Bezugspreis ganzjährig mit Poifzuiendung 50 K — 5 Ulk. — 3 hire. Katholische üliHionszeitidirift Ericheint monatlich und wird vom ÜMionshaus IUeiiendort bei 6raz, Steiermark, herausgegeben. Redigiert von P. Beinritfi Wohnhaus P. 8. C. Der Beilige Vater Pius X. hat der Redaktion, den Abonnenten und Wohltätern den flpoiioliichen Segen erteilt. Für Wohltäter werden wöchentlich zwei heilige Meilen geieien; Mi! Empfehlung der hochwürdiglten Oberhirten von Brixen, Brünn, Sraz, iieitmeritz, Icinz, Oimütz, Marburg, Crient, Crieif und Wien. Beit 11 und 12. ilovember — Dezember 1922. XXV. Jahrgang- fr M Die [M[ions=3uMäumsti?oche in flachen. ■V > (3.-10. September 1922.) JJ In der Januar-Februar-Nnunner unserer Zeitschrift wurde auf die großen Missivns-gedenktage dieses Jahres hingewiesen, nämlich die Errichtung der Propagandakongregation am 22. Juni 1622, die Heiligsprechung des Franziskus Xaverius am 12. März 1622 und die Gründung des allgemeinen Vereines der Glaubensverbreitung am 3. Mai 1822. Fast in allen katholischen Ländern fanden im Laufe des Jahres Missions-Jubiläumsfeiern statt. Einen großartigen und glänzenden Verlauf nahm die in der Missionsstadt Aachen abgehaltene Jubi-lüums-Missionswoche, veranstaltet von den sechs wichtigsten, deutschen Missionsorganisationen: dem Missionsausschuß der Katholiken Deutschlands, dem Verein der Glaubensverbreitung, dem Werk der heiligen Kindheit, der Missions-Superiorenkonferenz, dem Priestermissionsverein und dem Institut für missionswissenschaftliche Forschung. Während der Jubiläumswoche wurden zwei Mijsionslehrkurse gegeben, der eine für Priester, der andere für Lehrer und Lehrerinnen. Vom hochwürdigsten Episkopat hatten sich eingefunden der Kardinalerzbischof Dr. Schulte von Köln, Weihbischof Straeter, Armeebischof Jöppen, Missionsbischof Wolf, 8. V. D., von Zentral-Kapland, der neuernannte Apostolische Vikar von den Sunda- inseln Verstraelen, 8. V. D., der Bischof von Chur Schmid von Grüneck und Bischof Nommesch von Luxemburg. In 18 Sälen des Kaiser-Karl-Gymnasiums war eine reichhaltige, von fast allen missionierenden Gesellschaften Deutschlands beschickte Missionsausstellung untergebracht. Der 10. September wurde in allen Kirchen der Stadt als Missionssonntag gefeiert. Die Reden, Lichtbildervorträge und die Ausstellung zeigten, wie zahlreich heute wieder deutsche Glaubensboten unter den Heidenvölkern aller Erdteile die frohe Botschaft der Erlösung verkünden, trotz Versailles und Valutanot. Die kirchlichen Feiern. Am 2. September wurden die in Köln befindlichen Reliquien des hl. Franz Xaver nach Aachen überführt, am Hauptbahnhof von Bischof Wolf unter großer Assistenz abgeholt und in der nahegelegenen Marienkirche zur Verehrung des Volkes dargeboten. Im Münster hielt Weihbischof Straeter ant folgenden Tage ein feierliches Pontifikalamt, dem mehrere Bischöfe und Äbte, die Spitzen der Behörden und die Missionsorganisationen beiwohnten. Nachmittags entfaltete sich vor der Marienkirche eine gewaltige, farbenprächtige Prozession, um die heiligen Reliquien, die von acht Missionären getragen wurden, zur St.-Michaels-Kirche zu begleiten, wo sie bis zum Schlüsse des Missionskongrcsses ausgestellt blieben. An dem Zuge beteiligten sich die Bischöfe.und Äbte mit Mitra und Stab, die Missionsgesellschaften in ihren malerischen Ordenstrachten und die katholischen Vereine mit Fahnen und Abzeichen. Es war ein herrliches Schauspiel, das alle mächtig ergriff und in aller Herzen glühende Missionsbegeisterung weckte. In seiner Festpredigt stellte Weihbischof Straeter die Missionswoche und die Stadt Aachen unter den Schutz des Apostels von Indien und Japan. Aus dem ganzen Rheinland, aus Luxemburg, Belgien und Holland strömten die Gläubigen herbei, um vor den heiligen Reliquien zu beten. Jeden Morgen las dort ein Bischof oder Abt eine feierliche heilige Messe. Die Abendpredigten hielten tüchtige . Kanzelredner. Am 10. September wurden die Reliquien in ebenso eindrucksvoller Prozession, diesmal von Jesuitenpatres getragen, wieder zur Bahn gebracht' und unter bischöflichem Geleite nach Köln zurückgesandt. Die Missionsrede des Kardinals Schutte von Köln. In der ersten öffentlichen Versammlung hielt Fürst Alois zu Löwenstein, der Präsident der Missionswoche, eine großzügige, begeisternde Rede und begrüßte die anwesenden Bischöfe, die Vertreter der Staatsregierung, der städtischen Behörden und des Auslands. Hierauf ergriff der Kardinal Schulte von Köln das Wort zu einer hochbedeutsamen, programmatischen Rede über die Förderung des katholischen Missionswerkes, in der er den unbeugsamen Missionswillen der deutschen Bischöfe und der deutschen Katholiken zum Ausdruck brachte. Wir lassen die Ausführungen des hohen Kirchenfürsten im Wortlaut folgen: „Die Aachener Missionswoche persönlich zu begrüßen und ihr die herzlichsten Wünsche mit auf den Weg zu geben, gilt mir als eine liebe und ehrenvolle Oberhirtenpflicht. Möge mit Gottes Gnade und unter der fürbittenden Hilfe des heiligen Franziskus Xaverius, dieses nach dem Völkerapostel größten Heidenmissionärs, die Aachener Missionswoche ihr hohes Ziel erreichen. Möge die Woche ihr Ziel erreichen, indem sie unter Deutschlands Katholiken, besonders aber unter den berufensten Missions-sreunden, unter Lehrern und Lehrerinnen, unter Priestern und Ordensleuten für den friedlichen Kreuzzug des Glaubens gegen den Unglauben neues Verständnis und neuen Eifer und neue Tatkraft weckt. Der Verein der Glaubensverbreitung, von dem unser ikaverinsverein in Aachen den deutschen Zweig darstellt, schaut heute auf 100 Jahre weltumspannender, segensreicher Missionsarbeit zurück, und die hiesige deutsche Leitung des Kindheit-Jesu-Vereines zählt bereits 75 Jahre ruhmvollster Missionsbeteiliguug von seiten unserer deutschen katholischen Kinder. Da erachte ich's als meine Pflicht, bei dieser festlichen Gelegenheit herzliche Jubiläumsglückwünsche zu entbieten und vor allem im Namen unserer heiligen katholischen Kirche zu danken, sowohl denen, die sich die Sorge um das Wohl und Wehe der katholischen Missionen durch Förderung des ^averiusvereins,bzw. Kindheit-Jesu-Vereines zur Lebensaufgabe gemacht haben, als auch denen, die freudig ihre freie Zeit um Gottes Lohn in den Ehrendienst der Glaubensverbreitung gestellt haben. Tief aus der Seele kommt mir das Gebet, Gott der Herr wolle allen verstorbenen und lebenden Förderern und Mitgliedern des Laverius- und Kindheit-Jesu-Vereius vergelten und lohnen, was immer sie in guter Meinung für die Ärmsten der Armen in den Missionen getan haben und was sie noch tun, um die Heiden aus der trostlosen Wüste des Aberglaubens und der Lasterhaftigkeit zu retten und zu der immer grünenden, immer neues Leben spendenden und auf ewig beglückenden Weide des guten Hirten hinzuleiten. Die Mission ist der Idealismus des Christentums. An dieses bekannte schöne Wort wird man wieder und wieder erinnert bei dem Gedanken an die in den letzten Jahren geradezu wunderbaren Erfolge der deutschen Zweige der beiden genannten Weltmissionsvereine sowie der MissionsVereinigung für Frauen und Jungfrauen. Daß aus unserem deutschen Vaterlande den katholischen Missionen gerade während und nach dem Kriege die Gaben und Opfer reichlicher und bereitwilliger denn je zugeflossen sind, daß dies geschah, trotz unserer eigenen immer drückender gewordenen Not und Armut und trotz der Wegnahme unserer sämtlichen überseeischen Kolonien und trotz der Vertreibung unserer deutschen Missionäre aus ihren aufblühenden Missionsgebieten — dies bietet wirklich ein ergreifendes Bild edelsten christlichen Idealismus! Gott Lob und Dank, daß unser katholisches Volk in Deutschland gerade in dieser Zeit noch von solchem Idealismus beseelt ist. Gewiß leben wir in einer fürchterlichen Zeit — von Schmach und Schande, von Unglauben und Unzucht von Selbstsucht und Habgier, von Menschenhaß