m berHoßE lültholischeWsiimsMtöchnst herausgegeben von der "Kongregation: Missionare Söhne des heiligsten Herzens (Jesu. Preis ganzjährig: Österreich 2-50 5, Deutschland 2 Mark. Italien 8 Lire, Ungarn 2*50 pengö, Tschechoslowakei 12 oK, (Jugoslawien 25 Dinar, Schweiz 2'50 Franken, übriges Ausland 2 Soldmark. Unser heiliger Vater Pius Xl. hat wie schon früher Papst Pius X. der Redaktion, den Abonnenten und Wohltätern den Apostolischen Segen erteilt. Für Wohltäter werden wöchentlich zwei heilige Messen gelesen. Mit Empfehlung der hochwür-digsten Oberhirten von ©fixen, Grünn, ©raz, fieitmeritz, Linz, Olmüh, Marburg, ürient, Driest und Wien. fiest 7. (Juli 1929. XXXII. (Jahrgang. 88S VS (Soldkörner unter Schutt. Von Hochw. P. Josef Anger er, P. 8. C. 188 ^ „Sann denn ans Nazareth anch etwas Gntes kommen?" So sprach einst Nathanael das Normteil seiner Zeit aus. Und gerade in dem geringgeschätzten galiläischen Städtchen hielt sich der Gottmensch, der Messias, auf. Mancher fragt sich auch heute: Kann es denn auch unter Schwarzen Gute geben? Komm und sieh! Und wer sieht, der wird finden, daß unter dunkler Hautfarbe, unter armseliger Kleidung und unter sonst rauhem, ungeschlachtem Wesen oft glänzende Seiten im Charakter durchscheinen, ja daß sich selbst inmitten eines moralischen Schutt-hausens Seelen von edlem Golde finden. Ich habe deren schon verschiedene entdeckt. Am wenigsten möchte man solche in einer Strafanstalt für Eingeborene erwarten. Und doch machte ich auch da einmal einen guten Fund. Ich besuche von Zeit zu Zeit das Gefängnis für schwer bestrafte Eingeborene. Schon lange befinden sich dort zwei Katholiken. Dieselben sind immer herzlich froh, wenn der Geistliche zu ihnen kommt. Dann empfangen sie regelmäßig die heiligen Sakramente mit erbaulicher Andacht. Wären sie nicht an diesem berüchtigten Orte, niemand würde Verbrecher in ihnen vermuten. Sie haben sich wohl in verwegenem jugendlichen Leichtsinn zu argen Gesetzlosigkeiten hinreißen lassen. Nun bereuen sie bitter und büßen schwer, aber die Religion gibt ihnen immer wieder Trost. Einmal erklärte mir einer derselben bei einem solchen Besuche gleich von vornherein und unumwunden: „Pater, heute kann ich nicht beichten und kommunizieren, mein Herz ist nicht in Ordnung. Ich bin mit einem Mitgefangenen in Feindschaft geraten." Ich machte ihn darauf aufmerksam, daß er immer beteuere, er liebe Christus. „Wenn du Christus liebst," sagte ich, „bann mußt du ihm auch eine Freude machen. Er hat dich so geliebt, daß er dir oft schon deine Sünden vergeben hat. Dafür will er, daß auch du deinem Feinde verzeihst. So zeigst du, daß du ihn liebst." — „Ja, du haft recht", sagte er nachdenklich, „aber der andere hat mich gekränkt, ich habe ihm gar nichts Übles angetan. Es ist an dem anderen, zu mir zu kommen und mir Abbitte zu leisten." Eine Kränkung von Seite eines Mit-gestraften fühlt die ohnehin wunde Seele doppelt empfindlich. „Nun, dann laß ihn rufen!" Der Beleidiger erhielt Erlaubnis zu kommen. Ich fragte den Beleidigten nochmal, ob er Jesum liebe. Die Antwort war ein entschiedenes „Ja". „Dann mach' du den Anfang und biete dem Beleidiger Verzeihung an, gib ihm zum Zeichen der Versöhnung die Hand und sag' ihm gute Worte!" Ohne weiteres Bedenken bot er ihm seine Hand, und sein bisheriger Feind schlug bereitwilligst ein, als hätte er selber schon auf diese Gelegenheit zur Versöhnung gewartet. Das Eis war gebrochen. Sie waren wieder gute Freunde, vielleicht noch aufrichtiger als vorher. Ich fragte dann de'n Katholiken: „Ist nun dein Herz wieder in Ordnung ?" — „Ja, Pater, mein Herz ist jetzt weiß, ich fühle mich so leicht und glücklich." — „Willst du jetzt beichten uni), kommunizieren?" — „Ja, mit Freuden." Der göttliche Heiland mag bei der nun folgenden heiligen Kommunion gerne in die Seele dieses Sträflings eingezogen sein. Ein andermal war ich gerade auf dem Wege zur Bahnstation für eine längere Reise, als ein schwarzer Bursche mir begegnete, grüßte. und auf mich zuging. Er zog sein mageres Geldtäschchen hervor, entnahm demselben ein extra blankes Schillingstück und bot es mir an mit den Worten: „Hier ist das Schulgeld für verflossenen Monat."—„Aber warum bringst du es gerade jetzt und nicht später, wenn ich zurückkomme und du wieder die Schule besuchst?" — „Weißt, Pater, ich reise heute ab, mir eine andere Arbeit zu suchen. Zuvor muß ich aber meine Schuldigkeit zahlen und bin eben auf dem Wege zu dir, es zu tun." — „Gut, das ist schön von dir." Der Bursche war ein paar Monate zur Abendschule gekommen, um etwas „Modernes" und Religion zu lernen, weil er noch nicht lange von seinem heimatlichen Kraal fort ist und an Wissen nicht viel mehr besitzt als ein Kind, das zum erstenmal die Schule besucht. Und doch hat dieser einfache, äußerlich ungeschliffene Jnnge eine so ehrliche, dankbare Gesinnung. Merkwürdig. Er hätte sich sein Geld, das er durch saure Arbeit zusammengespart hat, behalten können, ohne daß ein Hahn danach gekräht hätte, da niemand gewußt hätte, wo er wohnte. Er ist noch ungetanst. Wie viele Getaufte hätten ihr Schulgeld zu zahlen „vergessen", wenigstens es nicht der Mühe wert gehalten, vor der Abreise noch eigens einen langen Gang zu machen wegen eines unbedeutenden Geldstückes zu einem Fremden, dem Angehörigen einer Rasse, die dem Schwarzen als sein Unterdrücker gilt. Wenn der Bursche nur im Stadtleben nicht verdorben wird! Ich gab ihm mein Gepäck zu tragen, was er gerne tat, und wir gingen mitsammen zur Bahn. Dabei gab ich ihm den Rat, sich am neuen Posten womöglich an die katholische Mission zu halten, händigte ihm ein kleines Trinkgeld ein und verabschiedete mich. Er dankte und verabschiedete sich seinerseits in seiner trockenen, aber lieben, biederen Weise. Ein Katechistenposten. 140 km Bahnfahrt von Witbank entfernt liegt das kleine, aber nette Städtchen Wacker-stroom, Hauptort des gleichnamigen Distriktes. Eine halbe Meile auswärts davon wohnt ein Mischling, ein Katholik mit Weib und drei Kindern, der Katechist dieser Gegend. Er ist vor etlichen Jahren von der kalvinischeu Kirche zur katholischen übergetreten und nimmt es seither mit seinem Glauben ernst. Er hatte außerordentliche Schwierigkeiten zu überwinden, da sein Vater ein eingefleischter Kalvinist ist, gläubig, aber von äußerst hartgesottenem Charakter. Die ganze Familie war gegen den jungen Konvertiten und dieser hatte deshalb viele Anfeindungen und Plackereien von ihnen zu erleiden. Natürlich hat er von ihnen keinerlei materielle Unterstützung zu erwarten, sondern muß sehen, wie er sich und seine Familie durchs Leben bringt. Mit dem bißchen Geld, das er sich durch fleißige und geschickte Arbeit erspart, verschafft er sich den nötigen Lebensunterhalt. Es hat den Anschein, als hätten all diese Schwierigkeiten, statt den Mann in dem nun einmal als richtig erkannten Glauben wankend zu machen, nur die gegenteilige Wirkung erzielt, daß er nämlich nur mehr in der Liebe zur wahren Kirche erstarkte. Das zeigt sich und ist aus allen Kräften bemüht, der katholischen Mission in der Ausbreitung des Glaubens an die Hand zu gehen. Das hatte die Aufmerksamkeit des dort öfter weilenden Wanderpriesters auf sich gelenkt und ihn auf den Gedanken gebracht, vorläufig dort einen Katechistenposten