Preis ganzjährig: Österreich 2 S, Deufidhiand 2 Soldmark, Stallen 8 litre, ülchechollowakei 10 ČK, Sugollawien 24 Dinar, Ungarn 3 Pengö, Schweiz 2 Franken, Hmerika 2 Boldmark, Der Belüge Vater Pius XI. hat der Redaktion, den Hbonnenfen und Wohltätern den flpolfolilthen Segen erteilt. Für Wohltäter werden wächenflich zwei heilige Meilen gelelen. Mit Empfehlung der hodiwürdlglfen Oberhlrfen von Brixen, Brünn, Sraz, heifmerllz, kürz, Olmflb, Marburg, Crlent, Erlelt und Wien. Bett 8 u. 9.____________Huguft«September 1928._________XXXI. Jahrgang. — „Wad)et 13rüdei% und betet .. Von Hochw. P. Riegler, F. S. C. i „ . . . denn der böse Feind geht herum und sucht, wen er verschlingen samt." So betet der Priester Tag für Tag in seinem Brevier und betet mit ganz besonderer Inbrunst der Missionär; denn inmitten des Heidentums, dem Reiche des Satans, begegnet gerade er, fast möchte ich sagen Schritt für Schritt, jenem Lügner von Anbeginn, wie er an der Arbeit ist, die durch Christi Blut so teuer erkauften Seelen für sich zu gewinnen. Im folgenden ein kleines Beispiel. „Pater, ich hätte eine Arbeit für Sie," sagte heute vormittag P. Rektor zu mir, „wollen Sie nicht dem Teufel eine Seele entreißen? Soeben war jemand da, der mich zu einer schwerkranken Frau rief. Doch es ist eine heikle Geschichte. Der Mann der Frau ist getaufter Heide, d. h. kümmert sich um Religion nicht. Die Frau selber ist langjährige Christin, hat vor einigen Monaten noch gebeichtet, aber auf einmal machte sie „ukutwasa“, d. h. sie machte die Zeremonien durch, um heidnische Wahrsagerin zu werden. Alle Leute wissen das. Sie ist darum verpflichtet, vorher vor allen Anwesenden zn widerrufen und abzuschwören, sonst kann sie die Sakramente nicht empfangen. Ich selber kann nicht hingehen, denn ich muß in einigen Stunden nach M. fahren dringender Geschäfte halber." Mir wurde angst und bang, als ich das hörte. „Wie soll ich da fertig werden, wo ich die Sprache noch so wenig kann?" antwortete ich. P. Rektor riet mir, den Nachbar der Kranken mitzunehmen, denn der sei ein guter Katholik und vor Zeiten Katechist gewesen. So machte ich mich denn auf den Weg, den Heiland bittend, er möge mir das Verirrte Schäflein retten helfen. Den Nachbar traf ich nicht daheim. Doch erklärte sich seine Frau, ebenfalls als gute Katholikin bekannt, gerne bereit, mit mir zu kommen. „Doch, ob ich noch was ausrichte, weiß ich nicht", meinte sie, „denn ich glaube, die Kranke kann nicht mehr sprechen." In die Hütte eingetreten, konnte ich die Kranke ob der Dunkelheit und des Rauches nicht sogleich erblicken. Endlich bemerkte ich sie rechts hinten, ganz in Decken eingewickelt, bewegungslos auf dem Boden liegend. Ich erkannte sogleich, daß es für sie keine Rettung mehr gab. „Kann sie noch spre- chen?" fragte ich ihren Mann. „Nein", erhielt ich zur Antwort. Nun versuchten er und die Nachbarin, sie aufzurichten und mit ihr zu sprechen. Wohl eine Viertelstunde lang probierten sie es, vergebens. Die Kranke, die zwar ihre Glieder bewegte, schien also nichts mehr zu hören und auch nichts mehr zu sehen. So befahl ich denn, sie wieder hinzulegen. Was nun tun? Die Nachbarin hielt dem Manne eine tüchtige Standespredigt, was er und seine Frau für liederliche Christen seien, die lebten wie Heiden, solange sie gesund seien, jetzt aber, wo es zum Sterben gehe, doch in den Himmel kommen möchten. „Ist das die rechte Zeit, den Priester zu holen, wenn die Kranke nicht mehr sprechen, nicht mehr beichten kann? Sie war vorher schon lange genug krank, warum habt ihr ihn denn nicht da gerufen?" Auf diese Weise wollte sie auf den Mann einwirken. Ich wartete inzwischen eine halbe Stunde, doch keine Änderung bei der Kranken. Nun forderte ich die zwei auf, es nochmals zu versuchen, vielleicht könnte ich ihr doch wenigstens die letzte Ölung geben. Wieder richteten sie die Kranke auf, wieder begannen sie mit ihr zu sprechen. Und diesmal schien sie etwas zu ver» stehen, denn sie nickte mit dem Kopfe, und auf die Frage, ob sie die letzte Ölung wünschte, kam sogar ein verstümmeltes „ehe“ aus ihrem Munde hervor, das soviel wie ja bedeutet. Nun fragte ich noch den Mann, ob sie gestern auch nicht mehr gesprochen. „Doch," sagte er, „in der Frühe sprach sie vom Priester." — „Was sagte sie von ihm?" — „Wir sollten ihn rufen." Das war das letzte, was sie sagte, von da an brachte sie kein Wort mehr hervor. „Also will sie sich doch bekehren", schloß ich und so spendete ich ihr denn auf diese Zeichen der Bekehrungsgesinnung die letzte Ölung. Und ich hoffe, daß der gute Hirt, der einst mit so viel Liebe und Geduld dem verlorenen Schäflein nachgeeilt, auch ihr gnädig gewesen, ihr noch die Gnade wahrer, aufrichtiger Reue ins Herz gegeben, während ich als sein Stellvertreter über sie betete: „Der Herr möge dir deine Sünden verzeihen und dich einführen ins himmlische Vaterland." Doch wieso ist die Frau so weit gekommen? Als ich heimkehrte, fragte mich eine schwarze Lehrerin, deren Mutter mich zur Kranken begleitete, wo ich gewesen sei. Ich erzählte es ihr. Da fragte sie mich verwundert: „Was! die hat gebeichtet?" „Nein," sagte ich, „denn sie kann nicht mehr reden; aber warum fragst du so erstaunt?" „Weißt du es nicht? Zu der Frau kam eines Nachts ein s ch w a r z e r M a n n, der sie bei der Kehle packte, sie aufforderte, Gott zu verlassen und zu ihm zu kommen, sich auszuziehen und nur nach Art der Heiden zu bekleiden, wobei diese Kleidungsstücke neben ihr lagen. Und von da an wollte sie Wahrsagerin werden und konnte die Christen nicht mehr leiden." Es mag alles nur ein Traum gewesen sein. Aber trotzdem zeigt es uns, wie der Teufel alles aufbietet, um seine Herrschaft im Heidentum zu erhalten. Soweit der Bericht. Den Schluß entnehmen wir einem Briefe des hochwürdigen P. Sieglet an den Redakteur des „Stern", den er kurze Zeit nach obigem Bericht geschrieben hat. „ ... Ich sandte Ihnen einen Artikel mit der Aufschrift: Machet, Brüder, und betet!' Ich war ein wenig schnell damit und muß Ihnen somit nachträglich eine Ergänzung schicken. Am Tag nach dem Besuche jener Frau ritt ich auf eine Außenstation. Um V26 Uhr machte ich mich auf den Weg, um Va9 Uhr langte ich dort an. Nun hörte ich Beichte bis 1/212 Uhr, las die hl. Messe, predigte, so gut ich es mit meinen paar Zulubrocken fertigbringe, taufte 2 Kinder und konnte um V2 2 Uhr ans Frühstück gehen .Hernach ging's zu einer Schwerkranken und dann heim, wo ich um 6 Uhr abends, es war bereits finster, anlangte. Ich war noch beim Essen, als ich von der Schwester gerufen wurde. Was war los? Um 8 Uhr morgens waren Kinder gekommen mit der Nachricht, jene Frau könne sprechen, der Priester möge also nochmals kommen. Also bleibt nichts übrig, als sofort hinzugehen. Nachdem ich mir zwei Burschen gesucht, holte ich das Aller-heiligste und machte mich wieder auf den Weg. Was meine Gebete aus dem Wege waren, können Sie sich wohl denken. Zunächst suchte ich wieder den Nachbar der Kranken auf, den ich diesmal zu Hause traf. Im Kraal der Kranken war alles im tiefsten Schlaf, doch hatten wir bald alle in Bewegung gebracht. nun alles aufgeben müsse, wenn sie Verzeihung erlangen und gerettet werden wolle. Der Kranken ging es zu Herzen. Auf einmal sprach sie laut, daß alle es deutlich hören konnten: ,Ngiyashiya konke — ich verlasse das aöeS.' Ich freute mich über diesen Sieg des Heilands, aber zu früh! Satan wollte sein Opfer nicht so leicht preisgeben, denn es kostete noch einen harten Kampf. Als nämlich der Nachbar an die Kranke die Frage stellte: „Willst du also (Phot. von Br. Cagol.) Und nun trug sich folgendes zu: Nachdem man die Kranke aufgerichtet hatte, sagte man >hr, daß jetzt der Priester da sei, und fragte sie, ob sie nun reden könne. Da gab sie ganz schön Antwort. Jetzt begann der Nachbar, der, wie ich schon im Artikel erwähnte, ein Katechist war, seine Predigt. Das hätten Sie sehen und hören sollen. So bringe ich es wohl nie fertig. Mit solchem Eifer und solcher Glaubensüberzeugung sprach er zu den Leuten, daß ich nur staunte. Alles verstand ich wohl nicht, aber doch die Hauptsache. Er schilderte, wie treulos und undankbar sie gegen Gott gehandelt habe, weil sie ihn trotz ihres Versprechens bei der heiligen Taufe verlassen hätte und zum Heidentum zurückgekehrt sei, wie aber jetzt alles aus dem Spiele stehe, ihre ganze Ewigkeit, und daß sie jetzt beichten?" da bleibt sie stumm. Er wiederholte seine Frage und wiederholte sie oft— keine Antwort. Verstand sie ihn nicht? Ganz gewiß; denn er stellte sie auf die Probe. Wenn er sagte: ,Schau her zu mir!' wandte sie sich sofort zu ihm. Also hörte sie, was er sagte. Schließlich sagte er, sie möge wenigstens mit dem Kopf nicken, falls sie zu beichten wünsche; sie tat es nicht, sondern blieb vollständig ruhig. An ihrem Gesichte aber konnte ich sehen, daß sich in ihrem Innern ein gewaltiger Kampf abspielen mußte. Was sollte ich tun? Es verging eine Viertelstunde, ohne daß die Kranke auch nur ein Wort gesprochen. Sie saß nur da und starrte vor sich hin. Inbrünstig bat ich den göttlichen Heiland, der doch im heiligen Sakramente zugegen war, er möge dieser Seele l* 116 Stern der Neger Heft 8 u. 9 helfen. Der Nachbar hielt ihr nun wieder die Schlechtigkeiten ihrer Handlungsweise vor Augen, erinnerte sie aber dann mit so viel Wärme an die große Güte und Barmherzigkeit Gottes, daß es ein Priester auch nicht besser fertiggebracht hätte. Und — Gott sei Dank — es war nicht umsonst, die Gnade hatte gesiegt. Auf einmal sprach sie ganz laut: ,Ngiyafun ukuvuma — ich will beichten.' Jetzt bereitete sie der Mann vor, betete ihr mit eigenen Worten Renegebete vor und dann verließen alle die Hütte, so daß ich die heilige Beichte hören konnte. Sonderbar, jetzt sprach sie so deutlich und so viel und hörte alles, obwohl ich ziemlich leise sprach. Voll aufrichtiger Reue bat sie Gott um Verzeihung ob ihrer Vergehungen, und ich bin überzeugt, Gott der Allgütige, der nicht den Tod des Sünders will, sondern daß er lebe, hat ihr verziehen und der Heiland hat freudigen Einzug gehalten in die wiedereroberte Seele. Kurze Zeit darauf ist sie gestorben." 'p Vom £mgebornen=8pitai in Witbcmk. //9 (Ein- und Umblick. Fortsetzung.) Von Hochw. P. Sing er er, F. 8. C. ti) ] Man möchte von der Weißen „Zivilisation" erwarten, daß sie, wenn sie auch sonst auf die Schwarzen keine Rücksicht nimmt, doch einige Milde gegenüber ihren Kranken walten lasse und für das Krankenhaus der Arbeiter einen günstigen und gesunden Platz aussuchte. Statt dessen ist das Spital so ungünstig wie möglich gelegen: in einer Niederung am äußersten Ende der Stadt, wo sich sonst niemand niederlassen möchte. Der unerfreulichste Winkel der Stadt ist eben gut genug für eingeborne Kranke, als wären sie der Auswurf der Gesellschaft. Eine einzige, schlecht gehaltene, mit Kohlenschlacke und Asche gepflasterte Straße führt nicht etwa direkt von der Stadt zum Spital, sondern ist die Abzweigung von der Hauptstraße, die von auswärts zur Stadt einlenkt. Diese Seite nach Süden hin ist noch die beste, welche doch vom Spital aus einen einigermaßen freien Ausblick gewährt auf etwas grünen Baumbestand in der Ferne. Sonst bietet auch sie dem Auge wenig Erfreuliches: ausgedörrtes, schwach mit Gras bewachsenes Land, kreuz und quer von Autostraßen und Fußwegen durchzogen und von Eisenbahnlinien und dem Wall und Graben zerrissen, an dem die Kohlenwägelchen von der Grube zur Zeche ziehen, überwölkt von reichlich Rauch und Staub. Nur ein kleiner Fleck auf dieser Seite ist ein Ruheplätzchen für das müde Auge, nämlich ein langer Streifen mit Bäumen und Mais bestandenes Feld, das an das Krankenhaus angrenzt. Auf allen anderen drei Seiten drängen sich dicht an das Spital Plätze heran, die den Kranken zu allem eher als zur Beruhigung und Erfrischung dienen. Gegen Westen zieht sich hart am Spital, nur durch ein kleines Feld von ihm getrennt, ein Eisenbahnschienenstrang hin, auslaufend von der ganz in der Nähe befindlichen Eisenbahnstation. Tag und Nacht geht dort der lärmende Betrieb mit den ungezählten Kohlenzügen. Im Norden ist der Spitalgrnnd abgegrenzt von den hohen Mauern der Arbeiterkasernen mit ungefähr 500 Bewohnern, die natürlich mit ihrem Lärm nicht zurückhalten mit Rücksicht auf die Kranken in der Nähe. Am meisten ermüdend auf das Auge muß aber die Ostseite wirken, wo ein langer, hoher Hügel jeden Ausblick versperrt, aber nicht ein grün bewachsener Hügel, sondern ein Rieseuhaufen von Kohlenschlacke und Asche, wo die noch brennenden Abfälle der Kohlenwerke beständig nachgeschüttet werden. Wohin also das Auge blickt, starrt ihm Trostloses, Unfreundliches und Hartes entgegen, trockene, ausgebrannte Masse, Staub und Ruß, rastlose Arbeit und drückende Not, und hält ihm in schroffster Weise den Zustand der Unterdrückung und Erniedrigung der schwarzen Rasse vor. Da muß einer sich doppelt krank fühlen und diesen Ort als wahres Tal der Tränen empfinden. Der Schwarze wird zurückerinnert an die grausame Sitte seiner Vorfahren, welche jene, die infolge Krankheit unfähig geworden waren, für sie zu arbeiten, an einen Platz außerhalb der menschlichen Wohnungen schafften, dem die Leute am wenigsten nahekamen, und sie dort ihrem Schicksal überließen. Er kann bei den Weißen mit dem besten Willen nicht jene richtige, wohlwollende, alle umfassende Liebe finden, die ihm in der christlichen Lehre als charakteristisches Merkmal vorgestellt wird. Was er an den Weißen, die sich christlich heißen, sieht, ist in seinen Augen nichts als kalter, berechnender Eigennutz, eine Liebe, wie sie der Schmied auch zu seinem Hammer hat. Wenn dieser unbrauchbar geworden ist, wird er weggeworfen ; ist er noch zu reparieren, wird er hergerichtet. Der Kranke fühlt, daß er nicht sosehr aus Mitleid mit seinem Zustande, den er sich durch die Arbeit beim Weißen zugezogen hat, dem Spital übergeben worden ist, sondern vielmehr aus der Erwägung des Vorteils heraus, den man darin sieht, eine Kraft zu erhalten, die sonst durch eine andere ersetzt werden müßte, die erst wieder eingelernt werden muß. Ist er unheilbar, dann wird er eben aus dem Spital nach Hause geschickt; er erhält eine kleine Entschädigung und das Reisegeld, für sein weiteres Schicksal kann dann der Krüppel oder Hilflose selbst sorgen I Hier im Spital empfindet es der Schwarze mehr denn sonst, daß er in seinem Lande nicht ein selbständiger Mann ist, sondern einfach eine Arbeitskraft, die vom Weißen bis zum letzten ausgenutzt und behandelt wird wie ein Vernunft- und rechtloses Tier, wie der Esel vom Müller. Nach dem Gesagten möchte man denken, dieser leidige Rassenabstand zwischen Weißen und Schwarzen mache sich auch im Innern des Spitals bemerkbar, etwa durch Rücksichtslosigkeit und Grobheit der Angestellten gegenüber den Patienten oder Außerachtlasfen der gebührenden Sorgfalt in Beobachtung der hygienischen Maßregeln. Doch da ist man angenehm enttäuscht, wenn man steht, daß, allerdings mit Berücksichtigung der einfacheren Verhältnisse und der robusten Natur der