William Gifford Palgrave's REISE IN ARABIEN. Aus dem Englischen. Zweiter Band. Mit einem Plane. Leipzig, Dyk' sehe Buchhandlung. 18G8. Inhalt des zweiten Bandes. Seite Kapitel X. Leben in Riad................. 1 Kapitel XL Geschichte der wahhabitischen Dynastie........ 30 Kapitel XII. Der Hof in Riad. — Reise nach Hofhüf....... 69 Kapitel XIII. Von Hofhuf nach Kauf ............ 108 Kapitel XtV. Bahrejn und Katar.............. 149 Kapitel XV. 'Oman................... 189 Kapitel XVI. Die Küsten von 'Oman............. 222 Kapitel XVIL Ein Schiffbruch. — Mascat........... 249 Plan von Hofhuf.....................108 Zehntes Kapitel. Leben in Riad. Erster Patient, Gauhar — dessen Stellung, Charakter und Einfluss — 'Abd-el-Kerhn — seine Geschichte und Charakter — Besuch bei ihm — eine Mahlzeit in 'Aared — Durchräucherung — ' Abd-el-Kerims Familie — grosse und kleine Sünden nach dem mohammedanischen Lehrbegriffe — allgemeiner Glaube — Vielgötterei und Tabakrauchen — 'Abd-el-Kerims Gründe dagegen — Eigenschaften des arabischen Ihbaks — 'Abd-el- Kerim versucht, ohne Bezahlung davonzukommen — der Metow'waa''Abd-er-Rahmän — seine Zimmer, Studien, Pflegebefohlene — der Wahhabi 'Abdel-Latif — seine Geschichte und Charakter — Gottesgericht über Tabakraucher — wahhabitische Strenge und ihre Folgen — arabische Strafen — Mohammed, der Bruder ' Abd-el-Latifs— andere Persönlichkeiten — Abschweifung über arabische Nosologie — Gesundheitszustand Arabiens im Allgemeinen—arabische Heilmittel—Krankheiten—eine Operation — Unterschied zwischen Arabien und der persischen Küste — Gauhars Genesung — unsere Stellung im Palaste — Einleitung in die Geschichte der wahhabiti-schen Dynastie. Seinem Versprechen getreu setzte 'Abu-'Ejsa alle Hebel in Bewegung , unsern Ruf zu verbreiten und uns Patienten und Kunden zu verschaffen. Seine lobenswerthen Bestrebungen entbehrten nicht des Erfolgs, und schon am zweiten Tage nach unserer Uebersiedelung in die neue Wohnung, stellte sich am frühen Morgen ein Kranker ein, der uns wie vom Himmel gesendet kam. Es war kein anderer als Gauhar selbst, der Schatzmeister Fej-sals und des wahhabitischen Reichs. Meine Leser werden sich vielleicht wundern, wenn sie erfahren, dass dieser hohe Würdenträger ein kohlschwarzer Neger war, obwohl kein Sklave, da ihm schon Turki, der Vater des regierenden Königs, die Freiheit geschenkt hatte. Es war ein hochgewachsener und, für einen Neger, selbst schöner Mann, etwa fünf und vierzig Jahr alt, glänzend gekleidet, was reiche Afrikaner, zu welchem Glauben sie sich auch bekennen mögen, nie unterlassen, und trug einen Säbel mit goldenem Heft an der Seite, denn, sagte er, wenn auch Gold als blosser Putz verboten ist, so kann man es doch mit gutem Gewissen zur Verzierung der Waffen gebrauchen. Wie mancher Prediger hat, wie ich glaube, Zeit und Beredtsarakeit umsonst verschwendet, um unseren Frauen grössere Einfachheit der Kleidung zu empfehlen — ich würde ihm vollständig beistimmen, wenn er sein Heil einmal bei den oberen Klassen der Neger versuchen wollte. Welchen Erfolg er erzielen würde, weiss ich nicht, so viel aber ist sicher, dass weder der Engel Gabriel noch der Wah- II. X liabi in dieser Beziehung etwas bei ihnen ausgerichtet haben. In allen anderen Stücken war Gauhar ein prächtiger Kerl, gutmüthig, obwohl etwas hitzig, leicht zu behandeln und zutraulich, wie die meisten „Leute seiner Haut", nach arabischer Redeweise. Die Krankheit, an welcher er litt, war ihm doppelt unangenehm, weil Fejsal ihn eben jetzt in Regierungsgeschäften nach Bahrejn schicken wollte (wo wir ihn später wiedortrafen), was aber bei seinem Zustande durchaus nicht anging. Wenn wir ihn also heilten, so erwiesen wir gewissermassen dem Staate selbst einen Dienst. 