unter der Leitung des genannten Kon- nicht bloß in seinem privaten Leben, sondern vorzüglich in seinem gewissermaßen zur Leidenschaft gewordenen Bestreben, auch andere, besonders schwarze Eingeborene zu bekehren. An seinem gegenwärtigen Wohnorte mit seiner Familie fast alleinstehend gegenüber Andersgläubigen, besonders den verbissenen Nachkommen der Hugenotten, gegenüber verschiedenen Sekten von Protestanten, denen die schwarzen Eingeborenen dortselbst meist angehören, erfüllt er, soweit möglich, seine Christenpflichten getreu vertiten zu errichten, obwohl derselbe keine besondere Schulbildung genossen hat, dieselbe aber durch seinen Eifer ersetzt und sich durch Selbststudium ein wenig vorwärts zu bringen bestrebt ist. Da er einsah, daß das nicht genügte, drang er in den Missionär, einen Lehrer anzustellen, und bot ihm sein Haus zu diesem Zwecke an. Eine Schule wurde in Betrieb gesetzt, die bald blühte und zeitweilig 60 Schüler zählte. Der gute Mann trug sich schon mit der Hoffnung auf Gründung einer regelrechten Mis- l* sionsstation mit einem Priester. Da hatte er die Rechnung ohne den Wirt gemacht, nämlich die Buren der Gegend. Diese nutzten die bestehenden Landes- und Stadtgesetze in willkürlicher Weise aus, alle diese seine Pläne zu vereiteln. Wollen diese Buren rohester Art schon nichts wissen von einer Hebung und Entwicklung der schwarzen Rasse, so schon gar nicht von einer Tätigkeit der katholischen Kirche unter ihnen. Sie scheinen nichts mehr zu fürchten und zu hassen als eben diese Kirche. Diese ungebildeten Gegner machten nun, aufgereizt von ihrem rücksichtslosen Minister, bei der Stadtbehörde Vorstellungen gegen den armen, hilflosen Katechisten. Die Plackereien nahmen nun kein Ende und die Gegner ließen nicht nach, bis die Mission sich gezwungen sah, die Schule wieder eingehen zn lassen. Das größte Leidwesen für den geplagten Mann ist, daß ein Missionär wegen der Abgelegenheit des Platzes nicht so oft unter ihnen weilen kann, als er wünschte. Dafür fährt er unverdrossen fort, den Missionär, soweit er kann, zu ersetzen, ringsum in der Gegend Unterricht zu erteilen, Privatgottesdienst zu halten unter Gebet und Gesang, die paar Katholiken, die weitherum zerstreut wohnen, aufzusuchen, neue Anhänger der Kirche zu gewinnen und den Missionär über die Lage des Ganzen auf dem laufenden zu halten. Leider entspricht der Erfolg nicht seinen Bemühungen. Sie scheitern einerseits an der starken und geschlossenen Gegenarbeit der protestantischen Sekten, denen er, ein Laie ohne rechte Schulbildung, allein gegenübersteht, sowie an den lasterhasten Gewohnheiten der Leute, andererseits an dem Mangel einer kräftigen Stütze und Autorität, wie er sie gegenüber solcher Umgebung brauchte und wie sie eben nur bei einem Priester zu finden sind, der beständig hinter den Eingeborenen her wäre. Doch kann der brave Mann von seinem Plane nicht lassen, sondern hält fleißig Umschau um einen geeigneteren Platz ringsum, wo eine Missionsstation Fuß fassen könnte. Er hat verschiedene ausfindig gemacht, doch da stehen andere Hindernisse entgegen, Geldmangel, Personalmangel, politische Verhältnisse u. dgl. O, wenn wenigstens die Hälfte der Katholiken in Europa einen so regen Glaubenseifer besäße wie dieser farbige Konvertit! Wenn mein Besuch bei ihm trifft, meist an einem Samstag, finde ich immer im Hause des Katechisten eine angenehme Herberge. Wie ist er froh, einen Priester im Hause zu haben! Das ist für ihn ein hoher Festtag. Für diese Gelegenheit spart er lange Zeit vorher. Er richtet alles wie zum Empfang eines hohen Gastes. Am Freitag ist große Reinigung innerhalb und außerhalb des Hauses. Sieht sein Tisch sonst selten Fleisch, beim Besuch des Priesters darf es nicht fehlen. Dazu ist ja sein Vieh- und Geflügelstand da. Was er Gutes im Hause ausbringt, muß ins „Herrenstübchen". Am Samstag Abend versammeln sich die Gläubigen und Katechnmenen, die von weit her, 1 bis 2 Tagereisen, kommen, um am folgenden Sonntag dem Gottesdienste beizuwohnen, bzw. die heiligen Sakramente zu empfangen. Es mutet heimisch an, wenn diese Leute aus verschiedenen Gegenden, verschiedenen Alters und Standes, wie Angehörige einer Familie, in der nicht gerade geräumigen Stube um das Hausfeuer herum auf am Boden ausgebreiteten Strohmatten hocken, fröhlich über ihre mannigfachen Erlebnisse plaudernd ihr bescheidenes Mahl einnehmen, das nach so langem Marsche vortrefflich munden muß. Es weht gleichsam der Geist der Liebe und der Andacht durch das Häuschen, ähnlich wie unter den einzelnen Gruppen an unseren Wallfahrtsorten katholischer Familiengeist. Vor dem Schlafengehen wird gemeinsam gebetet und noch lange in die Nacht hinein gesungen, natürlich nur religiöse Lieder. Am Sonntagmorgen in aller Früh weckt der Hahnenschrei die Schläfer. Bald darauf ertönt als Antwort lauter Gesang in den stillen Morgen hinaus. Das ist die Einleitung zum Morgengebet. Nach diesem regt es sich in Haus und Hof, die Gäste verteilen unter sich die verschiedenen Dienste zum Ordnen und Richten für Kirche und Küche, alles unter Leitung des Hausherrn und der still geschäftigen Hausfrau. Unterdessen kommen auch gruppenweise die Leute heranzogen, die in nicht zu weiter Ferne wohnen. Ein Wagen bringt ein steinaltes, blindes, sonst noch kräftiges Weib mit ihrem 14 jährigen Enkel, einem Krüppel; beide Katholiken, wahre Gnadenkinder, die dank ihrer körperlichen Armseligkeit von dem wüsten Treiben ihrer heidnischen Sippschaft abgehalten werden und in Leidens- und Gesinnungsgenossenschaft wie Mutter und Kind beständig beisammen sind. Auch Neugierige von anderen Glaubensgenossenschaften und Wahrheitsuchende finden sich ein. Es wird Zeit zum Beichrhören. Dazu ist das Herrenstübcheu reserviert, während der Schlafraum der Gäste in die Kapelle umgewandelt worden ist. Im freien Hofe sieht man da und dort Leute am Boden hocken oder knien, in tiefe Andacht versunken, sie bereiten sich auf die heilige Beichte vor oder machen nach derselben ihre Danksagung. Während der heiligen Messe, die gewöhnlich stark besucht ist, wird wieder kräftig im Chore gesungen, wobei die Hausfrau mit ihrem hellen, klangvollen Organ die führende Stimme und ihr Mann mit seinem kräftigen Baß die Begleitung bildet, während das übrige Volk die Zwischenstimmen in seiner angebornen Fertigkeit ausfüllt. Dazwischen wird auch gebetet. Die Predigt darf natürlich nicht unterbleiben. Die heilige Kommunion wird mit großer Andacht empfangen. Nach dem Gottesdienste kommen die einzelnen mit ihren Anliegen und Fragen und erhalten Trost, Rat, Erniutigung und Zurechtweisung, je nach Bedarf. Dann unterhält man sich gemeinschaftlich, bis der Hausherr um 2 oder 3 Uhr zum Mittagessen einlädt. Alle Anwesenden erhalten da ihre Mahlzeit, gespendet vom Gastgeber. Es gilt ihm als Ehrensache, heute seine Gäste auf eigene Kosten zu bewirten. Die Leute sind an Einfachheit gewöhnt, darum sind sie auch mit dem bescheidenen Mahl, das sie erhalten, wohl zufrieden. Kräftig genug ist es ja. Vor und nach Tisch wird natürlich gemeinschaftlich gebetet. Gestärkt und in fröhlicher Stimmung geht dann die Gesellschaft auseinander, wieder hinein ins entbehrungsreiche Leben, doch ausgerüstet mit neuer Kraft von oben. Manche haben einen langen, beschwerlichen Weg vor sich. Einige bleiben noch zurück, verschiedene Angelegenheiten mit dem Pater und dem Katechisten ins reine zu bringen, oder können denselben Tag ihre Heimreise nicht mehr antreten. Für diese ist abends gemeinsamer Rosenkranz. Das Abendgebet kann ohne den unvermeidlichen Gesang nicht geschlossen werden. Diese Schwarzen lieben Gesang und Musik außerordentlich, sie sind ihnen geradezu ein Bedürfnis, und sie haben auch bewunderungswürdige Fähigkeiten dazu. Ein Gottesdienst ohne Sang und Klang ist für den weniger Unterrichteten undenkbar und unbefriedigend. Im Hause des Katechisten hört man selbst die kleinen Kinder der Familie und der Nachbarn Kirchengesänge fast den ganzen Tag lallen, schreien, aber auch oft ganz fein singen. Das ist eine echt christliche Familie, treu und fromm inmitten von Sturm und böswilliger Anfeindung, eine Stütze für die Gutwilligen und, wenn Gott will, der Grundstock für eine künftige Mission in jener Gegend. (?