mai den Befehl znm Weitermarsch, was er sonst nie that, indem er immer noch henchclt, genügend gewartet zn haben. Wie berechtigt die Eile war, erkennt man noch an demselben Tage, als man von Boten Selims eingeholt wurde. Alle Beamten und Soldaten, die znm Abzüge entschlossen seien, hätten sich in Mswa versammelt uud flehten, anf sie zn warten, da „der gänzliche Ruin ihnen ins Antlitz starre"; Fatcmnla hätte mit seiner Partei die Kriegsvorräte in den Magazinen beschlagnahmt und wäre nach Makraka gezogen, so daß sie selbst, aller Vertcidignngsmittel entblößt, unvermeidlich niedergemacht würdeil, sobald sie von Kabrcga oder den Eingeborenen auf dem Wege angegriffen würden. Stanley zwingt sich zu einem Lachen nnd erklärt, um konsequent beim Thema zn bleiben, alles für Henchclei nnd Schein; Selim hätte seinen Schwnr gebrochen, weil er znerst die Mitziehenden in Wadelai gesammelt nnd dann nach Mswa gebracht hätte, anstatt es umgekehrt zu thun, trotzdem hätte er noch genügend Zeit znm Mitmarsch gehabt, aber sie nur nicht benutzen wollen. Sein Entschluß war natürlich sogleich gefaßt, weiterzuziehen und jene dem Verderben preiszngcben. Der selbstbewußte Ton, in dem Selim Bey antündete, es wäre schmachvoll, daß „ägyptische Offiziere nnd Soldaten in Lasttiere" umgewandelt wären, nnd daß er die Sache streng untersuchen würde, bestärkte Stanley noch mehr darin, der drohenden Gefahr zn entfliehen. Immerhin wollte er den Schein seiner Mission wahren nnd forderte die Ägypter anf, ihre Reise nnr zn be-schlennigcn, er würde nntcrdes langsam wcitermarschicrcn nnd jenseit des Scmliki ein paar Tage warten. Denn, erklärte er, „sowie ich einmal zwischen mich und sie eine derartige Reihe von Hindernissen gelegt habe, wird für die Expedition kein Grund znr Befürchtung mehr vorhanden sein".-) Stanleys wahre Absicht ist hierbei unverkennbar, wie sehr er nnd seine Offiziere sie anch verbergen wollen. Indem er den Buten die Unmöglichkeit, ihn zn erreichen, auseinandersetzte, lnd er sie spöttisch nnd herausforderud ein, doch zn kommen, und indem er ihnen einen ägyptischen Hauptmann sandte, der mit seiner ans 15 Personen bestehenden Familie den Mühsalen der Reise erliegen mnßte, suchte er sie vom Weitermarsch abzuschrecken, nachdem er schon vorher jede Unterstützung an Munition ihnen verweigert hattet) Zwar besaß die Expedition noch 62 Kisten, die sie gar nicht alle fortschaffen konnte, aber nm diese nicht in die Hände y Casaii II. S. 242. 2) Casati II. S. 247. 2) Casati II. 2. 241—245. Stanley II. S. 204-207. 93 dcr Ägypter fallen zu lassen, denen sie doch im Auftrage des Khediwe übergeben werden sollten, wurden auf Befehl der Führers alle Kisten, für die kein Träger mehr anfzntreiven wareu (25 Kisten), heimlich vergraben.') Eine Entschuldigung für Stanley giebt es hierbei nicht, was er anch durch seine Widersprüche wider Willen eingesteht. Schon daraus, daß Selim Bey sich von den Dissidenten getrennt, trotz der Intriguen der Gegenpartei die für den Rückmarsch Entschlossenen in Wadelai gesammelt und nach Mswa überführt hatte, geht seine ernste Absicht hervor; denn wenn Stanleys angeblicher Verdacht begründet wäre, würde in erster ^iinie Fatemnla mit Genossen ihn znr Herausgabe der Munition zu zwingen versucht haben, oder man würde einmütig gegen ihn, zum wenigsten zuletzt, aufgetreten sein. Aber gerade daß dieser nach Makrata zog, obwohl er nach den englischen Schätzen gelüstete, beweist zur Geniige, daß Selim mit den Gemäßigten daran festhielt, zurückzukehren, und daß deshalb die audcrc Partei ihr Vorhaben gegen Stauley nicht znr Ausführung bringen konnte. Daß die Erpedition nach dem Aufbruch vou Kawalli uur kleine Wegstrecken zurücklegte uud öfter tagelang liegen blieb, läßt sich nicht bestreiten, noch viel weniger aber der Umstand, daß, sobald mau vou Sclims Nahen hörte, sofort alle Segel eingesetzt wnrden, um die Entfernung vom See zn vergrößern, ohne weiter zu beachten, was am Wege liegen blieb. Die Ägypter wareu erst am 22. April in Mswa eingetroffen, uud als diese Nachricht am 8. März die Expedition erreichte, glanbtc sie genug gewartet zu haben, nnd eilte schleunigst oou dauueu. Außerdem wäre es in andetracht der Weiber uud Kinder, der immer zahlreicher werdenden Kranken uud überlasteten Träger dringend notwendig gewesen, einen bcqncmcn, weuig austreugenden Weg zu wählen, der den feindlichen Angriffen uicht alisgesetzt wäre. Ein solcher bot sich an der Westseite des Zemliti.durch das Gebiet von Walcgga, wo man an einem südlichen Punkt dcu Übergang über diesen Fluß uach Usougora bewerkstelligen nnd ohne größere Terrainschwierigkeiten am Norden dcu See Rnitan (Albert-Edwardsee) entlang ziehen konnte. Von hier wäre eine Vesteignng des Nnwcnzori (Wirika) vielleicht auch möglich gewesen, wenn auch die Erforschung nicht sehr umfassend von der Südseite aus vorzunehmen war. Stanley war anch noch im Zweifel, ob er diesen Weg wählen solle, oder jenen, dcr von Mbuga aus sogleich über den Scmliti und vou da über zahlreiche Ausläufer der Gebirgskette und Wasserläufe nach dem Albert-Edwardsee führt, auf dem man also die Westseite des Nnwenzori kennen lernte- gab aber, als er von Selims Entschluß hörte, sofort dem schwierigen Weg den Vorzug, der einen fortwährenden Kampf mit Hemmnissen der Natur uud feindlichen Bauassura in Aussicht stellte, dagegen den Vorteil bot, daß Selim nicht folgen konnte.'») So wurden die Soldaten Äqnatorias von der Expedition, die ihnen zur Hilfe kommen sollte, ihrer Verteidignngsmittel beraubt und ihren grimmigsten Feinden anf Gnade nnd Ungnade preisgegeben. Stanley berichtet darüber ganz gleichgültig: „Was aus ihm (Selim Bey) geworden ') Casati II. T. 239. Stanley II. S, 203. 2) Casati II. S. 246-247. 94 ist, haben wir nie erfahren, nnd es ist auch nutzlos, Mutmaßungen darüber anzustellen."') Daß Emiu gegen die Beschlüsse seiner „Netter" seine eigene Meinung nicht geltend machen durfte, geschweige denn, daß er das Los seiner Lente im Lager mildern tonnte, bedarf kaum der Erwähnung. Ebenso wie sein Gebieter dnrch die englische Waffengewalt jedes freien Entschlusses beraubt und nur für Englands Grüße da war, so war auch er durch Iutrigueu iu ihre Gewalt gckommeu, nm allein seinen Peinigern zn dienen. Das Verhältnis der Personen war dasselbe, wenn auch ihre Wirksamkeit voneinander abwich, insofern Stanley seine Arbeit noch gründlicher als Glad-stoue vollendet hatte. Nach Beseitigung der letzten Gefahr waren die Engländer im Lager unbestrittene Herren der Situation, nnd anch ihre Werkzeuge, die Sau-sibariten, suchten ihrer Aufgabe als „Befreier" möglichst gerecht zu werden, iudeul sie ihre Schützlinge mit Übermut und Verachtung, ja mit jeglicher Gewaltthat behandelten. >) Als man nach Ost-Uujampaka am Nordostende des Albert-Edwardsee kam, stand man vor der Wahl, welchen Weg man nach der Küste einschlagen solle. Es gab drei Straßen, dnrch Uganda, durch Aukori und durch Nuauda, vou denen die erste die kürzeste, die letzte die weiteste war. Stauley wählte ohne jede öffentliche Motivierung die mittlere, dnrch Ankori (Nkoli, Vusagalla), unch dem Süoende des Ukcrewe, also eben jene, vor der er sich im Anfang des Jahres 1887 wegen der 200000 Spccrträger (?) gefürchtet hatte. Ja sogar, um selbst seine frühereu Beweise vou der Uuzweckmäßigtcit der üstlicheu Route zu widerlegen, behauptet er jetzt, daß er mit 50 Sausibariten seiueu Weg durch diese Wildnis finden könne, aber daß es mit soviel Ballast beschwert unmöglich sei.-5) Trotzdem, gleichsam um das Unmögliche möglich zu machen, tritt er diesen Marsch an uud zeigt uns so schlagend, daß er uus im Anfang seiner Expedition aus gewissen Gründen etwas vorgeflunkert hat. Später auf dem Wege durch Karagwe versucht er noch eine Motivierung seiner frühercu Wahl mit der Erklärung, daß er hier wohl 1887 keinen friedlichen Mcn-sä) gehabt, daß vielmehr die Ereignisse des Jahres 1888, die Revolution nnd Gegenrevolution in Uganda, erst die Bahn für eiueu friedlichen Durchmarsch geebnet hätten.^) Offenbar hat Herr Stauley das Gefühl, daß er mit diesem Rückmarsch selbst den Gegenbeweis seiner früheren Ansichten angetreten ist, uud will sich nuu anständig aus der Affaire zieheu. Aber warum wählte er dcuu gerade diese Straße uud uicht den englischen Plänen entsprechender die nach Uganda, gauz abgesehen von der dritten; doch nicht allein deshalb, nm in Makulo (anstatt in Msalala) sich mit Tauschartikelu zu vcrsehcu, wie mau schou früher beabfichtigt hatte. 5) Wir glaubeu, uach den obigen Erörterungen liegen die Gründe auf der Haud. Ein Zug durch Uganda kounte für die wahren Ziele der Expedition ») Stanley II. S. 207. 2) Casati II, S. 243. 2) Stanley II. S. 326 — 328. Casatr II. S. 253. 4) Stanley II. H. 373. 5) Stanley I. S. 73. 95 doppelt erfolgreich werden und war mit keinen größeren Schwierigkeiten verbunden als die anderen Wege; denn einmal hätte mau Uganda gleich für England gewinnen tonnen, was bei den dortigen Wirren nicht schwer fallen würde, und zweitens hätte man die Expeditionen der britisch-ostafrikauischcn Gesellschaft, die in Kawirondu oder in der Nähe warten mußten, mit ihren reichen Hilfsmitteln an sich ziehen und die Gründling des nenen Reiches mit der Gewinnnng des ganzen Nordens nnd Westens vom Ukerewe beginnen können. Stanleys Rnhm wäre mit dieser That gewiß wesentlich erhöht, viel mehr, als dies anf dem südlichen Weg der Fall war; aber was nützten ihm die vorübergehenden Ehrenbezeigungen, wenn ein anderer die Frucht seiner Arbeit ernten sollte! Emin wäre der Gonveruenr dieser ncnen Schöpfung geworden, lind Emin stände daucrud im Mittelpunkt aller Lobeserhebungen und des gauzeu Interesses, das Europa an Zcntral-afrika nehme, wogegen er selbst sich mit dein schwindenden Abglanz ehemaliger Größe begnügen müsse. Ferner, war diese Aussicht wirksam genug, um ihu den Hauptefsett vergesseu zu lassen? Mit nichten — der Pascha mußte uuter allcu Umständen dazu dieucn, daß er retlamchafchend die enropäische Presse mit unglaublichen Helden- und Rettuugsthaten überfülle. Möglich ist es auch, daß zu dieser Wahl die Furcht Stanleys beigetragen hat, sich in Uganda in endlose dämpfe zu verwickeln und später allein durch Kikuju hcimzuziehcu, wo er sich nach seiner eigenen Äußerung nur mit 1000 Europäcru hiutcr sich durchwageu würde.') Sein etwas ängstliches Gebahrcu auf dicfcr Expedition, wie er mit Peinlicher Sorgfalt allen Feindseligkeiten eingeborener Stämme entweder dnrch Um-gchnngen oder dnrch schmähliche Tributzahlungeu aus dem Wege geht, rechtfertigen jene Annahme. Ganz haltlos dagegen ist die Verteidigung, daß der Köuig Mwauga der Mörder des Bischofs Hanuiugton sei, folglich kein Freund der Eugläuder seiu dürfe.'-) Man höre: Stanley, der sich einst glücklich geschätzt, Tippn Tib, Kipanda nnd andere „Erzböse-wichtc" seine Frennde zu nennen, appelliert an die englische Ehre. ^) Der Expcditiouschef zog die Noutc dnrch Ankori vor, nicht, weil fie weniger gefährlich war, sondern weil sie seinen Plänen mehr entsprach. Dabei ließ er Emin immer noch in dem Glauben, daß er um den Ukerewe südöstlich herum nach Kawirondo ziehen werde. Anf diesem Rückzüge kam er, wenn auch lange nicht iu dem Maßstabe, wie er es auf der nörd-lichen Route hätte thun können, den Anfträgen oder geuauer deu Wünschen der englischen Regierung und Gesellschaft nach, denen vor allem das Zurückdrängen der deutschen Konknrrcnz von der Verbindung zum Sudan am Herzen lag, uud' schloß mit deu Häuptlingen bezw. Köuigeu jener Gegenden Verträge ab, die sich etwas über 1" s. B. nach Süden cr- ') Peters S. 208 ff. 2) Stanley II. S. 327. 2) Stanley that dies öfter; mit Vorliebe zitiert er z. V. den Ausspruch Tennysons: „Wie oft war nicht in Großbritanniens Geschichte Der Pfad der Pflicht zugleich der Weg zum Nuhme." und zwar I. S. 124, um den armen Varttclot in die Falle zu locken; I. S. 474, um daZ Hineinlaufen als nicht ehrenhaft zu bezeichnen. 96 streckten, aber doch nur die der Marschroute angrenzenden Distrikte nm-faßten. Diese Abmachungen sind nicht veröffentlicht worden, in dem Reisebericht überhaupt nicht als völkerrechtlich erwähnt, aber spater bei den Verhandlungen mit Deutschland von Hedentuug gcwordeu. Nach dem Verhältnis zwischen dcu Eingeborenen nnd der Karawane zu urteilen, sind solche vor allem mit dem gastfreuudlicheu Könige Autari (Ntali) von Antori abgeschlossen, welches 'in der Marschrichtung sich vom Albert-Edwardsee bis zum Alexandra-Nil Mdschera, Kagera) erstreckt nnd das sich wohl südlich des 1." s. B. ausdehnende Mpororo umfaßt. Die Schilderung Stanleys weist zweifellos darauf hin; so z. B. das Entgegenkommen des Königs, der die große Karawane auf dem langen Marsch dnrch sein Laud verproviantiert nnd Freuudschaftsbezeuguugeu mit ihr austauscht, die famose Lobrede des Führers, der eiucm nuschciueud nicht mitciuverstaudeueu englischen Offizier die Schönheit nnd Rentabilität des Landes plausibel macht, endlich die Blutsbruderschaft, die der Throuerbe von Antori mit Stanley schließt. Bei letzterem Akt muß der Vertrag abgeschlossen seiu, der englische Bericht läßt es uus mit ziemlicher Sicherheit erraten: einmal wird augedeutet, daß der König Antari seineu Sohn schickte, um außer der Blutsbrüderschaft auch „eiuen Vertrag abzuschließen", ferner sobald die Zeremonie vorüber war^ faßte der Prinz Stanley an der Hand nud zog ihn in dessen Zelt, „wo wir lächeln uud froh ausschauen mnßten. ... Ich erfreute sein junges Herz mit einigen sehr feinen Stoffen aus Kairo nnd einem Halsband aus großen, schönen Perlen, das die ägyptischen Frauen und oer Pascha beigesteuert hatten, uud gewann mir damit im Sturm seine Znneiguug." ..Man merkt die Absicht uud wird verstimmt." Der arme Emin mußte wieder für Euglauds Eigennutz zahlcu. Dauu wurden Geschenke getauscht, gefeiert, uud zur Ehre des Tages fünf Salven nud eiu Hagel von Geschossen ans dem Maximgeschütz abgefeuert, um den Eingeborenen Achtung vor der englischen Macht einznflößcn. Stanley schließt diese Szene ganz harmlos, daß er nun als Sohn des Königs öffeutlich anerkannt sei uud sich überall iu Ankori niederlassen, sowie alle Pflauznugeu betreten könne. „Außerdem schwor der Prinz im Namen seines Vaters, der ihm dies aufgetragen hatte, daß in Zukunft alle Weißen, die nach Aukori kommeu wollten, eine Empfehlnug von mir haben müßten, dann aber auch dieselbe freundliche Aufnahme finden würden, wie ich persönlich." Der Vertrag ist demnach wohl ziemlich sicher zu datieren: Namiandja, 23. Inli 1889. l) Weiter nach Südostcn scheinen auf dem Marsch keine Verträge abgeschlossen zn sein: der Einfluß der Araber und der Küste machteu sich jetzt geltend. Anstatt Erstaunen uud Entgegenkommen oder Angst nud Achtung fand die Expedition uur noch Mißtrauen, Belästigungen und offene Angriffe. Die Bevölkernng wurde kühuer uud suchte die Expedition nach Möglichkeit auszunutzen. Iu Karagwe uud deu östlichcu Gebieten war eine Gewiunnng für England schon wegen der Abhängigkeit und steten Furcht vor Uganda ausgeschlossen, während im Süden des Ukcrewe y Stanley II. S. 328—345. 