Laiba ch e r
Wochenblatt
zum
Nußen und Vergnügen.
Frcyt<ig den  29.   März 1316.
Rußland jetzt; Rußland vor 150 Jahren.
-Aer mächtige Herrscher über die verschiedensten B-wohner von mehr als vier hundert tausend Quadrat-Meilen, vom höchsten Norden bis tief in Suden, Kaiser Akrander der Milde, setzte im Westen von Enrova zwey vertriebene Könige auf ihre angestammten Throne, und zieht, nach vollbrachter That, mit seinen Heerscharen in seine Reichs
Was Monarch und Volk jetzt für uns sind, das wissen wir alle; was sie aber vor noch nicht 150 Jahren für uns waren, das wollen wir.ins Gedächtniß zurückrufen , durch die
Beschreibung der ersten Nußischm Gesandtschaft nach Spanien und Frankreich.
So wie der Morgenröthe ein graner Tagesschimmer vorangeht, so hatte auch Rußland vor seinem Peter dem Großen einen Alexei Michatlowitsch, der in dem Sitze der finstersten Barbarey Licht anzus
zünden bemüht war und dazu kein besser res Mittel finden k onnte, als daß er Handelsverbindungen mit den entferntesten europäisch:«  Naüonen anknüpfte.    In dieser Absicht fertigte er denn eine russische Gesandtschaft nach Spamen ab, die von da alsdann zu Lande nach Paris gehen sollte. Diese  Gesandtschaft ist  von   mchrern Seitensehr interessant. Nicht allein, weit es die erste war und einen so bedeutenden Zweck hatte, sondern auch wegen des Benehmens  sowohl des  Gesanöten  selbst, alt der Behörden und der Höfe, mit denen er zu thun hatte.    Unwillkürlich sieht man sich genöthigt, zwischen jener Gesandts schüft   und den:« ,   die   hout  zu Tage nach China, Japan , abgeschickt wurden, VerZleichungenanzu^elkn, weil der Aehn-ljchksitön   gar zu  viels   find.    So   rme sich jetzt ein europäischer Staat zu diesen asiatischen Monacchen verhält, so verhielt sich damals Rußland zu den entfernten europäischen Staaten.   Holland  und England abgerechnet, die ums Nordkap herum seit Elisabeths Zeiten  nach Archangel ei-' nen lebhasten Handel trieben , wußle selbst dcr Cardinal Richelieu von Rußland nicht einmahl so viel, als wir jetzt ^von Cyma
wisscn.   Ihm war nur bekannt,   daß im
Norden Europas ein großes, mächtiges Neich existirre. Kein Wunder, daß man gar nicht wußte, wie matt den russischen Gesandten aufnehmen sollte, daß man ihm Pillen zu verschlucken gab, welche, noch so versilbert, jetzt den Legationsrath des kleinsten deutschen Fürsten zum Abreisen bewegen würden, um so interessanter aber aucb , das in der That kluge, standhafte, wurdewolle Benehmen des "in ejnc doch ganz fremde Sphäre versetzten Geftndten, der auf der einen Seite die Befehls eines Selbstherrschers zu vollzie hen hatte, während das, wie.er sie vollzog, ihm leicht den Kopf kosten konnte.
Es war den7ten Iu^. 1667, ass der Gesandte Potemkin von Moskow nach Archangel reiste, um mit einem Holländer, der nach Italien Caviar geladen hatte, nach Spamen abzugehn. Am 4ten December langte er in Cadir auf der Nhsde an.
Die Befehlshaber der daselbst vor Anker liegenden Holländischen Schiffe bekom-plimentirten ihn Auch der spanisch?. Gouverneur aus Cadir ließ ihm Glück wünschen, und den folgenden Tag kam er selbst aufs Schiff, um dem Gesandten zu sagen, daß er bereits nach Madrid Bericht erstattet habe.
^'Der erstere verlangte nun Lebsnsmit-tel und Vorspann. Beydes lehute der Spalier höstich bis zum Eingang der königlichen Befehle ab und erlaubte ihm nur!, in Cadix oder Porto Maria für eigene Kosten sich einzuquartiren Dieß geschahe denn auch den loten December. Inzwischen nahm es der Gesandte — gewiß mit Rocht — sehr übel, daß man seinen of-ficiellen Karakter noch nicht anerkannte u»d führte an, daß selbst die Türken jedem russischen Gesandt n die größte Ehre, Vorspann und Unterhalt fthuldig zu seyn glaub?