und Völkerfeindschaft wird sie immer noch mehr verdunkelt und verdüstert — aber Gott Lob und Dank, wenn Missionsbegeisterung auf Glaubenstreue schließen läßt und Missionssinn auf Opfcrsinn und Missionsliebe, auf reine Gottesliebe und uneigennützige Menschenliebe, dann winken doch noch einige helle und freundliche Hoffnungssterne für die Zukunft unseres armen Volkes. Ferner, wenn die freie und freudige Hilfe unseres katholischen Volkes in Deutschland für das Werk der Glaubensverbreitung Wohltun ist,Wohltun aber Zinsen trägt, dann wird auch bei diesem Wohltun, bei dieser Karitas sich zeigen, daß ihre Gaben nicht nur den Empfängern Segen bringen, sondern auch den Spendern. Unser katholisches Volk dafür gewinnen und begeistern, denen, die noch in Finsternis und Todesschatten sitzen, das Gnadenglück des heiligen Glaubens zu bringe», heißt auf jeden Fall zugleich das katholische Bewußtsein unseres Volkes selber für alle seine eigenen Lebenslagen wecken und es wirksam stärken zur katholischen Treue in Wort und Tat, in Bekenntnis und Wandel, zur unbedingten katholischen Treue inmitten all der unheimlichen Kräfte und Mächte, die es heutzutage zur Treulosigkeit verführen wollen. Der Gedanke, daß Missionsbegeisterung und katholische Glanbenstreue, Missionssinn und katholischer Opfersinn, Missionsliebe und echte sir' N§j MM ^ IM M Ein Uganda-Missionär bei seinen Neubekehrten. katholische Gottes- und Nächstenliebe in unlöslicher Verbindung zueinander stehen, daß überhaupt die Wohltätigkeit zugunsten der Glaubensverbreitung einer gesamten katholischen Lebensauffassung förderlich ist und zum Segen gereicht, dieser Gedanke läßt mir auch die da und dort auftauchende Befürchtung als unberechtigt erscheinen, es könnte etwa des löblichen Eifers für die Heidenmission zuviel werden und es könnten darob speziell die beiden anderen gewaltigen Zeitaufgaben des deutschen Katholizismus, den Diasporakatholiken und den katholischen Ausländsdeutschen zu helfen,vernachlässigt werden. Ich bin der Überzeugung, daß ein für die Glaubensverbreitung interessiertes und begeistertes katholisches Deutschland nicht leicht Gefahr läuft, das Glaubensleben in der eigenen Heimat aus dem Auge zu verlieren und der eigenen Brüder zu vergessen, die in Diaspora und Ausland auf unsere Hilfe so Bitternötig angewiesen sind. Wahrhaft katholisch ist ja auch nur jene Auffassung von dem Missionsauftrage Christi, die ihn, wie Fürst Löwenstein in München vor wenigen Tagen erst mit Recht betont hat, in untrennbarer Einheit die Fürsorge für die Heiden wie für die Christen, für die äußere wie für die innere Mission umfassen läßt. So dürfen wir also, ja so müssen wir denn trotz der finanziellen und religiösen Not im eigenen Lande und bei den eigenen Landsleuten in' echt christlichem Idealismus der Kirche, der mit der friedlichen Waffe der Wahrheit gegen das Heidentum streitenden Kirche ein möglichst starkes und tüchtiges Heimatheer zur Verfügung stellen. I s Trotz unserer jämmerlichen Valuta dürfen und wollen wir deutsche Katholiken bei dem heiligen Wetteifer nicht fehlen, der einen neuen Missionsfrühling heraufführen will und der jetzt überall in der katholischen Christenheit freudig an die Arbeit geht. Jetzt erst recht soll sich das Wort bei uns bewähren: „Die Mission ist der Idealismus des Christentums!" Unser Heiliger Vater, der erst jüngst dem Verein der Glaubensverbreitung mit einer neuen Verfassung offiziell den katholisch-universalen Charakter aufgeprägt hat, er soll seine helle Freude haben an der Promptheit und Exaktheit, mit der wir deutschen Katholiken uns und unsere Missionsorganisationen auf seine Apostolischen Intentionen einstellen. Möge denn gleich einen schönen Beweis hierfür erbringen die bevorstehende Aachener Missionswoche mit all ihren verschiedenen Veranstaltungen, besonders mit ihren missionswissenschaftlichen Kursen für Lehrer und Lehrerinnen, für Priester und Ordensleute! Die Mission ist der Idealismus des Christentums. Das Reich Christi auf Erden und das Reich des Antichrist, das Reich desjenigen, den die Heilige Schrift den Fürsten der Finsternis und den Fürsten dieser Welt genannt hat: wie auf Leben und Tod stehen sich heute diese beiden Reiche, diese beiden Weltauffassungen im Kampfe gegenüber. In solcher Zeit und in solchen Verhältnissen bekommt wieder mancher ( gedankentiefe Satz des großen hl. Augustinus aus seinem Buche „Über den Gottesstaat" eine neue .Aktualität, mancher Gedankentiefe Satz über die Voraussetzungen des Völkerglücks und des Staatswohles und über die in dieser Hinsicht alles überragende Bedeutung der Kirche Jesu Christi. „Das ist die beste Gesellschaft," sagt Augustinus, „deren Königin die Wahrheit, deren Gesetz die Liebe, und deren Zweck die Ewigkeit ist." Müssen wir da nichballe demütig danken, daß Gott der Herr aus freier Gnadenwahl und ohne unser Verdienst uns dieser besten Gesellschaft zugeführt hat? Und wollen wir nicht alle unsere Dankbarkeit dadurch zeigen, daß wir, dem Missionsauftrage Jesu Christi entsprechend, jene beste qller Gesellschaften, in der Wahrheit, Liebe, Ewigkeit maßgebend sind, möglichst weit in der Welt durch Wort und Tat, durch Bekenntnis und Wandel bekanntmachen und so der Gnade Gottes bei möglichst vielen Mitmenschen nach dem Maße unseres Vermögens die Wege ebnen? Ja, wir wollen es, und mit dieser Gesinnung und Entschließung, mit diesem Idealismus im Herzen wollen wir die Missionswoche beginnen und durchleben, dann wird ihr auch die Approbation von oben, der Segen Gottes, an dem alles gelegen ist, nicht fehlen, der Segen Gottes für unsere Person und für unsere Sache." (Begeisterter, stürmischer Beifall.) fr ... ............... ■ Zur Jahrhundertfeier des Pereins der ßlaubensuerbreitung. _____________—... & Der weltumspannende Verein der Glaubensverbreitung entstand im Jahre 1822 zu Lyon in Frankreich. Es war eine Zeit des tiefsten Niederganges der katholischen Missionen, verursacht durch die Aufhebung der Gesellschaft Jesu, die Wirren der Französischen Revolution, den Kampf Napoleons gegen den Heiligen Stuhl und den Sturz der beiden katholischen Seemächte, Spanien und Portugal. Als nach der Verbannung Napoleons ruhigere Tage kamen, wurde auch der Missionsgedanke wieder in Tausenden von Herzen lebendig. Junge, edelgesinnte Priester zog es zur Ferne, in die Länder der Heiden und Ungläubigen. Die göttliche Vorsehung belohnte den neuerwachten .Missionseifer, indem sie einen Verein ins Leben treten ließ, der jahrzehntelang die Hauptunter- stützungsquelle für die katholischen Missionen sein sollte. Eine schlichte Kaufmannstochter aus Lyon, Pauline Jaricot, gründete 1819 einen Sammelverein für die asiatischen Missionen des Pariser-Seminars, der 1820 bereits 1000 Mitglieder zählte. Die Mehrzahl von ihnen waren Arbeiterinnen in einer Seidenfabrik. Einige Jahre früher hatte Bischof Dubourg von New Orleans in den Vereinigten Staaten zu Lyon die Bildung eines Missionsvereins für feine ausgedehnte Diözese in Anregung gebracht. Eine Dame, namens Petit, gewann einen kleinen Kreis von Missionsfreunden für das von Bischof Dubourg geplante Werk. Bei einer gemeinsamen Besprechung am 3. Mai 1822 erklärte einer der Teilnehmer, Benoit Coste, er trage sich seit Jahren mit dem Gedanken, einen Verein zum Besten aller Missionen zu gründen. Dieser Vorschlag fand allgemeinen Beifall. Fräulein Pauline Jaricot war alsbald bereit, ihre eigene Vereinsschöpfung mit dem von der Versammlung beschlossenen allgemeinen Missionsverein zu verschmelzen. Ihr Verein wurde damit die Grundlage des Werkes der Glaubensverbreitung, das am 15. März 1823 die Genehmigung des Papstes Pius VII. erhielt. In den folgenden Jahren fand der Verein der Glaubensverbreitung Eingang in Belgien, der Schweiz, Deutschland, Italien, England, Holland, Portugal und den überseeischen Ländern. Die Jahreseinnahme betrug 1837 schon mehr als eine