97 Stanley, im Zickzack um jede Gefahr herumziehend, froh war, wenn er mit heiler Haut und Erleichterung seiner Lasten davonkam. Dagegen war vorher das Land vom Albert- bis zum Albert-Edward-see wohl für England gewonnen. Schon im Lager von Kawalli hatte Stanley mit 15 Häuptlingen ein Bündnis abgeschlossen, welches die Gegend vom Itnri bis zum Albertsee umfaßte. Danach machte er sich anheischig, die Eingeborenen gegen die räuberischen Verg-Valegga und Warasura Kabregas zu schützen, wogegen jene ihm „regelmäßige Kontributionen an Getreide nnd Vieh liefern, die Regierung des Laudes überlassen", Krieger und Träger auf seinen Befehl stellen mußten usw.') Dieser Vertrag erstreckt sich zum Teil ans Gebiete, die von der Berliner Konferenz dem Kougostaat zugesprochen sind; wir betonen sie trotzdem, da sie später noch einmal Geltung erhalten können nnd die Gestaltung dieses Staates uns noch nicht abgeschlossen erscheint. Ferner wurde den Engländern die Unterwerfung der Walondju und Wasongora nördlich des Albert-Edwardsees versprochen, wenn sie „einen Vertrag oder ein Abkommen mit ihnen schließen" wollten. „Ich habe das Anerbieten angenommen."'') Die Siege über die Beutejägcr Kabregas veranlaßten überall, wo diese ihr Unwesen trieben, die Eingeborenen, den Schutz der Sieger anzurufen, und dieser wird wohl bereitwilligst zugesagt sein. Daß diese Abmachungen auf die englischen Interessen ausgedehnt wurden oder von Stanley übertragen werden tonnten, ist als selbstverständlich anzunehmen. Wir werden am Schluß uoch einmal auf diesen Punkt zurückkommen. Wenn schon allein der Weg dnrch Uganda für England viel vorteilhafter war, als die Verträge auf der mittleren Rollte, ganz abgesehen davon, ob der Mtesa sogleich gewonnen wnrde oder nicht, so wnrdc diese Wahl eine Notwendigkeit, als man in Ankori von den Verhältnissen in jenem Reiche hörte. Ugandas Bedeutung bcniht im wesentlichen auf drei Vorteilen, deren Gewinnnng für England notwendig, für Deutschland erwünscht ist. Erstens ist es der größte und stärkste innerafrikanischc Staat in den Seengegenden, von dem aus und mit dem der Ausdehmmg einer Machtsphäre keine namhaften Hindernisse entgegenstehen, noch dazu da es gerade iu der Gegend gelegen ist, wo der Einfluß von der Küste aufhört, und natürliche Wege nach alleil Richtungen ins Innere hinweisen. In starken Handen zeigt sich Uganda als eine Hochburg zur Vewachuug der gesamten Nilqucllen. Zweitens ist es ein Hauptstapelplatz, zu dem die verschiedensten Landesprodukte des ganzen Scengcbiets zusammenfließen, und beherrscht mit seinen tribntären Ländern, die den größten Teil des Ukerewe umfassen, ocn See, so daß der Besitzer Ugandas den Handel leicht an sich reißen nnd in seine Interessensphäre hineinziehen kaun. Drittcus bildet es die Brücke zum Sudan von Ostafrika aus. Diese Punkte mußten später zweifelsohne für die beiden beteiligten Mächte einen Konknrrcnzstreit hervorrufen und zwar für England noch ') Stanley II. S. 146. 147. 159. 2) Stanley II. S. 262. Jaeger, Die Stanlcysche Emm-Expedition. ____98____ viel mehr, da es mit dem Verlust Ugandas in Kawirondo Halt machen und in Ostafrika nnr eiuc uubedeuteude Nulle spielen tonnte. Von London aus hatte man anch schon in richtiger Erkenntnis und Würdigung jener starken Position gleich nach dcm näheren Bekanntwerden dieses Landes dnrch Stanley Fühlhörner in der Gestalt von Missionaren hingeschickt, um den Boden für die englische Politik zn ebnen. Außerdem waren noch französische Missionare dort thätig, die aber keine nationalen Interessen vertraten nnd die bekanntlich bei der Wahl der Kongoronte mit ansschlag' gebend gewesen sein sollten. Beiden Missionen war es gelungen, eine christliche Partei zn gründen, die sich später, als sie die Oberhand bekam, in protestantische nnd katholische Christen spaltete. Im Jahre 1888 waren in Uganda Wirren ausgebrochcu ^), von denen Stanley in Aukori hörte. Mwauga, Sohn Mtcsas, hatte nämlich gransam gewütet, die Missionare vertrieben und ihre Glaubensgenossen verfolgt, bis die Christen sich mit den Mohammedanern verbanden und ihn verjagten. Darauf war sein jüngerer Brnder Kiwewa (Kawira) im Triumph zum Herrscher ausgerufen, aber schon nach knrzcr Zeit, da er die Beschneiduug verweigert, vou seinen Mohammedanern erschlagen. In dieser Rebellion kamen alle Mitglieder der königlichen Familie um, mit Ausuahme eines „schüchternen und unerfahrenen Jünglings", Karema, der nun „als das Scheinbild eines Königs" den Thron bestieg. Dieser, ganz in den Fesseln der Mohammedaner, begann eine bittere Verfolgung der Christen, die, in der vierten Schlacht besiegt, sich nach Ankori und Uddu flüchteten (nach Stanley 4500 (?)). Unterdessen war der entthronte Mwanga nach langen Irrfahrten zn den von ihm vertriebenen, französischen Missionaren nach Bnknmbi, am Südendc des Sees, gekommen, wo er mit Verzeihung nnd Schntz empfangen, als katholischer Christ getauft und als König von Uganda anerkannt wnrde. In Verbindnng mit dem englischen Händler Stokes kam er nach Udon, wo sich ihm die vertriebenen Christen als Unterthanen anboten, uud begann den Kampf gegen Karema. Znr Zeit hatte Mwanga alle Inseln im Ukerewc besetzt uud gebot über die ganze Flotillc (mehrere hnndcrt Kanoes), während sein Brndcr noch uneingeschränkt das Festland beherrschte. In Stanleys Lager uach Ankori kamen zwei Abgesandte der christlichen Partei mit der Bitte, sie zn unterstützen nnd Mwanga anf den Thron von Uganda wieder einzusetzen. War wohl eine bessere Gelegenheit möglich, die dominierende Stellung am Utcrewe zu gewiunen, noch dazn da Stanley soviel Kriegsvorräte znr Verfügung hatte, daß er sie gar nicht alle mitführen konnte? Die Expedition hätte ja nnr eine kleine Trnppc mit Muuitiou deu Bedräugteu zur Hilfe zu schickeu brauchen, nnter der Bedingung, daß Mwanga das englische Protektorat annahm, während sie selbst ungestört nnd im Überfluß beim schon gewonnenen König Antari liegen blieb. Allerdings hätte dieses Unterstützungskorps vou Stanley selbst kommandiert werden müssen; denn anders litt es sein Ehrgeiz nicht, aber eine solche That hätte auch gewiß mit den hnmanen Zwecken der l) Stanley II. S. 333 — 337. 345) — 347. Cafati II. S. 256 - 257. Pctcrs S. 296 — 300. ____99___ Expedition im Einklang gestanden, da sie sich ja vorgenommen hatte, alles, was sich in Not befand, zu entsetzen. Fast jedes Risiko siel fort, man hätte nur gewinnen können. Uganda bot sich dem britischen Löwen selbst zur Beute an, ein festentschlossenes Heer, dessen Existenz von dem Siege abhing,^ stand bereit, sobald es unterstützt wurde, für Albion die Perle Innerafrikas zn erobern — welcher echte Sohn dieser stolzen Natiou hätte da noch gezaudert und nicht vielmehr mit voller Hand zugegriffen. Vom christlichen Standpunkt war das Eingreifen eine moralische Pflicht, vom politischeu eine dringende Notwendigkeit, aber vom Stanleyschen eine schwere Wahl. Der Expcditionschef erkannte sehr wohl die weittragenden Folgen, oaß er den englischen Interessen den größten Sieg erringen, den deutschen eine empfindliche Schlappe beibringen könnte, aber cr war sich auch derselben Erwäguugeu bewußt, wie cr sie iu Ost-Unjampaka bei der Wahl des Heimmarsches gehabt. Sollte cr seinen Auftraggebern die größten Chancen, sich selbst einen nicht übermäßigen Ruhm gewiuuen oder uur allein das eine Ziel unentwegt vor Augen behalten, seinen Ehrgeiz in inüuitmii zn befriedigen, derart daß jedes andere Interesse anf dieser Expedition fortfiele, als das, was sich ewig an seine Person knüpfe? Das cntschlußfcste Wesen des sonst nie Verlegenen schwankte; er erklärte den Abgesandten, sich die Sache überlegen zu wollen und ihnen in der Nähe des Alexandra-Nil, wo geuügeud Lebcusmittel für die zurückbleibende Karawane vorhanden wäre, und cr immer noch nach Norden abbiegen konnte, eine definitive Antwort zu geben; uutcrdcssen sollten sie sich über die Lage und Machtmittel Mwangas gcnan informieren und forschen, „ob Nachrichten von Herrn Stockes eingetroffen feien". Die Aussicht schien also Stanley so verlockend, daß er einen Answeg suchte, nnd da die eigenen Pläne ihn bewogen, seine Siegestrophäen nach Sansibar zn schaffen, fu war cr wohl gesonnen, einen Abstecher nach Uganda zn machen. Notwendig war es hierbei, daß Emiu ihm sicher blieb, d. h. daß cr unter seinem Schutz zur Küste zog. Wie war das aber möglich? Entweder der Pascha blieb bei der Haupttarawane in Karagwe, oder Stanley nahm ihn mit nach Uganda. Im ersteren Fall wäre Emin mit seinen Leuten die mächtigste Partei im Lager gewesen nnd hätte, da er nur gezwungen mitzog und öffentlich erklärt hatte, er wolle bei den Missionaren am Südeude des Ukerewe zurückblcibeu, thun können, was cr wollte, also ruhig weiter nach Kawirondo ziehen; jedenfalls würden die zurückbleibenden cuglischcu Offiziere nicht so rücksichtslos mit ihm verfahren, wenn der Pascha auf seinen Abmarsch bestände, als cr sclbst cs gcthau hätte. Im zweiten Fall war es sicher, daß die Expeditionen der britisch» ostafrikanischcn Gesellschaft von Osten nach Uganda vordringen und die Vereinigung mit ihm anstreben würden; dauu aber wäre Emin sogleich in Uganda oder Kawirondo eingesetzt. Beide Eventualitäten konnten also sehr leicht anf einen Verlust des Haupt- und Schlußeffekts auslaufeu. Die Losung war: Stanley oder Emin, und da kounte die Wahl nicht lange zweifelhaft sein. Wenn er aber behauptet, daß er erst seine Pflicht erfüllen müsse, den Pascha nebst Gefolge in Sicherheit zu bringen, so bedarf es keines Kommentars, nm darin einen Vorwand zu erkennen; dagegen hat er mit dieser Bemerkung ganz recht, wenn er die Pflicht gegen seinen Ehr- 7* 100 geiz meint, obwohl er sie in diesem Sinne wohl nicht verstanden wissen will. In seinem Bericht hält der englische Agent eine lange Verteidigungs-rede, die schlagend beweist, daß er eingreifen mußte; trotzdem erklärt er den Hilfesuchenden, es sei nnmöglich. Nach einer andern Quelle (Doktor Peters) hat er, als Emin in ihn drang, das Gesuch anznnehmen, die Unterstützung mit den Worten abgelehnt: „Dazu sind wir viel zn schwach; Sie kennen Uganda nicht, wenn Sie meinen, mit nnscrer Macht lfast 1000 Mann! während Doktor Peters mit 50 Mann hineinzog) könnten wir nach Uganda ziehen." Möglich, daß dem alternden Manne die Gefahr zn nnbeqncm war, aber entscheidend war diese unsinnige Bemerkung keineswegs. Als Emin diesen Entschluß hörte, erbot er sich mit seinen wenigen Leuten, den Christen zur Hilfe zu ziehen. Da aber soll Stanley aufgefahren sein. „Zn solchen Eigenmächtigkeiten habe der Pascha kein Recht mehr, er werde ihn nntcr Bewachung setzen lassen, falls er versuchen sollte, einen derartigen Plan znr Ansführnng zu briugeu. Er, Stanley, sei verantwortlich für die sichere Rückkehr des Pascha und seiner Leute nach der Küste, und ohne Befehl der Königin von England sei er nicht gewillt, in Uganda sich einzumischen."') Eines Kommentars bedarf das weiter anch nicht; wir fügen nur aus dem naiven Bericht des „jungen Iephson" hinzu, daß auf dem ganzen Rückmarsch die Vorsicht gebraucht wurde, Emin mit seiner Familie stets zwischen zwei Kompanien marschieren uud mehrere bewaffnete Träger seinen Dienern beim Tragen des Gepäcks helfen zn lassen.-) Später sandte Mwauga noch einmal eine Dcpntation nach dem Süd-endc des Ukcrewe, um Stanley noch dringender um Beistand anzuflehend) Die Expedition aber hatte schon vor einem Monat Usambiro verlassen. Hierans geht hervor, daß Mwanga wohl zu allcu Zugeständnissen bereit gewesen wäre, was der eifrige Missionsagcnt Mackay nm so mehr wird bedauert haben, als ein Eingreifen der Engländer damals seine aufreibende, aber vergebliche Thätigkeit in Uganda gekrönt hätte. Die Erpedition zog mit ihrem Ranbe weiter. In Karagwc wnrden wiederum einige Kisten Kriegsvorräte, die man nicht weiter schaffen tonnte, in den Urigisec versenkt.') Man muß., es dcu englischen Geschäftsträgern lassen, daß sie das Geld des armen Ägypten im wahrsten Sinne auf die Straße geworfen haben. Ende Anglist traf die Kolonne in Usambiro ein, wo sie sich beim Missionar Mackay in der englischen Missionsstation Makolo nen verproviantierte. Hier mnßte Stanley anch die letzte Schwierigkeit überwinden, Emin znm Marsch an die Küste zu bewegen. Er that dies in seiner gewohnten, rücksichtslosen Weise, indem er den Pascha als das behandelte, was er wirklich war, als einen Gefangenen, der keine eigene y Peters S. 326—328. „Magazin" Jahrgang 1890, Nr. 45, S. 698. Stanley verschweigt natürlich derartige Gewaltakte. 2) Icfthsmi S. 432. 2) Brief MackayZ an Stanley (II. S. 386—388), Ufcunlnro, 5. Januar 1890. 4) Casati II. 3. 264. Stanley II. S. 374. 101 Meinung äußern, geschweige denn Protest erheben konnte. Er erklärte ihm,^ daß er nach der Küste marschieren müsse, um den Vertrag mit der britisch-ostafrikanischcn Gesellschaft „perfekt zu machen", auch könne er „ohne ausdrücklichen Befehl der Königin von England" sich nicht in die Ugandawirren einmischen.') Die letzte Bemerkung zwingt uns wohl etwas zum Lachen, da sie seine Thaten beschönigen soll, aber überzeugen kann sie nns nicht, während jene unbedingt falsch ist, wenn man in Betracht zieht, einmal, daß Stanley ja einen schriftlichen Vertrag von den Direktoren der Gesellschaft mitgebracht hatte, der, sobald Eniin seinen Namen eingetragen, die Sache auch „perfekt" gemacht hätte, sodann daß in Kawi-roudo die Agenten der Kompanie auf die Ankunft der Expedition warteten, endlich, daß Emins Ankunft an der Küste, also im Machtgebict seiner alten Heimat, gleich bedeutend seiu kouutc mit einem Verzicht anf seine Dienste. Zudem waren diese Pläne von der englischen Regierung gebilligt, und vom englischen Generalkonsul iu Sansibar Mr. Makay gewissermaßen als politischer Agent für Uganda bestellt worden, der die Vorarbeiten znr Annektierung bereitwilligst übernommen hatte. Durch diesen Vorfall hat Stanley ganz offenkundig seine eigenen Pläne erkennen lassen. Trotzdem haben wir sie ihm als leitendes Motiv bei allen seinen Thaten anf diesem Znge untergelegt, wogegen die Auf-träge nnr dann Berücksichtigung fanden, wenn sie jenen nicht entgegenstanden. Im folgenden fassen wir knrz diejenigen Punkte zusammen, die für die Annehmbarkeit jener Ansicht sprechen. Wir können nns hierbei mit einer kurzen Fassung begnügen, da die Pnnttc im Znsammenhang erörtert sind: 1) Die Verhandlungen am See bezeugen, daß Stanley mit allen Mitteln versuchte, Emin znm Abmarsch nach Sansibar zn bewegen, nnd daß er erst, als dies mißlang, die englischen Pläne vorbrachte, ohne aber dann den Vertrag bindend durch Unterschrift abzuschließen. 2) Die Mission Iephsons, sowie die anderen Intriguen, die znr Revolution beitrugen, zeigen, daß in der Provinz Schwierigkeiten erregt, namentlich daß der größte Teil der Soldaten zum Bleiben veranlaßt werden sollte, nnd Emins Stellung haltlos würde. 3) Stanleys Fernbleiben von der Provinz läßt die Absicht erkennen, ein einmütiges Handeln zu vcrhiuderu. 4) Die Behandlung Emins im Lager von Kawalli und auf dem Rückmarsch beraubte ihn jeder unabhängigen Stellung. 5) Der frühe Aufbruch von Kawalli mit den voraufgcgangenen Ereignissen, ferner die Marschgeschwindigkeit, beziehentlich Langsamkeit auf dem Rückzüge bis zum Nuweuzori, die Wahl des Weges über dcu Semliki und das Vergraben der Mnnition lassen kein Zweifel mehr aufkommen, daß Selim Bey mit seinen Anhängern zurückgelassen werden sollte. 6) Wahl der Reiseroute in Ost-Unjampaka. 7) Vermeidung eines Eingreifens in die Ugandawirren. 8) Bewachung Emins anf dem Rückznge. Die Motivierung Stanleys dem Komitee gegenüber findet sich in seinem Brief an Mackinon, in dem er diesem sein Werk als einen „offi- i) Peters S. 519. „Magnzin" 1390, Nr. 45, 2. «98. 