Nr. 8. August 1898. I. Jahrgang. kt* Conception kr Söhne ks heiljgßen Kchens Jesu. Die Congregation besteht aus Ordenspriestern und Ordenslaieubrüdern. Es werden in dieselbe außer Priestern aufgenommen Studenten und Laienbruder. Hiezu wird von der Regel erfordert: 1. Für Studenten: dass sie wenigstens 16 und nicht über 34 Jahre alt, von guter körperlicher Gesundheit, hinreichenden Fähigkeiten, gediegenem und beständigem Charakter, von habituell guter Aufführung, frei von Schulden und Familienhindernisscn sind; ferner, dass sie nie in Missionen gewesen sind und nie einer anderen geistlichen Genossenschaft angehört haben, dass sie den aufrichtigen Willen besitzen, Ordensleute zu werden und sich für immer der Mission zu weihen; dass sie so viele Studien gemacht haben, um regelrecht der Philosophie und Theologie sich widmen zu können, zum mindesten jedoch, dass sie die 3. Gymuasial-classe absolviert haben. 2. Für Lai enbrüder: dass sie das 20. Jahr vollendet und das 30. nicht überschritten haben, feste Gesundheit und körperliche Kräftigkeit, offenen Sinn und gesunden Verstand, Kenntnis irgend einer mechanischen Kunst oder eines Hand Werkes, genügenden Unterricht und Befähigung, um an Ort und Stelle fremde Sprachen zu erlernen, besitzen; dass sie von bürgerlichen und militärischen Ver-pflichtungen und von Seite ihrer Familien frei sind, keine Schulden oder sonst Verpflichtungen welcher Art nur immer haben; dass sie noch nicht in Missionen gewesen sind und keiner anderen geistlichen Genossenschaft angehört haben; vor allem aber, dass ihre sittliche Aufführung derart ist, dass man mit Grund Gutes von ihnen hoffen kann. Alle müssen zwei Jahre Noviziat machen, worauf sie, wenn nach dem Urtheile der Obern kein Hindernis entgegensteht, die heiligen lebenslänglichen Gelübde der Armut, der Keuschheit und des Gehorsams ablegen. Die Studenten setzen dann ihre Studien für das Priesterthum fort. Beim Eintritt in die Congregation muss jeder eine bescheidene Ausstattung an Kleidung und Leibwäsche mit sich bringen und soviel Geld, als zur Rückkehr in die Heimat erforderlich ist, wenn solche aus einem triftigen Grunde sich als nöthig erweisen sollte. Nach ihrem Eintritte, seien sie Studenten oder Laien, übernimmt das Institut ihre Versorgung in allem Nöthigen, in Gesundheit und Krankheit, wie für seine Söhne. Behufs Aufnahme in die Congregation ist an den?. Rector des Missionshauses der Söhne des hl st. Herzens Jesu in Mühland bei Br ixen (Tirol) Folgendes einzusenden: 1. Ein Aufnahmsgesnch mit kurzer Lebensbeschreibung und der Erklärung, Ordensmann und Missionär für die Neger lebenslänglich sein zu wollen; 2. das Tauf- und Firmungszeugnis; 3. ein Sittenzeugnis, ausgestellt vom eigenen Pfarrer; 4. ein ärztliches Gesundheitszeugnis; 5. (6e i Minderjährigen) die Zustimmungserklärung des Vaters oder Vormundes; 6. (b ei Studenten) die Zeugnisse der absolvierten Gymnasialclassen, besonders der letzten ; 7 (bei Laien) im Gesuche angeben, ob sie ein Handwerk verstehen. —-HN41H-— Inhalt: Auf zum hl. Streite (Gedicht). — Missionshaus der Söhne des hlst. Herzens Jesu in Brixen. — Afrikas Leiden (Gedicht). — Line heidnische Krankenbeschwörung. — Der Negerknabe Aloisius Mohammed. — Die Pyramiden. — Der Aberglaube im Nil-thale. — verschiedenes: preisveriheilung an Negermädchen in Gesira. — Der Feldzug im Sudan. — Unsere Bilder. Bus pi heiligen Weite! Frisch auf nun zum Kampf, zum heiligen Streit! Entfalte die Fahn'! Das Schwert ist bereit. Der feindlichen Vorhut zerstört find die Schanzen, Dort kommet das siegreiche Banner zu pflanzen. Nur herzhaft voran Was Muth hat und kann! > Im Lager nun selbst, dem Feinde zum lhohne, Greif an den Stolzen, stürz' ihn vom Throne. Das Schwert ist das Kreuz, gefärbt schon durch Blut, Gefärbt von der Lieb', nicht feindlicher Wuth: Das göttliche lherz ist die Fahn im Gefechte, Lin sicheres Schild ge'n die höllischen Mächte In Hunger und Noth Und Leiden und Tod: Wo Rache nur herrscht und EjöUengetriebe, Klingt füg gar und mild das Losungswort: Liebe. Ls wüthet, es stürmt, es heulet die Nacht, Zu stürzen die Fahn mit teuflischer Macht: Doch sanft gar und sicher stets wallet sie weiter, Ls weicht nicht, es wankt nicht ihr muthiger Streiter: 170 Auf zum heiligen Streite! Der fjötte den Krieg, Und dein ist der Sieg! Nur tapfer voran, den Kampf frisch zu wagen, Dein Schwert, es ist stark — die Feinde verzagen. Sinkt blutend auch inancher peld in den Sand Und tränket der peiden durstiges Land, Nicht schwanket der Muth und nicht drohet Verderben; (Erliegen ist Siegen, Triumph ist das Sterben: 3m Himmel der Lohn Lin' ewige Kron! Dort winket die Siegespalme entgegen Dem Streiter, am Schlachtfeld kampfend erlegen. Hl. Waulus. Hl. s'Etats. Kocht mnthig das Blut int Busen noch dir, (D eile zum Göttlichen Gerzen-Panier; Pörst schluchzen die Neger, um Pilse sie ringen, Siehst gähnen den Abgrund, um, sie zu verschlingen. (D zögere nicht, Bring' ihnen das Licht, Sie irren in düstrer Nacht an deut Rande Des Abgrunds, geführt von höllischer Bande. Nicht schreck' dich, des Satans Rache und List, Der Sohn ja des heil'gen Perzens du bist. Lass wüthen, die Polle und brüllen und toben, Weich nicht, bis die Feinde vernichtet, zerstoben! (Db Leben, ob Blut, voran nur mit Muth! Wohl wüthet um dich das höllische Treiben Doch dein ist der Sieg und dein muss er bleiben. F. Bernhard Kotjnen, F. S. C. Wsilslms der Mähne des |il|l Uerjens in Äiimt. lange und noch vor kurzer Zeit der „dunkle Welttheil" genannt, ist nun zu einer stehenden Rubrik geworden. Die letzten Decennien haben den dichten Schleier vom Kontinente der Schwarzen etwas empor* gehoben. Wir haben vor uns ungeheuere Wüsten, aber auch ausgedehnte Striche von staunenswerter Fruchtbarkeit; trostlose Steppen von schauerlicher Vegetationsarmut und Länder von nie gesehener, wirklich wunderbarer Productions-fülle; völlig regenlose Himmelsstriche und solche mit wolkenbruchartigen, periodischen Tropenregen; Gegenden, wo nichts Lebendes zu sehen ist und andere, wo die Thierwelt in unglaublicher Mannigfaltigkeit und unbemessener Anzahl haust; Menschen, welche ebensoviele verschiedene Sprachen sprechen, als sie Abwechslung der Hautfarbe ausweisen; Leute vom glänzenden Pechschwarz bis zum Weiß, vom Rothbraun bis zum Dunkelgelb, ein lebendiger Sammelkasten aller Schattierungen der Farben, welche zwischen den beiden Gegensätzen Schwarz und Weiß denkbar sind, ungezählte Völker und Stämme mit ebensovieleu verschiedenen Häuptern, verschiedenen Sitten und Gebräuchen; theilweise, wie im Norden, Reste hoher uralter Cultur und gleich dahinter im Süden eine Jahrtausende alte Stagnation und Fehlen jedweder Neigung und Regung nach Aufschwung und Vervollkommnung; grenzenloses Selbstbewusstsein einzelner Stämme und Kasten und augeborner, fatalistischer Servilismus der meisten anderen; Völker, welche, wie die Mohammedaner, die Religion in den Vordergrund stellen und nach derselben alle Verhältnisse des privaten und öffentlichen Lebens regeln, und andere, in der Mehrzahl, welche nur eine dunkle Ahnung vom höchsten Wesen haben und ihm keinerlei Einfluss auf ihr Thun und Lassen gewähren; mit einem Worte, ein Land voll Wunder und Seltenheiten in Natur-, Thier- und Menschenwelt, ein Land der Gegensätze in packendster Ausprägung. Aber ach, dieses wunderbare Afrika, es ist auch das Land des Heidenthumes und der Barbarei, das Land, wo der Mensch am tiefsten gesunken ist und die Menschenwürde und Menschenrechte wie nirgends mit Füßen getreten werden, es ist das Land des Despotismus und der ©datieret. Es erheben sich in Afrika Klagegeschrei und Todtengesänge; Väter und Mütter beweinen eben ihre gestern oder heute geraubten Söhne und Töchter; Säuglinge strecken wimmernd ihre Händchen nach den entführten Müttern aus; die Thränen der verlassenen Negermädchen vermischen sich mit dem glühenden Wüstensaude und die in Ketten gepeitschten Sclavenknaben flehen stöhnend um Schonung und Hilfe, um Heilung ihrer Wunden; aus den elenden Strohhütten bringt das Seufzen der Hinterbliebenen, während in brennender Steppe hingestreckt der halbverhungerte Sclave mit dem fleischgierigen Aasvogel und dem Tode zugleich ringt; und selbst wenn alles schweigt, scheinen die bleichenden Gebeine der Gemordeten und Verhungerten noch in todesstiller Nacht zum Sterubilve des südlichen Kreuzes um Rache zu rufen! Das Missionsgebiet der Söhne des hlst. Herzens war und ist ein hauptsächlicher Schauplatz der Barbarei und Sclaverei. Dort schmachten noch Tausende von Menschen in den Ketten der Sclaverei, dort sind noch Tausende ein Opfer grässlichen Aberglaubens, dort sterben noch Tausende einen Tod der Verzweiflung und des Unglaubens und sinken hin in eine düstere, unglückliche Ewigkeit, und strecken im Sinken noch sozusagen ihre Arme flehend aus nach ihren Brüdern, die ihnen helfen können. Und ihnen kann und muss geholfen werden. Sind es S3 E? «K- Ä & Z 1 T -s J G 'o' g s£> R g' ^-U- E me s $=: _ S L-L- Z L«? c 05* £3 sŽ> 05*

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Wir machen solche, die Beruf zum Ordens- und Missionsstande fühlen, auf unsere Aufnahmebedingungen auf dem Umschlage aufmerksam ; sie mögen sich vertrauensvoll an das Missionshaus wenden. Aber nicht alle, ja wenige sind berufen, direct und persönlich an der Bekehrung der Neger zu arbeiten. Diejenigen, welche diesen Beruf nicht fühlen, können aber dennoch in sehr verdienstvoller Weise unser Werk unterstützen und fördern. Wir bringen in dieser Nummer eine Ansicht unseres Missionshauses und dessen nächster Umgebung nebst der Pfarrkirche zu U. L. F. von Mühland. Auf dem Bilde hebt sich vor dem jetzigen Missionshause eine von Balken umrahmte Fläche ab: es ist die Stelle, wo unser neues Missionshaus zu stehen kommt. Der Bauplatz nebst angrenzendem Grundstücke musste zu diesem Zwecke eigens gekauft werden. Jetzt da wir schreiben, ist der Rohbau bereits über die Hälfte des Erdgeschosses gediehen und soll bis 1. November unter Dach gestellt sein. Unsere Congregation ist arm, wie alle Missionäre. Die Kosten des Baues müssen durch Almosen bestritten werden. Da ist gewiss eine schöne Gelegenheit geboten, Gutes zu thun. Im Missionshause sollen gottbegeisterte Jünglinge zu Ordensleuten und Missionären vorgebildet werden, Ordens-Priester und Brüder, welche bestimmt sind, in Afrika die Ketten armer Sclaven zu brechen, unglückliche, verzweifelte Herzen zu trösten und zu beglücken, kostbare Seelen, für die ein Gott sein Blut gegeben, zu gewinnen, sie vom schrecklichsten Unglück zu retten und ihnen das höchste aller Güter, die ewige Glückseligkeit zu verschaffen. Wer also zum Baue des Missionshauses beiträgt, der thut sicher ein gutes Werk und wird theilhaben an den Verdiensten und gottgefälligen Werken der jungen Glanbensboten und ihrer Bekehrten. Wir bitten recht inständig um Bausteine zu unserem neuen Missionshause, das nur nach Maßgabe der einlaufenden Almosen vollendet werden kann. Die Söhne des hlst. Herzens Jesu werden die auserwähltesten irdischen und himmlischen Segnungen für ihre Wohlthäter erflehen und das göttliche Herz Jesu wird sich an Großmuth nicht übertreffen lassen. (Eben sinkt die Sonne nieder und mit ihren letzten Strahlen Grüßt sie nochmals jene Fluren, die ihr stets so theuer waren. Dann sie flüchtet sich in (Eile: Will nicht Zeuge sein der (Quoten, Die dem Land' von neuem drohen von den schrecklichen Barbaren. Grabesstille ringsum herrschet: nur von einem Urwaldbaume, Aufgeweckt von wilden Gästen, krächzet die erschrock'ue Eule. Alles schlief im Negerdorfe; — doch der Häuptling sah tin Traume plötzlich eine Kriegerschar, und über seinem stäupt' die Heule ; Sah die blut'gen Flammen lodern und Verwirrung um sich her; Sah die Jugend stark gefesselt, seufzen unter Ketten schwer; Zarte Mütter in Verzweiflung kämpfen mit den rohen Kriegern; Um Erbarmen fleh'n die Grausen, ringen mit den wilden Siegern. 