-.......-—...... —..................-..................... ........=s\ „Wachet also, tveil ihr nicht misset, zu welcher Stunde euerRerr kommen wird“ (Walch.24,42.) Von Hochw. P. Karl Fisch er, P. 8. C. Dieses Wort des göttlichen Heilandes: „Wachet, ihr wisset nicht, wann der Herr kommen wird", gilt allen Menschen, in welcher Lage und in welchem Stande sie sich auch befinden mögen. Man weiß nicht, wo man stirbt und wann man stirbt. Man weiß nicht, ob man in einer längeren Krankheit Zeit hat, sich vorzubereiten, oder ob man plötzlich hinweggenommen wird. Südafrika gehört wie ganz Afrika zu dem Lande der Extreme. Das Klima ist hier in den Bergen so gesund, daß man meinen möchte, man könne hier ewig leben. In der Tat erreichen viele bei bester Gesundheit ein hohes Alter. Doch das Glück wird keinem Sterblichen ungetrübt zuteil. Auch hier in Natals grünen Bergen muß man stündlich bereit sein, daß der Herr kommt. Davon sind unsere christlichen Zulu wohl überzeugt. Wie viele sterben jedes Jahr in vollster Blüte ihres Lebens, weil sie von einem fürchterlichen Hagelschlag in freier Natur überrascht werden oder der Blitzstrahl sie erreicht, in ihrer Hütte friedlich sitzend. Südafrika ist die Heimat fürchterlicher Hagelwetter und Ge-witterstürme. Wer sollte es diesem schönen, blauen, südafrikanischen Himmel anmerken, daß er sich im Nu umwandeln könne in ein grausiges Schwarz, aus dem er Tod und Verderben auf die Erde schleudert? Wer sollte es für wahr halten, daß er Hagel schleudert so groß, ja größer als Hühnereier? Und doch ist es so, persönliche Erfahrung heilte mich von meinem Zweifel. Eines Tages überzog sich der Himmel pechschwarz. Man sagte, heute kommt Hagel. Ich wollte mir die Wolkenbilder in offener Natur anschauen. Ich ging. Die Schwarzen riefen mir nach: „Baba, bleib doch hier, schau, es kommt bald der Hagel." Ja, das wollte ich ja sehen. Schon hörte ich unsere drei Kirchenglocken stürmen und zum Gebete auffordern. Welch merkwürdige Stimmen doch die Glocken haben! Bald tönen sie so freundlich und freudig, wenn sie einen Festtag einläuten; bald wecken sie zur Andacht, wenn sie zum Gebete mahnen oder anzeigen, daß der Heiland, Jesus Christus, in der heiligen Messe bei der heiligen Wandlung im Geheimnis des heiligsten Sakramentes herabgestiegen ist; bald verkünden sie Trauer, wenn jemand aus dem Leben geschieden. Heute stürmen sie; mit Angst und Kummer schaue ich hinauf zum Himmel. Er ist schwer behängt mit treibenden Wolken. Die hellgrauen in den obersten Schichten sollen die Hagelwolken sein. Wirklich, da kommt eine gezogen. Schon sehe ich einzelne Körner fallen. Was liegt daran, denke ich, ich bin in der Heimat öfters schon im Hagelwetter gestanden. Doch da kommt's anders. Wie Granaten fährt's herab, die Erde staubt, ich fühle es, daß es mehr ist als erbsengroßer Hagel. Ich laufe, ich springe nach Hause. Ein schwarzes Mädel kommt mir entgegen mit einem Sack, daß ich wenigstens meinen Kopf schützen könne. Ins erste Haus, es ist die Missionsschneiderei, flüchte ich mich. Was sehe ich da! Alle, die nicht in die Kirche gehen konnten, knien am Boden und beten. Eine sogar nimmt das Weihwafferbecken, geht hinaus und sprengt das geweihte Wasser gegen den Himmel. Man muß den Glauben der christlichen Zulu verstehen! Sie geben viel auf die Segnungen der heiligen Kirche und haben großes Vertrauen darauf. Alle Tage bete ich mit ihnen nach der heiligen Messe den Wettersegen, sie beten dann noch für sich zum hl. Josef um Schutz vor dem Hagel. Sobald die Glocken bei Hagelgefahr zu läuten beginnen, eilen viele, die frei sind, in die Kirche, zünden vor dem hl. Josef die Lichter an und beten so lange, bis die Gefahr vorbei ist. Zn Hanse in ihren Hütten bewahren sie geweihte Kerzen, welche sie bei dieser Gelegenheit anzünden und dann gemeinsam beten. Woher ihr großes Vertrauen in die Macht der Segnungen der heiligen Kirche? Es ist eine Umwandlung ihrer heidnischen Gesinnung. Der heidnische Zulu ist voll von Aberglauben. Er denkt sich umgeben von Geistern, die für ihn das Leben wirken oder verwirken. Wie diese Geister gegen ihn gesinnt sind, so geht es ihm, gut oder schlecht. Kommt über ihn ein Unglück, gleich läßt er durch seinen Zauberer Nachforschung halten, welcher Geist ihm entgegen sei und wie er ihn besänftigen könne. Auf alle Mittel, die ihm da angegeben werden, vertraut er unbedingt. Er läßt sich „Medizinen" geben gegen dies und das, und er ist sicher, daß sie ihm helfen. In seinem ganzen Handel und Wandel ist der heidnische Zulu beeinflußt von seinem Aberglauben und rechnet unbedingt auf die Mittel und Vorschläge seines Zauberers. Die christlichen Zulu sind durch den wahren Glauben aufgeklärt worden, sie wissen, daß die Menschen in Gottes Hand sind und daß ohne Zulassung Gottes nichts geschieht. Sie wissen auch, wie man sich mit Gott aussöhnen kann und wie man Hilfe von ihm erlangt. Darum haben sie an Stelle ihres Aberglaubens den wahren Glauben gesetzt und vertrauen nun ganz auf die Gnadenmittel desselben. Die alten Missionäre haben es verstanden, die Zulu an ihrem wunden Punkte zu treffen. Kommen wir wieder zurück auf das Hagelwetter. Etwa fünf Minuten bombardierte es herab. Die Hagelsteine waren diesmal wirklich VS ----------4 so groß wie Hühnereier. Daß ein solcher Hagel viel Schaden anrichtet, ganze Ernten vernichten kann, ist wohl begreiflich. Mit eigenen Augen habe ich gesehen, wie die Maisfelder dalagen, wie die Bäume entblättert waren. Wieviel Vieh wird davon erschlagen! Und der Mensch? Wehe ihm, wenn er auf offenem Felde, fern von Wohnungen, überrascht wird. Darum denkt der christliche Zulu und sagt: „Sei bereit, du weißt nicht, wann der Herr dich ruft"; denn viele sterben bei solchem Hagelschlag. Eine andere Gefahr besteht bei schweren Gewittern. Im Sommer vergeht wohl keine Woche, wo nicht ein solches sich entladet. Wie flammen die zuckenden Blitze, wie dröhnen die grollenden Donner in diesem Bergland Südafrikas. Jedes Jahr werden Menschen und Tiere vom Blitz erschlagen und Hütten eingeäschert. Da war eines Morgens im November letzten Jahres ein glückliches Brautpaar in der Kirche. Singend und tanzend zogen sie heim, um zu feiern. In allen Nachbarshütten wird dieser Tag mitgefeiert und in jeder Hütte finden sich gleichgesinnte Freunde beim Bierkrug zusammen. Da