102 zielten Bericht" über die Expedition widmet.') Wir lassen die betreffende Stelle hier folgen; sie spricht für sich selbst: „Ich bedanrc, daß ich nicht im stände gewesen bin, alles das zn erfüllen, was auszuführen ich vor Begier brannte, als ich im Iannar 1887 von England, abreiste. Allein der vollständige Znsammenbrnch der Negiernng von Äquatoria bürdete uns die Pflicht anf, so viele alte nnd tränte Leute in Hängematten zu befördern nnd so viele hilflose und entkräftete Menschen zu beschützen, daß wir ans einem kleinen kampfbereiten Korps erprobter Männer in eine reine Hosftitalkolonne umgewandelt wnrden, welcher thatkräftige Abenteuer versagt waren. Der Gouverneur selbst, halb erblindet, besaß viel Gepäck; Casati war schwächlich nnd mnßtc getragen werden; nnd 90 Prozent des Gefolges waren bald nach unserem Anfbruch wegen Alters, Krankheit, Schwäche oder großer Jugend kanm im stände zn marschieren. Ohne unsere, den Zweck der Expedition bildende, unverletzliche Aufgabe, Hilfe zu leisten, zn opfern, konnten wir weder nach rechts noch links von der allcrdirektesten Ronte nach der See abweichen." Stanleys Standpunkt wird erklärlich, wenn man erwägt, daß er dies Kunststück bei seinem Alter wohl als die letzte Heldenthat seines Lebens ansehen mnßte nnd deshalb alles aufbot, um das Ende seiner Lanfbahn mit einer That zn beschließen, die ihm in seinen letzten Tagen Befriedignng bringen nnd feinen Namen im Glänze der Unsterblichkeit heller strahlen lassen würde. Es ist danach anch sehr erklärlich, daß die in seinem Wert verzeichneten Motive sachgemäß haltlos sind, aber sich alle gut psychologisch erklären. Die Enttäuschung Emius iu Usambiro muß schrecklich gewesen sein. Er hatte am Alberts« schließlich nur eingewilligt, als ihm der Boden unter den Füßen schwand, aber anch da nur, um das Werk wieder aufzubauen, und jetzt bracheu seiue zukunftsreichen Pläne plötzlich zusammen vor dem Eigennutz dessen, den er in seiner Nut befreit. Unter solchen Umständen waren natürlich keine frenudschaftlichcn Beziehungen im englischen Lager möglich, man vergegenwärtige sich nur den Auftritt am 5. April in Kawalli, die Machtlosigkeit des Paschas, seine Bewachung und dergl. nnd wird begreifen, wie gerechtfertigt sein Groll war. Die Engländer cutschuldigen sich unglaublicherweise damit, daß sie von dem Vorhandensein von Kränkungen gar keine Ahnung gehabt, folglich auch keine Abhilfe hätten schaffen können»), gehen dann aber aggressiv vor nnd beginnen eine wahre Unlast von Verwünschungen nnd Anschnldiguugen gegen den beraubten Gonverncnr zn schlendern, die dieser zn beantworten unter seiner Würde hielt. Die polemische Darstellung Stanleys und Icphsuns gewinnt so einen etwas verworrenen Eharaktcr, da sich An« erkennnngen nnd Schmähungen im bunten Dnrchcinauder abwechseln. Nach dem Verlassen Usambiros sah Stanley wohl keine Hindernisse mehr, die seine Pläne durchkreuzen könnten. Der Weg war durch die Machtstelluug der Deutschen schou sicher geworden, uud wo uoch Feind- 1) Stanley I. T. 1. 2) Icphson S. 434. 103 setigkeitcn gegen die Expedition auszubrechen drohten, wurde der Friede erkauft. Einem Nmstand schien er jedoch wenig Beachtung geschenkt zu haben, an den er noch, ehe er den äußersten Grenzposten der deutschen Kolonie erreichte, recht eindringlich gemahnt werden sollte, nämlich an EminZ Sympathien für seine alte Heimat. Stanley hatte neben seinen eigenen Plänen doch stets die Befriedigung seiner Anftraggeber im Angc gehaut und fand es deshalb sehr gereimt, sobald Emin ihm genng gedient hätte, ihn der englischen Gesellschaft zur weiteren Nutzleistung zn übergeben. Der Pascha war ja anerkannt als befähigter Verwaltungsbeamter uud Organisator, auch als solcher gerühmt, so daß er der Kompanie wichtige Dienste leisten konnte; außerdem blieb er gewiß der geeignetste Mann, die oberen Nilgegeudcn von Mombas aus zu erobern, also das auszuführen, wozu die Expedition die Grundlage nicht hatte legen wollen oder können. Emin mnßte für England gcwounen werden; denn das wäre der einzige reelle Vorteil, den die Entsender aus der Expedition ziehen konnten. Stanley glanbtc vielleicht, daß der Pascha mit dem Eingehen anf das englische Anerbieten der Gesellschaft verpflichtet wäre, vergaß aber dabei, daß, wenn der eine Kontrahent seine Vedingungcu nicht erfüllt, der andere nicht mehr gebunden ist. Oder wie so oft, beurteilte er ihn auch hierin nach seinem eigenen Standpnnkt, da er sich stets dafür entschied, wo der größte Vorteil zu gewinnen war. Jedenfalls nnterließ er es, den Pascha bindend für England zn engagieren, wobei vielleicht der bevorstehende Triumph mit seinem verführerischen, zauberischen Glänze ihn etwas blind machte. Auf dem Marsch dnrch Iigogo erhielt Emin einen Brief von Wißmann, der ihm an der Küste „die verdiente Gastfreundschaft" anbot und die Bereitwilligkeit seiner Landsleute hervorhob, dasselbe „zu thun, was die Engländer gethan" hatten. Die Offiziere witterten die Gefahr: „er (Wißmann) beabsichtige, des Paschas für die dentsche Gesellschaft habhaft zu werden"'), tonnten aber mit dieser Erkenntnis nicht mehr weiter kommen. Man befand sich von Mpwaftwa ab uuter deutschein Schntz, die Spitze der Expedition wurde von Soldaten der deutschen Schutztruppe gebildet, uud die deutsche Flagge wehte dem Zuge voran. i) Icphson 434 — 435. Die Offiziere warm auch recht unzufrieden auf dem Rückmarsch, da fie wohl erkannten, daß für England selbst trotz der großen Anstrengungen nichts erreicht war; zwar hatte sie ihr Führer davor bewahrt, nach Erledigung eines einfachen Speditionsgeschäftes heimzukehren und ihnen durch geschicktes Operieren einen großartigen Empfang in Europa in Aussicht gestellt, aber, sah man von dieser äußeren Seite ab, so war mchts da, was ihnen nur mittelmäßigen Ersatz bieten konnte. Pater Schynsc, der von Ikungu bis zur Küste die Expedition begleitete, schreibt darüber („Mit Stanley und Emin Pascha durch Deutsch-Ostafrika")! „In Wirklichkeit sind die Helden der Expedition recht unzufrieden mit dcn Resultaten und gestehen heute hier dies auch ein. „Eine Masse Leute sind gestorben, bedeutende Mittel aufgewendet worden, 2'/-, Jahre haben wir im Elend gelebt und was erreicht? Wir bringen eine Anzahl unnützer, verfaulter ägyptischer Schreiber, Juden. Griechen und Türken aus dem Innern, die uns nicht einmal dafür danken i Easati selbst war dcr Mühe nicht wert, er ist ja Mchcnji geworden, und der Pascha ist zwar ein Ehrenmann, abcr doch nur ein Mann der Wissenschaft." 104 Die Vorgänge an der Küste sind mit ihren Enthüllungen bekannt, so daß wir sie hier übergehen können. Emin trat in deutsche Dienste, und so verlor die Expedition den letzten Erfolg, was Stanley nur „natürlich"'), Iephson wenigstens nicht „unnatürlich"-) findet. Die Engländer kehrten nach Enropa zurück, um anf den blutigen Lorbeeren, die sie sich im Dienste der Barbarei errungen, auszuruhen, gefeiert und gepriesen von einer Welt, die von dem hellen Schein geblendet, nur die ..Rettung" Emin Paschas sah. ') Stanley II. S. 415. 2) Iephson S. 435. V. Leopolds II. Pläne und Erfolg. Au den englischen Aufträgen, die die Stanleysche Emm-Expedition erhielt, kam noch einer vom König der Belgier als Protettor des Kongostaates. Die ersten Andentnngcn zu diesem Plan sinden sich schon im Anfang 1884, als Gordon zu seinem letzten Zuge nach Khartum aufbrach. Kurz zuvor nämlich war er vou Leopold II. in Brüssel engagiert, mit Stanley zusammen die Leitung des in der Bildung begriffenen Kongostaates zu überuehmcu uud war soeben im Begriff, zum Kongo abzureisen, als er durch ciu Telegramm Gladstones nach London berufen wurde. Die englische Regieruug hatte damals den Khediwe zum Verzicht des Sudan gezwuugen uud sich zugleich auheischig gemacht, eiueu passenden Offizier znr Verfügung zu stellen, um die Evakuation auszuführeu. Zu diesem Zwecke wurde General Gordon beauftragt, die Garnisonen und Beamten heimzuholen und eine nationale Regierung im Sudan einzurichten. Die Instruktionen, die er in London erhielt, wurden in Ägypten noch durch Sir Evelyn Baring nnd die ägyptische Negierung derartig vervollständigt, daß er selbst sein Programm, schon ehe er Kairo erreichte, nnd später im weiteren Verlauf seiuer Neise, namentlich auf dem romantischen Wüstenritt von Korosto nach Abu Hamed, wesentlich erweiterte. Auf seiner Neise schien er noch überzeugt, seine Aufgabe glücklich auszuführen, aber je mehr er sich Chartum näherte, desto mehr erkannte er die Schwierigkeiten, die sich ihm entgegenstellten. Vor seiner Ankunft in der Hauptstadt des Sudan war er wohl noch nicht ganz einig mit fich, wie er seine Aufgabe am besten anfassen könnte, vielmehr riß ihn seine schwärmerische Neigung, die gar zu oft einen fast abenteuerlichen Hang verriet, zu den weitgehendsten Illusionen fort. i) Hierzu gehört es auch, daß er aus Korosko au den König der Belgier schrieb und ihn aufforderte, „den Bahr cl Ghazal und Äquatorialprovinzen zn besetzen und ihn zum Generalgouvcrncur des ganzen Landes zu ernennen". Er scheint also die Absicht gehabt zu haben, wie der englische Vertreter aus Kairo meldete, geradewegs in dieser Nichtung von Ehartum weiterzugehen".2) Dieser Autrag Gordons ist darauf zurückzuführen, daß Leopold II. ihn: gegenüber während seines Aufenthaltes in Brüssel den Wunsch aussprach, beide Provinzen mit den dort befindlichen Truppen zu übernehmen, wenn er fic bekommen könnte.^) Demnach muß 1) Buchta, „Der Sudan unter ägyptischer Herrschaft", 3. 135. 2) Depesche Barings an Granvillc, Kairo, 9. Februar 1884. 3) Brief Gordons an Baring, KoroZko, 1. Februar 1884. 106 doch der König schon länger damit umgegangen sein, den Kongostnat nach Nordosten zn erweitern nnd die ägyptische Herrschaft im südlichen Sudan zu übernehmen; möglich ist es, daß Emm selbst ihn in diesen Absichten dnrch seine Briefe bestärkt hat. So z. B. schreibt dieser in einem Briefe an Professor Schwcinfurth unter dem 3. uud 18. März 1883 '), in dem er sich darüber beklagt, daß das gegenwärtige Vcrwaltnngs-systcm ganz unzulänglich sei, da die Provinz von Ehartmn aus vollständig isoliert nnd vernachlässigt werde, und indem er Vorschläge zn einer neuen Verwaltung, sowie zn ciuer Kolonisation Centralafrikas macht: „Merkwürdigerweise hat man in Europa unsere Länder ganz aus den Augen gelassen nnd zieht vor, das Geld auf der uun doch etwas abgetretenen Straße von Sansibar ins Innere hinansznwerfcu nnd Sultan Mirambo uud ähnliche Helden durch Tribute zu fördern. Hätte man nur cm Tausendstel der zu jeuen Expeditionen, die doch Stationen grüudeu wollen, verwandten Gelder zur Ausrüstung einer kleinen Expedition verwandt, freilich mir am liebsten aus Deutsche« zusammengesetzten, und selbe hierher gesandt, so hätte ich dieselbe in das noch unottupicrte Land südlich von Makraka ^ ein Paradies - vorgeschoben, die Leute wären nur einige Tage von uns eutferut, in dauerndem Kontakt mit der Welt, in gesnudcm Hochlande, ein Schutz uud Segen für die umwohnenden Neger geworden und die Vorschiebuug kleiner Stationen bis zum Kongo in der bisher völlig unbekannten Strecke vom Wcstufer des Albert-Njausa uach Njangwe oder aber ein Vorstoß zum Beatrice-Golf uud schließlich zum Tauganjta wäre in ganz knrzer Zeit geschehen. Hat denn der König von Belgien für eine solche kleine Station gar keine Mittel? .... Nur möchte ich auf eins hindeuten: es handelt sich hier zunächst nicht um eine Explorations-Partie, sondern nm Anlegnng einer Station, eiues fixeu Puuttes, der für spätere Exftlorationcu znr Stütze dienen soll. Die Station soll sich dnrch Jagd, Kultur, Gärtuerei usw. selbst erhalten (Elfenbein!)." Dies klingt allerdings sehr annehmbar, zumal für deu Kongostant, dem auch ohne territoriale Erweiterung hieraus der größte Nutzen erwachsen könnte. Von diesem Standpuukt aus wäre eiue belgische Expedition zum Albertsee gewiß gerechtfertigt gewesen. Daß sie uuterblieb, erklärt sich wohl namentlich ans den näherliegenden, notwendigen Anfgaben des Staates. Aber hinwiederum ist es auch einleuchtend, daß, als eiue derartige Expedition zn Emin entsandt wurde, Leopold II. alles aufwandte, nm sie seinen Plänen zugänglich zu macheu, wenn auch uur iu der Art, daß er durch sie Emiu das Anerbieten machen ließ, seine Provinz mit dem Kougostaat zu vereinen uud selbst uuter günstigen Bedingungen in seine Dienste zu treteu. Natürlich war es aber bei dem zweifelhaften Erfolg viel vorteilhafter für ihn, daß die Expedition den Weg vom Kongo ans nahm, um die Verbindung zum Nil anzubahuen, also ans demselben Grnndc, weshalb die englische Gesellschaft die östliche Rontc vorzog, damit, wenn anch weiter nichts für ihn erreicht wurde, dadurch weite, uoch unerforschte Regionen seines Reiches bekannt nnd der Zivilisation zugänglich würden. y Schwcinfurth und Natzcl E. 426 — 427. 107 Mau wird hiernach die Intervention des Königs verstehen, die im Komitee endlich zur Wahl der Kongoronte führte. Seine Zugeständnisse sind hierbei nicht recht klar, wenigstens weiß mau nicht, ob allein das, was in die Öffentlichkeit gedrungen ist, den Umschwung thatsächlich bestimmt hat. So viel aber ist sicher, daß der Kongostaat sein Schiffsmaterial der Expedition unentgeltlich zur Verfügung stellte, soweit die eigene Verwaltung es gestattete, die Auwerbuug von Bangala als Soldaten und Träger übernehmen nnd in jeder Beziehung das Unternehmen fördern wollte.') Alle anderen tiefsinnigen Beteuerungen des belgischen Ministeriums, daß man die Pflicht dem Staate gegenüber verletzen würde, wenn mau ihm Stanleys Dienste beraubte usw.2), sind eitel Phrasen. Dagegen niußtc deu Erpcditiuusführer direkt oder indirekt eine kontraktmäßige Vcr-pflichtnng oder schon eine solche, die anf eben dorthin zielende Interessen beruht, an den Kongostaat fesseln^) uud ihn allein deshalb zum Eiugehen anf des Königs Pläne bewegen: desgleichen seine eigenen Pläne uud, was nicht ausgeschlossen ist, ein materieller Vorteil. Aber wenn Stanley anch diesen Auftrag übernahm oder übernehmen mnßte, so verhielt er sich doch sehr reserviert dabei und später Emiu gegcuübcr sogar ablehnend, nnd zwar ans dem für ihn sehr eiufachen Grunde, weil der König ihn, deu eigentlichen Gründer des Kongostaates, nicht seinem Ehrgeiz entsprechend behandelt, namentlich nicht mit Ehren uud Schätzcu überhäuft hatte, so daß er noch kurz vor der Expedition, obwohl noch in dessen Diensten stehend, in Amerika ein „Vorlesungs-Touruce" zum Erwerb der ihm so nötigen Güter uutcrnehmen mußte. ^) Ungewiß aber bleibt es, ob sich der König mit Geldbeiträgen dem Entsatzfonds angeschlossen hat, wahrscheinlich dagegen, daß er die dnrch die Umänderung der Noute veranlaßten Kosten entrichtet hat, da wir bei der Abrechnung der Ausgaben hierfür keiue Posteu aufgestellt fiuden nnd ihm in einem Briefe Mackinons dies ziemlich deutlich zn verstehen gegeben war. 5) Am 8. Januar erhielt Stanley vom König Briefe: „Er erhebt Ansprüche auf meine Dienste", nnd au: 14. Iannar fuhr er zu ihm nach Brüssel, um seine Aufträge iu Empfang zu uehmeu: „Er war sehr licbcus-würdig." 6) Eiu Zugeständnis des Königs mag es auch gewesen sein, daß, um Tippn Tib für die Expedition zu engagieren, ihm als Gegendienst eine verlockende Stelle in der Verwaltung des Kongostaates zugestanden wnrde. Tippn Tib war thatsächlich der gefährlichste Gegner der Enropäer am Kongo; erst im August 1886 hatten seine Araber die Station „Stanleyfälle" überfallen und nach dreitägigem, erbittertem Kampfe den Kommandanten zur Aufgabe dieser Position gezwungen. Die Besatzung zog sich 1) Brief Borchgravcs an Stanley, 7. Januar 1887 (I. S. 48). 