■J^y, --■■-ß/ Serbien und die Serben von Rev. W. DENTON, M. A. Nach anderen Quellen und eigenen Erfahrungen frei bearbeitet von D. v. COLIN, Pfarrer der deutsch-evangelischen Gemeinde zu Belgrad in Serbien, Mit einem Titolbildc und einer Karte. BERLIN. Vkulaö von Wiegandt & Grieben. 1865. Serbien und die Serben Rev. w. denton, m. a. Nach anderen Quellen und eigenen Erfahrungen frei bearbeitet D. v. CÖLLN, Pfarrer der deutsch - evangelischen Gemeinde zu Belgrad in Serbien. M i t / e i- nd einer Kart' BERLIN. Verlag von Wiegandt & Grieben. 18G5. vorwort. Wenn ich vorliegendes Buch trotz seiner grofsen, mir sehr wohl bewufsten Mängel der Oeffentlichkeit übergebe, so komme ich damit der Aufforderung nicht weniger deutscher Freunde und Gönner, wie dem Antriebe meines eignen Herzens nach. Die Liebe zu einem Lande und Volke, unter dem ich seit bald sechs Jahren, meine Gemeinde seit dem doppelten Zeiträume, eine so unerwartet gastliche Aufnahme trotz Verschiedenheit der Nationalität und Confession gefunden habe, trieb mich bei einem zweimaligen Besuche in der Heimath nicht nur in dem kleineren Kreise der Freunde, sondern auch in öffentlichen Vorträgen im Anschlüsse an die Geschichte meiner Gemeinde eine Charakteristik serbischer Zustände zu geben, und das um so mehr, als ich fast durchgängig selbst in Kreisen, bei denen ich es nicht vorausgesetzt hatte, eine grofse Unbekanntschaft mit Serbien traf. Wenn auch die historische, staatsrechtliche, politische und kunstgeschichtliche Bedeutung Serbiens durch die vortrefflichen Werke von L.Ranke, Tkalatz, Em. Thal und Kanitz ge- nügencl gewürdigt ist, so fehlt es doch seit Pirch's Reise vom Jahre 1829, nach welcher sich in Serbien so sehr viel verändert hat, unsrer deutschen Litteratur an einem Buche, das in der dem gröfseren Publikum leichter zugänglichen Skizzenform Serbiens Land und Leute charakterisirte. Der mehrfach an mich ergangenen Aufforderung, selbst etwas dieser Art zu schreiben, konnte ich aus äufscren und inneren Gründen nicht wohl nachkommen. Da erschien das Buch von Rev. Den ton, welcher nach mehrwöchentlicher Reise im Inneren des Landes „Achtung und Bewunderung für ein Volk gewonnen hatte, dessen Tugenden durch vier Jahrhunderte der Unterdrückung nicht zu Grunde gerichtet werden konnten." Die einfach und natürlich, mit offnem Auge für die reichen Naturschönheiten des Landes und die eigenthümlichen Sitten des Volkes abgefafstc Rcisebeschreibung schien mir geeignet, auch deutschen Lesern ein erwünschtes Bild des mir lieb gewordenen Landes und Volkes zu geben. Freilich konnte ich mir nicht verhehlen, dafs Dentons Buche, welches ursprünglich nicht für die Ocffentlichkeit bestimmt war, die letzte Feile fehlte, dafs bei der kurzen Dauer seiner Reise der Verfasser Manches hatte unberücksichtigt lassen müssen und über Manches nur mangelhafte oder unrichtige Auskunft erhalten konnte, und dafs er von dem Standpunkte jenes Theils der englisch - bischöflichen Ilochkirche aus, der sich der Kirche des Morgenlandes so nahe weifs, dafs er nichts sehnlicher wünscht, als eine Union mit derselben, und in Reaction gegen die von der englischen Regierung in der orientalischen Frage befolgte Politik, welche alles Türkische gut hcifst, alles die Christen in der Türkei aber Betreffende mit sehr dun-kelen Farben zeichnet, vielleicht Manches in zu günstigem Lichte aufgefafst hatte, während gerade die besten und edelsten Serben, den Fürsten an der Spitze, es unumwunden bekennen, dafs in Kirche und Schule, Familie und Staat noch Vieles zu wünschen und zu thun übrig bleibt. Deshalb schien es mir nothwendig, kürzend und sichtend, berichtigend und ergänzend bei der Bearbeitung für deutsche Leser zu Werke zu gehen, ohne dem Buche den ursprünglichen Charakter der englischen Anschauung zu nehmen. Es hat sich dadurch freilich nicht eine gewisse Zwittergestalt des vorliegenden Buches vermeiden lassen, aber doch hoffe ich durch dasselbe nicht blos einiges Material zu Tage gefördert zu haben, das eine auf diesem Gebiete der Litteratur geübtere Feder sich zu Nutze machen kann, sondern denke auch manchem Freunde eine nicht unwillkommene Erinnerung an mündliche Erzählung zu bieten, in diesem oder jenem reiselustigen Touristen den Wunsch zu wecken, selbst zu kommen und selbst zu sehen, und endlich den deutschen Landsleuten, die sich in dem für Handel, Industrie und Ackerbau so überaus günstigen Lande, das sich des herrlichsten Klima's erfreut, niederlassen wollen, ein nützlicher Führer zu sein. Nachdem ich von dem Verfasser des englischen Originals die Erlaubnifs erhalten hatte, sein Buch in dieser ganz freien deutschen Bearbeitung herausgeben zu dürfen, machte ich mich an die Revision, bei welcher mir theils andere litterarische Quellen, theils wiederholte eigne Reisen und Anschauungen, theils amtliche Veröffentlichungen zu Statten kamen. Besonders dankbar aber mufs ich sein, dafs mir an Ort und Stelle selbst von Mannern der Wissenschaft jede gewünschte Auskunft aufs bereitwilligste gegeben ward und auch die fürstliche Regierung mir auf alle nur mögliche Weise zur Erreichung meines Zieles behülflich war. In Betreff der Orthographie habe ich der Bequemlichkeit der Leser wegen es vorgezogen, nicht die kroatische Schreibweise der serbischen Namen anzuwenden, sondern dem Beispiele Kieperts folgend die deutsche beizubehalten. Nur das Z, das sich am besten durch das französische g in „genie" und „giraffe" charakterisiren läfst, konnte nicht durch ein deutsches Zeichen ausgedrückt werden, da mir das von Kiepert und Anderen angenommene Sh doch zu willkührlich schien. Das freundliche Titelbild ist auf Grund einer von Herrn Jovanovitsch veröffentlichten Gruppe und des Kanitzschcn Bildes von Ravaniza durch die geschickte Hand des Herrn Engelbach gearbeitet und wird dem Buche vielleicht manche Thür öffnen, die ihm sonst verschlossen bliebe. Die dem Leser gowifs willkommene Karte beruht auf den Notizen, welche mir Herr Obrist-Lieutenant Zach mit großer Bereitwilligkeit gegeben hat, doch macht sie bei dem gänzlichen Fehlen einer trigonometrischen Basis in Serbien keinen Anspruch auf Genauigkeit und will nur zur Orientirung des Lesers und Reisenden dienen. Für Letztere füge ich noch einige praktische Winke hinzu. Die günstigste Zeit zur Reise sind die Frühlingsund Herbstmonate, da der Sommer gar zu heifs ist, also namentlich Mai, Ende August, September und Anfang Octobcr. Als Reiseplan für reichliche vier Wochen liofse sich folgende Tour feststellen: 1. Schabatz. 1(5. Brostovatz. 2. Losniza. 17. Stol. 3. Derlatscha. 18. Negotin. 4. Uschiza. 19. Orsowa. 5. Tschatschak. 20. (Mehadia.) 6. Karanovatz. 21. Milanovatz. 7. Studcniza. 22. Maidanpek. 8. Kopaonik. 23. Kutschaina. 9. Bruss. 24. Gornjak. 10. Kruschovatz. 25. Zagubiza. 11. Kragujevatz. 26. Manassia. 12. Tjupria. 27. Poscharevatz. 13. Ravaniza. 28. Smedrevo. 14. Banja. 29. Belgrad. 15. Knjazevatz. Bei knapp zugemessener Zeit läfst sich leicht von No. 13 auf No. 26 übergehen, ebenso von No. 6 direct nach No. 10. Für die Reise ins Innere ist es natürlich sehr wün-schenswerth, die Sprache zu kennen oder wenigstens sich das Nöthigste derselben anzueignen mit Hülfe der Grammatik von Fröhlich, des deutsch-serbischen Wörterbuches*) (Belgrad 1847) und der Gespräche von Simits (Belgrad 1852), doch ist es auch möglich, von Belgrad aus einen Kutscher oder Diener zu bekommen, der zugleich die Dienste eines Dollmetsch versehen kann. Uebri-gens sind die serbischen Behörden auch stets sehr bereitwillig, dem Reisenden offne Empfehlungsbriefe mitzugeben, und die Ingenieure und Aerzte in den Kreisstädten sind in der Regel Deutsche oder wenigstens der deutschen Sprache vollkommen Kundige. Für Transportmittel ist bis jetzt noch sehr mangelhaft gesorgt. Reiter kommen jedenfalls am besten weg, wenn sie Postpferde nehmen. In diesem Falle wird für das eigne Pferd und für das des begleitenden Postillons, dem man am Ende der Station noch ein kleines Trinkgeld von 1 — 2 Piaster giebt, zusammen 7 Piaster pro Stunde gezahlt, doch mufs man Sattel und Reitzaum selbst mitnehmen (am einfachsten ist es, dasselbe gleich beim Beginn der Reise in Belgrad zu miethen). Doch zeigt die beigegebene Karte, dafs sich Serbien schon eines ziemlich *) An einem praktischen serbisch - deutschen Lexicon fehlt es leider noch immer, da das für die Wissenschaft sehr werthvolle vmi Vuk nur die Sprache der Volkslieder, nicht aber die Schriftsprache und die modernen socialen Verhältnisse berücksichtigt hat. vollständigen Strafscnnetzcs erfreut, das den Gebrauch von Wagen möglich macht. Freilich mufs man sich dann mit den S. 135 beschriebenen Fuhrwerken begnügen. Die dort angegebenen Preise sind natürlich nicht als feste Taxe anzusehen, können aber doch in Jahren, in denen das Futter nicht gar zu theuer ist, als Anhaltepunkt dienen. Beim Äccordiren ist es Sitte, ein Draufgeld (Capara) zu geben. Die Gasthöfe in den Städten und die Mehanen auf den Dörfern lassen noch sehr viel zu wünschen übrig, doch richtet die Regierung ihr Augenmerk auf ihre Verbesserung. Wo die Gefahr vorhanden ist, von Inscctcn belästigt zu werden, empfiehlt sich das Mittel, Alles, was in den Schlafräumen an Kissen, Teppichen oder Matten vorhanden ist, entfernen, die frisch gefegte Schlafstelle mit einer Lage frischen Heu's belegen und darauf das eigne Bettzeug breiten zu lassen und gehörig mit persischem Inscctenpulver zu bestreuen. Es ist deshalb durchaus nothwendig, einiges Bettzeug, wenigstens aber eine Reisedecke und einen Mantel mitzunehmen und den Rcisesack so zu packen, dafs er zugleich als Kopfkissen dienen kann. Ebenso empfiehlt es sich, einige Er-quiekungsmittel (Zwieback, Salami, Ohocolade, Theo, Rum, Brausepulver), Medicamente (Chinin, Opiumtinctur, Brechweinstein) und Stearinkerzen mitzunehmen. Eier, Geflügel, Schafkäse, Kaffee und Wein erhält man fast überall gut. Am besten freilich kommt man fort, wenn es durch leicht zu erreichende Empfehlungen möglich ist, die nicht genug zu rühmende serbische Gastfreundschaft in Klöstern oder Privathäusern in Anspruch zu nehmen, doch ist es in solchem Fallo Sitte, in den Klöstern ein kleines Geldgeschenk beim Besehen der Kirche zu opfern. An Münzen cursiren in Serbien österreichische gut geränderte Dukaten und Zwanziger, so wie russisches Silbergeld. 1^ = 3 Rubel = 15 Zwanziger = 00 Piaster. 1 Rubel = 100 Kopeken = 20 Piaster. 1 Piaster = 40 Para. Die kleinste Münze ist ein altes ausrangirtes österreichisches grofses Kupferstück, welches 10 Para gilt. Papiergeld, preufsisches wie österreichisches, wird im Innern nicht angenommen, in Belgrad aber gut gewechselt, der preufsische Thaler zu 18-J Piaster, der österreichische Gulden nach dem Cours. Der Pafs, welcher jetzt keines weiteren Visums als das der Commandantur von Semlin*) bedarf, wird beim Aussteigen aus dem Schiffe in Belgrad abgefordert, kann aber sofort auf dem am Landungsplatze befindlichen Polizeiamte in Empfang genommen werden, oder wird Tags darauf in das betreffende Consulat geschickt. Für die Reise ins Innere stellt das Polizeiamt (am grofsen Platz) einen besonderen „kleinen Pafs" aus. *) Sollten sich in Semlin Schwierigkeiten irgend welcher Art zeigen, so kann man gewifs sein, bei dem gegenwärtigen so überaus gefälligen Platzcommandantcn Herrn Obrist-Lieutenaut Fabro sicheren Rath und^jede nur mögliche Hülfe zu linden. Die Brief post für den inneren Verkehr ist gut, sicher und billig. Von jedem Postamte werden die Briefe dreimal wöchentlich befördert. Für 12 Stunden Entfernung zahlt man 20 Para (10 Pf.), für gröfsere Entfernungen das Doppelte. Briefmarken giebt es indefs noch nicht, auch kennt man nicht die Einrichtung der Poste-restanto-Briefe und mufs deshalb für diesen Fall etwas umständlicher auf der Adresse „das Postamt bitten, den Brief liegen zu lassen, bis der Empfänger ihn selbst abholt." Ebenso ist es beschwerlich, dafs die serbischen Postämter nur Briefe für das Inland aufnehmen und Briefe ins Ausland nur durch einen Vermittler in Belgrad auf die österreichische Post im (Jonsulate besorgt werden können. Packe t-sendüngen geschehen nur alle 14 Tage und sind sehr theuer. Personen werden bis jetzt noch gar nicht befördert, doch ist zu hoffen, dafs die Regierung bald auf den Hauptstrafsen Personenwagen einrichten und dann auch wohl Extrapost stellen wird. Auch das Telegraphenwesen ist gut geordnet. Jede einfache Depesche von 20 Worten kostet nach jeder beliebigen serbischen Station 6 Piaster, 10 Worte mehr 3 Piaster. Der Verkehr mit dem Auslande ist aber sehr theuer, weil nicht blos bis Semlin 8 Piaster, sondern auch von da an noch nach der alten Taxe gerechnet wird, nicht nach der ermäfsigten vom 1. October 1863. Endlich fügen wir noch einen Stundenzeiger und einen Fahrplan der Dampfschiffe bei, doch mit dem Bemerken, dafs beides nur zum ungefähren Anhalt dienen soll. Für jenen fehlt es leider noch an der genauen Wegevermessung, und stand keine neuere Quelle als der amtliche „Satopokasatel" vom Jahre 1841 zu Gebote, in welchem oft genug geändert wird; bei der Benutzung des Local-bootos mufs man aber in Rücksicht nehmen, dafs die Semliner Uhr mit der Belgrader oft um \ Stunden differir! Trotz der grofsen Sorgfalt, welche die Vcrlagshandlung auf die gefällige äufserc Ausstattung des Buches und die Correctheit des Druckes verwandt hat, ist es, besonders wegen der grofsen Entfernung des Druckortes von dem Herausgeber nicht möglich gewesen, alle Druckfehler zu vermeiden. Die stehengebliebenen sind jedoch so unbedeutend, dafs Jeder sie sofort als solche erkennen wird, nur einen sinnentstellenden Fehler müssen wir berichtigen. Auf S. 151 unten ist die Rede von dem Helden Kraljevits Marco, den die Sage noch fortleben läfst in einer Höhle des Waldgebirges, wo er schläft, während sein Säbel hängt und das Pferd Moos frifst: wenn aber einst der Säbel fällt und das Pferd kein Moos mehr hat, wird er erwachen und wiederkommen, und Serbien wird in neuer Herrlichkeit erstehen. Deshalb nannte ich diesen Helden den Hercules und Barbarossa Serbiens. Belgrad, im October 1864. d. V. COKLLN. Fahrplan (Ics Localschifles zwischen Semlin, Belgrad und Pancsowa. Jan. Febr. März. April. Mai. Juni. Dee. Nov. Octbr. Sept. Aug. Juli. 8 Mo. 8 Mo. 7 Mo. e,'.. Ho. 6 '/, Mo. G'A Mo. 8% - 8'A - 7 Vi - 7 7 7 9 - 9 - 8 7'A - 7'A - 7'A - 97, - 9'/. - ° /» - 8 8 8 — 10 Ym. 10 Ym. 10 Ym. 10 Ym. — — Il Va - UV, - u V, - 11%- — — 1 2 'A Nm. 1 Nm. 2 Nm. 2 Nm. — 1 1% - 2% - 2'A - 12 Mi. 1 Nm. 2% - 8 4lA - 4% - 1 % Nrn. 3 2'A - 4 4'A - 6 6 3 - 5 - -r>'A - 6'A ■ 7 &y, - 8Vi - 5'A - 6 Ab. 7 Ab. 7'A Ab. Semlin ^lgrad — Semlin — ^'Igrad - ilncsowa Belgrad -Semlin — 5(;lgrad -janesowa ^lgrad -^mlin -B<%ad - Belgrad Semlin Belgrad Pancsowa - Belgrad Semlin Belgrad Pancsowa - Belgrad - Semlin Belgrad - Semlin de II am p fs c Ii i f IT ali r le n r Personen- u. B<]il««*HiiMV der K. K. Priv. D. D. Gesellschaft und der Staats-Eisenbahn-Gesellschaft. n Auf der Donau. iesth - Semlin...... ^mlin - pe8th...... g«Olin - Basiasch >) . . . «asiasch - ürsowa3) . . . 'rsowa - Basiasch .... piaseli ~ Semlin .... £%»d - Gradi sehte3) . ^disdite - Orsowa") . ;rsowa - Gradischte . . . 'fadisebte - Belgrad . . rsowa - Radujevatz5) . i;adujevatz - Orsowa. . . „ Auf der Savc. *emlin - Sissek 6) . . . öissck - Semlin..... ^lgrad - Schabatz 7) . . Rabatz - Brcska . . . . brfska - Schabatz Sc"abatz - Belgrad St., 24 36 6 8 9 7 7 7 8 8 8 4 44 30 8 8 6 6 Personenschill'e. IODhcIi. St. E. G. Mo. Mi. Sa. 6 U. fr. Mo. 7 V. fr. Mo. Mi. Sa. 2 U. fr. Mo. IO IT. A. Do. 6 U. fr. 1)1. 3 IL fr. Do. Mittag Jli. Sn. §V* ü« fr. Fr. 4 U. fr. Mo. Fr. 9 IT. fr. Fr. Mittag. Mo. 4 IL Nm. So. Mi. Do. 7 TL fr. Do. 2 U. Nm. Fr. 6 U. fr. Di. Fr. Sa. 7 TJ. fr. Freit, fr. III. Sa. 5 IL Nm. Di. Ab. So. Mi. Ab. Do. G TL fr. Mo. G U. fr. Mo. 7 U. fr. Di. 7 U. fr. Di. 12 U. Mittags. Mi. 7 TJ. fr. ) Uebcr Pancsowa und Knbin. a) Ueber Moldava und Drenkowa. 1 » Grotzka, Semendria, Dubroviza und Basiasch. 1 » Milanovatz u. Tekia. 5) Ueber Turnu Severin n. Galatz u. Constpl. ' » Mitrovitz, Brod u. Alt - Gradiska. ') Ueber Obrenovatz. 1. 2. 3. AI«-vinata. j j. 42 Itelgrad. . ... , , ~ , . so — |«.Mn«nov»«z. Kreisstädte Serbiens 4. 14 27 ,fii-m'iiui. nacri ihrer Entfernung von einander 5. 10 49 37 15 1 litijazevatz. in S e r b. Stunden à % geogr. Meilen. 6. 7. 8. 20 9 57 20 32 28 9 21 28 6 10 41 281 Hragujevatz. 18lÌ"|KrwSClievat*. NB" ™ ? jBestimmunS dieser Entfernungen !-1 sind die directesten Wege , nicht die Post-6o 37 49 1 liOSlllza» strafsen mafsgebend gewesen, die oft einen 9. 22 45 41 30 18 36 30 69 1 Xegotfll. grofsen Umweg machen. 10. 29 13 26 17 37 17 25 43 321 Poscharevatz. 11. 17 45 33 20 8 26 20 61 8 261 Saitschar. 12. 48 18 24 36 58 27 42 10 62 31 541 Schabatz. 13. 32 9 26 20 42 17 28 39 36 4 36 271 Seniendria. 14. 12 29 17 2 20 8 8 43 28 17 18 38 201 Tjupria. 15. 27 23 3 16 36 10 18 31 42 27 34 27 27 18 [ Tschatschak. 1(3. 36 30 12 25 45 19 27 30 51 36 43 24 36 27 9 | Uschitza. 17. 41 18 12 27 49 21 33 16 53 30 45 12 27 29 15 121 Valjevo. Inhalts -Verzeiclmifs. Seite Cap. I. §. 1. Geographie............. 1 §. 2. Geschichte.............15 Cai». II. Reiseroute. Meaux. Strafsburg. Bruchsal. Ulm. Salzburg. Ungarn. Englischer Einflufs. Bewunderung der englischen Kirche. Hafs gegen Oesterreich. Ungarische Weine. Dampfboot. Semlin.............28 Cap. III. Belgrad. Schönheit der Lage. Festung. Drusische Gefangene. Der türkische Pascha. Thore. Innere Stadt. Quai. Türkische Kaufläden. Die Akademie. Marktplatz. Die Save. Vorstädte.................46 Cap. IV. Kirchliche Architektur. Unterschied zwischen den Kirchen Serbiens und anderen Theilen der orientalischen Kirche. Beschreibung einer Kirche. Altar. Apsis. Ikonostasis . . 67 Cap. V. Cathedrale von St. Michael. St. Georgstag. Gottesdienst. Ordination eines Priesters. Einsegnung von Schüsseln mit Korn. Alttestamentlicher Charakter des Gottesdienstes. Besuch bei dem Erzbischof..........80 Cap. VI. Die orthodoxe Kirche. Serbische Bisthümer. Zahl und Einkommen des Geras. Einthcilung der Diöcesen. Pfarr- und Klostergeistlichkeit. Predigten. Katechismus und Schulen. Wallachische Kirchen. Sonntag. St. Marcustag. Friedhof. Tänze. Begräbnifs eines Kindes. Kleidung der Frauen.............".....96 Cap. VII. Scenerie der Donau. Eisernes Thor. Kohlenminen. Dorffriedhofe. Dobra. Wallachische Kirche. Milanovatz. Zigeuner. Waldweg. Maidanpek. Eisenwerke. Marktplatz. Hütten. Schenken..............122 Seite Cai'. VIII. Von Maidanpek nach Neresniza. Kutscliaina. Gornjak. Gel)irgsbiiclie. Poscharevatz. Handel der Stadt. Schulen, Ackerbau. Semendria. Friedhofskirche. Festung. Kreuz des Georg Brankovitsch. Türkisches Wachthaus. Serbisches Wirthshaus................150 Cap. IX. Dubroviza. Landschaft um Poscharevatz. Nationaltracht der Männer. Waffen. Golubatzer Mücken. Svilainatz. Serbisches Haus und serbische Küche. Miliza. Medvedje. Dorfparlament. Manassia............175 Cap. X. Manassia. Kirche. Frescogemälde. Gastfreundschaft der Mönche. Weg nach Ravaniza. Kloster. Kirche. Reliquien ZZdßS, Gründers. Tjupria. Gefangene . 7~~~. " T"—:—r . 198 Cap. XL Die Save. Strafse nach Schabatz. Handel der Stadt. Laden und Wohnung eines Kaufmanns. Cathedrale. Bischof von Schabatz. Lesecabinet. Südlicher Grenzgürtel Serbiens von Schabatz bis Negotin. H. Garaschanin. Fürst Michael. Fürstliche Mustcrwirthschaft. Topschider. Rakoviza. Klosterkirche. Friedhof..............216 Cap. XII. Verfassung von Serbien. Skupschtina. Macht des Fürsten. Tractat von Paris. Der Senat. Gesetze. Gerichtshöfe. Finanzen. Die Armee. Politik der europäischen Grofsmächte................250 Cap. XIII. Das Bombardement von Belgrad am 17. Juni 1862 264 Cap. XIV. Die Eröffnung der Skupschtina (Volksversammlung) am 16/28. August 1864 durch Fürst Michael.....287 Anhang. Die deutsch-evangelische Gemeinde in Belgrad. . 298 SERBIEN UND DIE SERBEN. CAP. I. §• 1. Geographie. lidie Ich die Resultate meiner persönlichen Beobachtung gebe und einiges von meinen Ausflügen in Serbien erzähle, wird es passend sein, einige Worte über die Geographie und Geschichte dieses Landes und Volkes zu sagen, um die fortwährenden Abschweifungen zu vermeiden, welche sonst zur Information der meisten Leser nöthig sein würden. Ks ist dieses um so nothwemliger, als das gegenwärtige Pürstenthum Serbien weder dieselbe Ausdehnung hat mit dem gegenwärtigen Wohnsitz des serbischen Volkes, noch mit den Gränzen des serbischen Reiches im Mittel-. alter. Sehr viele Serben wohnen in Ungarn und sind dio Unterthanen Oesterreichs, theils weil der betreffende Landstrich, z. B. der zwischen derSavo und Drau liegende, einst erobert wurde, theils weil das Volk von Serbien aus einwanderte, um den Armeen und Bedrückungen der Türken zu entfliehen. Die Gränzen des alten serbischen Reiches erstreckten sich vom Adriatischen bis in die Nähe des l schwarzen Meeres und schlössen Macedonici!, Thessalien, Bosnien, Ragusa und Theilc von Romanien, Bulgarien, Dalmatica und Croatien ein, in welchen Ländern defshalb die hauptsächlichsten historischen Denkmale und die Gräber der früheren Könige und Helden gesucht werden müssen. Das gegenwärtige Fürstenthum Serbien ist indessen von viel geringerer Ausdehnung und ist an dem südlichen Ufer der Save und Donau gelegen, welche dasselbe nach Norden hin von der Slavonischen und Banater Militairgränze scheiden. Die westliche Grinze gegen Bosnien bildet der Drinaflufs, welcher seine Quelle in den Gebirgen von Montenegro und der Herzegowina bat und nach Norden fHefsend in der Nähe von Mitrovitz sich in die Save ergiefst. Im Osten wird es durch die Donau und den Timok geschieden von der Wallachei und Bulgarien und im Süden begränzt durch Albanien und Alt-Serbien. Während so im Norden und Westen die Gränzen von Serbion durch die Natur vorgezeichnet sind, ist die Gränzlinie im Süden und theilweise im Osten schlecht bestimmt und auf einer bedeutenden Strecke ein ganz imaginäres Etwas, so dafs es gegen die Türkei fast gar kein natürliches Vertheidigungsmittcl giebt. Die Gestalt des Landes ist die eines rechtwinkligen Dreiecks, dessen Basis oben liegt, und von der Donau und Save gebildet wird. Es liegt zwischen dem 43 und 45° N. B. und zwischen dem 37 und 40%° 0. L. (Ferro). Nach seiner Ausdehnung zählt das Land etwa 41 geogr. Meilen in seinem breitesten Theile von Osten nach Westen und etwa 20 von der nördlichen Basis bis zu der Spitze des Dreiecks im Süden. Die Hauptflüsse Serbiens sind die Donau und Save. An der S. W. Grunze entspringt die Serbische Morava und nimmt, nachdem sie bei U s c h i t z a und T s c h a t s c h a k vorbeigeflossen, von Süden her die Gewässer des Ibar auf, vereinigt sich bei Kruschevatz mit der Bulgarischen Morava, wendet sich dann ganz nördlich, theilt Serbien in zwei fast gleiche Hälften, und fliefst in der Nabe von Semendria in die Donau. Dieser Flufs ist für Schiffe von niedrigem Wassergang bis Tjupria, etwa 13 M. von der Mündung, fahrbar. Die serbische Regierung ist iudefs gerade jetzt beschäftigt mit den vorbereitenden Schritten für die Verbesserung des gegenwärtig schiffbaren Strombettes durch Entfernung der Hindernisse, welche frühere Vernachlässigung und die Zeiten der Verwirrung in dem Strombett haben anhäufen lassen, und durch Schiffbarmachung des Flusses für Boote und kleine Fahrzeuge bis zu gröfserer Entfernung von seiner Mündung. Nichts wird den Verkehr zwischen den Städten an der Donau und dem Inneren dieses fruchtbaren Landes so sehr erleichtern als diese beabsichtigte Mafs-regel. Gegenwärtig werden alle Handelsartikel, wenn sie auch noch so massenhaft sind — Baumwolle aus der Türkei, Steinsalz aus der Wallachei, Felle, Fett, Talg, Korn, Wein und andere Ackcrbauproducte, Eisen, Kupfer, Holz- und Steinkohlen und die anderen Erzeugnisse der Minen und Gebirge Serbiens — auf den schwer- fälligen Ochsenwagen des Landes durch die langsamen und kostspieligen Mittel der Landfracht befördert und vermehren auf diese Weise dem Consumcnten die Kosten der Waaren bedeutend. Diese Wagen, an denen nicht ein Stückchen Eisen zu finden ist und die in rohster Weise von den Bauern mit eckigen Rädern gezimmert werden, kann man zu allen Tageszeiten in Parthien von 5 oder 6 sich die Wege entlang plagen sehen. Die zum Thcil recht guten Strafsen, die unter Aufsicht der Regierungsingenieure vom Volke selbst gearbeitet werden, verfolgen meistens die Richtung der Flufsthäler. Die Hauptpoststrafse geht von Belgrad über Semendria am linken Ufer der Morava hin, bei Jagodina über eine Pontonbrücke ans rechte Ufer nach Tjupria und von da über Alexinatz bis an die türkische (kränze, von wo die freilich nicht chaussirte grofse Poststrafso über Nisch, Sofia, Philippopel und Adrianopel bis Constantinopel weiter führt. Während ihres Laufes nach der Donau fallen verschiedene kleinere Flüsse in die Morava, von denen der bedeutendste die Jassenitza ist, welche sich links mit der Morava in der Nähe von Hassan - Paschina - Palanka verbindet und die Ressava, welche sich in der Nähe von Svilainatz in denselben Flufs ergiefst. Aufser diesen Nebenflüssen der Morava fliefsen noch durch die östliche Hälfte Serbiens in die Donau die Ml ava, deren Thal namentlich im Frühlinge zu den lachendsten in Serbien gehört und deren Quelle einem natürlichen artesischen Brunnen von 40' Durchmesser gleicht, der Pek, welcher Goldsand mit sich führt und der Timok, durch den westlichen Theil die Kol ubar a in die Save und der Jadar in die Drina. Das Land ist durchgängig gut bewässert-trotzdem trifft der Reisende aufser den natürlichen Strömen und Flüssen gelegentlich auf künstliche Wasserwerke, welche von den Römern während ihrer Herrschaft über Mösien gemacht wurden und durch welche die Felder, die von den Flüssen mehr entfernt sind, bewässert werden. Die Wasserscheide dieser verschiedenen Ströme wird mehr gebildet durch Hügelreihen als durch Gebirge; die Thäler zwischen denselben sind sehr fruchtbar und die Weiden wimmeln von Vieh. Wiewohl Serbien reich ist an wilden Gebirgs-Scenerien, so hat dies doch mehr seinen Grund in der Menge einzelstehender conischer Berge, die sich aus den Ebenen und Niederungen oder aus un-regclmäfsigen Ilügelgruppcn erheben, als in hohen Gebirgszügen. Doch wird an der bosnischen Gränze das Land wilder und gebirgiger, und nicht weit von der bulgarischen Gränze im Osten kreuzen die Karpathen von Ungarn her die Donau, bilden mit ihren steilen Ufern von Kalkstein und ihren jähen Porphyrwänden das sogenannte Eiserne Thor der Donau, und theilen sich auf der serbischen Seite des Flusses in mehrere! Bergketten, welche sich im Poscharcvatzer Kreise in wildester Unordnung durchkreuzen. Während diese Gebirge der Landschaft grofsen malerischen Reiz verleihen, machen sie das Land sehr zerrissen und unzugänglich. In einigen Theilen dos Landes sind die Hügel und Berge noch bedeckt mit dichten Waldungen meistens von Eichen, Buchen und Eschen, und wo diese ausgerodet wurden, sind die Abhänge der Hügel grün von Weingärten und von Feldern mit türkischem Wai/en. Eine Eigenthttmlichke.it der serbischen Vegetation kann dem Reisenden nicht entgehen. Wiewohl dieses Land auf demselben Breitengrade wie Oberitalien liegt, so entspricht die Vegetation doch ganz der des mittleren Deutschlands, theils wegen der viel östlicheren Lage, theils, weil der Balkan südlich liegt und die rauhen Nordwinde deshalb mehr Macht haben als die milden Südwinde. Die Ränder der Wege, welche sich durch die Waldungen hinwinden, sind eingefafst mit wilden Erdbeeren und die Lichtungen, welche in die Gehölze hineinlaufen, reich an Brombeeren. Der magere Böden an den steilen Seiten mancher Hügel ist bedeckt mit Heidelbeeren. Das Unkraut und die wilden Blumen der Felder sind gleichfalls die, welche gewöhnlich in England getroffen werden, Veilchen und Gänseblümchen, Stiefmütterchen und Euphorbien, Primeln und Schlüsselblumen, Vergißmeinnicht und Ehrenpreis, Orchideen von allen Schattirungen und wilder Knoblauch, Herbstzeitlose und Kuekuksblume oder Pechnelke. Die Hecken sind besetzt mit Geisblatt, Klematis, wildem Hopfen und Wein, und überzogen mit Ginster, mit Brombeersträuchern, sowie Weifs- und Schwarzdorn. Bäume die in England vev-liältnifsinälsig selten sind, werden hier im Ueberflufs gefunden: Wilde Birnen, Kirschen, Pflaumen und Aepfcl, in grofser Zahl in den Wäldern, Akazien und der Goldrogen an den Wegen und spanischer Flieder auf den Abhängen der Hügel, und besonders an der Drina ganze Wälder von wild wachsenden Nufs - und Maulbeerbäumen. Die Reben, welche die Abhänge der Hügel besonders in der Nähe von Semendria, Poscharevatz, Ne-gotin und Ravaniza bedecken und in Serbien zur Zeit der römischen Herrschaft unter Prohlis eingeführt sein sollen, liefern einen sehr guten Wein, welcher in den kleinen Schenken des Landes für etwa 25 Kreuzer, aber engros von den Produccnten für nicht mehr als 10 Kreuzer das Quart (Occa) zu haben ist. Im Innern Serbiens stehen die Häuser zwischen kleinen Obstgärten von Kirschen-, Pflaumen-, Aepfel- und Birnbäumen, deren fruchte getrocknet und in grofsen Massen ausgeführt werden, während von der Pflaume (Schliva) der Lieblings-hr.inntwein des Landes, der Schlivovitz gebrannt wird. Ein anderer Handelsartikel des Landes besteht in den Knoppern der Eiche, von denen grofse Quantitäten zum Gerben und Färben des Leders ausgeführt werden. Aufser-dem liefern die Wälder vorzügliches Binderholz, und kürzlich ist ein grofser Theil des Gebirgslandes von einem jüdischen Kaufmanne gepachtet, um Holzkohlen für den Export zu bereiten. Leider hat der Mangel eines Hafens am Adriatischen Meere, und die Eifersucht Oesterreichs, welche bis jetzt den Bau einer Eisenbahn von Sissck nach Fiume verhinderte, Serbien den Märkten des west- liehen Europa verschlossen, und seine ausgedehnten Waldungen und seine reichen Bodenerzeugnisse ver-hältnifsinäfsig wertlilos gemacht. Trotzdem hat der Reichthum Scrhiens bisher fast gänzlich in seinen Waldungen bestanden, doch nicht in den edlen Eichen von grofsem Umfang und bedeutender Höhe, aus denen die gröfsten Schiffe gebaut werden könnten, aber welche wegen Mangel an Absatz, auf den Gebirgen verfaulen oder als Brennmaterial von irgend einem, der grade Feuer bedarf, niedergehauen werden, sondern in den zahllosen Heerdes von Schweinen, welche sich mit den Eicheln nähren, die den Boden meilenweit bedecken. Von diesen Schweinen werden jährlich 200000 nach Ungarn und von dort weiter nach Deutsehland getrieben und finden bereitwillige Abnehmer wenn auch weit unter ihrem Werthc, so doch zu einem Preise, welcher den Eigenthümern grofsen Gewinn bringt. Kürzlich begann ein Franzose nahe bei Belgrad in einer schönen Villa dieses Schweinefleisch einzusalzen und nach allen Theilen Europas zu exportiren, doch wurde auch dieses Geschäft wie so manche andere durch das Bombardement vom Jahre 1862 aufgehoben. Die Serbischen Waldungen sind reich an dem in Mitteleuropa gewöhnlichen Wild, Haasen, Hirschen, Rehen und Füchsen; in dein Dickicht wird auch der wilde Eber und zuweilen die wilde Katze gefunden, auf den höchsten Gipfeln sind noch einige Büren und Luchse geblieben, wagen sich aber, wiewohl der Winter sehr streng und ihre gewöhnliche Spur gänzlich unerreich- bar ist, nie in die Nähe der Dörfer oder Menschen. Nur im Herbst siebt man gelegentlich den Braun den Wilden Pflaumbaum schütteln und ein oder zwei verirrte Schweine fortschleppen, um seinen Hunger zu stillen. Der Wolf ist fast eben so selten wie der Bär, und würde schon lange unter die ausgerotteten Thiere dieses Theiles von Europa gezählt werden, wenn es ihm nicht so leicht wäre von Oesterreich herüber zu kommen, wenn die Donau und Save zugefroren sind, was gewöhnlich alle 3 oder 4 Jahre geschieht. Der Wolf, sagte mir ein serbischer Herr, würde schon längst verschwunden sein, wenn die österreichische Regierung ihren Unterthanen Waffen anvertrauen könnte : alle kommen zu uns von Oesterreich herüber. Wilde Vögel giebt es in Menge auf den Inseln und in den Niederungen der Donau. Der Fettammer, die Wachtel Bad die Schnepfe sind gewöhnlich in den Ebenen; grofso Schwärme von wilden Tauben werden von den Bäumen aufgescheucht, wenn der Reisende durch die Wälder geht, während diejenigen, welche eine edlere, aber weniger vor-theilhafte Jagd wünschen, sie finden in den Gemsen auf den Felsengebirgen oder in den Falken, Geiern und besonders Adlern, welche man sehr gewöhnlich über dem Dickicht des Waldes schweben oder den Lauf des Flusses entlang nach Beute suchen sieht. Die Plüsse sind gleichfalls sehr fruchtbar, besonders ist der Stör der Donau eine schmackhafte und gewöhnliche Speise in den Städten au den Ufern dieses Flusses und liefert, gleich der Hause, einen vortrefflichen Caviar. Kleinere Fische — Karpfen, Barsch, Forelle und andere Süfswasserfische — werden aus den zahlreichen Flüssen des Landes gewonnen und in grofsen Mengen eingcsalzen oder getrocknet. Wiewohl erst wenige und noch dazu unbedeutende Versuche gemacht sind, die verborgenen Reiehthümcr der Gebirgsketten von Serbien zu entdecken, so weifs man doch, namentlich durch die im Jahre 1839 von dem Berghauptmann v. Herder aus Sachsen angestellten Forschungen, dafs der Mineralreichthum des Landes sehr bedeutend ist. Gold, Silber und Eisenminen wurden schon zur Zeit der Römer bearbeitet. Die zwei erstcren Metalle werden gegenwärtig nicht mehr gefunden, oder doch nur in so unbedeutender Menge, dafs die Kosten der Bearbeitung der Minen nicht gedeckt werden. Das Eisen von Serbien dagegen steht an Reinheit und Menge des Metallgehalts im Erz keinem der Welt nach. Aufsordem giebt es noch Zink- und Schwefelminen in der Nähe von Mai-dampeck und Kohlenlager werden in verschiedenen Theilen des Landes von Dobra an der Donau bis Ravaniza in der Nähe von Tjupria bearbeitet. Wiewohl die Kohle, welche man von den Werken in Dobra brachte, kaum mehr als 00 Fufs unter der Oberfläche liegt, wurde sie doch von den englischen Kohlonsehaucrn der von New-castle gleichgestellt. Von denselben Werken kann feuerfester Thon in beliebiger Menge beschafft werden. Nimmt man dazu noch Minen von Kupfer und Blei zugleich mit grofsen Quantitäten von Salpeter und Gyps, so kann man sich eine Vorstellung machen von dem grofsen mineralischen und materiellen Reichthum eines noch fast unerforschten Landes. Gegenwärtig ist die Industrie Serbiens noch in ihrer Kindheit, aber kein Land Europas von derselben Ausdehnung bietet ein so weites Feld für vortheilhafte Anlegungen von Kunstfleifs und Capital. Serbien zerfällt in 17 Kreise mit 1,100,000 Einwohnern. Von diesen Kreisen berühren 12 die Gränze und 5 liegen im Innern. Wir beschreiben defshalb von Belgrad aus eine Kreislinie und dann den Diameter von Westen nach Osten. 