Eingeborenen, immerhin alles geschieht, wie es auch bei Weißen geschehen würde. Die verschiedenen Baulichkeiten, die zum Krankenhause gehören, zusammen mit dem anschließenden Hofe, nehmen einen Raum von etwa 2 Morgen (= 80 Ar) ein. Die Patienten sind in geräumigen, luftigen und genügend hellen Hallen untergebracht, 20 Betten in einem, 14 in einem anderen, 10 in einem dritten Lokale. Für Nahrung und Kleidung, Warmhalten der Säle ist gut gesorgt, Wasser ist reichlich vorhanden, auf Reinlichkeit und Ordnung wird peinlichst geachtet. Der Besuch des Arztes ist regelmäßig und die Pflege von seiten der schwarzen Wärter liebevoll und prompt. Die sich für den Wärterdienst melden, haben sich einer strengen Prüfung zu unterziehen, und auch späterhin erhalten sie weiteren regelmäßigen Unlerricht in der Pflege der Kranken, besonders für erste Hilfe. Sie werden stramm zu Zucht und Ordnung angehalten. Da durch sorgfältige Prüfung nur solche Schwarze auserlesen werden, die sich in jeder Beziehung als tauglich bewähren, gutmütige und zugleich geistig mehr geweckte Leute von etwas besserer Bildung als ihre gewöhnlichen Stammesgenossen, so fühlen sie sich in ihrem Vertrauensposten geehrt und über die anderen erhaben und suchen dieses Vertrauen zu rechtfertigen. Sie lernen willig und zeigen sich dienstfertig und geschickt und fügen sich gern in den schweren Dienst. An sie mache ich mich vor allen heran, sie für unseren Glauben zu ge- winnen. Sie fassen die katholische Lehre leicht auf und lernen den Katechismus in der freien Zeit, zeigen aber große Schwierigkeit, wenn man mit dem Ansinnen an sie herantritt, auch Ernst zu machen mit dem Übertritt. Davon werden sie durch zu starke Bande abgehalten. Einer ist als Prediger an einer protestantischen Kirche angestellt, trotzdem er offen eingesteht, daß er das christliche Ehegesetz nicht beobachten könne. Die katholische Sittenregel sei zu streng. Seine Genossen denken ähnlich, und da es meist im Sein freundliches und doch zugleich festes Auftreten haucht dem sonst so trüben Orte eine gewisse Atmosphäre von Vertrauensseligkeit und wohltuender Herzlichkeit ein, da er seine Pflegebefohlenen mit aufrichtigem Wohlwollen und väterlicher Sorge um ihre leiblichen Bedürfnisse und nicht mit der landläufigen Verächtlichkeit behandelt. Doch kannst du, mein lieber Freund, gerade an ihm sehen, wie allgemein und tief eingefreffen die Geringschätzung des Schwarzen von seiten der Weißen ist, da selbst dieser sonst Drei schwarze Krankenwärter im Spital der Eingebornen in Witbank. (Phot, von Br. Saget.) Punkte Ehe fehlt oder eine einträgliche Einnahmsquelle aufzugeben wäre, falls sie katholisch würden, treiben sie so gemächlich und sorglos im trüben Wasser weiter. Doch haben sie eine so hohe Achtung vor unserem Glauben, daß sie mir in meinen Bemühungen um die Kranken keinerlei Hindernisse in den Weg legen, im Gegenteil mir auf alle Weise behilflich sind, ja mir unschätzbare Dienste leisten, besonders wegen ihrer Kenntnis verschiedener Eingebornensprachen. Ich schreibe diese ihre gute Gesinnung zu nicht geringem Teile dem weißen Meister zu, der über das Spital gestellt ist. Derselbe ist ein gutmütiger Irländer, ein braver Katholik, der es mit seinen religiösen Pflichten und somit auch mit seinen Standespflichten ernst nimmt. so vernünftige Mann von seiner Umgebung so sehr beeinflußt ist, daß auch er deren unselige Anschauungsweise teilt, die dem Schwarzen jede Fähigkeit abspricht, höhere, geistige Dinge zu begreifen. Auch er meint, es sei unnütz, bei ihnen Bekehrungsversuche zu machen. Trotzdem ich ihm schon wiederholt meine gegenteilige Ansicht darüber ausgesprochen hatte, machte mir der gute Herr doch immer und immer wieder, wenn ich ins Spital kam, die Bemerkung, es befinde sich kein Katholik unter den Kranken, als wollte er mir zu verstehen geben: „Geben Sie sich keine Mühe mit diesen Leuten, es ist doch vergebens", höchstens habe mein Besuch einen Sinn, wenn ein Katholik auf den Tod vorzubereiten wäre oder sonst geistliche Hilfe brauchte. Es geht ihm nicht in den Sinn, daß ich nach dem Beispiel unseres göttlichen Meisters nicht gekommen bin, den Gesunden zu helfen, sondern gerade den schlimmsten Kranken und den meist bedürftigen beizustehen, um zu retten, was noch zu retten ist; nicht bloß den Sterbenden die letzten Tröstungen zu spenden, sondern auch um die minder gefährlich Kranken, so gut es geht, zu unterrichten und so Ungläubige und Irregeführte zum Lichte der Wahrheit und zum Heile der Gnade zu führen. Es ist wahr, greifbare Erfolge meiner Krankenbesuche habe ich keine zu verzeichnen, und eine vollwertige Bekehrung ist mir noch keine geglückt, wenn ich von ein paar Fällen in unmittelbarer Todesgefahr absehe, weil die Zeit nicht reicht, tiefeingewurzelte Gleichgültigkeit in Glaubenssachen oder Vorurteile gegen die Kirche zu bannen und praktisches Christentum einzupflanzen. Die wenigen Monate, die die Kranken im Spital zubringen, reichen nicht hin, mir bei ihrem bekannten wankelmütigen Charakter und in Hinsicht auf die überwältigende Überzahl andersdenkender Genossen sicher Gewähr zu bieten, daß sie nach Verlassen des Spitals nicht bald wieder zu ihrem heidnischen, abergläubischen oder ungebundenen Leben zurückkehren. Was erreichbar ist und auch erreicht wird, ist, daß sie wenigstens die katholische Lehre kennen und achten lernen, dieselbe eventuell auch unter ihren Landsleuten bekannt machen, die vielfach keine leise Ahnung von ihr haben oder sie nur nach ganz verkehrten und oftmals feindseligen Darstellungen ihrer Prediger kennengelernt haben, daß sie vielleicht später zu Hause oder anderswo sich dem katholischen Missionär der Gegend anschließen, so daß hier der Same des Evangeliums wenigstens in ihre Herzen gesenkt wird und zu gelegener Zeit bei manchem zur Reife kommen mag. Wer weiß, ob nicht für den einen oder anderen gerade der Aufenthalt im Spital der Weg ist, auf dem Gott ihn zu sich ziehen will und ihm die ersten Lichtstrahlen der Wahrheit aufleuchten läßt, da es sonst nicht leicht eine Gelegenheit dazu gibt, sie zu fassen; denn in gesunden Tagen arbeiten sie täglich von morgens bis abends und finden kaum Zeit und Lust, sich eingehender mit religiösen Dingen zu beschäftigen, oder falls sie Zeit hätten, sind sie doch gewöhnlich infolge Gleichgültigkeit gegen Religiöses überhaupt oder infolge der ihnen von Ministern eingehämmerten Abneigung gegen alles Katholische einer Belehrung in der Wahrheit schwer zugänglich. Hier aber hören sie unwillkürlich zu, wenn ich einen beliebigen unter ihnen hernehme und mit ihm über den Glauben so laut rede, daß alle im Saale es hören können, vorausgesetzt, daß ich damit nicht einem Kranken physisch lästig falle. Und ich kann dir versichern, lieber Freund, sie hören alle mit großem Interesse zu. Da solltest du sehen, wie aller Augen lebhaft auf mich gerichtet sind, wenn ich z. B. zur Winterszeit am Ofen in der Mitte des Saales stehe, umgeben von denen, die sich dort wärmen, während die anderen vom Bett aus mir zuhören, wie ich ihnen die Hauptwahrheiten des Glaubens oder die Unterscheidungslehren gegenüber dem Protestantismus vortrage! Auch schon deshalb sind diese Krankenbesuche nicht verlorene Zeit, da manch ein gläubiger Protestant in Todesängsten herzlich froh ist, einen Geistlichen bei sich zu wissen, und auf einen katholischen halten sie etwas. Ich kann einen solchen Kranken eventuell vor dem Sterben noch bedingt taufen und ihn auf den bevorstehenden Tod durch Akte der Reue und der Liebe zu Gott vorbereiten. Das allein lohnt alle Mühe. Wie viel Trost und Beruhigung gewährt es! Protestanten stehen hilf- und ratlos vor einem Sterbenden da. Was sollen sie ihm auch bieten? Ich war dabei, wie ein Protestant im Sterben war; sein Minister und mehrere Glaubensgenossen standen stumm an seinem Bette herum. Ohne Rücksicht auf die Gesellschaft zu nehmen, die nur anwesend war, um ihre Teilnahme zu bezeugen, machte ich mich, ohne von jemanden abgehalten zu werden, an den Sterbenden heran, ihm von den Tröstungen unserer Religion zukommen zu lassen, was unter diesen Umständen möglich war; und als ich damit fertig war, ersuchte ich die Umstehenden, doch dem Armen, wenn er mit dem Tode ringe, mit Gebet zu helfen und ihm solche vorzusprechen. Sie aber verharrten in tiefem Schweigen; so was kennen sie nicht. Noch eine andere Beobachtung, die ich machte, zeigt, wie der erwähnte katholische Spitalaufseher vom Geiste der weißen Umgebung beeinflußt ist. Anfangs suchte ich das Spital zu jeder beliebigen Zeit auf. Da bemerkte ich, daß genannter Herr jedesmal unruhig und nervös wurde, wenn dies zu einer Zeit traf, in der ein Arzt anwesend oder zu erwarten war. Er legte mir in aller Höflichkeit nahe, daß es gut wäre, wenn ich aus dem Gesichtskreis des Arztes verschwände. Ob das seinen Grund nur in der Befürchtung hatte, ich möchte den Arzt bei seinen Verrichtungen stören, oder weil der „aufgeklärte Doktor" einen Geistlichen überhaupt oder vielleicht nur einen katholischen Priester nicht gern an diesem Orte in seiner Nähe sieht, konnte ich nicht in Erfahrung bringen. Diese Besorgnis hatte die mißliche Folge, daß der Priester dann, wenn er gerade an seinem Platze wäre, nicht oder zu spät gerufen und zugelassen wird; z. B. wenn ein Arbeiter ins Spital gebracht wird, der einen schweren Unfall gehabt hat. So kam ich einmal dazu, wie man einen, den ich öfter auf seinem Krankenlager besucht und religiös zu beeinflussen gesucht, aber noch nicht getauft hatte, eben tot aus dem Spital herausbrachte. Ich drückte mein Befremden darüber aus, daß man mich nicht rechtzeitig von dessen Zustande benachrichtigt habe. Da hieß es in gleichgültig geschäftsmäßigem Tone: „Ja, der Mann hatte schon die Krisis überstanden und keiner dachte, daß er so rasch sterben werde; auf einmal ging es mit ihm zu Ende." Niemand dachte ans Taufen oder an den Priester. Es klang in der Antwort und im ganzen Verhalten der Um- stehenden etwas durch wie: „Was ist da Besonderes dabei, es ist doch nur ein schwarzer Arbeiter!" Als wenn der keine Seele hätte! Der Leichnam wurde von sechs Trägern zu Grabe getragen, ohne Bahre, ohne Zeremonien, ohne Freunde oder Verwandte, die ihm das letzte Geleite gegeben oder ihm nachgetrauert hätten; wie ein Tier wurde er verscharrt. Fremd und verlassen, fern von den Seinen, fand der Tote hier seine Ruhe von den Bitterkeiten und Nöten des Lebens. Wenn sein Leiden nur damit sein Ende gehabt und nicht noch größeres im anderen Leben seiner geharrt hätte! Das war einer von den vielen, die sein dunkles Los teilen. Ein anderes Mal wurde ich zu einem Kranken geführt mit dem Bedeuten, derselbe sei dem Tode nahe. Es war ein großer, stark gebauter Mensch in den Vierzigern. Als ich Anstalten machte, ihn im Nötigsten über Religion zu unterrichten und ihn auf den Tod vorzubereiten, lachten mich die Anwesenden im stillen aus und bemerkten mir später, bei dem sei Hopsen und Malz verloren. Er sei bekannt als ein ganz verdorbener Kunde, ein unverbesserlicher Säufer und Religionsverächter. Ich ließ mich aber dadurch nicht abwendig machen, in meinem Bemühen fortzufahren. Anfangs schien er zwar nicht widerspenstig, aber auch gar nicht empfänglich für Glaubenslehren, vielmehr hatte er etwas wie Spott und Verachtung in seinem verschmitzten Gesicht, als wollte er sagen: „Wollen schauen, was der mit mir anfängt!" Als ich ihm dann von der Liebe Gottes zu allen Menschen, auch den Schwarzen und selbst den Sündern, sprach, da taute sein Herz auf und er fing an, weich zu werden und nahm endlich gegen alle Erwartung jede Belehrung mit einer Willigkeit, ja mit einem Hunger an und verlangte so ehrlich nach der heiligen Taufe, daß kein Bedenken mehr blieb, ihm dieselbe zu spenden. Er zeigte von da au einen rührenden Eifer beim Ergänzungsunterricht und eine solche Umwandlung in seiner Gesinnung, daß es alle erbaute, die ihn kannten. So ging es einige Zeit fort, sein Zustarid besserte sich rasch, bis ich ihn eines Tages nicht mehr im Spital vorfand; er war in seine Heimat geschickt worden, zwar nur notdürftig, aber doch soweit hergestellt, daß er die weite Reise (nach Rhodesia) ungefährdet zu unternehmen imstande war. Für die Kohlenminenarbeiten war er untauglich ge- nommen hat, für mehrere Tage und Wochen an den Folgen desselben. Zu jeder Jahreszeit trifft man Patienten mit Lungenentzündung an, im Sommer solche mit Durchfall und zu gewissen Zeiten eine große Zahl solcher, die von einer Art Pocken angesteckt worden sind. Trotzdem der Verkauf alkoholischer Getränke an Eingeborene streng verboten ist, finden die ff o 1 ff? rr Baumwollpflückerirmm von Barberton in Transvaal. (Phot, von Hoch«. P. K. Fischer F. 8. 0.) worden. Was sein Schicksal zu Hause sein wird, weiß der liebe Gott. Die häufigsten Krankheitsfälle, die im besagten Spital zur Behandlung kommen, sind Verletzungen bei Unfällen an den Kohlenminen außerhalb und innerhalb der Gruben, wie Knochenbrüche, Quetschungen. Im letzten Monat allein sind 35 schwere Unglücksfälle an der Mine, zu der das Spital gehört, vorgekommen, darunter mehrere von Arbeitern, die im Schacht verschüttet, aber glücklicherweise lebendig ausgegraöen wurden, allerdings stark verletzt. Nicht selten leidet eine ganze Anzahl Neuangekommener, die der allzu rasche Klimawechsel arg mitge- Schwarzen doch immer Gelegenheit, sich solche zu verschaffen, und da bei den meisten aus ihnen Trinken und Sichbetrinken gleiche Begriffe sind und das zweifelhafte Genußmittel rasch hinuntergeschlürft wird aus Furcht, erwischt zu werden, so kommt es immer und immer wieder zu übermütigen Ausschreitungen und _ Schlägereien, und da setzt es Blut und Wunden ab, die im Spital geflickt werden müssen. Ein solcher Fall ist auch einmal einem katholischen Burschen passiert. Das hat Aufsehen erregt. Der hat von allen Seiten, besonders von den Krankenwärtern, Lehren zu hören bekommen! Diese Mahner meinten, derartiges könne bei Katholiken überhaupt nicht vorkommen, während wieder andere — ob aus Überzeugung oder in= folge blinden Glaubens an Jrrlehrer oder zur bloßen Entschuldigung des Handelns gegen das eigene Gewissen, weiß ich nicht — die katholische Kirche als Ausbund aller Schlechtigkeit hinstellen. Als ich damals ins Spital kam, wurde mir der arme Sünder vorgeführt. Er hatte sich, als er mein Kommen gewahr wurde, aus dem Staube gemacht und sich lange nicht finden lassen, so schämte er sich. Aber die Wärter gaben nicht nach und suchten und fanden ihn und stellten ihn mir vor, vielleicht mit etwas Schadenfreude. Sie glaubten, selbst ein wenig pharisäisch, sich bei mir in günstiges Licht zu stellen, wenn sie dem Schuldigen mit erneuten scharfen Zurechtweisungen zusetzten. Als ich indes mildere Saiten aufzog, um ihn auf gütige Weise zur Einsicht über das Üble seiner Tat zu bringen, zogen sich die Tadlex kopfschüttelnd zurück. Vielleicht mögen sie sich darauf erinnert haben, daß der Herr „nicht im Sturm ist". Manche bringt ins Spital eine merkwürdige Krankheit, die