Million Franken. Im ersten Jahrhundert seines Bestehens hat der Glaubensverein mehr als 500 Millionen Franken für die Missionen gesammelt. Auch die deutsche Diaspora wurde von ihm alljährlich mit Gaben bedacht. Durch einen Erlaß unseres Heiligen Vaters Pius XI. vom 3. Mai wurde die Hauptleitung des Vereins von Lyon-Paris nach N o m verlegt und der Propaganda unterstellt. Diese Neuordnung verfolgt den Zweck, die Leistungs-sühigkcit des Vereines noch mehr zu steigern und ihm auf dem ganzen katholischen Erdkreis weiteste Verbreitung zu sichern. Die deutschen Zweige des Vereins der Glaubensverbreitung sind der Franziskus Xaverius-Missionsverein und der bayrische Ludwigs-Missionsverein. Über die Bedeutung des Vereins der Glaubensverbreitung in der Vergangenheit und Gegenwart schreibt die „Missions- und Auslands-Korrespondenz": „In den ersten sechzig Jahren des Vereins konnten die Heidenmissionen sich nur ganz allmählich wieder von ihrem Niedergang erheben. Entsprechend der geringen Zahl des Missionspersonals und der langsamen Missivnsentwick-lung waren die Auslagen der Missionen verhältnismäßig bescheiden. So konnten die von ihm und seinem jüngeren Bruder, dem Verein der heiligen Kindheit, gespendeten Gaben vielleicht den größeren Teil des Jahresbvdgets mancher Missionen decken. Für diese Zeit hat daher der Ehrenname eines „Brotvaters der Missionen", den die Dankbarkeit der Missionäre dem Lyoner Verein verlieh, seine geschichtliche Berechtigung. Als jedoch die Kolonialära (1884), die Antisklavereibcwegung (1888) und das rapide Wachstum der protestantischen Missionen ein beschleunigtes Tempo in der Ausdehnung der katholischen Missionen hervorriefen, vermochte der Glanbensverein mit dieser Entwicklung nicht gleichen Schritt zu halten. Jahrzehntelang erreichte seine Jahreseinnahme nur selten mehr als sieben Millionen und überschritt erst 1912 acht Millionen Franken = 6,400.000 Mark. Da er überdies nicht nur die Heidenmissionen, sondern auch die Orientmission, die nordamerikanischen und australischen Kolonistendiözesen, ja sogar die deutsche Diaspora zu unterstützen hatte, konnte der allgemeine Missionsverein den besser entwickelten Sprengeln der Heidenmission nur vielleicht Vis ihres Jahresbudgets zuwenden. Dieses mußte daher zu einem Teile von anderen Missionsvereinen oder durch staatliche Unterstützungen (z. B. in Britisch-Jndien) oder, wie bei den deutschen Missionen, zum größeren Teile von den Missionsgesellschaften selbst aufgebracht werden. Diese zum Verständnis der Missionslage unerläßliche und sehr beachtenswerte Feststellung darf indes nicht zu einer Verkennung der überaus großen Verdienste des Glaubensvereins führen. Er hat Jahrzehnte hindurch allein und dann zusammen mit dem lieblichen Kindermissionsverein die Fahne der Heidenmission hochgehalten. Er hat durch seine internationale Richtung den Missionsgedanken über den katholischen Erdkreis verbreitet zu einer Zeit, wo dieses hohe Ziel von keiner andern Seite angestrebt wurde und — was von größter Bedeutung war — durch seine enge Verbindung mit der kirchlichen Organisation sowohl dem Heiligen Stuhle wie auch dem Episkopate immer neuen Anlaß zur amtlichen Empfehlung des Missionswerks gegeben, wodurch wiederum die Pfarr-geistlichkeit zur Missionsfürsorge angeregt wurde. Die Jahrbücher des Vereins bildeten für lange Jahrzehnte fast die einzige allgemein zugängliche Quelle der Missionsgeschichte des 19. Jahrhunderts, die seit 1868 wesentlich ergänzt wurde durch die Lyoner Wochenschrift „Les Missions Catholiques“ und die bald darauf erscheinenden anderssprachigen Ausgaben, vor allem durch die bestredigierten „Katholischen Missionen". Ähnlich wie die Annalen des Kindheit-Jesu-Vereins haben diese Organe zahlreiche Missionsberufe geweckt und bestärkt. Die Älteren unter uns, die an der Heraufführung der jüngsten Missionsära mitgewirkt, haben wohl alle noch ihre erste Missionsliebe vor allem aus den Jahrbüchern der Glaubensverbreitung geschöpft. Viele Missionsstationen, Kirchen und andere Anstalten wurden ganz oder teilweise ans den Mitteln des Vereins erbaut, viele Missionspriester und Katechisten in allen Ländern durch ihn erhalten, viele Hunderttausende in Hungersnot durch seine Spenden a.us bitterster Not errettet. Was alles der Verein der Glaubensverbreitung, seine Leiter, Förderer und Mitglieder geleistet haben, das ist mit goldenen Lettern in das Ehrenbuch der katholischen Misstonsgeschichte eingetragen und wird dem ältesten Missionsvereine für alle Zeiten die wärmste Sympathie der Katholiken der ganzen Welt sichern. . . An den Folgen des verlorenen Krieges hat auch der deutsche Glaubensverein wie das ganze Vaterland zu tragen. Seine Auslagen sind um ein Vielfaches gestiegen, seine Einnahmen sehen ihren Wert durch den Tiefstand der Valuta beeinträchtigt, wenn sie ja auch zu Anschaffungen für die Missionen in der Heimat Verwendung finden können und somit den direkten Valutaverlusten nicht unterworfen sind. Aber nach den achtjährigen Entbehrungen der Kriegs- und Nachkriegszeiten haben unsere deutschen Missionsbischöfe und Apostolischen Präfekten unmittelbare Hilfe für die dringendsten Aufwendungen in den Missionen selbst bitter nötig. Immer dringender wird daher die Notwendigkeit, unseren armen deutschen Missionen Unterstützungen in ausländischer Valuta zu sichern. Wenn je, dann ist in unseren Tagen die Aufrechthaltung des internationalen Charakters der allgemeinen Missionsvereine und damit die Gabenverteilung aus einer gemeinsamen Kasse mit ausländischer Währung ein unabweisbares Erfordernis. Dazu kommen noch die wachsenden Existenzschwierigkeiten der heimatlichen Missionshäuser, denen sowohl der Taverius-Verein wie auch der Ludwigs-Missionsverein dankenswerte Beihilfe geleistet haben. Es steht zu hoffen, daß, nachdem nun der Zentralsitz des Weltvereins von Lyon nach Rom verlegt und der direkten Oberleitung der Propaganda unterstellt ist, die deutschen Missionen eine ihren außerordentlichen Valutaschwierigkeiten entsprechende Unterstützung finden werden. Diese internationale Hilfe wird den deutschen Missionen um so eher und lieber gewährt werden, je deutlicher die Zunahme der deutschen Vereinsmitglieder beweist, daß die deutschen Katholiken, wenn auch ihre Valuta entwertet ist, doch an Eifer für das Missionswerk sich von keiner ; andern Nation übertreffen lassen. . . ." Der Katholikentag zu München und die Millionen. Auf der 62. Generalversammlung der Katholiken Deutschlands sprach Fürst Alois zu Löwen-stein in der ersten öffentlichen Versammlung über die Missionsaufgaben der deutschen Katholiken. Wir veröffentlichen im folgenden einen kurzen Auszug aus der großangelegten Rede des bestbekanuten Missionsapostels: „In den Abschiedsworten des Heilandes an seine Jünger, mit denen das Mattbäusevangelium schließt, hat die katholische Kirche von jeher den Missionsauftrag Christi erkannt. Den Auftrag, der gesamten Menschheit die Glaubenslehre, das Sittengesetz und die Gnadenmittel ihres göttlichen Stifters zu bringen. Zu den Völkern, die des Glaubens, der Sitte und der Gnaden des Gottessohnes bedürfen, zählen auch die, denen das Evangelium schon gepredigt wurde. Die Aufgabe der Kirche ist nicht beendet in dem zeitlich bestimmbaren Augenblick, in dem ein Volk erstmals dem Christentum gewonnen wurde. Die Kirche wäre nicht die treue Vollstreckerin des Testamentes Jesu Christi, wenn sie neben der Weiterverbreitung des Glaubens nicht auch dessen Erhaltung, Befestigung, Vertiefung in den christianisierten Völkern mit der ganzen Fülle ihrer wunderbaren Kraft erstrebte..." Redner wandte sich dann in längeren Ausführungen zunächst der Heiden mission zu und bemerkte unter anderem: „Zu den Hindernissen, die der Verbreitung des Christentums durch die Natur der Dinge und durch die Halsstarrigkeit der Menschen immer entgegengestellt werden, sind neue hinzugekommen. Der