Gz-hortstion an die akademischen Jünglinge, gehalten in der Kirchs des deutschen Mieter-Ordens a rn Joseph s a r i n. Professor der Moral-Theologi- und der Religionswissenschaft am k. k. Lyeeiim zu Laibach. Zur freundlichen Erinnerung de» Studierenden beider philosophischen Jahrgänge milgegebcn auf ihre» weitern Lebensweg. L a i v s ch. Gedruckt bei Ignaz Aloys Edlen v. Kleinmayr. 1 8 3 3. Tex!: „Ich bitte euch renn, wandelt würdig de- Berufe?, >eezu ihr beruft» scyb." Ephes. IV. r. Bk^heuere Jünglinge! Mit diesem scheidenden Schuljahre ist nun wieder ein wich¬ tiger Theil Ihres Lebens, und ein noch wichtigerer Ihrer Jugend dahin; — hinüber geflos¬ sen ist dieser wichtige Theil Ihrer Jugend mit allen Gedanken, Worten und Werken in die Alulhen der Ewigkeit, — und wer weiß, ob dieses verlebte Schuljahr dort der Verkünder Ih¬ rer Ehre oder Schande sepn, ob cs einst Ihr. Verthcidigcr oder Kläger sepn werde vor dem Nichterstuhle Gottes? Jeder vernünftige Mensch soll nach jedem vollendeten Werke zurückblicken auf seine zurückgelegte Laufbahn, und, um vollends mit sich selbst Eins zu werden, an sich die Frage richten: „Ist bei dem Werke, das ich vollendet habe, auch die Hauptsache gethan, der End¬ zweck erreicht worden?" Ebenso sollen auch Sie als vernünftige, gebildete Menschen Hinblicken auf die zurückgelegte Bahn, — und ich glaube Ihnen da die Frage verlegen zu müssen: „Ist in dem Schuljahre, dessen Schluß wir mit dem heutigen akademischen Gottesdienste feiern, auch der Endzweck alles Studiums erreicht worden?" Zur Beantwortung dieser Frage aber ist die Lösung einer andern nothwendig, nämlich: »Was ist denn der Endzweck alles Studiums, der nach vollendetem Schuljahre erreicht werden soll?" Wohl nichts anders, als daß der studierende Jüngling nach allen seinen Kräften und Anlagen, oder daß der ganze Mensch in ihm, ausgebildet werde; das heißt, daß nicht nur der Verstand mit mannigfaltigen Kenntnissen bereichert, sondern auch das Herz für den religiös-moralischen Sinn gebildet werde; denn dieß ist der ganze Mensch: „Geist und Herz, Verstand und Wille." Dieß heißt den ganzen Menschen erziehen: „Beide Grundkräfte der Seele harmonisch, und keine auf Kosten der andern, entwickeln und ausbilden." Der End¬ zweck Ihres ganzen Strebens läßt sich daher mit wenigen Worten so bezeichnen: „Jüngling! bilde deinen Kopf mit mannigfaltigen Kenntnissen; vergiß aber dabei nicht dein Herz zu ver¬ edeln durch Religion und Tugend!" Da ich diese als Endzweck alles Studiums so bezeichnete Wahrheit aufstelle und zu beweisen suchen werde, kommt mir ein merkwürdiger Satz vortrefflich zu statten," welchen Cicero im Geiste Plato's ausgesprochen: „Wir sind einen Theil unsers Daseins uns selbst, einen andern unfern Freunden, und den dritten dem Vaterlands schuldig." ((uc. ste oss. I. i. cmp. 7.) Dickem Satze gemäß behaupte ich: „Diese Schuld an sich selbst; diese Schuld an Ihre nächsten Freunde — die Aeltern —; diese Schuld an Ihr Vaterland können Sie unter keiner andern Bedingung abtragen, als daß in dem Grade, in welchem sich Ihr Kopf für die Wissenschaft bildet, auch Ihr Herz gestimmt wird für Religion und Tugend." Es ist da- 4 her die harmonische Bildung Ihres Kopfes und Herzens als Endzweck alles Studiums in dem Wesen ihres Daseins und Berufes gegründet. Jüngling! bilde deinen Verstand mit mannigfaltigen Kenntnissen; vergiß aber da¬ bei nicht dein Herz zu veredeln durch Religion und Lugend! Dieß fordert dein eigenes Herz; — dieß fordert die Familie; — dieß fordert das Vaterland. Freunde! Am Ende des Schuljahres von dem Endzwecke alles Studiums sprechen zu Horen wird Ihnen wohl anpassend und zugleich inrcressant seyn! Die Wichtigkeit des Ge¬ genstandes fordert Sie zur Aufmerksamkeit und Beherzigung auf, indem davon das Gedeihen aller öffentlichen Lehranstalten, die Erfüllung der Hoffnungen der Familien und des Vater¬ landes, das Wohl eines jeden Individuums, so