den europäischen Ärzten ein unlösbares Rätsel und kaum zu heilen ist. Es handelt sich um die Folgen von Vergiftungen von seiten böswilliger Nachbarn oder auch nächster Verwandten, denen das Opfer in Heirats- oder Erbschaftsangelegenheiten ungelegen im Wege stand. Dieses Gift ist so geartet, daß es erst nach Jahren wirkt, Lähmung, Verkrümmung der Gliedmaßen, Magen- und Darmkrankheiten und allerhand andere Übel und endlich einen überaus schmerzlichen Tod verursachen soll. Die Schwarzen behaupten, nur ihre eigenen Medizinmänner und niemand anderer wüßten ein geeignetes Mittel, um die Wirkung dieses sonderbaren Giftes zu beheben. Nun schauen wir uns die Kranken ein wenig näher an. Sie liegen auf Betten mit guten Matratzen. Statt der Leintücher dienen wollene Decken, gewöhnlich die einzige Bedeckung der Kranken, solange sie bettlägerig sind, auch wenn sie für kurze Zeit das Bett verlassen. Einzelne haben auch grobwollene, grellfarbige Hemden am Leibe. Die nicht mehr streng ans Bett gefesselt sind, halten sich viel in den Gängen und an warmen Tagen im Hofe auf, wo sie miteinander plaudern oder spielen; sie tragen ein langes, starkes, weißliches Leinenhemd. Ihre eigenen Kleider sind in einer besonderen Kammer verwahrt. Wenn die Kranken schlafen, stecken sie ganz, auch mit dem Kopfe, unter den Decken. Wenn sie wachen, schaut der Kopf allein aus den Decken heraus, und da kannst du, lieber Freund, wenn du den Blick von einem Bett zum andern schweifen läßt, die verschiedensten Gesichter beobachten: Vom kohlschwarzen bis zum hellgelben, vom wüstwilden zum feingeschnittenen, vom tierisch leidenschaftlichen zum kindlich lächelnden, Tätowierungen aller Art und Haartrachten verschiedenster Form. Das fröhliche und fast leichtsinnig lustig in die Welt blickende Gesicht, das man bei den unter sich im heimatlichen Kraal lebenden Schwarzen zu treffen gewohnt ist, findet man nur mehr selten in den Minen, selbst bei den Gesunden. Die Arbeitslast ohne entsprechende Entspannung und auffrischende Erholung, wie die Weißen sich in allerhand Vergnügungen gönnen können, die strenge polizeiliche Disziplin und Überwachung, der sie unterstehen, haben ihren Mienen einen herben Zug aufgeprägt, wie einem, der sich nur gezwungen und mit dumpfer Ergebung in ein unvermeidliches schweres Joch fügt. Jenes heitere, arglos blickende Gesicht der heimatlichen Naturkinder hat einen schwermütigen Ausdruck angenommen, nachdem sie mit der dunklen Seite der sogenannten Zivilisation bekannt geworden sind. Das trifft noch mehr bei den Kranken zu, die fühlen den Druck ihrer Lage noch empfindlicher. Redest du sie aber an, so hellt sich ihr Gesicht freudig auf und sie erwidern den Gruß mit aufleuchtendem Auge. Es tut ihnen wohl, unter Weißen doch einen Freund zu finden, der es gut mit ihnen zu meinen scheint. Eine kurze. Teilnahme bezeugende Ansprache macht sie bald gesprächig, es erwacht ihr schlummernder Frohsinn wieder, mit dem Herzen geht auch der Mund auf, die dunklen wulstigen Lippen ihres breiten Mundes öffnen sich weit nach oben und unten zu gutmütigem Lächeln, das rote Zahnfleisch und zwei Reihen großer, weißblinkender Zähne treten stark hervor, von der übrigen dunklen Hautfarbe grell abstechend. Die dem Maschobestamm Angehörigen sind unter den übrigen Eingeborenen leicht zu erkennen an den spitz zugefeilten Oberzähnen, die das Gebiß wie eine Säge erscheinen lassen und ihnen ein gewisses wildes Aussehen verleihen. Als ich noch auf der Missionsstation in Barberton weilte, war ich beinahe ein ganzes Jahr mutterseelenallein. Und da ich neben den Seelsorgearbeiten in Barberton selbst auch noch eine ganze Reihe von Außenpostcn zu besuchen hatte, so war ich gezwungen, mich nach einem schwarzen Boy umzusehen, der neben den Hausarbeiten auch die Küche besorgen sollte. Da stellte sich mir eines Tages ein schwarzer Bursche vor und fragte, ob ich Arbeit für ihn hätte. Es war ein drolliger Kautz mit ovalem Gesicht, die Mütze schief nach hinten gerückt auf seinem krausen Kopfe. Er hatte ein paar Hosen an, ans deren einer Röhre das Knie durch ein großes Loch hervorguckte. In der rechten Hand aber hatte er ein feines Spazier-stöcklein, das er bewußtvoll hin und her schwang. Auf seinem Gesicht konnte man ein teils gutmütiges, teils aber auch etwas verschmitztes Lächeln beobachten, was noch der Umstand vergrößerte, daß er zwei Vorderzähne zur Hälfte schief abgebrochen hatte. Auf mein Befragen sagte er mir, daß er von Bechuanaland stamme und in Sabie und anderen Orten bereits als Boy gedient habe. Auch verstehe er sich aufs Im Spital kannst du die verschiedensten Ein-gebornenstäinme kennenlernen bis hinauf ins Nyassaland, hinüber nach dem ehemaligen Deutsch-Südwestafrika und dem portugiesischen Angola. Da herrscht so recht ein Babel von Sprachen; doch verstehen fast alle ein wenig Zulu, die vorherrschende hier einheimische Sprache, welche ich auch gelernt habe. Vermag ich mich mit einem nicht zu verständigen, so bediene ich mich eines Dolmetschers, der eine oder andere von den Bettnachbarn oder Wärtern ist wohl immer da, der Zulu oder Englisch und zugleich die Sprache jenes kann. (Schluß folgt.) Kochen wohl. Wie es sich aber später zeigte, war es damit nicht weit her. Wahrscheinlich hatte er irgendwo in einer Küche abspülen geholfen und der Hausfrau zugesehen, wie sie das eine oder andere Gericht zubereitete. Ich brauchte absolut einen Burschen und daher nahm ich ihn und sagte ihm, was er alles zu tun habe. Neben der Kirche ist auch ein kleiner Garten, wo ich allerlei Grünzeug gepflanzt hatte, darunter auch Spinat. Ich fragte, ob er ihn herzurichten verstehe. Auf seine bejahende Antwort gehe ich an meine Arbeit. Als die Zeit zum Mittagessen gekommen war, brachte er mir zuerst eine Suppe. Da schwimmt schon etwas Verdächtiges wie der Kopf einer Küchenschabe. Ich entferne ruhig das Ding und löffle weiter. Er hatte auch etwas Reis eingekocht. Als ich aus den Boden des Tellers komme, finde ich richtig den zweiten Teil der Küchenschabe. Gut, denke ich, die lasse ich für den Burschen. Als er den Teller holt, zeige ich ihm den ungerufenen Gast, der in der Suppe war; er aber bleibt ganz ruhig und meint, sie sei ja tot und könne nicht mehr schaden. Darauf brachte er mir den 2* fDein sd)tuender Kod). Von Hochw. P. Musar, F. 8. C. erwarteten Spinat, aber als Salat in ganzen Blättern. Wahrscheinlich hatte er ihn nicht einmal gewaschen, denn beim Kauen kam mir wiederholt Sand zwischen die Zähne. Ich hatte auch Schnittlauch im Garten; den hat er einfach mit der Wurzel herausgerissen und verarbeitet. Eines Tages wollte er sich besonders zusammennehmen und zeigen, daß er wirklich etwas verstehe. Daher bereitete er aus Mehl und Eiern eine Art Krapfen. Natürlich waren sie nach außen verbrannt, im Innern aber zog sich der Teig, als ob er gar keine Wärme verspürt hätte. Als ich sie ihm zeigte und sagte, daß sie nicht durchgebacken seien, wollte er es mir gar nicht glauben, nahm einen, aß ihn und meinte, er schmecke ausgezeichnet. Ein anderes Mal hatte mir eine Katholikin eine Henne geschenkt. Da ich keinen Platz hatte, um Hennen zu halten, sagte ich dem Boy, er solle mir die Henne für den nächsten Tag, einen Sonntag, herrichten. Es war eine kleine Art von Hennen, die man hier häufig antrifft. Am nächsten Tag zu Mittag tischte er mir nun die Henne auf. Sie war gar nicht schlecht zubereitet, so daß ich mich selbst wunderte, daß er es so gut zustande bringen konnte. Als Zuspeise richtete er auch einige Kartoffeln her. Ich schneide nun eine an und finde, daß sie ausschaue wie ein Ei. Ich rufe meinen Koch und der erklärt mir ganz unbefangen, daß die Henne ein halbgelegtes Ei hatte, das habe er herausgezogen und auch gebraten, die Weißen essen doch auch Eier. Eines Tages erklärte ich ihm, wie er Kartoffelsalat zubereiten solle; und richtig brachte er mir dann Kartoffelbrei, mit Öl und Essig vermischt. Ein andermal erhielt ich von einem Farmer einen Korb Pfirsiche. Mein Boy nahm von denselben und bereitete eine Art Nachtisch her. Nun gingen aber dieselben sehr bald aus, ja gar zu bald; denn er hatte wohl die Hälfte in seinen eigenen Magen verschwinden lassen. Als ich ihn tviederholt fragte, wo sie seien, erhielt ich nur die Antwort: „Es sind keine mehr da." Um mich aber zu trösten, fand er bald einen Ersatz. Vor der Kirche stand auch ein kleiner, wilder Pfirsichbaum, der mit ganz kleinen Früchten beladen war, die aber leider durchwegs halb faul und wurmstichig waren. Er pflückte nun eine Anzahl dieser Pfirsiche und kochte sie, gab auch Zucker hinein, damit sie besser schmeckten. Wie er die Geschichte auf den Tisch brachte, schwammen die Würmchen nur so herum. Guten Appetit, dachte ich mir, habe aber keinen gehabt. Ich ließ sie daher stehen. Er fragte mich, warum ich sie nicht gegessen habe. Auf meine Antwort, daß mein Magen nicht an die Würmer gewohnt sei, sagte er, die seien doch alle mit den Pfirsichen gewachsen. Ich erlaubte ihm hierauf, alle Pfirsiche von dem Baum abzupflücken und für sich zu behalten. Es dauerte keine zehn Minuten, bis sie alle samt den zierlichen und fetten Einwohnern in seines Magens Tiefe verschwunden waren. Krautsalat pflegte er so dick zu schneiden, daß man glaubte, Hobelspäne vor sich zu haben und daß mir die Kiefer vor lauter Kauen ordentlich weh getan haben. Natürlich ist so ein geschickter Koch auch recht sparsam. Hatte er einmal von einer Sache etwas mehr, so kochte er darauf los und kochte für einen so viel, daß es für drei ausgereicht hätte. Wahrscheinlich hat der Schlingel dabei an seinen eigenen Magen gedacht. Deshalb habe ich mir immer soviel eingekauft, als ich für einen Tag nötig hatte. Er ist dabei doch nie zu kurz gekommen. Und wie hat erst die Küche ausgeschaut! Ich getraute mich kaum hineinzugehen. Da lag alles darunter und darüber. Das Küchengeschirr war schmutzig und ohne es zu waschen, kochte er bald das, bald jenes in demselben Topf. Kirche und Haus in Barberton sind aus Holz und Eisenblech gebaut. Da nisteten sich ' eines Tages gerade unter dem letzten Fenster der Kirche Bienen ein. Ich ließ sie ungefähr zwei Monate dort, schließlich mußte ich sie aber doch entfernen, da sie die Leute während des Gottesdienstes belästigten. Ich stach daher mit einer Messerklinge durch eine Ritze, um zu sehen, ob Honig da sei. Richtig war die Klinge mit Honig bedeckt. Ich zeigte sie meinem Burschen und der schleckte sie gierig ab. Dann fragte ich ihn, ob er die Bienen herausnehmen wolle, wozu er sich gleich bereit erklärte. Ich öffnete nun behutsam eine Diele und da sah ich schöne, große Waben, teils mit Honig, teils mit Brut er die Waben herausgenommen hatte, schüttelte er die Bienen ab und verspeiste sie mit Honig, Wachs und Brut. Den nächsten Tag war sein Kopf wie ein Kürbis, seine Nase schaute aus wie eine Zwiebel und die beiden Lippen wie eine kleine, runde Wurst. Arm und Hände waren dick angeschwollen. Als ich ihn fragte, wie er sich fühle, sagte er: „Den Honig habe ich bekommen und geschmeckt hat er gut." (Phot, von Hochrv. P. B. Zorn, F. 8. C.) gefüllt. Ich brachte nun zwei Schüsseln und mein Boy stellte sich gleich zur Öffnung, um die Arbeit zu beginnen. Ich machte ihn aufmerksam, er soll vorsichtig sein mit dem Arm, sonst werde er gestochen und dann könne er nicht arbeiten. „Macht nichts," sagte er, „werde halt mit der andern Hand arbeiten." Und so fuhr er mit entblößtem Arm hinein und zog eine Wabe nach der anderen heraus. Die Bienen fielen zornig über ihn her, krochen ihm in das Hemd und in die Hosen und stachen darauf los. Da hüpfte er herum, schüttelte die Hosen, schlug um den Kopf herum wie ein Besessener. Aber der Honig zog ihn an. Als Als er vier Monate bei mir war, wollte er zum Begräbnis seiner Schwester gehen, ich solle ihn ziehen lassen. Natürlich war das nur eine Ausrede, wie sie die Schwarzen oft haben, wenn sie fortgehen wollen. Ich ließ ihn gehen, da mir versprochen war, ich würde in Kürze einen Laienbruder erhalten. Ich habe aber den Kerl doch gern gehabt, denn obwohl ich mit ihm viele Geduldproben zu bestehen hatte, mußte ich doch wieder über seine Dummheit recht herzlich lachen. Außerdem gab er nie eine trotzige Antwort, wie es die Boys so gerne tun. Auch hatte er mir nie etwas gestohlen, eine Eigenschaft, die bei den Schwarzen selten ist. 126 Stern der Neger Heft 8 u. 9 DO O»D DO □O DO DO Vb ——— — Afrikanischer Durst. Von Ehrw. Br. Aug. Gogol, P. S. C. DID DO DID DID DID DID i> Die erste Empfindung aller auf diese Welt kommenden Menschenkinder ist Durst, und des Menschen erste Tätigkeit ist Trinken. Und dieser Naturtrieb ist so stark, daß er sich auch im späteren Leben nicht verliert, sondern bis ins hohe Alter und häufig mit Leidenschaft befriedigt wird. Sind aber alle Sterblichen mehr oder minder vom Durste geplagt, so ist es der in Afrika lebende Mensch noch viel mehr, da ja kein anderer Erdteil so entschieden der heißen Zone angehört wie dieser. In den Tropen empfindet der Mensch begreiflicherweise mehr Durst als in kühleren Gegenden. Trotzdem soll man nicht jeder Regung des Durstgefühles nachgeben und überreichliche Mengen von Flüssigkeit aufnehmen, denn dann leidet man andauernd Durst und macht den alten Spruch wahr: „Man kann zuviel zwar trinken, doch trinkt man nie genug." Die schwarzen Eingeborenen sind im allgemeinen mäßige Trinker und spülen oft nur den Mund aus, um ihn lediglich anzufeuchten und zu erfrischen. Das Hauptgetränk ist selbstverständlich Wasser, das im Niltale meist dem großen Strome entnommen und in großen, porösen Tongefäßen im groben gefiltert und in kleineren, dem Winde ausgesetzt, gekühlt wird. Das Flußwasser ist im allgemeinen besser als das aus Brunnen, da diese von den Eingeborenen gewöhnlich nicht allzu reinlich gehalten werden. Auch ist das Wasser aus Brunnen häufig salzhältig. Char-tum, die Hauptstadt des Sudan, besitzt eine Trinkwasserleitung, deren Wasser aus artesischen Brunnen aus mehr als 100 Meter Tiefe stammt. Auch dieses führt mineralische Bestandteile, die sich in weißen Kristallen absetzen. In den beiden Hafenstädten des Roten Meeres, Port Sudan und Suakin, wird das Meerwasser in Kondeusanlagen entsalzt; dieses kon- densierte oder destillierte Trinkwasser erfreut sich aber wegen seiner Geschmacklosigkeit keiner besonderen Beliebtheit. Noch unangenehmer mundet das Wasser der dortigen Brunnen, das Bittersalz in beträchtlichen Mengen enthält und von hinterlistiger Wirkung ist. Das veranlaßte einen spanischen Kaufmann in Port Sudan, nur italienisches Mineralwasser zu trinken und selbst seine Suppe davon bereiten zu lassen. Die Folge war ausgezeichnete Gesundheit und — Verkrachen des Geschäfts. Die int Innern lebenden Eingeborenen entnehmen ihr Trinkwasser den Zuflüssen des Nil, zeitweiligen Flußläufen oder Erdlöchern, die sie hochtönend Brunnen nennen. Das Wasser der letzteren ist oft so trübe und übelriechend, daß in Europa kein Mensch darin sich die Hände wüsche; nach erschöpfendem Marsche unter glühendem Sonnenbrände ist