'Abu-'Ejsa, ein alter Freund des Schatzmeisters, stellte ihn vor, und Hess ihn, wie sein hoher Rang verlangte, auf einen in dem Hofe ausgebreiteten Teppich treten, wo er sich, nebst einigen anderen reichen und angesehenen Herren neben dem Patienten niedersetzte und eine Lobrede auf meine medicinische Geschicklichkeit hielt, die vielleicht, wenn sie Galen selbst gegolten hätte, einige Berechtigung haben konnte; 3 sie machte aber auf Gauhar den gewünschten Eindruck, da er dadurch Muth gewann und für die Cur selbst geneigter wurde. Nach den gewöhnlichen Oeremonien und dem Katfee nahm ich meinen schwarzen Patienten in das Berathungszimmer, wo ich nach allerlei Fragen und Vermuthungen, denn die Neger sind in der Regel weniger klar und deutlich in ihren Ausdrücken als die Araber, die nöthige Aufklärung über seinen Zustand erhielt. Die Krankheit, obwohl schmerzhaft, war zum Glück der Art, dass sie durch eine einfache Behandlung gehoben werden konnte, so dass ich ihm auf der Stelle versichern konnte, er werde schon in den nächsten vierzehn Tagen eine merkliche Besserung spüren und in drei Wochen so weit hergestellt sein, dass er die Reise nach Bahrejn unternehmen könnte. Ich setzte hinzu, dass ich bei einer so hochgestellten Person nicht daran denken könne, die Höhe eines Honorars für meine Bemühungen zu bestimmen und dies ganz seinem Edelmuthe überlassen müsste. Er nahm hierauf Abschied und liess sich von seinen schwarzen Begleitern wieder in seine Gemächer in den Palast zurückführen. Das Eis war nun gebrochen, und das Vertrauen, welches unser erster Patient seinen Aerzten schenkte, in Verbindung mit seinem hohen Rang und wichtigen Amte, brachte bei Hofe und in der Stadt die beste Wirkung hervor. Es war ein besonderes Glück für mich, dass unser erster Kunde ein Neger war. Die schwarze Rasse, welche an geistiger Fähigkeit und festem Willen dem Araber bei weitem nachsteht, ist zugleipb frei von dem skeptischen Misstrauen und der Eifersucht, welche man bei ihren weissen Mitbürgern fast allgemein findet. Neid ist unleugbar ein Schandfleck im Charakter der Araber, und wer lange unter ihnen gelebt hat, wird aus eigner Erfahrung wissen, dass die häufige Erwähnung und immer vergebliche Verdammung dieser häss-lichen Leidenschaft in der Literatur dieses Landes vollkommen berechtigt ist. Nirgends aber habe ich den Neid so giftig und so allgemein gefunden wie in dem 'Aared. Die nächste erwähnenswerthe Persönlichkeit, welche wir in die Hand nahmen, hatte ein von Gauhar ganz verschiedenes Gepräge; weniger fügsam, weniger dankbar, war sie in mancher Beziehung aber selbst noch wichtiger für unsern Aufenthalt in Riad. Dies war 'Abd-el-Kerim, Sohn Ibrahims, der erst vor Kurzem durch Heirath mit der grossen Familie der Wahhabi verbunden war und sich rühmte, von dem ältesten Adel von 'Aared abzustammen. Selbst ein eifriger Wahhabfte und ein Muster aller orthodoxen Laster seiner Sekte, hatte er in dem ersten Verbände der Zeloten zur Zeit ihrer Gründung, im Jahre 1835, eine hervorragende Rolle gespielt, und der grausame Tod Sowejlims, des letzten Ministers, wurde nach dem allgemeinen Gerüchte diesem Manne zugeschrieben, der seine persönliche Eifersucht und seinen Privathass unter der Maske religiösen Eifers nur wenig versteckte. Man beschuldigte ihn auch noch anderer Handlungen ähnlicher Art, und er war während einer kurzen Ausübung der Macht so allgemein unpopulär