2) Stanley I. S. 43 ff. 2) Stanley stand auch noch im Dienste des Kongostaates. 4) Stanley I. S. 33. Dieses Engagement sollte ihm sogar in einem ^ahre d,e Summe don 10 000 Pfd. St. einbringen. Keltic H. VIII. 5) Stanley I, S. 44. Brief Mackinons. 6) Stanley I. S. 45. 46. 108 nach Vangala zurück, nachdem die Stationsgebäude verbrannt, und die Kanonen und Pnlvcrvoräte in die Luft gesprengt waren.') Auf diese That hm einen Vertrag mit solchen ausgesprochenen Feinden zu schließen, muß als cin Zeichen größter Schwäche und Schmach angescheu werden, die weder Leopold II. noch der Admistrator am Kongo begangen hätte, und daß es trotzdem geschehen ist, kann sich allein ans der Stellungnahme der englischen Gesellschaft erklären, die das Eingehen auf des Königs Pläne jedenfalls hiervon abhängig gemacht hat. Doch ist hierbei die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, daß Tippu Tibs Anstellung nnr solange Dauer haben sollte, als man ihn für die Dienste der Expedition brauchte, daß er also nur nominell dein Kongustaat, effektiv dem englischen Komitee unterstellt war, und daß demgemäß anch der Entsatzfonds oder die Gesellschaft sein Gehalt (30 Pfd. St. monatlich) bezahlte. Der Schein giebt dieser Annahme Recht, da der englische Generalkonsul, als Kontrolleur der Erpedition in Sansibar, den Vertrag ausfertigte und von Stanley uud Tippu Tib unterzeichnen ließ, da er außerdem das Gehalt au diesen oder dessen Agenten auszuzahlen hatte. ^) Die Bestimmungen des Vertrages sind so widersinnig, daß man sie vom Standpunkt des Kongostaates ans unmöglich gntheißen konnte; sie umfafsen folgende Punkte: der „ungekrönte König" der oberen Kongogegcnd, zugleich leitender und mächtigster Geist aller Araber westlich des Tan-gasika nnd cinflnßrcichster in ganz Ostafrika, ward vom Kongostaat, dessen Ansehen und Bemühungen er bisher entgegengearbeitet hatte, nicht nur anerkannt in der Stellung, die er sich selbst errungen, sondern ihm sogar vertragsmäßig unter Zusichcrung eines Gehaltes derselbe große Wirkungskreis übertragen. Die Pflicht des nencn Gouverneurs sollte darin bestehen, zum Schein die Flagge des Kongostaatcs zn führen, die Station ..Sranlcyfälle" im Namen des Staates gegen Eingeborene nud Araber zn verteidigen, alle Raub- und Sklavenzüge anzugreifen nnd jeden Sklavcuhaudel zu verbieten; cin europäischer Offizier sollte zur Unterstützung und Beobachtung zurückbleiben.^) Mit diesem Abkommen wollte man also den Arabern ihren zerstörenden Einfluß nehmen und den Sklavenhandel vernichten und zwar mit einem höchst eigenartigen Palliativmittel, indem man die Teufel dnrch Beelzebub, den Obersten der Teufel, aus" treiben ließ. Trotz aller Nebengedanken zeigt uns dieser Vertrag doch deutlich, daß der Kougostaat sich zu schwach fühlte, die vordringenden Horden der Araber in ihre Schranken zurückzuweisen; denn anch die Ansstcht, durch einen Pakt mit ihnen den Elfenbeinhandcl den Kongo hinabznleiten, ist ') Stanley I. 2. «4 ff. 69 ff, ..2) Stanley I. " erklärt, daß jener Berichterstatter mehr seine eigenen Anschauungen wiedergegeben habe, aber die Verteidigung kann um so weniger auf Glauben rechnen, als darin behauptet wird, daß das englische Komitee gegen EminZ Eintritt in deutsche Dienste nichts einzuwenden habe. 2) Stanley I. S. 65. 71. 109 in anbetracht ihrer vernichtenden Wirksamkeit unzulänglich, diese Handlungs-weise zu beschönigen. Allerdings ist die Gewinnung Tippn Tibs, nachdem einmal der unerquickliche Zustand geschaffen war, von den Beamten des Staates ausgenutzt, aber nur mit vorübergehendem Erfolg, der namentlich dnrch die Blockade und den Aufstand au der Ostküstc Afrikas hervor-gerufcu wurde, insofern die Araber am Kongo Waffen nnd Munition durch Enttäusch mit Elfcubein von der Westküste zu erhalten fuchten, da in Sansibar die Einfuhr abgeschnitten war, um damit zugleich möglicherweise ihre Brüder, Buschiri und Konsorten, zn unterstützen.') Die Hilfe, welche der Kongostaat der Erftcditiou leistete, war eine sehr geringe. Als man nach Boma kam, wo ciuigen Mitgliedern vom Exekutivkomitee der neue Gouverneur der Stanlcyfälle vorgestellt wurde, erfährt man, daß das „versprochene Bootsmaterial überhaupt nur in der Einbildung der Herren vom Bureau in Brüfsel" existiere, und daß die Dampfer „gestrandet, ruiniert, ohne Maschinen und Kessel oder zerstreut und unerreichbar" seien. Stanley wettert über das Komitee, daß sich semen besseren Projekten zuerst verschlossen, weil nach der Änderung der Route keme Zeit zur Anschaffung der 15 von ihm vorgeschlagenen Walfisch-fängcrbootc mehr gewesen sei,- dazwischen mahnt ihn der Hilfernf Emins zur Eile und die bevorstehende Hungersnot am Stauleyftool zum Bleiben. Doch sein Enschlnß ist bald gefaßt; ohne Zeitverlust eilt er vorwärts, um die Beute au Ruhm und Geld noch voll eiuheimsen zu können.'') Bis Matadi leistet der Staat nur durch den Dampfer „Heron" etwas Unterstützung, vom Stanleyvool nach Iambuja durch deu Dampfer „Stanley" uud zwei Leichter. In dem „nahruugsarmen Distrikt" am Pool konnten die Beamten des Staates ihre Pflicht gegenüber der Expedition gar nicht erfüllen, da fic nicht einmal selbst genügend Lebensmittel besaßen und der Not durch Jagd auf Flußftfcrde abhelfen mnßten; ausgenommen, daß es dem Kommandanten dieses Gebiets gelang, den Missionsdamvfcr „Henry Recd" für 100 Pfd. St. monatlich zu mietend) Mehr Unterstützung konnte der Nachhut nach dein Aufbruch Stanleys geleistet werden, worüber sich Barttclot in einem Brief vom 4. Inni 1888 an Mackinon sehr lobend ausspricht.') Stanley war, wie bemerkt, den Plänen des Königs gegenüber nicht sehr zugänglich und wnrde hierin noch dnrch das selbstsüchtige Entsatzkomitee bestärkt: seine Dienste sollten nach Mackinons Erklärung während des ganzen Verlaufs der Expedition nur dieser gewidmet sein, uud es wäre ihm nicht gestattet, von seinem Wege abzuweichen, nm für den ') Vergl. „Deutsche Kolonialzeitung", Neue Folge, II. Jahrgang, Nr. 32: „Der Kongostaat und die Araber." Auch Jameson erzählt in seinen Tagebüchern („Forschungen und Erlebnisse im dunkelsten Afrika" herausg. von Frau I, S. Jameson), daß Tippu Tub sich über das Vordringen der Deutschen in Ostafrika abfällig geäußert und die Hoffnung ausgesprochen habe, daß Voulangers Agitation einen Krieg zwischen Frankreich und Deutschland hervorrufen werde. 2) Stanley I. S. 7«—77. 2) Stanley I. S. 91. 4) Keltic S. N—18. Stanley I. S. 494-500. 110 Kongostaat zu arbeiten.') Diese Stimmung drückt sich auch im entscheidenden Moment aus, als er bei seinem zweiten Aufenthalt am Albertsce Emin des Königs Vorschlag machte. Schon daraus, daß er mehrere Tage. znvor den: Pascha die Überzengnng einer notwendigen Ränmnng der Äqnatorialprovinzcn beizubringen suchte und darans dessen Pflichten gegen den Khediwe ableitete, geht klar hervor, daß Stanley, als er den direkt entgegengesetzten Vorschlag vorbrachte, die Annehmbarkeit abschwächen oder überhaupt illusorisch machen wollte.-) Er handelte hierbei im Interesse der Engländer, aber anch im eigenen als Beamter des Kongostaates, da ihm, falls er später wieder am Kmigo im Auftrage des Königs Dienste thäte, durch die Engagierung Emins ein zn großer Rivale erwachsen könnte, der seinen Ruhm in Gefahr brächte, überstrahlt zn werden. Der Vorschlag selbst ist nicht in allen Punkten klar, da Emiu in seinen Änßcrnngen sich ans die kürzeste Furmnliernng beschränkt hat, nud Easati mir aus zweiter Haud berichtet, während Stanley in seinem Bericht noch wesentliche Momente hinzufügt. Jedenfalls sollte Emin dnrch sein Bleiben der ägyptischen Negiernng entsagen nnd die Flagge des unabhängigen Kongostaates entrollen. Ans den Bcdiuguugen geht so viel sicher hervor, das; Emiu Gouverucur der Proviuzen bleibt, den Charakter eines Generals erhält und für Verwaltnngsnnkosten monatlich 1000 Pfd. St. veransgabcn darf. Nach Emin ist außerdem anzunehmen, daß er selbst sein Gehalt so hoch bestimmen könne, wie er wolle, die Forderung sei ohne weiteres zugestanden ^Stanley beschränkt dies anf 1500 Pf. St.>, nnd daß er alle Unkosten aus den Einküufteu der Provinz bestreiten müsse (Elfenbein!). Der Bericht des englischen Expeditionsführers ist zweifellos sehr parteiisch gefärbt, dadurch daß die Aunahme des Vorschlages an soviel Vorbedingungen hinsichtlich des Auftraggebers gekuüpft ist, daß er aufhört, ein absolnter Vorschlag zn sein, der König würde sich zu obigen Bedingungen nur dann verstehen, wenn einmal die Unkosten bei der Verwaltung nicht 10 ö. L. bestimmt nnd erst -westlich von hier freie Hand läßt. Nach einigen Vorstößen nach Westen nnd Norden, die in den menschenleeren Steppen erfolglos blieben, nnd nachdem i) Dic folgenden Unternehmungen sind entnommen aus einer Nede des General Lewis Ende November 1889 „Britische und andere Interessensphären" im „soottisli (loo^lllpkiolli NilZMine" 1890, heft 1. 113 Pigott bei den Galla zwei Stationen angelegt hatte, kehrte er, durch Nahrungsmangel gezwungen, nach Mombas zurück.') Man vermutet, daß er den Auftrag gehabt hatte, nach dem Baringosee vorzudringen 2 >, wenn nicht sich mit der Iacksonschcn Kolonne zu vereinigen. Neben diesen größeren Expeditionen ging noch eine ganze Reihe von Mombas ab, so unter Swaine, Last, und später Smith, Daway und Buckley, von denen nnr wcuig in die Öffentlichkeit gedrungeu ist. Jedenfalls ist sicher, daß die Direktion in London einen anzuerkennenden Eifer zeigte, ihre großartigen Pläne durchzusetzen. Bei der zweiten Anfgabe, der Umklammerung Witus, ging die Gesellschaft nnt der Regierung Hand in Hand, insofern sie selbst Anrechte in Afrika erwarb, Salisbury sie in Berlin vertrat. Wir gehen nicht auf die vielen Intriguen der Engländer ein, sie sind in der Presse zur Genüge gerügt. Die deutsche Neichsregicruug mit ihrer unzulänglichen und zerfahrenen Politik bei jeder Differenz mit England nach 1885 schenkte den Verwickelungen am Tana so wenig Veachtnng, daß alles, was sie that, direkt dem englischen Nachbar zugute kam. Als die Fragen kritisch wnrden, verstieg man sich in Berlin zn Schiedsgerichten, und als Anfang 1890 ein erfreulicher Aufschwung bemerkt wurde, bereute man sogleich wieder die Initiative nnd lenkte ein. Daß bei solchem Widerstand die britisch-ost-afrikanischc Gesellschaft leichtes Spiel hatte, bedarf kaum der Erwähnung; man besetzte von Mombas ans die Tanamünduug uud die vorliegenden Inseln, von deren Besitz die Verwertung des Festlandes abhängt, isolierte ganz Witu und setzte es dann Schach-Matt. Dazn gelang es, vom Sultan von Sansibar eine Konzession zu erlangen ^), nach der die ihm nördlich uou Witu gehörenden Distrikte von Kismajn bis Warschcit der Kompanie übertragen wurden, mit ähnlichen Bedingungen, wie die Küste bei Mombas, so daß man znm Erwerb der Somal- nnd Galln-Territorien nnd zur Ausdehmmg nach dem oberen Nil jetzt freie Hand hatte und hiermit den Grundstein legte zu einer „der größten Errungenschaften des britischen Unternehmungsgeistes", wie die Direktion im triumphierenden Tone der Welt verkündete. Hiernach schien allerdings die Einschließung oder Gewinnung Witns eine Frage der Zeit, um so mehr, da die deutsche Regierung diesen Schutzstaat nnr als Kompensation betrachtete uud schon nach einer Gelegenheit spähte, ihn mit Anstand loszuwerden. Von allen diesen Unternehmungen stand mit der Stanleyschcn Expedition in direktem Zusammenhang nur die Karawane Jacksons, die sich in Kawi-rondo häuslich eingerichtet uud sehnsüchtig auf die Ankunft Emins uud Stanleys wartete. Mit der Engagierung ihres Führers hatte die Gesellschaft einen ähnlichen Mißgriff wie im Westen gethan, der znm gänzlichen Fehlschlagen jener großartigen Unternehmungen im Sccngcbict nicht unwesentlich beigetragen hat; nnr mit der Abweichnng, daß Jackson weder Ehrgeiz noch eine mittelmäßige Vethatignng seines Mutes gezeigt hat. Man kann mit gutem Gewissen behaupten, daß er seinen nächsten Auf- !) Peters S. 124—125. 155. 2) Peters S. W1. "') Unter dein 31. August 1889. Vcrgl. „Deutsche Kolonialzeituug", Neue Folge, II. Jahrgang, T. 277. Iacgcr, Die Stanlcyschc Emm-Expedition, 8 114 gaben ebensowenig wie seiner Stellung als englischer Agent gewachsen war. Zwar hat ihm die Erkenntnis nicht gefehlt, aber sein langsames, pedantisches Auftreten und das Zurückschrecken vor jedem Wagnis hat seine ganze Thätigkeit am Ukerewe fast ähnlich erfolglos gelassen, wie Stanleys Wirksamkeit zu Gunsten der Gesellschaft. Znr gleichen Zeit wnrdcn die englischen Missionäre am Ukerewe in diese Pläne eingeweiht; Mr. Mackay erhielt sogar direkt vom englischen Generalkonsul die Aufforderung, „die Interessen der Kompanie zn fördern", nachdem er schon vorher von den Agenten der Gesellschaft (Mr. Smith, Mackenzie H Cie.) sowie von Mackinon selbst dazn bewogen war.') Seine Thätigkeit werden wir später verfolgen. Im Einklang nut diesem rührigen Vorgehen der Gesellschaft stand die Wirksamkeit der Negicrnng, die jener den Rücken freihielt uud wieder-holentlich selbst miteingriff. Ihre Aufgaben, die sie sich hierbei gesteckt, nmfaßten einmal, die Unternehmen der Kompanie möglichst zu fördern nnd nach dem Gelingen dnrch den Schntz zu sichern, zweitens alle Rivalen von den erwünschten Gebieten abzuhalten. Von letzteren kam nnr das Deutsche Reich ernstlich in Betracht. Nnf Grnnd der Gefügigkeit der Berliner Regierung, die an der Überlegenheit Englands nnd den gemeinsamen Zielen eine scheinbare Vegründnng fand, war schon Gladstone bestrebt, Mißverständnissen ..durch offeue Nuseiuaudersctzuugen zu begegnen". So hatte er Mitte 1885 den Plan Mackinons, eine britische Niederlassung an den Qnelleu des Nils zn gründen, in Berlin mitteilen lassen^), vielleicht nur deshalb, weil er uicht darauf eiugchcn wollte, welches Vorhaben der deutsche Reichskanzler mit gleichem Entgegenkommen als eine Vermehrung des gemeinsamen Interesses begrüßte.^) Im weiteren Verlanf war die Annäherung dnrch verschiedene Umstände noch vollständiger geworden, so daß sie in der zweiten Hälfte von 188N sich schon kräftig genng bewies, einen Konflikt bei den Grcnzregulicrungen oder das Zusammcnbernfcn einer europäischen Konferenz zu verhindern. Den Höhepunkt der engen Übcreinstimmnng zeigen die Maßregeln, die beide Acgiernngen zum Verbot der Waffeneinfuhr und Sklavenansfnhr, so wie znr Unterdrückung des Aufstandcs an der Ostküste trafen.^) Dies offene Programm, das anch Salisbury zum Teil durchgeführt hatte, wurde je nach den Verhältnissen eingeschränkt oder bei unangenehmen Fragen ganz eingezogen. Das Emin-Unternehmen hatte die Regierung 1) Brief Mackalis an Emin Pascha: Ufambiro, 25. August 1889. Peters, S. 299 sf. 2) Depesche Lord Granvilles nn den englischen Botschafter in Berlin, 25. Mai 1885. 2) Antwort des Fürsten Bismarck vom 2. Juni 1885. '') Die Initiative «ing hierbei von Deutschland aus (vergl. Depesche BiZmnrcks vom 31. Oktober nn den Grafen Hatzfcldt. Weißbuch 1888, Nr. 41, S. 41), nachdem zuvor schon die Berliner Negicrung auf Grund der Besprechungen des deutschen und englischen Generalkonsuls, Michaelis und Smith (Depeschen des lct'.tcren vom tt. Mai und 28. Juni 1888 --- Lluo-Vnolc, 0. 5603, Nr. 14. 25. 29.), am 2. August dem noch zögernden Londoner Kabinett ein Abkommen hinsichtlich des Waffencinfuhrverbotes vorgeschlagen hatte (Depesche Scotts an Salisbury vom 2. August 1888 — VIuo-Kook, (!. 5) Pews. S. 12. 2) Peters, S. 6. 