man trotzdem froh, seinen Durst mit dem zweifelhaften Naß stillen zu können. Ich erinnere mich, daß wir auf einer Reise im Urwaldgebict des Gazellenstroms zu einem solchen „Brunnen" kamen, der in der herrschenden trockenen Jahreszeit weit und breit das einzige Wasser enthielt. Auch die Tiere des Waldes und selbst die Insekten litten sehr unter der allgemeinen Dürre. Das Erdloch mit dem kostbaren Naß war denn auch dermaßen von Bienenschwärmen umlagert, daß unsere Leute sich einen Eimer Wasser geradezu erkämpfen mußten. Infolge der vielen hineingefallenen und in Verwesung übergegangenen Insekten war aber das Wasser von entsetzlichem Geruch und durchaus ungenießbar. Wir seihten es durch und kochten es mit Tee ab, aber auch der Tee war von abscheulichem Geruch und Geschmack, und nur der große Durst vermochte • uns, davon zu trinken. Bei der Gründung einer Missionsstation (Omadsch) lagerten wir während des Baues der -ersten Hütten in nächster Nähe des majestä-tischen Weißen Nil, der 20 Kilometer oberhalb den Albert-See verläßt und gutes, fließendes Wasser hat. Selbstverständlich schickten wir unsere Träger,,verständige Baganda, zum Wasserholen -an den Fluß. Trotzdem brachten sie widerlich riechendes, unreines Wasser. Immer wieder wurde den Leuten eingeschärft, doch ja das Wasser dem Flusse und nicht etwa einer Regenlache zu entnehmen, aber das Ergebnis blieb gleich unbesriedigend. Da begab ich mich denn einmal mit den Wasserholern zum Flusse, und nun ging mir ein Licht auf. Der Strom hatte hier -einen etwa zehn Meter breiten Ufergüriel von dichtem Schilfe, in dem das Wasser fast stillestand und sumpfig und stickig war. Hier hatten unsere Braven unser Trinkwasser geschöpft, das sie ihrer Überzeugung gemäß vom Flusse geholt hatten. Da war nichts zu machen, als aus Knüppeln, Schilf und Stroh einen schwankenden Steg über den Schilfgürtel an die offene Fläche zu legen. In der Folge hatten wir gutes, gesundes Trinkwasser. Im nördlichen Teile des Sudan, im Wüsten-und Steppengürtel, sind die wenigen Brunnen mit ständigem Wasser von größter Wichtigkeit. Dorthin treiben die Nomaden ihre Herden zur Tränke; hier lagern die Karawanen und füllen die Schläuche für die Weiterreise. Die Brunnen bilden den Mittelpunkt und Lebensquell der Wüsten-Oasen mit ihren schattigen Palmenhainen und saftgrünen Gemüsegärten. Wo es im Kordofan keine Brunnen gibt, werden die mächtigen Aflenbrotbäume als Regenwasserbehälter benutzt. Oberhalb der Stelle, wo -ein solcher Riesenstamm sich in die Hauptäste zu teilen beginnt, wird eine Öffnung gemacht, die so groß ist, daß ein Mensch hindurch gelangen kann. Dann wird das überaus weiche Holz in Breite und Tiefe herausgearbeitet, bis eine Wandung von Fußdicke übrigbleibt, deren innere Fläche geteert wird. Es gibt zwei Arten ausgehöhlter Bäume; die einen haben die Öffnung mehr seitwärts und müssen durch Menschenhand gefüllt werden; die Öffnung der andern ist schräg aufwärts gerichtet, so daß das Regenwasser von selbst hineinläuft und die Höhlung füllt; das Wasser der letzteren gilt als das bessere. Während der Regenzeit füllt der Besitzer den Baum und verschließt die Öffnung mit Stroh und Dornen. In der Trockenzeit zieht er mit der ganzen Familie zum Baume, schlägt dort seine Wohnung auf, hütet sein Wasser, trinkt davon und verkauft es den durchziehenden Reisenden, wobei er guten Gewinn erzielt. Er steigt auf einen Ast und schöpft das Wasser wie aus einem Brunnen. Solche Bäume fassen nicht selten Wasservorrat von hundert Kamelladungen zu je 200 Kilogramm, also 200 Hektoliter. Das Wasser ist sehr gut. Da t der ausgehöhlte Baum in seinem Wachstum nicht gestört wird, bildet er ein wertvolles Besitztum der Familie, das vom Vater auf den Sohn vererbt wird. Die Beduinen der Libyschen Wüste legen im weichen Kalkstein des Bodens ihre Zisternen an. Wenn sie darangehen, einen solchen „bir“ (Brunnen) anzulegen, wählen sie den niedersten Teil von leicht abschüssigem Grunde. Darin arbeiten sie ein Loch heraus, etwa 30 Zentimeter im Geviert, so daß ein Mensch durchschlüpfen kann. Abwärts gehend verbreitern die Brunnengräber die Öffnung immer mehr, bis im Innern des Kalkfelsens eine runde, bauchflaschenförmige Kammer entstanden ist, die etwa drei Meter Tiefe und sechs Meter Durchmesser hat. Nachdem die Zisterne fertiggestellt ist, wird der Bodenhang im ganzen Umkreis von Wasserdämmen von einigen Zoll Höhe eingeschlossen. Beim ersten Regenfall sammelt sich das Wasser in der unten angelegten Zisterne und füllt sie rasch bis an den Rand. Es hält sich darin süß und kühl für Jahre und ist nicht der Verdunstung ausgesetzt, wie heiß auch die Oberfläche der Wüste sein mag. In gewöhnlichen Fällen bilden die ausgehauenen Steinteilchcn einen Schutzwall, der den Ort des Wüstenbrunnens anzeigt. Will der Beduine aber die Zisterne geheimhalten, so wird aller ausgegrabene Stoff angeebnet und der Platz für das ungeübte Auge unkenntlich gemacht. Die Buschleute, die die wasferlose Kalahari-Wüste bewohnen, bewahren das wenige Wasst-r, das sie mittels eigentümlicher Filterpumpen dem Boden entnehmen, in Straußeneiern auf. Dache ab, der ohnehin wasserreichen Salzflut zu. So ist denn der Mensch gezwungen, das Wasser der spärlichen Quellen und Flußlänfe aufzudämmen und das Regenwasser in Behältern aufzufangen. Die große Stadt Johannesburg mit 300.000 Einwohnern liegt in wasserloser Gegend. Der 65 Kilometer entfernte Ein besseres Kaffern-Hockizeitspaar. (Phot, von Hochw. P. B. Zorn, F. S. 0.) Das waldarme Südafrika ist im allgemeinen ein trockenes, regenarmes Land. Das mag der Grund sein, weshalb man so häufig auf Ortsnamen stößt, die auf Wasser und Quellen deuten, z. B. Springe (Quellen), Tweefontein (Zweienbrunnen), Klipfontein (Felsenquell) usw. Infolge der hohen Lage im Innern, mit Abfall nach drei Seiten zu den Weltmeeren, halten sich die spärlichen Niederschläge nicht angesammelt, sondern rinnen eilfertig wie von einem großen Vaalfluß wurde aufgestaut und versieht die Stadt mit Wasser. Witbank, eine andere Gründung in wasserloser Gegend, erhält sein Wasser aus dem in zehn Kilometer Entfernung aufgestauten Olifantefluß, das so schmutzig ist, daß es nicht zum Kochen verwendet werden kann. Deshalb ist man gezwungen, zu „Tanks" von verzinktem Eisenblech seine Zuflucht zu nehmen, die, unter den Dachtraufen aufgestellt, das Regenwasser auffangen, das sich darin lange klar und gut erhält. So ein Tank von 1000 Gallonen (4500 Liter) Inhalt wird oft durch einen Regen gefüllt und hält dann wochen-und monatelang Wasfer. In der regenlosen Afrika tritt immer mehr aus seinem Dunkel hervor. In seinen Besitz teilen sich gegenwärtig England, Frankreich, Spanien und Portugal, Belgien und Italien, deren Wettbewerb sich vor allem um die Handels- und Wirtschaftsinteressen bewegt. Vor hundert Jahren betrug der gesamte afrikanische Außenhandel nicht mehr als 30 Millionen Pfund (1 Pfund = 20 Mark); heute trägt der Handel aus Britisch-Afrika allein 227 Millionen Pfund ein. Die Goldküstenkolonie verzeichnete 1891 die erste Kakaoausfuhr für ganze 4 Pfund, 1924 betrug sie bereits 223.000 Tonnen, ein Viertel der Welternte an Kakao. 1904 führten zwei Missionäre in Uganda die erste Baumwolle ein; der Ernteertrag für 1924 bezifferte sich auf 3°5 Millionen Pfund. Die Goldlager Südafrikas bereicherten in den letzten fünfzig Jahren die Welt um 16 Milliarden. Hand in Hand mit der wirtschaftlichen Erschließung vollzieht sich auch der Fortschritt im Verkehrswesen. Der Missionär und Afrikaforscher Livingstone mußte um die Mitte des vorigen Jahrhunderts auf die Beantwortung seiner Briefe aus der schottischen Heimat zwei Jahre warten; heute macht das Radio einen Gedankenaustausch zwischen Kapstadt und Baden in einer Vierzigstelsekunde möglich. Luxuszüge, Dampfschiffe und Autos durchrasen weite Strecken des schwarzen Erdteiles. Fluglinien sind in Südafrika seit 1920, in Belgisch-Kongo seit 1921 in ständigem Ausbau. Doch trotzdem bleiben auch im Zeitalter des Radio und Flugzeuges gerade für den Missionär noch die schwierigsten und alltäglichen Strapazen zu Fuß oder im Einbäumboot zu überwinden. Zeit wird die Sache allerdings oft bedenklich, und die größte Sparsamkeit ist da geboten; doch helfen sich die Leute freundnachbarlich aus. (Schluß folgt.) Zu den Haupthindernissen, die sich in Afrika dem Bekehrungswerk entgegenstellen, zählt die Rassenfrage. Schauen wir nur einmal hinunter zum Süden des Erdteiles. Die Buren wollen den Schwarzen in keiner Weise auch nur irgendwelche Gleichberechtigung zuerkennen. An 3-5 Millionen Weißen stehen 8 Millionen Schwarze gegenüber; und doch ist auf Seite der Minderheit alles Recht. General Hertzog verordnete, daß die Einheimischen nur 13% Land besitzen dürfen und dann wurden die ungesundesten und verdorrtesten Gebiete ausgesucht; alles übrige müsse den weißen Zuwanderern überlassen werden. Aber die endgültige Durchführung der Verordnung scheiterte; nicht etwa an dem berechtigten Protest der Schwarzen, sondern an dem der Weißen, denen ihr Löwenanteil noch zu gering war. In einem neuen Erlaß bestimmt General Hertzog: Die Eingeborenen sollen im Parlament Recht und Stimme erhalten; aber auf je. 650.000 Eingeborene soll nur 1 Parlamentarier zur Vertretung der Neger kommen; und dieser muß zudem ein Weißer sein! Bessere Handwerkerstellen dürfen nur von Weißen besetzt werden. Mit einem Wort: die Herrschaft gehört den Weißen; der Neger soll Sklave bleiben in alle Ewigkeit. Ja, die Schwarzen tragen bislang noch Sklavenketteu; das gilt fast für ganz Afrika von der Haussklaverei. Der Neger wohnt zwar in seiner eigenen Hütte, aber seine Arbeitskraft und -zeit gehört ganz dem zugewanderten weißen Besitzer, und zwar fast ganz umsonst. Denn der Durchschnittslohn für einen Farmarbciter in Südafrika beträgt 70 Pfennig pro Tag. Viele Farmer haben S □ B Umschau. ö 0 0 seit fünfzig Jahren trotz der völligen Umwandlung des Geldwertes keine Lohnerhöhung mehr getroffen. Desungeachtet aber wird die Steuerlast fortlaufend erhöht. In einem Distrikte wurden in wenigen Jahren von den Eingeborenen 208.000 Pfund aufgebracht. Aber kein Pfennig davon wurde zugunsten der Schwarzen verwendet. — In manchen Gegenden Afrikas, wie in Abessinien, wird heute noch ei gent-licherSklavenhandel betrieben. Auf den Straßen von Addis Abeba kann man an manchen Tagen ganze Herden zusammengetriebener und geraubter Sklaven sehen. Unter Peitschenknallen und in Ketten führen sie die Händler durch die Stadt. Es klingt uns Menschen des kulturftolzen 20. Jahrhunderts fast unglaublich, daß es noch 4 Millionen Sklaven im vollsten Sinne des Wortes gibt, daß in manchen Teilen Afrikas regelrechte Sklavenjagden etwas Gewöhnliches find. Alle Greuel des Sklavenhandels, wie er vor Jahrzehnten in Blüte stand, kann man da noch sehen: die gewaltsame Trennung von Frauen und Kindern, die blutigen Karawanenwege, die durch die bleichenden Gebeine der hier gesunkenen Opfer gezeichnet sind, die traurigen Szenen der Menschenmärkte. Eine solche Behandlung von seiten der Weißen ruft unter den Eingeborenen begreiflicherweise große Unzufriedenheit und Erbitterung hervor. „Afrika den Afrikanern!" — „Freiheit vom Sklavenjoch der Europäer!" Diese Parole fliegt heute durch den ganzen Kontinent. Im August vorigen Jahres gaben die großen Negerführer eine Erklärung ab, worin sie verlangen: volle Freiheit für alle Neger Afrikas, Gleichberechtigung mit den Weißen, Abschaffung der Zwangsarbeit, Rede-, Preß- und Versammlungsfreiheit. Am Schluß einer Flugschrift heißt es: „Der Tag bricht an . . . laßt uns schweigen und arbeiten!" Diese Erbitterung wird einmal zu fürchterlichen Katastrophen führen, wenn sie nicht rechtzeitig durch das Christentum überwunden wird. Aus den katholischen Missionen Afrikas. Gegenwärtig ist Afrika in 134 Missionsfelder aufgeteilt. Der Zahl der Missionäre nach find die stärksten Missionstruppen die Weißen Väter mit 586, die Väter vom Heiligen Geist mit 558, die Jesuiten mit 398, die Franziskaner mit 323 und die Lyoner mit 242 Priestern und Brüdern. Die Lyoner Missionäre haben im vergangenen Jahre wieder schöne Erfolge zu buchen. Die Missionsstationen wuchsen von 1543 auf 1613, die Neubekehrten von 202.814 auf 219.574, Taufen an Erwachsene wurden 1820 mehr gespendet als im Vorjahre. Überreif ist die Ernte in Kamerun, das die Väter vom Heiligen Geist betreuen. Im letzten Jahrzehnt ist die Zahl der Christen von 28.000 auf 110.000 gestiegen, die der Taufbewerber auf 100.000. Es ist eine Massenbewegung zum Christentum in Gang, die ihresgleichen nicht hat. Oberhüuptlinge selbst führen ihre Stämme der Mission zu. Auf einzelnen Stationen sind Tausende von Neubekehrten. Wären nur mehr Missionäre, welch reiche Ernte könnte eingebracht werden I Aber für 110.000 Getaufte und 100.000 Katechumenen sind nur 26 Priester. In Anbetracht der schreienden Priesternot gab Rom den dort wirkenden Missionären (der einzige diesbezügliche Fall!) die Erlaubnis, an Sonn- und Festtagen zu trimmn, d. h. dreimal Messe zu lesen. Doch 50 Glaubensboten wären bester. Den östlichen Sudan betreuen die Söhne des heiligsten Herzens von Verona. Zu den drei bisherigen Sprengeln Vikariat Khartum, Bahr-El-Ghazal und Präfektur Äquatorial-Nil kam die Präfektur Bahr-El-Djebel. In dem Gesamtgebiet wirkten 1925 72 Priester, 32 Brüder und 76 Schwestern. Es befanden sich daselbst 12 Kollegien und 119 Schulen. Taufen an Erwachsene wurden 2599 gespendet, an Kinder 690, in Todesgefahr 2483. Die noch ganz jungen deutschen Missions" selber in Süd afrika haben mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen, die verursacht werden durch die oben besprochenen schlimmen Rassengegensätze, protestantische Unduldsamkeit, unfruchtbare und teure Boden- und Lebensverhältnisse. Eine segensreiche Einrichtung sind die jährlichen Katholikentage, die auch mit großen sozialen Kursen verbunden sind. Um die Missionierung Südafrikas sind hochverdient die deutschen Dominikanerinnen (Noviziatshaus Schlehdors, Bayern). Am 14. September 1927 begingen sie ihr goldenes Missionsjubiläum. Von den 26 Häusern in Südafrika liegen 17 in der Kapkolonie und 8 in Transvaal mit insgesamt 600 Schwestern. (Nach Z. M.) fr 1 1 Der Geist des Schreckens. Eine Erzählung aus Mittelkamerun von P. Johannes Emonts, S. C. J. (Fortsetzung.) iS Dann machte er von der äußeren Kreislinie an den Punkten, wo die Zanbermittel lagen, Verbindungslinien bis zum Mittelpunkt des Kreises und legte die Zauberdinge an eine andere Stelle, indem er längere oder kürzere unverständliche Formeln murmelte. Bald schien er zornig, bald freundlich, bald traurig. Ängstlich war er bemüht, nicht auf die gezogenen Linien zu treten. Nun nahm er noch ein kurzes, hohles Bambusrohr, ging von Gegenstand zu Gegenstand und lauschte gespannt. Die Geister sprachen. Die Versammlung hörte deutlich die i unterirdische dumpfe Stimme. Endlich wurde | es still. Bindabo steckte seine Zaubermittel j wieder ein, nahm die Lanze, verwischte mit der Fußsohle die Linien und trat mit