1. Belgrad, 5 Bezirke mit 80000 Einw. und 33 Volksschulen-, Hauptstadt Belgrad, 22000 Einw. an Donau und Save (das alte Singidunum), Residenz des Fürsten und Sitz der Regierung und der fremden Consuln, des Metropoliten von Serbien und des Consistoriums für die Diöcese Belgrad. Appellation«- und Handelsgericht. Kreishauptmannschaft (Nutschalnikat) und Kreisgericht wie in jeder Kreisstadt. 3 serbische Kirchen, eine deutsch-evangelische unter dem Patronat der serbischen Regierung, eine römisch-katholische Capelle im Oesterreichischen Consulatsgcbäude, 11 Moscheen, 3 Synagogen, Lycenm, Gymnasium, Halbgymnasium, Theologisches Seminar, Handelsschule, Mädchenschule, 8 Elementarschulen, darunter eine griechische, eine deutsch-evangelische, eine römisch-katholische und eine jüdische. Lesecabinet mit 14 serbischen, 1 polnischen, ° russischen, 1 bulgarischen, 1 bömischen, (j griechischen, 1 deutschen und 5 französischen Zeitungen. 3 Buch-druckercien. Bibliothek von 20000 Bänden. Museum. Mili- tair- und BürgerhospitaL Türkische Festung mit 4000 M. Besatzung und Residenz dos Pascha. Topschi der, Lustschlofs des Fürsten mit Park und Thiergarten. Rakoviza Kloster. Grrozka an der Donau, 1100 Einw. 2. Seinendrta, 2 Bezirke mit 52900 Einw. und 14 Schulen. Semendria an der Donau, 4000 Einw. Türkische Festung mit dem Thurme des Georg Brankovits. Palanka, 1300 Einw. 3. Poscliarevatz, G Bezirke mit 122700 Einw. und 30 Schulen. P o s c h a r e v at z nahe der Morava, 5500 Einw. mit einem Halbgymnasium. In der Nähe an der Morava das fürstliche Landesgestüt. Gradischte an der Donau, 2200 Einw. Sagubiza. Bergwerke. 4. Hraina, 4 Bezirke mit 62900 Einw.und 20Schulen. Nego ti n 3500 Einw. Sitz des Bischofs und Gonsistoriums der Diöcese Negotin. Handel. Bester Wein. Kladowo, 1300 Einw. an der Donau gegenüber von Turnu-Severin. Daneben die türkische Citadelle Fetts Islam. Milanovatz an der Donau, 1400 Einw. Adakalo, Türkische Festung auf einer Insel der Donau nahe bei Orsowa. Maidampek, 600 Einw. Eisen und Zinkwerke. In der Nähe eine grofse Tropfsteinhöhle. 5. Zriioretaclika, 2 Bezirke mit 46940 Einw. und 13 Schulen. Saitschar am Timock, 2900 Einw. Halbgymnasium. 6. Knjazevatz (früher Gurgussovatz), 2 Bezirke mit 46334 Einw. und 11 Schulen. Knjazcvatz am Timok, 4G334 Einw. Gr rama da, Zollami 1 Stunde davon das Bergsehlofs Sfrlik, von wo der schönste Blick auf Nisch in Alt-Serbien. 7. Alexinatz, 3Bezirke mit 44688Einw.und 10Schulen; Alexin atz, 3000 Einw. Haupt-Griinz-Zoll-Amt. Handel mit der Türkei. Oesterreichisches Post-Amt auf der Strafse nach Constantinopel. Banja, 1200 Einw. Heilquellen natürlichen reinen Wassers von 60° Wärme. Altes Römisches gewölbtes Spicgelbad. In Hrtanj nicht weit von Banja eine Höhle, in der sich im Sommer Eis bildet. 8. Hrusclievatz, 3 Bezirke mit 54000 Einw. und 9 Schulen. Kruschevatz nahe der Morava, 2(500 Einw. Gut erhaltene Kirche des Zar Lazar im byzantinischen Style. An der Südgränze der Kopaonik (5000'), der höchste Berg Serbiens, von wo ein prachtvoller Blick auf Monte* negro, Novibazar und das durch die Schlacht von 1389 ^rühmte A ms elf cid. 9. Tgcliatscjiak, 4 Bezirke mit 53700 Einw. und 10 Schulen. Tschatschak an der Morava, 1500 Einw. Kirche, die dreimal Moschee war. 8 Stunden von Tschatschak (i°r Berg Ovtschar mit schöner Rundsicht und sieben Klöstern. Karanovatz amibar, 1500 Einw. Sitz des Bischofs Qnd Consistoriums für die Diöccse Usehiza. In der Nähe Kloster Zitscha mit der altbyzantinischen leider ohne Ver-stiiiulnifs renovirten Krönungskirche der serbischen Könige. Eine Tagereise von dort das Kloster Studeniza in wunder-vol]stor Oebirgsscenerio mit prachtvoller Kirche aus ge- hauenem Marmor, in welcher sieh das Grab des erstgekrönten Serbischen Königs Stephan befindet. 10. Useliitza, 5 Bezirke mit 91257 Einw. und 12 Schulen. Use hit za, 2000 Einw. Bis 1862 türkische Festung. An der Drina das wilde Hochgebirge mit Nadelholz und Gemsen. Ueberau auf den Höhen schöne Blicke auf Montenegro, auf den Dormitor (8000') und die Kommovi (9000'). 11. Podriiigka, 3 Bezirke mit 45700 Einw. und 13 Schulen. L o s n i z a nahe der Drina, 1600 Einw. Krupan, 400 Einw. Bleiwerkc. 12. Schabatz, 3 Bezirke, mit 66400 Einw. und 22 Schulen. Schabatz an der Save, 4400 Einw. Sitz des Bischofs und Consistoriums für die Diöcese Schabatz: Halbgymnasium, Handel mit Oesterreich. Im Norden die Matschva, berühmt durch üppige Fruchtbarkeit und die Schlacht bei Salaseli. 13. Valjevo, 4 Bezirke mit 75200 Einw. u. 21 Schulen. Valjevo an der Kolubara, 1900 Einw., gröfstor Jahrmarkt in Serbien, üb, 700 Einw. Obrenovatz, 600 Einw. 14. Kufliiik, 3 Bezirke mit 47000 Einw. und 12 Schulen. Gornji Milanovatz (früher Brusniza), 600 Einw. Ruinen der Stadt Rudnik, bei welcher sich in der Königszeit Bergwerke und Münzschlägereien befanden. Eisen-, Kupfer-, Blei- und Süberwerke. 15. Hragiijevatz, 4 Bezirke mit 85100 Einw. und 24 Schulen. Kragujevatz, 4000 Einw. Gymnasium. Kanonengiefserei. Gewehrfabrik. Pulvermühle. Arsenal. 1821 bis 1839 Sitz der Regierung. IG. .la filili mi, :5 Bezirke mit 58400 Einw. u. 11 Schulen. Jago dina, 4000 Einw. Glasfabrik. Schlachtfeld von Varvarin. 17. Tjiipria, 2 Bezirke mit 50000 Einw. und 10 Schulen. Tjupria au der Morava, 2100 Einw. Paratschin, 3300 Einw. Kloster Ravaniza, Stiftung des Zar Lazar und Manassia, Stiftung des Stephan La-zarevits. §. 2. Geschichte. Das gegenwärtige Fürstenthum Serbien hat etwa denselben Umfang wie die römische Provinz Mocsia superior. Die Ureinwohner dieses Landes oder wenigstens die ersten, von denen wir eine geschichtliche Kenntnifs haben, waren tracische Stämme. Mit diesen waren vermischt eine grofwe Anzahl Gallier, welche nach der Vernichtung des Brennus (377 v. Uhr.) sich in Mösien ansiedelten. Im Jahre 75 v. Chr. drang eine römische Armee zum ersten Mal in das Land, welches indessen erst ein halbes Jahrhundert später (2Ì) v- Chr.) vollständig unterworfen ward. Am Ende des Herten Jahrhunderts der christlichen Aera erhielten die f)stgothcn, welche vor den siegreichen Armeen der Hunnen flohen vom Kaiser Valens Erlaubnifs, sich in Mösien an-8afsig zu machen. Zum Gebrauche dieser Ostgothen, oder ^ösogothen, wie sie von dem Namen der Provinz, in Welcher sie sich angesiedelt hatten, genannt wurden, über- setzte Ulphilas im vierten Jahrhundert die heilige Schrift in die goti lische Sprache. Im Beginn des siebenten Jahrhunderts entrissen die Avaren das Land der Byzantinischen Herrschaft und verwüsteten es, bis im Jahre 638 die Serben, ein slavischer Volksstamm, wahrscheinlich auf Veranlassung des Kaisers Boraci ius aus dem jetzigen Klein-Russland nach Mösien kamen, dem Lande, von welchem sie gewaltsamen Besitz ergriffen, ihren eigenen Namen gaben und endlich 1222 unter Stephan NemanjaPrvoventschani (dem orsfgekrönteu) das Königreich Serbien gründeten. Im neunten Jahrhundert wurden die Serben allmählig, besonders durch die Thätigkeit der Apostel der Slaven Cyrill und Methodius christiauisirtund zwar der orientalischen Kirche einverleibt, wiewohl einzelne Könige sich auch zur lateinischen Kirche bekannten. Schon damals besafs das serbische Volk seine eigene Liturgie, die noch heute gebraucht wird ; zum Gottesdienste versammelte es sich unter der Leitung von Priestern seines eigenen Stammes und wurde in geistlichen Dingen von Bischöfen regiert, die unter Einholung der Erlaubnils der Patriarchen von Constantinopel von seinem eigenen Clerus gewählt wurden. Durch die Vermischung verschiedener Stämme hat die Sprache Serbiens, wiewohl sie rein slavisch ist, doch einen eigentümlichen Charakter bewahrt. Von den gröfsten Philologen wird sie zu den besten und wohllautendsten der slavischen Dialecte gezählt und ist wegen ihrer Weichheit oft das italienische Slavisch genannt worden. Niebuhr, cine gewifs nicht geringe Autorität, hält sie sogar in Beziehung auf grammatischen Bau für die vollkommenste unter allen modernen europäischen Sprachen. Je mehr das ost-römische Kaiserreich verfiel, desto mehr nahm die Macht der Beherrscher Serbiens aus dem Hause Ncmanja zu, besonders seit dem Jahre 1222, als der heilige Sava, der bis auf den heutigen Tag der Schutzpatron der serbischen Bildung ist, seinen Bruder Stephan zum ersten Könige gekrönt hatte. Die sich stets erweiternden Gränzen ihres Territoriums waren Gegenstände der Be-sorgnifs für die Kaiser in Constantinopel und die Veranlassung zu häufigen Kriegen, welche das sinkende Reich des Ostens noch mehr schwächten und eine der Ilaupt-ursachen waren für den Erfolg der türkischen Horden, welche bald diese beiden Staaten übersclrtvcmmeu und erobern sollten. Den Gipfelpunkt seiner Gröfse erreichte Serbien zwischen 1334—1355, als die Autorität des Stephan Duschan vom adriatischen bis zum ägeischen, ja fast bis zum schwarzen Meere, bis zur Maritza anerkannt ward, und Bosnien, Macedonien, Albanien, Slavonien, Dalmaticn und ein Theil von Bulgarien, Thracien und Thessalien seinen Befehlen gehorchten. Dieser Fürst nahm den Kaisertitel an und sein Bündnifs und seine Hülfe wurden durch die mächtigsten Souveräne Europas gesucht. Dies war indefs der Glanz, der dem Fall vorhergeht. Schon der Sohn und unmittelbare Nachfolger des Stephan Duschan, Uzrosch, verlor ganz Rumelien an den Sultan und später, wurden die Gränzen Serbiens Schritt für Schritt verengt. 2 Kurze Zeit nach der Eroberung von Rumelien unterhielten Serbien und die Türkei freundschaftliche oder wenigstens friedliche Beziehungen. Die Regenten dieser Länder suchten sogar gegenseitig ihre Frauen in der Familie des benachbarten Souveräns, so dafs der Sultan und der Fürst von Serbien wiederholt mit einander verschwägert waren. Als indefs die Macht des Sultans fest geworden war und die Unterwerfung der europäischen Länder gesichert zu sein schien, verursachten die systematischen Erweiterungen der osmanischen Macht und die Ausdehnung ihres Territoriums in allen Richtungen dem Fürsten und Volke Serbiens gerechte Bcsorgnifs, bis endlich im Jahre 1889 ein entschiedener Versuch gemacht ward, dem Vordrängen der muhamedanischen Macht zu widerstehen. Unter Czar Lazar, dem regierenden Fürsten Serbiens, wurde auf der Ebene von Cossowo (Amselfeld) in Albanien am Vidovdan (Tag des heil. Vitus) eine Schlacht geliefert, welche das Schicksal des Landes entschied. Durch den Verrath des Vuk Brankovits, eines der Oberbefehlshaber der serbischen Armee, gelang es den Türken, den Sieg zu gewinnen und die serbische Macht zu vernichten. Lazar selbst ward gefangen genommen und aus Rache für die Ermordung des Sultan Murat VI durch Milosch Obilits von den Türken getödtet. Nach dem Tode des Czar Lazar überschwemmten die muselmanischcn Armeen Serbien und drangen bis nach Ungarn vor. Die Unterwerfung des ersteren Landes war vollständig. Wiewohl die Form einer unabhängigen Mo- nardiic kurze Zeit noch bewahrt und Serbien durch einen eignen Fürsten beherrscht wurde, so ward doch das ganze Land der Pforte tributpflichtig gemacht, bis in der Mitte des 15. Jahrhunderts selbst die iiufserc Form der Unabhängigkeit verloren ging, und Serbien dem -Namen und der Wirklichkeit nach eine türkische Provinz wurde. Die belgrader Festung widerstand indessen, stark durch ihre natürliche Lage und durch die Leichtigkeit, mit welcher von Ungarn her Hülfe gebracht wurde, den Watten des Sultans und wurde bis 1522 von einer christlichen Garnison gehalten, da endlich wurden selbst die letzten Reste des alten serbischen Reiches durch Soliman den Grofsen vernichtet und fast zwei Jahrhunderte lang blieben die Türken Herren der Festung. Im Jahre 1717 belagerte und eroberte Prinz Eugen von Savoycn an der Spitze einer österreichischen Armee Belgrad und besetzte ganz Serbien, so dafs im nächsten Jahre durch den Frieden von Poscha-revatz das Land von den Türken formlich an Oesterreich abgetreten werden mufstc. In dem Kriege zwischen der Türkei und Oesterreich im Jahre 1739 gewannen erstere das Land zurück und durch den darauf folgenden Friedens-tractat wurde der Besitz von Belgrad den Türken garau-tirt. Im Jahre 1788 nahm eine österreichische Armee unter Marschall Laudon Belgrad nochmals ein, mufste es aber im Jahre 1791 in Folge des Friedens von Sistovo der Türkei wieder zurückgeben. Während dieser wechselnden Besetzung Serbiens durch die Armeen Oesterreichs und der Türkei, blieb der Zustand der Einwohner im Ganzen derselbe. Die Leichtigkeit, mit welcher die Türken Serbien besetzten, mufs besonders der von den Serben gemachton Beobachtung zugeschrieben werden, dafs es die Absicht ihrer ungarischen Verbündeten sei, die ganze Nation zum Abfall von der orientalischen Kirche zu bewegen, den römischen Ritus anzunehmen und die Suprematie des päpstlichen Stuhles anzuerkennen. Die Unterwerfung unter die Pforte schien wenigstens das Versprechen einer stillschweigenden Ausübung des von der orthodoxen Kirche vorgeschriebenen Gottesdienstes zuzulassen, während die Union mit Ungarn ebenso gewifs eine thatsächliche Verfolgung oder eine gewaltsame Unterwerfung unter den verbalsten Ritus und Oberbefehl Roms in sich schlofs. Von den zwei .lochen zogen defshalb viele Serben, namentlich aus den einflußreicheren Classen, dasjenige vor, dessen Schrecken ihnen unbekannt waren. So lange die Autorität des Sultans bei den verschiedenen Unterbeamten, welche bestimmt waren, die Angelegenheiten der eroberten Provinz zu verwalten, noch etwas galt, und als die Befehle der Centrairegierung in Constan-tinopel noch getreu ausgeführt wurden, war der Zustand der Christen in Serbien, wiewohl hart, so doch nicht unerträglich. Wiewohl ihnen die Freiheit des öffentlichen Gottesdienstes gänzlich verweigert ward, so konnton sie sich doch in Gebirgshöhlen und in der tiefen Einsamkeit der Wälder versammeln; in einigen Dörfern gestattete man sogar stillschweigend das Dasein und den Gebrauch einer niedrigen Hütte zur Ausübung des christlichen Gottes- dicnstcs. Das harte Loos der christlichen Untorthancn des Sultans ist stets daher gekommen, dafs die Centraibehörde in Constantinopel nur wenig wirkliche Autorität im türkischen Reiche hatte. Es ist die gemeine Tyrannei der Dorfbeamten, verschärft durch persönlichen llafs, welche jene Griiuelthaten verübt haben, denen die Christen in der Türkei sowohl früher, als noch mehr heutzutage unterworfen sind. In den 'Pagen der Gröfse einer Nation sind die Tugenden der Gerechtigkeit und selbst der Grofsmuth gegen einen unterworfenen Volksstamm möglich, doch werden sie selten gefunden in der Zeit des Verfalles derselben. Niemals waren die Christen der Türkei so harten Grau* samkeiten ausgesetzt, als gegenwärtig, da die muhameda-nische Macht nur noch durch das gegenseitige Mifstraucn der europäischen Grofsmächte aufrecht erhalten wird. Wie die Aushebung geschieht, wenn nur die nöthige Anzahl Rekruten gestellt wird, wie die Steuern erhoben werden, wenn nur der richtige Retrag dem Staatsschatz gezahlt wird, und wie grofs die Totalsumme des Raubes ist, welche der Pascha einer unruhigem Provinz, oder der Kadi eines unbedeutenden Dorfes von den ihrer Autoritiit Untergebenen erpressen, sind für die Pforte Dinge von ihn- gröfsten Gleichgültigkeit. Der Sultan übt eine Autorität nur über die Pächter der Steuern und über dio grofsen Staatsbeamten; und die gegenwärtige Verfassung der Türkei zeigt sich dem armen Raja gegenüber in den schlechtesten Zügen einer Oligarchie von Demokraten, in welcher der Wille des Sultans gekreuzt wird durch das Interesse und die Leidenschaften der niedrigsten Regierungsbeamten und durch den boshaften Fanatismus der Masse der „Gläu-bigen So war es nicht die harte Strenge der Centraidespoten, sondern die elende Tyrannei einer anarchischen Regierung, welche endlich nach fast vier Jahrhunderten der Unterdrückung das serbische Volk zu dem Aufstande trieb, welcher vor etwa 30 Jahren mit der öffentlichen Anerkennung seiner Unabhängigkeit endigte. Am Ende des vorigen Jahrhunderts waren die Paschas von Widclin und Belgrad die Vertreter des Sultans in Serbien, leisteten ihm aber tur dem Namen nach Gehorsam. Unter diesen Paschas beraubten und mifshandelten die unruhigen Truppen aufrührerischer Janitscharen die unglücklichen Einwohner. Ihrer Wollust mufsten die Weiber und Töchter der Serben zu allen Zeiten dienen und ein gesetzliches Privilegium unterwarf jede Frau in Serbien dem unbeschränkten Willen des geringsten türkischen Soldaten. Die schrecklichsten Grausamkeiten wurden täglich verübt, um den Besitz des Eigenthums der Bauern und den Gebrauch ihrer Frauen zu erlangen, während auf jede Beschwerde, welche den Hof von Constantinopel erreichte, die Entschuldigung, dafs solche Thaten nicht auf Veranlassung oder auch nur mit Willen der Centrairegierung, sondern im Widerspruche mit ihren Wünschen verübt würden, vollkommen richtig war. Die Autorität der türkischen Regierung war in der That nicht im Stande die Leidenschaften ihrer Beamten zu zügeln und begnügte sich damit, womöglich die Kunde von solchen Ucbergriffen zu vermeiden. Da die Serben sich endlich überzeugten, dafs sie von ihren Beherrschern keine Abhülfe erlangen konnten, suchten sie dieselbe durch ihre eigenen Waffen. Der von den Türken verübte Druck hatte die unzugänglichsten Theile des Landes und die Schlupfwinkel der Waldungen mit Banden von gekränkten und verzweifelten Männern gefüllt, welche sich ihren Unterhalt schafften und das erlittene Unrecht rächten durch Plünderung und Ermordung der türkischen Beamten. Endlich brachten die stets zunehmenden Leiden des Volkes in jedem Theile von Serbien solche Massen und gaben diesen heimathlosen Ilaiducken solche Bedeutung, dafs sie die Aufgabe, ihr Vaterland befreien zu helfen, verstanden. Die Besten und Edelsten im Volke, standen auf und wählten in Cara-djordje oder dem sebwarzen Georg einen Häuptling, dessen Gewandtheit und Energie den planlosen Bestrebungen der halb räuberischen, halb patriotischen Guerillabanden ein bestimmtes Ziel und Consistenz gaben. Der allgemeine Aufstand des serbischen Volkes datirt vom Jahre 1804. Im Monat Januar des Jahres 1806, also kaum ein Jahr nach dem Beginne der Revolution, zählten die Bauern unter dem Commando des Cara Georg circa 10000 Mann, mit denen er während des Sommers dieses Jahres die Armee des Pascha von Bosnien vollständig vernichtete, den Fortschritt einer andern grofsen Armee unter dem Commando des Pascha von Scutari hemmte und Bei- grati nahm. Nach achtjährigem Kampfe mit wechselndem Glücke, aber im Ganzen mit einem stetigen Fortschritte, gelang es dem Cara Georg im Jahre 1812 die Unabhängigkeit seines Landes durch den Tractat von Bukarest (28. Mai 1812) zu erreichen. Der Feldzug Napoleons gegen Rufsland und die Hülfe, welche er der Türkei leistete, setzte die Pforte indefs in den Stand, im Jahre 1813 das Land wiederzuerobern und die Freiheiten der Serben zu vernichten. Zehn Jahre, die durch Scenen der teuflischsten Rache verdunkelt waren,, folgten. Neue Arten der Tortur und unerhörte Marterwerkzeuge wurden erfunden. Christliche Gefangene wurden gegen die Wälle der wider-standleistenden Festungen durch eigens zu diesem Zwecke construirte Katapulten geschleudert; Kinder wurden in Gegenwart ihrer Mütter zur Verspottung des Taufritus durch siedendes Wasser gezogen; und die Espiamole, welche unter den Wällen der Festung liegt, war Monate lang bedeckt mit den Leichen serbischer Patrioten, welche aufgepfahlt waren und nach tagelangen Leiden der Verschmachtung und des Todeskampfes starben. Die durch diese Gräuelthaten und durch den darauf folgenden Vernichtungskrieg verursachte Abnahme der Bevölkerung ist noch nicht wieder ersetzt. Alle diese Grausamkeiten vermochten indessen nicht den Geist der Nation zu brechen, sondern erweckten dieselbe endlich zu einer entschiedenen Anstrengung, die Unabhängigkeit, welche sie eine kurze Zeit genossen hatten, wiederzugewinnen. Unter Fürst Milosch, einem der Ober- befehlshaber des Cara Georg und dem Vater des jetzt regierenden Fürsten, erhob sich im April 1815 das ganze Land zu einem tiunultuarischen Aufstande, der nach einem sich mehrere Jahre hinziehenden Kampfe erfolgreich war, so dafs im Jahre Ì826 ganz Serbien nicht nur wirklich von der türkischen Herrschaft befreit war, sondern diese Freiheit auch durch den Tractat von Akerman, Adrianopel, (7. October 182G und 1829), sowie durch den Hatischerif des Sultans vom Jahre 1830 bestätigt wurde. Durch letztere Urkunde ward die ganze innere Verwaltung des Landes den eigenen Behörden überlassen, die aber der Suzeriinitiit der Pforte unterworfen waren und die Regierungsfolge ward erblich gemacht in der Familie des Fürsten Milosch. Unglücklicherweise ward durch die Intervention der europäischen Grofsinächte, welche gegenüber den Bemühungen der Serben, sich von ihren türkischen Unterdrückern zu befreien, sich passiv verhalten hatten, festgesetzt, tlafs sieben Plätze in Serbien Garnisonen von türkischen Soldaten erhalten sollten. Diese Truppen sollten indessen aufserhalb der Garnisonswälle keine Macht besitzen und es ward ausdrücklich bestimmt, dafs sie im Innern des Landes nicht wohnen sollten. Durch einen Firman vom Jahre 1833 wurde den Türken, welche noch außerhalb der Festungen Eigenthum besafsen, geboten, ihr Besitzthum innerhalb fünf Jahren zu verkaufen und entweder das Land zu verlassen oder ihren Wohnsitz innerhalb der Festungen zu nehmen. Derselbe Firman verordnet, dafs alle Polizei-Angelegenheiten von serbischen Civilbchörden verschon worden sollten. Sowohl der Tractat von Akerman, als auch der unmittelbar darauffolgende Ilatischerif wurden indessen in dieser Beziehung umgangen und die gegenwärtigen Verwickelungen in Serbien und das Bombardement von Belgrad sind die Resultate der Nichtbeobachtung dieser Bestimmungen, Im Jahre 1839 führten die Unpopularität des Fürsten Milosch, und die Reihungen zwischen einigen Vornehmen zu seiner Abdankung. Ihm folgte sein ältester Sohn Milan, welcher aber beim Falle seines Vaters schon im Sterben lag und nie von dem Ercignifs unterrichtet sein soll, welches ihn wenigstens nominol zum Staatsoberhaupte gemacht hatte. Bei seinem Tode folgte sein jüngerer Bruder Michael, wurde aber schon im Jahre 1842 gezwungen, dem Beispiele seines Vaters zu folgen und das Land zu verlassen. An seiner Stelle bestieg Fürst Alexander Cara-Georgowitsch, der Sohn des Volkshelden und Befreiers von Serbien, den Thron. Wiewohl dieser Nationalact von der Pforte bestätigt wurde, und wiewohl die türkische Regierung die Thronbesteigung des Fürsten Alexander gern sah, wurde doch seinen Kindern die Nachfolge nicht zugesichert. Es war augenscheinlich, dafs der Sultan eifrig bemüht war, die im Augenblicke der Gefahr gemachte Concession zu vernichten. Kurze Zeit scheint die Regierung des Fürsten Alexander populär gewesen zu sein und das Land machte grofse Fortschritte in den inneren Verbesserungen unter seiner weisen Leitung. Endlich zerstörte aber der Argwohn einer ungebührlichen Abhängigkeit von Oesterreich, sowie eine zu exclusive Bevorzugung der Verwandten seiner Frau in der Vertheilung von Ehren- und Machtstellen, diese Popularität, und im Decomber 1858 zwang ihn die St. Andreas-Skupschtina oder die Generalversammlung der Volksvertreter, abzudanken und rief unmittelbar darauf den Fürsten Milosch aus seiner Zurückgezogenheit in Bukarest zurück. Dieser ergriff die Zügel der Regierung und bewies, dafs er trotz seines hohen Alters die Jugendkraft nicht gänzlich verloren habe. Er überlebte aber seine Zurückberufung nur wenig über ein Jahr und bei seinem Tode im Jahre 1860 folgte Fürst Michael, der einzige noch lebende Sohn, zum zweiten Male als Erbfürst von Serbien, welcher sich selbst als Fürst proelamirtö unter dem Titel: „Michael Obrenowits III, durch Gottes Gnade und den Willen des serbischen Volkes, in Ueber-cinstimmung mit dem kaiserlichen Ilatischerif vom J. 1830 und mit dem Gesetze vom Jahre 1859, welches die Erbfolge regelt, erblicher Fürst von Serbien." CAP. IT. Reiseroute. Mcaux. Strafsburg. Bruchsal. Ulm. Salzburg. Ungarn. Englischer Einflufs. Bewunderung der englischen Kirche. Hals gegen Oesterreich. Ungarische Weine. Dampfboot. Semlin. Meine Reise von London nach Belgrad nahm eine Woche in Anspruch, doch braucht man nicht mehr als vier Tage unterwegs zu sein, wenn das fortwährende Reisen nicht zu anstrengend ist und man es möglich machen kann, im Eisenbahnwagen zu schlafen. Da ich nicht gezwungen war ohne Unterbrechung zu reisen, schlief ich in Paris, Wien und Pesth, und statt den schnellsten Weg nach Serbien über Basiasch zu wählen, verlor ich mehrere Stunden, indem ich von Pesth nach Semlin die Donau zu Dampfschiff hinunter fuhr. Dies vorausgeschickt, mag es denen, welche Serbien zu besuchen wünschen, von Nutzen sein, wenn ich einige Worte über meine Reise nach Belgrad sage. Am Montag (14. April) Abends verliefs ich den Bahnhof von Londonbridge, kam am folgenden Morgen nach Paris und fuhr mit dem Abendzuge nach Strafsburg weiter. Die Nacht war klar und als der Zug hinter Mcaux dahin- brauste, konnte ich gerade noch einen Schimmer von der Cattedrale erhaschen und die Umrisse dieses freundlichen und zusammengedrängten Städtchens herausfinden, welches für immer berühmt ist als Wohnsitz des gröfsten und beredtesten der französischen Bischöfe. Als die französische Kirche reich war an beredten Predigern und geziert ward durch Männer, wie Fenélon, Bourdalouc und Massillon, ragte über alle diese ihr Genosse Jacques Benigne Bossuet hervor, der stolze „Adler von Meaux", dessen Asche in «lern Altar dieser kleinen durch ihn weltberühmten Cattedrale in Frieden ruhte, bis sie vor wenigen Jahren in ultramontanem Eifer von ihrem Ehrenplatze entfernt und in einer der Seiteucapellen wieder begraben wurde. Bei Tagesanbruch passirten wir den Elsafs mit seinen reichen Gebirgen von Eisenstein, welche, als die Eisenbalm-compagnic ihren Plan entwarf, dem Bau dieser Linie gewaltige Schwierigkeiten darbot, jetzt indessen eben so viele Beweise von der Kunst sind, mit welcher dieselben überwunden wurden. Ehe wir Strafsburg erreichten wird das Land viel flacher und der Hauptschmuck der Niederungen sind die regelmässigen, aber malerischen Reihen italienischer Pappeln, welche die Landstrafse und die Ufer der kleinen Flüsse einfassen. Wiewohl dieser Baum sich nicht an Majestät vergleichen läfst mit der „ säulenschlankeu Ulme", welche einer englischen Landschaft so grofsen Heiz verleiht, so ist doch auch die Pappel nicht ohne Schönheit und mit Recht am Rhein beliebt. Lange ehe wir eine Spur von Strafsburg selbst sehen konnten, bekamen wir die schöne Spitze der Cathedrale in Sicht, welche sich in der Entfernung wie eine Biesenpappel aus der grofsen Ebene zu erheben schien, liier durchkreuzten wir den Rhein, vcrliefsen den französischen Boden und mufsten in Kehl, der deutschen Gränzstadt, durch die Beamten des Grofsherzogs von Baden unsere Pässe prüfen lassen. Der Weg von Kehl über Garlsruhe nach Bruchsal, wo wir zwei Stunden anhielten, ging durch eine schöne und interessante Landschaft. Links von der Bahn ist das Land durchaus flach, aber gut cultivirt, rechts läuft dagegen die Eisenbahn hin an den Abhängen des Schwarz-waldes mit seinen dunklen Massen von Buchen und Kiefern, die oft genug unterbrochen werden durch wilde Schluchten und finstre Abgründe. Auf dem Gipfel und selbst an den Abhängen dieser Hügel lagen noch Reste von Schnee, während die zuweilen in einer Oeffnung der Gebirgskette sichtbar werdenden Schweizerberge noch ganz mit ihrem Winterkleide bedeckt waren. Der nächste Ort, wo wir stillhielten, war Stuttgart mit seinen freundlichen Umgehungen, welche sich allmählich hinabsenken in die weidenbedockten und entzückenden Wiesen im Genre von Cuyp, durchwirkt mit zarten silbernen Bächen. Als wir uns gegen Abend Ulm näherten, wo General Mack die unter seinem Commando stehende österreichische Armee von französischen Truppen umzingeln Kefs und dann dem Kaiser Napoleon' übergab, steigt di<' Eisenbahn, statt dafs die Hügel von Tunneln durchstochen wären, zu ihrem Gipfel hinan und geht hart an dem Abgrunde einer schreckliehen Schlucht hin. Bei Ulm war es noch gerade hell genug, um den ersten Blick auf die Donau zu geniefsen. Augsburg und München passirte ich in der Nacht. Um 3 Uhr Morgens wurden wir alle aus einem gesunden Schlafe aufgeweckt, um unsere Pässe und Gepäck in der österreichischen Gränzstadt Salzburg wieder untersuchen zu lassen. Hier wechselte ich meine französischen und deutschen Münzen gegen kleine Stückchen Papier ein, das einzige Geld, das in dem Kaiserreiche angetroffen wird. Der Boden war noch bedeckt mit Schnee und die schöne klare Nacht liefs den Beisenden die prachtvollen Umrisse der tyrolcr Alpen erkennen mit ihren zackigen Spitzen und Gletschern, welche sich von dem dunklen Hintergrunde der Wolken als ein kühnes Relief abhoben. Als der Morgen graute, fuhren wir am rechten Ufer der Donau hin, die in diesem Theile ihres Laufes reich ist an sehr malerischen Scencrieen. Die allerliebsten kleinen Bahnhöfe, welche „erwachsenes deutsches Spielzeug" von Holzschnitzerei und Thonverzierungen auf einer Unterlage von grüner und gelber Lava zu sein schienen, heimelten uns wegen ihrer Aehnlichkeit mit den Schätzen unserer Kindheit sehr an. Ziemlich früh am Dienstag Nachmittag kamen wir nach Wien und blieben dort bis zum folgenden Mittag. Aufser nahe bei Prcfsburg, wo die Eisenbalm längs der westlichen Ausläufer der Karpathen hinläuft, geht der Weg nach Pesth, der jetzigen Hauptstadt Ungarns, über eine weite Hache Ebene, ohne durch eine Anhöhe unterbrochen zu sein, bis man nach Gran kommt und wieder die Donau sieht. Bis dahin ist das Land freilich reich und fruchtbar, durchzogen mit Furchen von ausserordentlicher Länge und merkwürdiger Gradheit, aber äufserst monoton. Der hauptsächlichste und fast der einzige Ruhepunkt für das Auge sind die netten Akazienhecken in der Nähe der Stationen, längs der Eisenbahn. Unähnlich den Stationen von München nach Wien, sind diese ungarischen uninteressant und vernachlässigt, um nicht zu sagen schmutzig. Die zweisprachige Tafel, welche in der ungarischen Landessprache und in dem officiellen Deutsch den Namen der Stationen bezeichnet, sagt dem Reisenden, dafs er noch in diesem Reiche heterogener Stämme ist, welche in ein Volk zu verschmelzen unmöglich zu sein scheint. Hier wurden wir daran erinnert, dafs wir uns dem Ende der westlichen Civilisation näherten und uns an den Gränzen des unveränderlichen Ostens befanden. Statt Zeitungsknaben, welche die Times oder den Standard vor unsern Augen schwingen und uns eine Auswahl der Tageslittera-tur des Westens darbieten, machten kleine Mädchen mit langen Haarlocken, die hinter ihnen herflatterten, ruhig die Aufmerksamkeit des Reisenden rege auf ihre Wasserkrüge und boten ein Glas klaren Quellwassers gegen einige Kreuzer an. Es ist ein grofses Vergnügen für einen Engländer durch Ungarn zu reisen. Nirgends auf dem Continente trifft man mit so vielen Personen zusammen, welche im Stande sind englisch zu sprechen, und da die Aneignung der englischen Sprache die Hauptursache hat in einer aufrichtigen Vorliebe für Englands Litteratur und Verfassung, so sind die Ungarn die angenehmsten Geführten, mit denen ein Engländer reisen kann. Früher besafs die französische Sprache und Litteratur einen mächtigen und wahrnehmbaren Einflufs auf dem Continente. Mit der Abnahme — ich weifs nicht, ob ich nicht eigentlich sagen sollte, mit dem Falle der französischen Litteratur — bat das Vorherrschen der französischen Sprache sich vermindert und in ganz Deutschland und Ungarn nimmt die englische Sprache immer mehr ihren Platz ein. Ich entsinne mich nicht, dafs wir je in einem Eisenbahnwagen waren, ohne wenigstens einen Mitreisenden zu finden, welcher eine Kenntnifs des Englischen, oft mit vollkommenster Beherrschung der Aussprache, besafs. Auf unserer Reise von Wien und Pesth hatten wir unter unseren Reisegefährten einen Müller aus Ofen und seinen Sohn, einen