wie der ganzen Menschheit abhängt; — darum seyen heute nützliche und heilsame Lehren Ihnen zur Beherzigung und Befolgung mit¬ gegeben auf Ihren weitern Lebensweg. I. „Jüngling! bilde deinen Verstand; vergiß aber dabei nicht dein Herz zu veredeln durch Religion und Tugend!" Dieß fordert von dir dein eigenes Herz. Es ist wohl etwas Schönes und Erhabenes um Verstandesbildung, um Erwerb nothwendiger und nützlicher Kenntnisse, um Aufklärung des Geistes durch Wissenschaft; denn diese ist die Leuchte des Regenten und Staatsmannes, das Auge des Feldherrn, die Führerinn des Priesters, des Rechtsfreundes, des Arztes, des öffentlichen Beamten, und die Bildnerinn des Künstlers; sie verfeinert die Sitten und verschönert das Leben; ja, wo cs immer eine große und würdige, der Menschheit heilsame, Zeitalter und Geschlechter umfassende und erhe¬ bende Wirksamkeit gibt, ist sie die lebendige. Seele und Triebfeder, die diese hält und lenkt. Durch Völker, groß und stack durch Geistesbildung und Wissenschaft, wurden und werden andere hoch überglänzt, verdunkelt und beherrscht; und ebendie gebildeten Völker wirken fort von Geschlecht zu Geschlecht als Meister und Bildner der Wissenschaften. Darum sey es ferne von mir, die wissenschaftliche Bildung nicht in Anspruch zu nehmen, vielmehr habe ich Sic bei jedem sich darbietenden Anlasse in dec Schule und in der Kirche für dieselbe zu gewinnen gesucht, und ich bin überzeugt, daß es nie dringenderes Be- dürfniß war die studierende Jugend schon frühzeitig in den Geist der Wissenschaft cinzuweihen, als gerade in unfern Zeiten. Es ist allerdings schon viel gewonnen, wenn es der studierende Jüngling einmal so weit gebracht hat, daß er, von lebendigem Interesse für die Wissenschaft durchdrungen, sich von dem Müßiggänge, von der Trägheit und von den Zerstreuungen des Tages losgerisssn hat. Allein über dem einen Bedürfnisse darf das andere noch dringendere nicht außer Acht gesetzt werden, — und mit der Wissenschaft ist noch nicht alles, noch nicht die Hauptsache gewonnen; — die Verstandesbildung oder das Erkennen der Wahrheit macht noch nicht weise, und „weise werden" ist Hauptsache — Endzweck, und den weisen Mann macht nur „Erkennt- niß der Wahrheit in Harmonie mit-Religion und Tugend," Diese Harmonie fordert dos Stu¬ dierenden eigenes Herz, z 5 Es ist das höchste Bedürfnis jedes Menschenherzens Frieden zu genießen; dieser Friede aber, nach welchem sich jeder Mensch unwiderstehlich sehnet, wird nur dann erreichbar, wenn der höhere Sinn für Religion und Tugend in uns lebendig und herrschend geworden ist. Denn was das Menschcnherz beunruhiget und seinen Frieden störet, oder wohl gar zer¬ störet, sind die verkehrten Triebe und Neigungen, die Leidenschaften des eigenen Menschen¬ herzens. So lange uns noch — die Mutter aller bösen Begierden und Leidenschaften die Selbstsucht beherrschet, welche uns mit hundert Wünschen nach Größe und Auszeichnung martert, und — wenn sie alle hundert befriediget sind, mit tausend andern noch ungestümer fordernd hervortritt; — die Selbstsucht, die mit neidischem Blicke auf fremde Vorzüge hin¬ überschielt, und nur ihre eigenen hervorzieht und emporhebt; — die Selbstsucht, die alles Große und Edle, was Andere zum Segen dec Menschheit gewirkt haben, klein und unedel nennt, oder doch in seinem Werthe verdächtig zum machen und herabzudrücken sucht, und immer nur das liebe Ich ausposaunet und zur Schau trägt — als Egoismus, Eigendünkel, Eitelkeit, Hochmuth, alle fremden Vorzüge in Schatten zu stellen sucht; — so lange kann das arme Menschenherz nicht ruhig werden und den lieben Frieden genießen, weil der selbstsüchtige Mensch mit feinem eigenen Innersten und mit seines Gleichen in einem ewigen Streite ver¬ wickelt ist. Wer hebt nun diesen Zwiespalt auf? Können dieß die Hellesten Einsichten des Ver¬ standes? Nein — das können sie nicht. Vielmehr kann es gerade das Wissen des Kopses seyn, was den