stolzer Gebärde vor das Volk. „Ihr Tschobaleute," rief er, „höret, was die Geister sagten. Sie sind zornig über den Häuptling, über die Big-ieute, über das ganze Volk. Sie werden schreckliche Krankheiten und Unglück über euch senden. Die kommende Nacht schon wird eine Schreckensnacht sein. Die zweite Nacht aber wird ben Tschoba ein großes Sterben und Brand der Hütten bringen, wie man es noch nicht erlebt hat. Die Geister senden den Kenata buafu. Das ist die Rede der Geister." Bei diesen Worten bemächtigte sich eine ungeheure Bestürzung der versammelten Tschobamänner. Der Zauberer entfernte sich. „Kenata transu!" riefen die Leute wild durcheinander. „Kenata buaful" hörte man die Biglente rufen. „Kenata buafn!" sagte der Häuptling, der sich zitternd erhob und ohne ein Wort des Abschieves entfernte. Alles stob auseinander, Angst und Schrecken im Gesicht, und in wenigen Minuten war der große Platz leer und ausgestorben; aus allen Richtungen hörte man nur noch den Schreckensruf: „Kenata buafu!" Der Missionär stand auch wie gelähmt da und wußte nicht, wie ihm geschah. Was war das? So etwas hatte er noch nicht erlebt. Wie ein unheimliches Gespenst stand es auch vor ihm, legte sich ihm schwer auf die Brust und umkrallte ihn mit starken Fingern. Als er sich vom ersten Staunen erholt hatte, schaute er sich um und sah Kenfui. Aber auch der stand da und zitterte am ganzen Leibe und Tränen rollten über seine Wangen. P. Wildhof nahm ihn bei der Hand und sprach zu ihm: „Sei nicht traurig und mutlos, Kenfui! Du hast deine Sache gut gemacht. Was auch dazwischentreten mag, ich vertraue aus den Großen Geist und fürchte mich nicht. Nur sag' mir jetzt, was in die Leute gefahren ist. Warum dieser plötzliche Schrecken und Aufbruch?" — „O mein Vater!" stotterte Kenfui, „es ist schrecklich! Hast du denn nicht gehört, daß der Zauberer rief: ,Kenata buasu'?" — „Jawohl, aber was bedeutet das?" — „Das ist der Geist des Schreckens!" — „Was ist denn mit diesem Geist des Schreckens los?" — „O Vater, es ist schlimm, sehr schlimm! Alles ist umsonst! Laß uns aus dem Dorfe eilen! Wir dürfen nicht länger bleiben, sonst sterben auch wir! O mein Vater! Kenata buafu!" Damit wandte sich Kenfui zum Gehen, schweigend folgte ihm der Weiße. Rätsel — nichts als Rätsel . . .! Wer wird es lösen . . . ? Am meisten staunte er über Kenfui, den er nicht wiedererkannte. Vorher so mutig, so zuversichtlich und jetzt so bang und niedergeschlagen. Die Verzweiflung schien sich seiner bemächtigt zu haben. Immer schneller stürzte er voran, wie von Furien getrieben und auf keine Frage des Paters gab er Antwort. Atemlos erreichten sie ihre Hütte. Kenfui drängte auf sofortigen Aufbruch. P. Wildhos hätte seine Bitte erfüllt, allein in einer Stunde brach die Nacht herein und so unheimlich ihm auch die Geschichte vom Geist des Schreckens war, so wollte er sich doch Kenfui nicht ergeben. Und schließlich siegte in ihm der Gedanke, daß er Gott und im Not- fälle sein Gewehr zum Schutze hatte. Es gelang ihm, den armen, zitternden Neger etwas zu beruhigen, und gefaßt schaute er den kommenden Ereignissen entgegen. Die Dunkelheit war hereingebrochen. Kein langsam verglühendes Abendrot am westlichen Himmel wie fern in der Heimat, wo zwischen Licht und Dunkel sich so schön träumen ließ. Und doch saß P. Wildhof noch vor seiner Hütte und träumte und grübelte und sann nach über die merkwürdigen Ereignisse des Tages. Wie tief doch das Heidentum in Dunkelheit und Todesschatten lag! Wie es in finsterm Wahne die Geister knechtete! Wenn man nur hinter all seine Geheimnisse käme, wie leicht wäre es, sie zu lüften und das Dunkel zu erhellen. Dieser Bindabo, dieser Teufelskerl machte ihm schwer zu schaffen. Aber auch seine Stunde würde einmal schlagen. Ein Geräusch vor der Hütte des Kochboys ließ ihn aufschauen. Da huschte mit verstörtem Blick Kenfui heraus, ängstlich hielt er nach allen Seiten hin Umschau, um dann leise zum Pater zu schleichen. „Vater, du hast nicht auf meine Bitte gehört, zu fliehen, so höre doch jetzt wenigstens auf meine Worte." „Was willst du denn?" gab dieser ihm etwas unwillig zurück. — „Es wird Nacht. Bleibe nicht länger vor der Hütte sitzen, der Geist des Schreckens wird kommen und dich sehen!" — „Der kann mir nichts anhaben. Ich fürchte ihn nicht!" — „Du wirst ihn noch fürchten lernen." — „Im Gegenteil, ich würde mich freuen, recht bald seine Bekanntschaft zu machen." — „Das wäre dein Tod!" — „Kenfui, wann wirst du endlich mir Vertrauen schenken?" — „Vater, du kennst den Geist des Schreckens nicht. Komm doch wenigstens in deine Hütte, verschließe die Tür sorgfältig und laß mich diese Nacht bei dir bleiben. Dann will ich ruhig sein." — „So sehr also fürchtest du zu sterben?" — „Den Tod fürchte ich nicht, wenn der Große Geist mich ruft. Aber ich möchte nicht von einem heidnischen Geiste getötet werden." P. Wildhof lächelte unwillkürlich über die Weisheit seines schwarzen Freundes; aber gegen dessen abergläubische Angst war nicht anzukommen. So begab er sich denn mit ihm in die Hütte und zündete seine kleine Laterne an, während Kenfui die Schiebetür verschloß und alle Kisten und Kasten davor rückte. Auch in der Nebenhütte hörte man alsbald dasselbe Schieben und Knarren von Kisten. Dann war alles ruhig. Nichts schien sich im ganzen Dorfe zu regen, nicht einmal einen Hund hörte man heulen. „Kenfui," sagte der Pater nach einer Weile des Stillschweigens, „sei nicht mutlos und traurig. Ich werde dich beschützen. Nur erzähle mir alles, was du von dem Geist des Schreckens weißt. Ein Feind, den man kennt, ist bloß ein halber Feind." — „Genaues weiß ich -selber nicht über ihn", erwiderte Kenfui. — „Weshalb denn deine dingst?" — „Auch du wirst ihn fürchten, wenn du ihn gleich Vernehmen wirst." — „Also auch ich, der Mann Gottes, der Weiße mit dem Donnerrohr, soll eure Gespenster fürchten? Du weißt doch, was ich von den Hirngespinsten und Zauberkünsten der Schwarzen denke. Wer den Großen Geist fürchtet, der Himmel und Erde gemacht hat und ein gütiger Vater ist, der sürchiet nichts in der Welt, also auch nicht den Rachegeist deines Stammes." — „Auch ich habe das in deinem Gehöft gelernt und weiß, daß man die Geister der Toten nicht zu fürchten braucht; aber der Geist des Schreckens ist etwas ganz anderes. Das ist ein wirklicher Geist, der Geist des Todes selbst. Über den hat auch der Große Geist im Himmel keine Gewalt, denn auch Christen sterben." — „Gewiß, Kenfui, auch Christen sterben, wenn der Große Geist es will; allein das hat mit dem Geist des Schreckens hier in Tschoba nichts zu tun. Ich glaube, euer Schreckensgeist ist nichts weiter als eine Mache des Zauberers, um die Schwarzen in seinem Bann zu halten. Daß ein Zauberer, um seinen Einfluß und seine Macht zu wahren, im äußersten Falle nach Gewaltmitteln greift und gar Leute seines Stammes tötet, dies wundert mich nicht. Ich halte die Kerle zum Schlimmsten fähig." Der arme Junge blieb aber bei seiner Ansicht. Gewiß seien die Zauberer hinterlistige, schlechte Menschen, aber der Geist des Schreckens sei noch viel schlimmer. Der Pater drang dann auf ihn ein, er solle ihm doch wenigstens erzählen, was man von diesem Geiste, von seinem furchtbaren Treiben wisse oder erzähle. „Was der Schreckensgeist ist," gab Kenfui zur Antwort, „weiß niemand und doch zittert jeder Tschobamann davor. Mehrmals schon und seit Alters her hat er, wie die Leute sagen, unseren Stamm heimgesucht und dann war es schlimmer, als wenn ein feindlicher Stamm uns überfällt. Manchmal erschien er ganz plötzlich und unerwartet. Meist aber kündigt er sich in der vorherigen Nacht oder mehrere Nächte vorher durch geheimnisvolle Rufe an, die bald hier, bald dort im Dorfe und von verschiedenen Seiten zugleich ertönen. Wer weiß, was das zu bedeuten hat, dem erstarrt das Blut in den Adern, dem lähmt der Schrecken die Glieder. Dann wandert der Geist von Hütte zu Hütte und sucht sich seine Todesopfer aus und wenn man seine Nähe spürt, hebt in den Hütten ein großes Weinen und Wehklagen an. In der eigentlichen Schreckensnacht aber hört man nicht bloß seine Stimme, sein unheimliches Rufen, man kann sein glühendes Auge sehen, das bald leuchtet, bald wieder verdunkelt, bald hoch und bald niedrig scheint, bald langsam sich bewegt und bald schnell im Kreise wirbelt. In der Nacht sterben viele Männer, Frauen und Kinder. Auch Tiere tötet er und manche Hütten an verschiedenen Seiten des Dorfes brennen nieder. Das Schlimmste aber ist, daß auch nach dieser Nachr noch immer Menschen und Tiere sterben. Ich habe selbst nach dem Besuche des Geistes starke Männer unter den fürchterlichsten Schmerzen sterben sehen und kein Zauberer und keine Medizin konnte ihnen helfen. Alle Tschoba-leute wissen es: Gegen diesen Geist gibt es keinen Widerstand; keine Lanze würde ihn treffen, kein Messer ihn verwunden..." Aushorchend hielt er inne, dann flüsterte er zitternd: „Vater, höre. Der Geist ist schon da!" — Ganz in der Ferne hatte der Pater auch etwas wie ein gedehntes Rufen gehört. Man schwieg und horchte. Eine geraume Zeit verrann, dann vernahm man abermals ganz deutlich, aber aus einer anderen Richtung den langezogenen Ruf: „Mbuä — mbuä — nkia — mbi — mbi — mbii —1" Das also war der von den Tschoba gefürchtete Geisterruf! Das ganze Dorf mußte ihn gehört haben. Wieder war es still. „Kenfui," hob der Pater wieder an, aber dieser flüsterte nur: „Sprich nicht, Vater! Sei still! Der Geist wird näher kommen und auch unsere Hütte ausfindig machen." Kaum hatte er das gesagt, als es ganz in der Nähe erschallte: „Mbuä — mbuä — nkia — mbi — mbi — mbiii!" Kenfui erschrak heftig und drückte sich an den Pater heran und stierte in einem fort auf die verrammelte Tür. als müsse dort jeden Augenblick der unheimliche Gast erscheinen. Plötzlich schrie er auf: „Da ist er, da! Vater, hilf!" Der Pater sah nichts, sondern hörte nur in der nächsten Nahe Den lauten, hohlen Ruf mit den langgezogenen Endsilben. Es wurde ihm selbst etwas unheimlich, zumal er sich gestehen mußte, daß der vermeintliche Geist äußerst geschickt zu Werke ging, um die armen Schwarzen in Furcht und Angst zu jagen. Die dunkle Nacht, bie unheimliche Stille, der geheimnisvolle Ruf, die langjährigen Erfahrungen, die Aussicht auf einen qualvollen Tod, das war mehr als genug, um die Phantasie zu erregen und das stärkste Herz zaghaft zu machen! Kenfui stöhnte: „Er hat mich angeschaut — jetzt weiß ich, daß ich sterben muß." Und wieder ganz nahe ertönte der Ruf. „Mbuä — mbuä — nkia — mbi — mbi—mbiii!" Den Missionär überlief es kalt. Es war wirklich, das Gruseln zu bekommen Im Dorfe war es still, unheimlich still. Was mochten die Leute in den Hütten denken? Dieses ängstliche Warten, diese nervenzerreißende Ungewißheit, das war unerträglich. P. Wildhof hielt's nicht mehr aus. Er sprang auf, griff nach dem Gewehr und wollte hinausgehen. Ein paar Schreckschüsse in die Luft würden die Leute nicht sehr erschrecken, dem Geiste aber vielleicht das Handwerk legen. Aber da legte sich eine Hand auf seine Schulter und Kenfui stand bei ihm und beschwor ihn, zu bleiben: „Geh nicht hinaus! Was könntest du in der Dunkelheit sehen oder verrichten? Der Geistaber, oder, wenn du sogar recht hättest, Bindabo und seine Helfershelfer könnten dir schaden. Denn, ist Bindabo selbst der Geist, dann hat er es doch sicher auf dich und mich zuerst abgesehen, da wir doch den Anlaß zur ganzen Geschichte gegeben haben." Der Pater gab den Bitten noch einmal nach und warf sich auf sein Feldbett. Schließlich fügte er sich auch dem dringenden Wunsch Kenfuis, nichts mehr zu sagen, damit der Geist es nicht höre. Bald folgten wieder die Rufe des Kenata buafn in der nächsten Nähe der Hütte, nur einige Schritte davon entfernt, dann in der Ferne und wieder auf der .anderen Seite in der Nähe. Dem Weißen war es sonnenklar, Bindabo hatte mehrere Helfer, die an den verschiedenen Stellen die Schreckensrufe ausstießen, und schon sann er nach, wie er der ganzen Geschichte ein Ende machen könnte. Da erscholl auf einmal im Dorf ein lautes Schreien und Rufen vieler Stimmen: „Kenata buafu! Kenata buafu!" Männer, Frauen und Kinder schrieen durcheinander, so herzzerbrechend, als gelte es, eine große Totenklage zu erheben. Und dann wieder die Rufe des Schreckensgeistes und das Aufschreien an einer anderen Stelle im Dorfe, wo er wieder eine Hütte in Todesangst versetzt hatte. Der Missionär war aufs äußerste empört über diese Schurken. Gern wäre er dem „Geist" mit dem Gewehr zu Leibe gerückt, aber er mußte sich gedulden und einen Plan schmieden für den folgenden Tag. Vor allem mußte er Kenfui beruhigen und überzeugen, daß kein anderer als Bindabo der Geist des Schreckens war. Aber wie... ? Fast schien es ihm aussichtslos, dieses Werk an Kenfui zu vollbringen. Gleichgültig ließ er das weitere Rufen über sich ergehen und schmiedete und erwog einen Plan nach dem andern. Endlich schien er eine Lösung gefunden zu haben; beruhigt streckte er sich auf seine Decke und schlief übermüdet einige Stunden lang. Mitternacht war vorüber, als ein nahes Geschrei den Pater wieder weckte und auffahren ließ. Er erhob sich, setzte sich neben Kenfui und sagte: „Nun, Kenfui, wollen wir die Sache mal gründlich besprechen. Habe keine Angst, denn durch unser Sprechen wird die Sache nicht verschlimmert und ich muß Klarheit haben. Du hast heute vor dem Häuptling und dem ganzen Volke behauptet, ich sei sehr klug, hundertmal klüger als alle Schwarzen. Warst du davon überzeugt oder hast du damit eine Lüge gesagt?" — „Das war keine Lüge, das ist die Wahrheit." — „So vertraue auch jetzt auf meine Klugheit und glaube mir, daß deine Angst unbegründet ist. Ich werde es dir beweisen. Vorerst jedoch antworte mir auf einige Fragen.. Hast du schon einmal den Geist des Schreckens gesehen?" — „Nein!" — „Ist denn dieser Geist noch nie von einem Tschobamann gesehen worden?" — „Doch, man hat ihn gesehen. Viele sogar haben ihn gesehen." — „Was erzählt man sich denn von ihm? Erzähle mir alles, da, es für meinen Plan äußerst wichtig ist." — „Viele sahen ihn als einen dunklen Schatten ohne körperliche Gestalt, der durch die Finsternis huschte. Meistens sah man ihn wie einen glimmenden Feuerfunken durch die Luft schweben." — „Hat man denn sonst nichts gesehen?" — „Doch, man sah ihn sogar, wie er seine Opfer tötete. Dann hat er meistens die Gestalt eines wilden Tieres, das furchtbar anzusehen war. So ein Tier gibt es überhaupt in der Welt nicht. Es hatte die Flügel eines Vogels, das Fell eines Steppentieres, die Hörner eines Büffels. Man will ihn sogar in Gestalt eines kleinen Käfers mit glühenden Augen oder eines Chamäleons mit feurigen Flügeln gesehen haben." Der Pater lachte auf: „Ist das alles, was du von ihm weißt?" — „O, die Leute wissen Schreckliches von ihm zu erzählen. Doch es würde zu lange dauern, dir das alles zu berichten. Nur merke, daß er an verschiedenen Orten und zu gleicher Zeit seine Opfer tötet. Also kann es doch nur der Geist sein, denn Menschen können nicht zur selben Zeit an