174 Afrikas Selben. Sah, wie Greise rücklings stürzten, einen Dolch in ihrem Herzen, Und in ihrem Blnt erbliechen unter tausend, tausend Schmerzen. Sah wie frohe, zarte Rinder man zerschellte an den Mauern, Und das Herz ihm brach vor Rummer und vor übergroßem Trauern. Angstgeschrei durchdröhnt die Lüfte: Kommt, o kommt uns zu erlösen! — Und erwachend aus dem Traume, will er kämpfen mit den Bösen. Hastig springt er auf vom Lager, schwingt die Fäuste durch die Luft; Doch er wird vom Feind ergriffen, fortgeschleppt in eine Gruft. — Sahst du nie, wenn aus der Hürd' im neuen Lenz der Hirtenknabe Führt sein Schäflein auf die Fluren, wie er sanft mit seinem Stabe Treibet sie zum Thor hinaus? Wie er sendet seine Hunde Rechts und links, doch ihnen wehret zu öffnen eine Wunde? Nicht so macht s der Sclavenjäger: Nach gemachter reicher Beute, Schließt er sie in sichere Retten, und: weg! weg! Tr will noch heute Mit dem armen Sclavenheere kommen bis zum, Meeresstrande, Heimlich sie von dannen führen, weit vom theuern Vaterlande. Doch die Hunde, die er hetzet, die die Armen stets umgeben, Gierige Wölfe fine's, die sättigt weder Blut, noch Wunden, Leben. Unermüdlich rast die Peitsche auf den armen, nackten Rücken; Ihren Weg das Blut bezeichnet und ihr Fleisch in groben Stücken. Eben wollt' die Sonn' erscheinen in dem güld'nen Morgenrot; Doch, o Jammer! ihren Blicken nichts sich zeigt als grauser Tod. Ganz entsetzt weicht sie zurücke, hemmt erschrocken ihren Lauf, Denn vom feuchten Trdenboden raucht das Blut zum Himmel auf. Kläglich seufzt die ganze Lrd', der Himmel hüllt sein Angesicht; Dichte', graue Wolken bergen ganz sein schönes, helles Licht. Dann er bricht in heiße Zähren, schluchzet wie ein trostlos Rind, Füllt die Luft mit feinen Klagen, dröhnend wie ein starker Wind, Freien Lauf lässt feinen Thränen, die ihm niemand kann mehr wischen; Venn er möchte sie in jene seiner armen Neger mischen. „Zuckende Blitze auch fallen hernieder," „Grollende Donner durchdröhnen die Lüfte," „Und wie auf Trden das Tcho hallt wieder," „Schließen sich auf alle Gräber und Grüfte." Aus den Tiefen seh' ich steigen große, fürchterliche Schatten, Welche übers Schlachtfeld schreiten, rings bedeckt mit blut'gen Matten; Mustern jeden Stein am Wege, jeden Baum, den sie schon kannten; Jeden Platz, wo eine Hütte einstens sie ihr Ligen nannten. Doch nur Greul an allen Vrten, wo sie wähnten ihre Lieben, Und ihr Schicksal, — großer Himmel! finden sie mit Blut geschrieben. Holder Stern, der du so freundlich einst in Afrika erschienen, Leucht' auch ihnen, die dich lieben und dir gerne möchten dienen! Zeige doch, o „Stern der Neger", bald von deinem lichten Thron Ihnen in der Kripp' das Rind, den Mensch geword'nen Gottessohn! F. Bernhard Zorn, F. 8. v lint Ijnhilüjr iuniiluiibrsrijiiiimtiiii. mm* dem umfangreichen Capitel des Aberglaubens bei den Negern können diesmal einen erwünschten Beitrag bringen, den unsere geehrten Leser sicher mit Interesse lesen werden. Der Hochwürdige P. Franz Hey mans, F. S. C., Oberer der Antisclavereicolonie Leo XIII. in Gesira bei Cairo, schreibt uns unter dem 2. August d. I.: Als ich mich eines Tages mit einigen unserer größeren Negerjünglinge auf dem Spaziergange befand, drang plötzlich der wirbelnde Lärm von Felltrommeln (nogära genannt) an unser Ohr. Wir blickten nach der Richtung des Lärmes und sahen in der Ferne eine Schar von Negern, welche unter höllischem Lärme und unter Vorantragung von Fahnen um das nicht ferne von unserer Kolonie gelegene Dorf Aeschesch die Runde machten. Bevor wir auf die Veranlassung dieses Aufzuges näher eingehen, dürfte es dem geneigten Leser nicht unerwünscht sein, mit diesem ganz sonderbaren Negerdorfe etwas Bekanntschaft zu machen. Aeschesch heißt eigentlich „Vogelnester" und wird auch zur Bezeichnung der Hütten der Eingeborenen gebraucht. Unser Aeschesch hier ist ein Dörflein, das ungefähr 200 Einwohner zählt, welche sich aus den meisten der zahlreichen Stämme des Sudan recrutieren- Diese Leute sind auf verschiedenen Wegen und unter noch verschiedeneren Abenteuern und Umständen hieher gekommen. Eine bedeutende Anzahl derselben sind Negersoldaten, aus der ägyptischen Armee, aus den überlebenden Truppen Emin Pascha's oder aus den deutschen Colonialtruppen von Kamerun und Zanzibar. Bekanntlich hängt der Neger sehr an seinem heimischen Stamme und so finden sich die Angehörigen der einzelnen Stämme auch in der fernen Fremde gerne zusammen und nehmen nebeneinander Wohnung. Sie alle halten daun an den Sitten und Gebräuchen der bezüglichen Heimat fest. So haben sich im genannten kleinen Dorfe mehrere Abtheilungen von Stämmen gebildet, die durch Bethätigung ihrer vaterländischen Gebräuche ihre Zusammengehörigkeit zeigen. Unter den hier vertretenen Stämmen sind die hervorragendsten die Dinka, die Schilluk, die Bornü. Jeder dieser drei Stämme hat seinen eigenen Scheck oder Haupt, sowie eine Zauberin. Wenn man den Hang zum Aberglauben kennt, der diesen Leuten durchwegs eigen ist, so darf es nicht Wunder nehmen, dass solche Zauberinnen einen großen Einfluss auf ihre Stammesgenossen ausüben. Im Sudan sind diese Art von Personen die gefürchtetsten im ganzen Stamme. Sie geben vor mit den Geistern im Verkehr zu stehen, ihre geheimen Künste zu kennen und gegen sie schützen zu können. Da der Geisterglaube und besonders die Furcht vor den bösen Geistern allgemein verbreitet sind, so nimmt das ge-ängstigte Volk in Noth, Unglück und Krankheit, die meist auf Rechnung der bösen Geister gesetzt werden, die Zuflucht zu jenen Personen. An manchen Orten ist das Ortsoberhaupt zugleich Haupt dieser Professionisten und dann hat er das ganze Volk in seiner absoluten Gewalt. Wenn ihm ein Untergebener nicht gehorcht oder ihm die geforderten Geschenke verweigert, so verflucht er sein Vieh, die Kühe, Schafe, Ziegen, Hühner, oder droht durch Trockenheit das Getreide auf dem Felde zu vernichten. Durch das abergläubische Vertrauen des Volkes aus ihren Hokuspokus und die Furcht vor ihren Drohungen werden diese Leute häufig wirklich die Gebieter ihres Stammes. Die Zauberinnen oder Hexen machen sich nicht selten gegenseitig Concurrenz. Eine Hexe rächt sich an jemand, indem sie ihm etwas Böses anthut, und dieser nimmt zu einer anderen Hexe seine Zuflucht, um sich vom Übel zu befreien. Das arme Volk wird in jeder Weise geängstigt und gequält; kaum hat sich jemand von einem bösen Geiste befreit, als ihm schon wieder ein anderer aufsitzt oder in den Leib fährt, und so löst ein Teufel den 176 Eine heidnische Krankenbeschwörung. andern ab. Es darf daher nicht wundern, dass die gewöhnlichen Reden und Gespräche, besonders der Frauen, sich fast ausschließlich um Zaubereien und Hexereien, um Macht und Einfluss der bösen Geister, Zauberer und Hexen drehen. Was die letzteren, nämlich die Zauberinnen und Hexen betrifft, so sind es gewöhnlich die verkommensten Weiber, die es durch ihr freches Wesen zu solchem Einflüße gebracht haben. Die berüchtigste und gefürchtetste der Zauberinnen des Dorfes Aeschesch ist wohl diejenige des Bornü-Stammes, jene Hadscha Haua, welche den Lesern unserer Zeitschrift schon aus früheren Berichten bekannt ist. Von dieser Hexe wird Unglaubliches erzählt, z. B. dass sich in ihrer Hütte eine Anzahl von Schlangen aufhalten, welche auf ihren Ruf sofort erscheinen und ihr gehorchen. — Doch nun zur Sache. Nachdem wir eine Weile den erwähnten sonderbaren Umzug aus der Ferne betrachtet hatten und mir die Bedeutung des Ganzen dunkel war, wandte ich mich an meine schwarzen Begleiter und fragte sie, ob sie über den Zweck dieser lärmenden Veranstaltung Aufschluss zu geben wüssten. Einer meiner Knaben konnte sofort meine Neugierde befriedigen. Es war dies Clemens Doka, zwar noch Catechumne, aber im Herzen bereits eifriger Christ, dessen Bekannte im Dorse Aeschesch weilten. Doka's Vater hatte einst unter Emin Pascha in der Äquatorralprovinz gedient, war über Zanzibar nach Ägypten gekommen und hatte sich hier in diesem Negerdorfe niedergelassen. Dass die Bewohnerschaft des Dorfes nicht immer in Frieden lebt, geht aus der Thatsache hervor, dass Doka's Vater kurze Zeit nach seiner Ankunft daselbst in hinterlistigster Weise von einem der eigenen Stammesgenossen ermordet wurde. Der Ermordete ließ mehrere Frauen zurück, aber die eigentliche Mutter Doka's war bereits früher gestorben, und so wurde der Waise unserer Mission anvertraut. Dieser kleine, etwa zehnjährige Knabe war, wie gesagt, im Herzen ein Christ und hatte während einer Anwesenheit im Dorfe ein sterbendes Kindlein in Gegenwart von ahnungslosen fanatischen Muselmanen heimlich getauft. Da er mit den Verhältnissen des Dorfes gut bekannt war, so konnte er also mir den besten Aufschluss geben. — Den Aufzug betreffend sagte er mir nun: „Abuna (Vater), es ist dies eine jener Ceremonien Krankenbeschwörung, Zär genannt, wovon ich Ihnen bereits einmal gesprochen habe. Es handelt sich aber diesmals um die Schill ule, wenn ich nicht irre, und nicht um die berüchtigte Hadscha Haua der Bornü." „Woran kennst Du dies?" „Am Schlage der Felltrommel" (nogära). „Machen wir uns auf, gehen wir hin und sehen wir uns die Sache aus der Nähe an," sagte ich entschlossen. „Aber schnell, fiel Doka ein, es ist keine Zeit zu verlieren; sie müssen bereits zur Hütte der Kranken gekommen sein, da das Wirbeln der Trommeln eben zeitweilig aufgehört hat." Ohne weiteres machte ich mich in Begleitung meiner größeren Negerburschen auf den Weg. „Aber, meinte einer derselben, es könnte Dir, o Vater, und uns dortselbst schlimm ergehen." Ein anderer befürchtete, dass die Flinte, welche ich wie gewöhnlich bei solchen Ausflügen auf dem Landgute auch diesmal bei mir trug, Ursache sein möchte, dass man die Beschwörung der Kranken auf einen späteren Zeitpunkt verschiebe u. s. w. Unter solchen und ähnlichen Vermuthungen giengen wir muthig weiter und befanden uns fünf Minuten nachher bereits in Mitte der lärmenden, fast möchte ich sagen, beängstigenden Negerbande, die sich vor der Hütte einer kranken Negerin aufgestellt hatte. Die Beschwörung hatte bereits ihren Anfang genommen. Die unerwartete Ankunft eines Schwarzrockes mag der Godia, so wird die Zauberin in der Schilluk-Sprache genannt, wohl unangenehm gewesen sein, denn sie hielt sich wie versteckt in der Hütte und getraute sich kaum einen Augenblick, sich unsern Blicken anszu- S g 2 2' ST S" 5 € es er S " *£ H. S s: A’ re sö) «"»«“©»■»j! ET ^ ™ s-^s-Ss » ^ ©"& rt Ä o -§rt-Z I ^s"¥ o rt ^ &S1 Is- 3fg-§-_|2 3 i'2 gff^ -2 rr <=rttx-' G <=r <* ~~r* G Sso^ 2.