selbstsüchtigen Menschen noch mehr bläht und die Flamme des Zwistes noch mehr anfachet. Der bloße Wisscr ist noch nicht ein weiser Mann, der bloß Einsichtsvolle kann ein Thor sepn, indem er das Wahre und Gute kennend sich doch dem Bösen überläßt. Der gebildete Kopf kann uns wohl sagen: „Du sollst die Leidenschaft dem Gebo¬ te der Vernunft unterordnen oder aus unbedingter Achtung für das Gesetz handeln!" Aber er kann unserm Herzen die Wärme nicht geben zur Fassung des Entschlusses, das auch mu- thig zu thun, was wir sollen; er kann unser Gefühl nicht aufregen und demselben die leben¬ dige Kraft nicht mittheilen, die den gefaßten Entschluß in That verwandelt und das wilde Getriebe dec Leidenschaft dem Gebote der edlern vernünftigen Menschennatur wirklich unter¬ wirft. Jene Wärme, die muthig gute Entschlüsse fasset, und diese lebendige Kraft, welche die gefaßten Entschlüsse eifrig in Thaten verwandelt, erzeugt nur der religiös-moralische Sinn. Es gibt einen einzigen Zügel, der im Stande ist den zerstörenden Einfluß der Leidenschaften unschädlich zu machen; dieß ist die Moral, gegründet auf die wahre Religion; denn ohne Re¬ ligion gibt es keine Moral. Da, wo diese Gesetzgeberin!: fehlt, verwirrt sich Alles; erscheint sie aber wieder, so kehren Ordnung und Einigkeit schnell wieder zurück im Menschenherzen. Wo Wissenschaft mit Religion und Tugend Hand in Hand geht, da sind die Höl¬ lenkinder: Neid, Eigendünkel, Begierde des Fleisches, und Begierde der Augen, und Hoffart des Lebens (Br. h. Joh. 2. 16.) — und ihre Mutter, die Selbstsucht — verbannt, hinab- geschleudect in ihre Geburtsstätte — die Hölle. Wo Wissenschaft mit Religion und Tugend Hand in Hand geht, da hat die himmlische Liebe mit ihren drei Grazien: „mit Gerechtigkeit, mit Friede, mit Freude" ihre 6 Heimath, nur Gott gebietet im Menschen und der tapfere Wille richtet die Aufträge Gottes freudig aus: „Gottes Reich gedeihet unter den Menschen." (Matth. 6. 10.) Woher kommt es denn, daß wir so viele kcnntnißvolle Köpfe antreffen, welche die Worte „Recht und Pflicht" immer im Munde führen, indeß ihnen keine Handlung so rechts- und pflichtwidrig ist, daff sie sich dieselbe versagen sollten, wenn der Egoismus seine Rech¬ nung dabei findet? — Woher kommt es, daß wir so viele einsichtsvolle Männer antreffen, die — wie es scheint — mit Enthusiasmus declamiren über das, was seyn und gethan wer¬ den soll, um der Menschheit aufzuhelfen, indeß sie selber alles thun, nur nichts von dem, was gethan werden soll, um das Wohl der Menschheit zu befördern, oder wohl gar selber in Lust und Frevel umhertaumeln, als wenn sie es darauf angelegt hätten den Ruin des Men¬ schengeschlechtes herbeizuführen? Das kommt daher, weil Verstand und Herz nicht harmonisch gebildet sind, we'l zwar der Kopf mit Kenntnissen angefüllt, das Herz aber leer und kalt ist. Fehlt dem Her¬ zen das Feuer, welches zu edlen Thaken treibt» und welches die bloße Wissenschaft nicht zu entzünden vermag; so dürfen wir uns nicht wundern, wenn die Sinnlichkeit ihr Ecstgeburts- recht geltend macht, die später gereifte Vernunft übertäubt und unterjocht, unbeschränkt schal¬ tet und waltet, verwüstet und zerstöret! Nur ein gebildeter Verstand im Bunde mit einem edlen Herzen war in allen Zei¬ ten und bleibt immer ein herrlicher Segensbaum, der die heilsamsten Früchte trägt. Oder wer wird so thöricht seyn zu wähnen, daß man des Menschen Werth nur nach glänzenden Gei¬ steskräften und erworbenen Kenntnissen beurtheilen dürfe? Wüßte auch irgend Einer all' die Millionen Sterne bei ihren Namen zu nennen, und hätte alle Gesetze erforscht, nach welchen diese leuchtenden Welten ihre gehcimnißvolle Bahn dahin wandeln; hätte er anhaltend geforscht in dec physischen und moralischen Welt; wäre ihm von der Ceder bis zum Usop, von dec Eintagsfliege bis zum Seeungeheuer in der ganzen Schöpfung kein Gegenstand unbekannt; hätte er auch gelestn und behalten, was