verschiedenen Orten sein 1" O heilige Einfalt! dachte P. Wildhof. Dann versuchte er, den Neger zu bekehren: „Kenfui, hör mal gut. Schon von deinen Stammesbrüdern horte ich in der Ebene, daß Bindabo sehr klug und ein geschickter Zauberer sei, der sich besonders durch Ausklügeln von immer neuen Foltern für die Kantschileute hervortue. Soll nun der Geisterfunke nicht ein glimmender Feuerbrand sein, den er durch die du verstanden, was ich gesagt habe?" — „Ja, ich habe alles gehört. Es ist ja alles schön, was du sagst, aber Bindabo kann sich doch nicht in einen kleinen Käfer verwandeln!" — „Allerdings, das kann er nicht. Aber ebenso sicher ist, daß keiner ihn in der Gestalt eines Käfers mit glühenden Augen oder eines Chamäleons mit feurigen Flügeln oder als Schatten ohne Gestalt gesehen hat. Die Angst erregt die Leute dermaßen, daß ihre Phantasie ihnen allerlei Schreckbilder vorgaukelt. Das sind Phantasiebilder, wie man sie auch im Traume sieht, aber keine Wirklichkeit. Soeben noch behauptetest du, den Geist zu sehen und schriest: Nacht trügt, der aber verglimmt und dann durch heftiges Kreisen in der Luft wieder angefacht wird? Soll die Tiergestalt nicht eine geschickte Vermummung des Zauberers sein? Wenn es ein Geist wäre, dann käme er auch des Tages; aber Bindabo treibt sein Handwerk nur nachts, wo es leichter ist, sich unkenntlich zu machen. Kann er sich nicht leicht Flügel herstellen, sich mit Tiersellen verkleiden, sich Büffelhörner am Kopf befestigen?" — „Möglich ist das, Vater, aber Bindabo ist es trotzdem nicht." — „Höre weiter, was ich sage. Auch ein Mensch kann zur selben Zeit an verschiedenen Orten wirken, wenn er Helfershelfer hat, die in seine Pläne eingeweiht sind. Sie können zu gleicher Zeit ihren Feuerbrand erscheinen oder verschwinden lassen. So können Menschen zur gleichen Zeit an verschiedenen Orten überfallen und getötet werden. Nur der Verstand eines Schwarzen, der überhaupt nicht nachdenkt, glaubt bei solchen Vorkommnissen an einen Geist. Hast da ist er; und ich habe trotz angestrengten Hinschauens nichts sehen können. O, diese unsinnige Angst der Tschoba! Sie sind eines klaren Gedankens nicht mehr fähig, wenn sie von Kenata bnafn hören. Dann werden sie wie ein kleines Kind, das vor einem Käfer sich fürchtet und schreiend davonläuft. Ich hätte nicht gedacht, daß die starken Männer und rüstigen Burschen von Tichoba vor einem Hirngespinst sich verkriechen. O, diese Dummheit! Heute habe ich die Dummheit der Schwarzen kennengelernt. Heute sehe ich, daß selbst Kenfui noch tut heidnischen Aberglauben befangen ist. Auch in meinem Kenfui hab ich mich getäuscht. Das tut mir weh. Bindabo aber hat gesiegt, weil kein Tschoba mir helfen will. Er kann triumphieren, er kann in der nächsten Nacht morden, weil Kenfui vor seiner Zaubermacht erschrickt, wie eine Antilope vor einem Rascheln im Steppengras- Hast du das alles gehört, Kenfui?" — „Ja, Vater, kein Wort ist mir entgangen. Es sind Worte der Klugheit, ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll. Was meinst du aber dazu, daß ein Tschoba Leute seines eigenen Stammes tötet?" — „Das tut er, damit der Schrecken die anderen in seinem Banne hält. Das tut er im äußersten Falle, um seinen Willen in einer wichtigen Sache durchzusetzen und seinen Einfluß zu bewahren. Was kümmert ihn das Leben einzelner Menschen, ihn, der schon so viele getötet hat." — „Daran habe ich noch nicht gedacht, Vater!" — „Hör' meinen letzten Beweis," fuhr P. Wildhof mit erhobener und langsamer Stimme fort, „hast du schon gesehen oder erfahren, daß in der Schreckensnacht auch einer von Bindabos Familie und Verwandtschaft getötet wurde oder eine ihrer Hütten niederbrannte?" — Der junge Mann schüttelte den Kopf und sagte: „Nein!" — „So höre denn mein letztes Wort: Bindabo ist der Geist des Schreckens, das ist so sicher wie du hier vor mir fitzest. Er hat mehrere Helfer. Mit denen wird er in der kommenden Nacht den Tschobastamm in Angst jagen und mehrere Menschen töten, bloß, weil du mir und meiner Klugheit nicht vertrauen willst. Du hast jetzt dein und deines Stammes Schicksal in der Hand!" — „Vater!" unterbrach ihn Kenfui flehentlich, „hör' mich noch einmal an." — „Nein, Kenfui, ich will nichts mehr in dieser Sache hören. Du kannst in meiner Hütte bleiben, ich aber lege mich schlafen, denn euer Senata buafu ist mir doch zu dumm, daß er mir den Schlaf raube." In barschem Tone hatte der Pater die letzten Sätze gesprochen. Er legte sich nun angekleidet auf sein Feldbett und versuchte betend sich in Schlaf zu wiegen. Die Rufe des Geistes ertönten wohl noch einige Male, aber aus größerer Entfernung. Dann verstummten auch sie, wahrscheinlich weil auch der Geist das Bedürfnis nach Schlaf verspürte. Doch der Weiße fand den Schlaf nicht und seine Gedanken kehrten unwillkürlich zum Gegenstände der Auseinandersetzung zurück. War Kenfui bekehrt? Er hatte Grund, es anzunehmen, denn die Aufmerksamkeit des Negers war immer spannender, seine Widerreden weniger zuversichtlich geworden. Der absichtlich gemachte Vorwurf, er habe sich in Kenfui getäuscht, mußte dem armen Kerl, der so viel guten Willen hatte, doch an die Seele greifen. Über diesen Gedanken schlief P. Wildhof endlich ein. Kenfui aber saß da und grübelte weiter und zuckte bisweilen zusammen, wenn er an Senata buafu dachte. Die Sonne stand schon geraume Zeit am Himmel und lugte mit ihren Strahlen durch die dünnen Spalten unb Ritzen in die Hütte hinein, in der P. Wildhof schlief. Endlich schlug er die Augen auf. Sein erster Blick fiel auf Kenfui, der noch immer an dem Reisetischchen saß und, den Kopf auf die Arme gestützt, zu schlafen schien. Leise erhob er sich und legte dem schwarzen Burschen die Hand auf die Schulter, so daß er erschrocken auffuhr. „Keine Angst, Kenfui, es ist nicht der Geist des Schreckens", sagte er lächelnd. „Hast du geschlafen?" — „Ich mochte dir etwas sagen, Vater. Diese Nacht sind mir allerlei Gedanken gekommen, die ich .. . ." — „Warte damit," unterbrach ihn der Pater, „bis ich meine Morgenandacht verrichtet und die hl. Messe gelesen habe. Nachher haben wir Zeit zum Plaudern. Mache auch du ein gutes Morgengehet und bete andächtig bei der hl. Messe." P. Wildhof hatte bald seine Morgentoilette beendet, verrichtete sein Gebet und hielt dann seine Betrachtung, indem er in der Sonne vor seiner Hütte auf und ab ging. Kati diente ihm hierauf beim heiligen Opfer, dem Kenfui als einziger Andächtiger beiwohnte, während die heidnischen Träger schon draußen in der Sonne lagen, sich leise unterhielten und ihre Pfeifen rauchten. Nach betn Frühstück setzte P. Wildhof sich vor die Hütte, mit seine Pläne ruhig auszudenken. Einer nach dem andern wurde erwogen und dann wieder beiseite gelegt. Alle Möglichkeiten mußten in in Betracht gezogen werden, damit der Erfolg von vornherein gesichert schien, denn alles, all die stolzen Zukunftstraume standen auf dem Spiel. Sollte er sich in der Nähe der Hütte auf die Lauer legen? Aber der Zauberer hatte Helfershelfer und nachts würde auch das Gewehr nicht zu gebrauchen sein. Das würde übrigens dem Treiben der Hallunken in den anderen Darstellen keinen Abbruch tun!— Sollte er den Häuptling und die Bigleute zu gewinnen suchen? Das wäre bei deren Geisteszustand verlorene Mühe. — Sollte er das Dorf verlassen? Vielleicht würde sich der Schreckensgeist damit zufriedengeben! Vielleicht aber auch nicht. Und dann sieten all die Pläne ins Wasser. Wie er auch sann, einen richtigen Weg fand er immer noch nicht. Da weckte ihn Kenfui aus dem Grübeln. Der kam eben aus des Kochboys Hütte und fragte in unterwürfigem Tone, ob der Pater ihn jetzt hören wolle. Der Missionär hieß ihn sich setzen und forderte ihn zum Sprechen auf. „Sprich, Kenfui, aber ich fürchte, daß ich mit deinen Einwendungen nicht einverstanden fein kann. Willst du mich wieder zur Flucht bewegen?" — „Nein, das will ich nicht! Doch vorerst, sei mir nicht böse, daß ich gestern so bange war. Es war nicht klug von mir." — „Was, Kenfui," rief der Pater freudig erregt, „du hast deine Angst überwunden? Gott sei Dank! Aber was willst du denn?" — „Ich wollte dir nur einen Plan mitteilen, den ich mir zurechtgedacht habe, um Bindabo und seine Genossen zu fangen." — „Ich bin gespannt. Was meinst du? Sprich!" — „Deine Worte in der Nacht haben mir bewiesen, daß kein anderer als Bindabo der Geist des Schreckens sein kann. So unmöglich es mir anfangs auch schien, so sehr bin ich nun davon überzeugt. Die ganze Nacht habe ich darüber nachgedacht und es ist mir der Gedanke gekommen..." — „Hm!" meinte P. Wildhof, „laß mal hören. Du wirst wohl nicht alles überlegt haben." — „Doch, Vater, an alles habe ich gedacht." ■— „Auch daran, daß Bindabo entschlossene Gesellen hat?" — „Auch daran." — „Was willst du denn tun?" — „Wir werden die Bösewichter fangen!" — „Wer? Wir? Wen meinst du damit?" — „Tschobaleute!" — „Ich sehe schon, daß dein Plan nicht gut ist. Wie willst du diese Antilopen mutig machen und sie in Löwen umwandeln? Ha ha ha, das wäre eine nette Arbeit. Inzwischen hätte Bindabo längst sein Ziel erreicht." — „Laß mich einmal aussprechen, Vater, und wenn du alles gehört hast, will ich mich deinem Urteil fügen. Ich gehe nicht zuerst zu den Tschobaleuten, sondern suche still und unauffällig meinen Bruder Lanju auf. Alles, was du mir gesagt hast, Wort für Wort, will ich ihm erzählen. Vielleicht wird er anfangs mir auch nicht zustimmen können, aber die Macht und Klugheit deiner Worte wird ihn schließlich doch überzeugen. Und dann bin ich seiner Hilfe sicher." — „Aber selbst du und Lanju, was wollt ihr gegen Bindabo und seine Gesellen?" — „Auch daran habe ich gedacht. Mit Lanjus Hilfe werde ich auch andere Verwandte aufsuchen und überreden. Lanju hat starke und mutige Freunde. Den einen oder anderen werden wir sicher gewinnen. Und haben wir eine Anzahl zusammen, werden wir mit dir die Einzelheiten der Ausführung besprechen. Sag', ist mein Plan nicht gut?" — Pater Wildhos nickte beifällig. „Ja, er ist gut. An Lanju hatte ich nicht gedacht. Der steht fest zu uns. Und auch dir vertraue ich, daß du die Vorarbeit zu einem guten Ende bringst. Aber schnell ans Werk, Eile tut not. Vor allem sorge, daß alles unbedingt geheim bleibt und daß auch diejenigen, welche nicht helfen wollen, unbedingt den Mund halten." — „Laß mich nur sorgen, Vater! Diesmal ist Kenfui klüger als der Zauberer. Du sollst mit mir zufrieden sein." Und schon war der treue Bursche vorder Tür. Nun schien sich alles zum Guten zu wenden. Der Weiße durfte wieder hoffen. Ein frohes Gefühl hob seine Brust und die Aussicht auf Erfolg, so unbestimmt sie auch war, zeigte sich auf seinem zufriedenen Gesichte. Ehe er die Pläne weiter erwog, nahm er sein Brevier zur Hand und betete seine Horen. Aber noch war er damit nicht zu Ende, als Kenfui glückstrahlend mit seinem Bruder Lanju zurückkam. Nun mußte der Pater das Gebet aufgeben und freundlich lächelnd reichte er den beiden Burschen die Hand. „Vater," meinte Kenfui treuherzig, „es hat wohl Mühe gekostet, Lanju von unserer Ansicht zu überzeugen, aber jetzt steht er auf unserer Seite und will uns helfen. Doch, Vater, macht er eine große Bedingung." — „Eine Bedingung! Na, dabin ich gespannt." — „Lanju meint, wenn es ihm gelinge, Bindabo zu entlarven, hätte er Anspruch auf eine besondere Gunst." — „Gut," antwortete der Pater, „vom schönsten Stoff, den ich habe..." —. „Ach nein, Vater, so was wünscht Lanju nicht Er möchte dann mit auf dein Gehöft gehen und die Lehre des Großen Geistes uni) die Kunst des Buches lernen." — „Nun ja, Lanju, hier meine Hand drauf, schlag ein! Dann kannst du schon morgen mit mir ziehen. Das freut mich, Kenfui und Lanju, zwei treue Tschoba, kann ich auf meinem Gehöft gut gebrauchen." — Lanju schlug freudig in die dargebotene Rechte ein: „Der Große Geist wird uns das heutige Werk gelingen lassen." —■ „Aber vorerst, Kenfui, wie steht's im Dorfe?" fragte der Missionär. „Überall stehen die Leute zusammen und erzählen von der Angst, die sie ausgestanden, und von den Schrecken der kommenden Nacht. Manche möchten wohl in den Wald fliehen, aber sie meinen, der Geist würde sie auch dort sinden. Allenthalben, bis auf die fernsten Gehöfte hat man die Geisterrufe vernommen und das Licht gesehen und in der Nähe des Häuptlingsgehöftes will man den Geisterfunken sehr lange beobachtet haben. Der Häuptling selbst hat große Angst für sich und die Seinen und hat heute besondere Opfer angeordnet." — „Gut, Kenfui, doch jetzt wird's Zeit. Wie viele Leute müssen wir denn haben?" — ..Zwölf werden genügen", warf Lanju dazwischen. „Die Rufe kamen stets von vier verschiedenen Seiten. Es ist deshalb anzunehmen, daß Bindabo drei Genossen hat. Da aber an jeder Stelle auch mehrere Leute auftreten können, müßten wir wohl vier Gruppen von drei Männern zur Verfügung haben." — „Das ist richtig, Lanju, aber zwölf genügen", entgeg-nete der Weiße. „Je mehr Leute wir auffordern, desto schwieriger wird es, den Plan geheimzuhalten. Versprich jedem, der mittut und den Mund hält, ein neues Lendentuch aus meiner Kiste. Und wenn der Plan gelingt, werde ich mich besonders dankbar und großmütig erweisen." — „Ja — aber — wenn einer, dem wir den Plan auseinandergesetzt haben, nicht mittun will? Was dann?" fragte Lanju besorgt. „Auch der erhält ein Geschenk, wenn er schweigt. Und du kannst ihn mit meinem Donnerrohr bedrohen für den Fall, daß er das Geheimnis enthüllt." Der Missionär ließ sie nun gehen. Unterwegs besprachen sich die Burschen über die Freunde, die ein jeder zu besuchen hatte. „Hoffentlich weigert sich keiner der Angesprochenen," sagte Kenfui. „Hoffentlich!" antwortete Lanju, aber im stillen hoffte er das Gegenteil. Allzu gern hätte er das Donnerrohr des Weißen mal probiert; doch hütete er sich, diesen Gedanken auszusprechen. P. Wildhof betete sein Brevier zu Ende und begab sich dann auf einen Spaziergang durch das Dorf. Er wollte selbst beobachten, wie sich die Tschobaleute nach der angstvollen Nacht verhielten. Vielleicht würden seine zur Schau getragene Ruhe und seine hier und da hingestreuten Worte die bangen Gemüter etwas beruhigen. Doch kaum war er einige hundert Schritte von seiner Hütte entfernt, als Kati ihm nachgelaufen kam und ihm meldete, daß der Häuptling mit seinen Bigleuten gekommen sei und ihn zu sprechen wünsche. „Ha ha!" meinte der Pater, „vielleicht eine sehr höfliche, aber feierliche und bestimmte Aufforderung, das Dorf zu verlassen. Den Gefallen werde ich ihnen aber nicht tun." Mit auffallender Höflichkeit wurde er vom Häuptling und seinem Gefolge begrüßt. Der Pater erwiderte den Gruß und konnte sich in seinem Mißtrauen nicht enthalten zu sagen: „Ich errate schon, was mir so früh am Tage einen so hohen Besuch zuführt, und kann mir denken, daß die Anwesenheit des Weißen im Dorfe nach all dem Vorgefallenen nicht sehr erwünscht ist," — „Weißer, bist du nicht unser Freund?" — „Gewiß, aber auch ein Freund kann einmal lästig fallen." — „Weißer," hob der Häuptling etwas verlegen an, „aufrichtig