#S s f IJ^lt-s^Ei^g- E3 ro rt rt c» O "rt1 g 1111=5" 3 2 S er S rt G ro Z* ^o H öo er § er _ ^ __ o «§{?«»■&<» o o--SÖD"‘ L 5 3®!^ ;®i-isÄ o 2-Ä3' S. rt er " S L ^sgs n'-'& 2- or t" 2. ^Iä-3^ 53W25» 2--3 ZA S ES G G ü£cÖ G ^ S’^Äpc» _ s d-S- S ^ D G ^ r2>- -g D3.DE" -,.“ § § - rt | g = | 2. ;#eI S G ra O S O g S o n> a ? «° : » -£ o & ir £ ZZ-r- Mohammebanischrv Pricöhof Bei &cv Burg in Kairo. (Siehe Seite 192.) 178 (Sitte heidnische Krankenbeschwörung. heimnisvoller Weise unverständliche Worte. Alsdann näherte sie sich mehr der Kranken und schien die bösen Geister zu beschwören und der Leidenden Muth und Vertrauen einzuflößen. Indes legte der Neger mit dem Schlachtmesser dieses nieder, ergriff einige der vor der Thüre aufgestellten Lanzen und schwang sie in die Luft, wobei er mehrere Zirkel um die Kranke beschrieb und ihr dann über Rücken, Kopf und Brust fuhr. Das gleiche that er mit den Fahnen, wenn ich diese gefärbten Lumpen so nennen darf. Wie ich mir erklären ließ, sollte dies alles der Kranken ein Zeichen des heilsamen Einflusses sein, den sie zu erwarten habe, wofern sie dem Hokuspokus der Zauberin festen Glauben schenke. Darauf wurde das Opfer dargebracht. Der erwähnte Neger nahm das Messer zur Hand und durchschnitt die Kehle des Hahnes, wobei die eine Negerin das auslaufende Blut im Teller auffieng und ein langbeiniger, wohl über zwei Meter hoher Neger ein paar Piaster (ägyptische Münze) in das spritzende Blut hielt und sogleich als geheiligte Opfergabe in den Teller warf. Das Blut wurde dann, mit Wasser vermischt, der Zauberin gereicht, welche damit die Kranke und die lärmende Menge besprengte. Schließlich hob sie die Kranke auf und verschwand mit ihr im Innern der Hütte. Nun begann wie auf Verabredung im Innern und außerhalb der Hütte ein unbeschreibliches Lärmen, Springen und Tanzen, und zugleich warnte man meine schwarzen Begleiter und andere Zuschauer, dass die Zauberin mit dem gefürchteten Korbatsch erscheinen und ohne viel Rücksicht wie wüthend unter der lärmenden Menge herumhauen sollte. Ich gab jedoch der Zauberin zu verstehen, dass sie sich wohl in Acht nehmen solle, einen von uns zu berühren, und so hielt sie es rathsam, für diesmal die Peitsche ruhen zu lassen. So war die Beschwörung der besessenen Kranken beendigt, die ich ebenso wie die Zauberin nicht mehr zu sehen bekam, nachdem sie im Innern der Hütte verschwunden waren. Der Rest des Tages wurde mit Tanzen, Lärmen und Trinken von Negerbier verbracht. Diese Ceremonie wird drei Tage hintereinander wiederholt und am dritten Tage wird die Kranke für geheilt erklärt. Nach Beendigung der Beschwörung näherte sich uns der oben erwähnte, langbeinige, zwei Meter hohe und mir wohlbekannte Neger und lud mich ein, dass auch ich der Kranken und der Menge den Segen ertheilen möchte. Ohne auf den Inhalt seiner Bitte zu achten, fragte ich ihn, was das alles zu bedeuten habe. „Siehe, erwiderte er, im Sudan gibt es für jeden Negerstamm eine besondere Krankheit, die dem betreffenden Stamme eigen ist, und diese Krankheit kann nur auf diese Weise geheilt werden." „Worin besteht denn diese Krankheit? Wie hat die Negerin dieselbe bekommen?", fragte ich. _ Der Neger erzählte mir, dass sie eines Abends ausgegangen und dabei über einen Gegenstand gefallen sei; in letzterem müsse ein böser Geist gewesen sein, der augenblicklich Besitz von ihr genommen habe. Um sie von demselben zu befreien, gebe es kein anderes Mittel — sagte er mein Gewehr betrachtend — außer dass Du einige Schüsse abfeuerst, denn dies würde sicher viel zur Vertreibung des bösen Geistes und zur Heilung der Kranken beitragen. Mit diesen Worten lud er mich ein, die Flinte abzufeuern. Ich hielt es jedoch für besser, die meiner Flinte zugeschriebenen geheimen Kräfte auf meinem Rückwege zur Colonie zur Austreibung oder Vertreibung der Hunderte von Spatzen, die unsere Fluren so arg schädigen, in Anwendung zu bringen. Dkl UkgkkKiiillik Almjiiis Mihmmed. (Sestra, 19. August 1898. (fj^\er im Jahre 1882. ausgebrocheue Aufstand des Mahdi war für die eentralafrikanische Mission ein harter Schlag. Sämmtliche Missions-stationeu im Sudan fielen in die Hände der Mahdisten und wurden gänzlich zerstört. Die Neger der Mission entflohen mit oen Missionären nach Ägypten und wurden in der Ackerbaueolonie (Sestra bei Kairo untergebracht, welche der damalige Apostolische Viear zu diesem Zwecke angekauft und einge-gerichtet hatte. So blieben die Missionäre auch nach ihrer Verbannung aus dem Vicariate von Centralafrica zum Wohle der Neger in Ägypten thätig. Das Feld ihrer Wirsamkeit ist allerdings beschränkt und wird es bleiben bis zur Wiedereröffnung des Sudan, die, wie wir zuversichtlich hoffen, in nächster Zeit erfolgen wird; außerdem stellt dasselbe wegen des in Ägypten vorherrschenden Islam und der eigenthümlichen Lebeusverhältnisse der in diesem Lande angesiedelten Neger keine reiche Seelenernte in Aussicht. Dennoch ist das Gute, das die Colonie seit ihrem Bestände für das leibliche und geistige Wohl der Neger gewirkt wurde, nicht gering anzuschlagen, besonders wenn man den verwahrlosten und elenden Zustand erwägt, in dem sich dieselben zum größten Theile vor ihrer Aufnahme in die Colonie befunden haben. Zum Belege dafür wähle ich unter den Vielen diesmal nur Einen heraus, nämlich den Negerknaben Mohammed, um seine Lebensgeschichte den Lesern dieser Zeitschrift in kurzen Zügen vor Augen zu führen. Was zunächst die Heimat Mohammeds angeht, so haben wir dieselbe gemäß seiner eigenen Angabe int Gebiete der Hadendoa zu suchen, eines Nomadenstammes, der zum großen Bedschastamme gehört und die zwischen dem rothen Meere und dem Nile gelegenen Wüstensteppen bewohnt. Der Vater des Knaben heißt Dschadallah, seine Mutter Om Achmed. Außerdem gehörten zur Familie Mohammeds eine ältere Schwester, Namens Fatma, sowie zwei Brüder, von denen der ältere Hassan, der jüngere Hussein heißt. — Mit dieser Angabe seiner Herkunft steht die braune Körperfarbe Mohammeds int Einklang. Die Hadendoa zählen nämlich zu den sogenannten Nigritieren oder Halbnegern. Die schwarze Körperfarbe kommt unter ihnen selten oder gar nicht vor. Zum Unterschiede von den eigentlichen Negerstämmen am weißen und blauen Nil, bereit Haut keine Behaarung zeigt, haben sie ferner einen spärlichen Bart, sowie langes gekräuseltes Kopfhaar, das sie mit großer Sorgfalt und nicht ohne Geschick frisieren, und zwar in der Weise, dass dasselbe theils langwallend über die Schultern herabfällt, theils über ihrer Stirne sich zu einem zierlichen Büschel vereinigt. Durch ihre regelmäßigen Gesichtszüge und ihren schlanken wohlproportionierten Körperbau mit kräftig entwickelter Muskulatur nähert sich die hadendoasche der kaukasischen Raye. Ihre Hauptbeschäftigung besteht in Jagd und Viehzucht. Sie züchten vornehmlich Kameele, Kühe und Ziegen, mit denen sie in Ermangelung fester Wohnsitze die Wüstensteppen nach allen Richtungen durchziehen. Ihre Hauptnahrung besteht in Milch, Fleisch und Durrah. Letzteres zerreiben sie vermittelst eines Reibsteiues, Mnrhakkah genannt, und gießen den daraus bereiteten Teig auf eine über einem Feuer angebrachte Eisenplatte; das so entstehende weiche matzenförmige Brot hat einen säuerlichen Geschmack und hat sich unter dem Namen Kesrah nicht bloß bei den Hadendoa, sondern auch bei allen Negerstämmen des östlichen Sudan als Hauptnahrungsmittel eingebürgert. 180 Der Negerknabe Aloisius Mohammed. Was ihre politische Lage betrifft, so unterstanden die Hadendoa seit Eroberung des Sudan durch die Derwische dem Beherrscher des Mahdireiches, vou desseu tyrannischer Grausamkeit auch sie manches zu erzählen wissen. Doch in Folge der im letzten Jahre erfolgten Einnahme von Berber und Scheudi seitens der englisch-ägyptischen Armee wurden die Hadendoa nebst den benachbarten Araberstämmen von der mahdistischen Schreckensherrschaft bereits befreit und wurde zu gleicher Zeit der Karawanenweg zwischen Suakin und Berber wieder geöffnet. Die Hadendoa spielten übrigens beim Aufstande des Mahdi keine unbedeutende Rolle; ihrem ungezügelten Muthe und ihrer kriegerischen Tapferkeit hatte Osman Digna, der Emir des östlichen Sudan, den Sieg über die von Backer Pascha befehligten und an Zahl und Munitionsmitteln weit überlegenen ägyptischen Truppen bei Trinkitat im Jahre 1884 vornehmlich zu verdanken. Das was die Hadendoa und die Sudanesen überhaupt damals bewog, die Partei des Mahdi zu ergreifen und ihm in seinen kriegerischen Unternehmungen Hilfe zu leisten, war die Unzufriedenheit mit der Verwaltung, in die sich durch die Schuld ägyptischer Beamter allerlei Missbrauche eingeschlichen hatten, sodann eine religiöse Schwärmerei für die Person des Mahdi, den sie als Wnnderthäter und wahren Propheten verehrten, und nicht an letzter Stelle die Aussicht ans eine reiche Beute. Auch die Familie Mohammeds wurde in den Strudel der Empörung hineingerissen. Nicht bloß der Vater sondern auch der ältere Bruder leisteten dem Emir Osman Digna Waffendienste und zogen nach der Schlacht bei Trinkitat mit vielen ihrer Stammesgenossen gegen Chartum, wo der Mahdi seine gesummten Streit-kräfte vereinigte, um den letzten entscheidenden Schlag gegen die englisch-ägyptische Herrschaft im Sudan zu führen. Auch die Mutter schloss sich mit ihren Kindern nach sudanesischer Kriegssitte dem Zuge an. Doch die Belagerung Chartums sollte für die ganze Familie verhängnisvoll werden. Dschadallah, der Vater Mohammeds, wurde durch einen Kanonenschuss getödtet, während Hassan, sein ältester Sohn, verwundet und kampfunfähig wurde. Das tragischeste Geschick ereilte jedoch seine Mutter, welche, während sie selbst zum