alle Dichter der Vorzeit und Mitwelt gesungen, und' was all' die Gelehrten in Hellas und Latium scharfsinnig gedacht und geschrieben; wäre er in jederKunst und Wissenschaft bis auf ihre letzten Gründe eingedrungen und am Verstände — selbst den Engeln gleich; — er könnte doch Satan seyn, wenn er nicht auch ein durch Religion und Moral veredeltes Herz besäße, —> und um so gefährlicher für die Menschheit, wenn sein Verstand in eben dem Maße aufgeklärt, als fein Herz verwildert und böse wäre. Freunde! Was würde Ihnen all' Ihr bisher mühsam errungenes und noch künf¬ tighin zu erringendes Wissen für einen Werth geben, wenn dabei Ihre Herzen öde und kalt, unempfänglich für's Gute bleiben, nicht auch für das Göttliche in hoher Begeisterung er¬ glühen könnten? — Bewundert könnten Sie wohl werden, wenn Sie die verborgensten Gründe der Wissenschaft vollkommen zu erspähen das Glück hätten; aber auf wahren Menschenwerth wür¬ den Sie verzichten müssen, wenn nicht auch Ihr Her; entflammt wäre für Religion und Tu¬ gend. „Wenn ich spräche der Menschen und der Engel Sprachen, lehrte mit hoher Begeisterung, wüßte alle Geheimnisse, und alle Glaubens¬ kraft hätte, hätte aber die Liebe nicht; so wäre ich ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle." (I, Kor. 15, 1 — ?l.) 7 So wenig das Licht der Sonne ohne die Warme derselben für die Erde erquickend sein könnte; so wenig kann das Licht im Kopfe ohne die Wärme im Herzen für den Menschen gedeihlich sein, — und so bleibt es wahr: »Nie kann der Mensch das hohe Ziel seiner Bestim¬ mung erreichen, nie der Studierende seinem Berufe entsprechen, wenn nicht Verstand und Wil¬ le in schöner Harmonie stehen, durchreligiös-moralischen Sinn." Darum, junge Freunde! den¬ ken sie an die Worte des Apostels: »Ich bitte euch denn, wandelt würdig des Be¬ rufs, wozu ihr berufen seid," (Exhes. a. 1.) ll. „Jüngling! bilde deinen Kopf; vergiß aber dabei nicht dein Herz zu veredeln durch Religion und Tugend!" Dieß fordert die Familie. Ehristlichgcsinnten Familien liegt gewiß alles daran, daß ihre studierenden Söhne wachsen an Wissenschaft und Religiosität. Wenn gute Aeltcrn ihren Sohn aus dem väterlichen Hause entlassen, um ihn seiner Bildung wegen einer öffentlichen Lehr- und Erziehungsanstalt anzuvertrauen; so sprechen sie laut oder im Herzen zu ihm: „Sohn! werde verständig und kcnnt- nißreich ; bleib' aber auch gut und tugendhaft, habe Gott vor Augen und werde täglich noch besser ! Würde bei allen gesammelten Kenntnissen dein Herz verdorben, v dann würdest du uns tief kränken und vor der Zeil ins Grab stürzen." In der frohen Erwartung, daß der Sohn diesem heißesten Wunsche der Aeltern, in den das ganze Haus mit einstimmt, entsprechen werde, — in dieser Erwartung sorgt dec Vater für ihn, wie für seinen Augapfel, achtet keine Mühe, arbeitet unverdrossen, bricht sich selber Manches ab, um etwas zu erübrigen, damit nur der Hvfnungsvolle nicht darben möge. — In dieser süßen Erwartung opfert die zärtliche Mutter manches Vergnügen, wachet und arbeitet, um den Jnniggeliebten seine Tage froher und seine Laufbahn leichter zu machen. — In dieser süßen Hofnung lassen sich alle Geschwister gerne einen Abbruch gefallen, tragen des Tages Last und Hitze und opfern dem studierenden Lieblinge willig ihre Sparpfenninge. Manche Familie ist auch wirklich so glücklich, ihren sehnlichsten Wunsch an ibrcm Studierenden erfüllt zu sehen. Da schwebt mir vor Augen der brave Jüngling , der herrschen gelernet Hal über seine Sinne und sein Herz zuerst, dann über die Thvrheiten des Zeitalters, über die fortreißenden Beispiele seiner Jugendgenosscn und über alle Reitze des Bösen. Der Werth seiner Unschuld war ihn» über alles heilig und fest schloß er sich an die treue Freundinn jedes guten Menschen, an die ehrwürdige Religion an, wohl überzeugt, daß der Geist dec Weisheit nur in eine reine Seele komme; mit warmer Andacht bei den Uebungen der Religion war sein Gott in seinem Herzen und auf seinen Lippen; treu befolgte er Jesus heilige Lehren und bcilsame Gebote der katholischen Kirche; voll Liebe zu Gott und den Menschen, demülhig und bescheiden lehrte er in seinem Betragen das große Axiom: „Die Tugend hat mehr wahre Freu¬ de, als der Sünder bei all' seinem Sinnenrausche jemals träumen kann." — „Selig (sprick't dcr Weise)- de r d j e B ü rd e des Lebens, das Joch der Tugend von frühen I a b- ren an tragen gelernet.