gestanden, nach der schlimmen Nacht hat wohl der eine oder andere der Big-leute davon gesprochen, dich in aller Freundschaft zu bitten, das Dorf zu verlassen, da deine Pläne ja das Einschreiten des Kenata buafu veranlaßt haben. Dem habe ich ausdrücklich widersprochen und habe, wie alle meine Bigleute versichern können, gesagt, der Weiße könne uns im Gegenteil von großem-Nutzen gegen den Geist sein, denn ich weiß, du hast mächtige Zaubermittel und ein Donnerrohr." — „Es freut mich aufrichtig," gab der Weiße zur Antwort, „das zu hören." — „Ja, und ich bin nach dem Schrecken der Nacht eigens gekommen, mich nach deinem Wohlbefinden zu erkundigen. Ich fürchte nämlich, daß auch du nicht geschlafen hast." — „Danke, Häuptling Majita, aber ich habe, als meine Neugierde befriedigt war, ganz gut geschlafen." — „Wirklich?" tat das Stammesoberhaupt ganz erstaunt, „du hast wirklich schlafen können, wo im ganzen Dorfe keiner ein Auge geschlossen hat?" — „Ja, und sogar ausgezeichnet." — „Hast du denn nicht die Geisterstimme gehört?" — „Doch, und dabei gefunden, daß der Kerl eine gute Stimme hat," erwiderte P. Wildhof schmunzelnd. „Was? Du hast keine Angst vor dem Kenata buafu?" — „Nein, Häuptling! Das Geschrei hat mir Spaß gemacht. Das ist ja zum Lachen. Noch niemals hat ein Weißer einen eurer Geister gefürchtet." — „Oh —oh!" seufzte der Alte bedenklich, „Weißer, du wirst ihn auch fürchten lernen. Denn es ist kein gewöhnlicher Geist, der uns bloß mit Schrecken erfüllt. Es ist der Geist des Todes. Und gegen den Tod hilft auch den Weißen kein Zaubermittel." — „Allerdings, auch ich werde einmal sterben, wenn es dem Großen Geist gefällt, mich zu rufen. Aber fei dessen sicher, Häuptling Majita, ich werde nicht durch euren Schreckensgeist sterben." — „Dann hast du wohl ein mächtiges Zaubermittel dagegen." — „Nein, ich habe keines und brauche auch keines." — „Schade, ich dachte, dein Zaubermittel könnte auch uns mitbeschützen." — „Ich werde euch auch ohne Zaubermittel beschützen. Habt keine Angst. Ich versichere euch, der Geist des Schreckens wird in der kommenden Nacht keinen töten." — „Was, soll das wahr sein?" riefen einige Biglente erstaunt dazwischen. — „Ja, das ist sicher, aber nur unter einer Bedingung: daß ihr Bindabo nichts von mir saget, denn sonst wendet er Zanbermittel an, die meinen Plan durchkreuzen." — „Keine Sorge, Weißer," beschwichtigte der Häuptling, „von unserem Zauberer werden wir sowieso keine Hilfe verlangen, denn gegen den Kenatn buafn sind seine Medizinen machtlos. Aber wie willst du das anfangen? Ich verstehe dich nicht." — „Morgen wirst du es verstehen, Häuptling!" — „Weil wir Vertrauen zu dir haben, sind wir zu dir gekommen in der Hoffnung, deine Zanbermittel wurden uns helfen. Nun, wenn du uns auch ohne diese Medizin beschützen willst, möchte ich dich bitten, für die nächste Nacht auf mein Gehöft zu kommen. Die beste Hütte soll dir eingeräumt werden. Ich fürchte nämlich, daß der Geist des Todes es gerade auf mich abgesehen hat. Wie Kenfui sagt, bist du hundertmal klüger als alle Schwarzen zusammen, auch hast du ein Donnerrohr." — „Ei was, Donnerrohr! Ihr habt doch auch Lanzen, euch gegen den schrecklichen Geist zu verteidigen." — „O, dem können unsere Lanzen nicht schaden: int Gegenteil, die Lanzen würden sich gegen den wenden, der sie geworfen hat. Die Erfahrung hat es uns gelehrt. Wir sind machtlos gegen diesen Geist. Mit deinem Donuerrohr ist es anders, das hat eine laute Stimme, die den Geist vielleicht verscheucht." — „Häuptling," gab der Pater zur Antwort, „leider kann ich diesen gutgemeinten Plan nicht annehmen, denn von deinem Gehöft ans könnte ich deinen Schutz nicht gewährleisten. Vertraue meiner Klugheit und sei ruhig!" — „Ja, sollten deine Worte wahr sein, und ich zweifle nicht daran," erwiderte der Große, „dann bist und bleibst du unser Freund. So wollen wir denn gehen und dir Zeit lassen, deine klugen Pläne zu bedenken." Nach einem kräftigen Händedruck und den üblichen Abschiedsworten zogen der Häuptling und die Biglente sichtlich erleichtert davon, wenn sie sich auch über das „Wie" des Weißen den Kopf zerbrachen. Seine Ruhe und Zuversicht, so merkwürdig sie ihnen auch vorkamen, hatte ihnen die Angst genommen. Er mußte ein sehr kluger und mächtiger Zauberer sein. Immer wieder kamen sie auf seine Kunst des Buches zu sprechen. Die mußte wohl schließlich den Schlüssel des Rätsels seiner Klugheit und Macht enthalten. Jedenfalls, so meinten der Häuptling und seine Biglente, foi es gut, sich die Gunst dieses außerordentlichen Mannes durch ein seines Geschenk zu sichln. Und jeder ging nach Hause mit dem Vorsatz, durch eine wertvolle Gabe die Gunst des Weißen zu erkaufen. Da die Unterredung längere Zeit gedauert hatte, unterließ P. Wildhof seinen Rundgang durchs Dorf, um vor seiner Hütte die Rückkehr Kenfuis abzuwarten. Noch immer schwebte er zwischen Hangen und Bangen. Würden Kenfuis Bemühungen von Erfolg gekrönt sein? Was anfangen, wenn die Tschoba-leute sich feige verhielten? Aber nein, Lanju und Kenfui mußten ihre Freunde kennen. Sie würden schon mittun. Wahrhaftig, da sah der Weiße schon drei Neger auf sich zukommen. Waren das die ersten Helfer? Allein, warum führten sie denn ein Schaf und zwei Ziegen mit? Die Schwarzen grüßten ehrfürchtig, wie vor dem Häuptling, und einer trat vor und sagte: „Weißer, der große Häuptling Majita sendet dir diese Geschenke. Wir sollen sie dir übergeben." — „Geschenke?" fragte der Pater erstaunt. „Was soll ich damit anfangen? Danket dem Häuptling für sein Wohlwollen, aber nehmt die Tiere wieder mit zurück." — „Das dürfen wir nicht, Weißer, wir haben strengen Befehl." So sehr der Weiße sich auch gegen die Annahme des Geschenkes sträubte, dessen Veranlassung weniger dem Wohlwollen als der Angst entsprang, so weigerten die Leute sich doch ganz entschieden, die Tiere wieder mitzunehmen. Sie betonten, wie strenge der Häuptling auf die Ausführung seiner Befehle halte, sie fürchteten seinen Zorn und ließen sich nicht bewegen, seine Anordnung zu übertreten. „Nun ja," meinte der Pater endlich, „dann bindet die Tiere dort au und vergesset nicht, dem Häuptling dafür zu danken." Froh und vergnügt eilten die Leute davon. Kaum waren sie fort, da erschienen zwei andere Neger mit zwei Ziegen. „Hier Weißer, ist ein Geschenk vom ersten Bigmann Minkaim", sagten sie, selber erstaunt über die plötzliche Freigebigkeit ihres Herrn. Vergeblich bemühte der Pater sich, auch sie zur Zurücknahme, des Geschenkes zu veranlassen, und so ließ er denn die beiden Tiere neben den ersten anbinden. „Was die Angst vor dem Schreckensgeist doch Wunder wirkt", schmunzelte der Weiße, der den Grund der erwiesenen Großmut recht gut durchschaute. „Ich steige entichieden im Ansehen. Und wenn ich erst das Schreckensgespenst entlarvt habe, dann werden sie mir mit Leib und Seele ergeben sein. Aber — wo mag Kenfui bleiben?" Ungeduldig schaute er in die Lichtung hinein. Allein, der Erwartete kam nicht. Dafür aber kamen andere mit Ziegen, Hühnern und Nahrungsmitteln. Jeder Bigmann hatte dem Überbringer einen besonderen Auftrag und Gruß an den Weißen mitgegeben. Was sollte dieser mit den Tieren anfangen? Unmöglich konnte er sie mit durch das zerklüftete Gebirge schleppen. Kommt Zeit, kommt Rat, dachte er und nahm die Geschenke mit lebhaften Dankesäußerungen entgegen. Dann aber hatte er sie bald vergessen, da eine Unruhe über Kenfui in seiner Seele Platz ergriff und auch während seines Brevier-betens ihn nicht verließ. Immer wieder schaute er unruhig auf nach jedem Geräusche, das sich in seiner Nähe bemerkbar machte. Aber der Erwartete kam nicht. Eine Weile später jedoch näherten sich Schritte. Es war Lanju, der in Begleitung eines Freundes herbeieilte und froh-bewegt meldete: „Weißer, es wird gelingen. Wir haben Leute zusammen. Zwar hat es Mühe gekostet, sie zu überzeugen, aber schließlich ist's doch geglückt. Nun werden sie nach und nach auf heimlichen Pfaden herankommen. Dort vom Gebüsch her werden sie durch die hintere Türe in den Hofraum eintreten. Denn die Ausführung des Planes muß jetzt noch gründlich überlegt werden. Alles wird geheim bleiben." Dem Pater war ein Stein vom Herzen gefallen bei der frohen Nachricht und dankbar drückte er den beiden die Hand. Allein die Unruhe um Kenfui ließ ihn nicht los. „Lanju, wo aber bleibt Kenfui?" — „Ist der noch nicht hier?" fragte Lanju erstaunt. „Er ist noch zu seinem Freunde Kimja gegangen. Vielleicht widersteht Kimja seiner Überredungskunst, sonst müßte er hier sein." — „Sind die Leute alle zuverlässig, Lanju?" — „Ich bürge für sie. Wir können uns drauf verlassen, von Jugend her haben wir stets in Not und Gefahr zusammengehalten." Die drei begaben sich nun in den kleinen Binnenhof des Gehöftes. Hinter der Hütte lag ein Wäldchen und nebenan eine dichte Bananenpflanzung, durch welche ein wenig betretener Pfad zum andern Dorsteil führte. Nach und nach kamen auch die anderen Helfer einzeln und heimlich und schlichen sich in den von der Außenwelt gut abgeschlossenen Hofraum. Unwillkürlich mußte P. Wildhof an die Rütliszene denken, an die freiheitlichen Verschwörer in der fernen Heimat. Sein Mut und seine Hoffnung schnellten in die Höhe, als er die kräftigen jungen Burschen betrachtete, die alle kampfbereit und verwegen schon mehrereJagdzüge in die gefährlicheUtemba-ebene gewagt hatten. Aber wo nur Kenfni steckte? Sollte ihm ein Unglück zugestoßen sein? Sollte durch einen bedauerlichen Zufall der Plan nicht mehr geheim geblieben sein? Der Pater teilte den Leuten seine Bedenken mit. Die aber meinten, beides sei ausgeschlossen. Und so begann die kleine Runde die Richtlinien des kühnen Unternehmens zu besprechen. Hin und her ging Rede und Gegenrede. Schließlich einigte man sich auf folgenden Plan: Es wurden vier Gruppen gebildet mit je einem Anführer an der Spitze, dessen Anweisungen streng zu befolgen sind. Nach Einbruch der Dunkelheit begeben sich die einzelnen Leute in aller Stille und unauffällig an den Standort ihrer Gruppe. Die erste Gruppe bildet einen Posten in der Nähe des Zuganges zum Häuptlingsgehöft. Die zweite nimmt Aufstellung hinter der Geisterhülte in der Nähe der Gehöfte der Bigleute, die dritte am jenseitigen Eingänge des Dorfes und die vierte im Dickicht, gerade der Hütte des Paters gegenüber. Der Zauberer soll nicht getötet, sondern gefangen werden. Der Anführer trägt deshalb nur eine Keule und einige feste Lianen, die anderen führen Lanze und Dolchmesser mit, um auf alle Fälle vorbereitet zu sein. Alle Möglichkeiten wurden ins Auge gefaßt und reiflich erwogen. Dann mahnte der Weiße die Burschen nochmals zur Zuversicht und zum mutigen Handeln, ein hübsches Geschenk sei ihnen sicher. Und so entließ er sie. Lanju aber beauftragte er, sich bei Kimja nach Kenfui zu erkundigen. Es mußte ihm etwas zugestoßen sein. Sollte er schon in die Hand Bindabos, seines grimmigsten Feindes, gefallen sein ...? Lanjus Gang blieb erfolglos. Kenfui blieb verfchollen. Die Sonne rüstete sich zum schnellen Untergang und sandte ihre letzten Strahlen dem Orte, der einer schrecklichen Nacht entgegensah. Der ruhige Abendhimmel, der heute wie in der ganzen Trockenzeit friedlich und heiter über die Landschaft sich wölbte, bildete einen grellen Gegensatz zu der aufgeregten Stimmung der Tschobaleute, die geschäftig an ihren Hütten klopften und zimmerten. Es galt Türen, Pfosten, Wände mit frischem Bambus und starken Lianen zu befestigen und dem Geiste den Eingang zu wehren. Hier und da lugte noch ein Frauenkops neugierig aus der kleinen Tür- Öffnung heraus. Kinder waren draußen nicht mehr zu sehen. Vereinzelt kam noch ein Mann oder ein Bursche mit einer Kalabasse vom nahen Bach zurück, wo er Wasser zum Kochen und Trinken geholt hatte. Sonst war das immer eine Arbeit für die Kinder, die heute voller Angst in den Hütten blieben. Hinter den Bergen versank die Sonne und mit der Dunkelheit verbreitete sich Todesschrecken in Tschoba. Im Dorse waren alle Hütten fest verschlossen. Nur hie und da drang ein dünner Lichtstrahl durch die Ritzen der Wände ins Freie. Bald verglühen auch die letzten Lagerfeuer und alles Licht verschwindet, um dem Geiste jeden Anhaltspunkt zu nehmen. Aus vereinzelten Hütten bringt noch still verhaltenes Weinen und Wimmern, während die meisten wie ausgestorbeu im Nachtdunkel liegen. In Augst und Bangen harren die Tschobaleute der Ereignisse der Nacht, die so mannigfaltigen Tod in ihrem Schoße birgt. P. Wildhof gleitet mit Lanju und den beiden Gefährten an die Stelle der Hütte gegenüber und wartet dort mit klopfendem Herzen. Auch die anderen Posten sind bezogen. Vorläufig bleibt noch alles ruhig. Nur einige Grillen zirpen im Grase und weit aus der Ferne ertönt irgendwo das dumpfe Bellen der Hundsaffen. „Lanju", flüstert der Missionär dem Nebenstehenden zu, „ich weiß nicht, was ich zu dem geheimnisvollen Verschwinden deines Bruders sagen soll. Ich bin in großer Angst um ihn." — „Ich fürchte auch, daß ihm ein Unglück zugestoßen ist", gab Lanju leise zur Antwort. - „ Hast du eine Ahnung, was wohl mit ihm geschehen sein kaun?" — „Vielleicht hat der Zauberer ihn mit List in seine Gewalt gebracht." — „Ich hatte genau denselben Gedanken. Bindabo ist zu allem fähig. Vielleicht hat er ihn zum ersten Todesopfer dieser Nacht auserkoren." — „Gewiß, Pater", flüsterte der Schwarze. „Bindabo ist ein schlechter Mensch, aber ich nehme an, daß er Kenfui nicht sofort töten wird." — „Weshalb glaubst du das?" — „Mein Bruder ist in den Augen des Zauberers ein schlimmer und gefährlicher Feind. Er haßt ihn seit gestern mehr als die Kantschi. Und deshalb wird er durch langwierige Qualen ihn martern wollen. Sollte aber, was ich noch nicht annehmen kann, Bindabo meinen Bruder getötet haben, Weißer, dann wird Lanju ihn trotz seiner Zaubermittel zu finden wissen. Daun wird das, was er gegen die Blutsfeinde ersonnen hat, ein Kinderspiel sein gegen das, was ich ihm antun werde." — „Lanju, sei ruhig! Nein, Kenfui wird noch nicht tot sein. Und wenn er in der Gewalt Bindabos ist, werden wir ihn noch diese Nacht befreien. Gib gut acht, Lanju, sei vorsichtig und klug, laß dich nicht zu einer voreiligen Tat hinreißen. Zuerst denk an die Gefahr, die uns und dem Dorfe droht. Doch nun wollen wir stillschweigen und warten." Die Zeit schlich trage dahin. Nichts regte sich. Die Leute standen wie Bildsäulen und hielten selbst den Atem an. P. Wildhof schoß der Gedanke durch den Kopf, der Zauberer könne von seinem Plan Wind bekommen haben. Schon wollte er Lanju anreden, da erscholl auf einmal aus dem Walde heraus in ihrer Nähe der dumpfe, hohle Geisterruf: „Mbuä — —- mbuä — — nkia — mbi — mbii —." Die Leute stießen sich an und Lanju flüsterte: „Keuata buafu \“ Wieder war alles ruhig, mau wagte kaum zu atmen.. Die Herzen klopften lauter. Ein aufregender Augenblick für die Schwarzen sowohl als auch für den Pater. Das große Ereignis stand nahe bevor. Nach einer guten Weile vernahm man einen zweiten Ruf aus einer anderen Richtung, mehr vom Häuptlingsgehöft her. Und dann wieder Totenstille rings umher. Was mochten die armen Neger in ihren Hütten ausstehen! Der Todesgeist hatte ihnen den Beginn seines grausigen Handwerkes angezeigt. Etwa fünf Minuten später erscholl ein dritter Ruf in der Ferne und bald darauf ein vierter wieder näher. „Mbuä---------mbuä--------nkia-------mbi— mbi — i —." Diesmal kam er von derselben Stelle, wo man ihn das erstemal vernommen hatte, ganz in der Nähe. Die Wächter fuhren einen Augenblick erschrocken zusammen. Der Pater legte die Hand aufs zuckende Herz, lauschte gespannt und stierte zur Stelle hin, wo der Ruf erklungen. Nichts. Und wieder kamen Rufe aus anderen Richtungen, nur klangen sie noch dumpfer. Lanju flüsterte dem Pater ins Ohr: „Kenata buafu hat drei Helfershelfer. Er ist ganz nahe bei uns." — „Still, still!" machte P. Wildhof und stierte und horchte weiter. Eine kurze Ruhepause. Plötzlich erscholl der Ruf noch lauter als bisher. Die letzten Stellen wurden noch schärfer betont und länger angehalten. Ob das eine Bedeutung hatte? Die Antworten erklangen in derselben Weise. Es mußte in allernächster Nähe sein. Die Spannung stieg. Da — in der Nähe — glüht ein kleiner Leuchtfunke auf. Alle sehen es und schauen auf den leuchtenden Punkt, der zuerst ohne Bewegung dasteht und dann leichte Auf- und Abwärtsbewegungen vollführt. Das Ohr vernimmt kein Geräusch. Kein Blatt bewegt sich. Die „ Stille ist geisterhaft. Die Wächter halten den Atem an. Nun bewegt sich der Funke in lebhaften Kreisen durch die Luft, immer schneller und schneller, dann wieder langsamer. Jetzt steht er wieder still — einige Augenblicke — und verschwindet. P. Wildhos fühlt, wie Lausn vordrängt, doch seine Hand hält ihn zurück. Es dünkt ihm noch zu früh. Wieder einige Rufe in der Ferne. Da erscheint abermals der Funke ganz plötzlich. Langsam kommt er näher, bleibt stehen. 