geworden, dass die übrigen Zeloten sich genöthigt sahen, seine schwache Gesundheit zum Vorwande zu nehmen, um ihn von seinem Amte zu entfernen. Von denen geehrt, welche ihn für ein Opfer seiner Tugenden hielten, von den gewöhnlichen Sterblichen ge-hasst, lebte er jetzt in der Zurückgezogenheit in dem dritten Quartiere der Stadt. Eine chronische Halsentzündung, die in diesem Klima nicht ungewöhnlich ist, führte ihn jetzt zu uns. Mit freundlicher und bescheidener Miene trat er bei uns ein und hielt, ehe er sein Anliegen vortrug, als Einleitung einen Vortrag, in welchem er sich als einen Meister der islamischen Lehre zeigte. Unter unserem Dache affectirte er eine besondere Zuneigung für die damasceniscbe Schule, erinnerte uns daran, dass der Sohn 'Abd-el-Wahhabs den wahren Glauben in der syrischen Hauptstadt kennen gelernt hatte, und gab auf feine Weise zu verstehen, dass wir ohne Zwotfel von gleicher Orthodoxie und Gelehrsamkeit wären. Es war ein Vergnügen, mit ihm über Gegenstände zu sprechen, in denen er vollkommen zu Hause war, und einige Lobreden brachten ihn bald dahin, dass er uns in manchen Punkten der wahhabitischen Lehren und Sitten unterwies. Endlich kam er aus den abstrakten in die praktischen Regionen herab, und bat mich, seine Brust zu untersuchen. Ich verordnete, was mir nothwendig schien, und er nahm Abschied, aber nicht eher, als bis wir ihm das Versprechen gegeben, sein Haus am nächsten Tage mit unserer Gegenwart bei einer Frühmahlzeit zu beehren. Diese Vertraulichkeit gefiel, aber beunruhigte zugleich Abu-'Ejsa. Sie gefiel, weil der Zutritt in den häuslichen Zirkel eines in der orthodoxen Welt so hochstehenden Mannes für uns in jeder Beziehung eine Empfehlung war; aber sie beunruhigte ihn, weil ihm der verrätherische und böse Sinn unseres künftigen Gastfreundes sehr wohl bekannt war. In der That, dieses letztere Gefühl war so überwiegend, dass er uns den Rath gab, unserm Versprechen nicht nachzukommen. Ich hielt aber nicht für passend, dieser überängstlichen Ermahnung Folge zu leisten. Am nächsten Tage kurz vor Mittag kam 'Abd-el-Kerim persönlich in unsere Wohnung, in einem langen weissen Rocke, sehr einfach gekleidet, mit einem Stocke in der Hand, um uns an unser Versprechen zu erinnern. Wir machten uns auf und begleiteten ihn quer über den Marktplatz und hinter den Palast, durch reinliche Strassen, wo Anstand und Ernst offenbar an der Tagesordnung waren, bis wir seine Wohnung erreichten. Diese war gross; er Hess uns in den Hof treten und & führte uns dann eine lange Treppe hinauf in das zweite Stockwerk, wo wir in einen hübschen und hellen Diwan traten. Ueber der Thür desselben stand mit grossen halbkufischen Buchstaben, die im Neged gewöhnlich sind, folgender Vers des berühmten Dichters 'Omar-ebn-el-Farid: — Willkommen dem, dessen Besuchs wir unwürdig sind, Willkommen der Stimme, welche Freude verkündet nach einsamer Trauer; Heil Dir! fort mit dem Kleide des Kummers; denn wisse, Du bist aufgenommen; ich will tragen, was dich betrübt. Worte, welche an der Stelle, wo sie in dem herrlichen Gedichte, aus dem sie genommen sind, einen asketischen, beinahe christliehen Sinn haben, hier aber die Gefühle der Gastlichkeit und Freundschaft ausdrücken sollten. Wie alle Inschriften im Neged, war auch diese nur gemalt, nicht eingegraben. In dem Zimmer sass Ibrahim , der bejahrte Vater unseres Freundes und Herr des Hauses, nebst einem andern seiner Söhne; mehrere Bücher über Gesetz und Theologie, Abschnitte des Koran, Schreibzeug und ein ziemlicher Vorrath von Schreibpapier lagen theils in dem Diwan