« — „Er wird es erfahren (spricht Ehristus), daß mei¬ ne Bürde leicht, und sanft mein Joch sei." 8 O Freunde! erkennen Sie sich in diesem Bilde? Jst's ein Spiegel, vor dem Sie sagen können: „Ich sehe darin mein Angesicht?" — Glücklicher! wenn du das in Wahrheit von dir sagen kannst! o dann ist dieses geendigte Schuljahr reich für dich an Prämien —> an ewig blühenden Ehrenkränzen — dich wird der Himmel segnen — und freuen werden sich an dir die Lieben, die für dich sorgen, und deren Herzen du lieb und thcuer bist,' — freuen wirst auch du dich in ihrer Milte, weil „du wandeltest würdig des Berufs, wozu du berufen bist." Bleibe standhaft in dem, was du so rühmlich begonnen : „Ehre deinen Vater und deine Mut¬ te r! so lautet jenes Hauptgebot mit einer Verheißung: damit es dir wohlgehe, und du lange lebest auf Erden." (Ephes. 6. 2, Z.) „Wer seinen Vater hoch achtet, der wird langclebcn; werseine Mutter ehrt, macht sich umEott verdien t." (Sir. 5.) „Ein weiser Sohn macht seinem Vater Freude." (Sprüchw. 10. 1.) Wären doch alle Studierenden so edelgesinnt und tugendhaft, daß sie ihren guten Aelkern Freude machten! Aber da schweben mir auch unglückliche Familien vor Augen, die mit Sehnsucht Wo¬ chen und Tage zählen, bis der geliebte Sohn endlich wiederkehrt in das väterliche Haus; denn gut gebildet hoffen sie ihn wieder zu sehen und umarmen zu können; — und nun kommt er — wild und entartet zurück! Er ist so verständig geworden, daß er von Allem schön und fertsg zu sprechen, aber auch ein Lügengewebe über das andere anzulegen weiß, um sich für das verschwendete Geld schuldlos zu lügen. Er hat sich so gelehrt studiert, daß er über alles abzusprcchen und alles lächerlich zu machen versteht, was ihm noch vor wenigen Jahren heilig und ehrwürdig war. Er hat sich so fein gebildet, daß er die stille Sittsamkeit, die ihm so wohl anstand, für kindisch oder abergläubisch, — daß er den freudigen Gehorsam und die schweigende Ehr¬ furcht, die ihn so liebenswürdig machten, für ein Sclavenjoch hält, das im reifer» Alter müsse abgefchüttelt werden. Mit trotzigem Blicke und frecher Geberde reißt er alle Schranken der Ordnung und des Wohlstandes nieder, und ist nun der allgemeine Schmerz und Kummer des Hauses gewor¬ den — er, der vor noch nicht langer Zeit der ganzen Familie größte Freude, süßeste Hosnung und schönster Trost war. „Ein thörichter Soh n ist seiner Murter Gram." (Spr. 10.1.) „Des Vaters Kummer ist ein thörichter Sohn." — „Wer seinen Vater verläßt, ist wie ein Gotteslästerer, und wer seine Mutter erzürnet, der ist von dem Herrn verflucht.« (Sir. 3. 1.) O meine Theuern! es ist der schwärzeste Undank, es ist himmelschreiendes Verbrechen, eine besorgte Familie durch verderbte Sitten so tief zu kränken. Fände sich hier Jemand, den diese Schilderung träfe, dem könnte ich nichts geben, als mein Mitleid, und dabei den heißesten Wunsch hegen: „Er möchte doch zur Besonnenheit zurückkehren und wieder werden, was er ge¬ wesen — die Freude und der Trost seiner guten Familie! er möchte genesen von seinen Thor- heitcn, ablegen seine schändlichen Gewohnheiten, zerreißen die Bande der Sünde, und ftnie schönen Tugendjahre der Religion und Tugend weihen !" „Dann werden über ihn die Engel des Himmels feiern ein Freudenfest." (Luc. 15. io,) 9 III. „Jüngling! bilde deine» Kopf; vergiß aber dabei nicht dein Herz zu veredeln Lurch Religio» und Tugend!" Dieß fordert von dir auch das Vaterland. Der