kommt ein Unwetter. Es blitzt, es kracht, es flammt auf aus einer solchen Hütte. Der Blitz hatte gezündet und sieben Menschenkinder mitten in ihrem Jubel getötet. Waren sie bereit? Der liebe Gott nur weiß es. Es waren Heiden, -Protestanten und ein Katholik. Seine Mitchristen kannten ihn als einen Verächter seiner Religion. Sie erkannten in diesem Gerichte die Mahnung Gottes: „Seid bereit, ihr wißt nicht, wann der Herr kommt"; denn viele kamen am nächsten Tag zur Kirche, um Ordnung in ihrer Seele zu machen. — Das Ärgernis des schlechten Katholiken wurde dabei ausgewogen durch das Vertrauen einer Heidin in unsere heilige Religion. Zu den Erschlagenen gehörte auch ihr Mann. Wie soll sie ihm helfen? Sie glaubt nicht mehr an ihre heidnischen Gebräuche. Sie hat schon so viel gehört von den wirksamen Gnadenmitteln unserer heiligen Religion und insbesondere von der Macht der heiligen Messe, welcher sie regelmäßig jeden Sonntag beiwohnt. So kommt sie zum Missionär, klagt ihm ihre Not, gibt ihm das umnikelo (Stipendium) für eine heilige Messe für ihren verstorbenen Mann. „Arme Frau," sagt der Missionär, „wie soll ich für deinen Mann eine heilige Messe lesen, da er doch ein Heide war?" — „OBaba," antwortete sie, „der liebe Gott ist gut, da opferst du halt die Messe für die Seelen der Verstorbenen auf und dann wird mein Mann auch etwas davon bekommen." „Seid bereit, ihr wisset nicht, wann der Herr kommt." Wohl dem, der bereit ist! Da war es am letzten Weihnachtstage. Mit großem Eifer hatten sich unsere Christen darauf vorbereitet. und in der Mitternachtsmesse empfingen die meisten von ihnen die heilige Kommunion. Nächsten Morgen waren sie wieder in der Kirche beim feierlichen Gottesdienste und blieben bis ungefähr 2 Uhr nachmittags. Dann gingen sie nach Hause. Um 3 Uhr entlud sich ein schweres Gewitter. Ein fürchterlicher Blitz und Krach erschreckte uns. Bald kam vom Berg herab dichter Rauch gezogen. Rasch kamen Burschen gelaufen und sagten: „Baba, komm schnell, da oben wurden sechs vom Blitz getroffen, die Hütte brennt." Da ich der Kräftigere war, mußte ich gehen, obwohl ich erst von einer Außenstation zurückgekehrt war. Ich nahm also meine Versehtasche und sprang mit den Buben den Berg hinan. Bald waren wir an der Unglücksstelle. Da lagen vier Tote in einer Reihe auf dem Felde im gießenden Regen. Ich tat, was ich in solchen Lagen noch tun konnte. Vater, Mutter und Kind und eine Witwe lagen da still nebeneinander. Ich kannte sie gleich, in der Nacht waren sie bei der heiligen Kommunion gewesen. Ein anderes Kind jammerte in einer elenden Hütte, es war gleich seiner großen Schwester vom Schrecken gelähmt. Diese zwei wurden gleich in die Mission gebracht, um da von den Schwestern gepflegt zu werden. War es auch eine schwere Heimsuchung am heiligen Weihnachtstage, so konnte man es doch von den Gesichtern der anderen ablesen, was sie sagen wollten: „Sie waren bereit." Die Männer und andere kamen noch öfters morgens in die Kirche und auch zu den heiligen Sakramenten. Sie meinten, sie müßten bereit sein. So sind unsere christlichen Zulu überzeugt von der Mahnung unseres Herrn: „Wachet also, weil ihr nicht wisset, zu welcher Stunde euer Herr kommen wird." Doch nicht alle. Leider sind die Burschen und jungen Männer, welche in den Städten alle möglichen Laster lernen und heimbringen, davon nicht zu überzeugen. Nur teilweise werden sie hin und wieder aus ihrem Sündenschlaf aufgerüttelt, wenn der Herr mit mächtiger Hand einen aus ihnen fordert. Heft 7 Stern der Neger 105 i £5er RäuptImgssof)n von &andarL Der Roman eines Schwarzen von P. Johannes Emonts, S. C. J. (Fortsetzung.) i 11. Kapitel. An der Küste. Dschembana hatte bei seinem traurigen Einzug in die Hafenstadt den Hoffnungsgedanken gehabt, daß vielleicht von seiten Alombis eine Möglichkeit der Rettung kommen könne. Nun hatte er drei Tage lang vergebens gehofft, und so stand es bei ihm fest, daß von jenem keine Rettung zu erwarten war. In dieser Nacht würde er sein Glück versuchen. Sein Entschluß stand fest. Gegen Mitternacht würde wie gestern der Wächter gewechselt werden. Es war ihm nicht entgangen, daß manche von den heimkehrenden Haussah äußerst lustig gewesen und später als sonst in das Lager zurückgekehrt waren. Die Stunden schlichen langsam dahin und wurden ihm zur Ewigkeit. Endlich wurde die Wache abgelöst. Jetzt nahte der wichtige Augenblick. „Was machen die Kafiri?" hörte Dschembana den Neuankommenden hervorstottern. — „Die schlafen so fest, daß du sie bereits gehört hättest, wenn du nicht taub wärest." — „Eine Schande ist es, daß man sich nicht einmal ausschlafen kann. Die Hunde! — Weshalb legt man sie nicht an die Kette? Dann hätten wir wenigstens unsere Nachtruhe", sagte der Mann lauter, als er es in der Nüchternheit gesagt hätte. — „Du scheinst dir heute einen frohen Tag gemacht zu haben, daher gefällt dir die Wache nicht besonders. Aber Paß gut auf! Denk an die Strafe, die für saumselige Wächter angesetzt ist!" — „Ich weiß schon, was ich tue", brummte der andere dem Fortgehenden nach. „Zu einem guten Tag gehört eine gute Nacht. Ich weiß schon, was ich tue. Ich weiß es, Dummkopf!" — Dschembana hatte alles gehört und verstanden. Der Mann draußen war scheinbar in einer ganz eigenartigen Stimmung. Seine Matte hatte er ziemlich geräuschvoll auf dem Boden ausgebreitet und sich dann der Länge nach darauf hingestreckt. Zuerst sprach er mit sich selber dummes, verworrenes Zeug. Nach und nach wurde er ruhiger und stiller. Dann sagte er nichts mehr und schon nach kurzer Zeit kündete lautes Schnarchen den tiefen Schlaf des Wächters. „Mit dem werde ich schon fertig werden", dachte Dschembana, als er dies hörte. Leise, leiser als ein Dieb, ganz unhörbar erhob er sich. Langsam näherte er sich der kleinen Schiebetür, die der erste Wächter im Gefühl der Sicherheit nicht einmal eingehakt hatte. Wie ein Schatten huschte er voran und nach wenigen Augenblicken hatte er sich an den Wächter herangeschlichen. Ein schneller, kräftiger Griff, so sicher und kräftig, wie sich wohl nur der Leopard drauf versteht, die Beute anzufallen. Mit beiden Händen hatte er den Mann an der Kehle gepackt und hielt sie mit solcher Gewalt fest zugeschnürt, daß der Mann keinen Laut von sich gab. Mit der einen Hand nahm er sodann aus dem Gürtel des Überfallenen das kleine, dolchartige Messer, das jeder Haussah bei sich trägt, und machte damit den Mann unschädlich. Vorsichtig schlich er sich nun an den verschiedenen Hütten vorbei dem Ausgang des Gehöftes zu. Die Nacht war dunkel, der Himmel hing voll schwerer Wolken und der Mond war noch nicht aufgegangen. Nun mußte er bald am Ausgangstore sein. Er wußte, daß es gewöhnlich von zwei Wächtern bewacht wurde, konnte aber nichts sehen. Das Anschleichen verstand er ausgezeichnet. Selbst wenn die beiden Wächter wach gewesen wären, sie hätten nicht das geringste verdächtige Zeichen bemerkt. Aber der eine schlief ganz gewiß, das war an den schweren und regelmäßigen Atemzügen zu bemerken. Aber der zweite Wächter! Wo mochte der sein? Ob dieser ebenfalls schlief? Er hörte nichts, er sah nichts. Kein Atemzug, kein Schnarchen, keine Bewegung, kein Geräusch. Es schien ihm beinahe, als ob überhaupt nur ein Mann das Tor bewache. Ha, wenn das der Fall