ten, daß jeder Gesandte eine gleiche Aufnahme in Rußland fände. Der Spanier entschuldigte si y damit, daß bis Mt noch keine Verbindung zwischen beyden Reichen obgewaltet habe und also müßte er dis königlichen Befehle abwarten, oie denn auch den 25- December eintrafen und das bisher Versehene gut zu machen schonen. Ich sage schienen , dem, bey näherer Unterhandlung über die Art, nach Madrid zu kommen, zeigte es sich, daß alles auf leere Ehrenbezeugungen hmauslaufe. Die ganzen Kostender Neift sollten die Gesandten tragen. DarAer gab es lebhafte Debatten. Der Gesandte erklärte, daß bey ihnen Vorspann uno alles umsonst geliefert werde, und verlangte-also auch hier dasselbe. Endlich nach langem Streits ward ihm freyer Vorspann bewilligt, zchren mußte er aber für eigene Rechnung. Den 9ten Januar gieng der Gesandte nach Madrid ab. Don i?tsn kam er nach Sevilla. Der Gouverneur hatte noch keine Instructio-ncn vom Hofe; nur Nachricht von Cadir und Porto Maria her, die ihm aber nicht Befehl war, und ehe er von Madrid den letztern einholte, kam der 9 Februar heran. Den 2"sten Februar kamen sie endlich in Madrid an. Stundenweit waren die Menschen ihnen entgegen gelaufen , so eine Seltenheit war diese Gesandtschaft. Alle Stras. sen waren voll Neugieriger. In dem ihnen angewiesenen Hotel waren 60 Köche und eben so viele Offlcianten zu ihrer Bedienung. Der 7te März war zur fsyerlichen Audienz bestimmt. 100 königliche Bediente trugen die Geschenks des Czaaren; das Schreiben des Litern ward in einem damastenen Beutel vom Gesandtstiastssecre-tär getragen Der Auszug des GLand-ten war zu Pferde. Der junge minderjährige Philipp N und die Regentin Mutter empfingen sie stehend. Doch nahm rs  der Gesandte gewaltig übel auf, daß
dsr erstere nur bey dem ersten  Empfang
den Hut gelästet, ihn aber, wenn der Gesandte den Titel seines Monarchen nannte, nicht weiter abgenommen, auch sich nicht nach des Czaaren Wohlseyn erkundigt habe Dsr Ob rhofmeister entschuldigte diss mit der Unachtsamkeit des jungen Sonigs: der denn auch das letztere gut zu machen suchte. Der Gesandte überreichte nun seine Geschenke. Sie bestanden ,in Zobeln,                                                  die Philipp viel Freude machten. In Z königlichen Wagen wurde der Gesandte und seineBegleiter nach Hause geleitet.
Das CrsdMv des Gesandten war auf Philipp den lll. gestellt, der schon vor 3 Jahren gestorben war! In welcher Kind-holt erscheint da die Politik; die Negen-tm Mutter war indessen doch weise genug dieß mit der großen Entfernung und dem Mangel aller Communicationen zu entschuldigen.
Den !7ten März ließ man die Gesandtschaft fragen, ob sie noch etwas anzubringen hätte. (Gerade wie in China, wenn man solcher Gasts los seyn will!) Sie bat also um eine Audienz, ihren Dank für die Bewirthung darzubimgm, die siege-nossen hätte, und um die Erlaubniß, für einen Spanischen nach Rußland abzufer-tigenden Gesandten einen Gcleitsbrief, den der Czaar dazu ausgestellt habe, abgeben zu dürfen. Beydes ward bewilligt und der 4te April dazu anberaumt. Eifersüchtig auf die Würde seines Herrn hatte indessen der Gesandte verlangt, daß vor ihm kein anderer Gesandter Audienz an demselben Tage haben solle und als er nun erfuhr, daß man diese doch dem Englischen bewilligt habe, schlug er es rund ab und sie fand erst dm gten statt. Er dankte der Königinn jür Salz und Brod; sie ließ chm befehlen die Mütze aufzusetzen; was er denn auch für ein paar Augenblicke that.