Krieg hat mehreren hundert Glaubeusboteu und Tausenden von angehenden und zukünftigen Missionären das Leben gekostet. Der wirtschaftliche Niedergang Europas hat die finanzielle Missionskraft der Katholiken auf einen Bruchteil ihrer Leistungsfähigkeit herabgedrückt, Stern der Neger 87 Heft 11 und 12 Während von den mächtigsten Stützen der protestantischen Mission Großbritannien seine starke Stellung auf dem Geldmarkt behaupten konnte und die Vereinigten Staaten von Amerika zu ungeahntem Reichtum emporkamen. Und mit der Ungunst der Verhältnisse hat die Bosheit der Menschen sich verbündet. Der Vertrag von Versailles, dieses große Corpus injuriae, hat zu den Opfern seines krankhaften Hasses auch die deutschen Missionäre erkoren. Entgegen dem dringenden Widerspruch des Papstes wurde den Alliierten die Befugnis eingeräumt, den wichtigsten heidnischen Völkern, die insbesondere im gesamten Mohammedanismus kocht. Wir stehen im Entscheidungskampf zwischen Christentum und Islam, zwischen Christentum und aller Abgötterei. Alle Hilfskräfte der Kirche bis zu den letzten Reserven müssen in den Kampf. Werfen wir einen Blick auf die Kräfte, die Deutschlands Katholiken stellen können! Am Anfang, in der Mitte und am Ende des Kampfes ist und bleibt unsere stärkste Waffe das Gebet. Aber nicht nur durch Gebet kann Der Missionär wird mit einer Schale Milch bewirtet. jeden deutschen Missionär auszuweisen, und in ausgedehntestem Maße haben sie davon Gebrauch gemacht. Ich weiß, daß ich nicht für meine Person spreche und auch nicht für diese Riesenversammlung, sondern im Namen aller Katholiken Deutschlands und jedes gerade denkenden Menschen, wenn ich in dieser Stunde erneut gegen den Schmachparagra-P h e n von Versailles p r o t e st i e r e. So sabotiert die siegreicheFreimaurereidas Missionswerk der katholischen Kirche in einem Zeitpunkt, der mit Recht eine Entscheidungsstunde der Weltmission genannt wurde. . . Ein anderes Moment von höchster Bedeutung ist die geistige und nationale Gärung, die unter das katholische Deutschland den Kampf der Kirche unterstützen, auch Truppen kann es senden, erstklassige Truppen. Wir deutschen Katholiken sind stolz auf unsere Missionäre! Und wir danken ihnen, daß sie mit unerschütterlichem Mute treu durchgeholten haben in dieser. für sie so furchtbar schweren Zeit und daß ihr apostolischer Geist sie schon wieder hinausführt, allen Hindernissen zum Trotz, zu neuen Eroberungen für den Heiland. Neben Gebet und dem Einsatz der eigenen Person können die deutschen Katholiken das Missionswerk der Kirche auch durch ihre Almosen unterstützen. Um die finanziellen Kräfte eines Volkes für die Mission mobil yt machen, bedarf es vor allem einer gesunden und straffen Organisation. Sie wird uns geboten in den Missionsvereinen. Redner gedachte eingehend der außerordentlichen Verdienste von folgenden vereinen: Franziskus - Laverius - Verein, Ludwigs - Missions-Verein, Kindheit-Jesu-Verein, Missionsvereinigung katholischer Frauen und Jungfrauen, St. - Petrus - Claver - Sodalität, Akademischer Missionsverein, Missionsverein katholischer Lehrer und Lehrerinnen, Unio cleri pro missionibus, Unterstützungsvereine der einzelnen Missionshäuser. Missionsberufe, Mis-sionsalmoseu,. Missionsgebet, alles, was der Katholik seiner Kirche bieten kann an natürlicher und übernatürlicher Kraft zur Erfüllung des Heilandsbefehles, ist letzten Endes eines und dasselbe: die Frucht echt katholischen Geistes. Die Pflanzstätte dieses Geistes aber liegt in der Heimat. . ." Eingehend behandelte bann der Redner die Heimatmission, insbesondere die furchtbare Not der Diaspora. „Uns selbst muß es klar werden, daß trotz unseres wirtschaftlichen Elends und des Verlustes von drei Millionen katholischer Deutscher durch den Gewaltspruch In dem Schweizer Dorfe Seewis, Kanton Graubünden, hatte am 24. April 1622 der hl. Fidelis von Sigmaringen aus dem Kapuzinerorden im Dienste der neugegründeten Propagandakongregation durch die Hände der Kalviner den Märtyrertod erlitten. Zur würdigen Feier seines dreihundertjährigen Todestages und des Propagandajubilüumswurdevom5.bis7.August zu Maria-Eiusiedeln, dem altberühmten Gnadenorte, ein allgemeiner Volksmissionskongreß abgehalten, dessen Besucherzahl 6000 betrug Gleichzeitig tagten der Priestermissionsbund und die Missionsvereinigungen der Studenten und Lehrer. Die hochwürdigsten Bischöfe von Chur, St. Gallen und Lugano nahmen an der Veranstaltung teil. Außerdem waren anwesend Erzbischof Jaquet von Salamine und Missionsbischof Hennemann von Süd-Kapland. Alle Missionssragen der Gegenwart wurden in deutschen und französischen Sonderversammlungen von hervorragenden Rednern ausführlich behandelt. In eindrucksvoller Rede erhob der Bischof von Chur, Dr. Georg Schmid von I feindlicher Mächte, wir deutsche Katholiken, und nur wir allein, verantwortlich sind für die Seelen der Diaspora-Katholiken. Darum großherzige und freigebige Unterstützung des Bonifatius-vereins. In Bayern, auf der dritten Generalversammlung der Katholiken Deutschlands zu Regensburg 1849, wurde er gegründet. Möge in Bayern auf der 62. Generalversammlung zu München der Bonifotiusverein zu mächtig aufblühendem Leben neu geboren werden! Es wird so viel vom Wiederaufbau Deutschlands gesprochen. All die Mittel und Mittelchen sind wertlos, ■ Deutschland geht unrettbar verloren, wenn es nicht von innen heraus, d. h. in innigstem Anschluß der Seelen an Gott den Schöpfer und Christus den Heiland, gesundet. Den deutschen Katholiken ist die Rettung des Vaterlandes in die Hand gegeben, denn sie sind im Vollbesitz der Wahrheit und der Gnadenmittel. Katholiken Deutschlands! Werdet fest im Glauben, schützt den Glauben eurer Brüder und tragt den Glauben hinaus in alle Welt! So wirkt ihr mit am Aufbau Deutschlands und der Menschheit und erfüllt zu eurem Teil den Missionsauftrag Jesu Christi." Grün eck, Einspruch gegen die Knebelung der Missionsfreiheit durch den Versailler Friedensvertrag und legte dem Kongresse folgende, einmütig angenommene Entschließung vor: „Der zweite in Einsiedeln versammelte Missionskongreß spricht sein Bedauern darüber aus, daß die dem Papste ausschließlich zustehende Jurisdiktionsgewalt über die katholischen Missionen in den verschiedenen Erdteilen durch den Artikel 438 des Versailler Vertrages geschmälert worden ist. Der Kongreß legt Verwahrung ein gegen diese Verletzung jener Freiheit und Unabhängigkeit, mit welcher Christus seine Kirche ausgestattet hat. Möge die Zeit nicht mehr ferne fein, da die Machthaber erkennen, daß die Missionäre, die der Papst in die Heidenländer entsendet, keine Aufrührer sind, sondern Verkünder des Evangeliums, Vertreter der Autorität und Pioniere christlicher Bildung und Kultur." Besonderen Wert legte der Kongreß auf die Weckung und Förderung der Missionsbegeisterung in der Kinderwelt. „Die eifrige Pflege Der zweite Schweizerische niiiiionskongrefj in ülarichEiniiedeln. ^ ....... ................................................................. -V des Missionsgedankens in Familie und Schule ist dringend notwendig und ein gottgewolltes Werk von hoher erzieherischer Bedeutung." Der von Lehrer Seiler aus Mogelsberg gestellte Antrag empfiehlt den katholischen Familien: 1. in den Gebeten der gemeinsamen Hausandachten ist auch der Mission zu gedenken; 2. jedes Kind sollte sofort nach der Taufe in den Kindheit-Jesu-Verein eingeschrieben werden; 3. jede Familie sollte eine Missionskasse führen; 4. in jede Familie gehört eine Missionszeitschrift und ein Missionskalender, deren Inhalt in geeigneter Weise im Familienkreise besprochen werden sollte; 5. bei Abfassung von Testamenten und Zuweisung von Legaten sollen Katholiken die Missionen nicht vergessen. °Die kirchliche Weltmission muß auch im Unterricht berücksichtigt werden. Deshalb wird empfohlen: 1. der Missionskunde ist in der Schule alle