2) Peters. S. 14. ->) Peters, S. 15, 5) Die Stellungnahme der deutschen Regierung gegenüber dein Unternehmen erklärt sich ans den Mitte 1887 stattgehabten Verhandlungen mit England, nach denen jede Regierung sich verpflichtet, leine Erwerbungen im Rücken der anderen Interessensphäre zuzulassen. Daraufhin tonnte Graf Hatzfcldt, außerdem noch in dieser Frage vom Auswärtigen Amt inspiriert, Lord Salisbury am 1!». August 1888 erklären! „In Bethätigung dieser Auffassung hat die Kaiserliche Regierung l>ei Gelegenheit einer von deutscher ^eite beabsichtigten Expedition zum Entfal; von (5min Pascha ausdrücklich ertlärt, das; Uganda, Wadelai und andere nördlich des ersten Grades südlicher Breite gelegenen Gebiete sich außerhalb des Bereiches deutscher Kolonialbestrcbungen befinden." Bald darauf in einer Rede am ^.Januar 188!» fprach Fürst Bismarck die wichtigen Worte, welche für seine ganze Politik bezeichnend gewesen sind: „Ich kann die Versicherung abgeben, daß wir in dieser Frage (Maßregeln an der Osttüste Afrikas), wie m allen übrigen — und nicht ohne Erfolg — stets bemüht gewesen sind, uns in Fühlung mit der gröhlen Kolonialmacht der Erde, mit England, zu halten, daß wir auch hier nur nach Verständigung mit England vorgegangen sind und nicht weiter vorgehen ,ucrden, als wir uns mit England zu verständigen im Stande sein werden," Solche Sprache hat ihre Wirkung nicht verfehlt; sie findet einen Widerhall in der Rede Fcr-gussons im englischen Unterhause zu Anfang vorigen Jahres: „Ich glaube, das; zwei flachte m der Stellung von Deutschland und Großbritannien niemals mit vollkommenerer Loyalität und größerer Abwesenheit von Reibungen zwischen den Regierungen und den angestellten Beamten zusammengewirkt haben, als dies jüngst seitens der erwähnten 117 Nach diesem Erfolg oder schon zu gleicher Zeit wurden die englischen Beamten in Sansibar und die Marine an der Ostküstc dahin instruiert, daß sie auf jeden Fall, koste es, was es wolle, die Pctersschc Expedition am Landen zu verhindern hätten. Dieser Befehl wurde mit größter Gewissenhaftigkeit unter Hintansetzung aller Völkerrechte ausgeführt. Die Beamten der Gesellschaft hätten ciucr Anweisung nicht mehr gebraucht; denn sie waren sich wohl bewußt, welche Gefahr durch eine deutsche Expc-dition am oberen Nil für ihre Interessen heraufbeschworen würde, noch dazu da diese nnter der Führung desjenigen stand, der durch die Ge-winnnug von Teutsch-Ostafrika ihnen den empfindlichsten Schlag beigebracht hatte. Das ganze an der Ostküste beteiligte England, Private, wie Beamte nnd Militärs, vereinigten sich so in dem Bestreben, die Landnng von Peters zn verhindern und die Expedition eher zu vernichten, als zum Ukerewc gelangen zn lassen. Das ist das sprechendste Zengnis für die eigennützigen Pläne der Stanlcyschcn Expedition. Die Ereignisse sind bekannt; sie finden sich in dem Petersschen Werke „Die dentsche Emin Pascha-Erpedition", sowie in den zur Zeit in der „Kolonialzeitung" veröffentlichten Briefen des Führers. Das Verhalten der deutschen Regiernng und ihrer Organe, die das „patriotische" Unternehmen den Engländern zur rohen Vergcwaltignng preisgaben, übergehen wir; es berührt weit empfindlicher, als die Samoa-, Somal- und gewisse andere Schlappen, die nur dentsche Interessen oder einen mit deutschem Blut getränkten Boden opferten. In diesem Fall triumphierte deutsche Kraft uud Mut eines einzelnen über englische Staats- und Privatgcwalt. Peters landete, zerriß das Iutrignengcwebe der englischen Gesellschaft, die ihre Expeditionen beordnete nnd die Eingeborenen aufstachelte, ihn zu vernichten, uud drang nut einer kleinen Truppe durch teilweise noch unbekannte Gegenden im vernichtenden Kampfe mit den wilden Massai nach dem Ukcrcwe vor, ein Heldcnzug, gegen den der Stanleyschc Marsch von Iambuja nach dem Albertsce nur ciu schwacher Abglanz ist. In Kawiroudo traf Peters anf 50 Mann von der englischen Expedition; der größte Teil (45)()) war mit den vier Weißen anf die Elefantcn-jagd gezogen, um fich bis Stanleys Anknuft die Zeit zn vertreiben. Für ihre Abwesenheit hatten sie einen jungen Somali zum Ehef der Station ernannt, der in entgegenkommender Weise Peters höchst wichtige Dokumente znr Verfügung stellte. Unter diesen befand sich auch ein Brief Mr. Mackays an Emiu Pascha, datiert Usambiro, August 1889, der hier jedenfalls liegen geblieben war. i) Ans diesem erfuhr Peters die Wirreu in Uganda, vornehmlich die letzten Vorgänge, daß Mwauga auf deu Sesscinscln seine Strcitkräfte gesammelt, dann in der Murchisonbai gelandet und Kalcma zurückgeschlagen habe; zugleich hätte er dic^ Missionare vom Südendc des Utcrcwc zu den Sesseinseln eingeladen; die französischen seien schon dort hingegangen, nnd die englischen wollten bald aufbrechen. zwei Mächte der Fall gewesen. Ich bin ganz sicher, daß in dem Maße. wie die deutsche Legierung auf uns baut, wir auf sie bauen können, daß sie keine schritte ergreif"' wird, die unsere Interessen schädigen könnten." i) Peters, T. 230 — 300. 118 Der Hauptinhalt aber umfaßt ein Anerbieten, das er Emin macht, in dem Sinne: er (Mackay) sei von der englischen Regierung') nnd Gesellschaft wiederholentlich aufgefordert, ihren Einflnß iu jenen Gegenden zu verbreiten nnd glaube, seiuer Aufgabe nicht besser gerecht werden zu tonnen, als ihn (Emin) mit den Verhältnissen in Uganda bekannt zu machen, „in der Meinnng, daß jetzt eine seltene Gelegenheit vorhanden ist, welche nie« mals zn unserer Lebenszeit zurückkehren tonnte, nm nicht nur den Markt in Uganda zn sichern, sundern anch die Kontrolle über das ganze Land in die Hand zu bekommen"; Emin solle mit einigen Regimentern „Karemas fanatische Kriegsmacht" zn Boden werfen uud Mwauga in seine alte Macht einsetzen, aber „nicht als ein uuabhängiger Sonverän wie zuvor, sondern als ein Agent der britisch-ostafrikanischen Gesellschaft". Die Pointe stimmt also mit den Auftragen Stanleys überein nnd enthält eine passende Illnstrierung zu seiuer Behauptung über Uganda, „daß die Missionare sich vollständig jeder Einmischnng in die Politik des Landes cuthalten hatten". In Usoga traf Peters anf eine Gesandtschaft Mwangas, die auf dem Wege nach Kawirondu war, um die Engländer um Hilfe gegen Karema zn bitten. Von dem Führer, ebendemselben, der auch als Abgesandter zn Stanley nach Ankori gekommen war, erfuhr er uuter anderem, daß Stanley mit allen Weißen vom Albertsee fortgezogen sei. 2) Die Bestätigung dieser Nachricht traf gleich daranf ein in Gestalt eines Schreibens Stanleys, der ans Matolo Jackson von seinem Abznge benachrichtigte.^) Dieser Brief enthält zwei wesentliche Punkte, erstens Jackson brauche nicht mehr anf ihn zu warten, da er direkt via, Mpwapwa an die Küste ziehe; zweitens Stukes sei über seine Absichten anfgeklärt. Aus letzterem geht hervor, daß Stokes in direkten: Zusammenhang mit den Emin-Unternehmungen stand, vielleicht eine ähnliche Rolle wie Mackny nur vom ähnlichen Gesichtspunkt ans erhalten hatte. Diese Ansicht wird sehr wahrscheinlich, wenn man erwägt: 1) daß Stokes im Jahre 1888 etwa 200 Lasten Tanschwaren (^ ..Landeswährung") nnd 40 Lasten „fträservicrter Lcbensmittcl" zur Unterstützung der heimkehrenden Expedition nach Matolo gebracht hatte, wo sie von Mackay anf-bewahrt wnrden^); 2) daß Stanley in Ankori seine Entscheidnng, anf die Bitte der Uganda-Christen einzugehen, hinausschiebt, damit diese feststellen könnten, ob Stotes schon voll der Küste zurückgekehrt sei, uud über >) Hier wird also der Missionsthätigkeit von der englischen Regierung eine politische Richtung gegeben, weil jene ihr nutzbringend ist; dagegen im entgegengesetzten Fall scheut Herr Salisbury sich keineswegs, dies von ihm angewandte Manöver scharf zu tadeln; so erst kürzlich (2. April 189Y, als er auf dem Stiftungsfest der Großloge der Primrose-Liga bei Gelegenheit der irifchcn Frage Mc. Lharthy angriff, daß er die weltlichen Pläne der Hierarchie vertrete: „Auf die Gefahr will ich aufmerksam machen, die darin liegt, wenn Diener der Religion ihren geistlichen Einfluß zu politischen Zwecken mißbrauche!,," -) Peters. S. 825 — 327. 2) Peters. S. 341 ff. -<) Stanley II. S. 385. I. S. 73. An letzter Stelle wird bemerkt, daß er feinen Agenten beauftragt habe, die Lasten nach Msalala zu schicken. Soll darunter Mackenzie oder Ttokcs verstanden werden, oder war letzterer noch nicht engagiert? 119 welche Mittel er verfüge l); 3) daß Stanley auf dem Rückzüge mit Stokes in Korrespondenz stand, was sowohl ans obiger Notiz hervorgeht, wie anch ans einer Anmerkung des Stanleyschcn Werkes, wo auszugsweise ein Brief des cuglischen Händlers an ihn wiedergegeben wird, in dem jener über seine Thätigkeit berichtet, Mwanga wieder auf deu Thron von Uganda einzusehen-); 4) daß Stokes mit den englischen Missionaren in Verbindung stand und der einzige war, der zu Englands Guusten in die Uganda-Wirren cingriff. Obige beiden Briefe bilden den Schlüssel zum Verständnis der Emin-Untcrnehmnngcn, mit welchem Namen man vielleicht am passendsten jene großartigen Bewegungen bezeichnet, die Zentralafrika am Ende der achtziger Jahre erschüttert haben. In London ward schon seit lange die Gründung eines afrikanischen Indiens angestrebt, aber durch die weitverzweigten Interessen, sowie durch die etwas verworrene nnd unsichere Haltuug Gladstoucs das Znstandekommen eines festen Planes erschwert. Erst nnter Salisbnrys Fürsorge, vornehmlich nach seiner ersten That, dem Londoner Abkommen, konnte eine starke Grundlage geschaffen werden, die, wenn auch schwaukeud hinsichtlich ihrer weitereu territorialen Ziele, doch iu den Hauptpuuktcn gesichert war. Mackiuou strebte eine Gewinuuug der gauzen Sccugegeud von Mombas bis zum Kougostaat au, wobei die Südgrenze nach Festlegung der Basis nach Möglichkeit hinausgeschoben wcrdcu, währeud die Ausdehnung uach Norden eine unbegrenzte sein sollte. Der Anfang dieser Operationen wurde mit der Lösung der Emin-Frage allein deshalb verknüpft, weil Emin der mächtigste Faktor hier war nnd seine Gewinnnng mit dem Erwerb des gauzeu Nilquellengcbictes verbunden schien. Daranf baute Mackiuon seiuen Plan: es galt znerst Emin, d. h. seine Hilfsmittel, die ihn so mächtig gemacht, zu gewinnen nnd mit diesen das Scengebict zu eroberu. Die Wege, die zu diesem Ziel eingeschlagen wurden, sind in ihren Richtungen erkennbar, aber in ihren nächsten Ausgangspunkten etwas verschwommen, weil die Direktion in London über ihre Unternehmungen Schweigen zu bewahren wußte oder weuu sie zu großen Unifang annahmen, sie in anderem Sinne auküudigte. Im folgcudcn wollen wir den Versuch machen, den großen Schlacht-plan Mackinons nnd Salisbnrys zu eutziffcru. Der Beginn dieser Emin-Unternchmuugcu ist iu das Eude des Jahres 1886 zu verlegen, als Hutton und Mackinou in dem Bestreben, eine Gesellschaft zur Exploitieruug der Läuder von Mombas zum Kilima Ndscharo ins Leben zu rufen, mehr Auklaug faudcn. Die erste That, welche die neue Politik bezeichnet, ist die Bildung einer Grundlage am Ukcrewe durch die englischen Missionare, die das Centrum der späteren Operationen bilden sollten. An der Spitze stand Mackay, der, wenn gerade nicht nominell, so doch effektiv zum politischen Agenten für das Ukerewegebiet eingesetzt war. Seine Aufgabe war, eiumal in Uganda nnd soweit sein Einflnß reichte, die englischen y Stanley II. S. 337. 2) Stanley II. S. 347. Äls der englische Agent am Alcrandra-Ml die Wa-ganda-Christen zurückwies, gab er ihnen den Rat, nur auf die Herren Stotes und Mllckay zu vertrauen (II. S. 348). 120 Interessen anzubahnen nnd eine Annektierung vorzubereiten, zweitens Fühlung mit Emiu zn gewinnen nnd ihn den englischen Plänen zugänglich zn macheu. Seine Thätigkeit ist in ihren Erfolgen bekannt geworden: Mackay hat nicht nnr eine englische Partei in Uganda geschaffen, die sich später trotz der Wirren noch stark genug erwies, den Mohammedanern wie auch zum Teil den katholischen Christen das Gleichgewicht zu halten, sondern anch anf die Gestaltung der Verhältnisse so großen Eiufluß gewonnen, daß er, obwohl später in Usambiro weilend, doch noch auf die Hauftteutschlicßuugcu einwirkte und die Leitnng seiner Partei in Händen behielt. Es würde über den Nahmen unserer Anfgabe Hinansgehen, seine politische Wirksamkeit näher zu beleuchten; es findet sich in den vorliegenden Werken eine ganze Reihe von Belegen, zu deucu auch Herr Stanley in seinem Bestreben, sein Wissen auszuplaudern, wider seinen, öffentlich ausgesprochenen Willen eine recht ansehnliche Zahl liefert. Di'. Peters tonnte ebenfalls in Uganda Mackays Einflnß beobachten, den anch die französischen Missionare vollkommen anerkannten.') Seine Answeisnng ans dem Lande seiner Arbeit, sowie das Entstehen der Revolution nsw. wird wohl nicht znm mindesten anf seine politische Agitation znrnckzn-fnhrcn sein. Auf der andern Seite ist Mackay seiner Anfgnbe hinsichtlich der Verbindung mit Emin zur Geuüge nachgekommen, wovon der oben angeführte Brief und die Einleitung znm Stnnleyschen Werk») das beste Zengnis abgeben. Ans letzterer geht noch hervor, daß Mackay wohl direkt dem englischen Generalkonsul in Sausibar unterstellt war, dein er anch seine Berichte cinznscndcn hatte nnd der seine Wirksamkeit wohl sehr zu schätzen wnßte, worin anch Stanley mit der Vemerknng einstimmt: ..Herr Mackay schreibt immer verständig; ich habe ans seinen Briefen eine Menge verläßliche Informationen erhalten." Wenn man so Mackays Thätigkeit, die übrigens in diesem Sinne schon viele Jahre gedauert hat, die aber erst 1886 durch die Emin-Beweguug spezieller gerichtet wurde, mehr als Kundschafterdienste bezeichnen könnte, so erhielt sie mit dem Jahre 1887, als die englischen Heere im Westen und Osten ihre Operationen begannen, eine wichtigere Rolle znerteilt, nämlich eine vermittelnde Stellnng zwischen beiden; sie wurde das Zentrum der englischen Streitkräfte. Der Schlnchtplan stellt sich demnach so dar: der linke Flügel unter H. Stanley lehnte sich an den Albertsee an, von dem ans er die Position am Nil erstürmen sollte; der rechte stand bei Kawirondo nntcr Jackson nnd das Zentrnm nnter Mackay in Uganda; die letzten beiden sollten sich vorerst defensiv verhalten. Die Entscheidung anf der ganzen Linie lag auf dem linken Flügel, der, sobald er anf dem Kampfplatz gekommen, die Operationen eröffnen sollte, während das Zcntrnm nnd der rechte Flügel erst das Ergebnis im Westen abwarten nnd demgemäß in ihren Stellungen verbleiben sollten. Die Instrnktionen verteilten sich so, daß Stanley die Hanptanfgabc zufiel, die dcfiuitive Gewiunuug Emins, Mackay die ver- ') Wir verweisen z. V, auf Peters, S. 431. -) Stanley I. S. 25—30. 