Kampfe anfeuerte, von den heranstürmenden ägyptischen Soldaten mit Bajonettenstichen niedergemacht wurde. Mohammed flüchtete sich mit seiner Schwester Fatma und seinem jüngeren Bruder Hussein hinaus in die Wüste, während drinnen in der Stadt das donnerähnliche Getöse der Kanonen, das Knattern der Gewehre und das Geheul und Geschrei der Kämpfenden seinen ungestörten Fortgang nahm. Nachdem sie sich dort in einem Verstecke von ihrem panischen Schrecken einigermaßen erholt und die ruhige Gesinnung wieder erlangt hatten, bemerkten sie einen Trupp ägyptischer Soldaten nebst vielen Weibern und Kindern, welche auf ihren Kameelen dahinritten und augenscheinlich in der Flucht ihr Heil suchten. Mohammed fasste Muth, lief auf die Karawane zu und rief den Führer derselben um Mitleid und Hilfe an. Die Vorsehung fügte es, dass sein inständiges Flehen Erhörung fand und da er die Frage, ob sie mit nach Ägypten fliehen wollten, bejahte, so wurden für ihn und seine beiden Geschwister sofort einige Plätze auf den Kameelen eingerichtet. Die langwierige beschwerliche Wüstenreise scheint ohne bemerkenswerte Zwischenfälle verlaufen zu sein, wenigstens kann sich Mohammed keiner Einzelheiten mehr erinnern. Vielleicht auch hatte der Anblick der blutigen Scenen in Chartum und die frische Erinnerung an das traurige Los seiner Eltern ihn so verwirrt und sein Gefühl so abgestumpft, dass er für alle Eindrücke auf der Reise unempfindlich war. Nach einer zweiwöchentlichen Reise langten die Flüchtlinge in Wadi-Halfa, dem Ziel ihrer Reise, an, wo sie vor jeder Verfolgung geschützt, von ihren Reise-strapazen ausruhen konnten. Hier fand Mohammed mit seinen beiden Geschwistern im Hause eines arabischen Scheichs, Namens Mustapha, Aufnahme, der ihnen versprach, sie bei seiner demnächstigen Reise nach Mekka bis nach Kairo mit sich Der Negerknabe Aloistus Mohammed. 181 zu nehmen, wo sie ein besseres Unterkommen finden würden. Die Familie Mu-stapha's bestand aus zwei Frauen und einem noch minderjährigen Sohn. Mohammed hatte, wie er selbst bezeugt, sich während seines dortigen Aufenthaltes, der ungefähr drei Monate dauerte, über keine harte Behandlung und schlechte Verpflegung zu beklagen. Dass er, der Wüstensohn, mit seinem Lose zufrieden war, ist leicht begreiflich; denn unter Entbehrungen aller Art war er in der Wüste aufgewachsen und hatte es frühzeitig gelernt, an das Leben gar mäßige Anforderungen zu stellen. Mohammed begleitete oft seinen Hausherrn auf seinen Ausgängen und leistete ihm Hilfe bei seinen Arbeiten auf dem Felde, während Fatma meist im Hause weilte und mit den beiden Frauen den häuslichen Arbeiten oblag. Der für die Reise nach Kairo bestimmte Tag kam endlich heran und Mustapha bestieg mit Mohammed und seinen beiden Geschwistern eine Barke, welche mit Datteln befrachtet war und gerade nach Kairo, dem Sammelplatz der Mekkapilger aus Ägypten, absegelte. Die Fahrt auf dem Nile ging sehr langsam von statten, da sie zur Nachtzeit regelmäßig eingestellt werden musste; sie war überdies nach unsern Begriffen nichts weniger als angenehm, da unsere Passagiere den Tag über der Glut der Sonne ausgesetzt waren und bei Nacht unter freiem Himmel zubringen mussten. Ein schmerzlicher Zwischenfall ereignete sich bei ihrer Ankunft in Armant, einem Dorfe Oberägyptens. Mustapha erklärte plötzlich die Kosten der Weiterreise für den kleinen Hussein nicht bestreiten zu können. Er werde ihn daher einem seiner Freunde aus Armant zur Verpflegung übergeben, ihn jedoch bei seiner Heimkehr von Mekka wieder abholen. Diese Eröffnung war für Mohammed und Fatma ebenso schmerzlich als unerwartet. Der Gedanke, dass sie sich von ihrem noch unmündigen Bruder trennen sollten ohne Hoffnung, ihn je wieder zu sehen, war ihnen unerträglich, und sie baten und beschworen ihren Herrn unter heißen Thränen, denselben doch mit ihnen nach Kairo Weiterreisen zu lassen. Doch Mustapha bestand auf seinem Entschlüsse und suchte sie so viel als möglich zu beschwichtigen, indem er sie mit Datteln und anderen Süßigkeiten beschenkte und seinen Freund als einen Mann schilderte, der es gut mit jedem meine und sich des kleinen Hussein mit Liebe annehmen werde. Sodann übergab er Letzteren einem arabischen Händler, der in Armant das Schiff verließ und davoneilte, bis er mit dem laut weinenden Knaben im Dorfe verschwand. Seit diesem Vorfall betrachteten Mohammed und Fatma ihren Gebieter mit misstrauischen Augen; die bangsten Erwartungen für ihre eigene Zukunft stiegen in ihnen auf, wenn sie bei sich im Stillen erwogen, wie derselbe wohl nach ihrer Ankunft in Kairo über ihr Lebensschicksal verfügen werde. In einem Gespräche mit den Bootsleuten sprachen letztere unumwunden die Befürchtung aus, ihr Herr werde sie in Kairo im Geheimen als Sclaven verkaufen. Sie fassten nun Beide den Entschluss, heimlich zu entfliehen. ■— Gesagt, gethan! Nachdem sie nach ihrer Ankunft in Kairo aus dem Schiffe gestiegen, begab sich Mustapha alsbald mit seinen beiden Schützlingen in die Stadt, um, wie er sagte, die berühmte Moschee El Azhar, die erste aller Sehenswürdigkeiten Kairos, zu besuchen und auch die damit verbundene arabische Universität in Augenschein zu nehmen. Da er selbst der Straßen unkundig war und gar nicht ahnte, was die Beiden im Schilde führten, trug er der Schwester Mohammeds auf, sich nach der dorthin führenden Straße näher zu erkundigen. Fatma entfernte sich, indem sie einem Haufen Araber zueilte, welcher in einiger Entfernung auf der Straße im Kreise beisammen standen. Mustapha wartete unterdessen mit Mohammed auf ihre Rückkehr und die ersehnte Auskunft. Doch Fatma kehrte nicht zurück. Beide giengeu nach ihr ans die Suche; das Resultat war, dass auch Mohammed seinem Herrn Lebwohl sagte und alsbald spurlos unter der Menschenmenge verschwand. 182 Die Pyramiden. In der Hoffnung, seine Schwester wiederzufinden, irrte er manche Stunde in den Straßen der Großstadt umher. Doch vergebens! Fatma war für immer oei> schwanden und selbst bis heute hat Mohammed über ihren Verbleib und ihr Schicksal nicht die geringste Kunde erhalten können. In der ersten Zeit erwarb er sich durch Bettel und gelegentliches Verdienst seinen Lebensunterhalt, dann aber wurde er Eseltreiber, und verblieb in dieser Stellung mehrere Monate. Das bunte geräuschvolle Leben der Großstadt machte aus Mohammed einen bezaubernden Eindruck und bot ihm täglich neue Reize, und als Eseltreiber hatte er täglich Gelegenheit, dasselbe aus nächster Nähe zu beobachten. Wer weiß, was aus dem lebenslustigen flatterhaften Knaben geworden wäre, wenn nicht der Herr plötzlich seinem Lebenslauf eine andere Richtung gegeben hätte? Es war an einem Sonntag Nachmittag, als unsere schwarze Musikbande sich anlässlich einer kirchlichen Feier nach der nahen Station Heluan begab, welche als vielbesuchter Curort mit Kairo durch eine Eisenbahnlinie verbunden ist. Nach ihrer Ankunft auf dem Bahnhöfe in Kairo bliesen unsere Negerknaben einige Märsche, während ein zahlreiches Publicum sich allmählich um sie ansammelte. Auch unsern Mohammed hatte die Neugierde herbeigelockt. Kaum hatte er über unsere Kolonie das Nähere erfahren, als er dringend bat, in dieselbe aufgenommen zu werden. Der die Musikbande begleitende Missionär glaubte, nachdem er nach den Verhältnissen Mohammeds sich näher erkundigt, keinen Einwand gegen seine Bitte erheben zu können und noch am selben Abend langte Mohammed in der Negercolonie glücklich an. Er ist nun unter den Katechumenen und macht in der Erlernung des Katechismus erfreuliche Fortschritte. Dies, sowie sein sittlich gutes Betragen gewähren uns die tröstliche Hoffnung, dass er binnen Kurzem die hl. Taufe empfangen werde, worin er dem Wunsche einer Wohlthäterin gemäß den Namen Aloisius erhalten soll. P. Joseph WeMer, F. S. C. Dir Pyramiden. Von P. Joseph Münch, F. S. C., Apostolischer Missionar. gypten ist das Land der Pyramiden und sogar seine Briefmarken tragen diesen charakteristischen Stempel. Nicht nur in der Nähe von Kairo sind diese Bauten zu finden, sondern auch am Rande der lybischen Wüste von Abu Roäsch im Norden und bis Dahchür im Süden ziehen sich vereinzelt noch weiter Pyramidengruppen hin, etwa sechzig an Zahl, aber minderwertig an Bedeutung. Die Ansichten über ihre gewesene Bestimmung gierigen früher noch sehr auseinander. Jetzt aber nimmt man gewöhnlich an, dass sie Grabmäler, etwa aus der 4. bis 1'2. Dynastie, sind; und da nach dem Glauben der Ägypter die Seele später wieder in den Leib zurückkehrte, so lag es im Interesse ihrer stolzen Herrscher, die Gräber noch bei Lebzeiten möglichst dauerhaft zu machen und auch den Leib durch Mumieficierung bis zur Rückkehr der Seele zu erhalten. So begann denn jeder König bei seinem Regierungsantritt die Anlage einer Pyramide auf festem Felsboden und an einem Orte, der von der Überschwemmung des Nils gesichert war. Um einen Felskern herum, in welchen man unterirdische Gemächer höhlte, legte man das Mauerwerk an und sicherte so ein vollständiges Die Pyramiden. 183 Grab, _ welches der König mit der fortschreitenden Zahl seiner Regierungsjahre durch immer neu umgelegte Mäntel (Schichten, Bekleidungen) auf die Pyramidenform berechnet, vergrößerte. Starb nun der König, so war nur der letztgenannte Mantel zu vollenden, die Pyramide wurde geschlossen. Auf den Außenwänden, die man von der Spitze nach unten hinab mit polierten Platten belegte, scheint man Inschriften angebracht zu haben; die heute erhaltenen Reste von Bekleidungsplatten sind ohne Inschriften. Nachdem aber -die Verlegung der Residenz der Könige von Memphis nach Theben stattgefunden hatte, hörte das Bauen von Pyramiden auf und an ihre Stelle traten jetzt die FAengräber. Wenn von den Pyramiden Ägyptens die Rede geht, so sind damit in der Regel die drei großen von Giseh bei Kairo gemeint, denn sie sind die weitaus bedeutendsten und wahrscheinlich auch zugleich die ältesten. Sie sollen sogar bereits vorhanden gewesen sein, als Abraham aus Chaldäa nach Ägypten kam. Als Erbauer der ersten und größten wird Chufu (Cheops) um 3700 v. Chr., als Erbauer der zweiten Chefren um 3666 v. Chr. und als solcher der dritten Menkera (Mykerinos) um 3632 v. Chr. genannt. Da aber die geschwulstigen Zahlenangaben nach einer bekannten, keineswegs sehr wissenschaftlichen Methode gewisser gelehrter Herren am Anfange unseres Jahrhunderts fabriciert worden sind, so dürfen wir uns schon eine kleine Diminntion erlauben ohne Gefahr zu laufen, deshalb gleich rücklings in's finstere Mittelalter zu fallen. In diesen Bauten spricht sich in hervorragender Weise auch der Sinn der alten Ägypter für das Kolossale aus; zugleich sind sie redende Beweise für die Sorgfalt dieses alten Cultnrvolkes bei der