Aufmerksamkeit zu schenken. Sie bildet kein eigenes Fach, ist aber überall dort einzureihen, wo sich Anknüpfungspunkte finden lassen; 2. in jede Schulbibliothek ist auch Missionsliteratur aufzunehmen; 3. jede katholische Schule sollte gleichfalls eine Missionskasse besitzen. Das katholische Schweizervolk läßt sich an Missionsbegeisterung und Missionsopfersinn von den Katholiken anderer Länder nicht übertreffen. Mit sicherem Blick hat es die vermehrten Missionsaufgaben erkannt, die ihm die Gegenwart stellt. Schweizer Kapuziner haben im Vorjahre in Ostafrika das Missionserbe der Benediktiner von St. Ottilien angetreten. Schweizer Jesuiten haben die von den deutschen Jesuiten während des Krieges zwangsweise verlassene Mission von Bombay-Puna in Indien vor dem Untergang bewahrt. Die große-Missionshoffnung der Schweiz ist das Missionshaus Bethlehem zu Jmmensee, das vom Heiligen Stuhl am 30. Mai 1921 zum „Schweizer-Seminar für die auswärtigen Missionen" erhoben wurde, damit auch „aus dem edlen Schweizervolk" zahlreiche Glaubensboten in die Heidenwelt ziehen. In Bethlehem studierten im letzten Jahre 150 Missionszöglinge. Das neue Missionspriesterseminar wird bei Beginn des Schuljahres im ehemaligen Exerzitienhaus St. Josef zu Wolhusen, Kanton Luzern, mit 25 Theologen eröffnet. Die fruchtbaren Anregungen und Beschlüsse des Missionskongresses in Einsiedeln werden die blühende Missionsbewegung in der Schweiz gewiß noch mehr vertiefen und in weitere Kreise des Volkes tragen. Wahl der neuen Generaloberin der SL=Pefrus=Claver=Sodalifäf. Zur Nachfolgerin der am 6. Juli zu Rom verstorbenen Gräfin Maria Theresia Ledöchowska, Gründerin und Generalleiterin der Petrus-Claver-Sodalität, wurde am 16. September in Rom Gräfin Marie Falken Hayn erwählt. Die neue Generalleiterin, einem alten österreichischen Adelsgeschlechte entsprossen, im Jahre 1865 geboren, verbrachte seit ihrem Ein- tritte in die Sodalität die meisten Jahre im Generalratshause zu Nom, war langjährige Assistentin und Sekretärin der Verewigten und als solche eingeweiht in die Absichten, Richtlinien und Tätigkeit der Gründerin. Möge Gott nun auch ihre Arbeiten und Sorgen für die Seelenrettung Afrikas mit seinem Segen befruchten! Die Kindererziehung bei den Arabern Kordoians« Von P. Otto Buber. Talismane für die Kinder. Neugeborene Kinder weinen. Bis zum siebenten Tage gibt man dafür als Ursache an, sie seien unzufrieden mit ihrem Lose. Im Mutterschoße nämlich sollen sie das Licht Gottes gesehen haben, und bei ihrem Eintritt in diese Welt seien sie in ein Reich der Finsternis gekommen, wo allerhand Elend und der Tod ihrer harren. Am dritten Tag nach der Geburt erscheint der Fakih (mohammedanische Geistliche). Er schreibt zwei Talismane, die dem Kind je an der rechten und an der linken Hand um den Puls befestigt werden. Auf den Talismanen, die für einen Knaben bestimmt sind, ist auf der Außenseite zu lesen: „Gott verleihe dir, daß du zu den Tüchtigen zählest." Die für ein Mädchen tragen die Worte: „Gott verleihe dir, daß du zu den Sittsamen zählest." — Die Eltern sehen es sehr gerne, daß ihre Kinder diese Talismane mit Geduld und Ehrfurcht tragen. Jedoch es geschieht regelrecht das Gegenteil. Den Kleinen behagen nämlich diese lästigen Bande an ihren Händchen nicht. Sie arbeiten daran mit Fingernägeln und Zähnen, um sie loszuwerden. Man sucht zwar, sie zu hindern, jedoch es hilft wenig. Die rastlosen Kleinen zupfen und rupfen so lange, bis die Talismane ihre Gestalt verlieren und endlich als zwecklos weggeworfen werden müssen. Wird ein solches Kind im späteren Leben ein nichtsnutziger Mensch, so schreibt man es diesem Umstande zu und man sagt zu ihm: „Kein Wunder, daß aus dir ein Taugenichts geworden ist; du hast schon als Kind deine Talismane verbissen." Ist das Kind ein Jahr alt, so wird es mit einem neuen Talisman versehen. Er ist mit Leder überzogen und hängt über der Brust bis zum Unterleib herab. Dazu kommt, ein aus dünnem Silber verfertigtes Plättchen mit der Inschrift: „Schutzmittel für N. (Namen des Kindes), Sohn von (Namen des Vaters). Gott behüte dich." Das Kind trägt das Zaubermittel an einem Schnürchen um den Hals und kann auf solche Weise nicht verlorengehen, wenn es sich verirren sollte. In späteren Jahren kommt ein neuer Talisman hinzu, der in der rechten Armhöhle getragen wird. Das Band, an dem er befestigt ist, geht über die Schulter. Die kleinen Kinder erfreuen sich der Gesellschaft der Engel, Schon am siebenten Tage beginnt die besorgte Hebamme, dem Wickelkinde Erziehungslehren zu geben. Sie versetzt in dessen Nahe dem Mörser mit einem Stampfeisen einen Schlag. „Tang", ertönt es mächtig, und die Hebamme sagt zum Kleinen: „Hör' deine Mutter an!" — „Tang", ertönt es von neuem, und sie fährt weiter: „Hör' deinen Vater an!" Zum dritten Male sagt sie: „Hör' deinen Onkel von mütterlicher Seite an!" Zum vierten Mal: „Hör' deinen Onkel von väterlicher Seite an!" Damit ist aber des Klopfens noch kein Ende. Die Hebam,me schlägt überdies morgens und abends mit einem Eisenstäbchen auf einen schallenden Gegenstand, und zwar vom siebenten bis zum vierzigsten Tage, damit das Kind die Furcht ablege. Dies geschieht nur bei Knaben. Wenn die Sonne untergeht, soll bis zum Erscheinen der ersten Sterne kein Kind gestillt werden. Es komme sonst ein böser Charakter heraus. Geschieht dies dennoch aus Versehen und artet dann das Kind zu einem schlimmen Menschen aus, so sagt man zu ihm: „Du Elender, du bist mit der Abendmilch gestillt worden." Neugeborene Kinder erfreuen sich, bis sie die ersten Zähne erhalten, der Gesellschaft der allerkleinsten Engel. Von dem Lallen der Kleinen und von ihren Bewegungen mit Händchen und Füßchen entnimmt man, daß sie mit den Englein verkehren. Diese treiben mitunter auch Scherz mit ihrem Schützlinge, indem sie sagen: „Deine Mutter ist tot." Da lächelt das Kind und antwortet: „Soeben hat sie mich gestillt; wie kann sie tot sein?" Andere Male sagen sie scherzend: „Dein Vater ist gestorben." Da fängt der Kleine zu weinen an. Man beschwichtigt ihn und sagt zu ihm: „Glaub' es nicht! Dein Vater ist am Leben, und deine Verwandten ebenso." Hat das Kind das Alter von etwa einem Jahr erreicht, so gesellen sich die mittleren Engel zu ihm. Sie unterhalten sich mit ihm, spielen mit ihm und verbleiben bis zum Alter von sieben Jahren. Dem erstgeborenen Kinde, sei es ein Knabe oder ein Mädchen, wird besondere Aufmerksamkeit geschenkt; denn es heißt, es sehe bis zum siebten Jahre in die Zukunft. — Fragt man es: „Wann kommt dein Vater von der Reise zurück?" und antwortet cs zum Beispiel: „nach drei Tagen", so rechnet man damit. Manchmal spielt es am Boden, vergräbt ein Stück Holz oder einen Stein im Sande und sagt: „Es ist einer gestorben." Wird das Kind zufällig beobachtet, so befragt man es: „Was soll das bedeuten?" Es antwortet: „Ich weiß es nicht." Stirbt aber nach einiger Zeit jemand ans der Familie, ans der Verwandtschaft oder Freundschaft, so heißt es: „Das Kind hat es vorausgesehen." Wie bemerkt, haben die neugeborenen Kinder die kleinen Engel als Gesellschafter. Diese sind von entzückender Anmut und strahlen in blendend weißem Glanze. Jedoch die allerliebsten Engelein werden bisweilen von Hunger, von Durst und Ermüdung befallen. Sie erheben ihre Schwingen und fliegen heim ins schöne Paradies. Dort genießen sie als Speise die köstlichsten Früchte und löschen ihren Durst am himmlischen Freudenborn, zalali genannt. Dessen Wasser sind weiß wie Milch, süß wie Zucker, duftend wie Rosen, durchsichtig wie Kristall. Dann verfallen sie in einen sanften Schlummer beim süßträumerischen Gesang der Himmelsvögelein. Der Teufelsglaube der Araber. Unterdessen kriechen häßliche Gestalten aus den Erdschichten heraus, die dem kleinen Kinde nachstellen. Das sind die Teufel. Auch nach der mohammedanischen Lehre sind sie gefallene Engel. Sie sollen zwei