121 mittende, Jackson die schließende, die Benutzung des Erfolgs; die beiden Flügel operierten an beiden Seiten des Zentrums nnd sollten dessen Thätigkeit zuletzt dnrch Einschwenken erfolgreich machen, so daß der Schwß-kampf in Uganda stattfinden mnßte. Eine kleine Verschiebung der Operationen trat noch insofern ein, als das Zentrum, obwohl der schwächste Punkt auf der gauzen Linie, sich doch herbeiließ, indirekt zu früh einzugreifen. In dem folgenden Kampf wurde es zersprengt uud zum Teil über den Ukerewe zurückgeworfen, so daß man in London endlich erkannte, daß die Mitte ihrer Anfgabc nicht gewachsen sei, nnd deshalb Stokes zur Unterstützung entsandte, der mit den Missionaren im Verein die Reste der Partei sammeln und der Gegenpartei das Gleichgewicht halten sollte. Sobald das Treffen am Albertsec entschieden wäre, hatte Stanley den Auftrag, sich zum rechten Flügel herumzuziehen, mit diesen verbunden sich auf das Zentrnm der Feinde zn werfen uud der eigeueu Mitte zu in Siege zn verhelfen. Die Bewegungen wnrden aber nicht so gewissenhaft ausgeführt, wie der in London entworfene Schlachtplan es erheischte. Der einzige, der seine Instruktionen gcnan befolgte, war Jackson, allerdings schwerlich ans Gewissenhaftigkeit nnd nicht vielmehr aus Furcht. Dagegen war das Zentrnm zu eifrig und giug zur Offensive über, da es der Versuchung, den Augenblick zn benutzeu, nicht widerstehen konnte.') Mit der Vckehruug Mwangas in Vukumbi war der Aulaß zum Eingreifen gegeben. Die Missionare konnten nicht selbst in den Kampf ziehen, um den Schein zu wahren, und fchickten deshalb Stokes vor, der mit Mwanga vereint in den westlich des Sees gelegenen Ländern den zerstreuten Anhang sammelte nnd den Kampf mit Karema eröffnete. Die Strcitkräfte waren aber doch zn geringfügig, nm in offener Feldschlacht die Entscheidung zu wagen (mau besaß nur 250 Gcwehrträger), so daß mau sich mit dem Erfolg begnügte, die Inseln im Ukcrewe besetzt nnd die ganze Flottille zur Verfügung zu haben. Stokes eilte uach Sansibar, uni Unterstützung herauzuholcu. Nach seiuer Rückkehr entschloß er sich, sogleich den Vormarsch gegen Karema zu beginnen, indem er den einen Teil der Christen von Uddu zu Lande, den andern nnter Mwanga von den Inseln gegen Uganda vorrücken ließ. Das Landhecr wurde von den Feinden zuerst augegriffcn uud war nahe daran, geschlagen zn werden, als Stokes mit der Flotte herbeieilte nud den Sieg errang. Nach einem weiteren Sieg zog Mwanga triumphierend in die Hauptstadt Ugaudas ein, während sich Karema mit der mohammedanischen Partei im nördlichen Teil des Reiches festsetzte. Das Zentrum hatte nun zwar gesiegt, aber nichts Entscheidendes dabei errungen. Mwanga war gewillt, das englische Protektorat anzunehmen, wenn die Engländer Karema völlig vernichteten, aber der stand unheilverheißend im Norden, jeden Augenblick bereit, mit seinen Arabern hervorzubrechen, und das englische Zentrnm war zn schwach, den Kampf i) Über den Vorstoß des Centrum vcrgl.: Stanley II. S. 335 — 336. 347. Peters, S. 297 — 298. 300. Brief Peters aus Mlala (zwei Märsche bis Muinimsagara), 23. Juni 1890 an das Komitee („Kolonialzcitung", Neue Folge, III. Jahrgang, S. 199). 122 mit seiner „fanatischen Kriegsmacht" anfznnehmen. Stokes zog sich nach Süden znrück, während znm Entsatzc von Mackay zwei Missionare, Gordon nnd Walter, als Leiter der englischen Partei nach Uganda gesandt wnrden. Wie Mackay ganz richtig in den: oben erwähnten Briefe hervorhob, war jetzt „eine seltene Gelegenheit" geboten, die mächtige Position mit wenig Anfwand für England zn sichern. An beiden Seiten befanden sich englische Heere, die dnrch ein Eingreifen leichtes Spiel gehabt hätten. Zwar war die Eroberung Ugandas für die Zeit nach der Gründnng des englischen Staates in Kawirondo von London ans festgesetzt, aber Mackay, der nicht so engherzig an den Vnchstaben klebte, als vielmehr den Verhältnissen Rechnnng trng, war überzeugt, daß ein sofortiger Gewinn die Herren in England über Erwarten erfreuen und ganz gewiß die Billignng der Regierung, als deren Vertreter er ja gewissermaßen fungierte, finden würde. Von diesem Standpnntt ans wollte er zncrst Emin Pascha znm selbstlosen Eingreifen veranlassen, indem er obigen Brief an ihn schrieb nnd zngleich seine Agenten in Uganda anwies, den ägyptischen Gouvernenr über die Lage zu unterrichten. Dann versuchte er in dem Glanben, daß der linke Flügel mit seiner Anfgabc vollauf beschäftigt sei, den rechten znm Vormarsch nach Uganda zn bewegen nnd hatte deshalb Mwanga zn Zugeständnissen veranlaßt. Der König schickte auch zwei Gesandtschaften nach Kawirondo mit der Bitte nm Hilfe gegen Karema, er wäre bereit, wenn die Engländer kämen, das Handelsmonopol in Uganda nnd tribntärcn Ländern der britischen Gesellschaft einzuräumen, sowie sich selbst unter britisches Protektorat zn stellen. Der Brief war von den Missionaren mitunterzcichnet. Später schickte er nochmals Gesandte nnd ließ noch hinzufügcu, er würde noch im Falle des Kommens 35 Zentner Elfenbein ihnen als Geschenk zugeben nnd die englische Truppe unterhalten. Jackson zog die Sache in die Länge und lehnte endlich mit dem Bemerken ab, er fühle sich zn schwach (500 Remingtons!); das Schicksal Hanningtons schwebte ihm wohl warnend vor.') Man kann sich die Stimmung Mackays sehr gut vorstellen, als er hier gar kein Verständnis für seine großen Pläne fand; er änßcrt sich darüber in seinem letzten Brief an Stanleys): „Sie (die Iacksonsche Expedition» scheint einen Mann von Entschlossenheit nnd Mnt an der Spitze zn brauchen." Man darf Mr. Mackays politische Thätigkeit gar nicht verkennen; denn er war wohl der eifrigste uud gewissenhafteste Agitator, der jemals England in jenen Gegenden vertreten hat. Sein Programm, an das er bis zn seinem Tode festhielt, enthielt nach seinen eigenen Worten die Aufgabe: „Afrika englisch zu machen vom Tafelberge bis znm Atlas"; gegen die Deutschen wollte er die Araber „loslassen und dann solle man einmal sehen, wie schnell die ganze Unternehmung (Deutsch-Ostafrika) in sich zusammenbrechen würde". ^) Wir wollen hier nicht nntcrsnchcn, wie weit Missionar Mackay, der in Europa so viel gerühmt ') Peters, S. 300—302. 325. 2) Stanley II. S. 387. 3) Peters, S. 431. 123 worden ist, in den ostafrikanischen Aufstand gegen die deutsche Herrschaft verwickelt gewesen, seine Thätigkeit könnte hier leicht mit der Tippu Tibs konkurrieren,- aber das eine können wir noch hinzufügen, daß der fromme Mann mehr Erbarmen mit seinen Gegnern in Uganda, als mit den Deutschen an der Küste gehabt hat. Die Aktion des Zentrums hätte leicht erfolgreich werden können, wenn nur der rechte Flügel mit eingegriffen, aber allein war es zu schwach, seinem Angriff gebührenden Nachdrnck zu geben, und deshalb mißlang der Vorstoß. ^>o blieb die letzte Entscheidung bei dem linken Flügel, der, wie gesehen, eine solche mit Vorbedacht vermied. Immerhin wäre noch ein glänzender Erfolg auf der ganzen Linie zn erringen gewefen, wenn auf seinem Abzüge der linke Flügel, den Verhältnissen gehorchend, sich mit dem Zentrum verbunden und offeusiv vorgegangen wäre. Aber die Sieger begnügten sich mit ihren Trophäen, die sie im ersten Kampf erbentet, und zogen zurück, um Triumphe zu feiern. Als so der eine Teil aus der Nolle fiel, war den beiden anderen, da ihre Thätigkeit doch in einander griff, das Ziel entschwunden. Der rechte Flügel war demnach gar nicht in Aktion gekommen, das Zentrum zu schwach, uud die große Be-weguug mit ihren Millionen Unkosten im Sande verlaufen. Infolge der Uneinigkeit der einzelnen Teile wurde der Hauptkamftf-Platz, anf dem die letzte Entscheidung fallen sollte, gar nicht betreten, und so gelang es der dentfchen Expedition, dessen Ziel durch deu Sieg des englischen linken Flügels gegenstandslos geworden war, znerst dort zu erscheinen. Die Situation wnroc hierdnrch gefährlich. Von den englischen Heeren befand sich unr noch der rechte Flügel im Felde; denn auch das Zentrum war bis auf seine frühere Gestalt zurückgezogen nnd hatte eine mehr beobachtende und vorbereitende Haltung angenommen. Während man bisher in Kawirondo mit einem scheinbaren Recht in meisterhafter Unthätigkeit gewartet hatte, war jetzt jeder Grund znm Zandern genommen; denn man wurde iu seinen Zielen angegriffen. So wäre es das natürlichste gewesen, wenn Jackson mit seinen zehnfach überlegenden Streitkräften Peters aus Uganda verdrängt nnd da die protestantische Partei mit dem Katigiro nnd den englischen Missionären an der Spitze auf seiner Seite stand, zugleich das Protektorat uebst allcu englischen Wünschen dnrchgesetzt hätte; dann wäre noch im letzten Augenblick ein Erfolg errungen. Aber das Wagnis schien dem alten Pedanten zn nngeheuer: der unerschrockene Massaibesieger, der auf seiuem Zuge alle Hemmnisse kraftvoll zersprengt, der sich nicht geschent hatte, unter den Mauern seiner eigenen Station die deutsche Flagge zu hisseu und das ganze Sultanat Kawirondo vertragsmäßig zu erwerben, der Mann war ihm doch zn furchtbar, als daß er sich ihm entgegeuzustclleu wagte. Iacksou zog es vor, durch Iutriguen Peters in Uganda zu vernichten. Er schickte an Mwanga einen Brief mit der Mitteilung, daß die Peterssche Expedition ohne Zustimmung ihrer Regierung gekommen sei; „er habe mit Zustimmung der dcntschen nnd englischen Regierung den Auftrag übernommen, dieselbe am weiteren Vormarsch zn verhindern und, wenn nötig, zn verhaften. Er ersuche mmmehr Mwanga, seinen Freund, da er selbst entfernt sei, diese Verhaftuug vor-znnehmcn, da die beiden (Peters und von Tiedemann) bereits genug 124 Schaden in Afrika angerichtet hätten. Im übrigen hoffe er selbst, Mwanga alsbald zu sehen, er komme mit 500 Mann." >) Die letzte Notiz sollte wohl nnr dein Anstichen Nachdrnck geben nnd die Pctersschen Kräfte gering erscheinen lassen; denn solange die dentschc Expedition in Uganda weilte, wäre Jackson gewiß nicht hereingekommen. Was aber bemerkenswert hierbei war, war der Umstand, daß das Hereinziehen der dentschen Rcgicrnng keine Lüge war, wie damals Peters noch erklären tonntet, sondern daß Jackson schon Nachricht von der Küste erhalten hatte (bald nachdem Peters Uganda betreten hatte-5), sowohl über die Stelllingnahme der deutschen Ncgiernng wie über die Gefährlichkeit des dentschen Unternehmens. Über den Pnnkt, daß die Neichsrcgicrnng in Berlin es zngab, daß ein Engländer das Henkcrsamt an dentschen Unterthanen vornehmen durfte - denn das that Jackson durch seine Votschaft an Mwanga -wollen wir stillschweigend hinweggehen. Mwanga, Mfalme von Uganda, erkannte die Gemeinheit des Engländers, erklärte Jackson für seinen Feind, spie anf das schreiben nnd warf es zn Boden. Dann stellte er Peters seine Soldaten znr Verfügung, damit er nach Kawirondo ziehe nnd seine Feinde züchtige.') Das war die Antwort eines afrikanischen Despoten anf die Beleidigung, die seinem Gast zngefügt war. Unterdessen war auch die englische Partei in Uganda unter Mackays Agenten nicht müßig geblieben. Als der zwischen dem König und Peters abgeschlossene Vertrag von den Großen nnterzcichnct werden sollte, nach dem die Selbständigkeit nnd Neutralität Ugandas ausgemacht war, dessen Ratifikation Peters in Berlin nachsuchen sollte, verweigerte der Kategiru seine Unterschrift, mit der Erklärung, er müsse sich erst mit den englischen Missionaren beraten. Gordun und Walker suchten natürlich jede Übereinkunft zn hintertreiben, indem fie behaupteten, der König habe gar kein Recht, Verträge mit anderen einzugehen, da er das britische Protektorat bereits angenommen habe. Jedoch nützte ihre Agitation wenig; denn Peters bewog den König, eine große Staatssitzung anzuberaumen, in der ..nnter stürmischem Beifall" die Autonomie Ugandas proklamiert nnd der Vertrag allseitig unterzeichnet wnrde. ^) Die englische Partei hatte Fiasko gemacht; in der Versammlnng war es fast zn Thätlichkeiten gekommen, die nnr mit Mühe vermieden wurden. Die übrigen Intriguen der Engländer blieben gleichfalls resultatlus^), da Jackson während Peters Aufenthalt sich nicht nach Uganda hineinwagte nnd die Partei des Katigiro sich in der Minderzahl befand. Die deutsche Expedition schiffte sich Ende März 1890 in der Mnrchisonbai ein, fuhr nach Usnkuma nnd zog von dort an die Küste über Mvwapwa, ') Peters, S. 407—408. 2) Peters, S. 409. 3) Denn Jacksons Brief war Anfang März datiert, und Peters überschritt den Nil am 20. Februar in dcr Nähe der Ni^onfälle (S. 346 ff.). ') Peters, T. 409. 5) Über die Verhandlungen vergl. Peters, S. 367 — 384. «) Peters, S. 412—413. 125 wo sie den wieder ins Innere ziehenden Emin Pascha traf, ein würdiger Abschlnß. Erst als Uganda von den fremden „Abenteurern" verlassen war, wagte es die englische Expedition, um nicht zn große Unznfriedenhcit in London hervorzurufen, vorsichtig durch Usoga in das langersehnte Land zn rücken, wo sie in der zweiten Hälfte des April 1890 eintraf.') Aber trotz des Zusammenhaltcns der englischen Partei war es Jackson nicht möglich, für England bindende Vorteile zn gewinnen, da die Katholiken zn mächtig waren nnd sich der Gegensatz zwischen beiden Konfessionen fortwährend steigerte. Nach vergeblichen Bemühungen trat er eilends den Rückweg au, uachdcm er Mr. Gcdge als Vertreter zurückgelassen hatte. So waren etwa Mitte 1890-) die ganzen Streitkräfte Englands vom Kampfplatz zurückgezogen, so daß die Wahrung der Interessen, wie vor 1887, wieder den Missionaren verblieb, zu denen jetzt noch als Spezial-Agcnt der Kompanie Gcdge kam. Tie Aussichten wnrdcn für England immer zweifelhafter: denn es fehlte ein Mann wie Mackay^'), der mit seinem Einfluß die Partei in den ausbrccheuden Wirren zusammengehalten hätte nnd den Stürmen kraftvoll begegnet wäre.^) Zwar versuchten die Missionare in Usambiro, ihre Brüder in Uganda durch Unterstützungen möglichst zu stärken, aber als Emin Pascha an der Spitze einer deutschen Erpedition den Ukercwe erreichte und davon hörte, daß die Missionare einmal 70 Nemingtongewchre nach Uganda geschickt, daß anßerdcm noch auf der englischen Station die Maschine Zn einem Dampfer für den See bereit liege, snchte er sofort „die Einfuhr von Waffen von Usambiro aus zu verhindern".5) „Hoffentlich", schreibt er ans Vussisi an das Neichs-kommissariat, „wird das Verbot der Waffenausfuhr von hier mit aller Strenge aufrecht crhalteu, und glaube ich, daß es absolut erforderlich ist, eine kleiue Station an den Ausgang des Kreek zn legen. Hätte ich selbst Soldaten, so würde ich dies sofort ausführen." Vor seiner Antuuft war Gedge „mit einer Anzahl bewaffneter Leute, die er aus Mombassa mitgebracht", uach dem Südende des Sees gekommen, vielleicht nm von den Missionaren weitere Unterstützungen zu haben, oder was wahrscheinlicher ist, um einen festen Stützpunkt zn snchen, da seine Stellung in Uganda ziemlich haltlos schien. Als Emin sich näherte, snchte er plötzlich das Weite, setzte sich aber gleich daranf, offenbar da er keinen andern Answcg >) Peters, S. 409. 2) Denn Ocdge verließ doch wühl erst dann Uganda, als er sich nicht mehr sicher fühlte, kam aber schon etwa 10. September 1890 nach Malolosdors zu den englischen Missionaren (Weißbuch X, Nr. 19, S. 32); mithin muß Jackson, da wohl anzunehmen lst, daß jener sich allein etwa einen Monat in Uganda gehalten, etwa Inni oder Juli zurückgezogen sein. Emin schreibt darüber in seinem Bericht datiert 11. Oktober 1899 unbestimmt: „Mr. Jackson war schon seit längerer Zeit von Uganda abmarschiert." (Idici. S. Ü3.) 3) Mackay starb Anfang 1890; nach Stanley Ende Januar. II. T. 388. („Der beste Missionar seit Livingstone".) 4) Die „arabischen Flüchtlinge ans Uganda" ljedcufalls Karema und Partei) hatten sich mit Kabreaa von Unyoro verbunden und Mwanga angegriffen. Weißbuch X, Nr. 19, S. 33. 5) Weißbuch X, Nr. 17, S. 29 — 30. 126 mehr sah, mit ihm in Verbindung, worauf sich der Pascha auf seine Bitten hin bewogen fühlte, sich seiner anzunehmen.') Bezeichnend ist in dem deutschen Berichte noch die Notiz, daß Gedge znm Südeude des Sees gekommen sei, „um Mr. Stokes zu crwarteu" 2), nachdem schon vorher bemerkt war, daß es gegen die deutschen Interessen sei, wenn Stokes den Engländern (nämlich Gedge) Waren verkanfc; Emin hätte deshalb einen schriftlichen Protest in Usungo hinterlassen nud fordere das kaiserliche Kommissariat auf, sich deshalb mit dem englischen Händler in direkte Verbindung zn setzen.