herum, theils in den kleinen dreieckigen Nischen, welche in Arabien die Stelle der Bücherschränke vertreten und zeigten, dass hier ein Ort der Gelehrsamkeit und des Studiums war. Hauptstädte setzten in der Regel feinere Sitten und grössere Eleganz des Lebens voraus, als man an anderen Orten findet, und die wahhabitische Strenge hindert nicht, dass Riad der allgemeinen Regel folgt. Eine sehr höfliche Begrüssung und ehrende Aufnahme werde uns von Ibrahim und seiner Familie zu Theil, und einer der Söhne brachte sogleich eine Schüssel vortrefflicher Datteln herein. Als zu der gehörigen Zeit das Mittagsessen erschien, nach vielen Entschuldigungen wegen dessen Einfachheit — »Inr Damascener würdet uns besser bewirthen, wenn wir eure Gäste wären, aber Neged ist arm, die Mittel fehlen uns, nicht der Wille" und dergl. — es enthielt unter anderen Delikatessen ein Gericht, dessen Anblick mich ebenso überraschte als erfreute, weil es deutlich zeigte, dass wir uns der östlichen Küste näher befanden, ein Gericht, welches wahrscheinlich keiner meiner Leser leicht errathen wird, nämlich getrocknete Krebse. Mein syrischer Reisegefährte, der diese Schalthiere noch nie in seinem Leben gesehen hatte, wusste nicht, was er daraus machen sollte; für 6 mich waren es alte Bekannte, die ich willkommen hiess, obwohl unter unvorteilhaften Umständen — weniger frisch und weniger korrekt bereitet, als an den heiteren Ufern der Yare. Auf meine Frage erfuhr ich, dass diese Delikatessen eine regelmässige Einfuhr von Hasa bilden und dass die Fischerei selbst zu Bahrejn gehöre. Aber von den reichen Seeprodukten dieser Insel findet kein anderes seinen Weg so weit landeinwärts; vielleicht, weil man das Einsalzen nicht versteht. Nach dem Essen wuschen wir nnsere Hände mit Potasche und Kali (wovon unser Wort Alkali), dem gewöhnlichen Reinigungsmittel in Neged, und nun folgte die Ceremonie der Durchräucherung. Nicht etwa, dass wir diese hier zum ersten Male durchmachten, denn selbst in Gebel Scbomer wird sie zuweilen geübt und in Sedejr ist sie in täglichem Gebrauche 5 aber ich vergass, sie oben zu beschreiben und ich will daher bei dieser Gelegenheit das Versäumte nachholen. In der That, hier in dem orthodoxen 'Aared ist die Durchräucherung kaum weniger eine religiöse als eine Pflicht der Höflichkeit, da der Prophet selbst mit bestimmten Worten erklärt hat, dass er ein ebenso grosser Freund angenehmer Gerüche sei, als der Frauen, worin er seinen eifrigen Nachfolgern ein Beispiel zur Nachahmung Hess. Nach den Mahlzeiten, selbst bei dem Schlüsse eines gewöhnlichen Kaffeebesuchs, wird eine kleine viereckige Büchse hereingebracht, deren oberer Theil an den Seiten durchbrochen ist, wie Drahtgeflecht, während unten eine Art Henkel oder Stiel angebracht ist, lang genug, um sie anfassen zu können, ohne Gefahr zu laufen, sich die Finger zu verbrennen; der Apparat ist von gebranntem Thon und sieht beinahe aus wie eine über die natürliche Grösse gewachsene vierblätterige Blume. Die Büchse ist oben mit Holzkohlen oder glühender Ithel-Asche gefüllt, und auf diese werden drei oder vier kleine Spähne wohlriechenden Holzes gelegt (wie das, mit welchem wir im vorhergehenden Kapitel den Minister zu unseren Gunsten bestochen hatten) oder Benzoinharz, bis ein dichter Rauch herausströmt. Nun nimmt jeder der Reihe nach das Gefäss und hält es unter seinen Bart (der, beiläufig gesagt, in Neged ziemlich dünn ist), hebt dann die Zipfel seines Kopftuches einen nach dem andern auf, um den Rauch einströmen zu lassen, so dass er Gefahr läuft, wenn er mit der Handhabung noch