Gattungen angehören. sich gehörig aus. Sie fressen diejenigen, die an solchen Tagen sterben. Während des ganzen Ramadan, das heißt des Fastenmonates, waren ihnen die Schnauzen zugebunden worden. Sie haben infolgedessen nach beendigtem Fasten grimmig Hunger und fressen buchstäblich alles, was in ihren Bereich kommt. Deshalb sagt das arabische Sprichwort: „Wer am Ramadanfeste stirbt, fällt den höllischen Hunden als Frühstück anheim." m0rk si ‘ Mi Neger bei der Feldarbeit. Die mohaminedanische Geistlichkeit weiß nämlich zu berichten, daß einige von ihnen seit Anfang der Menschheit gefallen sind. Das sind die alten Teufel. Sie haben im Verlaus der Zeit soviel Übel angestiftet, daß der erzürnte Gott sie wegen ihrer Missetaten zu Hunden mit glühenden Augen umgestaltet und in die Hölle verbannt hat. Sie heißen „Höllenoder Feuerhunde". Zweimal im Jahre erhalten sie Erlaubnis, auf der Welt herumzuziehen, nämlich am Ramadan- und am Tahia-Feste. Ersteres dauert drei, letzteres vier Tage. Bei dieser Gelegenheit toben sie Andere Engel sollen erst im Laufe der Zeiten gefallen sein. Das sind die neuen Teufel. Sie haben sich also weniger vergangen. Während des ganzen Fastenmonates müssen sie zwar beständig in der Hölle bleiben, sonst aber halten sie sich gewöhnlich in den sieben Erdschichten auf, die nach mohammedanischer Auffassung unter dieser Welt sind. Sie heißen deshalb „die Bewohner der Erdschichten", zum Unterschied von den Menschen, die „Weltbewohner" genannt werden. Diese Teufel ziehen frei auf der Erdoberfläche umher und bleiben mit Vorliebe in der Wüste, tvo sie mit Hühnereiern spielen. Sie versuchen die Menschen und sind den kleinen Kindern gefährlich, die noch nicht das Alter von einem Jahr erreicht haben. Wie man die Kinder vor den bösen Geistern schützt. Zum Schutze gegen sie dienen folgende Gegenstände: 1. Ein Gebetsrosenkranz. Er wird dem Kinde um den Hals gelegt. Dessen Körner müssen unbedingt aus Jasorholz sein, denn nur dieses besitzt eine besondere Kraft gegen' den Teufel. Jede andere, wenn auch kostbare Holzsorte und selbst Elfenbein würde zu diesem Zwecke unbrauchbar sein. 2. Kaffeebohnen. Diese nehmen im mohammedanischen Alltagsleben eine wichtige Stelle ein. Sie sind bei den frommen Muselmännern hoch in Ehren, da sie in enger Beziehung zum Propheten Mohammed stehen. Ein Verwandter desselben, nämlich „el faitD a6u Hasan", hatte gemäß der islamitischen Überlieferung für das aus den Kaffeebohnen bereitete Getränk eine ausgesprochene Vorliebe und soll auch den Bohnen selbst eine besondere Segenswirkung verliehen haben. Die Bekenner des Islam nennen deshalb den Bohnenkaffee „schadeli atm Hasan", und sie schlürfen fleißig das feurige und aromatische Getränk eingedenk ihres großen Vorfahren. Die kleinen Kinder sollen ebenfalls der segenspendenden Wirkung dieses Gewächses teilhaftig werden. Man wickelt deshalb einige Kaffeebohnen in einen Fetzen ein und legt sie neben das Kind hin. Sie werden auch an einem Faden aufgelesen und am Hals oder an den Händchen befestigt. 3. Ein Koranbuch und 4. endlich ein Teller aus Messing. Das kleine Kind soll nie allein sein. Entfernt sich die Mutter, so läßt sie eines der größeren Geschwister zurück, damit das Kleine beim Erwachen jemanden bei sich hat. Bleibt es zufällig allein, so ziehen die Teufel ums Bettchen herum und erschrecken es. Sie können sich ihm aber nicht nähern wegen der erwähnten Schutzmittel. Sollte es aus Versehen allein und- entblößt von jeglichem Schutze sein, so stehlen es die Teufel und legen eines der ihrigen, dem fie genau dasselbe Aussehen geben, anss Bettchen hin. Die neuen Teufel nämlich sind nach Meinung der Muselmänner verheiratet und haben auch Kinder. Das Teufelskind wird an folgenden Merkmalen erkannt: Es bekommt einen ungemein dicken Kopf. Die Glieder werden schwach und schmächtig. Es gibt ein schwaches Weinen von sich und kann mit zwei Jahren noch nicht reden und gehen. Im Falle eines fehlerhaften Kindes befürchten die Eltern sehr, daß der Teufel ihnen eines der f einigen gegeben habe. Man macht die Probe und sucht ein altes, verfallenes Grab auf. Das Kind wird bei Beginn der Nacht hineingebracht. Daneben legt man sieben Kabsk-Laibchen. Sie sind gebacken aus Homosmehl. Homos ist eine Hülsenfrucht jener Länder. Dazu stellt man auch ein kleines Gefäß mit Wasser. Man läßt das Kind die ganze Nacht dort. Gehört es dem Teufel, so holt er es. Oft fällt es aber einer Hyäne zum Opfer. Findet man es mit nächsten Morgen noch, trägt man es nach Hause. Nach ein paar Tagen stirbt es. Wie die Mutter den Teufel versöhnt. Mitunter ereignet es sich, daß ein Araberkind auf den Boden fällt. So was trägt sich ja allenthalben zu, und die Mutter kommt rasch herbeigeeilt und richtet ihren ungeschickten Kleinen wieder auf die Beine. Die Arabermutter aber läßt ihr Kindlein trotz seines argen Schreiens für eine Weile auf dem Boden liegen. Warum? Ist sie vielleicht lieblos? Durchaus nicht. Jedoch die arme Frau hat Kmnmer wegen des Mißgeschicks ihres Kleinen. Er ist nämlich auf das Teufelskind gefallen, das unter dem Boden wohnt, und hat es ant Kopf unsanft berührt. Letzteres hat erbärmlich geschrien und auf das Geschrei hin kam Papa Teufel, zu sehen, was los sei. Erzürnt über das freche Menschenkind, das seinem eigenen Kinde eine Beule am Kopf beigebracht, hat er es ergriffen und hält es fest. So ist also nach Meinung der armen Arabermutter die Sachlage, und das muß richtig sein; denn so glaubt man in der ganzen Nachbarschaft und Umgebung, und genau dasselbe lehrt auch der wundertätige und vielwissende Scheich Salmon, ein Licht und eine Stütze der mohammedanischen Religion. Nun tritt an die Frau die Aufgabe heran, den Teufel zu besänftigen, damit er ihr Kind loslasse, ohne ihm zu schaden. Sie spricht also über dasselbe die übliche Beschwörungsformel aus. Sie lautet: „Der Name (Segen) Gottes sei über dir! Du bist auf deinen Bruder gefallen, der besser ist als du." Papa Teufel vernimmt die Lobesrede, die seinem Kinde gespendet wird. Er ist damit versöhnt und zufriedengestellt. Das Menschenkind kann nun ruhig aufgehoben werden, ohne doß es Schaden erleidet. Die Mutter ergreift es mit beiden Händen am Hinterkopfe und gibt ihm einen tüchtigen Ruck. Hierauf zieht sie es langsam erst am, einen, dann am andern Ärmchen in die Höhe. Zum Schlüsse gießt sie etwas Wasser an der Stelle aus, wo das Kleine gefallen ist. Papa Teufel wäscht damit seinem Sprößling den Kopf ab und zieht ihn bei den Ohren, indem er zu ihm sagt: „Du dummer Junge, paß' auch du ein anderes Mal mehr auf", und so ist die Streitfrage beigelegt. Versöhnt aber die Frau aus Vergeßlichkeit den Teufel nicht, so-erbricht das Kind die Milch und erkrankt. Während sie es vom Boden aufhob, hat zu gleicher Zeit auch der Teufel daran gezogen und ihm Schaden zugefügt. Man sagt: „Das Kind ist berührt (beschädigt) worden." Die Frau bereut ihre Vergeßlichkeit und macht sich sofort ans Werk, um die schlimme Berührung von seiten des Teufels unschädlich zu machen. Sie zerstößt wohlriechende Henna und Mahlabkörner und Gewürznelken, begossen mit Sandelöl, ohne dabei den Namen Gottes auszusprechen. Sie fügt der Masse etwas Wasser bei, tut sie in ein Schüsselchen hinein und stellt es unter das Bettchen, gerade unter den Kopf des Kindes. Genau mittags wird die Masse ausgegossen, und zwar au der Stelle, wo das Kind fiel. Auch die vier Ecken des Zimmers und des Hofes werden damit bespritzt. Ebenso geschieht es auch mit Zuckerwasser. Der Teufel, der gerade zur Mittagszeit auf die Erdoberfläche kommt, wird durch all diese Wohlgerüche versöhnt und hört auf, dem Kinde weiterhin zu schaden. Es wird gesund. Ohne Aussöhnung mit dem Teufel stirbt das Kind. Strenge Erziehung. Die Erziehung der Knaben ist Aufgabe des Arabervaters. Er ist strenge und macht Gebrauch vom Stocke, wenn es nötig ist. Einem Knaben, der sich bös veranlagt