Den Paß ssr e'msn spanischen Gesandte,, nahn» sis mit Güte auf, eine Note über andere Aelegentzeiten versprach sie in Ueber-legung zu ziehen. Den i3 April erhielt er eine Resolution darauf, die gerade so günstig lautete, wie eme dei chinesisches Hofes Erbat, diese in ein Schreiben an den Czaaren einzukleiden das er bey der Au-dknz in spanischer Sprache und in einer lateinischen Ueberfttzung zu empfangen wünschte. Dieß ward in so fen: bewilligt, als das G^ reiben ihm ohneAudienz übergeben werden könnte, w?il das erstere gegen die Etiquette sey. Der Russe be-stano aufdrese Art der Uebergabe; da diese auch am Wiener Hofe gegen sie beobachtet worden sey. Darüber gab es lebhafte Debatten, da der Hof zu Madrid dieß läugnete. Endlich gab der letztere nach. Er erhielt den 6 May das Concept, um wegen der Titulaturen das nöthige bemerken zu können, über die auch in der That wieder heftige Streitigkeiten entstanden , da der Russe gerade so alle Titel verlangte wie sie sich der Czaar in seinem Schreiben gegeben habe und die Spanier behaupteten, sie ließen sich nicht wörtlich lns Spanische übertragen Der Gesandte setzte es inzwischen durch sein kathegori-s-des Benehmen doch durch. Die Abschiedsaudienz hatte keine Unfälle der Art veranlaßt. Nur die Erklärung des Ge« sandten, daß er nun nach Paris abgehn wolle, machte wieder'einige Gmsation, die indessen weiter keine Folgen hatten. Bis zur Gränze bewilligte man ihm Vorspann und Unterhalt. Man bezahlte 7g spanische Dukaten für die Gesandtschaft täglich
Der Secretär reiste voraus mit dem Dolmtt'cher, um die Gesandtschaft in Ba-yonne anzumelden und um Vorspann und Unterhalt zu bitten Der Empfang war tzoftlch, aoer das letztere ward wie in Ca-
dix abgeschlagen.   Die Gesandtschaft muß-  ^ te tägttch  50 Nthlr. bezahlen  und furch-   , tete in Geldverlegenheit zu kommen, bevor aus Paris Nachricht da seyn könne. Sie war froh, bis Bordea»).' reisen zn dürfen, ailein ein arges Wttter thürmts sich  auf. ' Es meldeten sich  nämlich die Zolleinnchmer   und verlangten ein   Ver-zeichniß von allem, was sie hätte.   Die Gesandtschaft fand dies «»» mit Recht — empörend.   „Wir sind  nicht  Kaufleute, sagt.: der Gesandte, noch sind dergleichen in meinem Gefolge, und fnr die Geschenke , die   en-em  König   bestimmt   sind, verlangt ihr   Zoll?  Das half   aber alles nichts     Der Oberste-der Douaniers kam  selbst U5d war frech genug,   jelbft den Zoll von den   mit  Brillanten^;;? Perlen  besetzen Heiligenbildern der   Gesandtschaft zu  verlangen.   Der Gisan^te ließ  sich   quittiren,    um   in   Paris darüber   klagen^ zu^ können:   und wavs ihm die ino Dublonen, die er verlangte, vor die FW hin.
Den 18. Iuly trafen sie in Bordeaux ein: der Kosten wegen quartirte sich die Gesandtschaft in einem nahen Dorss ein , wo ihnen ein Kapitän der Garde mit französischer Artigkeit bis zur A«kunft der könig» lichen Befehls seinä Wohnung einräumte. Den 31 Iuly endlich kamen die Kavaliere des Königs an, die sie empfangen sollten. Mit königlicher Freygebigkeit ward die Gssandschaft unterhalten. Den i6ten August kamen sie in einem Dorfs bey Paris an, wo sie bis zum feyerlichen Einzug bleiben sollten.
Den 19. verlangte man vom Gesandten eine Copie des Schreibens seines Monarchen. Er gab schr bestimmt zur Antwort, wie er abgefertigt sey, es dem König selbst zu übergeben. Sonst hatte ja die ganze Gesandtschaft unterbleiben kon-Nen. Den so. August fand der Einzug in
Paris mit 3 königlichen Wagen statt; und den 25. war die feyerliche Audienz in St. Germain. Z000 Mann Garde bildstcn ein Spalier, Der König empfing dcn Gesandten stehend, daß Haupt entblößt, nahm eben so das Schreiben an, und erkundigte sich höflich nach dem Be^ finden des Czaaren. Man sieht , daß man in Frankreich wenigstens ungleich besser mit.Fremden zn trakliren verstand, als in Madrid Nach beendigtsr Rcde des Gesandten reichte er ihm die Han) zmn Kuß, empfing die ihm bestimmt« Geschenke und bewilligt? freundlich, daß die Unterhandlungen in seinem Pallaste zu Paris betrieben wurden. Ein prächtiges Diner folgte darauf
Den 29 August war die zweyte Au-disn; und darauf fanden die Unte handlun-lunge» über den wechselseitig?« Handel statt. Auch vergaß der Gesandte nicht, das Benehmen dcs Bayonnev Zotteinnehmers zu demmciren, dcn man mdlffcn nut seimm hohcn Pachte entschuldigte, vom König Ersatz auszuwirken versprach und auch   auswürkte.
Den ,3. Sept. war die Mschiedsau-dienz. Das Schreiben Ludwigs des X'^/. an den Czaaren erregte wie in Madrid, einige Erörterungen , die aber bald beygelegt wurden Reichlich beschenkt reiste die Gesandschaft auf königliche Kosten nach Calais ab: schiffte sich nach Amsterdam ein, wo sie von den Holländern wie Freunde aufgenommen, und frey nach Niga trans-portirt wurde. Hier langte sie am 18 October an, und borgte eine Summe von 400 Rth. um glücklich nach Hause kommen zu können
Welcher Unterschied zwischen damals und jetzt!
Welcher zwischen jetzt und künftig ?