Staat hat Lehranstalten errichtet und forgt mit väterlicher Großmuth für Ihre intellectuelle und moralifche Erziehung, in dec sichern Erwartung, daß Sie einst als Männer in den öffentlichen Acmlern kräftig zu feiner Wohlfahrt Mitwirken werden. Das Vaterland fordert von Ihnen, damit Sie seiner gerechten Erwartung ent¬ sprechen mögen, erstens, „jene patriotische Gesinnung, die sich der rechtmäßigen Obergewalt mit vollkommener Ergebenheit unterwirft." Dieser vollkommenen Ergebenheit aber steht ein mächtiger Feind entgegen, den je¬ der Mensch in sich selbst trägt, nämlich — die „Unabhängigkeitssucht" jedes Einzelnen, dir sich keiner höhern Macht unterwerfen, sondern schrankenlos selbst gebieten will. Diesen Feind aber zu besiegen, kann Sie alle wissenschaftliche Bildung an und für sich nicht tüchtig machen. Vielmehr geschieht es häufig, besonders in unfern Zeiten, daß gera¬ de das bloße Wissen in manchen Köpsen jenen tollen Schwindel erzeugt habe, der durch Spitz¬ findigkeiten und Machtsprüche einer übelverstandenen Freiheit die Grundpfeiler der Staaten wankend zu machen sucht, oder schlau genug ist Schcingründe aufzufinden, um wenigstens In¬ dividuen von der Unterthanspflicht loszusagcn in Fällen, wo der Wille der rechtmäßigen Ober¬ gewalt mit ihren Neigungen im Widerspruche steht. Erst dann, wenn uns ein höheres Wort in die Seele tönt: „ Men sch! der Fürst repräsentirt auf dem Throne die Gottheit." „Das Schwert, das er in seiner Hand hält, trägt er im Namen Gottes." „Wer sich dem Regenten widersetzet, widersetzet sich der Gottheit selber", — und wenn wir vom religiösen Gefühle getrieben dieses Wort als Gottes Stim¬ me hören und achten; — erst dann ist die Sophistik der Leidenschaften mit ihrem wilden und gesetzlosen Gefolge entwaffnet und besiegt. Mo man sich bemühet Ehrfurcht für die Religion, für die Gesetze, für die Obrigkeiten zu erwecken, dort verschwinden auch die Grundursachen zeder Uneinigkeit — der Egoismus und die Hoffart. In jenem wahrhaft göttlichen Codex der Paulinischen Jurisprudenz (Röm. XIII. 1. — '.) findet der Untcrthan die rechte Lebensweisheit gegen die Obrigkeit bezeichnet; er findet darin die sittliche Nothwsndigkeit die höchste Gewalt anzuerkennen durch Ehrfurcht, Ge¬ horsam und Treue: „Sepd unterthan nicht bloß um der Strafe willen, sondern auch des Gewissens wegen" —; findet den Charakter der Zrreligion in je¬ der Widersetzlichkeit gegen die Obrigkeit: „Wer sich wider die Obrigkeit setzet, der setzet sich wider Gott." Das Vaterland fordert von Ihnen, damit Sie seiner gerechten Erwartung ent¬ sprechen, zweitens „jene patriotische Gesinnung, welche die besonder» Pflichten jedes Standes und Berufes mit fester Treue erfüllet, — mit einer Treue, die jede, auch die schwe- reste Last muthig forltragt, wenn sie der Beruf auflcgt," (Sxhertatien a» die akadem. Iüngl. re.) 2 !N Dieser festen Berufstreue aber stehen zwei Triebe feindselig entgegen, die mit dem Menschenherzen wie zusammen gewachsen sind , nämlich — der „Eigennutz" , der immer nur sich und seinen Vortheil im Auge behält, und dem Ganzen kein Opfer bringen will, — und die „Weichlichkeit oder Gemächlichkeitsliebe", Sie nur immer auf Blumenwegen dahin tändeln mochte, und vor den Dornen zurückbebt, welche unter die Blumen gemengt sind. — Diese zwei gewaltigen Triebe kann die bloß gelehrte Bildung — ohne religiös-moralische Bildung — an und für sich nie in Ordnung bringen. Erst wenn uns ein höheres Wort anspricht: „ M e nsch! l e r n e deine P r i v a t v o r t h e i l e vergessen!" „Opfere dem Ganzen das Einzelne!" „Sei ein treuer Mann, wo du i m m er st e h e n m a g st; Treue ist deine heilige Pflicht im größten, wie im geringsten Kreise, und in diesem, wie in jenem bist du gerade so groß und ehrwürdig, als du treu bist", — und wenn wir vom religiösen Gefühle durchdrungen dieses Wort als Gottes Stimme hören und achten; —- erst dann haben wir Kraft und Muth