zeigt, widerfährt eine besondere Strenge. Auch die Fußfesseln bleiben ihm nicht erspart, denn sein Vater will aus ihm einen brauchbaren Menschen machen. Selbst der verheiratete Sohn, der bereits Familienmann geworden ist, steht in gewisser Beziehung noch unter seinem Vater. Treibt er dumme Streiche, so wird er von ihm gehörig zurechtgewiesen und jedermann billigt das. Will er den Vater nicht anhören, so verklagt ihn dieser beim Stammeshäuptling. Verreist der Vater oder ist er tot, so waltet ein männlicher Verwandter seines Amtes. Er tut es gewissenhaft. Es ist eine Ehre für einen Araber, Knaben, die er selbst nicht erzeugt hat, eine gute Erziehung zu geben, und es wird ihm allenthalben dafür Lob und Anerkennung zuteil. Wachsen Knaben unter einer fremden Hand zu tüchtigen Jünglingen heran, so geht es von Mund zu Mund,- und es heißt: „Der Tod wurde zuschanden gemacht und die Kleinen erzogen." Die Knaben haben großen .Respekt vor ihrem Vater. In dessen Gegenwart sitzen sie ehrfurchtsvoll auf dem Boden. Sie wagen es nicht, ihm zu widersprechen oder ins Wort zu fallen, und dürfen nicht mit ihm speisen. Kehrt er von einer Reise zurück, so küssen sie ihm die Hand. Die Arabermutter gilt für unfähig, Knaben zu erziehen. Ein mißratener Jüngling muß sich sagen lassen, er sei von seiner Mutter erzogen worden. Man wirft ihm das Schmähwort hin: „Frucht der Weibeserziehung." Es liegt der Frau die Erziehung der Mädchen ob. Sie bringt ihnen ein züchtiges, zurückhaltendes Benehmen bei. In Anwesenheit des Vaters oder sonst eines männlichen Verwandten müssen sie sich zum Zeichen der Ehrfurcht das Haupt mit einem Tuche bedecken. Die Ernährung der Kinder. Was Nahrung anbelangt, werden die Kinder schon frühzeitig an die Kost der Erwachsenen gewöhnt. Etliche Araberstämme leben vorzüglich von Milch. Zum Abendessen kommt auf den Kopf eine Schale von ungekochter Schafsmilch. Die Kleinen haben gesunde Mägen und gehörig Appetit. Außer der Milch möchten sie auch etwas anderes haben und weinen. Jedoch niemand schenkt ihnen Aufmerksamkeit, und sie müssen sich mit ihrer Milch begnügen. — Die Regenzeit bringt unter anderm zahlreiche Küfer ins Dasein. Sie sind fingerlang, dick, von rotbrauner Farbe und heißen abu denka. Affen und Vögel vertilgen viele davon. Diese schönen, fetten Käfer sind gewiß auch für uns Menschen geschaffen, meint der Steppenbewohner und sammelt sie ohneweiters von den Bäumen. Die Hausmutter röstet sie unter der heißen Asche, und ein Töchterlein stellt die zubereitete Speise gleich gerösteten Kastanien in . einem aus Pflanzen geflochtenen Körbchen vor ihren Papa hin. Dieser hat sich indessen mit einem Holzstäbchen die Zähne geputzt. Er reißt dem gerösteten Käfer Kopf und Flügel ab. Die Beinchen haben sich beim Rösten bereits abgetrennt. Mit seinen schönen, weißen Zähnen beißt er in den Rumpf der Käfer hinein, mit demselben Appetit wie der Europäer in einen reifen Apfel, und vertilgt einen nach dem andern. Dabei kommen ihm alte Erinnerungen in den Sinn. Er hat nämlich an größeren Orten Fremde mit Weißen Gesichtern gesehen; ihr Leben und Treiben beobachtet. O, wie unbehilflich und ungeschickt sind diese armen Weißen, sagt er zu sich selbst. Diese können keinen Bissen verzehren, ohne Geld auszugeben, und was essen sie? Sie essen oft Schachtelzeug, das wer weiß wie alt und von welchen Händen zubereitet worden ist. O, wie sind doch wir Araber viel besser daran. Wir essen frische Speisen, die nur die Hausfrau zubereitet hat. Wir fühlen uns dabei wohlund geben keinen Heller aus. Diese großen, weißen Leute sind nicht einmal fähig, Feuer anzuzünden. Sie brauchen dazu besondere, winzige Hölzer, die sie ebenfalls kaufen. Bei uns weiß jedes Kind von acht Jahren mehr. Er reibt zwei Hölzlein, die auf unserem heimatlichen Boden wachsen, aneinander und hüt nach ein paar Minuten Feuer. Das Kochen selbst ist bei uns eine ganz einfache Sache, denn Brennholz haben wir in der Nähe unserer Wohnungen im Überfluß. Aber die armen Weißen geben viel Geld dafür aus. Holz haben sie keines, sie müssen es kaufen und auch noch für den Lastesel zahlen, der es ihnen von weither bringt. Bisweilen brennen sie auch schmutzige Kohlen, die ihnen ein sonderbarer Karren, von dem wir nicht genau wissen, ob er lebend sei wie wir Menschen, oder ob er vom Teufel getrieben werde, herbeizieht (Lokomotive). — Seit etlichen Jahren durchquert nun dieser unheimliche Karren unser Land. Als er zum ersten Male nach Omm Rauaba, einer unserer größten Ortschaften, kam, gingen die gläubigen Muselmänner zu ihm hin, ihn zu begrüßen, und sagten: „Der Friede sei mit dir, o Herr Dampfer. Brav, du bist gut gelaufen. In einem halben Tag bist du vom Nil hiehergekommen, während wir drei Tage dazu brauchen. Aber man sieht es dir an, daß du müde bist." Und was hat auf diesen schönen Gruß der Herr Dampfer geantwortet? Er hat geräuschvolle, übelriechende Ausdünstungen fahren lassen, hat ein wüstes Gebrüll von sich gegeben und ist davongelaufen, indem er den ganzen Weg entlang Unrat fallen ließ. Nein, solch eine Ungezogenheit hätten wir nicht erwartet. Mit Recht haben aber unsere Dorfvorsteher beim großen Türken zu El-Obeid (Gouverneur) Klagen eingereicht, weil der Herr Dampfer ihnen das ganze Land beschmutze, und ihn ersucht, er möge dem Unfug abhelfen. Er solle dem Dampfer eine gehörige Anstandslehre geben, daß er seinen Unrat an einer Stelle allein abwerfe und sich sonst reinlich benehme. Aber es hat nichts geholfen. Und der Steppenmann schüttelt das Haupt und schließt: Recht hat unser großer Scheich Idris, der behauptet, daß alles, was nicht im Koran steht, nichts wert ist. Unter solchen Erwägungen hat der Arabervater ein Paar Dutzend Käser verspeist. Er überläßt das übrige seiner Familie. Die Hausmutter ruft nun ihre Kleinen zusammen. Auch ihnen wird dieselbe Speise gereicht. Sollte irgendeines Widerwillen zeigen, so bleibt es hungrig und ohne Abendessen. Am nächsten Tage hat es die Zimperlichkeit abgelegt. — Als Bett haben die Araberkinder eine Schass-haut. Sonst schlafen sie auch auf dem bloßen Erdboden. Bei Nacht ertönt recht oft das unheimliche Geheul der Hyäne. Die Kinder sehen, daß ihre Eltern den Tieren keine Aufmerksamkeit schenken, und gewöhnen sich daran. Mitunter läßt auch der Leopard seine heisere Stimme vernehmen; dann undwann brülltderLöwe. Anfangs weinen die Kinder ans Furcht. Ihr Vater macht ihnen aber Vorwürfe darüber: „Seid ihr denn nicht geschützt im Hause? Brennt nicht draußen das Feuer?" sagt er zu ihnen, und sie legen sich beruhigt zum Schlafen nieder. Jedoch nicht so meint es der Esel. Der Langohr ist schon einige Tage im Stall gestanden und gut gefüttert worden. Es ist ihm zu wohl. Er reißt sich nachts los, um nach eigenem Geschmack im Freien herumzulaufen. Aber es soll ihm teuer zu stehen kommen. Der Löwe erwischt ihn und frißt ihn auf. Von Zeit zu Zeit raubt er noch irgendein anderes Stück Vieh. Das geht dem Araber zu Herzen. Etliche wackere Männer tun sich zusammen. Das Raubtier wird ausfindig gemacht, mit Lanzen niedergestochen und ins Dorf gebracht. Die Jugend versammelt sich um dieJagdbeute. „Jungens, sehet den Steppenhund da, wie wir ihn gespießt haben", sagen die Männer zu den Knaben. „Leget einmal und für immer die Furcht ab; denn wenn ihr groß seid, müßt ihr dasselbe tun/" IIMionsrubrik für die Jugend. Ton P. Allkob Lehr, Rektor. Lyepo. (Schluß.) Die Worte des Häuptlings waren noch nicht recht verhallt, da schlugen die jungen Burschen voll Kampfeslust die Lanzenblätter aneinander und sangen ein Trutzlied zu Ehren des Nyikang: „Der Feind ist da von weiter Ferne, Zu knechten unser Heimatland, Das Land Nyikangs, das Land Abalos. Jedoch Nyikang hat Medizin, Der Herr,Ich-k>in°es" hat Vernichtung, Er schlägt den Feind." In diesem Augenblick war auch keine Spur von Furcht mehr zu gewahren. Der Name Nyikangs war nicht nur „Medizin" gegen