IH il. Muster Jahrgang. SH. Mai K^GK. Euch Alle! Vorbedingungen nicht erfüllt werden; man kann nicht ernten wollen, wenn man nicht gcsä'et hat. Hat ein Volk k<>iue so stroßc eigene Literatur, daß es daraus seine, für dic Fortbildung nöthige geistige Nahrung ziehen kann, so mnß es aus anderen Literaturen schöpfen, es mnß fremde Geistesgaben durch Uebersctzung sich zugänglich machen. Es schafft sich dadurch eine Literatur, deren Wetth jedoch nur dem eines Surrogats gleich ist, die aber trotzdem der Bildung und Kultur förderlich scin kann, denn es wird dadurch die Leselust, mit ihr die Deukkraft geweckt, die schließlich auch zur Produktion zn führen vermag. Eine Literatur schaffen, nnd dem Volk gute Bücher zn lesen geben, — daß sollte die Aufgabe der Patrioten sein, dadurch leisten sie ihm wesentliche Dienste, dadnrch führen sie es in die Bahn der Zivilisation und dcr Kultur und erwerben sich Anspruch auf dic Dankbarkeit der Nachwelt. Die Uebcrmittlung der Erfahrungen und Erforschungen auf dem Gebiete der Wissenschaften, der Industrie n»d des Handels durch die Literatur, und dieser den Eingang beim Volk verschaffen, ist ein verdienstvolleres und erfolgreicheres Wirken, als dic Ausarbeitung nnd der Vortrag einer glänzenden Rede im Parlament es ist. Das ist besonders in Bezug auf das Volk gemeint. Wenn die Leselust geweckt ist bis in die tiefsten Schichten hinab, daun kann man sagen, das Volk ist auf dem Wege der intellektuellen Ausbildung nnd der Kultur. Welche Vortheile das Lesen dem Mcnschen verschafft, ist kaum nöthig aufzuzähleu. Das Lesen ist die wohlfeilste und nachhaltigste Erholung, die das Angenehme mit dem Nützlichen verbindet, denn Eins lernt der Lesende immer, wenn auch das, was er liest, weniger gut ist — er lernt nach" denken. Der Bürger, der Kaufmann, der Handwerker, der Bauer, kurz Alle, welche täglich eine gewisse Zeit ihrem Berufe, ihrer Arbeit widmen müssen, können nach vollbrachtem Tagewerke ihre erschöpften Körperkräfte dadurch stärken, daß sie ihre Geisteskräfte in Bewegung sctzen; sie können zugleich ihre Stellung in der Gesellschaft verbessern, indem sie sich Belehrung über Alles das «erschaffen, was das öffentliche und allgemeine Interesse, mithin auch sie berührt. Das Lesen ist eine unversiegbare und stets zunehmende Quelle der reinsten Ergötzuug; es schließt dem Auge neue Welten auf, uud macht scheinbare Mysterien zn Gegenständen lebhafter nnd ansprechender Erkenntniß. Man nehme nur einmal die Naturwissenschaften! Wie viele einfache und verständliche Erscheinungen in der Natur, im Menschen-, Thier« und Pflanzeulebcn/in der Chemie, Physik und Mechanik sind dem größten Theil des Volkes noch rein unerklärliche Dinge, über welche die abenteuerlichsten Ansichten verbreitet sind. Welches Verdienst erwirbt sich der, welcher dnrch Dar-bietuug eines belehrenden Buches dcm Volk das Mittel in die Haud gibt, sein Wissen zu vermehren! Die deutsche Literatur ist reich an deVlei populären Werken, die dem streng wissenschaftlichen Manne als ein Gräucl erscheinen mögen, die aber gleichwohl von der besten Wirkung scin können. Uud solche Werke zn schaffen, ist in keinem Lande verboten, nie verboten gewesen; es gibt gar nichts, das ihr Entstehen verhindern könnte — es müßte der Mangel an produktiven Kräften scin. Außer den leicht verständlich abgefaßten, die höheren Wissenschaften behandelnden Büchern gibt es eine große Menge von Schriften, welche selbst dem einfachen Manne zur Freude, zur Erholung, zur Ausbildung und Erweiterung des Wissens dienen können. Dahin sind zu zählen: Ncise« erzählnngcu, Beschreibung fremder Länder und Völker, ihrer .Sitten und Gebräuche-, Geschichte des Vaterlandes und an-derer Länder; Biographien großer und verdienter Männer, Anszüge aus den besten Werken brrühmter Schriftsteller :c. In England, Deutschland nnd Belgien gibt es Lesege-scllschaftcn, welche den mittleren nnd niederen Klassen der Arbeitcrbevölkerung Gelegenheit zu belehrender uud unter» haltender Lektüre verschaffen. Nicht nur in den großen Städten, sondern auch in kleineren, selbst in Dörfern entwickeln diese Gesellschaften eine erfolgreiche Thätigkeit. Der Nutzen, welche diese Anstalten gewähren, ist unverkennbar in der intellektuellen Bildung der arbeitenden Klaffe jener Länder, und es wäre wohl zu wünschen, wenn überall dnlei Vereine in's Leben treten möchten. Au Gelegenheiten dürfte es nicht fehlen; es könnten z. V. die Filialen der Landwirthschaft - Gesellschaft dabei eine höchst ersprießliche Thätigkeit entfalten! Schafft dem Volke zn lesen, — denn das Lesen guter Schriften ist ein höchst wilksamcs Mittel zur Hebung und ! Förderung der Bildung. 1^'. 1^. ^. Druck und Vcrlaa vcn Jan. V. KleiUlnayU L5 F. Bamberg in Lail^ch, — Verantwortlicher Rcdactcur ^-. H)amverg.