wäre! „Derjenige, der da so fest schläft, wird mir nicht schaden. Er ist mir sicher, aber der andere?" Mit gespenstiger Ruhe und kaltblütiger Sicherheit kroch er auf allen vieren weiter. Er fand keinen zweiten Wächter, weder einen schlafenden, noch einen, der wachte. Mit der Hand tastete er das Tor ab, hin und her, fand den Riegel und hob ihn leise, ganz leise zurück, zog noch leiser und langsamer das Tor auf und schon nach kurzer Zeit war er gerettet, war draußen, war kein Sklave der Haussah mehr. Und wenn jetzt der Wächter erwacht wäre, den Dschembana, den Häuptlingssohn oon Bandari, hätten hundert Haussah nicht mehr gefangen. So froh, so glücklich war er, daß er sogar vergaß, dem jetzt laut schnarchenden Wächter die Kehle durchzuschneiden oder das Herz mit dem Dolch zu durchbohren. So schnell er konnte, folgte er dem Wege, auf dem er nach Lome gekommen. Nun galt es, ein sicheres Versteck zu suchen. In der Stadt glaubte er, nicht sicher genug vor den Nachstellungen der Haussah zu sein, daher ging er auf einem Seitenweg in den nahen Wald hinein. Ungefähr um dieselbe Zeit versuchten Debu und Alombi in aller Stille den Zaun zu durch- sagte ein Wort. Plötzlich blieb Alombi stehen, näherte seinen Mund dem Ohr Debus und flüsterte kaum hörbar: „Sei ganz vorsichtig, denn nun kommen wir an die Hütte des Karawanenführers." — „Bist du sicher, daß hier Kankassa wohnt?" fragte erregt Debu. — „Ja, ich bin sicher; drum äußerste Vorsicht!" — „Es ist gut, daß du mir das gesagt hast. Ich hätte nicht daran gedacht. Mit dem muß ich abrechnen." Debu löste seinen Arm aus der leichten Umklammerung und schien auf die Hütte zugehen zu wollen. „Was willst du, Debu? Du willst doch nicht etwa . . .?" — „Doch, ich will jetzt zu Kaukassa. Nachher brechen, der rundum das Gehöft umgab. Daß das keine Kleinigkeit war, merkten sie sogleich, als sie mit ihren Messern die Arbeit begonnen hatten. Der Zaun bestand nämlich aus lauter dicken Pfählen, die tief in den Boden eingegraben waren und fest nebeneinander standen. Das Holz war trocken und äußerst hart. Aber Debu ließ nicht nach. Schon war Mitternacht vorbei und noch blieb ein gutes Stück Arbeit; endlich war's geschasst. Die Pfosten und Lianen waren durchschnitten, die trockenen Blätter geräuschlos eines nach dem andern entfernt. Debu wischte sich mit der Hand den Schweiß von der Stirn und schlüpfte als erster hinein. Alombi folgte. Leise wie Katzen schlichen sie an den Hütten der schlafenden Haussah vorbei. Keiner von beiden könnte es zu spät sein." — „Mäßige deine Rache, du gefährdest die Rettung deines Freundes und uns beide!" flüsterte Alombo. Schon stand Debu vor der Hütte und lauschte ans den Atem des Schlafenden. Die Tür war weiter nichts als ein leichter Mattenvorhang. Den hob er leise auf, so leise, daß Alombi, der in der Nähe stand, es nicht einmal merkte. Schon war Debu in der Hütte, in der er zwar nichts sah, aber in der sein an solche Augenblicke gewöhnter Scharfsinn die ganze Lage sofort erfaßte. Da lag also vor ihm der Mensch, der ihn in Abonadi dem Jdon Serki verschachert hatte. „Rache für mich! Rache für Dschembana! Rache für all die Opfer deiner teuflischen Bosheit!" Kaum hatte er diesen Gedanken ausgedacht, so war er auch schon zur Tat geworden. Der Karawanenführer hatte seinen Lohn, und gleich drauf war Debu wieder draußen bei Alombi, der starr vor Angst und Schrecken ihn erwartete. „Ich bin hier, Alombi." — „Ich war in Angst um dich, Debn. Es ist gut, daß du deine Rache nicht jetzt ausübst, es Wäre zu gefährlich gewesen. Schnell, komm!" — „Es ist bereits geschehen." — „Was . .?" — „Kankasfa hat bereits seinen Lohn. Aber voran! Führe mich zu Dschembana!" Alombi faßte den Begleiter wieder an und führte ihn weiter. Er konnte nicht begreifen, daß Debu die Tat wirklich ausgeführt habe. Es graute ihm fast vor dem Mut und der unheimlichen Ruhe, mit der jener handelte. Sie hoben die Beine langsam hoch und setzten die Fußsohlen ganz bedächtig auf den Boden. Wie ein Schatten, so leise huschten sie an verschiedenen Hütten vorbei. Abermals blieb Alombi stehen und flüsterte: „Debu, wir stehen kaum zehn bis zwölf Schritte weit von der Hütte der Gefangenen. Wenn Dschembana noch hier ist, dann kann er nur in dieser Hütte sein." — „Wo ist der Eingang?" — „Auf der anderen Seite." — „Und der Wächter?" — „Wird vor der Türe hocken. Jetzt erst beginnt die Gefahr." —' „Keine Gefahr, wenn du nur ruhig hier stehenbleibst." — „Ich bin sicher, daß der Wächter nicht schläft. Jedes Geräusch, auch das kleinste wird ihm auffällig sein. Debu, sei vorsichtig!" — „Er wird nichts merken." Das Sprechen der beiden war nur ein leiser Hauch gewesen, den sie sich gegenseitig ins Ohr geraunt hatten. Debu unternahm das Wagnis. Auf Händen und Zehenspitzen, langsam, ruhig, jeden Fußbreit Boden mit der Hand abtastend, kam er auf einige Schritte näher. Dann lauschte er. Sein aufmerksames Ohr vernahm schon die Atemgeräusche aus der Hütte her, aber seltsam, den Atem des Wächters hörte er nicht, nicht die leiseste Bewegung. Ob der Mann ihn bemerkt hatte und nun wie im Ausprung ihn erwartete und den Atem anhielt? Die Sache kam ihm verdächtig und unbegreiflich vor. Oder ob der Mann sich vielleicht an die Hüttentür angelehnt hatte? — Die äußeren Umrisse der Hütte sah er deutlich. Nur ein paar Augenblicke hatten diese Gedanken gedauert. Debu arbeitete sich näher heran. Ja, jetzt glaubte er, kaum einen Schritt weiter eine menschliche Gestalt zu erblicken. Sein Auge arbeitete um so angestrengter, je weniger ihm das Ohr verriet. Und noch keinen Atemzug vernahm er. „Muß der Mann einen leisen Atemzug haben! So etwas habe ich noch nicht erlebt!" dachte Debu, aber int gleichen Augenblick empfand er einen eigenartigen Geruch, wie von frischem Blut. Sollte der Mann tot sein! Doch nein, nur voran! Nur schnell gehandelt! — Blitzschnell Packten seine Fäuste die Kehle des Mannes, doch ebenso und voll Entsetzen zog Debu seine Hände zurück. —: Sie hatten in Blut gefaßt, in die durchschnittene Kehle des Wächters. Debu war starr vor Entsetzen. „Tot! Ermordet!" Zweifellos war er ermordet. Aber von wem? Schnell begab sich Debu zu Alombi zurück, der in banger Erwartung und stiller Furcht fluchtbereit dort stand, wo sein Begleiter ihn verlassen hatte. „Hier, Alombi, ich bin's, Debu." — „Was gibt's?" — „DerWächter lebt nicht mehr." — „So ist die Hauptgefahr vorbei, ich hatte Angst um dich." ■— „Der Manu war bereits tot." ■— „Wie? War bereits tot? Sollte er Plötzlich gestorben sein?" — „Ich fand ihn mit durchschnittener Kehle." — „Unmöglich !" — „Es ist so, wie ich sage. Mir selber lief ein kalter Schauer über den Rücken." — „Dann werden die Gefangenen entflohen sein und den Mann ermordet haben." — „Das kann ich nicht annehmen. Ich hörte nämlich die Gefangenen in der Hütte schnarchen. Sie sind drinnen." — „Dann ist vielleicht nur einer entflohen, ohne den anderen etwas zu sagen." — „Das dachte ich auch bereits. Sollte es nicht Dschembana sein?" — „Dann könnten wir uns zurückziehen, und unsere Arbeit wäre umsonst gewesen." — „Ich gehe in die Hütte und erkundige mich nach Dschembana." Die Tür der Hütte war schon zurückgeschoben und so machte es dem Suchenden keine Schwierigkeit, sich an die Schlafenden heranzutasten. Die Schlafmatte, die der