^) Stokes war nämlich vom stellvertretenden Reichskommissar Schmidt ..unter Aussetzung eines guten Gehaltes" für die deutscheu Interessen engagiert''), hatte "aber damit seiueu nationalen Sympathien nicht entsagt uud glaubte sich als ehemaliger Teilnehmer immer noch verpflichtet, den zersprengten Resten der Emin-Expeditionen seine Unterstützung nicht versagen zu dürfen.'') Aber gerade derjenige, zu desseu „Ncttuug" diese Männer sich erboten, kam ihm dabei zuvor. Die Wirksamkeit Gedgcs greift eigentlich schon in einen späteren Abschnitt englischer Bestrebungen zur Gewinuung Ugandas über; die bisherigen könnte man mit dem Rückzug Jacksons als geschlossen betrachten. Ihr Erfolg ist also nicht nur völlig negativ ausgefallen, sondern sogar in das Gegenteil umgeschlagen, da der englische Einfluß am Nil einen starken Stoß erlitten, und die englische Partei machtloser geworden ist als ehedem; die lang umschwärmte Stellung wurde am Eudc uoch betreten, aber nur, um sich schleimigst mit Einbuße an Geld und Ehre wieder zurückzuziehen.") ') Weißbuch X, Nr. Il), S. 32 —33. Emin erklärt sich den regen Verkehr zwischen den Herren in Usambiro und Uganda etwas ironisch „vermutlich zur Wahrung von Missionsintcrcssen". 2) Ibid. 3) Weißbuch X, Nr. 18, S. 31. -») Weißbuch X, Nr. 7, S. !>. 5) Diese Wahrnehmung bietet ein passendes Gegenstück zu den Berichten von Stokes an Wißmann, die letzteren beeinflußt und zu einer scheinbaren Kontroverse mit Elnin Veranlassung gegeben haben. Die .ßtellung eines englischen Agenten in deutschen Diensten, der einst unter Mackinons Ägide und mit Mackay als Kampfgenosse auszog, um den deutschen Interessen einen empfindlichen Schlag beizubringen, muß allerdings etwas Befremdendes haben und erklärt sehr wohl den gehässigen, ironischen Ton, mit dem cr über den „undankbaren" Emin an den Rcichskommissar schrieb. Wir werfen hier die Frage auf, ob wir des Einflusses eines Engländers bedürfen, um eine uns gc-sichtcrtc Machtsphäre zu gewinnen, Soviel ist noch dazu ganz gewiß klar, daß erst das neuste Abkommen die Engagicrung «on Stokes möglich gemacht hat, und daß, wäre über das Hinterland noch keine Vereinbarung getroffen, jener seine Mittel noch weiter dazu angewandt hätte, das Feld seiner Wirksamkeit für Großbritannien zu sichern. Ob aber gerade das Hereinziehen eines Engländer? zur Ausführung deutscher kolonialer Bestrebungen den nationalen Gedanken fördern kann, mag dahin gestellt sein. ^ Wie eifrig die Engländer nach dem Besil; Ugandas streben, geht daraus hervor, daß nach einem soeben bekannt gewordenen Bericht Emins aus Bukoba, 5i. Januar 1891, eine neue Expedition von Mombas — Kapitän ^ugard mit zwei Engländern, 40—50 Sudanesen-Soldaten und etwa 300 Trägern — Uganda erreicht hat und mit Mwanga verhandelt. M Schluß. Äm Schluß erübrigt cs noch, die Erfolge zu betrachteu. welche die Auftraggeber und Teilnehmer von der Stanleyschen Expedition gehabt haben. Die großartigen englischen Unternehmungen der Jahre 1887 bis 1890 im Seengcbiet, von denen die hier behandelte ja nur der wichtigste Teil war, habcu nach der Zurückziehung des rechten Flügels thatsächlich ihr Ende erreicht, wenn auch die auf dasselbe Ziel gerichteten Operationen bald wieder erneuert wurden. Man hat diese Bewegungen schlechtweg mit Emin-Pascha-Expeditionen bezeichnet; mit vollstem Recht, nicht etwa deshalb, weil Emin entsetzt, d. h. nnterstützt oder gerettet werden sollte — denn es war überhaupt nur eine dazu bestimmt, ihn zn erreichen —, sondern deshalb, weil der Name „Emin Pascha" die Entsendung veranlaßt hatte. Natürlich ist auch die Bezeichnung „Entsatz-Expedition" ganz unzutreffend, noch viel mehr, als man die von Fischer und Lenz geführten so benennen könnte; die Stanlcysche hatte )a, wie gesehen, anch gerade das Gegenteil angestrebt. Von allen Expeditionen, die nach Hat el Estiva zogen, verdient nnr eine diesen Namen, nämlich die dentschc nnter Di'. Peters, obwohl sie nach Beraubnng ihrer Hilfsmittel keinen namhaften Entsatz durch Zuführung von materieller Unterstützung mehr leisten kounte; denn sie war die einzige, die sich Emin zur Verfügung stellen wollte. Man könnte diese englischen Bewegungen auch als die Antistrophe zu den Sndanfeldzügcn auffassen nnd zwar vornehmlich zn dem Teil, in dem Gladstone durch die Entsendung Wolseleys, Grahams und Gewinnung Italiens die Absicht erkennen ließ, das Land bis Chartum rechts des Nils sogleich zu besetzen. In dieser Gegenüberstellung entsprechen sich auch die Operationen der einzelnen Teile uud ihre Erfolge hinsichtlich des Allgemein-Gclingens, insofern die Thätigkeit aller drei sich nm Gordon drehte, und dieser mit Emin, Wolseley mit Stanley, Graham mit dem Zentrum und die italienische Stellung mit Jackson zu vergleichen wäre; der letzte Punkt möge in dem Sinne gerechtfertigt sein, daß ohne das folgende deutsch-englische Abkommen anch Kawirondo nebst Uganda cventncll den Engländern verloren gegangen wäre, mithin die Besetzuug vou Massauah der Aufstelluug Jacksons am Ukcrcwc, dagegen das Ergebnis am Roten Meer mehr der Wirksamkeit der deutschen Expedition entspricht. Die Ausführung im Nillande wurde gleichfalls vereitelt, so daß mau auch hier dcu Mittelpunkt der feindlichen Stcllnng, Kassala, gar nicht betrat, wodnrch später ein Konflikt mit Italien hervorgerufen wnrdc. 128 Speziell auf die Stanleysche Expedition angewendet, ergab der Wolseleyschc Zng ein ähnliches Resultat, nur daß Gordon seinem Retter nicht die Hand reichen konnte und mit seinem Werk zusammenbrach. An den Quellen nnd an der Mündung des weißen Nils wnrdc ein Bollwerk dnrch die Barbarei hinweggeschwemmt gerade zn der Zeit, als der Netter nahte; im Süden durch den Kummenden selbst, während im Norden wohl sein Nahen den Stnrz beschleunigt haben mag, aber in beiden Fällen durch England. Der Khediwe mußte mit seinen: Namen diese Thaten beschönigen, da er ja gleichfalls im Sinne seiner Gönner vor seinen eigenen Unterthanen „gerettet" war. Man muß die Emin-Bewegnngen von einem doppelten Gesichts-Pnntt aus betrachte«, von dem der Rcgiernng nnd dem der ostafrikanischen Gesellschaft. Im ersteren Falle bedenten sie den Anfang der Sudan-Okkupation und die Verbreitung der cuglischeu Machtsphäre im Scen-gebict, im zweiten allein die Gewinnung des Hinterlandes von Britisch-Ostafrika, im weitesten Sinne formuliert in der Gründling eines alle noch unbesetzten Gebiete umfasfenden Reiches. Der Erfolg war im Sinne der Regicrnng in seinem unwesentlichen Teil znr Hälfte erreicht, in seinem wesentlichen vereitelt; im Sinne der Gesellschaft in fast jeder Beziehnng unßlnngen. Der Schlachtplan, den Mackinun in seiner kühnen Denkart ersonnen, ist vielleicht das großartigste Projett gewesen, das bisher in Afrika mit Ausnahme des Kongostaatcs znr Anwendung gebracht werden sollte, aber seine Organe zeigten sich mit einer Alisnahme zu stümperhaft, um auch nur im Verständnis ihrem Gebieter das Wasser zu rcichcu. Mit der thätigen Beihilfe Salisbnrys hatte er größere kapitalistische Kreise durch verlockende Anssichtcn für seine Ideen zu gewinnen gewußt, aber vou allen großen Gedanken, die beim Entsenden der Erpedition bestimmend waren, ist anch nicht ein einziger am Schlnß verwirklicht worden. Mackinon ist ebensowenig wie Salisbury eine direkte Schnlo am Mißlingen beiznmessen; beide haben das möglichste gethan, lind wenn anch dies oder jenes Versehen dem Komitee angerechnet werden mnßte, so geschaheil diese mehr, nm für einen Fehler, wie man meinte, größere Vorteile zu gewinnen. Daß man sich hierin verschiedentlich irrte, trifft die Entsender um so weniger, als durch ihre Organe diese Nachteile leicht zn kompensieren waren. Die gesamten Unkosten müssen wohl sehr bedeutend gewesen sein. Durch das Hissen der humanitären Flagge in London nnd die famose Bildnng einer <'m'es sich aber später als unzulänglich und wnrde schließlich w 5ummn, anf etwa 680000 erhöht, von denen nber nach allen Abzügen nnr 580000^ verbraucht wurden.-) Was mit den übrigen 100000.//! geworden, ist nicht schwer zn erklären, mn so mehr als ans dein Bericht des Erpeditionsführcrs hervorgeht, dajz alle anderen, überlebenden Mitglieder ihr Gehalt oder Honorar erhalten hätten, nur er selbst sich, jedenfalls aus Bescheidenheit, dabei übergangen hat. Also wir werden wohl nicht fehlgehen, wenn wir Herrn Stanley mit der fehlenden Snmme in Zusammenhang briugeu, nnd bleiben dabei nnr im Zweifel, ob er sich dieses Geld mit der Gesellschaft geteilt hat; denn es übersteigt die Snmmc der Offiziersgagcn nm mehr als das Doppelte. Dies scheint jedoch auch nicht der Fall zn sein; deun das Entsatzkomitee ist offenbar aller Mittel entblößt nnd beabsichtigt deshalb den „Erzbösewicht" Tippu Tib für seine der Expedition verursachten Unkosten in der Höhe von 10000 Pfd. St. heranzuziehen, nnd den über- ') Stanley I. T. 35. 2) Stanley II. S. 456 — 457. Iaegcr, Die Etaoleyschc Emiu-Efpcdition. 9 ^ 130___ lobenden Sansibariten ein Geschenk nnd den Ofsizicren eine „Nnertennnng" „anszuzahleu .') Das Kabinett Salisbury hat, getreu seinein Grundsatz, das Wenige, was die Stanlcysche Expedition heimgebracht, hat, nicht nur gesichert, sondern zu den größten Erfolgen benutzt. Im Übereinkommen mit Deutschland gelang es ihr, ein großes Mionsgebict fin- die Gesellschaft zn gewinnen, also das durchzuführen, was die Unternehmungen an Ort und Stelle nicht durchsetzen wollten oder tonnten, nnd die südliche Grenze bis znm 1." südlicher Breite hiuansznschieben. Das Wituland nnd die Somal-t'üste bis Kismaju wnrde von der deutschen Regierung als Ertrageschenk bei den Verhandlnngen hinzugefügt, nnd damit das Descwen der Petcrsschen Verträge am Tann, Varingo in Knwirundo und Uganda ausgcsftrocheu, die uicht uur den Iacksonschcn Zng ganz zwecklos erscheinen ließen, sondern ganz Britisch-Ostafrika umklammert nnd nicht einmal bis znm Utercwe sich hätten ausdehnen lassen. Zweifellos die größte That in den Jahren 1887 1890 wnrde nicht einmal anerkannt, dagegen die schmachvollste gepriesen und gekrönt. Das ist der Welten Lauf und der Völker Geschicke, wie man in Berlin und wie man in London Kolonialvulitit betreibt. Recht bezeichnend hebt sich bei den Grenzrcgnlicrnngen zwischen Kongo staat nnd Utcrewc die Reife des britischen, konservativen Ministeriums vou der unreifen Anffassnng kolonialer Fragen in Berlin ab, wo man es trotzdem uicht für gut befand, fachmännischen Rat hinzuzuziehen. In diesen Gegenden war nämlich kein Kontrahent durch kommerzielle oder religiöse Interessen vertreten, so daß die Vcsitzfrage lediglich dnrch die Stanlcyschen Verträge geregelt wnrde. ^) Zwar erklärte Fergufson im Unterhansc während der Bcratnngen, die in beiden Ländern von der öffentlichen Meinung mit ängstlicher Sorgfalt verfolgt nnd von Stanley dnrch unausgesetzte Retlamschreierei ansgenntzt wnrde, daß dieser die Abmachungen anf dcni Rückmarsch nicht mit Ermächtignng der Regiernng geschlossen habe, aber jedermcmn wußte, daß sie in der Voraussetzung 1) Stanley II. 2. 4'.'2 ff. 2) Salisbury schreibt darüber an Malet, daß dic deutsche Regierung ihre Ansprüche auf die Behauptung stütze, daß, wo cine Macht die Küste beseht hatte, eine andere Macht nicht ohne deren Zustimmung sich das Hinterland aneignen dürfe; wenn auch das internationale Gewohnheitsrecht diese Aussago begründe, so tonne ihre Wirksamkeit doch uicht unbegrenzt sein; nach dieser Ausfaffuug gehören von Natur die Gebiete bis zum 1." südlicher Breite zum Hintcrlaude dcr deutschen Besitzungen, wogegen die Regierung Ihrer Majestät keine Autwort habe, da „keine englischen Niederlassungen, weder kommerzielle uoch religiöse, zwischen dem ersten Grad südlicher Breite und demTanganjita-Sce" seien. Hieraus geht hervor, einmal daß, wenn britische Interessen bereits in jenen Gegenden vertreten gewesen wären, alfo wenn die ostafrikauische Kompanie mit den Missionsgcsellschaften ihre Thätigkeit im Hinterland dcr deutschen Besitzungen begonnen, die Regierung auch dieses Vorgehen geschützt und die Erfolge gesichert hätte, mithin daß Salisbury seine Versicherung von Mitte 1W7, sobald eine begründete Änderung seiner Auffassung möglich erschien, zurückgezogen oder unberücksichtigt gelassen hätte. Fcrncr zeigt uns jene Äußerung, daß die englischen Unterhändler als größtes Zugcstäudnis die Festsetzung des 1.« südlicher Breite anzusehen hatten, schon ohne Berücksichtigung der Stanlcyschen Verträge, worans sich auch erklärt, daß man von deutscher Scite nicht auf das ganze westliche Ufer des Ukercwc Auspruch erhob, obwohl man dazu in richtiger Fortsetzung dcr bisherigen Grcnze vom Kilima-Ndscharo zum Uterewc Vcranlassung gehabt hätte. 131 sicheren Schutzes eingegangen und mit stillschweigender Billigung willkommen geheißen wurden. Die Verträge Stanleys erstreckten sich wie gesehen auf der Marschroute nicht über Aulori hinaus, d. h. bis zum Kagera, der etwa unter dem 1." südlicher Breite überschritten wurde, was auch aus den Bekanntmachungen über die späteren Verhandlungen sicher hervorgeht; mithin tonnte nur Ankori als südlichstes Land von England vertragsmäßig beansprncht werden. In der bekannten Depesche Zalisburys an Malet heißt es aber, daß die Verträge „sich nach der uus von Sir William Mackinon gelieferten Landkarte nur bis zum 1." südlicher Breite oder 20 oder W Meilen darüber' hinausdchnten. Die letzte Bcmerkuug läßt darauf schließen, daß man das sich südwestlich der Nnamftara-Kettc über den 1. " erstreckende Mpuroro, welches „vor einigen Jahren von Autari angegriffen und bcfetzt worden ist", als tributären Staat von Antori ansah nnd demgemäß Ansprnch daranf erhob, wogegen fich nichts weiter sagen läßt, als daß man mit diesem Prinzip konsequent bei allen Grenzrcgnlicrnugcn verfahren müßte. Austatt aber uun Mpororo in die englische Sphäre hineinzuziehen, wird als Grenze eine Linie festgesetzt, „welche längs dem 1." südlicher Breite vom Westufer des Viktoria-Nyanza bis zum Kougostaat führt und den Berg Mfumbiro südlich umgeht". Daß mit der Berücksichtigung dieses Bergsystcms die Ansprüche auf Mpororo respektiert werden sollen, geht ans der englischen Depesche hervor, in der es heißt: „Um jedoch die Grenze soweit als möglich mit der durch die Verträge Mr. Stanleys gesicherten Gegend zusammenfallen zu lasfcn, wird die Linie sich nach Süden wenden, damit der Berg Mfnmbiru in die englische Sphäre eingeschlossen wird." Annehmbar mußte gewiß die Festlegung der Grenze dnrch geographische Bezeichnungen sein, da die Ausdehnung von Landschaften stets schwankt und wechselt'), aber in unbekannten Gegenden hatte man bisher fast stets Gradbestimmnngen vorgezogen, ganz sicher aber nicht Berge, die man nur dem Namen nach kannte. Der englische Unterhändler muß daher wohl eiuc bestimmte Absicht hierbei verfolgt haben. Der Mfumbiro ist hiusichtlich seiner Lage uoch nicht bestimmt, überhaupt nur aus der Ferne gesehen, wird aber trotzdem, nach dem Erfolg zu schließen, bei den Verhauoluugcn als südlicher Endpunkt von Mpororo angegeben sein, auf welche Aunahme die deutsche Regierung, da sie, wie auzunehmeu, erst während der Pcreinbaruug den Namen diefes Berges zum ersten Mal hörte, wohl in trcncm Glauben eingegangen ist. Aber nach der Staulcyschen und englischen Findigkeit zu urteilcu, wird man in London Anhaltspnnkte dafür gehabt haben, seine Lage weiter im Süden oder Südosten zu vermuten. Nach Spekes oft zuverlässigen Erkundigungen soll er in Ruanda liegen, möglicherweise umfaßt dcr Berg Mfumbiro auch ein vollständiges Gebirge, so daß uns die ganze Nordwestecke dnrch diese Falle verloren gehen könnte.') Die deutschen Unterhändler scheinen in dieser Frage thatsächlich ein i^pfer ihrer Unkenntnis geworden zu sein; denn selbst in der „Denkschrift über die Beweg- 1) Ratzel, „Entwurf einer ncucn politischen Karte von Afrika." (Pctcrmanns Mitteilungen.) 