Zögling der polytechnischen Schule in Dresden, welche uns versicherten, dafs die Verbesserungen im Ackerbau in ganz Ungarn sehr wahrnehmbar seien seit dem Jahre 1851, in welchem viele ihrer Landsleute die Londoner Ausstellung besucht hätten; und diese Verbesserungen seien ausgedehnt auf die Bauernhäuser und in gewissem Mafse sogar auf die Hütten der Arbeiter. Seit jener Zeit war die Nachfrage nach Ackergeräthen so bedeutend und beständig, dafs drei oder vier englische Firmen jetzt Agenten in Ungarn haben, durch welche sie sich vertreten lassen. In Folge dieser Unterhaltung wurde unsere Auf- s morksamkeit auf die grofso Menge von Ackorgerätlien gerichtet, welche die wohlbekannten Namen von englischen Fabrikanten trugen und nach allen Theilen Ungarns von Basiasch aus versendet werden, wohin sie zu Wasser durch das schwarze Meer und die Donau hinauf kommen. Der bedeutende Verkauf solcher Waaren ist um so merkwürdiger, als die Landwirtlie in Ungarn schwer zu leiden haben unter dem Drucke der hohen Steuern. Geld, besonders Silber, ist augenblicklich sehr selten in Folge der Mittel, zu welchen die österreichische Regierung ihre Zuflucht hat nehmen müssen, um eine Zeit lang die ungeordneten Finanzen des Kaiserreiches aushalten zu können. Aber der Einflufs Englands geht, wie wir oft mit Vergnügen bemerkten, über die Gebiete der Politik und Litteratur hinaus. Im Innern von Ungarn kann man die Versicherungen der wärmsten Bewunderung der englischen Kirche aus dem Munde von Personen hören, welche nicht daran denken, ihre eigene Kirche zu verlassen, aber welche sich sehnen nach einer Reform derselben, nach Art der von der englischen Kirche ausgeführten. Auf einem Bahnhofe in einer der gröfsten Städte Ungarns traf ich mit zwei Damen zusammen, deren eine in der Schule eines kleinen Dorfes in Essex erzogen war und welche in sehr ungünstiger Weise die Predigten, denen sie jetzt manchmalbeiwohnen mufste, denjenigen gegenüberstellte, welche sie einst als Schulkind in England gehört hatte. Es war merkwürdig, im Innern von Ungarn von zufällig getroffenen Eisenbahnreisenden die Namen von jetzt zur Ruhe eingegangenen Freunden zu hören, deren Lehren noch im frischen Andenken waren. Eine dieser Damen erzählte mir, dafs ihr Vater auf dem Sterbebette in die Hände Beincr zwei Töchter ein Andachtsbuch der römischen Kirche, zusammengebunden mit einem Common Prayer-Book, gelegt habe, und dafs dieses Geschenk eines Sterbenden gewissenhaft in Ehren gehalten werde. Lange Zeit nach der Verkündigung des letzten Dogma's der römischen Kirche hat die unbefleckte Empfängnils der Jungfrau Maria die Predigten zolotischcr Priester mit Dingen erfüllt, die für ein zartes Geruüth peinlich sind. Dieses und die Verdienstlichkeit des Peterpfennigs mit Anecdoten von der Seligkeit, Avelche die pünktlichen und freigebigen Zahler desselben, sowohl hier als im Fegefeuer, geniefsen sollen, sind in der letzten Zeit der Gegenstand der nicht sehr erbaulichen Predigten gewesen, zum Schaden des eigentlichen Einflusses der Kirche. Ueberau in Frankreich, in Deutschland und besonders in Oesterreich hörten wir während unserer Reise schwere Anklagen gegen die Priesterschaft dieser Länder von Leuten, welche sich noch als treue Söhne der Kirche bekennen. Der Einflufs, welchen die römisch - katholische Kirche noch über die Gemüther ihrer Kinder im europäischen Con-tinent ausübt, seheint in der That schwach zu sein, und trotz der Versäumnisse und Mängel der englischen Kirche, welche Niemand genauer kennt als diejenigen, Welche ihre treusten Söhne sind, ist es doch ein Trost, zu fühlen, dafs in keinem Theile der Welt die Kirche einen so directen Einflufs und einen so tiefen Rückhalt an der Liebe und dem Gehorsam ihrer Söhne hat, als in England*). Wie auf kirchlichem Gebiete gegen den Clerus, so herrscht auch auf dem politischen eine tiefe Mifsstimmung gegen die Wiener Regierung unter allen Schichten der Gesellschaft. Die Magyaren nennen den Kaiser noch immer ihren „ungekrönten" Herrscher; die Kroaten, welche während des Krieges mit Ungarn unter dem Einflüsse ihres Bau Jelatschitsch Oesterreich treu blieben und dein Kaiserreiche sehr wichtige Dienste leisteten, gehören jetzt zu den Opponenten, wegen der Weigerung des Kaisers, die von dem Bau in seinem Namen mit diesem Volke abgeschlossenen Verträge zu ratiticiren. Die österreichischen Serben wiederum, eine zahlreiche und durch ihre geographische Lage sehr einflufsreiebe Nationalität sind natürlich unzufrieden mit dem Beistande, welchen der katholische Kaiser in allen Streitigkeiten zwischen der Pforte und ihren christlichen Unterthanen den Türken leiht, während sie Sympathie fühlen mit den unverdienten Leiden ihrer Brüder. Am Freitag Abend kamen wir in Pesth au. Als wir *) Es ist übrigens hier der Ort, daran zu erinnern, dafs die Evangelische Kirche, welche in Ungarn durch eine Million Lutheraner und anderthalb Millionen Reformirte vertreten ist, in den letzten Jahren selir an Bedeutung gewonnen hat, seitdem die bekannten kaiserlichen Patente ihr im Principe die Gleichberechtigung mit der herrschenden Römischen zuerkannt und namentlich den ungehinderten Verkehr mit dem evangelischen Auslande gestattet haben. nach unserem Hotel fuhren, mit einem Paar prächtiger Pferde mit merkwürdig wenig Geschirr, fühlten wir, dafs wir in dem Lande der Pferdezüchter waren, in welchem, wie die Ungarn sagen, die Männer geborene Kutscher sind. Unser Hotel am Quai war das reinste und auch in anderer Beziehung das bequemste von allen, in welchen ich seit meiner Abreise von London geschlafen hatte; und das Abend- oder Mittagbrod — beim Reisen auf der Eisenbahn wird ja die Ordnung der Mahlzeiten oft sehr verschoben — war das beste, welches wir während unserer Reise genossen. Als die ungarischen Weine auf dem Tisch erschienen, konnten wir uns nicht versagen, unser Erstaunen auszudrücken, dafs dieselben in England so Wenig bekannt seien. Der Villaner, welchen wir hier zum erstenmal kosteten, später aber oft antrafen, ist ein ausgezeichneter, billiger Wein und besitzt neben dem Gehalt des Portweins das Liebliche eines guten französischen Rothweins. Später wurde uns gesagt, dafs in der That viele von diesen Weinen nach England importili werden, aber erst, nachdem sie vorher durch französische Händler gefälscht und verdorben sind und dann Bordeaux oder Burgunder genannt werden. So rein indefs, wie wir ihn in Pesth und Serbien tranken, würde ein solcher Wein gewifs rasch ein Lieblingsgetränk auf unseren englischen Tafeln werden. Auf einem Dampfschiffe der grofsen privilcgirt.cn Donau-Dampfschifffahrtsgesellschaft veilielseu wir am Sonnabend Morgen Pesth und kamen folgenden Tags zwischen 3 und 4 Uhr Nachmittags in Semlin an. Eine kurze Strecke hinter Pesth ist das rechte Ufer der Donau interessant und an einzelnen Stellen sehr schön. Die Höhe, auf welcher die Ofener Festung liegt und eine noch mehr beherrschende Höhe unterhalb Ofen, die mit Befestigungswerken gekrönt ist und als eine stetige Drohung auf Pesth herabsieht, sind besonders malerisch durch ihren Contrast mit den gegenüber liegenden Niederungen. Dann ging unsere Fahrt zwischen einigen schön bewaldeten Inseln hin, welche in ihrer Mannigfaltigkeit die Landschaft interessant machten. Bald veränderte sich dieselbe in einen breiten Strom mit vollkommen gleichen und sehr reichen Ufern, an denen sich scheinbar unbegränzte Waldungen von jungen Bäumen hinziehen, prachtvoll durch das hellgrüne Frühlingslaub und geziert mit Bändern von riesigen Binsen und hohen Lehmufern im Vordergrunde. Hie und da kamen wir an ein Dorf, welches fast ganz hinter den Bäumen verborgen tiefer als das Flufsufer liegt, so dafs wir unbemerkt vorüber gefahren wären, wenn nicht die im Flusse liegenden Wassermühlen uns die Existenz desselben bezeugt hätten. Dieses und Züge von 30 oder 40 Pferden, welche hoch beladene Schifte stromaufwärts an einem Strick zogen, waren fast die einzigen Anzeichen, dafs das dem Flusse benachbarte Land bewohnt sei. Gehölze von jungen Eichen, die sich bis ans Wasser erstrecken und zuweilen bis zum Flusse laufende Wiesen voll halbwilder Pferde sind an sich sehr schön, aber wenn sich diese Art Landschaft ohne grofse Abwechselung 50 bis 60 Meilen weit hinzieht, wird sie langweilig und äufserst monoton. In der ersten Cajüte unseres Dampfers befanden sich aufscr uns ungarische Damen und Herren und ein österreichischer Officici-, der mit einigen Truppen nach Semlin ging. Die Tracht des ungarischen Landadels ist sehr ansprechend. Der kurze schwarze Mantel oder ein anderer Ueberwurf von derselben Farbe, beide reich verziert und crsterer stets noch geschmückt mit einer auf den Rücken hinabfallenden Schnur, eng anschliefsende perlgraue Beinkleider mit künstlichem Besatz von schwarzen Borden sind eine sehr anständige und feine Kleidung. Die Tracht der Damen — ein am Halse ausgeschnittenes Mieder über einem faltenreichen feinen Hemde und eine kurze, über eine Schulter hängende, mit Schnüren reich besetzte Jacke, sowie eine weifse Schürze — sticht merkwürdig ab gegen ihre von Natur feinen und hohen Gestalten. Unsere Passagiere der zweiten Cajüte waren natürlich ganz anderer Art und die Trachten bunter gemischt. Wir hatten in Pesth Abtheilungen von zwei oder drei österreichischen und ungarischen Regimentern an Bord genommen, welche stromabwärts zu ihrer Garnison wollten; Schafhirten von Croatien und dem Banat, einige in zerlumpten Mänteln von wollenen Decken, andere in sehr weiten Jacken von Schafpelz; Kaufleute von Belgrad und andern Theilen Serbiens mit ihrer sehr malerischen halb ungarischen, halb türkischen Nationaltracht, griechische Schiffer, wallachische Viehhändler, bosnische und bulga- risclio Bauern — jede Classe in einer besonderen Tracht. Unter diesen waren handfeste Männer mit lang herabhängenden schwarzen Locken, welche den ganzen Tag mit ihren Kindern spielten und in sehr unterwürfiger Weise von ihren Frauen bedient wurden; während ruhig und gleichgültig zwischen dem Babel der Stimmen und der rings umher herrschenden Verwirrung ein Türke, der nach Constantinopel wollte, auf dem Deck kauerte und friedlich seinen Tschibuck rauchte. Jeder Landeplatz brachte neue derartige Deckpassagiere hinzu. In der Abenddämmerung am Sonnabend ward die Spitze des Schiffes herumgedreht, um für die Nacht Anker zu werfen, weil es bei den vielen Untiefen und zwischen Ufern, welche keine bestimmten Grenzlinien haben, gefährlich ist, das Schiff während der Nacht gehen zu lassen. Am nächsten Morgen passirten wir die Mündung der Drau und sahen die düstcru Mauern von Pcterwardein, wo die italienischen Gefangenen meistens in Haft sind, und nach einigen Stunden langweiliger Fahrt erreichten wir zwischen 3 und 4 Uhr Nachmittags Semlin, die letzte österreichische Stadt am rechten Donau-Ufer, bei welcher wir still hielten, liier mufstc wieder unser Gepäck untersucht werden, besonders wurden einige Bücher, „Ranke's Geschichte von Serbien", „Bowrings Serbische Antologie" und einige andere, welche ich mit einer Bibel und einem Common-Prayer-Book gerade bei meiner Abreise von London in den Mantelsack gestopft hatte, lange betrachtet, worauf es mir erst gestattet war, an's Land zu steigen. Semlin liegt wie Belgrad am rechten Donau-Ufer etwas oberhalb der Mündung der Save. Die Bevölkerung dieses Theilcs von Ungarn ist meistentheils .serbisch und die Einwohner, welche Glieder der orientalischen Kirche sind, stehen unter der geistlichen Jurisdiction des Patriarchen von Carlowitz. Viele von den historischen Monumenten nicht nur der Serben, sondern auch des serbischen Reiches unter Stephan Duschan, finden sich in diesem Theile Ungarns, besonders in der syrmischon Fruschka Gora. Denn als das Joch der ottomanischen Macht schwer auf dem Volke des eigentlichen Serbiens lastete, flohen grofse Schaaren der Einwohner vor ihren Unterdrückern und siedelten sich unter ihren Brüdern am nördlichen Ufer der Save und Donau an. Am Ende des 17. Jahrhunderts wanderten 36000 Familien mit dem serbischen Patriarchen aus und diese Zahl wurde später bedeutend vermehrt durch diejenigen, welche vor den Tyrannen ihrer Ortschaften und vor einzelnen Acten zeitweiliger Unterdrückung flohen. Lange Zeit hindurch wurden diese Emigranten von Oesterreich direct herangezogen durch besondere Privilegien, wie Verleihung von Land und Befreiung von allen Steuern, und durch Verträge, welche ihnen die Freiheit ihrer Religionsausübung unter der Leitung ihrer eigenen Bischöfe und in Uebercinstimmung mit dem Ritus der orthodoxen Kirche sicherten. Dadurch bekam Slavonicn seine gegenwärtige serbische Bevölkerung. Die Stadt Semlin hat ihre Wichtigkeit lediglich durch dio Nähe Belgrads. Die Belagerung seiner Festung hat der österreichischen Nachbarin einen historischen Namen gegeben, während die Quarantainc - Anstalt, welche dort mit grofser Strenge bis vor 15 Jahren bestand, die grofse Garnison, die noch dort gehalten wird, und die Einrichtung, welche alle von Westen her nach Belgrad reisenden Passagiere hier zu landen nöthigt, Semlin eine gewisse Bedeutung für den Handel sichert. Im Interesse des Handels ist es in der Niederung am Ufer der Donau gebaut und in Folge dessen sehr ungesund und fortwährend den Wechsel- und anderen Fiebern ausgesetzt. Die ganze Erscheinung der Stadt beweist, dafs es einer von den unglücklichen Endpunkten des österreichischen Staates isf, und erinnert lebhaft an jenen wilden unbebauten Grund, welchen man wohl an den äufsersten Gränzen einer lebendigen und wachsenden Stadt oder rings um einen unvollendeten Bahnhof findet. Accker, die halb überschwemmt und hie und da mit Sümpfen von stehendem Wasser bedeckt sind, abgeschnittene Weiden abwechselnd mit Buden und kleinen Häusern am Ufer des Flusses, hölzerne Wachthäuser, morsche Schilderhäuschen und kleine provisorische bretteme Hütten für die Beamten des Zollamts auf einem Haufen ausgebrannter Kohlen liegen zwischen dem Landeplatz und dem älteren Theile der Stadt, in welcher die Türken, welche einige Zeit Semlin inne hatten, Spuren ihres einstigen Besitzes zurückgelassen haben. Im Centrum der Stadt ist ein grofser, quadratischer mit Kiesel gepflasterter Platz. An einer Seite desselben steht ein Wirthshaus. Eine Kirche und Pfarrhaus mit niedrigen türkischen Häusern, die nur Zimmer zu ebener Erde mit schwerfällig weit herüber hängenden Ziegeldächern und dicht vergitterten Fenstern haben, nehmen eine andere Seite ein. Schuppen für Güter und Vieh und eine lange weifse Mauer mit überragenden Wallnufs-bäumen füllen die dritte aus, während ein oder zwei Kramläden, welche den Blick auf den dahinter liegenden Hügel versperren, die vierte Seite ausmachen. Von diesem Viereck aus laufen kleine schmale Strafsen nach allen Richtungen. Da die meisten Reisenden, welche nach Belgrad wollen, unter irgend einem Vorwande in Semlin zurückgehalten werden und da das Reisehandbuch hier etwas sparsam zu werden beginnt, so will ich hinzufügen, dafs der Gasthof zum Löwen von demjenigen, welcher nicht gar zu schwer zu befriedigen ist, verhältnifsmäfsig erträglich gefunden wird. Das Meublement ist freilich kärglich und die Fufsböden natürlich ohne Teppiche, aber dies ist für den gröfsten Theil des Jahres in diesem Klima sehr noth-wendig. Das Erdgcschofs besteht aus einer Schenke, welche sich in das allgemeine Passagierzimmer öffnet, einem kleinen Räume, wo Fleisch hängt und vielleicht Thiero geschlachtet werden, und einem Stübchen für den Portier. Der Hof ist voll Kehricht und Topfscherben. Nachdem ich mich bemüht hatte, die unvollkommene Toilette der letzten zwei Tage zu ergänzen, ging ich aus, um die serbische Kirche St. Nicolas zu besuchen, welche in der Nähe des Platzes steht. Während wir die Gräber zweier früheren Priester auf dem Kirchhof besahen, kam aus dem grofsen hart neben der Kirche liegenden Pfarrhause einer der Diener und ein baarfüfsiger Knabe, welcher sich als Kind des gegenwärtigen Priesters vorstellte und lud uns ein, die Kirche zu besichtigen. Es ist ein grofser Bau ohne ausgeprägten Charakter, in Sanctuarium, Chor, Schiff und Narthex gcthcilt, mit einer äufseren Vorhalle und einem Thurme, dessen unterer Kaum ein Bollii ltnifs für Holz und anderes Baugeräth ist, während der obere Theil einen Glockenstuhl mit vier Glocken bildet. Im Schilf der Kirche springt aus der nordlichen Mauer eine Kanzel hervor, deren Treppe in die dicke Mauer eingelassen ist. Der Ambo, welcher zwei Stufen hat, steht vor der Hauptthür der Ikonostasis und zwar halb auf, halb vor der Scheidelinie zwischen Chor und Schiff. Der Altar ist von Holz und der Taufstein in der südwestlichen Ecke des Narthex von Kupfer. Wie in vielen serbischen Kirchen wird die Narthex - Gallerie jetzt nicht gebraucht zu dem Zwecke, für den sie ursprünglich gebaut ist, sondern zur Aufbewahrung von Schultischen und anderem Gerumpel. Auf dem Altar standen zwei Bilder, auf der Nordseite das des Schutzheiligen St, Nicolas und im Süden das des Heilandes. Aber was mir bei dieser Kirche als besonders bemerkenswerth auffiel, war ein eisernes Kreuz, das draufsen auf der südlichen Kirchenmauer befestigt ist. Es ist etwa sechs Fufs hoch, sehr schön mit Blumen geziert und, wie mir schien, von vorzüglicher Arbeit und wohl der Beachtung werth, wenn man sich einige Stunden in Semlin aufhalten kann. Auf der Vierung des Kreuzes steht ein Tambour mit Heiligenfiguren innerhalb und aufserhalb. Jetzt sind dieselben, weil sie dem Wetter ausgesetzt sind, fast ganz verwischt. Das Kreuz ist höchst wahrscheinlich italienische Arbeit und ohne Zweifel von dem Platze, für welchen es gemacht war und wo es ursprünglich stand, entfernt. Da wir am nächsten Morgen mit Ungeduld die Weiterreise von Semlin nach Belgrad erwarteten, standen wir früh auf in der Hoffnung, mit dem ersten Localboot hinüber zu kommen, erfuhren aber, dafs wir nicht hinüber könnten, weil des Osterfestes wegen die serbischen Behörden das Schiff nicht landen liefsen. Dies war um so lästiger, als das Dampfschiff für Pancsowa unterhalb Belgrads Passagiere an Bord nahm. Nach mehreren Stunden und Ueberwindung von vielen Schwierigkeiten gelang es endlich durch Vcrmittelung des Platz-Commandanten und Zoll-Inspectors ein eignes kleines Boot zu bekommen, mit welchem wir nach fast einstündiger Fahrt, an zwei oder drei Inseln vorüber, die halb bedeckt sind mit Wasser und braunem, krank aussehenden Grase und besetzt mit österreichischen Wachthäusern, welche auf Pfählen gebaut und nur durch eine Treppe erreichbar sind, endlich den Quai von Belgrad erreichten. cap. ni. Belgrad. Schönheit der Lage. Festung. Drusische Gefangene. Der türkische Pascha. Thore. Innere Stadt. Quai. Türkische Kaufläden. Die Akademie. Marktplatz. Die Save. Vorstädte. Wenige Hauptstädte in Europa haben eine schönere, oder kaufmännisch gesprochen, eine bessere Lage als Belgrad. Indem es auf einer Art Vorgebirge am Zusammenflusse der Save und Donau liegt, beherrscht es den Handel dieser beiden wichtigen Ströme, während die Anhöhe, auf welcher die Stadt gebaut ist, und die noch höher zu sein scheint durch den Contrast mit den langen niedrigen Ufern, welche die linke oder ungarische Seite dieser beiden Flüsse charakterisiren, viel beiträgt zu ihrem malerischen Reiz. Alle Häuser der Stadt erheben sich amphi-tlieatralisch übereinander und werden mit einem Blicke übersehen, weil das Terrain im Westen von der Save, im Osten von der Donau her allmählich in die Höhe steigt. Die Mauern dieser Häuser sind fast durchgängig weifs, und heben sich noch schärfer ab durch das grüne Laub des Flieders, der Wallnufs, der Kastanie und anderer Bäume, welche, wie in allen orientalischen Städten, die- selben umgeben. Die Festung mit ihrer grofsen Moschee und der angrenzende Palast des Pascha kommen zuerst in Sicht, dann das Glacis, der Thurm der Cathedralo mit seiner vergoldeten Spitze und das Akadcmiegebäudo auf dem höchsten Gipfel der Stadt, herabsehend auf Moscheen und Minarets, auf niedrige seltsame türkische Läden mit rothen Dächern und ansehnlichere deutsche Häuser. Der Awalabcrg mit einer römischen Ruine und prachtvoller Aussicht bildet den malerischen Hintergrund. Von welcher Seite der Reisende sich Belgrad nähern mag, macht die Schönheit seiner Lage grofsen Eindruck, mag er aus Westeuropa die Save herabkommen oder zurückkehren von den Küsten Asiens. Die Stadt ist von einem neueren Reisenden ganz passend verglichen worden mit einer riesigen Schildkröte, mit welcher sie wenigstens auf der Karte eine gewisse Aehnlichkeit hat. Die äufserste Spitze des Vorgebirges, auf welcher die Festung liegt, soll dem hornigen Kopfe des Thieres gleichen, die wüste Esplanade daneben, welche Festung und Stadt, trennt, würde correspondiren mit dem Hals, während die Stadt selbst, an jeder Seite sich hcrab-senkend von einem Rücken in der Mitte und durchzogen von schmalen Gassen, die nach den Ufern der beiden Flüsse hinablaufen, dargestellt sein würde durch die Schale der Schildkröte. Von den sieben Festungen, welche durch den Tractat von Bukarest den Türken übergeben Avurden, ist Belgrad die einzige, welche ^ino strategische Bedeutung besitzt, und die Sorgfalt, mit welcher die Aufsenwerkc dieser Festung unterhalten werden, beweist die Wichtigkeit, welche ihr durch die türkische Regierung beigelegt wird ; doch zeigt sie eine eigentümliche Mischung militärischer Architektur im Gebrauche der alten und modernen Be-fostigungssysteme. Nach dem Lande zu blickt die Festung herab auf den Kalimaid an, eine traurige Esplanade, auf welcher, wie sich noch viele der gegenwärtigen Einwohner Belgrads erinnern, viele Patrioten aufgepfahlt wurden, deren Leichen dort blieben um zu modern und die Luft zu verpesten. Diese Esplanade war der Schauplatz vieler blutigen Con-flicte zwischen Türken und Oesterreiehern in den verschiedenen Belagerungen von Belgrad und nicht weniger zwischen den moslemitischen Herren und den serbischen Unterthanen in dem Unabhängigkeitskampfe. Das Blut, welches so reichlich, auf dieser kleinen Spanne Raum vergossen wurde, ist indessen nicht im Stande gewesen, den Boden fruchtbar zu machen, denn ein Gras von braunerer Farbe und zweifelhafterer Lebensfähigkeit kann kaum, wegen der fast stets herrschenden Dürre, gefunden werden. Ein Theil der Esplanade ist kürzlich von den Türken zu einem Friedhof verwendet, der als solcher aber nur erkennbar ist durch die aus der Unebenheit des Bodens hervorragenden, einige Zoll hohen Bretter, welche dem in einem Sack eingenähten sitzenden Leichname als schräges Dach dienen. Der einzige Ersatz in dieser dürren und staubigen Ocde ist der, dafs sie einen grofs- artigen Blick auf beide Flüsse gewährt, und mit gehöriger Sorgfalt und in den Händen anderer Herren als der Türken, würde sie ohne Zweifel eine grofse Zierde der Stadt werden. Das Innere der Festung ist noch in viel höherem Grade wüste, verfallen und unrein. Das einzige Gebäude, welches in gutem Zustande zu sein scheint, ist der neue Palast des Pascha, welcher auf dem höchsten Punkte der Citadellc steht und die beiden Flüsse überschaut, und das einzige anmuthige und schattige Plätzchen auf dem traurigen Felsen der Garten neben dem Palast. Nahe bei der Residenz des Pascha steht die Hauptmoschee von Belgrad für die Soldaten der Garnison, welche sich in einem sehr schlechten Zustande befindet, da der Mörtel in grofsen Stücken von dem Bau selbst, wie von dem Minaret sich loslöst. Im Innern ist das ganze Gebäude ebenso verfallen. Nahe bei dem Thor, welches zu dem Hauptplatz der oberen Festung führt, an welchem diese Gebäude liegen, steht ein Grabmal, welches ein früherer Pascha zum Andenken an seine Tochter errichtet hat, die unter den Türken den Ruf einer Heiligen geniefst. Das Grabmal selbst, befindet sich in einem kleinen Zimmer mit Glasfenstern, und ein halbes Dutzend Blumenkränze, die auf dem Fufsboden umhergestreut sind oder über dem Grabe hängen, führen die Phantasie nach Pére la Chaise und zu den pechschwarzen Immortellen eines französischen Friedhofs. Um ein zweites Viereck in der unteren Festung sind Casernen für etwa 4000 Mann und in den niedrigen Casematten des gröfsten Quarre's an der Ostseite fanden wir 360 drusische Gefangene*), deren Zahl indessen sehr abnahm, weil die trostlose Festung, eine finstere Höhle, fast ebenso schlecht als die von Calcutta, und eine Sonne, zuweilen kaum weniger brennend, ihr Urtheil der Einkerkerung in das zum Tode verwandelte. In wie hohem Grade auch unsere Sympathieen für die Leiden der Christen im Libanon rege gemacht worden sind, so gestehe ich doch, dafs die Behandlung, welche die drusischen Häuptlinge erfahren haben, mir stets als ein widerwärtiger Beweis der willkürlichen Tyrannei und Ungerechtigkeit erschienen ist, die in der ganzen Türkei gefunden wird. Indem diese Häuptlinge nur zu treu die Traditionen ihres Landes und die barbarische Aufhetzung der Regierung erfüllt haben, ist es hart, dafs ihre Treue vergolten werden soll mit der grausamen Strafe, welche sie jetzt lediglich erdulden, um dieselbe Regierung in den Stand zu setzen, sich in den Augen des christlichen Europa zu rechtfertigen. Ohne die Intervention von England und Frankreich würde die Ermordung der maronitischen Christen durch die Pforte jedenfalls stillschweigend gebilligt oder selbst tatsächlich belohnt worden sein; so aber gestattete man den Behörden, welche zuerst schürten und dann bei der Niedermetzelung der Christen ein Auge zudrückten, sich selbst dadurch zu reinigen, dafs sie die Consequenzcn ihrer Sünde auf die Häupter der *) Nach dem Bombardement im Jahre 1862 wurden dieselben nach Widdin gebracht. Werkzeuge des Unrechts warfen. Die Türkei wird nicht durch Parlamentsacte, noch durch Hattischerifs und Firmane der Pforte, noch durch Tractate mit fremden Mächten regiert, sondern durch die öffentliche Meinung und den Koran. So lange aber dieser Koran Gewaltthaten gegen Ungläubige vorschreibt, oder wenigstens zu denselben aufmuntert, ist es hart, dafs der Gehorsam gegen seine Gebote, nur um den Westmächten zu genügen, so grausame und langwierige Torturen zur Folge haben soll, unter welchen die drusischen Häuptlinge noch in diesem Augenblicke seufzen und dahinsterben. Der Oberbefehl über fünf von den sieben Festungen, welche durch den Tractat den Türken gelassen sind, sowie der diplomatische Verkehr mit den serbischen Behörden, ist gegenwärtig zwischen zwei Paschas getheilt. Der erste (damals Aschir-Pascha) bekleidet den höchsten Rang, residirt in dem Palaste der Festung und verwaltet alle Civilsachen des Paschalikats. Der zweite ihm untergeordnete (damals Ethem-Pascha) besorgt alle mil iranischen Angelegenheiten innerhalb derselben Jurisdiction und ist der Commandant der Garnison. Das jährliche Einkommen jedes dieser Paschas soll 20000 Gulden nicht tibersteigen — ein grofser Abstand gegen jene Zeit, als in den Wällen der Festung ein Pascha von drei Rofsschweifen regierte und jährlich 80000 Gulden aus dem türkischen Staatsschatze bezog. Der jetzige Pascha von Belgrad hat sich in die drückende Noth der Zeiten und in den Geist der Ockonomie, welcher Constantinopcl selbst bereichert hat, gefügt, und da 20000 Gulden offenbar nicht für dio Ausgaben eines Harems, wie er in den Blüthetagen der mu-hamedanischcn Macht existirte, ausreichen, begnügt er sich mit einer Frau. Die jährlichen Ausgaben der Festung betragen im Ganzen etwa zwei Millionen Gulden. Die Festung Belgrad ist gegenwärtig von etwa 4000 Soldaten besetzt, welche sich meistens aus den Provinzen Makedonien und Bosnien, zuweilen auch aus Asien, recruliren. Im Falle des Krieges mit Serbien war indefs jeder in der Stadt wohnende türkische Hausbesitzer verpflichtet, in der Festung Artilleriedienste zu thun, wofür er einen kleinen jährlichen Sold erhielt. Denn wiewohl durch die Tractate, kraft deren den Türken erlaubt ward, nach Serbien zurückzukehren und die Festungen wieder zu besetzen, ihr Aufenthalt auf gewisse Citadellen beschränkt wurde, so beanspruchten sie Jahrzchcndo hindurch, in Belgrad aufscrhalb der Festung auch in der alten Stadt wohnungsberechtigt zu sein, weil sie einst von einer Art Befestigungswällcn eingeschlossen war. Erst die blutigen Ereignisse im Juni 18G2, von denen weiter unten die Rede sein wird, vermochten sie aus ihrem widerrechtlichen Besitze zu vertreiben. Damals sahen die Türken noch die ganze innere Stadt als einen Theil des Kaiserreichs an und waren hartnäckig in ihrer Opposition gegen die Entfernung irgend eines Merkmals eines selbst bestrittenen Rechtes. Natürlich führte dieses ernste Verwickelungen und einen Zustand grofser Unsicherheit herbei, weshalb stets eine aus emer gleichen Zahl musclmanischcr Soldaten und serbischer Gensdarmen zusammengesetzte Patrouille ihre nächtliche Runde machte und den Reisenden an die doppelte Regierung Serbiens erinnerte. Die einzigen Spuren einer früheren Befestigung der Stadt bestehen in vier verfallenen Thoren, den Uebcr-resten einiger theilweise noch vcrpalHsadirtcn Erdschanzen, deren Linien nur hie und da an dem Graben hin zu verfolgen sind. Die Stadt hat sich indessen seit ihrer Befreiung von der türkischen Herrschaft so bedeutend ausgedehnt, dafs das Hauptthor der alten Stadt, — das Constantinoplcr, — jetzt in dem Centrum von Belgrad steht. Das grofse Gewölbe, durch welches man in die Stadt eintritt, war damals noch bewohnt von industriösen türkischen Schuhflickern, welche ihre Werkstatt und ihr Magazin von europäischen und asiatischen Riten Schuhen in mäfsig grofsen umgelegten Marktkisten aufgeschlagen hatten, in denen sie meistens Tschibuk rauchend mit untergeschlagenen Beinen safsen. Vier müfsige Schildwachen standen, finster und unheimlich in ihren schlechtgemachten und schlechtpassenden fränkischen Böcken und Hosen, wie Bildsäulen an den vier Ecken; Schwärme von Mauer- und Hausschwalben, deren altersgraue Nester von einem langen ununterbrochenen Besitze seit vielen Vogcl-gencrationen zeugten,^hingen in Massen unter jedem Bogen des Thorweges. Dies ist das einzige Thor, welches noch eine gewisse Vertheidigungsfähigkcit bewahrt hat, die andern zerbröckeln sehr und Theile von ihnen werden durch jedes Regenschauer weggewaschen : die Thorflügel hängen freilich noch theilweise in den Angeln, aber das Holz ist zu verfault und die Angeln zu schwach, als dafs die Thore verschlossen werden könnten. Der ganze Bau — Lehm, Bogengang und hölzerne Thore werden wahrscheinlich in wenigen Jahren entfernt und durch Wohnhäuser ersetzt werden müssen'-). Früher wurde die „ T ü r k e n s t a d t " ausschliefslicb von Muhamcdanern bewohnt, zog aber schon in den letzten Jahrzehenden immer mehr ihre Gränzen ein. Wegen der Armuth und Verkommenheit derer, welche einst Herren des Grund und Bodens waren, wurde ein Grundstück nach dem andern verkauft und der Boden dadurch gesäubert von den morschen Wohnungen, welche während der letzten zwei bis drei Jahrhunderte ihn bedeckt hatten ; die kleinen türkischen Hütten wurden ersetzt durch stattlichere Gebäude, Wohnhäuser und Kaufläden des gewöhnlichen deutschen Typus mit weifsen oder grünen Jalousien an den Fenstern. Zwanzig oder dreifsig Häuser dieser Art erhoben sich mitten aus den türkischen Häusern und verkündeten die nicht mehr ferne Zeit, in welcher das türkische Viertel mit seinen winzigen Läden und seinen trägen, schläfrigen Bewohnern ganz verschwinden wird. Von dem Türken selbst wurde dieses als unvermeidlich ange- *) Wenige Wochen nach dieser Reise des Verfassers (am 15. Juni) wurden sämmtliche Thore mit Ausnahme jenes festeren Stambul-Capia zerstört, so dafs jetzt nur noch die Trümmerhaufen von ihrem einstigen Dasein zeugen. sehen una" als seine Bestimmung gefühlt ; während er sich dcfshalb resignirt dem Laufe der Dinge unterwarf, verwendete er immer weniger Sorgfalt darauf, sich das Eigenthum zu sichern, von dem er wufstc, dafs er es in wenigen Jahren verlieren mufstc. Sehr bald nach der Reise des Verfassers geschah das lang vorher Gesehene. Durch den Handstreich einer einzigen Nacht wurden sämmtlichc Türken in die Festung getrieben und mufsten ihre Häuser und Gründe gröfstentheils als Ruinen und wüste Plätze zurücklassen. Leider hat sich die serbisch-türkische Com-mission noch immer nicht über die Höhe des Preises einigen können, um welchen die türkischen Eigonthümer der serbischen Regierung ihr Besitzthum abtreten sollen, so dafs jetzt die Moscheen und türkischen Häuser in ihrem zerfallenen und zerstörten Zustande die Stadt wüste und unheimlich machen. Als ich am Quai von Belgrad landete, erschien mir die Mischung von orientalischem und occidentalischcm Leben sehr eigenthümlich. Viele Gesichter und Klänge gaben mir die Versicherung, dafs ich, wenn auch nicht in einem muhamedanischen Lande, so doch wenigstens auf einem Vorposten des türkischen Reiches sei. Serbische Gensdarmen standen vor dem Zollhausc, um die ihren österreichischen Nachbarn nachgeahmten Pässe einzufordern. Kisten und Ballon von Pesth warteten auf die Er-laubnifs der Zollbehörden, während unter dem Geschrei und Lärm von deutschen Dampfschiffsbeamten, bosnischen und albanesischen Kauflcuten, dalmatinischen und serbischen Schiffern zwei oder drei faule türkische Ämalis (Träger) darauf warteten, ob es einem Reisenden gefallen würde, sie zu dingen. Wenngleich sie auch gegenwärtig sich noch durch eine bewundernswürdige Körperkraft