Tür am nächsten lag, war nicht belegt. Da mußte also derjenige gelegen haben, der den Wächter ermordet hatte. Debu hockte nun an der Seite des ersten Schläfers und faßte leise dessen Hand. Der Mann rührte sich nicht. Er stieß ihn nun sanft an und da er auch daraufhin noch kein Zeichen des Aufwachens gab, wiederholte er dies mehrere Male. Endlich schien der Mann zu erwachen. „Du, höre einmal, ich habe dir etwas zu sagen." — „Was ist denn los, was willst du, Dschembana?" — „Höre einmal, sprich ganz leise, daß niemand uns hört. Ich habe dir etwas Wichtiges zu sagen. Ich bin nicht Dschembana, aber ich komme, um dich, euch alle und Dschem- bana zu retten und euch die Freiheit wiederzugeben, aber das ist nur möglich, wenn du klug bist und so leise antwortest, daß die anderen uns nicht hören. Willst du das tun?" — „Ja." — „Ist Dschembaua in der Hütte?" — „Ja." — „Wo hat er sein Lager?" — „Er wollte am Abend vorn an der Tür schlafen und müßte also da liegen, wo du nun bist." — „Er ist aber nicht hier; die Matte ist un-belegt." —- „Dann ist er fort." — „Ich weiß genug, Dschembana hat sich die Freiheit verschafft. Draußen vor der Hütte liegt der Wächter tot am Boden. Nun bin ich sicher,. daß es Dschembana war. Ich ziehe mich nun zurück. Wenn ich fort bin, kannst du den anderen Gefangenen mitteilen, daß der Wächter tot ist und daß sie ihre Freiheit erlangen können, wenn sie nur wollen. Seid vorsichtig, klug und bedächtig. Meidet jedes Geräusch und schleicht euch an der Hütte des Führers vorbei, geht dann zwischen den Hütten des Gehöftes und dem Zaun etwa dreißig Schritte weiter, wo ich euch erwarte und die kleine Zaunöffnung zeige, die wir soeben gemacht haben. Wenn dann alle zur Stelle sind, wird euch mein Freund, der früher selber Sklave der Haussah war, in Sicherheit bringen." Gerührt drückte der Mann Debu die Hand, der sofort mit Alombi so geräuschlos und schnell als möglich den Rückzug antrat, aber draußen an der Zaunöffnung wartete. Die Gefangenen kamen nach einiger Zeit herangeschlichen, in größter Angst zwar, aber auch in größter Freude, die Freiheit wiederzuerhalten. Sie drückten ihren Lebensrettern die Hand und gingen dann schleunigst davon, nachdem sie Debu das Notwendigste über Dschembana berichtet hatten. Nur Debu allein bleibt zurück. Schreckliches mußte nach den kurzen Erzählungen der Leute Dschembana erduldet haben. Deutlich und klar stehen all diese Grausamkeiten vor dem geistigen Auge Debus. Glühender noch ist sein Haß, seine Rachgier gegen die Haussah geworden. Er glaubt sich )eine§ Freundes unwert, wenn er jetzt irgendwelche Schonung walten ließe. Mit wilder Lust macht er sich aus dürren Blättern Fackeln und reibt trockene Hölzer, bis sie Feuer fangen und es den Fackeln weitergeben. Schnell lief er sodann an den nächsten Hütten vorbei und warf den vernichtenden Funken auf die niederen Grasdächer, dann eilte er durch die Zaunlücke nach der andern Seite des Gehöftes. Ein zweites Blätterbüschel flammt auf und fliegt über den Zaun auf eine andere Hütte, die ebenfalls zu brennen beginnt. Das Rachewerk Debns ist getan. Wie der Blitz ist er verschwunden, niemand hat ihn gesehen. Das Gehöft mit den vielen eng zusammenliegenden Hütten brennt lichterloh, die Flammen finden in den trockenen Hölzern, Gräsern und Blättern reichliche Nahrung, schlagen hoch empor, werden weitergetrieben von Hütte zu Hütte. Da hilft kein Löschen. Die bestürzten Haussah stürmen erschreckt aus den brennenden Wohnungen und haben nicht einmal Zeit, ihre Habe zu retten. Debu ist fort. Aus der Ferne sieht er den hellen Flammenschein und hört das laute Rufen und Schreien der Hnussah, die an keine Verfolgung denken. Die Nacht ging zu Ende und der Tag brach an, als Debu heimkehrte. Lange saß er mit den Geretteten zusammen und ließ sich alles erzählen, was die Leute über Dschembana wußten. Alle freuten sich der wiedererlangten Freiheit. Nur Debu war nicht froh. Ihm fehlte der Freund. Wohin mochte ihn seine Flucht verschlagen haben . . .? Pläne wurden geschmiedet für die Zukunft; verschiedene von den Befreiten hofften, wieder in ihre Heimatdörfer zurückzukehren, andere gedachten, sich in der Hafenstadt oder in der Nähe paffende Unterkunft und Beschäftigung zu suchen. Alombi wußte, daß es ihm unmöglich sein würde, in sein Dorf heimzugehen, und so sprach er davon, mit Debu und Dschembana zusammenzubleiben. Aber wo war denn Dschembana, und wie würden sie ihn wiederfinden? Debu wollte sofort auf die Suche nach seinem Freund, aber Alombi fand das zu gefährlich. „Soll ich nun," erwiderte Debu mutig, „da ich frei bin, mich feige wie ein Hund vor den Hauffah verkriechen? Tut, was ihr wollt, ich aber tue, was ich will. Ich muß meinen Freund suchen." Fort war er, ehe man sich umsehen konnte. Er lief in die Stadt, durch die belebtesten Straßen, an den Geschäftsräumen vorbei, überall dahin, wo nur Menschen waren, aber nirgends fand er eine Spur von Dschembana. „Er wird in den Wald hineingelaufen sein, um den Nachstellungen in der Stadt zu entgehen", dachte Debu in seiner Verzweiflung. Aber der Wald ist groß und der Wege sind viele. So suchte und forschte der arme Bursche, lief hin und her, dachte weder an Essen und Trinken noch an die Befreiten, die in banger Erwartung in der Hütte saßen. Der Tag ging zur Neige. Die Gefährten warteten vergebens ans Debn. Die Nacht ging vorbei unb der andere Tag ebenfalls. Weder von Dschembana noch von Debn war eine Spnr zu entdecken. Den Gefährten wnrde es unheimlich. Niemand zweifelte daran, daß der Vermißte der List unb Verschmitztheit der Haussah zum Opfer gefallen erreichte. Hier fand er Aufnahme bei guten Leuten. Lange hielt es ihn aber nicht in dieser Einsamkeit, schon nach drei Wochen trieb ihn die Sehnsucht, seinen Freund Dcbu wieder zu finden, nach Lome zurück. Zwei Neger, die mit Debn verkehrt hatten, erkannten ihn an den Stammeszeichen (zwei Punkten auf der Stirn und je einem Kreis in der Schläfe) als Ban-darimann und gaben ihm Unterkunft. Was er von ihnen von Debn erfuhr, war nur geeignet, ihn noch trauriger zu stimmen; denn sein Freund war mit Ein eifriger Werbeapostel. Karl Ebner, Abiturient aus Koblenz a. Rhein, ein eifriger Werbeapostel unserer Zeitschrift. 30 neue Leser und Freunde hat er dem „Stern der Neger" gewonnen. Gott lohne es ihm mit seiner Gnade, daß er sein Ziel erreiche, ein Priester werde nach seinem Herzen. fei. In der Stadt sprach man tagelang von dem Brande des Haussahgehöftes, von den vier Ermordeten, und daß man noch keine Spur von den Tätern entdeckt habe Alombi und die Befreiten fanden es für ratsam, aus der Hafenstadt zu fliehen. Debu blieb verschollen. 