nicht vertrauter ist als ich selbst, sich die Ohren zu verbrennen; endlich, obwohl nicht immer, öffnet man sogar vorn an der Brust das Hemd, um auch dem übrigen Körper etwas von dem köstlichen Dufte mitzutheilen, der ausserordentlich zähe ist und sich mehrere Stunden lang hält. Nur zwei oder drei Mal sah ich, dass bei dieser Gelegenheit der in Europa gewöhnliche Weihrauch angewendet wurde, welcher wie die Negdäer sagten, aus Hadramaut gebracht worden war. Kehren wir aber zu 7 unserm Wirth zurück. Sein Vater, der alte Ibrahim, konnte sich der ägyptischen Invasion und der Belagerung von Derej'ijah erinnern. Er erzählte uns Manches aus dieser Zeit, was er selbst mit angesehen hatte. Einiges davon werde ich unten in meiner Geschichte der Dynastie der Ebn' Sa'üd mittheilen. Der Name Abu-Nokta, welchen Lascaris' Gefährte in seiner Beschreibung der wahhabitischen Invasion erwähnt, war unserm Erzähler nicht unbekannt, weit höher aber stellte er in militärischer Beziehung einen andern Neger, Namens Härith, von dem wir unten mehr erfahren werden. Der Alte gerieth bei dem Andenken an jene Zeit in Eifer und sah aus, als ob er alle Ungläubigen auf der ganzen Erde lebendig auffressen wollte, und ich glaube auch nicht, dass es ihm an Muth fehlte, denn Feigheit ist kein Fehler der Negdäer. 'Abd-el-Kerim besuchte uns nun fast täglich und auch wir gingen von Zeit zu Zeit zu ihm, bis er ziemlich hergestellt war und unserer nicht weiter bedurfte. Ueber unsere religiösen Ansichten war er, wie ich glaube, nicht im Reinen, und bei seinen Versuchen, uns auszuhor- eben, gab er seine eigenen Ansichten oft sehr deutlich zu erkennen, womit ich ganz zufrieden war. Bei einer vertraulichen Unterhaltung fragte ich ihn einmal, was nach der wahhabitischen Lehre unter den grossen Sünden „Kebej'ir-edU denüb" und den kleinen „Seghej'ir" zu verstehen sei. Meine Leser wissen vielleicht, dass die Mohammedaner die Sünden in zwei Klassen eintheilen, die „grossen", welche in der künftigen Welt bestraft werden, oder dies wenigstens verdienen, und die „kleinen", deren Vergebung leichter zu erhalten und die schon in diesem Leben abge-büsst werden können. Etwas Analoges findet sich auch im Christenthum in der Unterscheidung der Todsünden und der Erlassungssünden. Dass alle von gleichem Gewicht seien, fällt einem Mohammedaner nicht ein, am allerwenigsten einem Negdäer. Gestehen wir einen wirklichen und wichtigen Unterschied zu, so bleibt noch immer die schwierige Frage zu lösen, worin dieser besteht. Bei den christlichen Theologen und Casuisten sind die Ansichten darüber sehr verschieden; nicht weniger bei den Mohammedanern. Manche halten Ungläubigkeit, Vielgötterei oder Nicht-Mohammedaniraus für die 8 einzigen Todsünden — mit einem Worte, Unglauben. Dies scheint Mohammeds eigene Entscheidung gewesen zu sein, und geht aus mehreren Stellen des Koran hervor. Andere, die sich auf gewisse Ausdrücke stützen, die in dem „ Buche " vorkommen, zählen auch Mord und Wucher zu den grossen Sünden; Andere wieder bringen die Zahl auf sieben, vielleicht eine Nachahmung der sieben Todsünden, welche von den Christen speeificirt werden; noch Andere nehmen fünfzig, sogar siebenzig an; und in einem gelehrten Werke, welches ich während meines Aufenthalts in Hamah studirte, waren zu meinem Entsetzen nicht weniger als hundert grosse Sünden aufgezählt. Manche endlich schneiden nach ihrer Weise die Sache kurz ab und erklären, dass Gott allein zwischen Todsünden und Erlassünden zu unterscheiden wisse und dass sein Wille allein Grund und Massstab der Schuld und Strafe sei. Ich muss