die Feinde, sondern auch für die Schilluk. Schon wollten die Burschen ein neues Lied zum Preise Nyikangs anstimmen, da erhob sich der Zauberer und winkte ab. Aus seinen Angen leuchtete ein sicgessicheres Feuer. Worte, deren Wärme verrieten, daß sie aus einem gefühldurchdrungenen Herzen kamen, flössen begeisternd über seine Lippen. „Wuna wate col“ — „Ihr Söhne des Schillukstammes," begann er, „ihr kennt ihn, den Herrn, den König, den Stammvater Nyikang. War sein Vater nicht der Enkel der dyang adnk (= grauweißen Kuh)? Lind war er nicht selbst der Sohn der Nyikaya, des Krokodils? Duwat, feilt Bruder war es, der Streit anfing mit Nyikang wegen Daks, seines Sohnes Lieder. Korn zu suchen, zog er mit dem Schilluk-volk vom fernen Süden herauf. Im Lande Garo (= West-Äthiopien) besiegte er der Sonne Macht; er ist der ädal-cang, der Sonncn-besieger. Wer war es, der alle Feinde schlug? Fragt ihn, und er sagt: ,Jan da1 — ,3et) bin cs". ,Jan-da-finy‘ — ,Ich bin der Herr des Landes" ist sein Name. Wenn die Sonne heiß ist und den Boden hart macht wie Eisen, wer ist es, der da heranbraust im kühlenden Wind? ,Yomo e-na Nyikango1 — ,Dcr Sturmwind ist Nyikang in Person". Lind wer gibt den fruchtbringenden Regen, der das Werk der sengenden Sonne zunichte macht? ,E-na kwaye, e-na ädal-cang1 — ,Es ist uns er Ahnherr, der Sonncnbesicgerl" Lind wer ist es, der dem Schilluklande die Grenze gesetzt im Norden bei Muomo, im Süden bei Tonga? ,Pä e Nyi-kangyo e-na jal fa-luko ?‘ — ,Ist es vielleicht nicht Nyikang, der Mann aus dem Dorfe Luko?" — Wohl hat Dschwok alle Dinge erschaffen, Nyikang aber hat die Menschen (= Schilluk) hervorgebracht. Aber saget, was ist mehr, die Welt erschaffen und gehen lassen wie sie will, oder Menschen hervorbringen und sie schützen? Dschwok schickt Krankheiten und läßt den bonyo (= Fremdling, Feind) ins Land kommen, Nyikang hat Medizin, ,pä peka finy1 — er ruhet nicht". Nyi-—" — da geschah etwas Außerordentliches. Lyepo konnte das Wort nicht mehr vollenden. Drüben am andern Lifer blitzte cs auf, denn: ein Krach, wie ihn die Schilluk nie zuvor gehört hatten. Im selben Augenblick brach der Zauberer zusammen; aber nein, es war nicht mehr Lyepo, nur noch sein Rumpf. Der Kopf war ihm hinweggerissen; der Leib fiel mitten in das Opferfeuer. Hinter ihm flog der kleine Nyikangtempel in tausend Stücke. Ein Teil wurde in die Luft geschleudert und fiel über des Zauberers Leiche. Eine unbeschreibliche Verwirrung setzte ein. Alles stob in wilder Verzweiflung auseinander. Die Männer riefen ihr schmerzliches „wah“, die Frauen ihr angstvolles „ya roy, ya roy“. Jetzt bemerkte man, wie auch auf dieser Seite des Dorfes, schon dicht bei den Hütten, das lange, dürre Präriegras in hellen Flammen emporprasselte. Ge-wehrfcuer tat den Rest. Kein Zweifel mehr, die Derwische waren da. Der Kampf war kurz. Am nächsten Morgen wandte sich eine neue Sklavenkarawane nach Norden. Wiederum war es Abend geworden. Da huschte eine schwarze Gestalt über den Platz, wo gestern noch das Dorf gestanden. Es war der einzig Überlebende. Wie geistesabwesend murmelte er vor sich hin: „Dschwok hat die Fremden ins Land geschickt." Als er dahin kam, wo früher das Nyikangtempelchen stand, fand er nur noch die verkohlte, unförmliche Masse Lyepos, ein trauriges, aber wahres Symbol der Ohnmacht Nyikangs. Lange starrte er sprachlos auf die Stelle der ihm heiligen Stätte. Ob er die Lehre dieser düsteren Stunde verstand? Heiser und doch befreiend rang es sich endlich los aus seiner wogenden Brust: „ Jwok en-a dwong kete!“ — „Groß allein ist Dschwok". Cr V\ Vt JJ Liebe Kinder! Als der hl. Bonifatius im Sommer 754 von seinen Mönchen in Mainz Abschied nahm, um in die Mission zu den Friesen zu fahren, da flössen der Tränen gar viele. Es war überaus rührend, mit welcher Sorgfalt und Liebe er die Zurückbleibenden ermahnte und ermunterte. Er wußte ja, daß es seine letzte Missionsfahrt war, von der er nicht mehr zurückkehren sollte. Darum hatte er auch die Äbtissin Lioba aus dem Kloster Tauberbischofsheim kommen lassen, um ihr für diese Welt Lebewohl zu sagen. Er erinnerte sie daran, wie auch sie gleich ihm ihre Äeimat England verlassen habe, um dem noch heidnischen Deutschland das große Gut des Glaubens zu bringen. Nie dürfe sie in ihrem Vorhaben wankelmütig-werden; immer solle sie mit unermüdlichem Eifer an dem begonnenen Werke der Seelcnrettung trotz aller Schwierigkeiten weiterarbeiten. Stets müsse sie sich das hohe Ziel, den Glauben Christi zu verbreiten und sich dadurch den Summet zu erwerben. vor Augen halten. In jeder Not habe sie ja nur zu bedenken, wie das Leben entfliehe gleich einem Traum, und daß die Leiden dieser Zeit nicht zu vergleichen seien mit der Herrlichkeit, die Gott seinen Getreuen verleihen wolle. Am ihr einen ganz besonderen Beweis feiner Zuneigung zu geben, ordnete er an. daß einstens auch ihr Leichnam neben dem seinen in der Klosterkirche zu Fulda beigesetzt würde. Denn wie sie beide im Leben unentwegt für Christus gearbeitet hätten, so wollten sie auch noch im Tode vereint der einstigen Auferstehung entgegenschlummern. Diese Ehrung hatte die Äbtissin Lioba auch vollkommen verdient; denn sie war nicht nur heiligmäßig im Wandel, sondern wirkte auch überaus segensreich für die deutschen Frauen ihrer Zeit. Leute noch bewundern sie die Geschichtschreiber als „eine der schönsten Blumen im Garten des deutschen Christentums", und wie der hl. Bonifatius den Beinamen „Apostel der Deutschen" führt, hat man ihr den Ehrentitel der „Deutschen Apostelin" beigelegt. Mit sieben Jahren kam sie schon ins Kloster und machte bei ihren guten Lerzensanlagen und vorzüglichen Geistesgaben rasche Fort- schritte in Tugend und Wissenschaft. Da sie mit dem hl. Bonifatius verwandt war. so nahm sie natürlich lebhaften Anteil an allem, .was von dem großen Missionär in seiner Leimat erzählt wurde. Ein liebenswürdiges Brieflein aus der Land der kleinen Lioba an Bonifatius ist uns noch erhalten. Es beginnt: „Bonifatius. dem verehrungswürdigften, dem mit den höchsten kirchlichen Würden ausgezeichneten Lerrn. dem in Christo geliebten und mir durch Verwandtschaft verbundenen entbietet Lioba, die niedrigste Dienerin von allen, die Christi leichtes Joch tragen, den Gruß des ewigen Leiles." Unter anderem schreibt sie dann: „Ich bin das einzige Kind meiner Eltern, und mein ganzer Wunsch ist. wenn ich dessen auch nicht würdig bin. Dich als meinen Bruder betrachten zu dürfen, denn aus unserer Verwandtschaft flößt mir niemand ein so großes Vertrauen ein wie Du. — Ich bitte Dich, geliebter Bruder, daß der Schild Deiner Gebete mich gegen bie. giftigen Pfeile des verborgenen Feindes schütze." Zum Schlüsse fügte sie noch ein kleines l a-teinisches Gedicht an. von dem sie sagt: „Die kleinen Verse habe ich nach den Regeln der Dichtkunst zu schreiben versucht, nicht im Vertrauen aus mein Können, sondern im Verlangen. die schwache dichterische Begabung zu üben; auch hierin bedarf ich Deiner Äilfe." Das kleine Gcdichtchen lautet in freier Wiedergabe: ..Christus, der Welten Erlöser und Richter. Er, der da herrschet beim Vater der Lichter. Er. der da strahlet in Herrlichkeit. Suite und halte dich heil alle Zeit!" Liebe Kinder! Wer hätte damals gedacht, daß die kleine, schüchterne Dichterin einmal ganz Deutschland mit dem Glanz ihres Namens erleuchten werde? Wohl war es in erster Linie die Gnade Gottes, die so Großes getan hat. Aber Ihr alle wißt: der Mensch muß mit der Gnade mitwirken. Lioba wäre nie die berühmte Leilige geworden, wenn sie nicht so brav und fleißig gewesen wäre. Seid daher auch Ihr recht brav und fleißig, und die Gnade Gottes wird auch in Euerm Lerzen Wunder der Leiligkeit hervorbringen. Das ist der herzlichste Weihnachtswunsch Eures Onkels Jakob. Untversttäts-Buchdruckerei „Styria", Graz. — Verantwortlicher Schriftleiter: Isidor Kronsteiner. Messendorf bei Graz.