12. Kapitel. In goldener Freiheit. (Kurzer Inhalt.) Die Flucht aus dem Haussah-gehöft war Dschembana gelungen. In der Hafenstadt glaubte er sich nicht sicher genug und floh daher in den Wald, immer weiter und weiter, bis er endlich nach Tagen mühevollster Wanderung ein Regerdvrf Aloinbi spurlos verschwunden. Dschembana suchte und fand Beschäftigung als Hafenarbeiter, trat nach einiger Zeit bei einem Soldaten in Dienst als Boy und konnte sich endlich nach acht Monaten treuen Dienstes von der Negierung als freiwilliger Soldat anwerben lassen. Er war also Soldat der Weißen und fuhr gleich nach seiner Anwerbung mit noch anderen schwarzen Rekruten nach Jannde, wo gerade eine neue Kompagnie gebildet wurde. „ , „ 13. Kapitel. In Jannde. Kamerun, diese blühende, uns Deutschen durch den Versailler Schmachfrieden geraubte Kolonie, ist nicht in einem einmaligen schneidigen, draufgängerischen Kriegszuge unterworfen worden, vielmehr waren bis zu ihrer völligen Unterwerfung und Sicherung viele jahrelange, gefährliche und aufreibende Unterwerfungszüge notwendig. Einer der hauptsächlichsten Erforscher und wohl der tüchtigste Soldat und Offizier der Kameruntruppe war Hauptmann Dominik. Sowohl bei der Unterwerfung des Jaunde-stammes und der kriegerischen Wüte, wie auch bei der Besiegung der im nördlichen Kamerun wohnenden Fnllah und vieler anderer Stämme, hat er sich unstreitig die größten Verdienste erworben. Er war ein ganzer Soldat, wie er auch ein tüchtiger Menschenkenner und fähiger Organisator genannt werden muß. Im Küstengebiet Kameruns und in Duala hatte Hauptmann Dominik die katholische Mission an der Arbeit gesehen. Missionäre und Brüder schafften dort unermüdlich in -aufopferungsvoller, stiller und friedlicher Tätigkeit an der Zivilisierung des schwarzen Volkes. Die Schulen waren überfüllt. In kindlicher Verehrung hingen die Wilden an ihren Missionären und schenkten ihnen volles Vertrauen. Im Kreise seiner Freunde sprach Hauptmann Dominik oft von seiner Hochschätznng der katholischen Mission und von dem wackeren und unermüdlichen Bischof Bieter, den er persönlich kannte. Zwar war Hauptmann Dominik nicht Katholik, aber er schätzte, wie er selber schreibt, die Tätigkeit der Pallottiner-Missionäre höher als das Wirken der protestantischen Mission, weil die katholischen Glaubensboten ein echtes, deutsches und praktisches Christentum predigten, das ihm zusagte. Was auf ihn, den Kolonisator vor allem Eindruck machte, war, daß die Missionäre nicht nur Männer des Gebetes waren, sondern auch selber von früh bis spät schaffend Hand anlegten und die faulen Wilden zur Arbeit anlernten. Fachkundige Brüder unterrichteten die Eingeborenen im Schreiner- und Tischler-, im Ziegler- und Maurerhandwerk; im Anlegen von Pflanzungen und in sonstigen praktischen Arbeiten. Wenn er die Werkstätten der Pallottiner besichtigthatte, war seine Hochachtung vor der katholischen Mission jedesmal um ein Bedeutendes gestiegen, und nun glaubte er sich verpflichtet, diese Kräfte seinem Jaundegebiet dienstbar zu machen, ohne Rücksicht auf die Verschiedenheit der Konfession. Bischof Bieter nahm sein freundliches Anerbieten mit Dank an. Er kam selbst nach Jaunde, um die Verhältnisse an Ort und Stelle zu studieren, ein passendes Gelände auszusuchen und mit Hauptmann Dominik die wichtige Angelegenheit und den Plan der Neugründung zu besprechen. Die ersten Patres und Brüder langten in Jaunde au, und in kurzer Zeit stand in der Nähe der Hauptstraße in nicht allzu weiter Entfernung von der Militärstation das. neue Missionsgehöft fertig da. Schnell lebten sich die Glaubensboten in die neuen Verhältnisse ein und erforschten und studierten mit unermüdlichem Eifer die Jaundesprache. Gebet und Arbeit, Krankenpflege und Erforschung des weiten Gebietes, Anknüpfung von freundlichen Beziehungen zu den Häuptlingen und Anwerbung von Schülern, diese und andere Arbeiten nahmen die Missionäre in der ersten Zeit voll in Anspruch. Schon nach kurzer Zeit begann der Schulunterricht für die Jugend und die Belehrung der Erwachsenen. Mehr als hundert Schulkinder fanden sich fürs erste ein und fühlten sich bald wie zu Hause. Nicht nur zum Lernen, sondern auch zum Arbeiten wurden sie angehalten. Der Missionsbetrieb entwickelte sich zusehends, das erste Schulgebäude war bald zu klein für den großen Andrang zum Unterricht. Die Christenlehre zog eine große Schar Neugieriger an, von denen allerdings die meisten nach etlichen Besuchen wieder fernblieben. Immerhin war ein Anfang gemacht. Im ganzen Lande sprach man jetzt mehr von den „weißen Gebetsmännern" und dem „Gehöft des Großen Geistes", als von der Militärstation, an die man sich schon gewöhnt hatte. Als Johanni Dschembana, so wurde er als Soldat genannt, mit den anderen neuangeworbenen Rekruten nach Jaunde kam, bestand die Missionsstation nahezu vier Jahre. Das Missions- und Kulturwerk hatte bereits bedeutenden Fortschritt gemacht. Die Zahl der Gebäulichkeiten auf dem Missionshügel hatte sich stark vermehrt. Die ersten einfachen Buschhäuser waren bereits durch praktische Ziegelsteinbauten ersetzt. Das erste Missionskirchlein war schon lange zu klein geworden; mit dem Bau einer viel größeren Kirche war man beschäftigt. Der Zudrang zur neuen Mission steigerte sich von Jahr zu Jahr und überstieg die kühnsten Erwartungen. Man begann mit der Gründung von Nebenposten, und nur der vorläufige Mangel an geeigneten Katechisten ließ von weiteren Gründungen absehen. Jaunde versprach eine große Missionsernte. Zwischen der Mission und der Militärstation bestanden die denkbar günstigsten Beziehungen, auch als Hauptmann Dominik seine Heimreise antrat und ein Nach- soiger den Posten vertretungsweise übernahm. Wie es in der ersten Zeit selbstverständlich war, fand die Mission auch manche Feinde unter den Eingeborenen. Die Zauberer sahen ihren Einfluß ans Volk und Häuptlinge schwinden. Wer einmal im Buche des weißen Gebetsmannes stand, mied sorgfältig den Verkehr mit den Zauberern. Immer weniger Leute fragten sie um Rat, und je mehr man die Medizin der Missionsapotheke in Anspruch nahm, desto weniger wandte man sich an die einheimischen Medizinmänner, die mehr durch betrügerischen Schwindel und drollige Beschwörungen, als durch wirkliche Heilmittel den Kranken Hilfe versprachen. So wurden die alten Zauberer die ersten und verbissensten Gegner der Missionäre. Auch viele von den alten Stammesgroßen und angesehenen Reichen waren den Glaubensboten nicht hold, weil sie vermuteten, daß diese unter dem Scheine äußerster Güte und anscheinend in selbstloser Hingabe die alten, heiligen und von den Vätern ererbten Sitten und Gebräuche ausrotten und Vielweiberei, Frauen- und Mädchenhandel abschaffen würden. Auch bangten sie um ihr Ansehen, das nun allmählich von ihnen auf die Weißen übergehen würde. Die Soldaten liebten die Missionäre aus dem Grunde nicht, weil sie wußten, daß Zuchtlosigkeit und Gemeinheit. Ungerechtigkeit und jede Art Schlechtigkeit von ihnen mit den härtesten Worten gegeißelt wurden. Die schwarzen, wilden Burschen waren aber meistens Soldaten geworden, weil sie in dem neuen Stande ein abenteuerliches, wildes Leben zu führen gedachten. Dschembana hielt sich ebenfalls von den Missionären fern. Die heidnischen, durch und durch abergläubischen Anschauungen der Bandari hatten in ihm zu tiefe Wurzeln geschlagen. Zwar gefielen ihm die gemeinen Redensarten, die schamlosen Taten und wilden Ausschweifungen vieler Soldaten nicht. Die vielen häßlichen Streitigkeiten und die immer sich erneuernden schmutzigen Weibergeschichten waren nicht nach seinem Geschmack. Trotz seines zum Abenteuerlichen neigenden Charakters hatte er sich bisher ein unverdorbenes Gemüt bewahrt, trug aber wie alle Soldaten sein Aniulett oder sogar mehrere beständig mit sich herum und mit unerschütterlicher Zuversicht vertraute er auf die diesen innewohnenden Kräfte, sowie auf die Zauberer