Ausführung, und seiner Fähigkeit, mit geringen mechanischen Hilfsmitteln die größten technischen Schwierigkeiten zu überwinden. Man stelle sich nur vor, dass die Steine vom Mokattam und von Tnrra herbeigeholt werden mussten und dass sie so kunstgerecht behauen, verwendet und. zusammengefügt wurden, dass z. B. in den Kammern keine feine Messerklinge, ja sogar meistens nicht einmal eine Nadel zwischen die Quadern, die ohne jegliches Bindemittel zusammengefügt sind, eingeschoben werden kann. Die Kenntnis von der Bestimmung der Pyramiden scheint schon früh geschwunden zu sein, was zu einer Menge von Fabeln und irrigen Anschauungen Veranlassung 'gab. Die Meinung, die Pyramiden verbergen große Schätze, veranlasste kommende Geschlechter, den Eingang zu erforschen und die Pyramide zu öffnen. Zuerst soll dies von den Persern geschehen sein; jedenfalls war die große Pyramide schon offen, als der Ghalis Mamün (813—833 n. Chr.) nach Ägypten kam. Er ließ neben dem ursprünglichen Eingänge einen heute noch vorhandenen neuen herstellen, die gehofften Schätze aber fand er nicht. Neuere Forscher, welche ans wissenschaftlichem Interesse die Pyramiden öffneten, setzten damit doch nur die Arbeiten früherer Zeiten fort, und an die Särge gelangt musste sich jeder sagen: „Du bist zu spät gekommen". Verhängnisvoller als die -Öffnungsversuche wurden für Pyramiden die Bestrebungen, sich ihres Materials zum Aufführen anderer Bauwerke zu bedienen; so verstümmelte der Sultan Melik el Kamil (1218—38) die Pyramide des Menkera, ja noch Mohammed Ali wollte ihn nachahmen; so kommt es, dass sie nur aus der Ferne gesehen als eine regelrechte mathematische Figur gelten können. Die Chefren-Pyramide hatte früher 215,7 m Grundlinie und 138,44 m Höhe; an dem Maße aber hat bis heute die Zeit und die Menschenhand genagt; jetzt misst die Grundlinie nur mehr 210,46 m und die Höhe 136,4 m. Die kleinste (von den drei bedeutendsten), die Pyramide des MenkerL, bei den Ägyptern her, hat ihre ursprüngliche Grundlinie von 108 m bis jetzt bewahrt; ihre Höhe hingegen beträgt heute nur noch 62 m gegen die frühere von 66,4 m. Nun 184 Die Pyramiden. zur bedeutendsten, der großen Cheops-Pyramide, von den Ägyptern chufu chut, d. h. Glanzsitz des Chufu genannt. Diese hatte ursprünglich eine Grundlinie von 233 m und eine senkrechte Höhe von 146 m; gegenwärtig beträgt aber diese nur 137,2 m und jene 227,5 m. Das Mauerwerk stellt noch jetzt 2 325 000 cbm dar, zu deren Fortschaffung eine Flotte von 55000 der größten Seeschiffe erforderlich sein würde. Die von der Pyramide bedeckte Grundfläche beträgt das Siebenfache von der des Kölner Domes und die Peterskirche in Rom mit sammt ihrer Knppel würde im Ranme der Pyramde Platz haben. Den Anziehungspunkt für den Besucher bildet also gewöhnlich sie, zumal da sie gerade nicht schwierig erstiegen und im Inneren besucht werden samt. Da auch mich die Neugierde nicht nur ein- sondern dreimal hneintrierb, um das Wohnzimmer der sterblichen Hülle des alten Cheops in Augenschein zu nehmen, so kann ich einiges, wie z. B. das Hinein-, Hinauf-und Hinabkriechen aus eigener Erfahrung niederschreiben. Der Weg zu den Pyramiden führt von Kairo über den Nil zuerst nach Giseh, von wo dann eine breite, schöne Straße, besonders wenn man den Bahnhof Bulak el Dakrür bei Seite lässt und sich immer links hält, den Wanderer sicher und angenehm bis zu seinem Ziele geleitet. Eine optische Täuschung wird hiebei auffallen, nämlich dass die Pyramiden immer nahe zu sein scheinen, aber sich doch nicht so geschwinde erreichen lassen. Nach einem dreieinhalbstündigen Marsche gelangten also auch wir vor die große Cheopspyramide, lehnten das zudringliche Anerbieten der Beduinen kurz und entschieden ab, mussten aber doch auf der Hut sein, dass unsere schwarzen Zöglinge, die wir von Gesira mitgenommen hatten, keinerlei Dummheiten machten; denn trotzig und mit Stöcken bewaffnet, wie sie waren, hatten sie nicht wenig Lust mit den verhassten Arabern anzubinden und kaltblütig dreinzuhauen. Unterhalb des Einganges der Pyramide, welcher in nicht unbedeutender Höhe an der Nordseite angebracht ist, machten wir ein wenig Rast, wählten die Begleiter für das Innere aus, und während der andere Theil der Knaben unter der Obhut eines Bruders und einer Jagdflinte ohne Patronen zurückblieb und die gesummte Verproviantierung in Schutz nahm, machten wir uns daran, durch den Eingang hineinzugehen, ohne im Geringsten um Beduinen oder Führer uns zu bekümmern. Kerzen wurden angezündet, etwaige Rollen geschickt vertheilt, um Unglücksfälle zu verhindern, und nun gieng's vorwärts. Gleich vom Eingänge führt 1 m hoher und etwas breiterer Gang abwärts bis tief hinein in den natürlichen Felsen, der die Pyramide trägt, und läuft dann horizontal weiter zu einer Kammer, die aber selten besucht wird. Gewöhnlich folgt man dem abschüssigen Gange nur 19 m weit bis an die Stelle, wo der von den Arbeitern des Chalifen Mamün durchbrochene Gang einmündet, aber nicht ohne vorher eine kleine Öffnung auf allen vieren passieren zu müssen. Wer daher seinen Leib zu sehr gepflegt, dem geht es hier wie manchem Musensohne im Examen: er kann nicht durchkommen ! Gerade an dieser Stelle zweigt sich wiederum ein anderer Gang ^ der ursprünglichen Anlage ab und führt aufwärts zu den im Kerne der Pyramiden liegenden Grabkammern. Aber er war durch einen mächtigen, granitenen Fallstein abgesperrt gewesen, weshalb dieser umgangen und oberhalb von dem weicheren Kalksteine der Pyramide so viel abgesprengt werden musste, dass über dem Fallsteine hinweggeklettert werden konnte. Diesen abscheulichen, glücklicherweise nur kurzen Weg mussten auch wir nehmen, und wer allein über den Stein nicht hinaufkommen konnte, wurde einfach von vielen treuen Händen gehoben, geschoben, gezogen und glücklich darüber hinwegpraktiziert; denn in solchen Fällen rührt sich auch der langsamste und kommt seinen Kameraden zu Hilfe, natürlich auch mit vielem Lärme und einem Wichtigthun, als wären ohne ihn die anderen verloren. Die Pyramide». 185 Hat man den Gang hinter dem besagten Steine erreicht, so muss inan 38 m hoch schräg hinaufsteigen oder vielmehr kriechen und noch dazu Obacht geben, um nicht rückwärts zu fallen, denn sonst würde man auch leicht die Nachkommenden mitreißen und Gnade Gott dem, welcher bei dieser Tour auf den tückischen Felsen zu unterst zu liegen kommen sollte! Da ich einige Wahrscheinlichkeit hatte, dieses Manöver probieren zu müssen, so gab ich den nachkommenden Knaben die Weisung, sich ja von mir recht weit entfernt zu halten, um so zur rechten Zeit noch ausweichen zu können und mich auf meiner möglichen Rückfahrt schön vorbeizulassen. Aber so Grausiges sollte doch nicht vorfallen. Nach der 38 m langen Strecke erweitert sich der Gang zu einer großen Halle. Vor dieser zweigt sich abermals ein anderer ca. 1 m hoher und etwa 40 m langer horizontaler Gang ab, an dessen Ende sich die sogenannten Königinnenkammern, 5,71m lang und 5,18m breit, befinden. Sie sind leer. Die große Halle ist wieder 47 m laug und 8,5 m hoch. An der Die CheopL-Pyrsmiöe mit bev Lplsinx. linken Wand läuft eine 60 cm hohe und ein wenig schmälere Pöschung mit regelmäßig eingehauenen Vertiefungen, welche uns auf dein glatten Gestein die einzigen Stützpunkte beim Steigen geben. Während man den Fuß aus einem Loche zieht, sucht man mit der Hand nach vorwärts ein anderes und hält sich so fest; dass man dabei mit Skorpionen und bergt, in Berührung kommen kann, ist nicht ausgeschlossen. Dieser Aufstieg ist das Gefährlichste von der ganzen Geschichte: zur Linken hat man die spiegelglatte Wand; die Pöschung, auf welcher man sich weiter bewegt, ist etwa nur 50 cm breit; zur Rechten ist nichts als Luft, Finsternis und ein tiefer Graben. Nebst alldem muss man noch auf die Kerze Obacht geben, widrigenfalls einer recht in der Klemme sitzt und sich nicht mehr voranwagen kann. Ich für meinen Theil hatte noch mit dem lästigen Schwindel zu kämpfen und musste die Augen immer der Felswand zugewendet halten, um ja die Tiefe 186 Sie Pyramiden. rechts nicht zu Gesicht zu bekommen. Endlich noch durch einen horizontalen Gang von 6,73 m Länge und wir waren alle glücklich und unversehrt in der Königskammer angekommen. Vom Eingänge bis hieher haben wir unter Steigen, Kriechen und Klettern ca. 113 m zurückgelegt gehabt. Die Königskammer, außerhalb der Scheitellinie der Pyramide gelegen, ist gleichfalls aus Granit gebaut, 10,43 m lang, 5,20 m breit und 5,81 m hoch. Die Decke bilden 9 kolossale mit ihren Enden auf den Seitenwänden ruhende Granitplatten. An der westlichen Wand steht ein steinerner Sarkophag ohne Deckel, ohne Schmuck und ohne Inschriften; in ihm lag einst die Mumie des Königs Chufu (Cheops). Armer, eitler König! Hunderttausend Menschen hast du 20 Jahre lang zu harter Arbeit angetrieben, um für deine sterbliche Hülle einen stolzen immerwährenden Ruheplatz zu schaffen — und doch wie höhnisch hat dir das Schicksal mitgespielt! Herausgerissen aus deinem Verstecke liegst du nun nackt und allen Augen entblößt im Museum zu Giseh! Oberhalb der Königskammer befinden sich noch andere fünf kleine Räume, in deren beiden letzten Inschriften gefunden wurden, mit rother Farbe schon in den Steinbrüchen auf die Blöcke gemalt, welche den Namen des Chufu als den des Erbauers der Nachwelt überliefern. Hier in der Mitte des mächtigen Steinhaufens versäumten wir nicht nach genauer Besichtigung der Kammer, diese durch das Echo geistlicher Gesänge und das „Gott erhalte rc." einigermaßen zu beleben, bevor wir sie verließen. Wieder an das Tageslicht gekommen lagerte sich Groß und Klein um die Proviantkörbe, die jedem einzelnen die nötige Kraft zur Erzählung seiner kleiner Abenteuer gaben. Und wahrlich durfte kein.Mittel verschmäht werden, den Muth und die Beine zu kräftigen, denn die Pyramide musste auch noch bestiegen werden. Gar bald wurde es also im Lager wieder rege; einige zogen die Schuhe aus, andere zogen sie an, jeder nach seinen Erfahrungen, um ja nicht während der Besteigung ins Stocken zu kommen, und nach einigen Minuten wimmelte schon die südwestliche Kante der Pyramide von schwarzen Gesichtern mit rothem Tarbusch. Den Aufstieg kann man auch von der nordöstlichen Kante vornehmen und ist den Fremden ohne Hilfe der Beduinen abzurathen. Man wird dabei geschoben, getragen und geschleppt, bis man in etwa 20 Min. die Höhe erreicht hat und nun für alle Mühen und Herzkrämpfe reichlich entschädigt ist. Die Spitze der Pyramide ist abgebröckelt und dadurch eine Fläche von ca. 10 qm entstanden. Die Aussicht von hier ist unvergleichlich, besonders wirkungsvoll wegen der Kontraste, die unvermittelt nebeneinander liegen. Eine scharfe Linie, welche dicht unter der Pyramide vorübergeht, scheidet das grüne Fruchtland von der braungelben Wüste. Um die Cheopspyramide auf drei Seiten gruppiert erblickt man zahllose Gräber. Im Westen hat man die beiden andern großen und einige kleine Pyramiden vor sich, dahinter die nackten Felsklippen der libyschen Wüste, umflossen von heißem Sande, im Norden dämmern die Pyramiden von Abu Roäsch, int Süden die von Abuslr und Sakkära herüber. Gegen Osten streckt sich langhin das Nilthal mit seinen Palmenhainen und üppigen Gärten, aus denen die Minarets der Kairoer Moscheen und der ernste Mokattam aufragen. Der Rückweg von oben ist leichter und schneller, nur für nicht Schwindelfreie der unangenehmere, weshalb auch ich mir die Pyramide von unten hinauf anstatt von oben herab betrachtete. Da wir nun einmal am Platze waren, so wollten wir uns noch ein wenig die Sphinx ansehen, deren Riesenhaupt nebst einem geringen Theile des Rückens aus dem weichen Sande hervorragt; sie hat die Figur eines ruhenden Löwen mit menschlichem Antlitz. Die ganze Figur ist aus dem natürlichen Felsen herausgehauen, der Leib ist ziemlich kunstlos, dagegen zeigt der Kopf Der Aberglaube im Nilthale. 