'Nicht mehr als acht Schritte vom Posten entfernt. Er steigt höher, senkt sich wieder, schreibt wieder feurige Kreise in die Luft, senkt sich, steht eine Weile still und schwebt näher — vorüber. Der Pater hört nichts, sieht weiter nichts als den Funken. Aber die Wächter haben ein dunkles Etwas bemerkt, haben Schritte gehört. Der Weiße will ein Zeichen geben und tastet ins Leere. Still, unhörbar, geschmeidig wie ein Leopard ist Lausn dem Funken nachgeschlichen und ehe der Weiße sich bewußt wird, daß Lanjn fort ist, hört er in der Nähe einen dumpfen Schlag. Dann ein merkwürdiges Geräusch, ein Fall. Der Funke fliegt wieder und versprüht in vielen Fünkchen. Jetzt erst merkt der Pater, daß er allein ist. Er hörte leise Stimmen, die Stimme Lanjus, der gedämpft ruft: „Komm, Weißer, schnell!" Schon ist dieser zur Stelle. Ein Streichholz flackert für einige Augenblicke auf und beleuchtet das nächtliche Bild. Der Geist des Schreckens liegt am Boden. Drei Gestalten knien darauf, reißen ihm die Vermummung vom Kopf und schauen in ein Gesicht — „Bindabo," flüstert es wie aus einem Munde. Von der Stirne herab rinnt Blut. Die Augen sind geschlossen. Er liegt wie tot am Boden. Der Pater greift nach dem Puls. Der schlägt noch. Der Zauberer lebt, er ist nur betäubt. Lanjus Keulenschlag hat ihn niedergestreckt. Nun binden ihm die Leute Hände und Füße mit Lianen, stecken ihm ein Grasbüschel in den Mund und tragen ihn etwas abseits ins Gebüsch hinein. Dort mag er erwachen. Das alles war so schnell geschehen, daß alle über das schnelle Werk erstaunt waren. Jetzt erst atmeten sie wie erlöst auf. Lausn drückte dem Pater die Hand: „Weißer, du hast recht gehabt. Wir haben einen guten Fang gemacht." Die frohen Stimmen der wackeren Burschen wurden lauter. „Jetzt gilt's, Kenfui zu suchen", meinte Lanju. Der Weiße aber hielt ihn zurück. „Noch nicht, Lanju. Zuerst denk an Bindabos Helfershelfer. Höre, da rufen sie wieder!" Alle horchen auf. Die Pause wird länger. „Sie warten auf den Ruf Bindabos", sagt Laniu. „Vielleicht wittern sie eine Gefahr. Weißer, soll ich sie täuschen und den Ruf Bindabos nachahmen ?" — „Man wird es merken,Lanju." — „Vielleicht, vielleicht auch nicht. Besser, daß der Ruf etwas anders klingt, als daß er ganz unterbleibt." — „Gut, versuch es." Jetzt stieß Lanju laut den bekannten Geisterruf aus und gab sich Mühe, ihn dumpf erschallen zu lassen. Es gelang ihm nicht ganz. Aber prompt kamen die Gegenrufe ans der Ferne. Sie schienen nichts gemerkt zu haben. Drum spielte Lanju die Rolle Bindabos weiter, immer besser. Nach dem dritten Ruf entstand auf der andern Seite eine Pause. — Der zweite Gegenruf unterblieb und als er endlich erschallte, merkte Lanju, daß es eine andere Stimme war. „Weißer," sagte er, „ich glaube, daß einer der Helfer gefangen ist." — „Weshalb?" — „Hast du nicht gehört, daß eine Pause in den Antwortrufen entstand und dann die Stimme eine andere war?" — „Es ist mir nicht so aufgefallen." — „Ich bin sicher, einer unserer Freunde war's. Der erste Helfer Bindabos ist durch unsere List gefangen!" Die Rufe erfolgten wieder regelmäßig, bis nach einiger Zeit wieder eine Pause entstand. „Weißer, horch!" sagte Lanju, „das bedeutet etwas" Alles horchte gespannt. Ein Gegenruf ertönte. ..Auch das ist eine andere Stimme!" rief Lanju, „die Stimme eines der Unsrigen. Ich vermute, auch der zweite Helfer ist unschädlich gemacht." P. Wildhof hatte keinen Unterschied gemerkt, aber dem feineren Gehör der Schwarzen vertrauend, genoß auch er im voraus das Gelingen seines Planes. Unterdessen beleuchtete ein Streichholz das Gesicht des immer noch ohnmächtigen Zauberers. Lanjus Schlag hatte gut getroffen. Mitleidig verband der Pater ihm die blutende Kopfwunde mit seinem Taschentuch. Merkwürdig, Lanjus Rufe werden nicht mehr beantwortet. Doch vernahm man plötzlich ein lautes Schreien von Frauen und Kindern, ein angstvolles Aufweinen. Auch Männerstimmen klangen dazwischen. Und ein heller Lichtschein flammte jenseits ans. Kein Zweifel, hier hatte der Geist mit seinen Funken das Grasdach einer Hütte angezündet. Und bald darauf vernahm man einen langgezogenen Ruf: „Nkia — a — a — a! Nkia — a — a— a!" Was war das? Hatten die Wächter an einer Stelle versagt? Oder war es der Warnungsruf eines der Zaubergehilfen, der seine Pläne durchkreuzt sah und nun die anderen darauf aufmerksam machte? Die Leute wurden ungeduldig. Lanju erkannte sofort das Gefahrvolle der Lage. „Weißer," sagte er, „der dritte Helfer Bindabos muß die Gefahr erkannt haben. Er ist sicher entkommen und warnt seine Freunde. Mein Bruder ist in Gefahr!" — „Was sollen wir tun?" fragte P. Wildhof. — „Wir binden den Zauberer an einen Baum fest, daß er nicht entweichen kann. Dann eilen wir zum Gehöft Bindabos und versuchen dort, den dritten Helfer Bindabos festzunehmen. Dort wird er gewiß Bindabo erwarten. Vielleicht, daß er dort meinen Bruder tötet oder fortschleppt, um Bindabos Schandtat zu vertuschen. Wir müssen ihm in jedem Falle zuvorkommen." — „Gut, machen wir so", entschied der Weiße. Bindabo wurde mit frischgeschnittenen Lianen an den nächsten Baum gebunden. Sogar um den Mund legten sie ihm eine Liane, die das Entfernen des Knebels verhindern sollte. Schnell und geräuschlos eilten sie dann zum Zaubergehöft, das rechts vom Dorfe lag. In dem eigentlichen Wohn-gehöfte lag alles ruhig. Die Frauen und Kinder hatten sicher keine Ahnung vom Unternehmen ihres Gebieters. Auch sie waren voller Angst vor dem Geist des Schreckens, denn die Türen waren fest verschlossen. Lanju drängte weiter zur eigentlichen Zauberhütte, die dreißig bis vierzig Schritte weiter in einem Bananenwäldchen versteckt lag. Sie lag ruhig da. Doch nein, beim Horchen hörte man im Innern ein leises Stöhnen. „Es ist Kenfui", stieß Lanju hervor. Und schon wollte er die Tür-erbrechen. Allein P. Wildhof hielt ihn zurück. „Geduld, Lanju; Kenfui wird befreit, aber wir wollen uns ruhig verhalten. Vielleicht gelingt es uns, noch einen der Kerle abzufangen." So wartete man gespannt, der Pater, seines hellen Anzuges wegen, hinter einem Bananengebüsch versteckt. Zehn lange Minuten mochten vergangen sein, da wurde auf dem Wege zur Hütte ein Lichtfunke sichtbar und kam näher, blieb dann stehen. Der Funke verschwand wieder. Man hörte dann ein lautes Räuspern, als wenn die Gestalt auf Antwort wartete. Als diese aber unterblieb, hörte man die Gestalt schnell davoneilen. Lanju schlich ihr nach, kam aber bald zurück, ohne etwas gesehen zu haben. Nun begann die Untersuchung der Hütte, aus der man das Stöhnen bemerkt hatte. Die fest verrammelte Tür gab endlich den Stößen nach. Ein Streichholz erhellte den Raum und enthüllte ein schreckliches Bild. An dem Pfosten, der in der Mitte das Dach stützte, fand mau den Vermißten an Armen und Füßen gefesselt. „Kenfui, Kenfui," rief Lanju, „wir sind da, dich zu befreien!" Aber keine Antwort ertönte, denn Bindabo hatte ihm den Mund mit einem Knebel aus Tuchfetzen verstopft. Ein scharfes Dolchmesfer trennte die Lianen, die sich tief in das Fleisch eingeschnitten hatten. Der Gefesselte sank kraftlos in die Arme des Paters. Während man schnell das Hüttenfeuer anzündete, entfernte Lanju den Knebel und legte den fast Ohnmächtigen auf die an der Wand stehende Schlafpritsche. Nach einigen Minuten stammelte Kenfui: „So ist nun der Schreckensgeist gefangen?" — „Ja, Kenfui, er und seine Gesellen." — „Dann ist alles gut, dann bin ich zufrieden und kann mein Unglück leichter tragen." —■ „Welches Unglück?" forschte Lanju erregt. — „Meine Blindheit." — „Blindheit? Du bist blind, Bruder? Was sagst du, Kenfui, du bist blind?" — „Ja!" — Lanju war außer sich vor Schmerz und Wut. „Armer Kenfui, armer Bruder!" schrie er immerfort, während P. Wildhof und die Freunde jetzt die blutunterlaufenen starren Augen des daliegenden Kenfui schmerzbewegt erforschten. „Bruder," rief Lanju nun, „du wirst nicht für immer blind sein!" — „Doch, Lanju, für mein ganzes Leben! O, wie meine Augen schmerzen. Es ist, als wäre Feuer darin. Das Gift ist scharf. O, wie es brennt! O, meine armen Augen!" — „Das tat Bindabo!" rief Lanju dazwischen. „So höret nun, was ich sage. Wenn du blind bist, dann soll auch Bindabo das Licht der Sonne nicht mehr schauen. Hundert-und tausendmal soll er für deine Schmerzen büßen. Kenfui, das geschieht, so wahr ich dein Bruder bin!" — „Nein, Lanju, das wirst du nicht tun. Bindabo wird der gerechten Strafe nicht entgehen", mahnte P. Wildhof, indem er den vor Zorn Bebenden zurückhielt. „Die Tschobaleute werden ihn richten." — „Tu es nicht," flehte auch Kenfui, „deine Nachegedanken sind nicht gut. Höre auf den Weißen Vater! Der Große Geist will nicht, daß man Böses mit Bösem vergelte." Lanju hörte es nicht mehr. Schon war er fort in die dunkle Nacht hinaus. Von Rachegedanken getrieben, stürmte er tote eine Antilope dahin, sein grausiges Werk zu vollbringen. P. Wildhof erschauderte bei dem Gedanken und machte sich Vorwürfe, daß er ihn nicht mit Gewalt daran gehindert hatte. „Er ist fort, Kenfui," sagte er, „wir konnten es nicht verhindern. Deine Worte waren die eines Christen. Gott segne dich dafür." Und dann ließ er sein Herz überfließen. Wie eine Mutter beugte er sich über den Kranken und träufelte den Balsam des Trostes in seine Seele. Und der arme Junge erzählte ihm kurz sein Mißgeschick. Auf dem Wege zu seinem Freund Kimja war er plötzlich auf einem stillen Pfade dem Zauberer begegnet, der sofort über ihn hergefallen war. Trotz heftiger Wehr war Kenfui von ihm überwältigt und in die Zauberhütte geschleppt worden. „Ich erhielt", erzählte er, „einen wüsten Schlag auf den Kopf, der mich zwar nicht betäubte, mir aber die Widerstandskraft raubte. Ich lag bald gefesselt und geknebelt in der Hütte. Da neigte der Bösewicht sich über mich und träufelte mir das stärkste Gift in die Augen. Ich schrie, jammerte und krümmte mich vor Schmerz; aber es war geschehen. Und der Unhold höhnte noch, daß es so jedem ergehe, der ihm Feind sei. Noch andere Qualen drohte er mir an. Tag und Nacht wolle er mich quälen, dafür, daß ich versucht hatte, seine Macht zu brechen und ihm den Tschobastamm abspenstig zu machen. Und er fügte hinzu, er sei klüger als der Weiße; auch du würdest seine Rache erfahren und das erste Todesopfer des Schreckensgeistes sein; dann sagte er: ,der Schreckensgeist bin ich, ich Bindabo'. Das war sein letztes Wort; dann schloß er die Hütte zu und ließ mich in meinen Schmerzen an dem Pfosten hängen. Weißer Vater, nun bin ich froh, daß du gerettet bist." — „Armer, guter Kenfui," tröstete der Pater weiter, „der Große Geist hat ein Opfer von dir verlangt, aber er hat es gesegnet. Sei ruhig, ich werde dir nie vergessen, was du für mich und die Sache Gottes getan hast. Das Augenlicht kann ich dir leider nicht wiedergeben, denn ich sehe, das Gift hat gründlich gewirkt, aber ein anderes Licht werde ich dir geben." -— „Was denn, Vater? Sag' mir das Wort des Trostes!" — „Deine körperlichen Augen sind nun erblindet, ich will dir dafür die Augen der Seele öffnen, damit du eine neue Welt siehst, die deine Brüder noch nicht sehen. Diese ist viel schöner, als was du bisher geschaut. Ein helleres Licht wird dir leuchten als das Licht der Sonne, es ist das Licht des Glaubens. Es wird deine Seele hell und zufrieden machen. Und wenn du einst als Christ sterben wirst, dann wird das Licht des Himmels dir leuchten immer und ohne Ende. Denn dort im Himmel, wo der Große Geist dich erwartet, wird keine Finsternis, kein Leid, keine Träne, kein Schmerz mehr sein. Da ist nur Freude und Glück und Herrlichkeit ohne Ende. Und dieses Himmelslicht ist um so schöner, je dunkler und trostloser unsere Erdentage gewesen sind. Das ist mein Trostwort, mein lieber Kenfui." Der arme Blinde ergriff dankbar des Paters Hand und drückte sie tiefgerührt: „Diese Worte tun mir wohl. Ich werde sie behalten. Auf deinem Missionsgehöft habe ich schon einen Blick in diese neue Welt getan und meine Augen find schon halb geöffnet. O mein Vater, öffne sie mir ganz, öffne sie mir bald und mache ein Kind Gottes aus mir!" — „Ja, Kenfui, sobald wir im Missionsgehöfte sein werden, dann soll die Taufe dir die Gnade und Liebe des Großen Geistes schenken. Aber du weißt schon, daß ein Christ auch seinen Feinden verzeihen muß. Auch du mußt jeden Groll gegen Bindabo in deiner Seele unterdrücken." — Der Kranke seufzte: „Ja, Vater, das will ich tun. Und ich habe es schon getan. Als der Zauberer mir das Gift in die Augen geträufelt und die häßlichen Worte sprach, da habe ich ihn gehaßt. Ich hätte ihm alles Böse angetan, wenn ich gekonnt hätte. Da dachte ich nicht an die Macht des Großen Geistes, ich zweifelte daran. Zorn, Haß und Verzweiflung erfüllten mein Herz. Ich tobte und raste. Als dann die Nacht hereinbrach und die Geisterrufe ertönten, da freute ich mich, daß das Schicksal über den Zauberer hereinbrechen würde. Und als nachher die Rufe ausblieben und unregelmäßig wurden, ahnte ich, daß unser Plan gelungen war. (Fortsetzung folgt.) etgentümer^ei'ai^e^r und B^cle^er:^MtsstonshM>.S,^der SöEjne heiligsten Herzens Jesu in Graz, Paulustorgafse 10. — 8- üstqrta" in fSta/.' * * 8 ^ ^ “