und ihre Medizinen. Seine Sehnsucht stand auf Krieg und Abenteuer. Seine Vorgesetzten waren mit ihm sehr zufrieden, zu- mal er von Anfang an wegen seines Ordnungssinnes, seiner strammen Haltung und seines scharfen zielsicheren Auges vor den meisten anderen Rekruten sich auszeichnete, oftmals gelobt, aber kaum einmal getadelt wurde. Die Arbeiten am Ausbau und der Befestigung des Lagers nahmen seine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch. Trotzdem fehlte es den Soldaten nicht an freien Stunden und Tagen und an Gelegenheiten, ihrem Übermut und ihren übersprudelnden Launen freien Lauf zu lassen. Dschembana war ein lebenslustiger Soldat, der besonders dann nicht fehlte, wenn irgendwo alte erfahrene Krieger abenteuerliche und schier unglaublich klingende Erzählungen und Kriegsgeschichten zum besten gaben. Das hörte er für sein Leben gern. Da war er immer dabei. Der größte Teil der Soldaten waren Jaundeleute, und so war es selbstverständlich, daß die Minderheit durch den beständigen Verkehr mit den Jaunde sprechenden Soldaten die neue Sprache schnell und fast mühelos erlernten. Mit fortschreitender Kenntnis des Jaunde wurde Dschembana immer mehr auf das Gehöft der weißen Gebetsmänner aufmerksam, denn unter den Jaundesoldaten gab es schon einige Christen und eine ganze Anzahl hatte sich als Tausbewerber in das Buch der Katechumenen eintragen lassen. Sie lernten mit Eifer den Katechismus, sprachen über die christliche Lehre, über das Leben der Missionäre, über die Schulen, den Gottesdienst und über alles, was die Mission betraf. Zwischen den heidnischen und christlichen Soldaten entspannen sich manchmal heftige Wortfehden. Sowohl die Christen als die Taufbewerber mußten sich manch spöttische und abfällige Bemerkung gefallen lassen, verteidigten aber mit Wärme und Lebhaftigkeit die Missionäre und die christlichen Lehren, und ließen sich in ihrem Tun nicht beirren. So saßen sie vielfach in den freien Stunden und besonders des Abends beim Schein des kleinen Abendfeuers zusammen, lernten laut und mit unermüdlicher Geduld die Gebete und die Fragen und Antworten des Jaundekate-chismus auswendig und leierten sie manchmal bis spät in die Nacht hinein so oft herunter, bis sie ihnen ganz geläufig waren und ohne jede Stockung hergesagt wurden. Unter den ersten christlichen Soldaten zeichnete sich vor allem Bengbina aus, der die Christen zusammenhielt, mit besonderem Eifer die christliche Lehre und die Missionäre verteidigte, ein untadeliges Leben führte und der'neuen Lehre immer mehr Anhänger unter den Jaundesoldaten gewann. Dem Spott und der Verachtung besonders der wilden Monroviasoldaten wußte er in würdiger Weise zu begegnen, und daher verlangte er für sich und die anderen Christen dasselbe Recht, den Katechismus zu lernen und christliche Gespräche zu führen, wie jene es als ihr Recht in Anspruch nähmen, ihre schamlosen Handlungen zu erzählen. So zog sich Bengbina manchen Feind zu. Dschembana hatte anfangs mehr aus Neugierde den Gesprächen derJaunde-christen und ihrem und der Taufbewerber Lernen zugehört. Es zeigte sich auch auf seinem Gesicht manch spöttisches Lächeln, wie er auch anfangs manche abfällige Äußerung gegen die -seltsame Christenlehre verlauten ließ. Allmählich gewöhnte er sich au den Gegensatz und ließ die Jaunde-leute in Ruhe. Er war zu friedliebend, als daß er an den ewigen Streitigkeiten hätte Freude haben können. Nach und nach hörte er den Gesprächen der Leute mit mehr Teilnahme zu und freute sich sogar, wenn Bengbina in passender, scharfsinniger Weise und doch ohne Selbstüberhebung einen Gegner abfertigte. Es siel ihm besonders auf, daß die Christeu und Taufbewerber besser, ernster und pflichttreuer waren als die heidnischen Soldaten. Er sah, daß sie sich von schlechten Tänzen, von allen Roheiten und Gemeinheiten fernhielten. Zank und Streit wegen schlechter Weiber schienen bei ihnen ausgeschlossen. Und dennoch war es nirgendwo im ganzen Lager so lustig und lebhaft wie bei den Christen und denen, die sich ihnen anschließen wollten. Er vermeinte sogar, daß in der neuen Lehre manches schöner und vernünftiger sei als in seinen heidnijch-abergläubischen Anschauungen, die er nur deshalb festhielt, weil er darin aufgewachsen und groß geworden war. Während die anderen heidnischen Soldaten sich streng von den Anhängern der christlichen Lehre absonderten und ihnen feindselig gegenüberstanden, fühlte sich Dschembana im Gegenteil zu ihnen hingezogen, wenn er auch nicht im geringsten varan dachte, sich ins Buch der Mission eintragen zu lassen. Und dennoch! Er wußte nicht, woher es kam und wie er es erklären sollte; je mehr er die Lehre der Christen kennenlernte, desto fester klammerte er sich an seine eigenen heidnischen Anschauungen und faßte sogar den Entschluß, sich möglichst von der Mission fernzuhalten, um nur nicht unter den Einfluß jener Männer zu kommen, die unter dem Scheine des Wohlwollens ganz gewiß nur ihren eigenen persönlichen Vorteil suchten. Es war ihm unbegreiflich und unklar, daß die Gebetsmänner ganz und gar aus selbstlosen, religiösen und Menschlichkeitsgründen in das Land der Schwarzen gekommen seien. Fast fürchtete er sich vor der Wahrheit und Klarheit, der Folgerichtigkeit und Schönheit der neuen Lehre, je mehr er sich zu ihr hingezogen fühlte. Allzusehr sträubten sich Gewohnheit, Erziehung, abergläubische Furcht, Vorurteile und Anhänglichkeit am Althergebrachten dagegen. Er durfte, konnte und wollte nicht Christ werden. — Doch es kam anders. — Unter den heidnischen Soldaten des Jaundelagers schwirrten seit einigen Tagen seltsame Gerüchte. Gereizt ward dadurch die Stimmung der Leute, die sich immer mehr vou den Christen absonderten und sie mit haßerfüllten Blicken anschauten. Zuerst hieß es, daß man in nächster Zeit allen Soldaten zur Pflicht machen würde, die Mission und den christlichen Unterricht zu besuchen und sich auf die Taufe vorzubereiten. Das gab schon heißes Blut und gewaltige Aufregung. Die heidnischen Soldaten standen in der freien Zeit zusammen und besprachen zornig das Gehörte. Manche Faust wurde geballt, manche Drohung wurde ausgestoßen. Unbeschreibliche Flüche und Verwünschungen waren zu hören. „Man soll nur versuchen, uns zu zwingen! Eher schlagen wir alle Weißen tot und dazu alle Verräter, die Christen und jene, die sich in das Buch des verfluchten Gebetsmannes einschreiben ließen." — „Wenn die Nachrichten wahr sind, daß man uns zu Christen machen will, dann wird man uns kennenlernen! Wir sind nicht Soldat geworden, um Betbrüder zu werden." Sie redeten sich in immer zornigere Stimmung hinein. Der eine sprach von Gift, der andere von Feuer, ein Dritter von der Hilfe, die sie an den Zauberern und Stammesgroßen finden würden! Man soll es nur versuchen! Als nach einigen Tagen die Gemüter sich etwas beruhigt hatten, tauchte ein neues Gerücht auf. Es hieß, daß die Missionäre mit Hilfe des Stationshauptmannes die Beseitigung aller Amulette und Zauberdinge aus den Soldatenwohnungen verlangen würden. (Fortsetzung folgt.) Eigentümer, Herausgeber und Verleger: Kongregation der Missionäre Söhne des heiligsten Herzens Jesu. Verantwortlicher Schriftleiter: P. Al. Wilsling, Missionshaus Graz, Paulustorgasse 10. — Universitäts-Buchdruckerei „Styria" in Graz.