auszeichnen, so dafs ein einziger im Stande ist unter Assistenz von zwei andern, welche als Reserve zur Seite gehen, einen grofsen Wiener Flügel auf dem Rücken zu tragen, so deuten ihre zerrissenen Jacken und zerfetzten Turbane doch keineswegs darauf hin, dafs diese Söhne der Krieger, welche einst das Reich des Ostens stürzten und vor Zeiten der Schrecken von ganz Europa waren, noch vor wenigen Jahrzehenden Boys und reiche Grundbesitzer waren. Nach dem Bombardement Belgrads sind sie gleichfalls gänzlich verschwunden und ersetzt durch eine bunte Menge, die von den benachbarten Nationen und Stämmen an der Donau bezogen wird. Die Serben haben zu dieser Art Leben keine Neigung. Die Population von Serbien ist noch zu gering, um seine Einwohner zu zwingen sich zu irgend einer schweren Arbeit zu bequemen, die ihren Neigungen nicht entspricht. Sie sind fieifsige Ackerbauer, glückliche Kaufleute und gut fortkommende Krämer; aber sie werden selten Holzhauer und Wasserträger und wenigstens in den an der Donau gelegenen Städten niemals Hausknechte. Dieser nothwendige Stand recrutirt sich aus Deutschland, der Türkei, Bulgarien und der Wallachei. Die Fuhrleute sind fast immer Wallachen, die Kutscher Ungarn und die Köche und Köchinnen Deutsehe. Nachdem wir die Behörden überzeugt hatten, dafs un- sere Pässe in Ordnung seien, gingen wir vom Ufer zu unserm Hotel im Innern der hoch gelegenen Stadt über eine schöne steinerne Treppe, die auf Kosten des regierenden Fürsten gebaut ist, passirten enge Strafsen mit offnen Buden, in denen die Türken der Länge nach auf dem Ladentisch ausgestreckt lagen, oder mit untergeschlagenen Beinen, gravitätisch den Tschibuck rauchend, da-safsen, oder damit beschäftigt waren, alte orientalische Sättel zu flicken oder lederne Gürtel mit Putz und buntem Zwirn zu benähen, Serben, die im Lande gebräuchlichen rothen Sandalen (Opanken) oder die grobe und feine Nationaltracht der Dorf- und Städtebewohncr arbeiteten, und in anderen Läden Barbiere den Türken nicht blofs das Gesicht, sondern auch den ganzen Kopf glatt rasirten. In jedem dritten oder vierten Laden wurden Waffen oder iaback verkauft, zwei Artikel, welche in gleicher Nachfrage zu sein schienen. Hier hingen vor den Buden Musketen von jeder nur denkbaren Form und von jedem Alter, von den ersten rohen Versuchen eines Fcuer-sclilosses bis zu der verbesserten Eufield- Büchse zusammen mit Bajoneten von jedem in Europa gebrauchten Muster, die auf dem Schlachtfelde oder auf einem Bückzuge von einem halben Dutzend europäischer Mächte erbeutet sein mochten. Viele von ihnen hatten ohne Zweifel auf den Gefilden von Alma und Inkerman Dienste gethan, oder waren gegen die Bergbewohner Montenegros oder der Herzegowina gebraucht. Zwischen diesen Buden standen viele Kaffeehäuser mit Glasfront, aus deren Hinter- gründe der Klang der Zigeunergesängo und der Lärm des Tambourins kam. Die Fleischerläden nehmen gewöhnlich die Strafsenecken ein und haben als Aushängeschild nicht sehr appetitliehe Keulen, Gerippe und Thierfclle. Hinter allen diesen Kaufläden ziehen sich enge und ruhige Gassen von Lehmwänden hin, welche wie Alles im türkischen Stadttheil verfallen sind. Diese Mauern schliefscn kleine Gärten ein, in denen die Familien der Kaufleute jene Zurückgezogenheit, die dem Orientalen lieb ist, und den reichlichen Schatten geniefsen, welcher zu seinem Wohlsein während der Sommerhitze dieses Klimas erfordert wird. Hie und da wird die Monotonie der langen Linie von Lehmmauern unterbrochen durch eine „Tschesma" (Brunnen) — wie ein aufrecht stehender Stein, drei oder vier Fufs im Quadrat mit einem kleinen Wasserstrahl in der Mitte, genannt wird — und gelegentlich durch Moscheen mit ihren schlanken Minareto, die aber zur Hälfte den Vorputz verloren haben und ebenso schmutzig und verfallen aussehen wie die übrigen Gebäude in diesem Stadttheil. In diesen stillen Gassen erblickt der Wanderer gelegentlich jene geisterhaften Figuren der türkischen Frauen, die dahin schleichen in ihren einfarbigen Mänteln und bis auf die Augen den ganzen Kopf in weifse Tücher hüllen. In der türkischen „Tscharschia" (Bazar) befinden sich die Ruinen dos Palastes von Prinz Eugen, welcher in der österreichischen Periode erbaut wurde, in welcher viele schöne Häuser diesen Stadttheil zierten, der Erzbischof von Carlowitz hier seine Residenz hatte und deutsche Kaufleute Handlungen errichtet hatten. Jetzt werden diese Ruinen als Viehschuppen und als Behälter für mancherlei Unrath benutzt. Die Reihe der Schornsteine, welche hoch über die Mauern hinaus gehen, war überragt durch ein Storchnest, in welchem der Vogelvater in der diesem Vogel charakteristischen, ruhigen, nachdenklichen Stellung dastand. An dieses Viertel gränzt ein anderes, welches das Herkommen, wenn nicht ein Recht, als Wohnung der Juden bestimmt hat, und ein drittes, weniger scharf ab-gegränztes, in dem die Zigeuner, welche eine sehr zahlreiche und bedeutende Classe in Serbien bilden, „meistens verkehren". In dem Centrum des alten Theiles der Stadt ist ein grofser wüster Platz, auf welchem bis 1862 der tägliche Markt gehalten wurde. Dieses Grundstück war früher ein türkischer Friedhof und wird noch nach allen Richtungen bin durchkreuzt von den schmalen gepflasterten Fufs-wegen, welche sich gewöhnlich auf denselben befinden. Doch haben die Türken wegen seiner früheren Bestimmung den Versuchen der serbischen Regierung, ihn vollständig zu planireu und zur Zierde der Stadt mit Bäumen zu bepflanzen, mit Erfolg widerstanden. Den Hauptschmuck dieses Platzes bildet das grofse geschmackvolle Akademiegebäude, von dessen Pavillon man den schönsten Blick über die Stadt und die reizenden Umgebungen ge-niefst. Die —- natürlich serbische — Dedications-Inschrift mit grofsen goldenen Buchstaben — Mischa Anastasievits seinem Vaterlande — erinnert daran, dafs ein Patriot, der durch Fleifs und glückliche Salz - Speculationen es vom Schiffszieher bis zum Besitzer von Millionen gebracht hat und diesen Palast ursprünglich für seine beiden Schwiegersöhne baute, im Jahre 1862 denselben dem Staate zu „Bildungszwecken" schenkte und auf seine Kosten selbst im Innern vollständig ausstatten liefs. Aufscr den Kanzleien des Cultus-Ministeriums und den Localen für Lyccum, Gymnasium, Handelsschule u. s. w. finden wir hier die Bibliothek und das archäologische Museum, welche erst seit wenigen Jahren durch die Thätigkeit des den Freunden slavischcr Litteratur bekannten Dr. Schafarik, eines Neffen des berühmten Prager Bibliothekars, systematisch geordnet sind und nach den geringen Kräften des Landes vervollständigt werden. Die Bibliothek enthält aufser etwa 20000 Bänden gegen 100 werthvolle Manu-scripto alt-slavischer Bibeln, Evangelien- und Gebetbücher, die zum Theil bis ins zwölfte Jahrhundert zurückgehen. Das Museum ist aufser den zahlreichen alt-römischen und griechischen Münzen und Schmucksachen namentlich interessant durch eine sehr vollständige numismatische Sammlung aus der Zeit des alten Serbenreiches. In demselben Gebäude hält die Gelehrte Gesellschaft, welche ein wissenschaftliches Jahrbuch — den Glasnik — herausgiebt, ihre regclmäfsigen Sitzungen, ihr Jahresfest aber in der schönen grofsen Aula, die jeder Uneingeweihte freilich nicht für eine solche, sondern für einen fürstlichen Thronsaal halten würde. Doch ist immerhin die Idee des Stifters, welcher durch den prächtigen Thron, der den ganzen Saal beherrscht und für die Rednerbühne keinen passenden Platz läfst, gleichsam die Bildung des Volkes unter den Schutz und die Leitung seines weisen und geliebten Fürsten stellen wollte, eine schöne. Während in dem grofsen quadratischen Hofe einige alte römische Monumente aufgestellt sind, ist die Hauptfaeadc mit zwei Balcons, zwei Hauptportalen und zwei kleinen Eingangsthüren geziert, über denen die Statuen von Apollo und Minerva in Nischen stehen. An derselben Seite des Platzes liegen aufser andern ansehnlichen Häusern die Wohnung des noch lebenden Schenkers der Akademie, des Major*) Mischa. An der entgegengesetzten Seite liegt die serbische Stadt-Präfectur, auf der einen Seite von der früheren türkischen Polizeistation und einer freundlichen Moschee begränzt, während an der andern Seite in einem kleinen Friedhof*! die Wohnung der heulenden Derwische stand, welche jeden Freitag als an dem Sabbath der Muselman ihre nervenerschütternden Gottesdienste hielten. Der auf diesem Platze abgehaltene Hauptmarkt scheint ganz wohl ausgestattet zu sein. Holzkohlen, verschiedene Arten Getreide, Weizen, Hafer, Hirse, Mais, junge Stachelbeeren, Kirschen, Kartoffeln, Zwiebeln, türkische Bohnen, Knoblauch und getrocknete Gemüse, Steinsalz, Milch, *) Da es in Serbien keinen Orden und keinen Adel Riebt, so ist es Sitte, die um das Taterland verdienten Männer durch militärische Titel auszuzeichnen. Sahne, Hehl, Buttar, Eier, Käse, Pferde, Schafe, Ziegen und Kühe, lange Fässer oder häufiger Häute voll Wein waren zum Verkauf ausgestellt. Hier hat der Fremde am frühen Morgen die beste Gelegenheit, die Nationaltracht zu studiren: die Damen in ihrem weiten Gewände von Sammet und Seide, die Dienstmädchen im Kattunkloide, die Semliner Marktweiber mit buntem Kopftuche, oder die serbischen Bäuerinnen mit dem halbmondförmigen Kopfputz und einem bis auf das Kreuz herabhängenden weifsen Schleier, Zigeunerfrauen mit ihren bräunlichen Gesichtszügen und zerlumpten Kleidern, mit der Pfeife im Munde und dem Bettelsack über den Schultern und wallachische und serbische Bauern, die fast nur mit einem Kittel oder Rock bekleidet sind, je nach dem Geschlecht, aber verschieden nacli Farbe und Schmuck, je nach dem District, von welchem sie kommen. Aufserhalb der Thore wurde die Stadt schon lange auschliefslich von Serben bewohnt, wiewohl eine auf dem Heu- und Holzmarkte stehen gebliebene verfallene und verlassene Moschee (Battaldjanüa), in der Nähe des Friedhofs, an die Zeit erinnert, in welcher die Türken die Herren der ganzen Stadt waren und über das ganze Land herrschten. Diese Moschee, welche durch einige Soldaten des Cara-Georg bei der Einnahme von Belgrad während des Unabhängigkeitskrieges erobert wurde, ist die architektonisch interessanteste und festeste. Von hier aus erstreckt sich nach allen Seiten hin die neue oder serbische Stadt, wo in freundlichen Häusern die Staatsminister, Se- natoren und sonstigen Regierungsbearuten wohnen, und die meisten öffentlichen Gebäude und Regierungsinstitute sind. Innerhalb eines Kreises von wenigen hundert Ellen befindet sich der Konak (Palast des Fürsten) und gerade gegenüber die Wohnungen des preufsischen und britischen Consuls; das Ministerium, das Senatsgebäude, die Hauptcascrne, die Militairakademie und das Militairhospi-tal. Während die Consulate nur an Sonn- und Feiertagen auf hohen Flaggenstöcken ihre Landesfarben aufhissen, weht die roth-blau-weifse Flagge Serbiens auf dem Schlosse, so lange der Fürst sich in Belgrad aufhält. In einer Ecke des rothen Streifens sind vier Sterne, im blauen das Na-tionalwappcn : ein rothes Feld, welches von einem weifsen Kreuze in vier kleinere Felder gethcilt wird, welche je einen Halbmond oder Feuerstahl enthalten. Der Blick auf den Flufs von der Höhe dieses Stadt-theüs aus, welcher sich terrassenförmig über die Save erhebt, ist ganz entzückend. Die klare Athmosphäre gewährt dem Auge einen sehr umfangreichen Prospect, einer klaren scharfen Photographie ähnlich, in welcher die gröfs-ten Entfernungen dem Auge nahe gerückt werden, wie Wir es in unserem nebligeren Klima nicht gewohnt sind. Der Vordergrund wird gebildet von serbischen Häusern im zinzarischen Style*) mit schwerfälligen offenen Gale- *) Dio landesüblichen Baumeister sind Bulgaren oder Zinsaren, d.h. ein Volksstamm aus Süd - Macedonien, der einen wallachischen bialect spricht, der charakteristisch ist durch das scharfe z (zinze ricn, überhängenden Stroh- oder Schindeldächern und weiten hölzernen Schornsteinen, die den vierten Theil des Daches bedecken und aus Akazien- oder Wallnufsbäumen herausblicken ; dahinter ein ruhiger Flufs, in welchem sich jeder Gegenstand des Landes treu abspiegelt. An der einen Seite des Wassers zieht sich ein Streifen sehr fruchtbaren Wiesengrundes hin, und an der andern ein schön bewaldetes emporsteigendes Ufer, während seine Oberfläche punktirt ist mit langen niedrigen Inseln voll Weiden, Eichen und Eschen, mit wohlriechenden Gesträuchen und dem grünsten Rasen. Ich. kenne keine Wasserlandschaft, welche durch ruhige Schönheit die der Save übertrifft. Die Vorstädte von Belgrad, die nach dem Innern des Landes zu liegen, erinnern uns an die Gemälde und Beschreibungen von einigen unserer eigenen jungen, im Entstehen begriffenen Coloni al städte, wo der Reisende plötzlich von roh cultivirten und unwegsamen Feldern auf die Strafse einer rührigen und rasch zunehmenden Stadt tritt, wo anständige Häuser abwechseln mit kleinen Hütten, deren jede mitten in einer kleinen Besitzung liegt und wo die Breite des Weges, wiewohl hinweisend auf die zukünftige Bedeutung der jungen Stadt, doch stark absticht gegen die niedrige Front der meisten Häuser und statt tschintschte, fünf), weshalb die Macedono-Wallachen allgemein Zinzareu genannt werden. Die Arbeiter sind Bulgaren oder häufig Arnauten (türkischer Name für Schipetare). den gegenwärtigen Zustand der Stadt selbst. Wenn die breiten, im rechten Winkel sich durchschneidenden Boulevards mit jungen Kastanien- undWallnufsbäumcn, welche die Linie des künftigen Pflasters bezeichnen, mit der Zeit belaubt sind, werden sie einen würdigen Eintritt in eine grofse Stadt bilden; jetzt aber steht die Breite des Pflasters aufser Vcrhältnifs zu der Mehrzahl der Häuser an beiden Seiten. Wenn diese kleinen Hütten, welche schon jetzt immer mehr Häusern von zwei Stockwerken und dauerhafterem Material Platz machen, einst gänzlich verschwunden sein werden, wird es nur noch des Trottoirs bedürfen, um den Eintritt in Belgrad vom Lande her ebenso anmuthig zu machen, als in irgend einer Stadt Europa's. Alle diese Contrasto sind indefs ein treues Bild von der Geschichte und gegenwärtigen Lage des emporstrebenden Landes. Die niedrige Hütte, die rasch von Holz oder irgend einem anderen gemeinen und billigen Material aufgerichtet ist, mit ihren hälslichen schmutzigen Wänden, und dem unbequemen Mindcrluk, einer Lagerstätte von Lehm, von welcher der Reisende plötzlich auf die breite mit Kalksteinen gepflasterte Strafse der Stadt tritt, mit eine/- vielversprechenden, aber jetzt noch nicht Schutz gewährenden Linie von Kastanienruthen, welche in späteren Zeiten einmal Bäume werden sollen, ist ein treues Bild der entschlossenen Versuche, zu der Höhe anderer europäischer Städte sich emporzuschwingen, welche ein Volk macht, das wahrscheinlich eine grofse Zukunft vor sich hat, aber erst seit 30 Jahren dem Joche der Türken ent- 5 flohen ist und noch fortwährend durch seine früheren Herren bedroht wird, das noch nicht alle Spuren der früheren Unterwerfung und das Andenken an die schrecklichen Grausamkeiten verloren hat, die es ohne die Hülfe irgend einer christlichen Macht in seinen langen Unabhängigkeitskrieg trieben, welcher anfangs nur als Wahnsinn erscheinen konnte. CAP. IV. Kirchliche Architektur. Unterschied zwischen den Kirchen Serbiens und anderen Theilen der orientalischen Kirche. Beschreibung einer Kirche. Altar. Apsis. Ikonostasis. Ehe wir die Belgrader Cathedrale und die in derselben gefeierten Gottesdienste beschreiben, mag es vergönnt sein, einige Worte über die kirchliche Architektur Serbiens im Allgemeinen vorauszuschicken, um spätere Wiederholungen zu vermeiden. Die einzigen reinen Beispiele serbischer Kirchenarchitektur sind die wenigen Kirchen, welche die von den Türken angerichteten Verwüstungen überlebt haben. Von diesen, welche weithin zerstreut sind und oft ihre Erhaltung der unnahbaren Natur ihrer Umgebung verdanken, führten mich meine Wanderungen nur zu der Friedhofskirche in Semendria und zu den Klosterkirchen in L'ako-viza, liavaniza und Manassia. Aufser diesen gehören besonders hierher: 1. die Klosterkirche von Zica bei Karanovatz, die Krönungskirche von sechs serbischen Königen, nahe am Boar, deren architektonische Schönheiten, historische, malerische und archäologische Details leider gegenwärtig bedeckt sind durch den Unverstand einer sogenannten Restaurirung*); 2. die Kirche zu Kruschevatz, der alten Residenz der Könige, die indefs ebenso unglücklich re-staurirt ist, so dafs es schwer wird, sich die ursprüngliche Wirkung zu vergegenwärtigen, indem Mörtel und Tünche die Wände aus wechselnden farbigen Back- und Bruchsteinlagen , bedecken ; 3. die Kirche von Studeniza, des grüfsten, prachtvollsten und reichsten Klosters des Landes, in einem höchst romantischen Gebirgskessel, die aus einem älteren in Marmor ausgeführten Bau und einem späteren sehr schlechten Anbau besteht, durch welchen die Stirn-facade in die Kirche mit einbezogen und oberhalb des Bogonfrieses am Giebel sehr beschädigt wurde; 4. die alte schöne Kirche zu Pavliza am Ibar**); 5. die Kirche des Klosters Ljubotinja zwischen Karanovatz und Kruschevatz, welches die Kaiserin Miliza nach der Schlacht auf dem Amselfelde gründete, um als Nonne in demselben ihr Leben zu beschliefsen. Aufserhalb des jetzigen Fürstenthums Serbien ist der prachtvollste byzantinische Bau die Klosterkirche von Dctschani bei Ipek in Altserbien. Als Serbien ein integrirender Theil des türkischen Reiches war und durch Pascha's regiert wurde, war es fast nie den Christen in irgend einem Theile des Landes gestattet, sich zu gottesdienstlichen Zwecken zu versam- *) Serbiens byzantiniso.be Monumente. Gezeichnet und beschrieben von F. Kanitz. Wien, K. K. Hof- und Staatsdruckerei, 1862. Grofs-Folio mit 11 Tafeln Abbildungen, S. 23. ) Kanitz, Ueber alt- und neuserbischo Baukunst. 1864. mein, und selbst in den späteren Zeiten, als dieses Gesetz etwas laxer gehandhabt wurde und man wegen des Daseins einiger elenden Lehmkirchen, meistens im Innern des Landes, ein Auge zudrückte, war es den Christen noch nicht erlaubt, irgend ein äufseres sichtbares Zeichen der Versammlung zum öffentlichen Gottesdienste zu haben und war besonders der Gebrauch der Glocken in den Kirchen auf das Strengste verboten. Als indessen die Siege zuerst des Cara-Georg und nachher des Fürsten Milosch das Volk befreit hatten von der Furcht vor den Türken, wurde die Religionsfreiheit im ganzen Lande durch einen besonderen Vertrag garantir!. Damals erst wurden in den Städten und in einigen größeren Dörfern anspruchsvollere Kirchen, von Stein oder Ziegeln mit Kalk beworfen, errichtet, aber meistens sehr flüchtig, um der drückendsten Noth in dem ersten Augenblicke der neugewonnenen Unabhängigkeit abzuhelfen, weshalb sie schon jetzt, nach kaum 30 Jahren, entweder wegen der Schlechtigkeit des Mörtels oder der Unwissenheit der Baumeister, die nicht gewohnt waren Werke von solcher Grofse auszuführen, Spuren des Verfalls zeigen. Die Mauern der Cathedralen von Belgrad und Schabatz und die grofse Kirche in Semendria haben bedeutende Risse, und wenn der Fortschritt der Zerstörung auch vielleicht aufgehalten werden kann, so werden sie doch gewifs nicht sehr langen Bestand haben. Die Vorbilder, welche die Architekten dieser modernen Kirchen nachgeahmt haben, sind entweder die serbischen Kirchen in den österreichischen Ländern oder die reineren byzantinischen Kirchen Rufslands. Die Erbauer der serbischen Kirchen in Slavonien und dem südlichen Ungarn nahmen den in Oesterreich vorherrschenden Styl an und begnügten sich damit, das Innere den wesentlichen Erfordernissen des orientalischen Ritus conform zu machen. So haben in der ganzen serbischen Woiwodina die Kirchen orthodoxen Bekenntnisses stets viereckige Thürme mit zwiebeiförmigen Spitzen, deren Kupferdach durch Oxy-dirung eine braune Farbe angenommen hat und in der Regel reich vergoldet ist. Die Kirche selbst ist mit einem Gemisch von classischen Details, etrurischen, korinthischen oder gekuppelten Säulen, palladischen Fenstern und styl-loscn Portalen geziert. Als die Serben in ihrem eigenen Lande den Wiederbau ihrer Kirchen beginnen konnten, war es natürlich, dafs sie in vielen Fällen durch den Styl oder Stylmangel, welchen sie unter ihren Brüdern in Slavonien vorfanden, beeinfliifst wurden und dafs sie diese planlosen Bauten treu copirten. Andere Theile der orientalischen Kirche würden wahrscheinlich ausseillicfslich auf byzantinische Vorbilder zurückgegangen sein; die serbische Kirche aber war nie so exclusiv orientalisch, wie die meisten anderen Theile der grofsen orthodoxen Kirche des Ostens. Die serbischen Architekten des Mittelalters, während der Periode nationaler GrÖfse, waren stets bereit, die Einzelheiten italienischer Architektur nachzuahmen, besonders diejenigen, welche sie in der Lombardei und den veuetianischen Provinzen gesehen hatten, mit welchen ein bedeutender literarischer und artistischer Verkehr unterhalten wurde. Während so die älteren Kirchen Serbiens im Aeufseren dem romanischen Style in seinen Grundzügen angehören, wie z. B. durch den äufscren Bogen des Sanctuariums und der Chorapsiden, — so sind doch oft die Details wie die Fenster und die Säulen im Charakter des zwölften Jahrhunderts. Die Formen der Thore und die Capitalo der Säulen sind oft von demselben Charakter. Der Reisende rindet zuweilen in ein und demselben Gebäude Spitzbogenfenster mit kleeblattförmigen Ausläufern und Fenster mit geradlinigen Verzierungen wie in den venetianischen Kirchen, während die Fresken im Innern dieser Kirchen oft aus der besten Zeit italienischer Malerei herrühren und in dem Style von Tinto-retto oder in der früheren Manier Raphaels ausgeführt sind*). Die Regeln der Kritik, welche in den Kirchen anderer Theile der orientalischen Confession anwendbar sind, müssen deshalb bedeutend modificirt werden, wenn wir von serbischer Architektur sprechen wollen. Während in fast allen Theilen des Patriarchats von Constantinopel und der *) Nach Kanitz gehören diese Fresken, wie die in allen orientalischen Kirchen, der im elften Jahrhundert von Panselinos auf dem heiligen Athosherge gegründeten Schule an, zeichnen sich aber durch freiere Bewegung aus. Die Köpfe sind schön geformt, ihr Ausdruck ernst, die Profile edel und manchmal bei den Königen von glücklicher Individualisirung. Bei ihnen verliert sich auch hie und da die sonst durchgehende schematische Behandlung der Gewandung. (Byzantinische Monumente S. 17.) Kirchen, die mit ihm in Verbindung stehen, in der Regel die äufserlich sichtbaren Kreuzarme fehlen, zeigen die Kirchen in Serbien fast immer Spuren von der kreuzförmigen Construction an der Aufsenseite des Baus und in den meisten derselben ist es die deutlich ausgeprägte charakteristische Grundform*). So hat z. B. in der alten Marienkirche zu Semendria das Schiff nur 14 Fufs 6 Zoll in der Breite, das Chor dagegen, welches in den Transept eingeschlossen ist, mehr als 22 Fufs im Querschnitt. Aufser in armen von Lehm gebauten Dorfkirchen wird das Chor immer durch eine Zugabe zu der Breite des Baues gebildet, wodurch die Kirche natürlich von aufscn kreuzförmig wird. Die Kirchen des orientalischen Bekenntnisses, welche *) „Die alten Kirchenbauten Serbiens entsprechen streng den Grundprincipion der byzantinischen Bauweise. Bei allen bildet das griechische Kreuz (Gammada) die charakteristische Grundform. Bei allen erhobt sich über der Vierung eine Kuppel, das Symbol der Auferstehung des Heilandes. — Sie gehören jener Spätperiode des byzantinischen Styls an, in welcher die ursprüngliche justinianische Bauweise längst verlassen war. Die Anwendung zahlreicher Säulen, welche jene Periode charaktcrisirt, ist auf vier gegliederte massive Pfeiler oder gleich viele Säuleu beschränkt, welche sich durch Bögen und Pendentifs (Gewölbestücke) zu einem runden Unterbau verbinden und den bereits vollkommen ausgebildeten Tambour sammt Kuppel tragen. Die Gynäceen (Frauengallerien) sind aufgegeben und die Querschiffe durch Apsiden geschlossen. — Die Zahl der Kuppeln, welche sich auf dem Athosberge bis auf sieben steigert, dieses weitere charakteristische Moment der byzantinischen Bauweise finden wir auch an mehreren serbischen Kirchenbauten." Kanitz, Serbiens byz. Mon., S. 11. stets streng von Westen nach Osten gebaut sind, bestehen aus Sanctuarium, Chor und Schiff. Aufserdem haben die meisten Kirchen noch einen Narthex, d. h. einen Platz im Westen des Schiffes, in welchem die Frauen während des Gottesdienstes stehen, und noch westlicher davon eine Vorhalle, welche die ganze Breite des Gebäudes einnimmt. Einige haben sogar doppelten Narthex und doppelte Vorhalle, d. h. diese Theile der Kirche sind durch Säulen oder sogar durch Wände getrennt In den Kirchen Serbiens läuft das Sanctuarium (serb. oltar, äufscrer Thron Gottes), welches stets um eine Stufe (solium) höher liegt als das Chor, durchgehends in eine Apsis aus und schliefst zuweilen neben einer grofsen Hauptapsis noch zwei kleinere zu beiden Seiten ein, eine für den Küsttisch (Proscomidia) und die andere für das Diakonikon. In der sehr malerisch gelegenen neuen Kirche zu Belgrad, die der schönen Klosterkirche zu Kavaniza, wenn auch ohne das rechte Ebenmafs der Verhältnisse, nachgebildet ist, sind diese beiden Nebenräumc sogar durch eine Wand von dem Sanctuarium geschieden. Die ursprüngliche Apsis ist ein Halbkreis, der auf der Durchschnittslinie des Altars beschrieben wird, also eine kreisförmige Ausdehnung des Sanctuariums, nicht, wie so Viele in der neueren Zeit zu glauben scheinen, das quadratische östliche Ende einer Kirche, das sich durch einen inneren Zirkel verengt, der die äufscren Winkel des Quadrats abschneidet und dem Altarraumo eine kreisförmige Gestalt Siebt, wodurch der rechtwinkelige Altar eine sehr incon- gruente Stellung gegen die runde Wand des Sanctuariums einnimmt, und der ihm gebührenden Wände beraubt wird. Der Altar (trapeza) — ein Tisch von Holz oder Stein, oder von Holz und Stein auf einem oder vier Füfsen — ist gewöhnlich viel kleiner als bei uns und allgemein fast quadratisch (z. B. in der Marienkirche zu Semendria 3 Fufs 9 Zoll lang, 3 Fufs 4 Zoll breit). Seine Stellung hinter der Ikonostasis, wodurch dem in dem Schule stehenden Volke nur ein Theil desselben sichtbar ist, hat die orientalische Kirche vor der Versuchung bewahrt, ihn zu der bei uns gebräuchlichen, auf Effect berechneten unproportionirten Gröföe zu erweitern; während die bekannte Zähigkeit, mit welcher der orientalische Geist an alten Traditionen festhält und alte Formen bewahrt, ein ziemlich sicheres Zeugnifs dafür ist, dafs jene Proportionen dieselben sind, wie die in der ersten christlichen Kirche. Auf dem Altar steht zwischen zwei Leuchtern ein Kreuz, auf dem der Gekreuzigte in Holz oder Emaille gemalt, nie aber plastisch dargestellt ist; vor demselben das Evangelienbuch, das in dem Hauptgottesdienst gebraucht wird und zuweilen links davon das Sluzbenik — Typicon (Ordnung des Gottesdienstes), auch wohl Bilder Christi oder des Heiligen, welchem die Kirche geweiht ist. Das unentbehrlichste Stück des Altars ist indefs das Antimins, ein Tuch mit einem Bilde der Grablegung, das fast die ganze Oberfläche bedeckt, aber aufser dem Gottesdienste zusammengefaltet unter dem Evangelienbuche in der Mitte liegt, so dafs augenscheinlich der Altar als das Grab Christi betrachtet wird. Ohne dieses, das Kreuz, das Evangelium und wenigstens ein Eicht, darf kein Gottesdienst irgendwelcher Art gefeiert werden ; mit denselben wird aber selbst jeder Stein auf freiem Felde zum Altar. Nördlich vom Altar steht der Rüsttisch (Proscomidia), auf welchem die geweiheton Elemente zur heiligen Com-munion vorbereitet werden und westlich von demselben ein Schrank für die heiligen Geräthe*). Die Piscina (das Spülbecken) befindet sich stets an der Vorderwand und nie, wie in anderen Theilen der orientalischen Kirche, unter dem Altar. Das Diakonikon an der Südseite des Sanctuariums dient zur Aufbewahrung der Mefsgewändcr **) *) 1. Der Kelch, 2. der Discos, der Teller für das „Lamm Gottes" bedeckt 3. mit dem Astericus, einem aus zwei vereinigten Bogenreifen gebildeten Stern (Matth. 2, 9), 4. der Löffel zur Austheilung des Sacramentes, 5. der Speer zum Anschneiden des Leibes Christi aus den geweihten Broden, 6. die Tellerchen für die Agape und 7. die Kronen für die Brautpaare. **) 1. Für den Dia con: das Sticharion (ein langes weifses Kleid), die Epimanikien (Aennelhalter) und das Orarion (ein reich gesticktes breites Band, das er auf einer Schulter trägt und dessen Eaten er mit der rechten Hand beim Gebet in die Höhe hebt. 2- Für den Priester: das Sticharion und die Epimanikien, das BpitraMl (das doppelte Orarion, das auf beiden Schultern getragen wird und vorn bis auf die Kniee herabhängt), der Gürtel, das Pbe-lonion (das reich gestickte eigentliche Mefsgewand, das von allen Seiten geschlossen ist, vorn die Brust bedeckt, hinten aber, mit uinem Kreuze geschmückt, bis zu den Knieen reicht. 