jene zwei Triebe dem Berufe und der Wohlfahrt des Ganzen zu unterwerfen. Wenn wir alle Stände betrachten, so werden wir diese feste Treue nur dort und in dem Maße antreffen, wo und in welchem Maße der höhere Sinn für Religion und Tu- gend lebendig und herrschend geworden sepn wird. Dieser höhere Sinn muß den civilisirten Gewccbsmann und Künstler beseelen, wenn er seinem Nachbar mit Recht und Billigkeit begegnen soll; —> außerdem wird er sich, wenn es sein Vortheil heischt, das größte Unrecht und den niedrigsten Betrug erlauben. Dieser höhere Sinn muß dem verständigen Rcchtsgelehrten jene heilige Gewissen¬ haftigkeit ins Her; legen , die ihn zum Beschützer der bedrängten Menschheit macht; — sonst wird er das Recht der gedrückten Unschuld um Gold hingeben und bei dem Jammer des hülflosen Elendes ungerührt bleiben können. Dieser religiös-moralische Sinn muß dem geschickten Ärzte jenes Menschlichkeits¬ gefühl einflößen, welches im Armen, wie im Reichen, im Niedern, wie im Hohen den Men¬ schen und Bruder ehrt; — widrigenfalls wird ihm Menschenleben und Gesundheit für eine Lustparthie oder für seine Launen feil stehen, oder ec wird Fleiß und Mühe nur nach dem Maße des Lohnes abmessen. Von diesem höhern Gefühle für Gott und Pflicht muß der gebildete, kenntnißrei- che Religionslehrer durchdrungen scyn, damit er überall, wo seine Stimme ertönt, Religion und Tugend begründe, — Leben und Seligkeit bringe; — sonst ist er ein Wesen ohne Sinn und Bedeutung; verbreitet Kaltsinn und Gleichgültigkeit gegen das Heiligste; schwächt, wo er stärken; zerrüttet, wo er ordnen soll, — und bringt Tod und Verderben. So heillos ist der einzelne Mann in jedem Stande, wenn.ihn bei seiner hohen Nerstandesbildung nicht der Sinn für das Religiös-Moralische, — für das Göttliche begei¬ stert. Und so kann das wahre Glück des Vaterlandes nur in dem Grade blühen, in welchem die Triebräder der Staatsmaschine vom Geiste der Religion und, Moralität in Bewegung gesetzt werden. So bleibt es denn wahr, meine Freunde! daß alle gelehrte Bildung an und für II sich nicht im Stande sei) weder Ihr eigenes Wohl zu gründen, noch auch Männer aus Ihnen zu erziehen, mit welchen einst der Wohlfahrt des Vaterlandes gedienet seyn könnte. Wollen Sie der menschlichen Vollendung schönste Stufe ersteigen; so streben Sie durch harmonische Bildung Ihrer sämmtiichen Kräfte für Ihren künftigen Beruf sich die höchste Tauglichkeit zu erwerben. Sie werden einst in Berufskreise treten, wo man an Geist und Herz zugleich große Forderungen machen wird; wie könnten Sie diesen genügen ohne allseitige harmonische Bil¬ dung? Auf Sie wird man hindeuten, wenn Familien oder Vaterland, wenn Staat oder Kir¬ che ins Gedränge kommen. Wie würden Sie diesen Erwartungen entsprechen, wie den Be¬ dürfnissen abhclfen, wie den Gefahren abwchrcn können, wenn es Ihnen entweder an Gei¬ steskraft oder an Herzenskraft mangelte? Wenn Sie hingegen die intellektuelle mit der religiös-moralischen Bildung vereini¬ gen , dann (wir hoffen es) werden Sie einst dem Vaterlande dienen mit der Liebe des Sohnes und mit der Treue des Helden; — wenn sich Gutes im Vatcrlande regen wird, so werden Sie bereit sein es zu unterstützen mit Kopf und Herz; — wo sich Böses regen dürfte, da werden Sie keine Hände dazu biethen, vielmehr dagegen wehren mit aller Kraft, — und so auch hier „würdig wandeln des Berufs, wozu Sie berufen sind.