187 noch Spuren sorgfältiger Behandlung trotz der starken Beschädigungen. Die Hauptbinde ist nur zum Theil erhalten, der Bart abgebrochen, die Nase fehlt; auch sind Spuren einstiger rother Färbung erhalten. Das Antlitz schaut gegen Osten. Die Breite des Gesichtes beträgt 4,15 m, das Ohr misst 1,37 m, die Nase 1,70 m. Die ganze Länge dieses Riesendenkmals von der Spitze der Klauen bis zur Schweifwurzel beträgt über 50 m, die Höhe vom Ansätze des ruhenden Leibes bis zum Scheitel 20 m. Sie soll älter sein als selbst die Pyramiden und ein Symbol des Horus, und genoss in der That göttliche Verehrung, auf was auch die zwischen den Tatzen befindliche Tempelanlage zu deuten scheint. Ein etwa 200 Schritt südöstlich liegender Granittempel ist seit seiner Ausgrabung durch Mariette Pascha (1853) sorgfältig in gutem Stand gehalten, auch einigermaßen sehenswert für jene, die Oberägypten noch nicht besucht, aber doch ohne großes Interesse, da das Bedeutendste in's Museum nach Giseh gewandert ist. Ein schwaches Abendroth spiegelte sich im Sande der umliegenden Wüste und mahnte uns an die Heimkehr nach Gesira von diesem Felde der Wunderdinge. Wie ein Schiff auf hohen Meereswogeu, ein Spielball der Wellen, wie eine Nussschaale an den Felsen zerschellt, so brachen sich auch so viele Jahrhunderte an diesen Bauten. Größer als sie fühlt sich aber noch der Missionär, ferne von der Heimat in fremden Ländern, .... in seinen Entsagungen aus Liebe zu zu Gott und den armen Schwarzen. Der Jlitrtiliuilir int Wthxlc. Von P. 3c. Geyer, F. S. C. (Fortsetzung.)*) Anruteite oder GaLisrncrne. egen die verderblichen Einflüsse und Wirkungen der bösen Geister ittib Blicke und gegen alle Arten von Unglück und Missgeschick sucht sich der Aberglaube auf vielerlei Weise zu schützen. Eines der gewöhnlichen q) Schutz- oder Prüservativmittel ist das Atnulett oder der Talisman. Es gibt deren viele Arten. Was vorerst die geschriebenen Amulette betrifft, so muss der Glaube an deren Wirksamkeit dem Aberglauben beigezählt werden. Wenn auch ein großer Theil dieser geschriebenen Formeln religiösen und gottgefälligen Inhalts sind, so liegt doch darin, dass man unabhängig von der Würdigkeit und Gottge-fälligkeit des Trägers von einem mit gewissen Koranversen oder anderen Formeln in bestimmter Weise und von gewissen Personen beschriebenem, sowie mit geheimnisvollen Zeichen unb Diagrammen versehenem Stück Papier oder Streifen unbedingte Wirkung erwartet, ein grober Aberglaube. Andere enthalten überhaupt keine religiösen Formeln, sondern Zaubersprüche und Beschwörungen, manche sogar Flüche und Verwünschungen. Die geschriebenen Talismane werden als Mittel gegen alle möglichen Übel, Krankheiten, Gefahren usw. getragen und sind verschiedener Art. Das geschätzteste und wirksamste aller Amulette ist der »moshaf« oder Kopie des Koran, der viele geheime Kräfte besitzen soll. Derselbe wird in eigenem Futteral aus Leder oder Sammt an einer Seidenschnur als Präservativmittel gegen Krankheiten, bösen Blick, Zauber, Hexerei und viele andere Übel getragen. Es ist dies ein theuerer Talisman, der nur Reichen zugänglich ist und heute nur *) Siehe Nr. 2, 3, 4, 6, 6 dieser Zeitschrift. 16* 188 Der Aberglaube im Nilthale. mehr höchst selten gesehen wird. Häufiger hingegen ist noch eine Rolle im Gebrauch, welche gewisse Suren des Koran enthält z. B. die 6. 18. 34. 36. 55. 67. 78. u. s. w.; gewöhnlich befinden sich auf einer Rolle sieben. aus den ge-genannten Suren. In ganz besonderer Achtung steht die 36. Sure (Jasin), die Mohammed selbst das „Herz des Koran" genannt haben soll; sie wird zur Zeit der Gefahr recitiert und häufig den Sterbenden in den letzten Zügen vorgelesen. Im Sudan und anderswo ist es Sitte, dieselbe auf ein Stück Papier geschrieben bei sich zu tragen im Feindesland und im Kriege, da sie dem Träger glückliche Rückkehr aus dem blutigsten Gefechte sichern soll. Bei dieser Gelegenheit sei auch noch der 106. Sure (Die Koreischiten) erwähnt, welcher eine besondere Kraft gegen schädliche Speise innewohnen soll. Wer vom Genuss einer Speise Schaden befürchtet, recitiert diese sehr kurze Sure bis zu den Worten „der sie speiset in in Hungersnoth und sie sichert vor aller Furcht", welche Worte man dreimal wiederholt, worauf man sich gegen jeglichen Schaden geschützt glaubt. Ein Amulett, das besonders gegen den Teufel, die bösen Geister und alles Gefürchtete und Furchterregende sehr wirksam sein soll, besteht aus einem Stück Papier, worauf die sogenannten Verse des Schutzes geschrieben sind. Diese Verse sind verschiedenen Suren des Koran entnommen und sind folgende: „Dass er ist ein Beherrscher des Himmels und der Erde und außer ihm habt ihr keinen Beschützer und Hilfe" (Sure 2, Vers 256). „Doch Gott ist der beste Beschützer und er ist der Allbarmherzige." (S. 12, V. 64.) „Ein jeder Mensch hat seine Engel, die sich einander abwechseln und die vor und hinter ihm hergehen und auf Befehl Gottes ihn bewachen." (S. 13, V. 14.) „Und wir haben sie vor jedem gesteinigten Satan beschützt." S. 15, V. 17.) „Und wir haben eine Wache hingestellt gegen jeden widerspänstigen Satan." (S. 37, V. 7.) „Und man stellt eine Wache hin. Dies ist eine Anordnung des Allmächtigen und Allweisen." (S. 41, V. 11.) „Wahrlich, es ist ein herrlicher Koran (geschrieben) auf einer bewahrten Tafel." (S. 80, B. 5.) Nach den Koranversen werden dem mohammedanischen Kanon »la ilah ella Allah u Mohammed rasul Allah* — (d. h. es gibt keinen Gott außer Gott und Mohammed ist der Prophet Gottes) wunderbare "Wirkungen und Einflüsse zugeschrieben. Auf Papierstreifen geschrieben gilt diese Formel als mächtiger Talisman gegen allerhand Übel und Gefahren. Um die Rückkehr eines Freundes oder einer theueren Person zu sichern, schreibt man obige Formel auf ein Stück Papier, theilt dieses in zwei Hälften, verbirgt die eine Hälfte mit den Worten «la ilah ella Allah» in der Wohnung des Verreisenden und steckt diesem selbst die zweite Hälfte mit den Worten «Mohammed rasul Allah» zu, im Glauben, dass der Koran nicht getheilt und unvollständig bleiben kann und folglich der Träger der zweiten Hälfte zum Orte der ersten Hälfte mit Gewalt zurückkehren müsse. Als recht wirksam gelten ferner Attribute des göttlichen Namens, welche, geschrieben oder gesprochen, Glück und Segen bringen. Die göttlichen Attribute sind 99 an der Zahl, während der göttliche Name selbst die Zahl 100 vollmacht. — Die Kaufleute bringen an ihren Läden oft die Worte »ja fattah (o Eröffner), ja alim, ja kerim» u. s. w. an. Über manchem Hausflur liest man ähnliche Inschriften. Diese Gewohnheit wäre ganz löblich, wenn man nicht von jenen Sprüchen unfehlbare Wirkung ohne Rücksicht auf die Würdigkeit des Händlers erwarten würde. Wenn man aber sieht, wie unter der Thüre oder im Laden, über denen jene Formeln stehen, betrogen, gefeilscht und besonders der Ungläubige hintergangen Der Aberglaube im Nilthalc. 189 wird, so wird die Anbringung der frommen Formeln zweck- und sinnlos. Die 99 göttlichen Attribute auf ein Stückchen Papier geschrieben und am Leibe getragen bewirken, dass die Person in besonderer Weise Gegenstand des heilsamen Einflusses jener Attribute wird. Viele pflegen zu diesem Zwecke einen Rosenkranz (sebha) bei sich zu tragen. Dieser Rosenkranz besteht aus 99 Kügelchen aus Ahornholz, Ebenholz, Korallen, Frnchtsamen u. s. to., welche die Zahl der göttlichen Attribute bezeichnen, während ein größeres Kügelchen am Anfange den Namen Gottes selbst bedeutet. Nach je 33 Kügelchen ist ein Zeichen angebracht. An diesem Rosenkränze recitiert man zuerst 33mal die Worte »Allah alcbar«, dann ebenso oft die Worte »sobhan allah« und wieder so oft die Worte »la ilah ella Allah» oder andere dergleichen oder auch lOOmal den Namen Gottes »Allah« allein. Alle diese Übungen machen den Menschen gottgefällig, erzeugen das Bewusstsein der Gottgefülligkeit und verschaffen bei den Mitmenschen den Ruf der Gottes-sürchtigkeit und Heiligkeit ohne Rücksicht auf das Innere des Betenden. Wer z. B. in aller Frühe die Worte »la ilah ella Allah« lOOOmal hersagt, gilt als ein besonders großer Heiliger. Zur Zeit als der Mahdismus im Sudan seinen Höhepunkt erreicht hatte, hörte man die Emire, deren Üngerechtigkeiten, Blutthaten und Ausschweifungen zum Himmel schrien, in aller Frühe Hundertemale obige Worte und Formeln hermurmeln und das dumme Volk ließ sich durch diesen Schein der Frömmigkeit zu wahnsinniger Begeisterung für diese „Heiligen" hinreißen. In Darfur haben die zelotischen Fellata den Glauben verbreitet, dass man durch Hersagen einer bestimmten Zahl von Rosenkränzen unfehlbar eine Seele vom Feuer befreien könne. Dies geschieht also. Man sagt mit Hilfe des Rosenkranzes lOOmal die Worte »la ilah ella Allah« her und legt nach je 100 ein Stückchen einer bestimmten Holzart bei Seite; diese Recitation setzt man so lange fort, bis man 10 Holzstückchen bei Seite gelegt hat, was andeutet, dass obige Worte lOOOmal recitiert worden sind. Dann ersetzt man die 10 Holzstückchen durch ein größeres gleicher Qualität, welches also 1000 bedeutet, und führt in der Recitation fort, wobei man je 10 kleine Stückchen durch ein größeres ersetzt, und dies so lange, bis man 70 große Stück zur Seite hat, was angibt, dass 70000 mal obige Worte rezitiert wurden. Nun ist die Seele unfehlbar vom Feuer befreit. Jene Holzstückchen gelten dann als heilig und wunderkräftig; ein Fieberkranker damit berührt, soll sofort genesen; zu Asche verbrannt und in Wasser gemischt bilden sie ein Collyrium, das, drei Tage zur