8. Für den Bischof: der Saccos (ein mit Kreuzen übersäetes Gewand, welches das Sticharion vorn und hinten fast ganz bedeckt), das Omophoripn und die mannigfachen Ritusbüchor der Kirche*). — In der Ostspitze der Apsis steht um einige Stufen erhöht ein Sessel, das Symbol des Thrones Gottes, auf welchem der Bischof während der Vorlesung des Apostolos durch den Diaconus sitzt; nur in Manassia findet sich noch die halbkreisförmige steinerne Bank (Synthronos). Die Ikonostasis ist eine hölzerne Wand, welche durch die ganze Breite der Kirche geht, manchmal bis an die Decke reicht, fast immer aber zwei Drittheil der Höhe einnimmt und stets von einem kolossalen Kreuz auf der von der Schlange umwundenen Weltkugel überragt ist. Sie scheidet das Sanctuarium von dem Volke und hat gewöhnlich drei Oeffnungen, in ärmeren Kirchen auch (ähnlich dem Epitrahil, mir dafs vorn und auf dem Rücken je ein Ende des breiten Bandes herabhängt), das Epigonation (einer viereckigen Tasche ähnlich, die an den Lenden befestigt ist und das geistliche Schwert des Wortes Gottes bedeutet), das Brustkreuz an goldener Kette, die Panagia (das reich gefafste Medaillonbild der Maria mit dem Kinde, das gleichfalls an goldener Kette auf der Brust hängt), die Mitra in der Form einer geschlossenen Krone und die Paterissa (der Bischofsstab). *) Die wichtigsten unter diesen sind: 1. das Evangelium und der Apostel, d. Ii. das vollständige Neue Testament, 2. das grofse und kleine Psalterium, 3. das grofse und kleine Horologium (Gebete für jede Stunde des Leidens Christi), i. der Octoich (Kirchengesänge nach acht festen Melodien), 5. der Minéi (Gesänge zum Lobe der Heiligen), 6. der Tri od (Festgesänge), 7. das Irmolo.gium (Gesänge zur Frühmette), 8. der Sluzbenik oder Typicon (Liturgie des Gottesdienstes), 9. der Trcbnik (Ritual für Amtshandlungen) und endlich 10. der Srbliak (Gesänge zu Ehren der 13 serbischen Heiligen). wohl nur zwei, deren mittlere (heilige Königsthür) durch eine bis zur Hälfte reichende Gitterthür und einen Vorhang (Savicsa) verschlossen ist. Die Gemälde auf der Ikonostasis sind in den verschiedenen Kirchen verschieden; nur die durch die drei Thülen getrennten vier unteren Bilder haben stets von links nach rechts folgende Reihenfolge: 1. der Schutzpatron der Kirche, 2. die Jungfrau Maria, vor deren Bilde die Wöchnerin während ihrer Einsegnung kniet, 3. Christus, 4. Johannes der Täufer. Die oberen 7 Bilder enthalten in der Regel Hauptmomentc des Lebens Christi und dio dreijährige Maria im Tempel. Aufser diesen grofsen Bildern, vor denen je eine meistens silberne Lampe von der Decke herabhängt, giebt es noch kleinere alttestamentliche Darstellungen. An jeder Seite der Hauptthür der Ikonostasis steht im Chor ein Kerzenträger von Messing oder Stein mit Stacheln am Rande des Aufsatzes zum Aufstecken von kleineren geopferten Kerzen, auf der Südseite ein kleines Miiiiges Pult mit einem Bilde des Schutzheiligen oder des Ereignissos, das dem Tages-Evangelium zu Grunde liegt, und gerade in der Mitte des Chors der Ambon, von welchem aus Evangelium und Epistel beim Hauptgottesdienste verlesen werden. Während in den alten Basiliken gewöhnlich zwei oder selbst drei Ambonen waren, finden wh in den serbischen Kirchen nur einen. Während in einigen Theilen des alten Patriarchats von Ravenna und ln den byzantinischen Kirchen Siciliens der Ambon ein Srofses Pult ist, das sich fast zu der Höhe unserer Kanzel erhebt, ist er in Serbien von viel anspruchlosorcr Structur: ein kleiner runder, gewöhnlich hölzerner Tritt von etwa vier Fufs Durchmesser mit ein oder zwei Stufen. In alten und armen Kirchen fehlt er oft gänzlich, doch wird dann seine Stelle stets durch einen runden Stein im Pflaster bezeichnet. An dem Nord- und Südende des Chors stehen die Sängerpulte (Pevniza). Zuweilen ragt aus der nördlichen Chorwand eine aus fünf Seiten eines Octagons gebildete Kanzel hervor und ist durch Stufen, die in die Dicke der Mauer hineingearbeitet sind, zugänglich. An der Südwand des Chors oder auch wohl an zwei Seiten einer Säule sind meistens Sitze mit einer thronförmigen Bedachung für den Bischof der Diöcese und den Fürsten angebracht, in armen Kirchen auch wohl nur einer für den Bischof. Westlich vom Chor liegt das Schiff, welches architektonisch nicht von demselben geschieden ist, aufser dafs in einigen Kirchen Serbiens der Fufsboden eine Stufe tiefer liegt, während der Narthex sich wieder zu der Höhe des Chors erhebt. Rings um diesen Theil der Kirche laufen Betstühle für die, welche wegen Alter oder Schwäche nicht ohne jegliche Stütze während der langen Gottesdienste des griechischen Ritus stehen können; in einigen der älteren Kirchen, wie z.B. in Rava-niza, sind noch die steinernen Bänke geblieben, welche früher in allen Kirchen um Narthex und Vorhalle herumgingen. Der Narthex im Westen war früher der für die Büfsenden bestimmte Platz, wird jetzt aber von den Frauen eingenommen. In der Südwest-Ecke der Vorhalle oder, wenn keine solche da ist, in derselben Ecke des Narthex steht das Taufbassin, welches zuweilen von Kupfer oder anderem Metall, gewöhnlich aber von Stein ist und hinter einer nahen Säule ein Tisch mit dem Taufregister. Diese Säule ist in der Regel voll von Haaren neugeborner Kinder, welche bei der Taufe dort mit Wachs angeklebt werden, als erstes Opfer an die Kirche und als Mahnung, dafs so auch das Herz der Getauften stets in der Kirche bleiben solle. Vorhalle und Narthex ist zuweilen bedeckt mit einer Gallerie, welche durch die ganze Breite der Kirche läuft und namentlich bei Ueberfüllung der Kirche an den hohen Festtagen vom Volke benutzt wird. Da zur Zeit der türkischen Occupation den Christen der Gebrauch der Clocken verboten war, so finden wir in allen älteren Kirchen in dem Gebäude selbst keinen Platz für dieselben. Als aber dieses Verbot aufgehoben wurde und die Freiheit des religiösen Gottesdienstes durch die Unabhängigkeit des Volkes gesichert war, wurden gewöhnlich zwei oder drei Stock hohe Glockenthürme in der Nähe des West-Endes der Kirche aus Holz gezimmert. In der alten Kirche zu Kruschevatz dagegen und in allen neuen Bauten ist der Glockenstuhl in dem Thurm über der westlichen Eingangsthür angebracht. CAP. V. Cattedrale von St. Michael. St. Georgstag. Gottesdienst. Ordination eines Priesters. Einsegnung von Schüsseln mit Koni. Alttesta-mentlicher Charakter des Gottesdienstes. Besuch bei dem Erzbischof. Auf demselben Kücken, auf welchem die Festung liegt, und zwar in unmittelbarer Nähe des Ciaeis steht die Cattedrale von Belgrad und Metropolitankirche von Serbien, welche dem Erzengel Michael geweiht ist. Sie ist 120' lang und gehört zu jenen Kirchen, deren Erbauung erst aus der Zeit der Befreiung Serbiens von dem türkischen Joche datirt und aus den im Anfange des vorigen Capitels angeführten Gründen Spuren ihrer fehlerhaften Construction zeigt, so dafs sie vor einigen Jahren wegen Einsturzes eines Theiles der Decke auf längere Zeit für den Gottesdienst geschlossen werden mufste. Aufserdem sind Kirche und Thurm in dem jüngsten Bombardement sehr beschädigt. Am westlichen Ende hat sie einen gut proportio-nirten Thurm, mit der gewöhnlichen zwiebelartigen Spitze, welche reich vergoldet, mit Kränzen von Blumen, Urnen, Füllhörnern und ähnlichen klassischen Verzierungen geschmückt ist und einen auf ionischen Pfeilern ruhenden Fries oder Tympanum überragt. Das Chor, welches gegen die Linie der übrigen Kirche etwas hervortritt, giebt dem Bau eine Kreuzform und das östliche Ende läuft in einen auf der Linie der Iconostasis (also nicht nach der im vorigen Capitel angegebenen Norm) beschriebenen Halbkreis (Apsis) aus. Obwohl das Aeufscre der Kirche ohne architektonische Schönheit ist, so gewährt doch ihre Lage einen freundlichen Eindruck; und ihre Höhe, durch welche sie die Moscheen und Minarets übertrifft und alle anderen Häuser der Stadt überragt, macht sie, abgesehen von der Academie, zu dem ausgezeichnetsten Gegenstande, auf den das Auge des Reisenden trifft, sobald er sich Belgrad nähert. Die innere Einrichtung entspricht ganz der im vorigen Capitel beschriebenen. Aufser den Gemälden der sehr reich geschmückten Iconostasis sind hervorzuheben die Bilder Davids und des Johannes Damaseenus über den Sängerpulten, und die des heiligen Sabbas, des erstgekrönten Königs Stephan Nemanja und der Jungfrau Maria über den Sitzen des Erzbischofs, des Fürsten und der Fürstin. Der 5. Mai nach dem Gregorianischen Kalender der westlichen Kirche, oder der 23. April nach der Rechnung des in der ganzen orientalischen Kirche gültigen Juliani-schen, welcher 12 Tage hinter der übrigen Christenheit zurück ist, ist der Festtag des heüigen Georg, eines der populärsten Heiligen des orthodoxen Glaubensbekenntnisses. In ganz Serbien wird dieser Tag als der Hauptgallatag angesehn, und da er in die ersten Tage des Früh- 6 lings trifft, so sind dio Gebräuche an demselben von festlichster Art. Mancher schöne Brauch aus den alten heidnischen Zeiten hat sich noch in den Riten, durch welche dieser Tag ausgezeichnet wird, erhalten, und der christliche Bauer, der keine Ahnung von ihrem Ursprünge hat, gebraucht bei dieser Gelegenheit die symbolischen Formen des Naturdienstes, welcher jetzt alle Bedeutung verloren hat. Es ist der Maitag oder St. Valentinstag Englands mit seinen betreffenden Gebräuchen, welche auch meistens dem Heidenthume entlehnt sind, vereinigt und vermischt mit frommen Sitten, welche seit der Bekehrung zum Christen-thume entstanden*). Diese Festtage zu Ehren der Heiligen beanspruchen indefs in der orientalischen Kirche eine Bedeutung über ihren Charakter als Feiertage hinaus, an denen die Arbeit gänzlich eingestellt wird und das Volk sich der Freude und Erholung überläfst. Ihrer Beobachtung schreibt Ricaut mit Recht zum grofsen Theil die Erhaltung des Christenthums dieser Nationen während der Zeiten der ottomanischen Herrschaft zu. Sie waren Tage, in welchen der Glaube des niedergetretenen Volkes von Serbien und Rumelien neubelebt wurde durch die direetc Belehrung ihrer Priester, durch die symbolischen Religionsgebräuche und durch die Gemeinschaft mit einander. Diejenigen, welche unter dem Einflüsse der Furcht oder der Verführung der Selbstsucht den Glauben ihrer Beherrscher angenommen hatten, wurden oft vom h) Vgl. Ranke, Die serbische Revolution. 2. Aufl. 1844. Cap. 4. Muhamedanismus zurückgebracht durch die Zähigkeit, mit welcher sie an den Festtagen hingen. Gegenwärtig \vird die Treue der Albanesen und derjenigen Bosniaken, welche Muselmanen geworden sind, im ganzen Orient deshalb bezweifelt, weil sie, vermischt mit dem muhamedanischen Glauben, noch die Beobachtung vieler christlichen Feiertage beibehalten haben. Am Morgen des St. Georgentages wurde ich um 5 Uhr Morgens geweckt durch den mehr als gewöhnlichen Lärm in den Strafsen und durch das Läuten der Glocken der (Kathedrale, welche das Volk zum Frühgottesdienst riefen. Da ich indessen den Abend vorher erfahren hatte, dafs beim Hochamt um 8 Uhr Morgens der Erzbischof selbst gegenwärtig sein würde, wartete ich bis zu dieser Stunde. Als ich in die Cathcdrale eintrat, hatte der Gottesdienst noch nicht begonnen, doch war die Kirche schon zu drei Viertel gefüllt und zwar meistens mit Männern aus allen Ständen, vom Staatsminister bis zum Arbeitsmann, Kopf an Kopf stehend, ohne Unterschied in diesem Hause, wo alle Unterschiede aufhören sollten, während die Frauen in dem für sie bestimmten, verhiütnifsmäfsig sehr kleinen Räume im Narthex standen. Beim Eintritt in dio Kirche geht ein Jeder zu dem Analogion, einem kleinen beweglichen Pulte, welches während des Gottesdienstes in der Mitte des Schiffes steht und auf welchem Sonntags das Evangelium, sonst ein Bild Christi oder des Schutzpatrons der Kirche liegt. Wenn dieses Bild geküfst, ein kleines Opfer für den Geistlichen in die Büchse gelegt und Stirn, Brust und Schultern bekreuzt sind zum Zeichen der Ehrerbietung, salbt ein Priester, welcher bei diesem Pult steht, Jeden, der vor ihn hintritt, mit dem heiligen Oel und bekreuzt ihn vermittelst des Stylus, eines kleinen silbernen Stäbchens. Bald nach mir kam der Erzbischof, empfangen von zwei fungirenden Priestern im Ornat und begleitet von der höheren Klostergeistlichkeit, sowie von den Bischöfen von Uschize und Nogotin, welche ihre gewöhnliche Kleidung trugen, schwarze Talare mit einem Baret, von welchem ein schwarzer Schleier, das Zeichen der höheren Klostergeistlichen, über dem Rücken herabhing. An dem Pulte nahm der Erzbischof aus der Hand des Priesters den Stylus und bekreuzte zuerst sich selbst und dann die begleitenden Priester und Diaconen; dann wurde er auf dem Ambo unter Gebeten und Gesängen mit seinen bischöflichen Kleidern angethan, welche alle überdeckt wurden von dem Saecos, einem fast ganz aus Goldbrocat bestehenden Mefsgewande. Zuletzt wurde die Mitra auf sein Haupt gesetzt, ähnlich der des jüdischen Hohenpriesters, funkelnd von Edelsteinen und überragt von einem grofsen Smaragdkreuz. Fürst Michael war anwesend, begleitet von den Ministern und Adjutanten, welche mit dem übrigen Volke im Gedränge standen. Die alt-slavische Kirchensprache*) war mir gänzlich neu und die Liturgie — die des heiligen Chrysostomus **) — zum grofsen Theile gleich- 1 Vgl. S. 102. - •*) Vgl. S. 103. Anm. falla. Während des ganzen Gottesdienstes standen sechs Knaben in Mänteln von rothgedrucktem Kattun, mit einem grünen Kreuz auf dem Kücken, nahe bei der Hauptthür des Sanctuariums, und hielten hohe Stangen mit sternförmigem Fächer, in dessen Mitte ein Cherubim mit sechs Flügeln (Ripida), um das in der Mitte aufgepflanzte Kreuz zu ehren, vier andere in weife leinenen Chorhemden mit einem rothen Kreuz trugen Wachskerzen, welche in den verschiedenen Theilen des Gottesdienstes mehrere Male ausgelöscht und wieder angezündet wurden. Rings um den Rand jedes der grofsen Kerzenträger, aufserhalb des Sanctuariums, brannten aufser den gröfsern Lichtern 40—50 Votivkerzen, so viel nur auf die zu diesem Zweck angebrachten Spitzen gesteckt werden konnten. Die gläsernen Kronleuchter, welche von der Decke herabhingen, bildeten Pyramiden von angezündeten Kerzen, während auf dem Altar innerhalb der Iconostasis an der Nordseite zwei durch ein Band mit einander verbundene Wachslichte (Dikirion) standen, als Sinnbild der göttlichen und menschlichen Natur dessen, welcher ist „das wahrhaftige Licht, das alle Menschen erleuchtet, die in diese Welt kommen," und auf der Südseite drei Wachskerzen in derselben Weise zusammengebunden (Trikirion), als Typus der Dreieinigkeit, mit welchen der Erzbischof, sie dreimal kreuzend, das versammelte Volk segnete. Nimmt man dazu, dafs fast jeder Kirchenbesucher noch eine brennende Kerze in der Hand hielt, so kann man den Effect ahnen, welchen dieses Flammenmeer hätte machen müssen, wenn er nicht durch das hellere Tageslicht verloren gegangen wäre. Im Beginn des Hauptgottesdienstes wurde der Diacon, welcher eben das Evangelium verlesen hatte, zum Priester ordinirt, und zwar innerhalb der Iconostasis, bei herabgelassenem Vorhang, so dafs nur ein Theil der Feierlichkeit von der Versammlung gesehn wurde. Zwei Priester, von denen jeder eine Hand des Pricstercandidaten hielt, stellten ihn dem Erzbischof vor, welcher am Nordende des Altars safs und segnend seine Hände auf das Haupt des Diacon legte. Dann führten ihn dieselben Priester dreimal rings um den Altar, dessen mit den Emblemen der vier Evangelisten gezierte Ecken er ehrfurchtsvoll küfste, zum Zeichen seiner Verpflichtung, die in ihren Schriften enthaltenen Wahrheiten zu lehren und zu predigen. Nun kniete der Diacon nieder, beide Hände auf den Altar und das Haupt auf die Hände legend; der Erzbischof stand auf, nahm seine Mitra ab, segnete ihn wieder dreimal, legte das Omophor, das Symbol des guten Hirten auf des Ordinanden Haupt und rief unter Handauflegung den Heiligen Geist an, dafs er selbst ihn consecriren wolle zu einem würdigen Priester, setzte scine Mitra wieder auf, legte ihm das Epitrahil, Gürtel und Phelon (cf. S. 75. Anm. **), die Zeichen der Priesterwürde an, segnete ihn noch dreimal mit dem bischöflichen Kreuz, das der Ordi-nirte küssen mufste, stellte ihn dann mit dem Rufe ,,«f*o? (würdig)" dem Volke vor und entliefs ihn zu den andern Priestern, um sofort in die Functionen seines neuen Amtes einzutreten. Während nun die Liturgie fortgesetzt ward, wurden von Zeit zu Zeit von denen, welche an diesem Tage ihre » Slava," d. h. das Gedächtnifs des Tages feierten, an welchem einst ihre Familie zum Ohristenthume übergetreten war, Schüsseln von gedörrtem Korn gebracht, bedeckt mit weifsem Zucker und geschmückt mit verschiedenen, aus bunten Confitüren zusammengestellten Devisen. In die Mitte jeder Schüssel wurde eine brennende Kerze gesteckt und alle, 40 oder 50 an der Zahl, auf den Fufsbodcn des Chors zu beiden Seiten des Ambo gestellt. Am Ende der Messe wurden diese Schüsseln von dem Erzbischof gesegnet und von ihren Eigenthümcrn zurückgenommen, um damit jeden glückwünschenden Gast im Hause zu bewillkommnen. Einige Personen brachten an Stelle dieser Gerichte von Korn eine Art Kuchen. Die ganze Häufung von gottesdienstlichen Handlungen, welche über zwei Stunden dauerten, schlofs damit, dafs der Erzbischof das Volk segnete und allen, welche es zu empfangen wünschten, ein Stückchen des heiligen Brodes austheilte. Das ganze Ceremoniel, nicht blos in seinen grofsen Zügen, sondern herab bis zu den unbedeutenderen Details, erschien mir wesentlich jüdisch. Doch möge man nicht einen Augenblick glauben, dafs ich dieses Wort mit Geringschätzung gebrauche. Die innige Vereinigung von Typus und Antitypus, von Verheifsuug und Erfüllung, scheinen den Gottesdiensten der orthodoxen Kirche eine besondere Feierlichkeit zu verleihen. Es war mir, als wenn der unveränderliche Osten soviel nur irgend möglich von den Gottesdiensten der Kirche des alten Testamentes bewahrt hätte, um in der christlichen Anbetung ihnen erst ihre volle und geistige Bedeutung zu geben. Als ich in der Cathedrale zu Belgrad stand mit den zahllosen brennenden Kerzen um mich herum und lauschend auf die Antiphonicn des vollen Sängerchors, während das Volk respondirte in derselben Musik, welche noch in der jüdischen Synagoge gehört werden kann; und während mit den Stimmen des Volkes Wolken von Weihrauch als Symbol der Gebete der Heiligen innerhalb und aufserhalb der Thür des Sanctuarium mit seinem scharlachrothen Vorhang, welcher den Weg zum Allerhciligstcn bedeckt, emporstiegen, glaubte ich in jenem älteren Tempel zu Jerusalem zu stehn, und die Musik, welche seit Uavids Zeit das heilige Erbe der Kirche Gottes gewesen ist, zu hören. Diese Illusion wurde vollständig durch die merkwürdige Erscheinung der Priester mit ihren herabwallenden orientalischen Gewändern, mit vollen Barten und mit Häuptern, die sowenig vom Schecrmesser berührt waren, als die der alten Nasiräer. Als aber die Verkündigung des Evangeliums, der Name des Erlösers der Menschen und der Anblick 'des dem Erzbischof hochvorangetragenen Kreuzes mich erinnerten, dafs ich in einem christlichen Tempel sei, rief dieses mir gleichzeitig die Thatsache ins Gedächtnifs, dafs das Christenthum die Erfüllung, nicht die Auflösung des alten Gesetzes, und dafs der neue Tempel der allgemeinen Kirche nur der alte Tempel dos Moses und der Propheten ist, aber herrlicher gemacht denn zuvor, »durch die überschwengliche Klarheit des Amtes, das nicht die Verdammnifs, sondern die Gerechtigkeit predigt." (2 Cor. 3,10.) Zwei Tage nach meiner Ankunft in Belgrad sandte ich durch einen serbischen Herrn, welchem ich mich nachher für viele Beweise der Freundlichkeit und für viele werthvolle Auskunft über den Zustand der Kirche, so wie über die Sitten und Gebräuche des serbischen Volkes verpflichtet fühlte, einen Brief an den Erzbischof, in welchem ich erzählte, dafs ich ein Geistlicher der englischen Kirche sei, mich gegenwärtig in Belgrad aufhalte und .beabsichtige, einen kurzen Besuch im innern Serbien zu machen, Und dafs ich mich sehr freuen würde über die Erlaubnifs, ihm meine Aufwartung machen zu dürfen. Ich erhielt sofort eine Antwort auf meinen Brief, welche den folgenden Tag um 11 Uhr zu einem Besuche bestimmte. Als ich mit demselben Freunde, welcher bei dieser und anderen Gelegenheiten so freundlich war, mir als Dolmetsch zu dienen, kam, wurden wir in ein Vorzimmer gewiesen, dessen Fufsbodcn ohne jeglichen Teppich mit polirtem Holz ausgelegt war. Fast der einzige Schmuck in diesem sehr einfachen Zimmer des war das Portrait des Nationalheiligen von Serbien, des Prinz - Erzbischofs Sava. Wenige Minuten nach unserer Ankunft trat der Erzbischof ein und führte uns in ein inneres Gemach, welches nach seiner Grofse und Einrichtung eine Art Staatszimmer zu sein schien, — ein langer Kaum von etwa 40 Fufs Länge mit netten, aber einfachen Möbeln, d. h. einem Sopha, über welchem ein Gemälde der Kreuzigung hing, und einer grofsen Anzahl Stühle an den beiden langen Wänden. Als der Erzbischof sich auf dem Sopha niedergesetzt hatte, bat er mich, an seiner Seite Platz zu nehmen. Nach den ersten formellen Worten der Begrüfsung erschien ein durch die Klingel gerufener Bedienter mit Slatko (d. h. eingemachten Früchten) und kaltem Wasser, der gewöhnlichen landesüblichen Bewillkommnung. Ehe der Erzbischof vor drei Jahren zum Metropoliten der Kirche von Serbien erwählt wurde, war er Bischof von Schabatz. Er,-ist kaum 40 Jahre alt, also sehr jung für seinen gegenwärtigen Posten, aber der Ausdruck seines Gesichtes zeugt von grofsem Wohlwollen und Intelligenz. Sein Benehmen ist fein und angenehm und die würdevolle Haltung entspricht seiner Stellung als Leiter der serbischen Kirche, so dafs ich selten von irgend Jemand bei einem kurzen Besuche einen so günstigen Eindruck empfangen habe. Auf seinem Haupte hatte der Erzbischof den gewöhnlichen hohen runden Hut ohne Krempe mit einem breiten seidenen Bande als Abzeichen des geistlichen Würdenträgers der orientalischen Kirche, welcher bekanntlich das Vorrecht geniefst, seine Kopfbedeckung auch im Zimtner nicht abzunehmen. Aufserdem trug er ein langes, mit Purpur besetztes, von einem breiten Gürtel zusammengehaltenes Gewand. Auf seiner Brust hing an goldener Kette ein Kreuz von blauer Emaille mit der sehr schön gemalten Figur des Gekreuzigten. Während unserer gan- zen Unterhaltung hielt er die gewöhnliche Kette von wei-fsen Perlen in seinen Händen, welche sowohl hier als in anderen Theilen des Orients nicht sowohl als ein Gegenstand der Religion oder als Hülfsmittel zum Gebet gebraucht wird, sondern lediglich um den Fingern eine Beschäftigung zu geben, etwa wie von unseren öffentlichen Rednern ein Stück Band oder ein Streifen Papier als Hülfsmittel für ihre Beredsamkeit, oder wie ein Anieri-rikaner mit seinem Messer Stühle oder Tische einzuschneiden pflegt, um nicht ganz ohne Beschäftigung dazusitzen. Der Erzbischof begann die Unterhaltung mit dem Ausdrucke seiner grofsen Freude über den Besuch eines englischen Geistlichen, da er die englische Kirche stets mit besonderm Interesse betrachtet habe und erinnerte daran, wie viel die orientalische Kirche sowohl jetzt als früher den litterarischen Arbeiten englischer Geistlichen verdanke. Kürzlich hatte er mit grofser Freude die Vorlesungen des Canonicus Stanley über die orientalische Kirche (wahrscheinlich die Auszüge in russischen Zeitschriften) gelesen und wufste, dafs Dr. Neale verschiedene Werke über die Geschichte und den Ritus derselben Kirche geschrieben habe, wiewohl er leider nicht so glücklich gewesen sei, seine Schriften zu bekommen. Als ich die Hoffnung aussprach, dafs die wachsende Bekanntschaft englischer Geistlicher mit der orthodoxen Kirche zu engerem Verkehr und zu gröfserer äufserer Einigung führen werde, erwiderte der Erzbischof, dafs das Gebet für die Einheit der Kirche Gottes stets einen Theil seiner täglichen Andacht ausmache und dafs er hoffe, dafs Gott zu seiner Zeit es erfüllen werde. Dann ging er über auf den Zustand der englischen Kirche und zeigte eine vollkommene Bekanntschaft mit ihrer besonderen Stellung im Unterschiede von den protestantischen Gemeinschaften des Continents sowohl der Calvinischen als der Lutherischen. Darauf beantwortete er freundlich verschiedene Fragen, welche ich zu meiner eigenen Belehrung stellte, und erkundigte sich seinerseits sehr eingehend nach der praktischen Thätigkeit der englischen Kirche und nach verschiedenen Theilen unseres Rituals. Als im Laufe unserer Unterhaltung erwähnt wurde, dafs ich einen Ausflug in das Innere beabsichtige und in einigen Tagen Schabatz zu besuchen hoffe, erbot sich der Erzbischof freundlich, mir einen Brief an die Kloster- und Weltgeistlichkeit, so wie an den Bischof von Schabatz mitzugeben, und schickte diese Docilmente noch an demselben Abend. Dann führte mich der Erzbischof durch den Palast nach dem Zimmer, in welchem die Diöcesan- und Pro-vinzial-Synoden gehalten werden und erklärte mir die Einrichtung dieser Concile, deren eins in wenigen Tagen stattfinden sollte. Seine Privatcapclle, eine Miniaturkirche in der Mitte des Palastes mit einer Ikonostasis zwischen Sanctuarium und Chor, machte den Schlufs. Da das Sanctuarium in der ganzen orthodoxen Kirche lediglich für den Clerus reservirt ist und Andern in der Regel nicht erlaubt wird einzutreten, so zweifelte ich, ob der Erz- bischof dem Priester einer andern Kirche gestatten würde, die Ikonostasis zu passiren. Gleichwohl führte er mich rings um den Altar und machte mich aufmerksam auf die innere Einrichtung, den Küsttisch und die Piscina. In der Capelle selbst waren zwei Sitze, einer für den Fürsten, wenn er einmal anwesend sein sollte, und der andere für den Erzbischof. Als wir die Capelle verlassen und wieder in das Vorzimmer eingetreten waren, gab mir der Erzbischof vor dem Abschiede seinen Segen. Er umarmte mich, küfstc mich auf die Wange, legte seine Hände auf mein Haupt, machte das Zeichen des Kreuzes dreimal und verkündigte die feierlichen Segensworte. Als ich ihm dann die Hand reichte und mich zurückziehen wollte, versicherte er mich nochmals in denselben Worten, welche er im Beginn der Zusammenkunft gebraucht hatte, dafs der Besuch eines englischen Geistlichen ihm grofse Freude bereitet und dafs er stets mit grofsem Interesse die Kirche betrachtet habe, deren Diener ich sei. Ich habe mich bei dieser Zusammenkunft länger aufgehalten, weil die Erinnerung an die Freundlichkeit des Erzbischofs mir stets unvergefslich sein wird, doch war diese Aufnahme und Freundlichkeit nicht eine persönliche (ich hatte keinen Empfehlungsbrief an den Metropoliten von Serbien), sondern galt dem englischen Geistlichen. Schliefslich mögen als Zeugnifs des freundlichen Einvernehmens zwischen den Kirchen Englands und Serbiens zwei Briefe hier ihre Stelle finden, der eine, welchen der Erzbischof dem Verfasser zur Empfehlung an den Glems Serbiens gab, und der andere, in welchen der Bischof von London nach seiner Rückkehr dem Metropoliten für die ihm bewiesene Freundlichkeit dankte. „Herr William Denton, ein englischer Geistlicher, Vi-car der Kirche St. Bartholome in der City von London, bereist gegenwärtig den Orient, um eine genauere Kcnnt-nifs und Belehrung über den Zustand der orthodoxen Kirche zu erlangen und geht in dieser Absicht durch unser Land und will unsere Klöster besuchen. Durch diesen auf seinen Wunsch gegebenen Brief empfehle ich ihn der Geistlichkeit und den Oberen der Klöster in ganz Serbien, und bitte sie, ihn mit christlicher Gastfreundschaft aufzunehmen, wohin er auch kommen mag und ihm mit Zuvorkommenheit und in dem Geiste unsers heiligen orthodoxen Glaubens alle nur mögliche Auskunft über die Antiquitäten unserer Kirche zu geben. Der Erzbischof von Belgrad und Metropolit von Serbien Michael. Belgrad, 18/30 April 1862." „ Archibaldus Episcopus Londincnsis Viro maxime Reverendo Archiepiscopo de Belgrade Ecclesiae in Servià Metropolitano, S. D." „Quum quidam ex hujusce Dioceseos Clericis, vir reverendi^ Gitile] mus Denton, nuper ex Oricntalibus Euro-pae partibus regrcssus, nos certiorem fecerit, te co in Servià peregrinante comiter et benigne usum esse, sta-tuimus tibi, Vir maxime reverende, gratias agore propter banc tuam erga Ecelesiam Angh'canam et presbyterum nostrum bencvolcntiam. Hodio Londini ex omnibus fere Orbis terrarum regioni-bus complures congregati sunt, artium liberali um amore incitati et studio pacis triuuiphos celebrandi *). Nobis li-eeat, in hoc tot tamque variarum gentium coetu, Deum opt. max. precari, ut Christi Ecclesiae partes diu sejunetas charitatis et verae fidei vineulo constringat, et gregem tibi Frater commissum, plurima, eben, per hos dies per-pessum**), abunde consolctur optimisque Spiritus Sancti donis perpetuo adornet. Vale, Frater, vivasque et Tu et Ecclesia tua. Ita precatur Frater tuus In .Jesu Christo, Archibaldus Londinensis. Datum Fulhamiac prope Londinium. V. Kai. Sex. MDCCCLXII." *) Industrieausstellung. **) Bombardement von Belgrad, 17. Juni 1862. V. CAP. VI. Die orthodoxe Kirche. Serbische Bisthümor. Zahl und Einkommen des Clerus. Eintheilung der Diöcesen. Pfarr- und Klostergeistlichkeit. Predigten. Catechismus und Schulen. Wallachische Kirchen. Sonntag. St. Marcustag. Friedhof. Tänze. Begräbnifs eines Kindes. Kleidung der Frauen. Die Kirche Serbiens ist ein Theil der orientalischen oder, wie sie stolz sich selbst nennt, der „orthodoxen Kirche" und steht in einer, wenn auch sehr lockeren Gemeinschaft mit dem Patriarchensitz zu Constantinopel. Vom dreizehnten bis in die Mitte des vorigen Jahrhunderts war die Kirche Serbiens ganz unabhängig von Constantinopel, bis im Jahre 1765 der Patriarch vom Sultan das Recht kaufte, innerhalb des ganzen türkischen Reiches die Bischöfe zu ernennen und in Folge dessen überall Griechen mit den höchsten Kirchenämtem betraute. Erst im Jahre 1830 erhielt mit dem Volke auch die serbische Kirche ihre Selbstständigkeit wieder, nur blieb dem Patriarchen das Recht der Bestätigung der Wahl des Metropoliten gegen eine Abgabe von 300 Ducaten und erweist, letzterer ihm die Ehre, wenn er selbst fungirt, ihn namentlich in das allgemeine Kirchengebet einzuschliefsen. Im Uébrigen ist das Band, welches die übrigen Kirchenfürsten mit dem Cen-tralsitzc von Constantinopel vereinigt, nur das der brüderlichen Liebe und der Ehrfurcht jüngerer Brüder gegen den älteren. Die serbische Kirche wird gegenwärtig von vier Prälaten geleitet, dem Erzbischof Michael von Belgrad, welcher der Metropolit ist, und den drei Surfraganbischöfen Gabriel von Schabatz, Gerassiiu von Negotin und Joanikie von Uschitza, von denen der letzte seinen Sitz in Karano-vatz hat. Wenn in irgend einem dieser Bisthümer eine Vacai iz eintritt, ernennen die Bischöfe zunächst einen Administrator des offenen Bisthums und schreiten nachher zu der Wahl, welche dem Fürsten zur Bestätigung, dem Patriarchen in Constantinopel zur Kenntnil'snahme niitgetlieilr wird. Gewöhnlich, aber nicht immer, fallt die Wahl zum Metropolitensitze auf einen der SiiftY.agaubischöfe. Das Gehalt jedes dieser drei Suffraganstühle beträgt 1000 Ducateli, das des Erzbischofs das Doppelte und wird direct von der Regierung bezahlt, als Ersatz für den cinsi igen Grundbesitz ihrer Bisthümer, welcher in den Zeiten der türkischen Herrschaft confiscirt wurde. Das Einkommen der Göli Weltgeistlioben besteht tfceilweise in den Gebühren und Opfern bei Taufen, Trauungen, Begräbnissen, Einsegnung von Wöchnerinneu und außerordentlichen Messen, z. B. für die Sicherheit eines Reisenden, für die Genesung eines Kranken oder das Seelenheil eines Todten, theils in der Besteuerung einer jeden Person in der Parochie 7 mit 12 Occa Mais. Aufserdom haben wenigstens einige Kirchen oft ziemlich ausgedehnte und schon sehr werthvolle Grundstücke, deren Werth immer mehr steigen wird, je mehr Aufmerksamkeit auf den Ackerbau verwandt wird. Die Klostergeistlichen (12G in 43 Klöstern) haben aufser ihren besonderen Pflichten auch die Fürsorge für die Parodile, die oft in beträchtlicher Ausdehnung rings um die Mauern der betreffenden Klöster liegt, und deshalb denselben Anspruch auf Unterhalt, wie ihre übrigen geistlichen Brüder. Jede Diöcese zerfällt nach der staatlichen Eintheilung der 17 Kreise in drei bis sechs Protoprcsbytcriate, deren Erzpriestcr mit einem Archidiaconus für die ganze Diöcese die Assistenten des Bischofs bilden. Jedes Jahr besucht der Bischof die Kirchen eines dieser Bezirke, so dafs die Visitation der ganzen Bezirke in drei bis sechs Jahren geschieht. Ihre Bildung empfangen die Weltgcist-lichcn auf dem Priesterseminare zu Belgrad, dessen Zöglinge vorher dio vierte Classe des Gymnasiums (Unserer Tertia entsprechend) absolvirt haben müssen. In dem vierjährigen Cursus wird Exegese, biblische und allgemeine Geographie, Kirchen- und allgemeine Geschichte, Dogmatik, Polemik und Ethik, Homiletik, Liturgik, Pastura I-theologie und canonisches Kecht, Altslavisch und Kussisch, Physik, Logik, Psychologie, Rhetorik und Pädagogik, Gesang, Rechnen, Pastoral-Medicia und Oekonomie getrieben. Die Geistlichen, die ich in Serbien traf, schienen mir sehr geachtet zu sein. Ihr eheliches Leben mitten unter ihren Hcerden giebt ihnen bedeutenden Ein flu ('s auf das ganze sociale Leben der Parochie ; sie vermischen sich, trotz ihrer charakteristischen Kleidung (eng an-sehliefsender, bis zu den Füfsen reichender Leibrock, ebenso langer Uebcrrock und hoher Hut ohne Krempen), frei mit dem Volk und sind in keiner Weise eine von ihnen abgesonderte Kaste. Die niedere Klostergcistlichkcit steht ihren weltlichen Amtsbrüdern in der Bildung nach, besondere weil sie noch mehr als diese sich mit Ackerbau beschäftigen müssen, um das Leben zu fristen. So wenig die Klöster demnach Bildungsstätten sind, so wenig sind milde Anstalten irgend welcher Art damit verbunden. Wahrscheinlich macht gerade diese niedrige Stellung das Klosterlcben in Serbien unpopulär, so dafs man schon hie und da an die Aufhebung der Mönchsorden gedacht hat. Einige Klostergeistliche, die eine höhen; Ausbildung empfangen haben, sind als theologische Professoren am Seminar zu Belgrad angestellt und versehen Serbien mit seinen gelehrteren Bischöfen* Der gegenwärtige Erzbischof erhielt seine Bildung in einem russischen Kloster und der Bischof von Schabatz, wohl der gelehrteste der serbischen Bischöfe, welcher viele Jahre hindurch Professor der Theologie in Belgrad war, in Oesterreich. Da die Klöster in ganz Serbien in der türkischen Periode gröfstentheils zerstört wurden, so sind keine Bibliotheken, noch sonstige Antiquitäten innerhalb ihrer Mauern erhalten, welche den Forscher zu diesen Zufluchtsorten hinziehen. Alle Schätze, welche sie in ihrer Blüthezeit besessen haben mögen, sind längst zerstreut. Die Kirchen würden höchst wahrscheinlich dasselbe Schicksal wie die übrigen Klostcrgebäude gehabt haben, wenn nicht ihre Brauchbarkeit als Ställe, und die Lust, mit welcher der muhamedanische Hais gegen das Christenthum diese geheiligten Cebäude in dieser Weise entweihte, sie geschützt hätte. Doch sind in diesen Kirchen die Köpfe der Heiligen, besonders das Antlitz des Heilandes in den Frescogomälden durchgehends so von Kugeln zerschossen, dafs man sieht, wie sie von den türkischen Soldaten als gewöhnliehe Zielscheibe gebraucht wurden. Während die Klostergeistlichkeit unverheirathet und in Gemeinschaften lebt, mufs nach der-Kegel der ganzen orientalischen Kirche dei' Pfarrgeistlichc verheirathet sein und kann nicht einmal die Weihe zum Diacon vor dem Eintritt in den Ehestand empfangen. Doch ist die zweite Elie nicht gestattet und steht es nach dem Tode der Frau dem Wittwer frei, ob er in seinem Pfarramt bleiben oder sich in ein Kloster zurückziehen will. Durch Dispens vom Bischof ist es sogar möglich, die Erlaubnis zur Wieder-verheirathnng zu erlangen, doch mufs der Geistliehe in diesem Falle vorher seine Pfarre und das Recht, geistliche Functionen auszuüben, aufgeben, behält aber seine Würde als Priester und wird mit den seinem Stande; zukommenden Ehren begraben. Ucbrigens ist schon die Frage, den Pfarrgeistlichen, welche ihre Frau verloren haben, überhaupt die Eingehung einer zweiten Ehe zu gestatten, in der serbischen Kirche angeregt worden', doch könnte die Erledigung derselben ohne Gefahr eines Schismas nur durch ein allgemeines Concil geschehen. Da die Bischöfe aus der unverheirathcten Geistlichkeit hervorgehen, so haben sie aufser den verhältnifsmäfsig seltenen Beispielen, in welchen die Wahl zufällig auf einen Wittwer fällt, nicht eine eigne Erfahrung in Leitung einer Parochie und es ist deshalb schwer oinzusehn, wie sie namentlich in den zarten und schwierigen Ehefragen, welche ein Priester dem Bischof zu unterbreiten wünscht, die Rathgeber des unter ihrer Leitung stehenden Clonts sein können. In der ganzen orientalischen Kirche wird auf Verbreitung religiöser Erkenntnifs durch die Predigt sehr wenig Werth gelegt, so dafs man in den serbischen Kirchen selten — von den 30 bis 40 Kirchen, welche ich in Serbien besuchte, nur in einer, der Cathedrale von Belgrad — eine Kanzel trifft. Nur die Bischöfe (der von Schabatz ist ein ausgezeichneter Kanzelredner) und Archimandriten halten häufiger kurze Ansprachen an das Volk. Abgesehen von den Vorlesungen aus den gottesdienstlichen Büchern und dem Ceremoniel der orientalischen Kirche, welches reich ist an anerkannten Symbolen, welche als Mittel der Belehrung dem orientalischen Gemüthe angemessen sind, begnügt man sich mit dem religiösen Unterricht in den Schulen, in welchen zu diesem Zwecke ein einfacher aber sorgfältiger Katechismus der christlichen Lehre eingeführt ist und glaubt dieses um so eher thun zu dürfen, als die meisten Lehrer aus dem theologischen Seminar hervorgehen. Desto merkwürdiger ist es freilich.» dafs dio Kirche als solche gar keine Beziehung zur Schule hat und die Beaufsichtigung derselben lediglich dem Cultus-ministerium übertragen ist, welches jedes Jahr zwei Revisoren zur Abhaltung einer Prüfung in sämmtliche Schulen absendet. y Was den Gottesdienst in der Kirche betrifft, so f wird in allen serbischen Kirchen die altslavische Sprache gebraucht, d. h. die alte Schriftsprache der Bulgaren und Serben, die von Rufsland adoptirt wurde und von dort rus-sificirt zurückkehrte. Wiewohl sie jetzt eine todte Sprache ist und nur zu kirchlichen Zwecken gebraucht wird, so hat sie doch trotz der Wandelungen, welche die Länge der Zeit und Rufsland an ihr vorgenommen haben, eine so nahe Verwandtschaft mit dem modernen Serbisch und den andern südslavischen Sprachen, dafs ein grofser Theil des Volkes im Stande ist, mit Verständnifs in die Hymnen *) und Ge- *) Fjü ist eine Eigentümlichkeit der serbischen Nation, dafs sie ohne irgend welche geschriebene Noten lediglich durch Tradition aus den ältesten Zeiten, ebenso wie die Volksmelodieen, auch die zum Theil sehr schönen kirchlichen Töne bewahrt hat, so dafs noch heutzutage in Montenegro und im Banat derselbe Kirchengesang ertönt, wie in Serbien selbst. Erst in der neuesten Zeit hat ein in Wien gründlich musikalisch gebildeter Serbe, Cornelius Stankovits, es unternommen, unter grofsen Mühen und Opfern, aas dem Munde des Volkes und Clcrus die weltlichen und kirchlichen Weisen auf Noten zu setzen und in vierstimmige Ifarmonieen zu bringen. Seiner unermüdlichen Thätigkeit ist es zu verdanken, dafs nicht blos in dem theologischen Seminar, sondern auch in den übrigen höheren Schulen systematischer Gesangunterricht ertheilt wird, so dafs hoffentlich in wenigen Jahren in allen Kirchen Serbiens die schönen nationalen Kirchenhymnen in volltönender Harmonie gehört werden können. bete der Liturgie des heiligen Chrysostomus*) einzustimmen, zumal da in allen Volksschulen der Unterricht in der *) Den deutschen Lesern, welche für kirchliche Dinge Interesse haben, ist kürzlich durch ein werthvolles Werk (Michael Rajewsky, Euchologium der orthodox - katholischen Kirche, 2 Theile, Wien 1861) Gelegenheit geboten, die so reiche unübertroffene Liturgie des heiligen Chrysostomus kennen zu lernen, doch ist es vielleicht denen, welchen .jenes umfangreiche Buch nicht zur Hand ist, willkommen, wenn der Herausgeber in aller Kürze den Gang der durch Wort und Symbol wahrhaft erbaulichen, — wenngleich durch ihre Länge ermüdenden (im Rajewsky nimmt das Formular für den gewöhnlichen Hauptgottesdienst 100 Seiten gr. 8. ein, woraus die in der orientalischen Kirche so sehr zu beklagende Eile nur gar zu erklärlich wird) — Gottesdienste der altchrwürdigen Kirche skizzirt, wobei freilich die von der evangelischen Kirche verworfene Anrufung der Heiligen und die Transsubstantiatiou mit in Kauf genommen werden mufs. Wenn der Priester mit dem Diakon nüchtern in die Kirche eingetreten ist, verbeugen sie sich unter Sündenbekcnntnifs, Bitten um Einwohnung des heiligen Geistes und Doxologien vor den heiligen Thüren, treten mit Ps. 5, 8 — 13 durch die Seitenthür in das Heilige, küssen Altar und Evangelium und kleiden sich unter feierlicher Re-citation von Jes. 61, 10 und ähnlicher Schriftstellen an, waschen sich die Hände (Ps. 26 , 6-12) und gehen zu dem Rüsttische. Dort nimmt der Priester die Prosphora, ein rundes Biod, mit dem Stempel I.H.C. X. C. N.H. K.A. (Iqaoìjs XQKfjòg viy.ee in slavischen Buchstaben) in seine linke Hand und macht mit dem heiligen Speere das Zeichen des Kreuzes dreimal über dem Siegel des Brodes mit den Worten : „zum Gedächt- Kirchonsprache in den Lehrplan aufgenommen ist. Neuerdings hat indefs der Bischof von Schabatz, welchem die nissc unseres Herrn und Gottes und Heilandes Jesu ('liristi." Daun löst er unter feierlicher Recitation von Jes. 53, 7. 