« Und trauen werden Sie es der ewigen Gerechtigkeit zu, daß ihre Rechte auch in der Zeit schon, über kurz oder lang ihren Vcrgcilungsstab schwingen werde, so wie ihr allsehcndes Auge nie schläft und nie schlum¬ mert! - Nun sehen Sie, Akademiker! daß die Hauptsache — der Endzweck alles Studiums immer dieser sei, daß in demselben Maße, in welchem sich ihr Verstand erweitert, auch Ihr Herz veredelt werde durch Religion und Tugend. Dazu — zu diesem Endzwecke alles Studiums — fordert Sie Ihr eigenes Herz auf, wenn Ihnen anders Ihre Ruhe und Ihr Glück Werth und theucr sind. Dazu fordert Sie Ihre Familie — Acltern, Wohlthätcr und Freunde — auf, wenn Ihnen anders die Opfer der Liebe und die Thränen des zärtlichen Kummers nicht gleichgül¬ tig sind. Dazu fordert Sie das Vaterland auf, wenn es Ihnen anders daran liegt einst im schönen Bunde mit allen guten Patrioten das Heil der Nation nach allen Kräften zu fördern. Dazu fordert Sie auf die hohe Fürstcnhuld unsers allgeliebten Monarchen Kaisers Franz I., dessen weise, die Studien betreffenden Gesetze während Seiner bei¬ nahe zwei und vierzigjährigen glorreichen Regierung alle dahin zielen, daß die studierende Jugend nicht nur wissenschaftlich, sondern vorzüglich religiös-moralisch gebildet, — fromm und gottes¬ fürchtig erzogen werde. (Zu diesem Zwecke haben erst neuerlich Seine apostolische Maje¬ stät durch allerhöchste Entschließung vom 2Z. Februar l. I. allen betreffenden Behörden zur strengsten Pflicht zu machen geruhet, darauf zu sehen, daß in allen Eonvicten, Akademien, öffentlichen und Privat-Lehranstalten auf Sittenrcinheit der studierenden Jugend das sorgfältig¬ ste Augenmerk gerichtet werde.) Dessen weise Gesetze in Beziehung aus die höhern Jugend-Bil- 12 bungsinstitute vorzüglich berechnet sind auf ollseitige Cultur des Geistes durch Vereinigung des Glaubens mit der Wissenschaft, der Religion mit der Philosophie, des Gehorsams mit der mo¬ ralischen Freiheit, mithin auf Förderung des wahren Menschen- und Christenlebcns. Dazu fordert Sie Gott selbst auf, dessen Summe durch alle diese Organe in Ihre Seele ertönet. Wie in Gott Vernunft und Wille, Weisheit und Heiligkeit nur Eins sind; so soll auch bei Ihnen Verstand und Herz immer nur Eins seyn, — und während jener das Licht spendet, darf dieses die nölhige Wärme niemals versagen, — während der Verstand durch Gottes Offenbarung erleuchtet die Bahn des Rechtes und der Tugend erkennt, darf der Wille keine schiefe Richtung sich erlauben! „Ich bitte euch denn, wandelt würdig des Be¬ rufes, wozu ihr berufen seid." Akademiker! Jetzt mögen Sie mit redlichem Gemüthc die Fragen an sich stellen: »Ist in dem vollendeten Schuljahre auch die Hauptsache gethan, ist der Endzweck alles Studiums erreicht worden? Bin ich auch in dem Grade gesitteter geworden, als ich verstän¬ diger wurde? Hat sich mein Kopf nicht auf Kosten des Herzens gebildet ? Muß ich des Wissens Gut nicht etwa mit dem Herzen bezahlen?" — Sollte Ihnen dann Ihr aufrichtig befragtes Gewissen darauf nicht befriedigend und tröstend erwiedcrn; v so fassen Sie heute den Entschluß, von nun an die Hauptsache als den letzten Zielpunct Ihres ganzen Strebens nimmermehr aus den Augen zu verlieren. Trachten Sie nach Einsicht und Kenntnis; denn es ist etwas Edles um Einsicht und Acnntniß. Ringen Sie nach Wissenschaft; denn es ist etwas Köstliches um Wissenschaft. Forschen Sie nach Wahrheit; denn Wahrheit ist ein hohes Gut der Menschheit. Aber vergessen Sie nicht über dem Edlen das Edelste, nicht über dem Köstlichen das Köstlichste, nicht über dem hohen Gute das größte und höchste Gur der Menschheit. — Dieses Edelste, Köstlichste, dieses größte und höchste Gut der Menschheit ist — „Religion und Tugend hier — und Seligkeit dort bei Gott!« — „Erkcnntniß, Religion und Tugend" — dieses heilige Drei soll das Erste und Letzte Ihres ganzen Studiums seyn. * * * T h e ure Akademiker! Möchten Sie doch durch muthiges Ringen nach dem schö¬ nen großen Ziele: »Erkennlniß im Eintrachtsbandc mit Religion und Tugend" — möchten Sie doch dadurch sich selbst erringen Seelenfrieden, Ihrer Familie Trost und Freude, — sich werth machen Ihres großen Vaterlandes, des herrlichen Kaiserthums Oesterreich; — werth der hohen Fürsten Huld unsers guten Kaisers Franz, — würdig machen des Wohlgefallens Gottes! — „Di- Gottseligkeit ist zu Allem nützlich, Hat Verhei¬ ßung des Lebens, Les gegenwärtigen und des zukünftigen." (I. Timolh. i. 8.) Amen!