Waschung der Augen verwendet, jedes Augenübel hebt. Legt man die Hölzchen in das Leichentuch eines Todten, so nimmt Gott dessen Seele in Gnaden auf. Auch die 99 Attribute oder Titel des Propheten sollen geschrieben und, au einen Ort des Hauses gelegt oder oft durchgelesen, gegen Pest, Krankheiten, bösen Blick, Zauber, Brand, Angst, Schrecken, Unglück schützen. Eine gegen alle Übel und Unfälle sehr wirksame Formel entsteht dadurch, dass man den Namen des Propheten mit dem Namen eines oder mehrerer Objecte, welche der Prophet bei seinem Tode hinterlassen hat, zusammenstellte. Diese Gegenstände sind folgendem eine Kopie des Koran in Fragmenten (moshafj, zwei Rosenkränze (sebha), ein Gefäß für das Pulver, womit er sich die Augenlider färbte (Mochala), ein Stock, eine Handmühle, eine natürliche Zahnbürste (maznak), bestehend in einem Stück Holz von bestimmter Qualität, eine Waschkanne (ibrik), ein Paar Sandalen, eine Wolldecke (burdeh), drei Matten, ein Panzerhemd, ein langes Wollhemd, ein weißer Maulesel und eine Kameelstute. Wir kommen nun zu den gewöhnlichen Amuletten. Die Zusammenstellung der geschriebenen Sprüche und die Fabrication der verschiedenen Einfassungen beschäftigen in Ägypten und im Sudan viele Professionisten.. Die einen üben das Schreiben von Amuletten als ausschließliches Geschäft, andere als gelegentliche 190 Verschiedenes. Beschäftigung. Angefangen vom einfachen Dorfschulmeister bis zum gebildeten Faki und Gadi gibt es überall zahlreiche Amulettenschreiber; aber die Wissenschaft der meisten beschränkt sich auf das Niederscheiben gewisser Formeln, welche bestimmten Koranstellen und den oben als besonders wirksam bezeichneten Suren entnommen sind, in Verbindung mit dem Namen und den Attributen Gottes, den Namen der Engel, Geister, Propheten und berühmter Heiliger, wozwischen oft Zahlencombinationen, Diagramme und Schnörkel eingeflochten sind, welchen geheime Kräfte zugeschrieben werden. Wenige Amnlettenschreiber treiben das Studium der Magie weiter. Manche Faki’s stehen im Rufe, besonders wirksame Amulette zu schreiben. Um diesen Ruf zu erlangen, genügt es natürlich, dass der eine oder-andere die zufällige Genesung, Erfolg u. s. w. dem Tragen des Amulettes zuschreibt, worauf sich im abergläubischen Volke sofort der Ruf verbreitet, dass dieser oder jener Faki zu diesen oder jenem Zwecke wirksame Amulette schreibe, und für einige Zeit ist ihm der Zulauf des Volkes gesichert. Die Fabrication der Behälter, in welchem die geschriebenen Papierstreifen verschlossen werden, bildet einen förmlichen Zweig der ägyptischen und sudanesischen Industrie. Das geheimnisvolle Schriftstück wird in vielgestaltigen Kapseln und Behältern aus Gold, Silber, Zinn, Blech oder in Futteralen und Täschchen aus Seide, Sammt, Leder, Leinen und anderen Stoffen eingeschlossen oder vernäht. Diese Anhängsel werden an Schnüren, Bändern und Kettchen von Männern, Frauen, Kindern und Sclaven am Halse, Ellenbogen, Handgelenk, Fußgelenk, an einem verwundeten oder kranken Gliede getragen als Mittel zur Erlangung von Heilung, Erhaltung der Gesundheit, Erweckung von Freundschaft und Gegenliebe u. s. w. Der Gebrauch der Amulette ist so allgemein, dass er sowohl in Ägypten und noch mehr im Sudan einen Theil des Frauenschmuckes bildet. Reiche ägyptische Frauen tragen auch goldene und silberne Amulette. Der beschriebene Zettel wird klein zusammengefaltet, mit Wachs überzogen zum Schutze gegen Feuchtigkeit, Beschmutzung und Beschädigung und in dünne, flache, quadratförmige, recht- oder dreieckige Behälter aus getriebenem Gold oder Silber oder in cylinderförmigen Rollen mit hemisphärischen Enden eingeschlossen. Beide Arten von Behältern sind mit verschiedenen Zieraten, Schnörkeln oder auch Inschriften versehen. Dieses Amulett wird von Damen und Kindern Reicher an seidener Schnur oder Kette, welche man über die linke Schulter zieht, an der rechten Seite über dem Gürtel getragen. Dreieckige Amulette aus edlem Metall werden häufig an der Kopfbedeckung der Kinder befestigt. Die Anfertigung solcher Amulettenbehälter bildet einen Haupttheil der ägyptischen Goldschmiedekunst. (Schluss folgt.) |rr|d|irtcnc6. preisvertheilung und Ausstellung in der Mädchenanstalt der „frommen Mütter des Negerlandes" in der Kegercolonie Leo xiii. in Gesira bei Kairo. Unser fleißiger Mitarbeiter Hochw. P. Joseph Weitler, F. S. C., schreibt uns unter dem 19. August aus Gesira: Am 4. August versammelten sich die Bewohner der Negercolonie Gesira nebst einer großen Zahl von Auswärtigen zu einer schönen Feierlichkeit im Hanse unserer Missionsschwestern, der ,,Frommen Mutter des Negcrlandes", denen die Erziehung der weiblichen Jugend obliegt. Es fand eine feierliche Preisvertheilung an unsere Negermädchen statt, verbunden mit einer kleinen theatralischen Vorstellung. Die Feier wurde durch poetische Declamationen und Gesangsstücke eingeleitet, welche von den Negermädchen abwechselnd auf einer im Hofe aufgerichteten Bühne in Verschiedenes. 191 italienischer Sprache aufgeführt wurden. Die darauf folgende Tragödie, welche aus drei Acten bestand und das Leben einer Hausfrau zum Gegenstand hatte, ließ keinen Zweifel darüber, dass die schwarzen Schauspielerinnen ihre Rollen mit großem Fleiße einstudiert hatten, denn sonst wären sie bei ihrer natürlichen Verschämtheit gewiss nicht mit solcher Sicherheit und Unbefangenheit aufgetreten. Was ferner allgemein gefiel und die Aufmerksamkeit der Zuhörer von Anfang bis zu Ende fesselte, war der verständliche Vortrag, weshalb das den Hof beinahe anfüllende Publicum reichlichen Beifall zollte. Die Pausen wurden in angenehmer Weise durch musikalische Stücke ausgefüllt, ivelche theils von den Negerknaben auf ihren Blasinstrumenten, theils von einer deutschen Missionsschwester aus Danzig auf einem Harmonium in nntadelhafter Weise aufgeführt wurden. Die Preise, welche den neben der Bühne stehenden Tisch bedeckten, bestanden in schönen Büchern und allerhand Kleidungsstücken, wie Strümpfe, Kopf- und Taschentücher und wurden denjenigen zu Theil, welche im Religionsunterricht oder in den weiblichen Handarbeiten eine soche Auszeichnung verdient hatten. Hierauf begab sich das Publicum, einer Einladung der Missionsschwestern folgend, in einen an den Hof anstoßenden Saal, der geschmackvoll geziert war und in dem allerlei Handarbeiten in Weißzeug und Perlenstickerei den Wänden entlang ausgestellt waren. Jede Probearbeit trug den Namen ihrer Verfertigerin. Sogar die dreizehnjährige Gertrud, ein nbyssinisches Waisenkind, welches über zwei Jahre durch eine recht schmerzliche doch mit erbaulicher Geduld ertragenen Krankheit ans Bett gefesselt war und nun so weit wieder hergestellt ist, dass sie auf einer Krücke im Hofe einherspazieren kann, auch sie hat sich in hervorragender Weise an. den ansgestellten Arbeiten betheiligt. Die von ihr verfertigten llhrbehälter und Nadelkissen, sowie der hübsche buntfarbige Lappenteppich erregten daher unser besonderes Interesse. Um diese von den Missionsschwestern in ihrem Erziehungswerke erzielten Erfolge nach Gebür zu würdigen, muss man wohl beachten, dass hier in Äghpten in allen mohammedanischen Scinbem das weibliche Geschlecht von der Wohlthat der geistigen und religiösen Ausbildung principiell ausgeschlossen ist. Weibliche Bildungsanstalten sind dem Mohammedaner ein Unding und der von Gott gewollten Ordnung, vermöge deren die Frau nichts mehr als eine Sclavin des Mannes ist, zuwiderlaufend. Die Mohammedanerin wächst daher in völliger Unwissenheit auf, mag sie nun den höher» ober niedern Ständen angehören. Da sieht umit, dass allein das Christenthum den Menschen erleuchtet und veredelt. Der Feldzug im Sudan. Neueren Nachrichten zufolge haben die Derwische ihre Vorpostenstellung bei Shabluka, wo sie 12.000 Mann koncentriert haben sollten, gänzlich aufgegeben. Am 17. d. M. hat Kitchener selbst an Bord eines Kanonenbootes eine Recognoscierungsfahrt bis Shabluka unternommen und dabei constatiert, dass die dortigen Befestigungen von den Derwischen verlassen sind. Gleichzeitig hatte der Eirdar auf Grund seiner eigenen Untersuchung die Überzeugung gewonnen, dass die „großen Pforten", wie der sechste Katarakt genannt wird, von Dampfern leicht befahren werden können. Nach Nasri zurückgekehrt, ertheilte er den Befehl, dass die angloägyptischen Truppen alsbald von der Position Shabluka Besitz ergreifen, welche Operation bereits durchgeführt sein dürste. Die erste englische Brigade hat jetzt die Vorpostenstellung eingenommen, während die zweite englische Brigade sich auf dem Marsche zwischen Atbara und Metemmeh befindet. Der neuen Situation Rechnung tragend, wird der Sirdar die gesäumte Heeresmacht nun weiter südlich als Shabluka concentrieren, was bis zum 28. oder 29. d. M. vollzogen sein dürfte. Wenn die Derwische, wie es den Anschein hat, Kerreri nicht halten, wird es bei Om du rman selbst zur Entscheidungsschlacht kommen und es dürfte am 3. oder 4. September der Zusammenstoß mit den Derwischen stattfinden. Es ist fast als gewiss anzunehmen, dass der Khalifa alle seine Truppen in Omdurman concentrieren und dort den Angriff abwarten wird, der zu Wasser und zu Lande erfolgen soll. Die Expedition wird durch die Witterungsverhältnisse sehr begünstigt, die Warme ist keine übermäßige imb es ist noch kein Anzeichen für den Eintritt der Regenperiode lvahrzunehmen. Die anglo-ägyptischen Truppen befinden sich in durchaus guter Verfassung. Unsers Mer. Auf Seite 172 bringen wir unseren Lesern ein Bild des Panoramas unseres Missionshauses mit dem Bauplatze. Das Clicho wurde nach einer photographischen Originalaufnahme seitens unseres Hochw. P. Josef Münch angefertigt. Mohammedanischer Begräbnisplatz bei der Burg in Kairo (S 177). Unserer in Nr. 3 des „Stern der Neger" oeröffentlichten Theilansicht von Kairo reihen wir ein weiteres Bild aus der größten Stadt Afrikas an. Die Burg oder Citadelle, das Wahrzeichen Kairo's, wurde 1166 vom Sultan Saladin großentheils mit Material ans den kleinen Pyramiden von Gizeh und dem Trümmerfeld von Memphis angelegt. Einst Sitz der jeweiligen Herrscher Ägyptens umfasst die Burg eine große Anzahl verschiedener Gebäude, fast durchwegs modernen Ursprungs, wie einen viceköniglichen Palast, der nun als Spital dient, Bureaus mehrerer Behörden u. s. w. Der hervorragendste Ban ist die Alabastermoschee Mohammed Alt's, ein mächtiger Quadratbau, überragt von einer großen Kuppel, flankiert ' von vier Halbkuppeln, an den vier Ecken je eine kleine achteckige Kuppel. An den beiden Ecken des Gebäudes nach dem Vorhofe zu stehen zwei hohe und sehr schlanke Minarets. Von der Brüstung unfern der Südwestecke der Moschee bietet sich eine herrliche Aussicht dar; da sieht