8 das Siegel rechts, links, oben und unten aus der Prosphora, legt es auf den Discos und sticht in die rechte Seite hinein, während der Diacon Wein und Wasser zusammen in den Kelch giefst (Joh. 19,34). Dann nimmt der Priester die zweite Prosphora, sticht ein kleines dreieckiges Stück heraus und legt es zur Linken des Siegels „zu Ehren und zum Gedächtnisse der Jungfrau Maria." Zur Rechten legt er aus der dritten Prosphora zehn solcher Stückchen zum Andenken an die übrigen Heiligen, unter das Siegel aber noch mehrere Theilchen, welche dem Episcopate, den Stiftern der Kirche, allen rechtgläubigen Lebenden und Todten und endlich dem Celebranten selbst geweiht sind. Dann wird geräuchert,. der Astericus über den Discos gestellt, über diesen und den Kelch mit Ps. 93 kleinere Decken, über beide Elemente eine gröfsere (Aör) gebreitet und von dem Priester das Gebet der Darbringung gesprochen, während der Diacon, Ps. 50 recitiivnd, in dem Altarraumo und der ganzen Kirche räuchert. Jetzt erst wird der Vorhang vor den heiligen Thören weggezogen und der Diacon beginnt vor der noch immer verschlossenen Gitterthür im Schiff stehend, das Orarion in die Höhe haltend, die eigentliche Liturgie mit einer grofsen und zwei kleineren Ektenien, d. Ii. turbiti engebeten für die kirchlichen, staatlichen und häuslichen Lebensbedürfnisse, welche das Volk begleitet mit, den Worten: „Herr erbarme Dich (Gospodi pomihvj)" und der Chor dreimal antiplio-niseh unterbricht mit dem Gesänge von Ps. 103 oder 91, 155 oder 92, Matth. 5, 8—11 oder Ps. Ol, während der Priester am Altare leise für sich andere vorgeschriebene Gebete spricht. Darauf giebt der Priester dem Diacon das Evangelium und geht nach ihm rechts um den heiligen Tisch zur nördlichen Tliiire hinaus bei vorangetra-genen brennenden Kerzen (Introitus). Nach Gebet und Verbeugung wird das Evangelium dem Volke gezeigt und unter dem Gesänge von HaQehgah wieder auf den Altar gelegt. Ein Lobgesang (Troparion) und das von dem Priester mit Gebet begleitete Trisagion (Heilig, Heilig, Heilig) bereiten auf Epistel und Evangelium vor, welche der religiöse Bildung des Volkes warm am Herzen liegt, angefangen, dem Volke das vorher vom Diacon in der alten Diakon vom Ambon herab vorliest, während der Priester, welcher ihn vorher dazu gesegnet hat, auf dem Throne Gottes hinter dem Altare Platz nimmt. Daun werden die Thülen wieder geschlossen und in der Kirche von dem Diakon laut neue Fürbitten gesprochen für Lebendige und Todte, während der Priester innerhalb des Altars gleichzeitig entsprechende Gebete hält. Nach einem Gebete für die Katechumenen werden diese entlassen, um die Liturgie der Gläubigen zu beginnen. Narli einleitenden Gebeten singt der Chor den cherubinischen Lobgesang, der Diakon räuchert zum zweiten Mal im Altar und in der ganzen Kirche, spricht Ps. 50 und andere Bufslieder und geht, vom Priester gefolgt, zu dem Rüsttisch. Dort legt der Priester den Diskos auf das Haupt des Diakons, nimmt selbst den Kelch in die Hand und geht mit vorangetragenen Lichtern unter lautem Gebet in der ganzen Kirche umher. Dabei wird wieder des Fürsten, Metropoliten und aller rechtgläubigen Christen gedacht und der cherubinische Lobgesaug zu Ende gesungen. Die heiligen Geräthe werden nun wieder auf den Altar gestellt unter Lobpreisung des Grabes Christi. Mit Ps. 51, 20. 21 wird die Thür wieder geschlossen. Während der Diakon nun die Bitt-Ektenie spricht, singt das Volk wieder „Herr, erbarme Dich und Herr gewähre (Gospodi pomiluj, podaj Gospodi)" und der Priester liest leise das Opfergebet. Dann küfst der Priester (und Diakon) das Heiligste und die übrigen anwesenden Priester auf die Schulter mit dem Bekonntnils: lasset uns unter einander lieben, damit wir einmüthig bekennen: „Christus ist mitten unter uns." Bei geöffnetem Vorhaug hält nun der Priester das Aör „webend" (2 Mos. 29, 24) aber die heiligen Gaben, indem er mit dem Volke das nieäuische Glaubens-bekenntuils spricht. Apostolischer Grufo, Dankgebet und Siegeslied (Heilig, Heilig u. s. w.) gehen den EiusetzungsWorten voran, worauf der Diakon die Elemente kreuzweis in die Höhe hebt und mit dem Priester Ps. 51, 12. Iii betet, letzterer aber die eigentliche Wandelung vornimmt mit den Worten: „mache dieses Brod zum theuer werthen Leibe Deines Christus, und was in diesem Kelche ist zum theuer werthen Blute Deines Christus, sie verwan- Sprache gelesene Evangelium und die Epistel in der modernen Mundart zu wiederholen und kurz zu erklären. delnd durch Deinen heiligen Geist, anf dafs sie den Theilnehmern zur Nüchternheit der Seele, zur Vergebung der Sünden, zur Gemeinschaft Deines heiligen Geistes, zur Fülle des Himmelreiches, zum Vertrauen auf Dich, nicht aber zum Gericht oder zur Verdammnis gereichen." Dann wird dieser „vernünftige Dienst" dargebracht für die im Glauben Entschlafenen, namentlich für die Gottesgebärerin und für den Clerus, die Kirche, den Fürsten, die Stadt und für alle lebenden Menschen. Daran schliefst der Diakon abermals ein Gebet um Vergebung der Sünden und ein seliges Ende, welches der Chor mit „Herr erbarme Dich' und „Herr gewähre" begleitet und Priester und Volk mit dem „Vater unser" schlicfscn. Nach dem Dankgebete hebt der Priester das heilige Rrod auf mit den Worten: „Das Heilige den Heiligen" und bricht unter Absingung von Communionliedcrn das Brod in vier Stücke, die er kreuzweis auf den Diskos legt. Der Theil „Jesus" wird in den Kelch gelegt, der Theil „Christus" unter die Priester und Diakonen vertheilt und die zwei übrigen Theile Ni-xu in so viele kleinere Theilchen zerlegt, dafs sie für das Volk ausreichen. Nun giefst der Diakon kreuzweise warmes Wasser (Wärme) in den schon bei der Proskomidia mit Wein (Blut) gefüllten Kelch, worauf der Priester ihm zuerst das Sacrament reicht mit den Worten: „dem Diakon N.N. wird gegeben der theuerwerthe Leib unseres Herrn und Gottes und Heilandes Jesu Christi zur Vergebung seiner Sünden und zum ewigen Leben." In analoger Weise commu-nicirt dann der Priester sich selbst mit Brod und Kelch, reicht letzteren dann dem Diakon, wischt mit der Decke, die er in seiner Hand hält, seine Lippen und den Rand des heiligen Kelches und küfst denselben. Sind Communicanten aus der Gemeinde da, so legt der Priester die in viele kleine Stückchen zerlegten Theile Ni-xa in den Kelch und giebt ihn dem Diakon. Dieser hält ihn in der geöffneten Thür in die Höhe, zeigt ihn dem Volke und spricht: „nähert euch in Gottesfurcht und Glauben." Dann giebt der Priester jedem Communicanten mit den vorhin angeführten Worten mittelst eines Löffels Brod und Wein zugleich. Nach ertheiltem Segen werden die Elemente wieder unter mancherlei Lobpreisungen zuerst Zerstreut im Innern von Serbien, besonders im Kordosten, giebt es indefs eine grofse Anzahl wallachischer Bauern und Arbeiter, die ihre besonderen Kirchen und Pfarrgeistlichen haben, welche die Liturgie des Orients in wallachischer Uebersetzung gebrauchen, aber unter Leitung der Landesbischöfe stehen und sich sonst in keiner Beziehung von den übrigen Kirchen Serbiens unterscheiden. Freilich entsteht aus dieser Theilung der aus Walachen und Serben zusammengesetzten Gemeinden eine praktische Inconvenienz. Das kleine Dorf, welches sonst nur eine Kirche erfordern würde und oft gänzlich aufser Stande ist, mehr als eine mit ihrem Priester zu erhalten, ist ge-nöthigt, die Subsistenzmittel — es ist kaum mehr als dies — zwischen zwei Priestern zu theilen und zwei elende Kirchen zu erhalten. Diese Inconvenienz hat ihren Grund in der Unähnlichkeit der beiden Sprachen, da die wallachi- auf den Altar und dann auf den Itüsttisch zurückgebracht. Wahrend dann der Priester das Antimins zusammenlegt, spricht der Diakon das Dankgebet für das empfangene Sacrament, der Priester betet noch einmal hinter dem Ambon ein Gebet für Kirche und Staat und theilt dann, während der Diakon am Rüsttische den Rest von den heiligen Gaben geniefst und der Vorleser Ps. 33 Verliest, dem Volko die Anaphora, d. h. die Stückchen dos nach Hcrausstechung des Siegels übrig gebliebenen Brodes aus, wodurch an die altchristlichen Agapen erinnert werden soll. Dann giebt er den Entlassungssegen, reicht dem Volke das heilige Kreuz zum Kufs, kehrt in den Altar zurück, entkleidet sich unter dem Ablesen von Communiongobeten und schliefst mit Luc. 2, 29 — 32. Zum Schlüsse wird noch Johannes Chrysostomus, „ der durch die Liturgie Göttliches geoffenbart hat ", gelobt, die Jungfrau Maria um ihre Fürbitte gebeten und die Hände gewaschen. sehe Sprache, wenn sie auch wohl einzelne Wurzeln aus dem Slavischen aufgenommen hat, docli eine romanische ist, und als solche ebenso wenig Verwandtschaft mit dem Slavischen hat, wie etwa das Französische mit dem Deutschen. Lange Jahre hindurch waren die Kirchen Serbiens in Betreff der nöthigen gottesdieustlichen Bücher, welche in der orientalischen Kirche zahlreich und von beträchtlichem Umfange sind, auf KuIsland angewiesen und die meisten der gegenwärtig in Gebrauch befindlichen wurden in der kaiserlichen Presse zu Moskau gedruckt, Im Jahre 1834 wurde indefs besonders zu diesem Zwecke in Kragujevatz eine Staatstypographie errichtet, welche mit der Residenz des Pürsten später nach Belgrad verlegt wurde. Diese und zwei kleinere Privatdruckereien versahen Serbien in ausreichender Weise mit den für Kirche*), Schule, Staat *) Vollständig»'. Bibeln oxistiren nur in der altslavisch.cn Ueber-setzung, die wenigstens im Neuen Testament sieb wörtlich oft scla-visch an den Urtext anschlichst, befinden sich aber selten im Privatbesitz selbst der Geistlichen, weil sie abgesehen von der dem jetzigen Serben hinderlichen Fremdartigkeit der Sprache den hohen Preis von vier Dukaten haben. Dagegen hat schon vor zwanzig Jahren der kürzlich gestorbene Reformator der serbischen Sprache und Vater der serbischen Litteratur, der zuerst auf den Reichthum der nationalen Poesie hinwies und eine umfassende Sammlung der alten Volkslieder veranstaltete, Vuk Stephanovits Karatschis, sich der dankens-wertbeu Arbeit unterzogen, das Neue Testament in die jetzige Sprache zu übertragen und das Kigenthumsrecht der englischen Bibelgesellschaft abgetreten, welche dasselbe früher im Privatwege zu dem in dieser Gesellschaft üblichen überaus billigen Preise verbreitete, vor einem Jahre aber einen öffentlichen Laden im besten Theile der und Wissenschaft nöthigen Büchern und Zeitungen, die in ihrer äufseren Ausstattung an Papier und Druck denen des Occidents in keiner Weise nachstehen, Im Ganzen genommen und wenn man Rücksicht nimmt auf die lange Verfolgung der Kirche in Serbien, ist der Zustand der Priester anerkennenswerth und ihr Einflufs auf die Bevölkerung erfreulich. Meine eigenen Eindrücke beStadt errichtete und nun einen Colporteur im ganzen Lande zu greiserer Förderung der Sache umhersendet. Wie sehr es auch anzuerkennen ist, dafs der Ph'zbischof selbst erklärte, dafs es den, Traditionen der orientalischen Kirche nicht geniäfs sei, die Bibel dem Volke vorzuenthalten, der Bischof von Schabatz sogar viel zur Förderung der Sache that und die Regierung die Ueberzeugung aussprach, dafs die Bekanntschaft mit der Heiligen Schrift nur wohltätig auf den socialen und intellectuellen Zustand, des Volkes wirken könne, so sehr ist es zu beklagen, dafs Viele diese Uebersetzung mit Mifstraucn ansehen, weil sie ihre Verbreitung als Partheisache betrachten. Die von Vuk ins Leben gerufene Sprach- und Schreibweise ist nämlich keinesweges allgemein anerkannt, sondern hat kräftige und erbitterte Gegner, welche unter der früheren Regierung es sogar durchzusetzen wufsten, dafs der Verkauf aller nach diesen Grundsätzen abgefaßten Bücher streng verboten wurde. Es ist defs-halb schon wiederholt die Frage angeregt worden, ob es nicht zweck-mäfsig sei, neben dieser noch eine, andere Uebersetzung — etwa die des gelehrten und sehr populären Bischofs Plato von Neusatz - zu verbreiten und sogar eine billige Ausgabe der kirchlich reeipirten altslawischen Bibel zu veranstalten, um dadurch den deutlichsten Beweis zu liefern, dafs es sich hier nicht um eine litterarische oder confessionelle Partheisache, handle, sondern lediglich um die Verbreitung des allen Völkern und Confcssionen gemeinsamen Wortes Gottes. Uebrigens hat der gelehrte Dr. Danitschits, welcher von jeher ein treuer Mitarbeiter Vuks war und jetzt, wohl einer der gröfsten Kenner der serbischen Sprache ist, kürzlich der englischen Bibelgesellschaft eine Psalmen-Uebersetzung geliefert. «tätigen die Meinung eines Mannes, welcher nach einem Ueberblick über die ganze orthodoxe Kirche seine Ucber-zeugung in diese gewichtigen Worte zusammen fafst: „Ja, wir können bei aller unserer Energie und unserem Leben etwas lernen von dem in anderer Beziehung nicht zu vergleichenden Zustande von ganzen Nationen und liacen von Menschen, die durchdrungen sind von religiösem Gefühl, welches augenscheinlieh ihr Gemfith beherrscht, selbst wenn es ihm nicht gelingt, auf ihr Betragen einen Kinflufs auszuüben, welches, wenn es auch nur wenige Männer hervorgebracht hat, die wir Heilige oder Philosophen nennen könnten, doeli durch Jahrhunderte der Unterdrückung ganze Armeen von Bekennern und Märtyrern ins Lehen rief. Wir können etwas lernen von dem Blick auf die ruhige Festigkeit, welche sich gründet auf die „Gelassenheit und Zuversicht" eines Schatzes angeerbten Glaubens, dessen Besitzer sich damit begütigt, ihn selbst werth zu halten, ohne seine Annahme Anderen aufzudringen. Wir können etwas lernen von dem Blick auf Kirchen, in denen die Religion nicht der Fliege von Weibern und Kindern überlassen ist, sondern als das Recht und Privilegium der Manner gefordert wird, in denen die Kirche nicht so sehr auf der Macht und dem Kinfhil's ihres Khans ruht, als auf der unabhängigen Er-kenntnifs und dem männlichen Eifer ihrer Laien."*) Der Sonntag wird in Belgrad besser als in irgend einer Stadt beobachtet, die ich auf dem Continent besuchte. Kr wird ohne Alfectatioti eines mürrischen Wesens wirklich als ein Tag der Ruhe und des offen! *) Stanley** Vorlesungen über die orientalische Kirche, Vorl. 1. liehen Gottesdienstes gehalten. Aufser der Abhaltung des Gemüsemarktes am frühen Morgen ist aller Vorkehr an diesem Tage aufgehoben, so dafs der Reisende dadurch oft in die peinlichste Verlegenheit kommen kann. Morgens sind die Kirchen gut gefüllt und Nachmittags macht Jeder stille Besuche bei Freunden oder Verwandten oder geht aufs Land, besonders nach den schönen Grunden des fiiisiliclien Sommerpalais in Topschider in der Nähe der lieblichen und sabbathlichen Save oder zu dem benachbarten Kloster h'akoviza, welches mitten in einer sehr Schönen Landschaft gelegen ist. Namentlich an den Kireh-weihfosten strömen zu diesem und anderen Klöstern von nah und fern wohl an 10,000 Menschen zusammen in ihren schönen malerischen Nationaltrachten und bilden fröhliche Gruppen um die am Spiefse gebratenen Lämmer, oder lauschen dem Guslar*), dem serbischen Barden oder Rhapsoden, welcher unter einem Baume sitzend zu seinem einseitigen Instrumente die alten Heldenlieder singt, oder tanzen in grofsen Kreisen dem Schall des Dudelsacks oder der ({eigen, Tambourine und Trommeln der Zigeuner folgend den Kolo. Zwei Tage nach dem St. Georgsfest bietet das des heiligen Markus Gelegenheit, solches Volksfest in Belgrad seihst zu beobachten. Markus ist nämlich der Patron der Kirche in der Vorstadt Pallilula, deren ländliche Bevölkerung ihr Kirchweihfest in fröhlichster Weise mit .Musik und *) S. das Titelbild. Tanz begehen in merkwürdigem Contraste zu dem um die * Kirche herumliegenden Friedhofe, dem allgemeinen Be-gräbnifsplatze aller christlichen Bewohner Belgrads, zu welchem Ritus sie auch gehören. Derselbe liegt zum Theil über einem Steinbruch, welcher grofse Quantitäten des Baumaterials für die Häuser der Stadt liefert, und über einer sehr malerischen riesigen kuppeiförmigen Höhle, die in alten Zeiten wohl demselben Zwecke diente, und deren Boden so reich an Salpeter ist, dafs man mit bedeutendem Erfolge denselben in der Höhle selbst absiedet. Die meisten Friedhöfe in Serbien und unter der serbischen Bevölkerung Slavoniens liegen entweder auf der Spitze oder an den Anhängen von Hügeln. Die ungesunde Niederung von Semlin, in der die Lebenden sterben müssen, und die gesunde Höhe, welche zum Begräbnifs der Todten gewählt ist, ist Reisenden schon öfer aufgefallen. Auch der St. Markus-Kirchhof liegt hoch und ist del'shalb, abgesehen von dem Pavillion auf dem Dache der neuen Akademie, einer der besten Punkte, um Belgrad zu übersehen. Von dort überblickt das Auge die Strafen Belgrads mit den dazwischen liegenden grünen Gartengrün den, einen grofsen Theil des umliegenden Landes, die beiden Flüsse, wie sie sich an beiden Seiten der Stadt hinziehen und hinter ihnen die Niederung des Ungarlandes. Nahe bei dem fangang zum Friedhof steht die St. Markuskapellc, in welcher sich das Grab des Fürsten Milen, des älteren Sohnes Müoschs und des Bruders des jetzt regierenden Fürsten von Serbien befindet, der nomine! eine kurze Zeit nach der Abdankung seines Vaters regierte. — Der Glockenthurm vor der Kirche, welcher von dem übrigen Theile des Baues abgesondert ist, besteht aus gewöhnlichen Balken. An der anderen Seite befindet sich ein Saal, in welchem nicht blos die Leidtragenden sich zu den üblichen Trauermahlzeiten versammeln, sondern auch am Kirchweihfeste die Gäste auf Kosten der Kirche bewirthet werden, wofür diese dann ein Opfer auf einen bereitstehenden Teller legen. Der Friedhof ist schlecht gehalten, verwildert und schmutzig, und der magere Boden verhindert das Wachsthum von Sträuchern, welche ihm sonst ein weniger wüstes Ansehen geben würden. Der grofse Kegenmangel in und um Belgrad, welcher im Sommer meistens alle Brunnen und Cisternen (Tschesma) versiegen läfst, so dafs die Einwohner jeden Tropfen Wasser von dem Sakkatschia, der in einem Fasse auf zweiräderigem Wagen dasselbe aus der Save oder Donau holt, kaufen müssen (in einer mäfsi-gen Wirthschaft täglich für 20 — 30 Kreuzer) — macht es sehr schwer, Bäume von einer gewissen Grofse zu pflanzen, aufser in den niedrigeren Theilen der Stadt. Auch die schönen rothen Kastanien auf der fürstlichen Hauptstrafse (Terasia) kommen nur sehr schwer fort, was im Interesse der Verschönerung der Stadt und der Annehmlichkeit der Fufsgänger bei der grofsen Hitze sehr zu beklagen ist. Am St. Marcustage ist der Basen vor dem Friedhofe von einer ähnlichen Menschenmenge belebt, wie sie bei uns durch den Reiz eines ländlichen Festes herbeigezogen 8 wird, und der grofse Marcusplatz, welcher zwischen der Battaldjamia*) und dem Thore des Friedhofes liegt, besetzt mit einer Reihe von leinenen Z«(iten, in welchen Wein, Milch, Bier aus den drei Brauereien Belgrads oder aus Pancsowa, Wasser, Kuchen und Pfefferkuchen verkauft werden und wo verlockende Lotterien, in denen der Einsatz einen Piaster beträgt und der mögliche Gewinn aus Pfeffernüssen besteht, fortwährend von jugendlichen Spielern umringt sind. Aus dem Innern der Zelte hörte man das Geschrei von heiteren, aber nicht betrunkenen Bauern, Kaufleuten und Soldaten, und die Stimmen von Zigeunermusikanten, welche die Nationalgesänge mit Begleitung der Geige und des Tambour ins nach den wenigen serbischen Melodieen sangen. Die menschliche Natur ist wohl in den meisten Theilen der Welt dieselbe und, wenn nicht die verschiedene Tracht und das Pehlen von Taschendieben und Trunkenbohlen mich eines besseren belehrt hätte, hätte ich glauben können, mich auf einem wohlgeleitetcn Feste in der Heimath zu befinden. Diejenigen, welche nicht unter der Leinwand und dem Laubwerk der Zelte Schutz vor der glühenden Sonne gesucht hatten, lagerten sich auf dein Gras im Schatten der Bäume oder tanzten — einander nicht an der Hand, sondern am Gürtel festhaltend und einen grofsen Kreis (Kolo) bildend — mit solcher Lebhaftigkeit, dafs der Schweifs von ihren Gesichtern und Hälsen herabströmte. Ungefähr *) Siebe S. 62. vierzig der tanzenden Frauen, Bäuerinnen aus der Nachbarschaft, hatten als Kopfputz eine Art Schleier, welcher den Kücken hinab bis* «ir Taille reichte und ganz aus silbernen und einigen goldenen in die Zöpfe hincingeftoch-tenen Münzen bestand. Das Ganze glich einem Hehn und dem Halsstück eines Kettenpanzers. Ueber dem Kopfputz trugen sie noch einen Kranz von Hosen. Diese Münzen, welche oft aus den Zeiten der Griechen, Römer oder des alten Serbenreiches stammen, so dafs sie manchem Numismatiker eine willkommene Ausbeute gewähren würden, mögen einen Werth von mehr als 800 Gulden erreichen. Wie grofs indefs das Gewicht war, konnte man aus den Gesichtern der Frauen schliefsen, welche weit röther waren als die Rosen ihres Kranzes und aus den herabfiiefsenden Schweifsströmen. Es spricht sehr für die Ehrlichkeit der Besucher des Festes, dafs diese Menge beweglichen Reichthums so offen zur Schau getragen werden darf, während in den Strafsen unserer grofsen Städte die rechtmäfsige Eigentümerin wohl sehr bald in die Gefahr kommen würde, ihre Zöpfe zu verlieren. — Aufser diesem Kopfputz hatten manche Frauen noch Arm- und Halsbänder von schweren Gold- oder Silbermünzen. Diese aufgehäuften kostbaren Schmucksachen werden von ihnen bei allen Gelegenheiten getragen, welche nur irgendwie ihre Zurschaustellung zulassen. Mitten in diesem Jubel wurde ich indefs daran erinnert, dafs ich auf dem Friedhof stand. Während ich auf die Menge blickte, ward meine Aufmerksamkeit ab- gezogen durch das durchdringende Geheul*) einer Frau, die nur wonige Schritte von mir entfernt stand. Als ich hinging, fand ich den Todteugräber damit beschäftigt, ein Kindergrab zu machen, während die arme dabeistehende Mutter darauf wartete, dafs die Leiche gebracht würde. In wenigen Augenblicken kam die Leichenproecssion, zwei Priester und einen Diakon an der Spitze, durch den Friedhof zum Grabe. Nach ein oder zwei kurzen Gebeten — das Ganze dauerte nicht drei Minuten, wiewohl es durch den Schrei und das Schluchzen der armen Mutter unterbrochen ward — wurde von den Verwandten nach einer schönen und rührenden Gewohnheit, die von den Christen in der ganzen europäischen Türkei beobachtet wird, dem leblosen Körper im ") Die Klagegesänge der serbischen Frauen mit ihrem steten Refrain] „kttku mene" (wehe mir) erinnern lebhaft an das, was uns im alten Testamente von den Todtenklagen berichtet wird. Diese Klagegesänge linden nicht nur bei dem begräbnifs statt, sondern auch am ersten Sonnabend mich demselben, dann wieder nach sechs Monaten und endlich nach einem Jahre, an welchen Terminen auch das Parastos (Todtenmesse) wiederholt wird. An diesen Tagen versammeln sich alle Familienmitglieder und Freunde zunächst mit brennenden Kerzen in der Kirche, ziehen dann zu den Gräbern der Ihrigen, theilen gleichsam dem Teilten alle frohen und trüben Erlebnisse der Familie mit, legen zu Ehren des Todten in ein zu diesem Zwecke auf dem Grabe befindliches Kästchen etwas von Ast eigenthümlichen Speise aus gekochtem Weizen (wohl im Anschlufs an l. Cor. 1.5, 'S7), geniefsen dann selbst Speise und 'trank auf den GrEbern und vertheilen das Uebrigbleibeudo unter die zahlreich am Thore des Friedhofes sich einfindenden Annen. offenen Sarge*) das letzte Lebewohl gesagt und der letzte Kufs der Liebe auf das Antlitz der Leiche gedrückt. Als die Muttor sich bückte, um diesen letzten Liebesdienst zu vollziehen, brach ihr Geschrei und Wehklagen mit solcher Macht hervor, dafs ich es nicht leicht vergessen werde. Linen Augenblick kämpfte sie mit dem Todtengräbcr, um den Körper ihres Kleinen zurückzuhalten; und während die Erde auf den Sarg geschaufelt ward, mufsten die Umstehenden sie mit, Gewalt zurückhalten, und konnten sie nur mit grofser Mühe endlich vom Grabe entfernen. Es war eine überwältigende Scene, die um so entsetzlicher und empörender war, je näher sie in Berührung kam mit der schallenden Fröhlichkeit der Tänzer und den Tönen der Heiterkeit, welche von den Umstehenden herkamen. Oie Bitterkeit des Lebens schien in so nahem Contrast ttüt seinen Brenden doppelt bitter. Diese Festtage bieten indefs nicht nur den Bauern Clne Gelegenheit, ihre verschiedenen Landestrachten zu entfalten, sondern alle Theilnehmer des Festes, zu wel- ) Der Sarg wird im Orient überhaupt wahrend der ganzen beichenprocession ollen getragen, wohl deshalb, damit jeder Vorüher-Bemende sich überzeugen kann, dafs der im Sarge Liegende wirklich °dt sei, was um so nothwendiger scheint, als die Leichen ohne jeden 'etlichen Todtenschein innerhalb vierundzwanzig Stunden begraben werden, so (|afs (jie Verantwortlichkeit eigentlich lediglich auf den Geistlichen fyj^ d(,r je(je Leiche begleiten mufs. Nur dio Consu-late von Preufsen un(i Oesterreich haben vor einigen Jahren die Verordnung getroffen, dafs keiner ihrer Unterthanen ohne solchen Todtenschein begraben werden darf. eher» Stande sie auch gehören mögen, erscheinen in ihren besten Kleidern. Das Costüm der städtischen Frauen Serbiens gehört zu den reizendsten und anmuthigsten aller europäischen Trachten. Wenn Ungarn das Land ist, in welchem die Kunst des Herrenschneiders ihre gröfste Vollendung erreicht zu haben scheint und die Nationaltracht seines Adels das eigentliche Modell feiner Kleidung genannt werden kann, so ist Serbien das Land, von welchem die Putzmacherinnen und Damenschneider anderer Nationen Unterricht in der Anmuth empfangen und die Kunst lernen können, den Kleidern ihrer Kunden etwas Malerisches zu verleihen. So lange eine Reise nach Serbien noch nicht zu den gewöhnlichen Sommer- oder noch besser Frülilings-Erholuugen gehört, müssen unsere Damen damit zufrieden sein, von einer Feder, die nicht gewohnt ist, Frauon-kleider zu beschreiben, zu erfahren, wie ihre Schwestern in Serbien sich zu tragen pflegen. Das Kleid von schwerer Seide oder auch wohl von weifsem Mousseline über einer Krinolino von eben so weitem Umfange, wie sie nur in Wien oder Paris gefunden werden, ist vorn ausgeschnitten, so dafs man das feine Hemd von serbischer Leinewand, d. h. einem streifigen, kreppartigen Baumwollenzeuge, sieht. Ueber diesem Kleide, dessen Acrmel mit einer breiten Silber- oder Gold-Stickerei besetzt sind, wird eine kurze einfarbige Jacke (Libade) von feinem Sammet oder Atlas getragen, welche besetzt ist mit einem feinen Pelzkragen, der fast bis zur Taille hinabläuft und sich dort anschliefst an den breiten Gold- oder Silberbesatz am unteren Ende und um die Aermel. Um die Taille wird eine lauge seidene Schärpe geschlungen, deren Enden vorn oft bis zum Saum des Kleides herabhängen. Die Kopfbedeckung ist der im Orient gewöhnliche rothe Fefs, häufig bedeckt mit schuppenartig übereinander liegenden Ducaten, um welchen das ächte oder falsche Haar in einem breiten Zopf geflochten und über ein farbiges zusammengerolltes Tuch, welches bei den Mädchen fehlt, gelegt wird. Fast alle Frauen tragen schwere goldene Ohrringe. — Diese Kleidung ist sehr kostbar (eine solche Jacke kostet mit ihrer Stickerei oft 100 bis 120 Gulden), dient aber meist mehreren Generationen, und bildet stets das Angebinde des Bräutigams am Hochzeittage. Natürlich begnügen sich wie in allen anderen Bändern diejenigen, welche nicht eine so kostbare Kleidung erschwingen können, mit einer weniger kostbaren und sind damit zufrieden, die Facon der Kleider in geringerem Stoffe nachzuahmen. In Belgrad kommen leider die viel weniger anmuthigen Moden von Paris in öfteren Gebrauch, Seideue Mantillen, welche dem Rocke der Schildwachen °i"es Zuavenregiments nachgebildet zu sein scheinen und Haarputz nach dem Muster der Kaiserin Eugenie. Das ^'bische Costimi ist indefs so ansprechend und soviel schöner als das von Paris, dafs sein Verschwinden sehr zu bedauern sein würde. Wenn man bedenkt, dafs Belgrad von Wien aus in 36, von Berlin in 60 Stunden zu Eisenbahn und Dampf- schiff so leicht zu erreichen ist und in den Sitten des Volkes wie durch die Wildnifs und Schönheit der Landschaft soviel des Interessanten bietet, so ist es merkwürdig, dafs bis jetzt so wenige Vergniigungsreiscndc das Land besuchen. Es ist freilich leichter, den betretenen Weg zu wählen, welchen Handbücher uns ebenen, als neue Gegenden auszukundschaften. Die schon so oft den Rhein besuchten, sollten nicht vergessen, dafs ein viel majestätischerer Strom in grofsartigerer Landschaft und von gleich historischem Charakter in ihrem Bereiche liegt. Wenn man im Innern des Landes auch an Bequemlichkeit manches einbülsen mufs, so ist doch ein Leben unter diesem sehr gastfreundlichen Volke eine wahre Freude. In keinem Lande ist Leben und Eigenthum sicherer und in keinem Theile des continentalen Europa können die Bauern mit den serbischen verglichen werden an aufrichtiger Höflichkeit, welche sich auf einen unabhängigen Geist gründet und aus einem wahrhaft adeligen Charakter hervorgeht. Die Bcgrüfsung des Reisenden durch die Bauern hat keine Spur von Kriecherei, sondern ist der Ausdruck der gegenseitigen Ehrerbietung, welche ein freier Mann dem anderen zollt. Ich fragte einst einen serbischen Herrn, ob es Adelige in Serbien gebe? „Jeder Serbe ist adelig," war die stolze Antwort. Was auch immer die sociale und politische Bedeutung dieser Worte sei, wenn ich auf die Freundlichkeit und Gastfreundschaft, mit welcher ich behandelt wurde, zurückblicke, so kann ich das stolze Wort nicht für ganz unberechtigt halten, und