2) Vcrgl. Wiechmann (»Ludwigslust), „Der Nordwchcn Deutsch - Ostafrikas." („Deutsche Kolonialzeitung", Ncuc Folge, III. Jahrgang, Nr. 17, 2. 203 —W.'i), 132 gründe zum deutsch-englischen Abkommen" sieht sich die Regierung nicht veranlagt, dies Zugeständnis zn motivieren. Da die Stanleyschen Verträge nnr die der Marschroute angrenzenden Distrikte nmfassen tonnten, so wäre das Westufcr des Ukerewe mit der Verbindung nach Uganda uud Uuyoro uebst diesen Bändern selbst als neutrale Gebiete zu betrachten gewesen. Rechnen wir nun die betanute Liberalität der deutschen Regierung hinzu, die in Uganda die Petcrsschen Verträge, desavouierte, um die englische Missionsthätigkeit zn krönen, und erweitern wir das persönliche Entgegenkommen noch mit dem Verzicht auf Unyoru nebst tribntären Ländern, sowie der ganzen Aussicht auf den Norden, so wäre es doch zum wenigsten billig gewesen, daß die von Uganda abhängigen Länder östlich des Sees bis nach Antori nnd südlich des Katonga nicht auch noch den Engländern geschenkt, sondern geringsten Falls als Kompensation für ihre Ansprüche südlich des 1," südlicher Breite verwandt würden. Aber anch das setzte die deutsche Regierung nicht dnrch. Man ersieht, wie weit das Ministerinn! Salisbury seiner Aufgabe gegenüber der ostafriknnischen Gesellschaft nachzntummen snchte, indem es sogar anf derartige Machinationen einging. Die mit so großem Anfwand ins Wert gesetzten Unternehmen hatten wenig Erfolg mitznrückgebracht, aber selbst dies Wenige war genügend, nm der Regierung als Grundlage zu den weitgehendsten Forderungen zu dienen. Wenden wir uns nun den Wirtungen der Stanleyschen Expedition auf die afrikanische Welt zu, so müssen wir gestehen, daß sie die größte Anklage bedeutet, die in dieser Zeit der Lichtwcrdnng des dnnklen Kontinents die Humanität gegen die Zivilisation erheben könnte. Nicht allein die großen Verluste — denn hierin sind ihr anch andere Unternehmungen an die Seite zn stellen ^- anch nicht so sehr die schädlichen Einwirtnngen, die dieser Zug auf die Eingeborenen ansgcnbt hat, sondern vor allem die Schmach, daß ein Unternehmen, das rein von philanthropischen Ideen veranlaßt nnd getragen sein sollte, lediglich dazu gedient hat, die letzte Stätte einer langjährigen Knltur zn zerstören nnd das zu vollenden, was Barbarei nnd Fanatismus fast ein Jahrzehnt lang vergebens angestrebt, diese Schmach ist es, die das Unternehmen anf immer in den Annalen afrikanischer Geschichte brandmarken sollte. Ein nencr Schandfleck anf dem Ehreuschild der cuglischen Nation! Es würde wahrhaft Zeit, endlich einmal in London daran zu denten, wie mau im Ehrenratc der Völker noch weiter die Flagge der Selbstlosigkeit aufrecht erhalten kauu. Am nnteren Nil arbeitete der Mnhdi für Englands Pläne, am oberen dieses für jenen; beide haben ihre Verpflichtungen gegen einander ausgetauscht, so daß uur noch ein enges Bündnis fehlte, um ihren Vezie-hnngen zu eiuander die iiroue anfzusctzcu. Eiu Erfolg in humanitärer Beziehung ist nicht nnr nicht erreicht, sondern diesen Bestrebungen zum Spott in unabsehbare Zeiten hinausgeschoben. Anstatt dessen haben nicht einmal die englischen Sonderwünsche Gewinn davon getragen, wie es bci ähnlichen Ergebnissen der Fall gewesen, sondern alle, nationale wie internationale, materielle wie philanthropische Interessen, sind leer ausgegangen, nnr einer hat sein Hanptziel erreicht, und das ist Stanley. 133 Wie gesehen, hatte das Haupt dcr Expedition die verschiedensten, sich widersprechenden Aufträge übernommen nnd, da er durch die Befürwortung des einen sich nnloyal gegen den andern Auftraggeber zeigen mußte, es vorgezogen, alle gleich zn berücksichtigen, d.h. da doch nicht alle zum Ziel gelangen konnten, das Anerbieten von keinem dnrchznsctzen. Trotzdem ist es sehr wahrscheinlich, das; er seine Hanptcntsender, wenn auch nicht gerade zufrieden gestellt, so doch von dcr Unmöglichkeit eines Erfolges überzeugt hat. Sein Werk soll auch hierzu die motivierende Unterlage bilden und ist deshalb mit den nötigen Auslassungen, Zusätzeu, Umdrehungen, Abschwächnngen nnd Vergrößerungen versehen. Denn das war nötig, da Herr Stanley bei der Ausführung feiner Aufträge stets von dem Grundsatz ansging: Zweck heiligt die Mittel, znmal im Innern Afrikas, wo die Welt nnr das erfährt, was man ihr erzählt. Aber noch znlctzt, als Fortnnas verführerifchc Lichtgestalt ihre zanberifchcn Reize ans uächstcr Nähe auf ihn ausübte, vergaß er die Schranken dcr Vorsicht nnd ließ sich zur Unachtsamkeit fortreißen, so daß sein einst mit pochendem Selbstgefühl angekündigtes Bekenntnis „Wenn es sich nm einen Kampf anf dem Gebiete der List handelt, dann bin ich bereit für den schlauesteu Araber, den es giebt" '), nicht mehr recht zutreffend ist. Die Expedition hat sich in der Ansführuug defsen, was in London annonciert war, so sehr vergriffen, daß man wohl die Vehanptnng aufstellen kann: alles, was sie wahrhaft Gntcs geleistet, ist in aubetracht dessen, was sie verschuldet, so gering, wie das Weiße auf dcr duuklen Hautfarbe des Negers. - Ihr Weg war Blut nnd Elend, ihr Wert Verwüstung und Barbarei, nichts hat sie erstrebt, was Befriedigung hervorrufen tonnte, nichts hat sie geleistet, was mit ihrer Anfgabe im Einklang stand, und doch ist sie gepriesen nnd verherrlicht, wie kanm cm anderes Unternehmen. Aber der Nebel fällt: die Erkenntnis bricht durch uud malt uns ein , düsteres Bild aus. Diese Durchqucruug gehört in Wahrheit zn den schmachvollsten Thaten, die je anf dein Gebiete dcr Afrikaforschuug vollführt sind, und „Stanley" heißt die Anschuldigung, welche die gebildete Welt gegen die englische Nation erhebt, „Stanley" der Vorwurf, mit dem die philanthropischen Bestrebungen befleckt sind, und wiederum „Stanley" der Fluch, deu jene Hnndcrtc von Toten und Preisgegebenen Äquatorias gegen die civilisicrte weiße Rasse Enropas schleudcru. Der gauze Eindruck, dcu diese Persönlichkeit anf nns gemacht hat, ist ein ziemlich deprimierender; denn er war nicht sehr groß als Eutdecker, noch kleiuer als Forscher, am kleinsten als Mensch; mehr ein Odysseus im modernen Lichte, dessen Verschlagenheit uud Naivität er getreu übernommen hat, nnr schade, daß dcr Urtext ihm die anziehende Schilderuug seines Vorbildes vorbehalten hat.-) Der unglückliche Stanley! so hoch ') Stanley II. S. 117. -) Stanley konnte bekanntlich kein Griechisch, was aber nicht hinderte, daß er mehrere griechische Zeilen abdruckte; ebenso wie er im Anfange seines Werkes in cmem Briefe an seinen deutschen Verleger eingcstcht (I, S. IX), daß er vmi der deutschen Sprache „kein Wort uerstehe", aber am Ende desselben Werkes sich herbeiläßt, beim Bankett in Bagamoju die uon (imin in deutscher Sprache gehaltene Nede als „klar, deutlich und grammatisch" zu bezeichnen. (Stanley II. S. 409.) 134___ gestiegen, um so tief zu fallen. Wer wird noch ferner ihn einen großen Entdecker Afrikas nnd nicht vielmehr des Znfalls nennen, wer wird in Zntnnft noch an feine Grüße glauben, wenn nicht er selbst? Wcchsrlvolles Schicksal! Einst lichtvoll nnd strahlend nahm der Stern seinen Aufgaug im rufigen Morgenrot verheißungsvoller Tage, aber er stieg zn schnell; denn als er die Höhe erreichte, verlor er den Glanz, und als er zum Untergang sich neigte, zogen gewitterfchwangere Wolken drohend herauf uud ließen ihn aus dem Gesichtskreis verschwinden, noch lange ehe der Horizont ihn anfuahm. So ist der große Stanley einst gewesen, damals als die Welt ihn in ungeschmälertem Lob erhob; aber der jetzige ist eine Karikatur alles Großen, Edlen und Schonen, eine Pcrsouifitation desseu, was die Tugend flicht. Was bleibt nnn noch übrig von dem großen Afrikastürmcr, dessen Ruf die Welt erfüllt? - nichts, was des Rühmens wert wäre; dem ehemaligen Stanley können wir fein Grablicd, dem jetzigen sein Sterbelicd singen. Wie hell hebt sich von diesem schwarzen Untergründe die Gestalt des letzten Verteidigers Inuerafrikas ab, jenes Mannes, der fclbstlos sein Leben in den Dienst einer aufopfernden Humanität gestellt, der so oft geschmäht nnd doch nie verkannt ist. Wahrlich, sein Bild wird uns so, wie seine Thaten es in der Geschichte Buch geschrieben, anf ewig erhalten bleiben, nnverzcrrr von Stanleyschcr Falschheit nnd englischem Neid, nnd ein treffendes Zcuguis ablegeu von dem, was er geleistet, aber noch mehr von dem, was er in anderer Umgcbnng uud mit anderen Mitteln erreicht nnd was er ohne das Eingreifen fremden Egoismns noch.zu staude gebracht hätte. Mag die englische Nation den niedrigen Verleumder behalten; wir ueiden ihn ihr nicht nnd find zufrieden, den einsamen Streiter Äqua-torias unser eigen nennen zu dürfen. Möge fein Wirken im Dienste seines Vaterlandes doppelt segeubringend sein für die Nation wie für die Zivilisation, möge aber auch, und mit dicfem Wnnsch wollen wir schließen, die dentsche Neichsregiernng erkennen, welcher Mann jetzt da dranßcn ihre Interessen verficht, und möge fic ihn demgemäß ehren nnd vertrauen, anf daß sein Schaffen noch lange den deutsch > afrikanischen Bestrebungen zu gute komme. Verlags-Anstalt von Carl Manz Mnz , eleg. geb. ^ .«, 60 3,. „Ein Büchlein, dem wir die größte Verbreitung gerade in jenen Kreisen wünschten, welche die Gaben, die ihnen die Weltgeschichte brachte, als „selbstverständlich'' hinnehmen, weil sie eben geschichtlich nicht zu denten vermögen." ücrliilcr Frcmdcnblatl. >« Amilich empfohlen uon den Königl. Megieruugen zu Magdebur«. Minden und Ttade. »» Allgemeine Götterlchre. Zum Gebrauch für höhere Lehranstalten, Kunstschulen, sowie zum Selbstunterrichte uon Theodor Seemann. Mit 85 Abbildungen. brosch. 2 ^ 40 H, cleg. geb. 3 F< Meist behandeln die mythologischen Lehrbücher für Schulen nur die griechische und römische,.,höchstens noch die altdeutsche Göttcrlchre. Das vorliegende Buch giebt in gedrängter Übersicht das gesamte sichere Material über die Religion aller Völker. Gute Bilder versinnbildlichen das Dargestellte. Ein Verzeichnis derselben und ein sehr sorgfältiges Register über den Inhalt bilden erwünschte Zugaben, Vnilsch. cu. üirchn>;!a. »» 'Amtlich empfohlen von den Königl. Regierungen zu Magdeburg und Ttadc. »» Internationales Handbuch für den reisenden Kaufmann. Praktische Winke und Ratschläge über die Rechte und Pflichten der Geschäftsreisenden zur Geldersparnis im In- und Auslande von B. Ahrens. 2 ./i, Inhnlt! I, Kapitel: Allgemeines, Die Art des Nnchcs. Mischmasch imter d.cn Reisenden, Anzahl dir Reisende» nnd Spesen, Lisenbabnen, Trinkgelder. — II, Kapitel: Über ftiastliöfe und dcrcn Eiurichiunge«. Zu wünschende Einrichtungen, Das Ideal eines Hotels. Krilil bestehender Eiurichtnngcn, falsche Ansichten über Reisende. Fatale Vortoinninisse in den Hotels. — III, Kapitel: 3nö .Ootcl - Personal. Trinlqclderstatistil, Kellner, Oberkellner, Portiers, Hausknechte, Zimmcrinäbch»,'», Koch, Buchhalter,' Beschließerin. — IV, Kapitel: Tie Pflichten der Nciscudeu. «) im Inlandc, !>) im Auelandc < 21andinavicn, Holland, Belgien, England, Frankreich, Italien, Österreich Unaarn. Schweiz). —V, Capitel: Tic Ncchte der Meisende». — Anhang: Muster-»riefe für lUciscndc. Tie wichtigste» Entscheidungen deö Mcich^obcrl,a!,dc!ogcriÄ)ts für Hnndlungörviseude. Bon einem Nechtsanwalt. MW^ Der Inhalt zeigt die Nnrntbrhrlichlrit des Handbuches für jeden Geschäftsreisenden, Hotelier und Kaufmann. Verlags-Anstalt von Carl Man; (Mauz «k Lange) in Hannover-Linden. Die deutschen Städte und das Iugcndspicl. Nach amtlichen Berichten der Städte bearbeitet von H. R ay d t. 3 ./i. Inhalt: I. Wert dci« Inqcndspiels nnb älmlichcr Leibcoiibiinqeu. II. Das Ingendspicl in England. III. ß'cschichllichcS über dai< .''«qcndspicl l'i<< ;>,m (irlasi deö preußischen jNillnonilniitcrimns vom 27. Ollobcr 1882, IV, (^rlas^ deo prcich. Xiilln^miniftcriumi« vom 27. ^ltobcr 1««?. V. ^as Ingcndspiel seit dem Erlaß und dic von ZibcittcndDNfsll'cil Vlilndichrcibcn. VI. Tic wichüasle» Ant^ Worten der Städte im Wortlaut. VII. Tic lil'riqcn AnIwoNsckvabc». VIII. Mahnungen »nd Ratschlage, — '.'lnhana I, Über erziehliche iliiabeichandardcit. ^on dem Landlagi,-Abaeordlielen von Schenlcndorff. Anhang II. Tic Spiclgcräte. VczngSqncllcn »nd Preise derselben, Bon Oyn»ills>al-dircltor l>r. Eitncr, Allm denjenigen, welche sich Rats über die Iun,endspiclc und verwandte Leibesübungen holen wollen, kann das uorlienMdc Werk warm empfohlen werden. Ein Regulativ für Spu'lpläl'»e, Statnien von vereinen für Iugendjpiel, ssußballre^eln und ähnliches sind aus diesem Grunde mit abgedruckt worden. Ein angefügtes ^>ach-und Namenregister giebt jedem Gelegenheit, sich leicht in der reichhaltigen Schrift zu orientieren. Mehr Erziehung für die deutsche Jugend, (nn Wort zu den Verhandlungen über die Schulreform von H. Nayoi. Zweite Auflage. 60 s>. Der Verfasser geht von dem ganz richtigen Standpunkte aus, das: nur in einem gesunden Korper ein gesunder Geist wohnen kann. Vr wünscht, und mit Recht, eine Reform in unserem modernen Turnwescn, legt aber auch ganz besonderen Wert auf Erlangung einer Handfertigkeit in leichten praktischen Arbeiten, die so manchem, wenn er die Schule verläßt, sehr abgehen. Ticsc Schrift ist sehr lesenswert. Nnllill'cr für Gesimlle «nd ürankc. Das Fußballspiel. Seine Geschichte, Vorzüge und dessen Betriebsweise auf deutschen Spielplätzen. Von F. W. Fr icke. Mit Abbildungen. tart. 5>0 H. Der Verfasser behandelt die Geschichte des snis.ballspicls; die Vorzüge des Fußballspiels vor anderen Spielen, Regeln ^cS Fußballspiele, Gedanken und Winke über Iufchallwettkänipfe, giebt ausführliche ^ahunge» für Fußballvereine und Beispiele zur Aufstellung regelmäßiger Spielberichte. Das Buch ist sür alle Fußballspieler und solche, die es werden wollen, ein unentbehrliches Hilfsmittel. Prciiß. Lllircl-Zeitimy. Mnstcrkatalag für Vereins-, Vults- und Schulbibliothctcn, nebst einer Anleitung zur Errichtung und Verwaltung von Bibliotheken mit Formularen, bearbeitet auf Grund des gelieferten Materials von etwa !«><> ^weigvcrcinen der Gesellschaft für Verbreitung von Voltsbildung. -I. Aufl. 1 ^/i. Der Katalog gliedert sich in: Deutsche Nntionallittcratur; Ausländische Litteratur-, Geschichte; Erd- und Völkerkunde-, Naturkunde-, Gewerbe, Industrie, Volts-, Land- und Hauswirtschaft- Verschiedenes. In der Aufzählung sind durch besondere Zeichen unterschieden: diejenigen Werte, welche, gemeinverständlich geschrieben, zugleich sich für die reifere Jugend eignen, von denen, welche ausschließlich der Jugend bestimmt sind. Im Texte ist genügender Raum gelassen, um vor den Püchcrtiteln die Pibliotheksnummcrn einzutragen, damit der „Musterlatalog" zugleich als Katalog jeder einzelnen Bibliothek dienen könne. Es folgt eine „Anleitung zur Errichtung und Verwaltung von Vereins-, Volks- und Schulbibliothcken mit Formularen", welche den Vorstehern namentlich neu zu errichtender Büchereien dienlich sein kann. »» Amilich empföhle« vo» den Köuigl. Menierunaen z» Magdeburg und Tiade. »» Ubersichfskarfe zu den 1887 1890. li/tkw FUujd dcj' Entjtiindoj: rechtpj' Fliitjel dej- '.Enyliiiidm Centrum der Engländer. Deutscht» ffnüfi -Pasdia -£jj>edUu>w. Maßstab 1:s> 7G0 ODO.