man zu seinen Füßen Kairo mit seinen Hunderten von Minarets und Kuppeln, dahinter in weiter Ferne ragen die Pyramiden empor, rechts erheben sich Windmühlenhügel und dahinter dehnt sich grünendes Fruchtland aus, während links die Mamelukengräber schon vom Rande der arabischen Wüste umspült werden. Der ansgedehnte Begräbnisplatz bei der Burg ist auf unserem Bilde nur zum Theil sichtbar. Wie hier, werden als Begräbnisstätten gewöhnlich hochgelegene, trockene Orte gewühlt und solche bietet am besten die Wüste. Die Grabstätten sind durch kleine Ausmauerungen mit zwei aufrechtstehenden Säulen gekennzeichnet, von denen die zu Häuptern der Todten häufig eine Inschrift mit Koransprüchen und biographischen Notizen über den Verstorbenen enthält und oft den Turban trägt. Diese beiden Säulen, — manchmal auch nur eine — heißen Schahed oder deuten an, dass der Verstorbene ein Bekenner des Islam war. Die Grabkammern müssen so hoch sein, dass die Todten aufrecht sitzen können, wenn sie in der ersten Nacht — denn eine Nacht bleibt nach dem Glauben der Moslim die Seele noch in der Leiche — von den Engeln Munkar und Nekir geprüft werden. Familiengräber bestehen meist aus zwei gewölbten Grabkammern, deren eine für den Manu, die andere für die Frauen dient. Die einstöckigen kleinen Gebäude, welche hier und dort zwischen den Gräbern stehen, dienen den Besuchern zur Unterkunft. Die Moslim besuchen die Grabstätten ihrer Todten besonders am Freitag und an bestimmten Festen des Jahres, weilen lange Zeit an der Todtenstätte und nehmen hier ihr mitgebrachtes Mahl ein. Auf Seite 185 finden unsere Leser ein kleines Bild der berühmtesten Pyramide der Welt, der Cheops-Pyramide, nebst Sphinx. Für die Redaction: P. Mh'v Geyer, F. S.C. — Druck von A.Weger's sb. Hosbuchdruckerei, Brixeu. Den geehrten Lesern zur gefälligen Beachtung! Der „Stern 6er Neger" erscheint als illustrierte Monatschrift am Schlüsse jeden Monates und kostet jährlich 1 fl. 50 kr. ö. W. — 3 Mark mit Postversendung. Wir richten an unsere Freunde die innige Bitte, aus Liebe zum göttlichen Herzen Jesu und zu den armen Negern von Centralafrika diese Zeitschrift in ihrem Bekanntenkreise verbreiten und uns Abonnenten werben zu wollen. Zur Bestellung des „Stern der Neger" wende man sich an den ?. Rector des Missionshauses der „Söhne des hlst. Herzens Jesu" in Mühland bei Brixen (Tirol). Alleufallsige Abonnenten in Brixen können sich zur Entrichtung des Abonnements an A. Weger's Buchhandlung wenden. Neu hinzutretende Abonnenten erhalten die bereits erschienenen Nummern nachgesandt. Eorrefponöeng 6er Expedition. Erhalten von Frl. S. Belgier, Ahrweiler 16 Mark für hl. Messen. — N. N. für den Bau des Missionshauses 60 sl. — Julie Pirchner, St. Jakob, 1 hl. Messstipendium. — N. N. für den Bau des Missionshauses 100 fl. — Diesen und allen übrigen edlen Wohlthätern sagen wir aus ganzem Herzen ein inniges „Vergelt's Gott." — Messstipendien werden vom Missionshause dankbar angenommen und wird deren gewissenhafte Persolvierung zugesichert. Die Ansichten der Wer über Gott nnd Welt. Neger am Weißen Nil, welche eine große Herde von Kühen als ihr größtes Glück be-"'SnVN trachten, sind gegen das Überirdische ziemlich glcichgiltig. Sie kennen Gott — den sie tšS&l Den-did oder Garang nennen — und wissen, dass er alles erschaffen hat. Dieser Glaube ist deutlich in folgendem Liede der Dinka ausgedrückt: Am Tage, als Gott alle Dinge schuf, Schuf er die Sonne: Und die Sonne geht auf und unter und kehrt Ivieder; Schuf er den Mond: Und der Mond geht auf nnd unter und kehrt wieder; Schuf er die Sterne: Und die Sterne gehen auf und unter und kehren toieber; Schuf er den Menschen: Und der Mensch kommt hervor, geht in die Erde und kehrt nicht wieder. Gott ist nach der Ansicht der Neger nur gut, daher kümmern sic sich nicht weiter um ihn und fürchten ihn nicht. Alles Böse kommt vom Teufel, diesen fürchten sie umsoinehr. Geschieht ein Unglück, so hat er dieses gethan. Über die Fortdauer des Menschen nach dem Tode hört man verschiedene Ansichten. Die Einen glauben bestimmt an ein Jenseits nnd unterscheiden sogar eine Belohnung der Guten und eine Bestrasnng der Bösen, indem sie nach dem Tode ein Haus des Friedens und ein Haus des Feuers annehmen. Andere hingegen meinen, die Seele des Menschen sei nur ein Hauch, ein Athem, und mit dem Tode sei alles ans. Dies besagt das Ende des obigen Dinka-Liedes mit den Worten: „Schuf er den Menschen: Und der Mensch kommt hervor, geht in die Erde und kehrt nicht wieder." Die Njam-Njnm oder Sandeh haben in dieser Beziehung folgende Fabel: „Einst sah ein Alter einen todten Mann, auf dem sich der Schein des Mondes reflectierte. Der Greis versammelte eine große Anzahl Thiere und sagte zu ihnen: „Wer von euch nimmt es auf sich, auf das entgegengesetzte Ufer des Flusses diese Leiche und den todten (b. h. untergegangenen) Mond zu tragen?" Es stellten sich zwei Frösche vor. Der eine mit langen Seinen übernahm den Mond, der andere mit kurzen Beinen übernahm die menschliche Leiche. Der Träger des Mondes brachte seine Arbeit fertig und trug infolge seiner langen Beine den Mond über den Fluss; der andere aber mit den kurzen Beinen, welcher die Leiche trug, ertrank im Flusse. Dies ist der Grund, weshalb der todte (untergegangene) Mond stets wieder erscheint, der Mensch hingegen, nachdem er gestorben ist, nie wieder zurückkehrt." Die Dinka sowie die Bari haken eine dunkle Ahnung vom einstigen glücklichen Zustande des Menschen und vom Sündensalle. Sie sagen: Gott hat alle Menschen gut erschaffen und sie lebten bei Gott im Himmel. Da aber Einige derselben böse geworden seien, habe Gott sie mittels eines Strickes auf die Erde herabgelassen. Die Guten konnten jedoch mit Hilfe dieses Strickes wieder in den Himmel klettern, dort gab es Tanz und Bier, und alles war fröhlich; allein mit der Zeit riss der Strick entzwei und seitdem kommt niemand mehr in den Himmel, der für alle Menschen verschlossen ist. Die Kyc, ein Zweig der Dinka, sagen, das kleine blaue Vögelein antoinguenic habe den Strick abgebissen. » Eine andere Überlieferung vom Sündenfall mag auch in ihrer eigenthümlichen Verehrung der Schlange zu suchen sein. Fast jeder Hausstand beherbergt eine Schlange, die sie Python nennen; man widmet ihr die größte Aufmerksamkeit: sie wird mit Milch und Butterbrot bewirtet, es werden ihr selbst Rinder geopfert. Diese Schlangen werden so zahm, dass sie betn Rufe der Hausfrau folgen. Fragt man nach dem Grunde dieser Verehrung, so antworten die Eingeborenen, dies sei in ihrem Lande so gewesen seit undenklichen Zeiten. Da sie auch dem bösen Geiste oder Teufel Opfer bringen und, wie sie sagen, nur biefem, so ist es wohl möglich, dass sie in der Schlange das Symbol des Bösen erblicken, das sie seit deut Sündenfalle der Voreltern in der That geworden ist, und ihr ans diesem Grunde opfern. Außer diesen dunkeln Sagen haben die Neger weiter keine geschichtlichen Überlieferungen, und man fand bisher nirgends ein Denkmal aus frühern Zeiten. Sie bauen ihre Wohnungen ans Lehm und Holz, das alles wieder zu Staub wird. Das Weltall nehmen sie, wie sie es sehen, und dessen Erscheinungen erklären sie sich durch kindliche Fabeln. Sie sehen die Erde als eine ebene Fläche an; viele Negerstämme, die in den weiten Ebenen am weißen Nil hausen, haben nie einen Berg gesehen, doch wissen sie, dass es solche gibt. Über tie Ausdehnung der Erde haben die Sur, die Nachbarn der Bari, folgende Fabel: „Eines Tages sagte der Hase zur Erde: „Du bewegst dich nicht und stehst immer still, und warum?" Die Erde antwortete: „$it täuschest dich, tch laufe stets und laufe schneller als du!" „Gut, wollen wir sehen und den Versuch machen," sagte der Hase und begann sofort, mit aller Kraft zu laufen. Nachdem er eine lange Strecke gelaufen war, stand er still uns sah sich, seines Sieges gewiss, nach der Erde um; aber zu seinem nicht geringen Erstaunen machte er die Wahrnehmung, dass dieselbe sich noch unter seinen Füßen befand. Er wiederholte die Probe mehreremale und lief so lange, bis er athem- und kraftlos infolge der langen Anstren-gung Hinsiel und starb." Die Kyc sagen, die Sonne kehre des Nachts wieder heimlich nnd unsichtbar an ihren Platz zurück, wo sie aufgehe; ein Mann habe es vor Seiten gesehen und so erzählt. Die Dinka unterscheiden hellscheinende Sterne von den dunkleren, sie nennen erstere eyev, d. h. leuchtende, die letzter» bezeichnen sie mit dem allgemeinen Worte «Imel», d. h. Sterne. Der Komet, eyer-a-yol, d. h. der Schweifstrom, hat bei den Negern dieselbe nnglückverheißendc Bedeutung, wie bei den Völkern des Abendlandes. Manche Ethnologen haben die Ähnlicheit des Negers mit dem Weibe hervorgehoben: die Neugierde, die Begier, das Gesehene zu besitzen, die Zugänglichkeit für die Gefügte, ohne dabei viel zu überlegen, der durch Kleinigkeiten bedingte Wechsel der Gefühle, so dass die Liebe sich rasch in Hass verwandelt, der Hang zu Äußerlichkeiten, ferner der Mangel von Bart, die Weichheit der Haut und jene der Stimme u. s w. feien beiden, dem Neger und dem Weibe, gemeinsam. Inwieweit diese Behauptung begründet ist, will ich hier nicht erörtern. Biel auffallender aber als das Weibliche ist das Kindliche und Kindische am Neger. Der Jdeenkreis, in dem sich das Denken und Sehnen eines Negers abwickelt, ist der eines Kindes. Die sonderbaren Fragen, die ein Kind über dies und jenes an uns stellt, kommen uns ebenfalls atls dem Munde eines weißhaarigen Negergreises entgegen. Ich gebe hier einige Beispiele. Die Sieger haben anfangs natürlich gestaunt, als sie ganz weiße Menschen sahen; sie kamen herbei und berührten mit den Fingerspitzen vorsichtig die weiße Haut und besahen sich die Finger, ob sie durch die Berührung nicht weiß gefärbt seien. Einzelne meinten, die Weißen seiet! weiter nichts als gehäutete Schwarze; andere wagten gar zu behaupten, die Weißen seien Teufel, da sich die Neger den Teufel weiß vorstellen. Die Kyc jedoch fanden folgende Erklärung: Gott schuf zuerst alle Menschen weiß. Er versetzte die einen von ihnen in ein schönes Land und diese blieben weiß; andere sandte er in ein schmutziges Land und dort wurden sie schwarz. Ein Alter jedoch erklärte sich die Sache noch einfacher auf folgende Art und Weise: Zuerst lunreit alle Menschen weiß. Eine von den ersten Müttern wollte einst ihrem abwesenden Manne einen Possen spielen: sie versteckte einen ihrer Knaben unter einem rußigen Topfe. Der Mann kam nach Hause, suchte nach dem Kinde nnd fand es nicht. Hierauf hob das Weib lächelnd den Topf auf — und da war der kleine ganz schwarz von Ruß. Die schwarze Farbe blieb ihm und machte ihn zum Stammvater der Schwarzen; denn alle seine Kinder wurden ebenfalls schwarz.