in gewisser Beziehung gebe ich das Resultat meiner eigenen Erfahrung, wenn ich sage, dafs jeder Serbe adelig ist. CAP. VII. Sceneric der Donau. Eisernes Thor. Kohlenminon. Dorffriedhofe. Dobra. Wallachische Kirche. Milanovatz. Zigeuner. Waldweg. Maidanpek. Eisenwerke. Marktplatz. Hütten. Schenken. Man kann wenige gröfsere Contraste linden als die »wischen der Sceneric der serbischen und der ungarischen Ufer der Donau. Das letztere ist auf dem gröfsten Theile der Strecke von Belgrad bis zum Beginn des Eisernen Theres ganz dach, läfst aber durch die oft dem Auge sich darbietenden üppigen Korn- und Kukuruzfelder einen Blick in die reiche Fruchtbarkeit des Banats thun, das besonders durch deutsehen Colonistenfleifs der Cultur gewonnen ist, während die massiven, auf hohen Pfeilern ruhenden Gebäude, die alle Viertelstunde wiederkehren, uns daran erinnern, dafs wir uns in der Militairgrenze befinden, welche einst zum Schutze gegen Türken und asiatische Pest angelegt ward, jetzt aber den Schmuggel verhüten soll. Das serbische Ufer geht am Fufse einer Reihe von Hügeln hin, welche meist bis zu ihren Gipfeln bewaldet sind, mit kühnen und pittoresken Abhängen, die hie und da gut cultivirt oder mit Hcerden von Schafen und Ziegen bedeckt sind; mit ruhigen Dörfern, beschattet von hohen Waldbäumen und hängend an den Ilügellchnen oder nistend in den Schluchten, welche nach dem Innern zulaufen. Semendria mit seinen hohen weiften Mauern und 21 Wachtthürmen, später das Felsenschlofs Rama aus den "Tagen des Kaiserreichs oder moderne Kirchen, die erst Seit der Befreiung von dem türkischen Joche gebaut wurden, bringen einige Abwechselung in die Scenerie. Dann passirt das Dampfschiff auf der einen Seite kühne Klippen mit einem fruchtbaren Streifen Landes an ihrem Fufs, nnd auf der anderen eine Linie von langen niedrigen Inseln, bedeckt mit wohlriechenden Sträuchern, auf welchen das einzige Lebenszeichen ein kleines österreichisches Wachthaus oder das Lager von Holzhauern ist. Bei Baziasch, dem Endpunkte der grofsen ungarischen Staatsbalm, verändert sich die Scene. Das Karpathen-Gebirge durchkreuzt hier den Kluis, welcher sich einst in einer gewaltigen Umwälzung Bahn brach und jetzt durch die 17 Stunden lauge Schlucht tliefst, welche durch ihre romantische Wil.lnifs und grofse Erhabenheit der Felswände an beiden Ufern des Stroms wohl-zu den grofsartigsten Strom -Felspartien gehört und mit, Recht den Namen des „Eisernen Thores" erhalten hat. Es ist ein Felsenportal, durch welches der Strom über Felsenriffe fliefst, welche an einzelnen Stellen kaum mit Wasser bedeckt sind. Kühne steile Ufer von Marmor oder dem härtesten Kalkstein senken sieh in das Wasser hinab, während gigantische Klippen von Porphyr sich zu höchst phantastischen Gestalten in einander verschlingen und in allen Farben des Regenbogens spielen. Bald sieht man wogende Bänder oder einen so regehnäl'sigen Zickzack, wie wenn er menschliche Arbeit wäre, aber in einem Mai's-stabe, welcher weit über die Macht menschlicher Hände hinausgeht. Massen von vielen hundert Fufs Länge stellen die phantastische Erscheinung eines riesigen Agaten dar, durchzogen mit Adern von fehlerloser Regelmäfsigkeit, welche die Kunst des Graveurs nachzuahmen scheinen, selbst während sie dieselbe verhöhnen. Diese gewaltigen Felsenmauern sind bekränzt mit Heckenkirschen und Cle-matis, Ephcu und wildem Wein, und meilenweit bedeckt mit Fliederbäumen in voller Blüthe. Die Hügel, welche sich über diese Felsen emporthürmen, sind bis zum Gipfel bewachsen mit Waldbäumen von der bedeutendsten Höhe, meistens Eichen und Buchen, Eschen und Platanen, während, wo auch nur ein kleines Streifchen Erde zwischen die Felsen und den Flute geschoben ist, Reihen von Trauerbirken und Weiden den Wassersaum verzieren, üm das Grün dieses enormen Waldstreifens noch lebhafter zu machen, ist er hie und da puuktirt mit wilden Pflaumen und Kirschen, Birnen und Aepfeln, welche im April mit schneeweifsen Blüthen bedeckt waren. Mitten in diesem Grün glänzte in kleinen Lichtpunkten, da die Sonne gerade auf die Oberfläche fiel, einer der gröfsten Ströme Europa's, der uns aber als ein breiter ringsum von gigan- tischen Felsenniauorn eingeschlossener Schwcizerseo erschien, weil durch die Windungen der Fhifsufcr jeder Ausgang unseren Blicken verborgen war. Innerhalb des eisernen Thores ist das Wasser sehr seicht und stürzt in allen Richtungen in einer Menge kleiner Stromschnellen über Felsenriffe, welche zu allen Zeiten, aber besonders in der Mitte des Sommers, wenn das Wasser niedrig ist, grofse Sorgfalt und eine vollkommene Localkcnntnifs erfordern, um den Lootsen in den Stand zu setzen, das Schiff sicher hindurch zu steuern. Trotz der von der österreichischen Regierung vorgenommenen Sprengungen ist es noch jüngst vorgekommen, dafs ein türkisches Kriegsschiff und eins der grofsen österreichischen Eilschiffe dort strandeten. Bei, niedrigem Wasserstande werden deshalb alle Passagiere bei Drenkowa in ganz kleine schmale Dampfer, die nur einen Fufs im Wasser gehen, überschifft, um in Tisso-vitza wieder ein gröfsores Schiff zu besteigen. Mitten in dieser Wildnil's der Felsen und Katarakten, die durch keine ähnliche an irgend einem schiffbaren Flusse Europa's übertreffen werden, versteht man es, dafs Kaiser Trajan es für der Mühe Werth hielt, den Durchzug durch diesen Engpafs als eine bewunderungswürdige Heldenthat durch Inschriften in die Felswände der Kachwelt zu verkündigen. Stundenlang sieht man in diesen natürlichen Mauern von Klafter zu Klafter regolimiIsigc viereckige Löcher von einem Puls Durchmesser, in denen die Balken der Tra-jansstrafse ruhten, deren Ruhm besonders folgende Inschrift verkündet: „Imperator Caesar divi Ncrvae fUius Ncrva Trajauus Augustus Gcrmanicus Pontifex maximus tribimitiae potestatis quartum Pater Patriae Consul quartum Montis et fiuvii anfractibus Superatis viam patefaecit." Bewundern wir rechts die Erinnerungen an antike Strafseubaukunst, so müssen wir noch mehr staunen, wenn wir sehen, wie am linken Ufer die Neuzeit in der in die Felsen hineingehauenen Szechenye-Strafse sich ein Denkmal gesetzt hat, das bleiben wird, so lange die Erde steht, wahrend von der hölzernen Trajansstral'se nur noch die Löcher zeugen, in denen einst ihre Grundbalken befestigt waren. Der westliche Eingang in diesen merkwürdigen Strom-pafs, in welchem stets eine so heftige Luftströmung herrscht, dafs die Wellen mächtig aufbrausen, und oft mit den Passagieren ein böses Spiel treiben, wird aufscr-gcwöhnlich pittoresk gemacht durch eine dünne Felsennadel, welche 30 — 40 Fufs über der Oberfläche des Wassers gerade mitten im Strombett steht, Dieser Felsen, „ Babakai " (bereue) genannt, verdankt seinen Namen der Sage, dafs ein türkischer Aga die von einem ungarischen Edelmanne aus seinem Harem geraubte Frau bis hierher verfolgt, an den Felsen angeschmiedet und ihr zum Abschiede jenes Wort zugerufen habe. Wenn dieser Felsen gleichsam den einen Pfeiler des gefürchteten Portals bildet, so kann man die prachtvolle Buine der Festung Go-lubatz als den anderen ansehen. . Bald nach dem Eintritte in das Eiserne Thor warf unser Dampfboot für die Nacht Anker in der Nähe des kleinen Dorfes Dobra, da einige unserer Gefährten die Kohlemnincn zu prüfen wünschten, welche kürzlich in der Nähe dieses Ortes entdeckt waren. In der Kühle der Dämmerung schickten wir uns an durch die Wähler und über die Hügel zu der etwa anderthalb Stunden entfernten Mündung der Mine zu klettern. Mehr als eine halbe Stunde lang ging unser Weg an dem Ufer des Flusses hin, an den Hütten wallachischer Hirten und den Gehöften serbischer Bauern vorbei über kleine Brücken von Baumstämmen, durch Wiesen, welche dufteten von frisch gemähtem Heu, das in den Zweigen der Bäume aufgespeichert wird, und Stoppelfelder von Mais; durch Schaaren von Kindern, welche sich unter den knorrigen Aesten gigantischer Eschen schaukelten, und bei Arbeitern vorüber, die vom Felde zurückkehrten und ihre Werkzeuge über den Schultern trugen oder noch häufiger dieselben von ihren Frauen und Töchtern tragen Uelsen. Wir mufsten uns einigermafsen zwingen, daran zu denken, dafs wir fast dreihundert Meilen von der Heimath entfernt und dafs diese idyllischen Scenen nicht die unseres eigenen Landes waren, sondern dafs wir uns wirklich in Serbien und unter einem slavischen Volke befanden. Nach einer Stunde kamen wir zu der Mine, welche nicht in die Tiefe, sondern etwa sechszig Fufs in die Gebirgslehne hineingearbeitet war. Die Werke waren von sehr primitiver Arbeit, denn die Kohle, welche in Häufen rings um die Mündung lag, war durchgängig von der Oberfläche oder wenigstens aus ihrer Nähe genommen, ohne jegliche Kcnntnifs der richtigen Behandlung einer Mine. Einer aus unserer Gesellschaft indefs, ein Kohlenbeschauer von den Ufern des Tyne, brachte da, wo der französische Aufseher bisher nur Staub gefördert hatte, eine grofse schwere compacte Masse heraus, und erklärte, dafs die Kohle von der feinsten Qualität sei und der von Newcastle gleich komme. Als wir fortgingen, sah sich unser Bergmann, welcher zufällig einen Haufen Abraum rings um die Mündung der Werke bemerkt hatte, veran-lafst, etwas von der Erde näher zu prüfen und entdeckte, dafs die Adern der Kohle vermischt waren mit Feuerstein von ganz vorzüglicher Art. Aus dem, was er diesen Abend sah und aus einer genaueren Prüfung am nächsten Morgen gewann er die Ucberzeugung, dafs es nur an Sachkenntnifs und Speculation fehle, um diese Werke höchst werthvoll für den materiellen Reichthum des Landes und sehr wichtig für die Schifffahrt der Donau zu machen. Unseren Rückweg zum Dampfschiff nahmen wir über den Kamm des Gebirges, an grofsen Schafheorden vorüber, die durch wachsame Hunde gehütet wurden, und über die Spuren einer grofsen Menge Hasen, welche wir durch unser Eindringen aufschreckten, auf sehr engen Fufswegen hin, die noch unkenntlicher wurden durch den Schatten der Waldbäuine. Nach dem Abendessen spazierte ich bis Mitternacht auf dem Deck und horchte auf den Gesang zahlloser Nachtigallen. So still war die Nacht Und so rein ist die Athmosphäre in diesen Gegenden, dafs gewöhnliche Töne in grofser Entfernung gehört werden können. So konnten wir ganz deutlich unterscheiden, wie der Ruf eines Vogels am ungarischen Ufer des Flusses durch einen anderen an der serbischen Seite beantwortet wurde. Die Nachtigallen waren indessen nicht ohne Rivalen. Die Frösche, welche sich in den kleinen Sümpfen und auf den Wiesen längs des Flufsufers im Ueberflufs befanden, liefsen nicht ihr Gequak, sondern ein Geschnatter in die Nacht hinein ertönen, welches dem Schrei einer Heerde wüthender Gänse glich. Während am nächsten Morgen die Gefährten damit beschäftigt waren, die Handelsfähigkeit der Nachbarschaft zu prüfen und eine Excursion nach einigen anderen Kohlen-Werken an der entgegengesetzten Seite des Gebirges machten, schlenderte ich nach dem Dorfe Dobra, ungefähr drei Viertelstunden westlich von unserem Landeplatz. Der Weg nach dem Orte führte über zwei kleine Friedhöfe, welche wenigstens eine Viertelstunde von irgend einem Hause entfernt lagen. Die kleinen Dorffriedhöfe Serbiens sind nicht gerade schmutzig und verkommen zu uennen, aber haben doch nicht die Lieblichkeit, den Schatten und die Ruhe unserer Kirchhöfe. Der Eingang besteht aus einem jener bedeckten Thore, Welche in Serbien nicht uqr boi den Regni Imifsplätzen, sondern auch bei Privathäusern üblich sind, um durch das Meine Schindeldach das Ilolzwerk gegen die Wirkung der Sonne zu schützen. In der Mitte des ersten Friedhofes stand eine Lehmhütte mit Schindeldach, von der sich unmöglich bestimmen liefs, ob sie ein Geräthesehuppen oder eine Capelle sein solle. Fin oder zwei trockene Ruthen im Rasen zeugten von dem wegen Mangel an Wasser mil'slungenen Versuche, einen Raum anzupflanzen. Die Gräber waren mit roh gearbeiteten hölzernen Kreuzen von eigentümlicher Form geschmückt, und die Inschriften der Grahsteine gingen nicht über die Zeit des Unabhängigkeitskrieges hinaus. Nirgends werden so viele Eidechsen — grofse grüne und kleine braune — gefunden, als auf diesen Friedhöfen. Die trockenen Erdhügel, welche sich über den Gräbern erheben und die ununterbrochene Ruhe, welche rings umher herrscht, machen den Wohnort derTodten zu einem beliebten Schlupfwinkel dieser schönen Tliicre, welche in grofser Zahl um die Gräber herumspielen oder in den Strahlen der Sonne auf einem Grabsteine sich wärmen, weshalb wohl orientalische Märchen den Geist des Menschen unter der Gestalt einer Eidechse darstellen. Ungefähr eine Viertelstunde hinter dem Friedhof beginnt das Dorf. Wie die meisten Dörfer und Felder in Serbien ist es umgeben von einer Pallisade von acht bis zolin Fufs hohen Pfählen, tue durch Flechtwerk mit einander verbunden sind. Dieser Zaun dient namentlich dazu, das Vieh während der Nacht am Weglaufen zu verhindern Oder auch gegen den Raubanfall eines hungerigen Wolfes oder Bären zu schützen. Die meisten Dorfhütten sind von dem alten serbischen Typus; Wände von horizontalen Baumstämmen oder Flechtwork, beworfen mit Lehm und bedeckt mit einem Dach von Eichenschindeln und mit dem sehr unproportionierten Bauchfange desselben Materials, der meistens ein Drittel der ganzen Dachfläche einnimmt. Das Dach hängt fast immer nach einer Seite über, so dafs es eine Art offenes Zimmer bildet, ähnlich der Loggia, welche man in einem türkischen Hanse findet, wo sie indessen im ersten Stock angebracht ist. In diesem schattigen Baume pflegen die Familienglieder während der Sommermonate ihre Mahlzeiten einzunehmen und Nachts zu schlafen, umgeben von Fässern und anderen Holzgeräthen, welche gleich den menschlichen Wesen vor den Strahlen der Sonne geschützt werden müssen. Hie und da im Dorfe waren indefs schon nettere und zweckmäfsigere, wiewohl weniger malerische Häuser erachtet oder im Bau begriffen, deren Typus wir wegen Mangel eines geeigneteren Namens den europäischen nen-nen können, — eine Erscheinung, die ich während meiner ganzen Reise in jedem Dorfe fand, und welche ein wohl-thuendfijs Zeugnils von dem Fortschritte der Nation in materiellem Wohlsein, und ein Beweis von der Sicherheit la*j welche jetzt überall in Serbien gefühlt wird. Das Dorf Dobra wird durchschnitten von einem kleinen trägen Bache, welcher in den Sommer- und Herbstmonaten freilich seinen Weg zur Donau durch mehrere kleinere Arme von einigen Zoll Tiefe findet, aber durch die Breite seines Bettes und die Menge der in demselben aufgehäuften Kieselsteine auf seine Bedeutung während der Winter-und Frühlingsmonate hinweist, wenn die Gebirgsbiiohe durch das Schmelzen des Schnees anwachsen. Nahe der Mündung Hofs der kleine Bach ruhig durch Wiesen voller Vichheerden und ergofs sich dann in eine von Lava graue und durch Basaltmasscn verdüsterte Schlucht, über welcher Ziegen ihr Futter suchten, welches durch die Schwierigkeit des Suchens nur desto süfser erschien; dann wieder erweiterte er sich in einem Thale mit einem Bauernhause und einer Mühle an dem Abhango der Hügel und beschattet durch Gruppen von gewaltigen Bäumen. In dem Dorfe war das steinige Flufsbett bedeckt mit langen Stücken Leinwand, welche in der Sonne bleichten ; und während dieser langsame und stille Procefs vor sich ging, waren Gruppen von Frauen und jungen Mädchen versammelt, um ihr Eigenthum zu bewachen und sich mit dem Geplauder zu ergötzen, welches in dem geringsten Dorfe Serbiens wie in dem feinsten Gesellschaftszimmer einen grofsen Theil der Beschäftigung des Lebens ausmacht, besonders in dieser Jahreszeit, wenn die Frauen von den mühsameren Arbeiten des Ackerbaues nicht so sehr in Anspruch genommen werden. Wenn aber die Mädchen zu ihrem Tagewerk in den Feldern gehen und die Bauerfrauen an der Seite ihres Mannes keuchen, um seine Arbeit zu theilen, haben sie in den Händen gewöhnlieh den Spinnrocken; und wenn im Winter die Rauhigkeit des Wetters alle Feldarbeit verbietet, bereiten sie auf ihren einfachen Webstühlen dio Leinwand, welche sie in den hellen warmen Tagen des Frühlings in geselliger Unterhaltung bleichen. , Die kleine wallachische Kirche (32 Fufs lang und 21 Fufs. breit) in diesem Orte ist so genau ein Muster von allen Dorf kirchen der Wallachen in Serbien, dafs eine kurze Beschreibung derselben für alle anderen genügen wird. Sic steht inmitten der Häuser des Dorfes und würde, abgesehen von dem einige Sehritte entfernten Glockenthurm und der Abwesenheit jeder Spur von Haus-geräth kaum von denselben unterschieden werden. Der Fufsbe-den ist von Lehm ; das Dach mit denselben Eichen-schindeln gedeckt wie die übrigen Hütten des Dorfes und nach Innen zu offen. Auf dem kleinen Friedhofe an der Ostseite der Kirche befinden sich Grabsteine von früheren Priestern mit hölzernen Kreuzen, während die übrigen Leichen auf dem Friedhofe aufserhalb des Dorfes begraben werden. TJas Innere dieser Kirche steht im Verhältnifs zu der Arrnuth des Aeufseren, doch ist die Theilung in Sanctua-riUlrb Schiff und Narthex selbst hier streng bewahrt, wäh-re"d das Chor architektonisch nicht unterschieden ist. Line einfache Holzplatte auf einem Block von demselben Material dient als Altar und trägt zwei schmutzige dünne Leuchter mit Wachskerzen, ungefähr von der Grofse der Weihnachtslichter am Christbaume. Die Priestergewänder, der Vorhang der Ikonostasis und die Altardecke waren von billigem gedruckten Kattun, zwei steinerne Säulen dienten als Leuchter vor dem Sanctuarium; ein gemaltes Brett als Sitz für den Bisehof und ein Pult für die heiligen Bilder waren die einzigen Gegenstände der inneren Einrichtung. Die Kirche ist dem St. Nicolas geweiht, dessen Bild in der Ikonostasis zweimal vorkommt, welche aufser den gewöhnlichen Gemälden mit hilligen gedruckten Bildern in den ordinairston Farben geschmückt ist. Abends fuhr unser Schuf stromabwärts nach Milanovatz durch dieselbe Art Scenerie, welche ich schon im Beginn dieses Capitela zu beschreiben versucht habe. Zu der Stadt, welche etwas von den Ufern des Flusses entfernt liegt, führt ein hübscher Fufsweg, der mit geköpften Weiden bepflanzt ist. Es ist ein sehr netter und blühender Ort und mit gröfserer Begelmäfsigkeit gebaut als die meisten kleineren Städte des Landes. Die Uebcrrcste von Erdschanzen, durch welche es während des Unabhängigkeitskrieges vertheidigt wurde, sind noch um einen grofsen Theil der Stadt erhalten. Nach dem Abendessen wurden wir von einer Zigeunerbande besucht, welche verschiedene Nationalmelodien und serbische Volkslieder sangen, namentlich den in allen Classcn des Landes beliebten Marsch des Fürsten Michael. Die Zigeuner sind in Serbien sehr zahlreich, so dafs man sie in allen Theilen des Landes trifft; und da sie während des Krieges mit der Türkei energisch Partei nahmen und der nationalen Sache viele Dienste leisteten, so haben sie eine geaehtetere Stellung erreicht als in den meisten Ländern Europa'». Sie sind meistens Glieder der griechischen Kirche, besuchen die Kirchen wie die übrigen Einwohner des Landes und sind durchgängig sefshaftcr als die Zigeuner im Allgemeinen, wiewohl sie noch als eine von den Walachen und Serben verschiedene Classe angesehen werden und namentlich veni Stimmrecht ausgeschlossen sind. Nur an der türkischen Grenze bekennen manche Zigeuner den muhamedanischen Glauben. Dieses Volk liefert die Kohlenbrenner, Kesselflicker, Schmiede, Korbmacher und Verkäufer von allerlei Tand, ebenso wie die Musikanten Serbiens. In den Wintermonaten wohnen sie in den Städten: aber zur Sommerzeit ziehen sie in das Dickicht der Wälder, ohne durch Bettelei eine Landplage der Reisenden zu sein, wie jenseits der Donau. Schönere bronzene Figuren als die nackten Zigeunerkinder können kaum gesehen werden. In ihren heimischen Widdern werfen übrigens nicht nur die Kinder, semdern sogar die Erwachsenen die lästige Kleidung des eivilisirten Lebens ab und streifen fast ganz nackend umher — wundervolle Modelle für den Maler oder Bildhauer. Am nächsten Morgen setzten wir unsere Reise durch die Gebirge fort nach Maidanpek, wo sich einige ausgedehnte Kupfer- und Eisenwerke linden. Unser Fuhrwerk bestand aus Wagen von etwa 7 Fufs Länge, aus leichtem Lattenwerk ohne Federn. Zwei Bündel Heu an beiden Seiten, über welche unsere Decken und einiges Bettzeug, das für die Reisen im Innern des Landes unentbehrlich ist, gelegt wurden, bildeten unsere Sitze, welche, wenn sie bei einein gelegentlichen Halte etwas aufgeschüttelt wurden, ziemlich erträglich waren. Unsere Kutscher waren Wallachen mit langen leinenen Röcken und Beinkleidern von demselben Stoffe. Ihr breiter lederner Gürtel war mit Ledorstückchen von den verschiedensten Farben geschmückt, die Sandalen durch Lederstreifen an den Füfsen befestigt und ein kleiner runder Filzhut, an welchem eine Pfauenfeder, stolz steckte, vollendete ihr einfaches Costüin. Mehr als eine Stunde gebrauchten wir, um den Gipfel des Berges zu erreichen, welcher sich etwa 2000 Fufs über Milanovatz erhebt. Die Windungen des Weges und die Steilheit der Steigung machten trotz aller Vortheile des Zickzacks unseren Pferden viel zu schaffen, weil der Weg nur auf einer kurzen Strecke ziemlich glatt war und gröfstcntheils nur verglichen werden konnte mit einem holperigen Grunde, wie man ihn oft bei einem gepflügten Felde sieht, in welchem der lehmige Boden durch unzählige Räder von allen Dimensionen aufgeworfen ist und die Spuren nachher durch die Sonne hart geworden sind. Als die Wagen über diese sogenannten Straften rumpelten, konnten wir nur mit grofser Mühe unsere Sitze behaupten, indem wir uns an die Seite des Wagens anklammerten. Als wir indefs den Gipfel erreicht hatten, vergafsen wir alsbald alle Unbequemlichkeit über der Schönheit der Scenerie. Zu unseren Füfsen glänzte in der Morgensonne die Donau, die ober dio verschiedenen Felsenriffe stürzt, welche sich durch das Strombett hindurchziehen, und dadurch zahllose Wirbel bildet, welche selbst von der Entfernung aus, in der wir uns befanden, genau von einander unterschieden werden konnten. Jenseits des Flusses sahen wir zunächst das liebliche Ansteigen der Hügel, hinter diesen die kühneren und zerrissenen Aufscnlinien des ganzen Karpathengebirges. Auf der serbischen Seite hatten Wir eine wogende See von Hügeln, nicht eine Gebirgskette, sondern ein Chaos von konischen Hügeln mit gigantischen Bäumen. Gelegentlich sahen wir von der Höhe hinab auf kleine Plateaus von ausgerodeten und culti-virten Gründen, auf Felder mit türkischem Weizen und Heerden Schafe; aber auf dem gröfsteu Theil der Reise hatten wir kenne Spur von Menschen. Als wir den Flufs aus dem Gesicht verloren, weil unser Weg sich südlich wandte, kamen wir durch einen Urwald. Wegen der Dichtigkeit dieser Wälder bilden die Bäume in der Regel gerade hohe Stämme, so dafs man majestätische Eichen 111 fünf Varietäten und Buchen von 120 Fufs Höhe auf a,len Seiten sehen kann. Dieser Ueborfiufs an Bauholz ,8t indefs von geringem Werthe in einem Lande, welches keinen Ausgang für seinen Handel hat. Jeder gebraucht 'l:i,l('r dieses Bauholz wie er es gerade bedarf, und die schönsten Eichen werden niedergehauen, um als Feldzaune, Schindeldächer für Häuser und Nebengebäude oder als Feuerung verwerthet zu werden, so dafs in Serbien ('as Sprücbwort gilt: „Was auch immer in Serbien man- gern mag, Holz und Wasser sind in Jedermanns Bereich." Der beste praktische Commentar zu diesem Sprüchwort wird durch die grofse Zahl trockener und geschwärzter Baumstämme gegeben, welche durch das Feuer der Zigeuner oder durch die Schweine zerstört sind. Erst in neuerer Zeit hat ein Holländer von der Regierung einige Quadratmeilen Wald gepachtet, um das Holz für den Schiffsbau und für die Binderarbeit nutzbar zu machen und von Milanovatz aus die Donau hinab und dann zur See nach England zu transportiren. Das sonst ununterbrochene Grün des Waldes bekam eine liebliehe Abwechselung durch die Schnccblüthen der verschiedenen wilden Obstbäume. Die Ränder unseres Weges waren bedeckt mit den bei uns gewöhnlichen Sfräuchern und Blumen: Euphorbien in grofser Menge, Veilchen, Stiefmütterchen, Glockenblumen, Ehrenpreis. Der verworrene gebirgige Charakter dieser nordöstlichen Ecke von Serbien und ihrer unbegrenzten Waldfestungen machte sie zu dem Ilauptzufluehtsorte der patriotischen Banden während des Unabhängigkeitskrieges gegen die Türken. Es ist eine Gegend, in welcher eine Handvoll entschlossener Männer den Marsch einer ganzen Armee aufhalten kann. Auf den Plateaus der kleineren Hügel sahen wir Streifen ausgerodeten Landes mit kleinen Bauerngütern und Hütten, aber mit diesen seltenen Ausnahmen sind die einzigen Einwohner dieser unbegrenzten Waldungen das Wild, welches im Uebcrflufs da ist, und die zahllosen Hcerden Schweine, welche wild umherlaufen und reichliches Futter unter den Eichen und Buchen finden. Während unserer Reise von 5 — 6 Meilen trafen wir den reitenden Postillon mit dem Briefpacket und zwei oder drei Arbeiter, die zu ihrem Mittagessen zurückgingen; aufser diesen aber kein menschliches Wesen. Desto entzückender war die Natur, welche uns manchmal Bilder zeigte, an welche auch die beste Beschreibung nicht hinanreicht. Auf unserer Fahrt öffnete sich plötzlich die dichte Waldung zu einer schönen Lichtung. Ein Abhang von einigen 20 Morgen des glattesten Rasens unterbrach nach Süden zu die Monotonie unserer Waldfahrt und gewährte den vollendetsten parkähnlichen Anblick. Ringsum stand der-selbo dichte Wald, durch welchen wir so eben gekommen waren, und dessen Ränder durch wilde Obstbäume in voller Blüthc und mit solcher Regehnäl'sigkeit decorirt Waren, als wenn sie durch menschliche Hand gepflanzt seien. Gebüsche von spanischem Ginster, Haufen wohlriechender Maiblumen und Schwarzdorn mischten sich Unter diese Bäume und vollendeten die Fransen der weifsen Blüthen, welche d en Rasen umgaben. Der Schnee-faden, welcher ringsumher ging und die Masse der Wald-oäurne, welche von allen Seiten nach dem Rasen drängten, ziu-iiekzuhaRom schien, machten das Grün der Eichen in ihrem frischen Frühlingsdufte nur noch lebhafter. Mitten un Rasen erhob ein prächtiger wilder Birnbaum sein Haupt, Wie die übrigen Obstbäume des Waldes mit Meilsen Blüthen bedeckt. Dahinter stiegen auf allen Seiten hunderte von konischen Hügeln in wildester Unordnung empor mit stattlichen Nutzholzbäumen. Am südlichen Horizonte begrenzten drei Hügelreiben in den verschiedensten Schat-tirungcn des Purpurs die Aussicht, während zur Rechten unseres Weges eine Mauer von gewachsenem Felsen ohne jegliche Vegetation die Scene schlofs. Zwei Adler, welche durch die Luft kreisten und beutelustig über dem Walde schwebten, vollendeten das Gemälde. Spät am Nachmittage erreichten wir Maidanpek, an den Ufern des kleinen Flusses Pek gelegen, welcher sich durch eine enge Schlucht windet, mit hinreichendem Räume für zwei Reihen Häuser. Die Wohnungen der Arbeiter, die Bureau's, die ausgedehnten Schuppen, Oefcn und Giefsereien wurden auf Kosten der serbischen Regierung im Jahre 1848 errichtet. Die Eisenminen sind schon lange bekannt gewesen, ja sie wurden schon zu den Zeiten der Römer bearbeitet; sind aber erst jetzt, nachdem sie einige Jahrhunderte lang unbenutzt lagen, wieder aufgenommen worden. Anfangs böhmische später sächsische Beamte und Arbeiter wurden in grofser Zahl berufen, dio aber zum Theil durch das den Fremden so sehr gefährliche Fieberclima dahinsiechten und starben. Als die politischen Verhältnisse immer unsicherer wurden, beschlofs die Regierung im Jahre 1858 die Arbeit einzustellen, doch gleich mit dem Vorsatz, das ganze Etablissement mit 5 Quadratmeilen Wald später zu verpachten. Unter dem alten Fürsten Milosch fand sich eine Gesellschaft französischer Capitalisten, welche sich dazu verstand, einen 30jährigen Vertrag wegen der künftigen Bearbeitung der Minen gegen eine jährliche Abgabe an die Regierung abzusein ieIsen. Damit waren gewisse Concessionen verbunden, z. B. in Betreff der Schifffahrt auf der Donau und Save zwischen den verschiedenen Häfen Serbiens, und das ausseid io fsliche Rocht auf die Kohlenlager, welche sich an verschiedenen Stellen des Gebirges zwischen Milano-vatz und Neresniza finden. Leider hat diese „ franco-ser-' hischc Gesellschaft" aber in den verflossenen 5 Jahren noch nie einen ernstlichen Anfang gemacht, die an Eison-Und Kupfererzen so reichen Gruben systematisch zu bearbeiten, sondern sich mehr damit abgegeben, einzelne dieser Concessionen wieder zu verpachten. Die Engländer, welche ich auf der Fahrt von Belgrad nach Maidanpek Und von da nach Semendria begleitete, ein wohlbekannter Londoner Kaufmann, ein Civil-Ingenieur und ein Kohlcn-heschauer von dem Ufer des Tyne, waren die Repräsentanten einer Gesellschaft englischer Kaufleute, welcher (uo- französische Compagnie solches Anerbieten gemacht hatte. Ihr Bericht über die Beschaffenheit des Landes und seine commerciellen Aussichten, welcher jetzt vor mir liegt, zeugt von dem Reichthumo Serbiens an Acker-^mprodueten und Mineralien, der jedem Reisenden sofort ln flm Augen fällt. L<'r Flecken Maidanpek besteht aus einer doppelten Reihe von Häusern, die sich ungefähr eine Viertelstunde weit im Xhalc hinzieht. Am Marktplatze, in der Mitte des Ortes, stehen auf der einen Seite die Magazine der Gesell- Schaft mit einer ringsherum laufenden Colonade, auf der anderen eine niedliche Kirche von Fachwerk mit einem kleinen Glockenthurmc von durchaus deutschem Typus; daneben die Dorfschule und ein paar Wirthshäuser, eins für französische und serbische und das andere für wallachische Reisende und Arbeiter. Die dritte Seite des Marktplatzes nehmen kleine niedliche Häuser ein und auf der vierten ist die einzige Grenze der Hügel, welcher sich über dem Orte erhebt. In dem Magazin war damals ein Zimmer für den Gottesdienst der römisch-katholischen Arbeiter und Beamten der französischen Compagnie abgesondert, welches auch den wenigen Protestanten, die freilich nur selten von Belgrad aus besucht werden können, als Capelle dient. Einige der besseren Häuser werden von den Beamten der Gesellschaft und der Regierung bewohnt, welche letztere besonders die Kanonenkugeln und den anderen Kriegsbedarf, der hier verfertigt wird, zu prüfen haben. Am Sonnabend Abend füllte sich der Marktplatz allmählich mit Bauern, welche Wein, Salz, Leder, Felle, Korn, Mehl, Käse, Sahne und andere Milchproducte schon vor Anbruch der Nacht brachten, um rechtzeitig zum Markte am Sonntag früh da zu sein. Als wir am späten Abend über den Platz gingen, fanden wir die Eigcnthümer (Moser verschiedenen Verkaufsartikel neben ihren Pferden und Ochsen unter freien) flininiel liegen, mit den Köpfen auf Säcken von Ziegenhaaren. Am nächsten Morgen begann bei Tagesanbruch der Verkehr auf dem Markte und dauerte bis zum Beginne des Gottesdienstes. Dieser fand in einer Weise statt, wie sonst wohl noch nie in dein Thale des Pek. Innerhalb eines Kreises von 100 Schritt konnte man den slavischen Ritus der orientalischen Kirche, die lateinische Messe eines Theiles von Westeuropa und den englischen Gottesdienst hören. Nach Beendigung unserer eigenen Andacht machten wir eine kurze Fahrt durch das romantische Thal, an Felsen vorüber, welche die Römer bei ihrer Eisenförderung niedergerissen hatten, und an Minen hin, welche zu den Zeiten des serbischen Reiches unter Stephan Duschan mit grofsein Erfolge bearbeitet wurden, dann aber während der türkischen Unterdrückung und Mi®ierong bis zu dem gegenwärtigen Zeitalter diu- Freiheit und Hoffnung Serbiens verschlossen blieben. Dio kurze Regierung des Fürsten Alexander scheint sich sehr ohrenvoll ausgezeichnet zu haben durch die Thätigkeit, mit welcher jedes Unternehmen zur Hebung des Landes befördert wurde. Gut Planirte Strafsen und Brücken wurden gebaut, Schulen und Kirchen in Dörfern und Städten errichtet und vermiedene Klöster restauiirt. Doch wurden die Künste dos Friedens nicht allein berücksichtigt. Die Freiheit, welche Serbien auf Kosten so Vleler Leiden erlangt hat, kann nur durch den Besitz von Verthei:!, erschienen: Exodus <>f Mu ssulmans from Servia. deren Felsen in der Höhe sich so nähern, dafs die Gemsen Innüberspringen. Auch ist dies die einzige Stelle in Serbien, wo Nadelholz gedeiht, so dafs die Weihnachtsbäume für die, deutschen Kinder Belgrads von hier bezogen werden müssen. An einer Stelle führt eine römische Kunststrafse den Hufs entlang; ja eine über einen Neben-flufs der Drina führende Brücke soll noch heute den Namen Latinska Tjupria führen. Bei Ljubovia treten die Hügel zurück und lehnen sich an höhere dahinter liegende Gebirgszüge au, während das Thal eine Viertelstunde breit wird, — Wiesenland mit sparsam stehenden fachen, durch deren Zweige die Sonnenstrahlen sich stehlen, um auf dem lieblichen Grün des Bodens ihr munteres Spiel zu treiben. Dieser Theil von Serbien ist freilich eine Wild-nifs, ohne Bewohner, ohne Felder und Arbeiter, ohne Gärten und Gärtner; und doch gleicht Cr bald einem Garten, bald einem Parke, so dafs man sich sagt: „Die Menschen und Säuser können nicht weit sein! welche herrliche und ausgedehnte Gründe! wo mag das Schlofs verborgen sein?" — Ljubovia ist die Quarantaine-Station auf der Heerstrafse von Belgrad nach Sarajevo, mit gutem Parlatorio, Magazinen und Logirhäusern, während auf der anderen Seite des Flusses ein hölzernes türkisches Wachthaus steht, Gegen 3000 Reisende passiren hier jährlich die Grenze, namentlich um Häute, Kastanien, Zink und Fisenwaarcn aus Bosnien nach Serbien zu führen. Die Strafse nach Derlatscha geht von dem Flusse ab durch dichten dunklen Wald, der oft durch die so leicht von Bosnien her über die Grenze schleichenden Räuber unsicher gemacht wird. In dem freundlichen Thale der Treschnieviza, die von dem nahen Medvenik herabkommt, führt eine altserbische Brücke mit wohl-proportionirten Bogen über den Bach. Jenseits des Jabla-nik, welcher die Wasserscheide zwischen Drina und Morava bildet, führt eine alte gepflasterte Strafse wahrscheinlich aus der Zeit des serbischen Kaiserreiches nach Uschiza. Eine nahe Hohe gewährt einen prächtigen Blick über die Stadt mit ihrer mittelalterlichen Burg auf den äufsersten plötzlich emporsteigenden Felsen, mit ihren Moscheen und Minarets und mit dem neuen Kirchthurm am Fufse des Gebirges, — ein Bild der drei Perioden des serbischen Kaiserreiches, der Türkenherrschaft und des jetzigen selbständigen Fürstenthums. In einem engen Thale zwischen hohen Bergen durchschneidet die Dietimi, ein Nebeuflufs der Morava, die Stadt und hat zwei nette, aber etwas verfallene Brücken. Jenseits des Flusses bilden beinahe senkrechte Kalksteinwände den Hintergrund und geben der Lage von Uschiza etwas sehr Malerisches. Vor Einführung der Grenzsperre durch die Quarantaine war Uschiza noch der Hauptstapelplatz zwischen Serbien and Bosnien mit grofser Einwohnerzahl, jetzt ist es ein Städtchen von noch nicht 2000 Seelen und wo einst Strafsen waren, sind jetzt Obstgärten. Im Jahre 18(J2 mufsten auch hier die Türken Stadt und Festung verlassen, nachdem sie noch kurz vorher während der Friedensunterhandlungen in Constantinopel die Stadt angezündet hatten. Jenseits Uschiza führt die Strafse durch hügliges Terrain bis Poschega (3 St.), welches in einem weiten ringsum von Gebirgen umgebenen Kessel liegt, wefshalb die Vcrrauthung nicht ohne Grund ist, dafs diese hohen Dämme einst einen See einschlössen, der sich in einer Katastrophe nach der Morava zu Bahn brach. Der Scrapesch, welcher mitten hindurch fliefst, wird hier auf einer eleganten Brücke mit sechzehn Bogen überschritten. Dies Städtchen verdankt seine Entstehung einem blutigen Zusammcnstofse der Türken und Serben im Jahre 1833, bei welchem letztere den Kürzeren zogen und es für gerathener hielten, ihren Wohnort zu ändern. Zahlreiche Spuren weisen darauf hin, dafs hier und in der ganzen Umgegend sich einst römische Colonien fanden. In Poschega selbst dient ein grofser Votivstein mit vielen arg verstümmelten Figuren en relief einem Kaufmann als Kaffeemörser, und Steine mit römischen Inschriften sind in die Kirchenwand eingemauert; inArilje, der ältesten Kirche des ältesten Bisthums in Serbien, entdeckte Kanitz *) einen solchen Votivstein in der Stütze der rohen Altartischplatte und in Groblie (Gräber) an der Morava sind zwölf Grabsteine mit Sculpturen und Inschriften meist noch recht gut erhalten. Noch weiter am linken Ufer der Dobrotinska reka stehen zwanzig Sarkophage aus Glimmerschiefer in vier regelmässigen Reihen. Aus solchen Gräbern sind viele an Kunst und innerem Gehalt werthvolle Schmucksachen zu Tage gefördert worden und dem Mu- ') Kanitz, Die Römischen Funde in Serbien. Wien 1861 soum zu Belgrad übergeben. Dem inuthigeii Liebhaber von wilden Gcbirgsseenerien ist zu rathcn, von hier dem oberen Laufe der Morava folgend bis zu der Was sii ina Tschcsma auf dem Grenzgebirge vorzudringen, wo sieh ein wundervoller Blick auf Montenegro öffnet und von da an der Grenze hin auf einem bequemen Wege zu der Grenzwache (Kar aula) Su vi Hrt zu wandern, wo der Dormitor (8000') und die Komnovi (!)000'), die höchsten Gipfel des Balkans, sichtbar werden, die indefs trotz ihrer Höhe nur in einzelnen Schluchten während der Sommermonate den Schnee erhalten. Die Fahrstrafse von Poschega nach Tschatschak verfolgt die Morava stromabwärts. Das lachende, freundliche, reiche Thal dieses Flusses ist hier mehrere Stunden breit, und könnte zehnmal mehr Einwohner ernähren. Beim Dorfe Dutschalovits schliefsen der Kablar und Ovtschar, das heilige Athosgebirge der Serben, den Flufs ein. Die sieben hier zusammen gedrängten Klöster gewähren der Landschaft grofsen Beiz, der Gipfel des Ovtschar aber eine schöne Rundsicht. Tschatschak selbst ist ein unbedeutendes Städtchen, die alte Türken-Stadt ist verschwunden, die neue Serbenstadt noch im Entstehen, aber die Kirche, deren Kuppel dreimal den Halbmond und dreimal das Kreuz trug, ist ein interessantes Denkmal der alten Zeit. Der kreuzförmige byzantinische Bau weist auf ihre ursprüngliche Bestimmung zur Kirche hin, die Ornamente in den Ecken des Transepts — Ilonig-scheiben und Tropfstein — und die geometrischen Fi- garen im Marmor des Fufsbodens sind dem Islam eigen-thümlich. Nur drei Stunden von Tschatschak entfernt liegt Goni je Milano va tz (früher Brusniza), die Hauptstadt des einst an Bergwerken so reichen Rudniker Kreises. Die alte Bergstadt Budnik liegt jetzt in Trümmern. Auch nicht ein Haus ist mehr vorhanden; nur die eingefallenen Mauern derselben, die gepflasterten Strafsen, die Ruinen einer Kirche und dreier zur Verthcidigung des Orts gereichenden festen Thürme sind noch zu sehen. Alles zeugt von ihrer einstmaligen Wichtigkeit und Gröl'se und von dein bergmannischen Leben, das hier einheimisch war, bis die türkische Politik ihm den Untergang bereitete, so dafs alle Bergleute daraus nach und nach vertrieben wurden und die Stadt Rudnik ein Schlupfwinkel verdächtiger Personen geworden war, wefshalb während des Freiheitskrieges von den Serben selbst die letzten Häuser niedergerissen werden mufsten. Der Anblick dieser verfallenen Bergstadt und der verfallenen Schmelzhütten im Thale erregt ein gar schmerzliches Gefühl; doch darf man sich der Hoffnung hingeben, dafs diese Werke vielleicht bald wieder aufleben werden. Drei Meilen nach Nordosten liegt Topöla, die einstige Residenz des Kara Georg, dessen Rumpf hier ruht, während der Kopf in Constantinopel bleiben mufste. Setzt man im Moravathalc seine Reise fort, so kommt man in sieben Stunden durch einen schönen, vier Stunden langen Wald nach Karanovatz in grofser, von hohen Gebirgen umschlossenen Ebene, welche Kanitz*) mit der herrlichen Brianza zwischen Como und Mailand vergleicht. In diesem lachenden Plane zwischen hübschen Dörfern, fruchtbaren Feldern und jungen Laubholzwaldungen liegt ganz im Gegensatze zu den übrigen im tiefen Waldes-dunkcl verborgenen Klöstern Serbiens auf einer sanften Anhöhe jenseits des Ibar, der sich eine Stunde von hier in die Morava ergiefst, Zitscha. Die Kirche soll von dem heiligen Sava, welcher als erster Erzbischof hier residirte, zum Andenken an die Versöhnung seiner Brüder in Stu-deniza (s. u.) erbaut sein. Noch vor zwanzig Jahren lag die Kirche in Ruinen, die Kuppel und Gewölbe waren theilweise schon eingestürzt oder Helsen dies befürchten, aber mau konnte trotzdem noch den einstigen Prachtbau, dessen schöne organische Anlage, die reine technische Ausführung und malerische Wirkung der aus farbigen Ziegeln und Backsteinlagen bestehenden Mauern bewundern. Zahlreiche Sculpturen sprechen für die einstige reiche Dccorirung und einige zugemauerte Thüröffnungen für die Begründung der Tradition, dafs für jeden der hier gekrönten sechs Könige ein eigner Eingang geöffnet und sogleich wieder geschlossen wurde. Leider sind alle diese Schönheiten verschwunden bei der sogenannten Restauration, durch welche der Bischof in der besten Absicht, aber ohne Verständnifs für den archäologischen und Kunstwerth des Vorhandenen die Kirche wieder für *) Monumente 23. Gensdarmen, Jäger und Volk ein lebhaftes Feuer auf die türkische Polizeistation unterhielten, in welche sich die Mörder der serbischen Burschen geflüchtet hatten und welche nicht von der gewöhnlichen Wache besetzt war, sondern von etwa 300 Mann regulären Militärs und einer Anzahl irregulärer Miliz, deren Familien in Erwartung dieser Ereignisse in die Festung aufgenommen waren. In dieser allgemeinen Aufregung, als der Rachedurst des Volkes immer mehr in Wuth überging, wurde vom Pöbel ein Theil der türkischen Läden geplündert, doch gab Herr Garaschanin schon am folgenden Tage den Befehl, dafs alle geraubten Sachen bei schwerer Strafe auf die Polizei gebracht werden sollten, und diese Verordnung wurde auch mit der gröfsten Pünktlichkeit ausgeführt. Der Fürst hatte telegraphisch den Befehl gegeben, dafs das Militär sich neutral verhalten und nur im Kasernenhofe für alle Eventualitäten consignirt werden solle. Inzwischen hatte sich das Consularcorps in die Wohnung des französischen Consuls begeben und bemühte sich vergeblich, den Kampf zu stillen, weil die Parlamentäre von türkischen Kugeln empfangen wurden. Endlich überzeugte man sich von der Notwendigkeit der Entfernung der Nizams und vom Fürsten kam gleichzeitig der Befehl, dafs, wenn bis acht Uhr nicht die sämmtlichen Türken in die Festung zurückgezogen seien, das serbische reguläre Militär und die inzwischen aus dem Belgrader Kreise zusammengezogene Nationalmiliz in den Kampf eintreten sollten. In diesem kritischen Äugenblicke übernahm es der englische Consul Flerr Longworth, mit Gefahr seines Lebens durch das dichteste Feuer nach der Festung zu gehen, um den Pascha zu vermögen, durch Zurückziehung des Militärs dem Blutvergießen ein Ende zu machen, welches jetzt allgemein geworden war. Doch erst am Morgen gelang ihm seine schwere Mission unter der Bedingung, dafs die Türken sicher und unversehrt in die Festung abgeliefert werden sollten. Es ist leicht einzusehen, dafs bei dem Zustande der Verzweiflung, in welchen die Serben getrieben worden waren, dieses keine leichte Aufgabe war. Es gehörte aufserordentliche Klugheit und ein hoher Grad von Festigkeit dazu, um die wüthende Bevölkerung im Zaume zu halten und eine Erneuerung des Gonflictes zu vermeiden. Das gesammte Consularcorps begab sich deshalb in die Festung und unterzeichnete eine Convention zwischen Aschir-Pascha und Herrn Garaschanin, nach welcher jener sich verpflichtete, die türkischen Soldaten zurückzuziehen, dieser sich für die Sicherheit der Truppen bis zu ihrem Rückzüge verantwortlich machte, die Häuser und das Eigenthum der Türken unter seinen Schutz stellte und sich verpflichtete, auf telegraphischem Wege die nöthigen Refehle zu ertheilen, um jeder Gewalttätigkeit gegen die anderen Festungen des Landes vorzubeugen. Dann zog Herr Garaschanin mit den Consuln unter dem Schutze der Parlamenti!rfahno des Kaimakam zunächst zur Stambulcapia und dann zur Polizei, um die türkischen Soldaten, zwischen zwei Linien serbischer Truppen gestellt, in die Festung zu escortiren. An die Spitze des Zuges stellte sich Herr Garaschanin, während die Consuln in Begleitung ihrer Nationalfahnen sich in dem Zuge vertheilten. Trotz der Aufregung des 18 serbischen Volkes wurde die vollkommenste Ordnung aufrechterhalten. So grofs war die Achtung des Volkes für den Fürsten und seine Regierung, sowie für die Repräsentanten der Grofsmächte, dafs nicht ein einziger Schufs aus dem Volke abgefeuert wurde, während die Soldaten von der Festung her nicht aufhörten, Gewchrschüsse auf die Vorübergehenden abzufeuern und die Civiltürken im Dortjol sich bis 4 Uhr standhaft weigerten, in die Festung zurückzukehren. Gleichwohl erliefs die Stadtprä-fectur eine beruhigende Proclam ation; die Stadt befand sich bald wieder in ihrer gewöhnlichen Ruhe, die Läden wurden wieder geöffnet und das Volk ging über die Strafsen, wie früher; nur die mit Leichen beladenen Wagen, die starken Patrouillen, welche nach Verwundeten und Todton suchten oder Gefangene abführten, die überall wahrzunehmende Verwüstung an Häusern und Moscheen erinnerten an die furchtbare Nacht. Am Morgen des 17. Juni wies die serbische Polizei die Bürger an ihre Läden zu öffnen und an ihre gewöhnlichen Geschäfte zu gehen. Wiewohl die Türken noch in Zwischenräumen Musketenschüsse von der Festung abfeuerten und diesen Morgen zwei Christen getödtet hatten, rechneten die Serbon nichtsdestoweniger auf die Kraft der Convention und öffneten, andererseits sicher gemacht durch ihre Behörden, ihre Läden. Die Studenten und die Schulkinder gingen zur Schule, einem Gebäude dicht bei der Festung. Die Cathcdrale, in dem Stadttheile gelegen, welcher den türkischen Kanonen zumeist ausgesetzt ist, ward ange- füllt durch diejenigen, welche dem Bcgräbnifs des Polizeibeamten und des Gensdarmcnofticiers, die im Anfang des Kampfes gefallen waren, beiwohnen wollten. Als der Leichenzug die Kirche verlassen hatte, bewegte er sich langsam über den grofsen Platz dem Friedhof zu. Es war gerade halb neun Uhr Morgens. Der Tag war herrlich, die schöne serbische Sonne schien mit ungewöhnlichem Glänze, um Zeuge zu sein von dem entsetzlichsten unter den Acten der Barbarei, die je über die unglückliche Stadt verhängt wurden. Eine Stunde früher hatte der Pascha zu dem serbischen Premierminister und den Consuln geschickt und sie eingeladen in die Festung zu kommen. Herr Garaschanin und die Consuln von Frankreich und Preufsen hatten sich in dieser Absieht schon in der Präfectur versammelt, der englische Consul war unterwegs, die andern Consuln wurden jeden Augenblick erwartet. Aber während der Leichenzug noch unterwegs war, che die Consuln Zeit hatten, sieh in der Präfectur zu vereinigen und von dort zum Pascha zu gehen, sahen sie plötzlich eine Colonne Nizams von der Festung kommen und Schreckensrufc tönten durch die ganze Stadt: „Die Türken sind gekommen!" Gleichzeitig ward ein schreckliches Feuer von sämmtlichen türkischen Artilleriestücken auf die Stadt eröffnet, Kugeln und Bomben von 40 bis 60 Occa*) Gewicht regneten von allen Seiten. Das Bombardement hatte begonnen. *) Eine Occa ist 2'/4 Pfand. Man kann sich leicht vorstellen, welchen Schrecken dieses unerwartete Ereignifs hervorrief. Der Leichenzug zerstreute sich, man liefs die Leichname mitten auf der Strafse liegen, halbbekleidete Frauen liefen davon, ohne zu wissen, wo sie eine Zufluchtsstätte finden sollten; Mütter verloren ihre Kinder, Kaufleute verliefsen ihre Magazine, der eine, um die Schwester zu suchen, der andere beschäftigt mit einer kranken Person oder einem alten Manne, die nicht fliehen konnten, während wieder andere Waffen forderten. Mitten in dieser schrecklichen Verwirrung zogen sich alle Consuln in das englische Con-sulat zurück, um ihre Mafsregeln zu treffen. Herr Longworth zeichnete sich unter allen seinen Collegen aus durch die tiefe Indignation, mit welcher der barbarische Act des Ascbir Pascha ihn erfüllt hatte und durch den thätigon Anthcil, den er an dem unerwarteten Mifsgcschick einer Bevölkerung nahm, welche volles Vertrauen gesetzt hatte auf einen internationalen Act, der zwei Tage vorher von den Repräsentanten der garantirenden Mächte unterzeichnet war*). *) Die Pforte hat ein Memoir über das Bombardement und die Thatsachen, welche dazu führten, überreicht, in welchem behauptet wird, dafs am Morgen des 17. Juni die Serben zuerst die Festung angriffen, was natürlich den Aschir Pascha nöthigte, ihren herannahenden Angrifl'scolonnen mit Kanonen Widerstand zu leisten. Statt dessen bezeugt der französische Consul in Belgrad in seiner am 21. Juni nach Paris gesandten Note Folgendes: „Auf Befehl der Behörden öffneten die Serben ihre Läden, fast jedes waffenfähige Individuum begleitete den Lei- Das Volk der Stadt lief sofort nach Hause und ergriff, was es nur an Waffen linden konnte. Der heldenmü-thigste Widerstand wurde externporirt und ohne Zeitverlust eine Art von Organisation hergestellt ; und es ist kaum zu verwundern, dafs die beiden Boten, welche mit der vcrrätherischen weifsen Flagge geschickt waren um die Consuln in die Festung zu rufen, ihr Leben verloren. Barrikaden und Redouten wurden jetzt eiligst unter chenzug und hatte somit die Nachbarschaft der Festung verlassen. Ein Bote des Pascha wartete mit mir und dem preufsischen Consul in der Präfectur auf unsere Collegen, um in Folge einer Einladung vom Pascha in die Festung zu gehen. Am Vorabend dieses Tages hatte Herr Longworth zwei Mal auf meine Bitte beim Pascha angefragt und die beruhigendsten Erklärungen erhalten. Bei Tageslicht, als man deutlich sehen konnte, was vorging, und als man nicht eine vorangegangene nächtliche Unruhe oder irgend eine Unordnung vorschützen konnte, gab der Pascha den Befehl zum Angriff, welcher, so unvernünftig und nutzlos er war, nicht gerechtfertigt werden könnte, selbst wenn er von irgend einem Nutzen gewesen wäre." Aber abgesehen von allem andern mag es zur Widerlegung dieser Anklage genügen, daran zu erinnern, dafs damals in Belgrad nur 200 Gensdarmen und 1000 Manu infanterie mit 8 Sechspfündern waren, mit welchen die Serben nicht ernstlich daran denken konnten, eine Festung anzugreifen, welche mehr als 200 Kanonen zählt und durch eine Garnison von 4000 Mann vertheidigt wird. Wenn aber dieses Memoir gar behauptet, dafs der Fürst selbst diesen Angriff angeordnet habe und seine Abreise von Belgrad ein Signal zum Aufstande gewesen sei, so ist dieses schon deshalb undenkbar, da der Fürst seine Gemahlin eines Unwohlseins wegen in Belgrad gelassen hatte, und demnach den Gefahren des Bombardements ausgesetzt hätte ; auch würde er nicht sofort nach Belgrad, dem Schauplatz des Unglücks, zurückgeeilt sein. dem Feuer des Feindes in den Oeffnungen der Strafsen errichtet und die gröfste Energie in Beschaffung von Ver-theidigungsmitteln entwickelt. Sich den Schutz der der Festung gegenüber liegenden Häuser zu Nutze machend, kämpften die serbischen Gensdarmen und Jäger tapfer und schössen so sicher, dafs 3(3 türkische Kanoniere neben ihren Kanonen getödtet wurden. Das Bombardement wurde mit Lebhaftigkeit fünf Stunden fortgesetzt und wenn auch glücklicher Weise der angerichtete Schaden geringer war, als man erwarten könnte, so ist dieses theils der Unwissenheit der türkischen Kanoniere, theils der werthlosen Munition zuzuschreiben, mit welcher sie versehen waren. Die Cathedrale schien ein besonderer Gegenstand ihres Hasses zu sein, sie wurde wiederholt getroffen, und drei Schüsse gingen durch den Thurm *}, Glücklicher Weise explodirten drei Viertel der Bomben nicht und blieben auf den Strafsen liegen. In dem ersten panischen Schrecken, welcher die Bevölkerung ergriff, hatten sich die Frauen und Kinder in den Kellern ihrer Häuser verborgen. Als sie aber von den serbischen Behörden benachrichtigt wurden, dafs bei dem Mangel regulärer Truppen zu fürchten sei, die Bevölkerung und Polizei würden nicht im Stande sein, einem zweiten Ausfall von der Festung zu widerstehen, entschlossen sich die Frauen und Kinder und alle diejenigen, *) Der erzbischof liebe Palast, das Seminar, die Akademie und das österreichische Consulat wurden besonders beschädigt. In das evangelische Pfarrhaus kam nur eine kleine Kugel. welche nicht bei der Vertheidigung der Stadt helfen konnten, um der Niodcrmetzelung durch die Türken zu entgehen, die innere Stadt zu verlassen und unter dem Hegen der Kugeln und Bomben in die Höhlen und Klüfte vor der Stadt, oder in die benachbarten Wassermühlen im Mokrilug, oder in die Wälder von Topschider zu fliehen. Wahrend dieser ganzen Zeit war die Fürstin, welche ihr Schlofs nicht verlassen hatte, mit der Fürsorge für die armen Leute beschäftigt, die in Armuth und Elend gestürzt waren und sie um Schutz angefleht hatten, während die gewaltigen Kugeln in den Hof fielen, die noch heute den Haupteingang des Schlosses zieren. Nach einigen Stunden des Bombardements ging der Vertreter des österreichischen Consulats über Semlin in die Festung, um einen Waffenstillstand nachzusuchen, während dessen die österreichischen Unterthanen sich entfernen könnten. Als Herr Wassitsch gegen ein Uhr Mittags endlich eine Einstellung des Bombardements auf sechs Stunden durchgesetzt hatte, kam er aus der Festung zurück und begab sich in das englische Consulat, wo alle übrigen Consuln versammelt waren. Zu ihrem höchsten Erstaunen eröffnete ihnen der österreichische Agent, dafs die Garnison nicht gegen den Pascha revoltirt habe, wie man bis dahin allgemein glaubte, sondern dafs das Bombardement auf ausdrücklichen Befehl des Pacha erfolgt sei. Als Herr Wassitsch dann hinzufügte, der Pascha wünsche mit Herrn Garaschanin und dem Consularcorps eine Unterredung in der Festung zu haben, äufserte Herr Longworth: „Fr wolle nichts zu thun haben mit Barbaren, welche ohne jede gegründete Ursache und ohne vorherige Warnung, in gänzlicher Mil'sachtung einer erst gestern feierlich geschlossenen Convention, Bomben und Kartätschen auf eine friedliche Handelsstadt voll Weiber, Kinder, Greise und Kranker abfeuerten; dafs die Verantwortlichkeit wegen eines solchen Actes ganz auf die zurückfalle, die ihn riethen und anordneten, und dafs er — Longworth — keine Besprechung mit dem Pascha haben, noch die brennende Stadt verlassen, sondern mit seinen Landsleuten bleiben wolle, um das traurige Geschick der Einwohner Belgrads zu theilen." Alle Consuln pflichteten dieser edlen Sprache bei und hielten es sogar für ihre Pflicht, folgenden einstimmigen Protest*) zu unterzeichnen und durch den österreichischen Consulatsvertreter, der ihn indefs nicht mit unterschrieb, in die Festung zu schicken: „ Da der Pascha, Gouverneur von Belgrad, Befehl zum Bombardement der Stadt ertheilt hat, ohne vorherige Ankündigung und nachdem er das Consulareorps zwar zu sich berufen aber nicht angehört hat, und da noch Jedermann das Recht hatte, auf die mit der serbischen Regierung und in Gegenwart aller Mitglieder des Consulareorps geschlossenen Convention zu rechnen, — überlassen ihm die Unterzeichneten die volle Verantwortung für eine, den Grundsätzen des Völkerrechtes so zuwiderlaufende That, und nachdem sie in förmlichster Weise da- ) La Serbie après le bombardement de ßelgrade. Paris 1862. gegen protestiren, können sie nichts weiter thun, als in der bombardirten Stadt das Geschick abwarten, das ihre Landeleute trifft, bis ihnen Verhaltungsmaßregeln von ihren Regierungen zukommen." Belgrad, 17. Juni 1862. Gezeichnet: Longworth. Tastu. Vlangali. Meroni. Im Laufe des Nachmittags waren die österreichischen Behörden sehr geschäftig, allen Flüchtlingen durch Sendung mehrerer Dampfschiffe unentgeltlich und ohne Abfordcrung irgend einer Legitimation Gelegenheit zu geben, sich nach Semlin zurückzuziehen, wo sofort eine grofse Zahl öffentlicher Gebäude zur Aufnahrae der Unglücklichen eingerichtet ward. Noch bis in die späte Nacht hinein, als schon längst das letzte Dampfschiff fort war, fuhren Kähne auf der Skela von Topschider ans jenseitige Ufer der Save mit Flüchtlingsfamilien, die bei furchtbarem Sturm, der den Staub häuserhoch aufwirbelte Und blendenden Blitzen, die bei der Dunkelheit der Nacht den Weg am Flusse nur noch unsicherer machten, den zwei Stunden weiten Weg nach Semlin zu Fufs machen mufsten, während sie am jenseitigen Ufer die Magazine an der Save brennen sahen. Inzwischen erhielt Herr Longworth einen Brief in türkischer Sprache, in welchem Aschir Pascha sich bemühte, das Bombardement zu entschuldigen und die Versicherung gab, dafs es nicht erneuert werden solle. Während alle anderen Consuln, die sich in seinem Hause befanden, auf die Vorlesung dieses Briefes hörten und der Ue&ersetzér noch nicht zu Ende war, donnerten die Kanonen der Festung zum zweiten stàio. Herr Longworth aber unterbrach die Vorlesung mit den Worten: — „Genug, meine Herren, der Pascila übersetzt soeben seinen Brief von den Höhen der Festung selbst und bekräftigt uns die Wahrheit seiner Versprechungen." Doch hörte das Schio Isen diesmal bald auf und Belgrad wurde eine, Wiederholung der Schrecken des verflossenen Tages erspart, die durch die Dunkelheit der Nacht noch furchtbarer geworden sein würden. Schon am Abend war der Fürst mit einem Express-Dampfer von Schabatz zurückgekehrt und von der Fürstin, dem Senat und Alinistcrium, sowie von allen Consuln in Topschider empfangen worden. Sofort wurden die Mafs-regeln ergriffen, welche die Gefahr des Landes erheischten. Der Senat übertrug dem Fürsten, unter zeitweiliger Aufhebung aller Gerichts- und Civilbehördon, die Dictatur, während das ganze Volk, dessen volles Vertrauen er besafs, sich um ihn schaarte. In seiner bekannten Weisheit und Festigkeit organi-sirto der Fürst sofort eine Streitmacht von nahe an G000 Mann und incorporirto sie den regulären Truppen. Wiewohl dieses nur eine kleine Anzahl für den Fall eines Krieges war, so würde sie doch zur Vcrthcidigung der Stadt ausreichend gewesen sein, da sie vollkommen bewaffnet, bewunderungswürdig diseiplinirt und von 40 Stück Kanonen unterstützt war. Die strengsten Mafsregeln wur- den ergriffen, um Ordnung in der Stadt zu bewahren. Jeder Plünderuiigsversuch wurde sofort mit dem Tode bestraft und dadurch die vollkommenste Ruhe gesichert. 20,000 Bauern der Nationalmiliz marschirten, zu Bataillonen organisirt, vollständig bewaffnet freiwillig nach Belgrad, um dem Fürsten ihre Dienste anzubieten, wurden aber nach einer Rast von zwei Tagen auf ihre Felder zurückgeschickt, da man ihre Hülfe nicht nöthig hatte. Jeder gehorchte ohne Murren und alle bewahrten die strengste Disciplin. Indessen war die Lag*1, in welcher sich die serbisch*1 Regierung befand, eine sehr schwierige. Es war ein offener Angriff gegen das Fürstenthum geschehen, seine Hauptstadt war mit Blut gefärbt und bombardirt; seine anderen Städte liefen dieselbe Gefahr; es gab kein Gefühl der Sicherheit mehr; es war schwer, ein gereiztes Volk zu beruhigen; Serbien war angegriffen in seinen Lebensrechten und in der Bedingung seiner politischen Existenz. Gleichwohl war Fürst Michael von dem Wunsch*; beseelt, ohne Blutvergiefsen die Anomalien zu entfernen, welche in dem socialen und politischen Zustande Serbiens lagen und jede gegenseitige Verständigung zwischen ihm und der Pforte verhinderten, und bat deshalb die garan-tirenden Mächte, die Initiative ZU ergreifen und die Sache des Bebens, der Ehre, des Fortschritts und der Zukunft eines Volkes vor ihr Tribunal zu ziehen, welches trotz ihrer Protection unrechtmäfsig angegriffen worden war. Lie besonderen Wünsche gingen dahin, dafs Privatpersonen Und Staat entschädigt würden für die durch das Bombar- dement erlittenen Verluste und Beschädigungen, und dafs sie materielle Garantien bekämen gegen die Widerholung ähnlicher Ereignisse durch Schleifung der Festungen, welche für die Türkei keinen wirklichen Werth haben und nur gebraucht werden, um die Entwickelung des serbischen Handels zu hindern und eine fortwährende Gefahr für die Ruhe beider Länder zu bilden. In den folgenden drei Monaten dumpfer Gewitterschwüle waren alle Läden und Waarenhäuser in den Städten geräumt, die Einwohner lebten in den Vorstädten, fast alle Fremde hatten sich ganz von Belgrad entfernt und in Semlin und Pancsowa oder in den benachbarten Dörfern eine Zuflucht gefunden; alle Häuser der Stadt standen leer und in den Strafsen wurden nur die kriegerischen Töne der Truppen gehört, für welche die Moscheen und andere türkische Häuser zu Casernen umgeschaffen waren. Selbst die geringsten Bedürfnisse des täglichen Lebens waren kaum zu beschaffen aus den wenigen Buden vor der Stadt. Stets in Ungewifsheit, was den nächsten Tag sich ereignen würde, scheuten sich die Serben, ihr Gapital in den Handel zu stecken und konnten sich nicht den Credit zu Nutze machen, welchen sie sonst in Wien, Leipzig, Triest und anderswo genossen. Das Bombardement von Belgrad, der wichtigsten Stadt des Landes, hatte in, der That alles Gefühl von Sicherheit zerstört; fremde Häuser weigerten sich, und das mit Recht, sich den Launen eines Pascha auszusetzen, wenn sie auch der Treue und Rechtschaffenheit der Einwohner noch so sehr ihr Vertrauen zu schenken gewohnt waren. Ascliir Pascila, der Urheber des Bombardements, wurde freilich seines Amtes enthoben, aber nur, um an einem anderen Orte eine desto höhere Stellung zu bekommen. Um wenigstens einigermafsen das Vertrauen herzustellen, verstanden sich der französische und englische Consul zu der bewundernswürdigen Aufopferung, eine persönliche Garantie der Bewahrung des Waffenstillstandes zu geben, indem jener in der Festung, dieser auf dem Kalimaidan ein Zelt mit ihren Consulatsflaggen sich als Wohnung einrichteten, während namentlich der preufsische Consul, der schon während des Bombardements sich wiederholt der gröfsten Bebensgefahr ausgesetzt hatte, um sich zur Beruhigung unter dem Volke zu zeigen, mit grofser Energie die Bemühungen seiner Collegcn um die Aufrechterhaltung der Ordnung unterstützte. In Folge des Bombardements trat in Constantinopel die Conferenz der Gesandten Rufslands, Frankreichs, Preufsens, Oesterreichs, Englands und Italiens mit dem Minister des Auswärtigen Aali Pascha zusammen, und vereinbarte das Protokoll vom 4. September 1862, das zur Befestigung des europäischen Friedens dienen sollte Und in 12 Artikeln Folgendes festsetzte: Art. I. Die Pforte überläfst dem serbischen Gouvernement als Eigenthum gegen Entschädigung alle türkischen Häuser und türkischen Terrains innerhalb der Stadt Belgrad, sowie die Mauern, Gräben, Werke der alten Festungs-Enceinte und deren 4 Thore (Sava, Varosch, Stambul*) und Widdin Kapia), welche rasirt und nivellirt werden sollen und auf welchen die Serben keine militärischen Werke errichten dürfen. In der ganzen Stadt Belgrad gilt einzig und allein die serbische Autorität, doch müssen die türkischen kirchlichen Gebäude und Grabstätten respectirt werden und unberührt bleiben. Art. II. Die Pforte wahrt ihre Rechte auf die Gita-delie, die sie auf den Puls genügender Vertheidigung setzen will. Hierzu hält sie für nöthig, der jetzt vorhandenen Esplanade mehr Regelmäfsigkeit und an einigen Punkten, wo solches ohne Beunruhigung der Stadt geschehen kann, eine gröfsere Ausdehnung zu geben. Diese Ausdehnung soll im muse 1 männischen Stadtviertel vorgenommen werden, als dessen Grenzlinie das Protokoll die Gitadelle, die Donau und die Linie von dem Derwischkloster (Tekijeh) des Schelk Hassan, an den Ruinen des Palastes des Prinzen Eugen vorüber, bis zur Moschee des Ali Pascha bezeichnet**). Nur im Balle dringender Nothwendigkeit darf die Demolirung des türkischen Viertels „ein wenig weiter" als jene Linie geführt werden —■ doch soll eine Militärcommission (Art. V) in dieser Beziehung die Motive prüfen und eine Entscheidung treffen. Einzelne nicht türkische Häuser, die innerhalb des De-niolirungsbereichs liegen, sollen vom türkischen Gouver- *) Das Stambul-Thor darf also auch nicht stehen bleiben, wenn man es nicht als ein historisches Denkmal beibehalten will. **) Wenn man die Lage der Synagoge und jüdischen Schule mit dieser letzten Grenze des Türkenviertels vergleicht, kommt man auf die Vermuthung, dafs der Gesandten-Conferenz in Constantinopel ungenaue Pläne zu ihren Arbeiten vorgelegen haben. — Der hier zur Zerstörung verurthcilte Stadttheil uinfafst die ganze Türken- und Judenstadt und hat fast denselben Flächeninhalt wie die obere und untere Festung zusammengenommen. ncment entschädigt werden, — ebenso alle unter dessen director Hoheit stellende Exproprürten. In der serbischen Stadt dürfen religiöse Gebäude (Seminar, erzbischöflicher Palast, Cattedrale) und die Handelsstrafsen nicht berührt werden; — wegen des Ankaufs einzelner Hau* Her, die von den competente» Richtern als „durchaus notwendig" zur Ergänzung der Esplanade erklärt werden sollten, müssen die türkische und serbische Regierung sich freundschaftlich verständigen, und sollen „reichliche Entschädigungen" dafür geboten werden. Die auf solche Weise gewonnene Esplanade bleibt aus-schliefslich Eigenthum*) der Türken; keine Construction, welcher Art sie auch sei, darf darauf bestellen bleiben oder später errichtet werden, Niemand daselbst auch nur vorübergehend wohnen. Art. III. Alle von den Titeken zurückgelassenen beweglichen Gegenstände sind durch die Serben zu ersetzen; die einzelnen Serben etwa zugefügten Vermögensbeschädigungen werden von der Pforte indemnisirt. Die Art der Entschädigung bleibt einer freundschaftlichen Einigung beider Regierungen überlassen. Art. IV. Die Pforte protestirt bestimmt gegen die Annahme, dafs die Citadelle, welche zur Verteidigung des Landes bestimmt ist, den Rechten, welche Serbien *) Als im Jahre 1858 Oesterreich seine Trappen in die Belgrader Festung zu werfen wünschte und behauptete, dafs das Terri-t(|num der letzteren nicht serbisch sondern türkisch sei, bemerkte die französische Regierung, dafs die Festung aussehliefslieh serbisch s. 10 ©gi\ (Èuanadicn auf alle jStonn-, .iFcfl- unb ^feiertafle. lift fin big. S)rei 93finbe in Ccriccn format. Pitia 3 £|)lr. 20 „.. . wir freuen und, baö twrliegcnbe SBetf ali cine oor-trefflirbe ,,«J>pfttUc für ettangcltfrJho OTbtiftcn" briu genb empfevfen ju firnnen, unb wftnffben, bafj eö in vcd>t Diele föbriftenbäufer ©ingang finben, ber SÖiittelpunft \)mi--Ucber 3tnbad)t werben unb frfiftig ba$u mitnürten möge, bafj jabtreiebe neue >33aufteine jubereitet werben ju bem ©au bed JKeidjeö $efu Glmfti, baö ba ewig bleibt." ^rcbirjtcu ttbex bie ojin £inl)i- bev tfinube in JBfefw tflnifto. UM fuv;ni $efca$tungen über bie einzelnen 3««ten beä tölrdKitjabicä. fiScn Dr. & off mann, t>of. unb DompreMflfr unb Sdjtoppfamr ju 9)«Ifn. 91. ewattfl. Kircyeujtg. 1864, —ÌK