hier bemerken, dass nach der gewöhnlichen Glaubenslehre des Islam die Strafen der künftigen Welt, sie mögen sein, welche sie wollen, nur für Nichtmohammedaner ewig sind; die Mohammedaner werden zuletzt alle aus dem höllischen Feuer erlöst, entweder durch Fürbitte Mohammeds, oder nach Ablauf einer bestimmten Zeit, oder durch Gottes freie Gnade; alle aber werden früher oder später in das Paradies eingehen und nur die Ungläubigen und Polytheisten in der Hölle zurücklassen. Ein sehr tröstliches Dogma, nach welchem der zukünftige Zustand zwei Abtheilungen zulässt: Fegefeuer für die Mohammedaner, für alle Uebrigen die Hölle. Welche Auslegungen aber auch die Commentatoren geben mögen, Christen, Juden, Götzendiener werden alle als Polytheisten oder Ungläubige gezählt. Schlimm genug für sie; jedoch kein Tadel, denn der Koran lehrt „Gott führt auf den rechten Weg wen er will, und führt in den Irrthum wen er will." Welch eine schreckliche Aussicht! werden meine Leser sagen. Allein zur Rechtfertigung unserer mohammedanischen, insbesondere unserer Negedäischen Freunde muss ich bemerken, dass dieser Glaube nach ihren Vorstellungen nicht so entsetzlich ist, wie er auf den ersten Anblick erscheint; denn in ihrer rühmlichen Unkenntniss der Geographie und Statistik bilden sie sich in der Regel ein, dass die mohammedanische Religion fast in der ganzen Welt herrsche, während andere Religionen in Vergleich zu ihr nur eine sehr kleine Anzahl Bekenner zählen. Dass z, B. Europa christlich ist, wissen sie wohl, aber sie halten es nur für eine Stadt, weder mehr noch weniger, innerhalb deren Mauern sieben Könige — denn gerade so viele, man mag sie 9 zählen wie man will — in einer Art königlichen Käfig eingesperrt sind, um über Krieg und Frieden, Bündniss oder Verträge zu bera-then, jedoch immer mit Erlaubniss und unter den Befehlen des Sultans von Constantinopel. Eine bewundernswerthe geographische und politische Lehre, die mir nicht etwa einmal, sondern mehr als zwauzig-mal in Horns, Bagdad, Mosul und selbst Damaskus vorgetragen worden ist. In Arabien jedoch geht die Wissenschaft, wie man erwarten kann, noch einen weitern Schritt rückwärts, und ich wurde oft ganz in vollem Ernste gefragt, ob es denn überhaupt noch Christen oder andere Ungläubige in der Welt gebe? Aber Niemand zweifelt daran, dass unter den Söhnen Adams wenigstens drei Viertheile Mohammedaner sind. Während daher eine unglückliche Majorität von zehn gegen eins zu ewigem Feuer verdammt ist, so ist es doch in ihrem Sinne nur eine kleine, beinahe unbemerkbare Schaar halsstarriger Ungläubiger, die ihre Augen böswillig dem Lichte des Koran verschliesst, das seit langer Zeit den menschlichen Horizont von Osten nach Westen erleuchtet hat. Ein Gedanke, der keineswegs neu ist, aber zuletzt durch ähnliche Absurditäten eindringlich dargestellt wird; gut für die Menschen, dass Gott ihr Richter ist, nicht Menschen. „Der Mensch ist des Menschen schlimmster Teufel", sagt ein indisches Sprüchwort, und wäre das letzte Gericht einem irdischen Richter überlassen, gleichviel von welchem Lande, Religion oder Rasse, die beste nicht ausgeschlossen, so würde der Himmel sehr leer, die Hölle überfüllt sein. Jedoch Viele, sehr Viele von denen, welche ich nicht anders nennen kann als „Mohammedaner dem Namen nach" und namentlich solche, welche ein wenig weiter gereist sind als die Anderen, und etwas mehr von den Dingen dieser Welt gesehen haben, als das, wovon die korrekte mohammedanische Philosophie träumt, haben, freilich in ihren innersten Gedanken, andere und wahrscheinlich vernünftigere Ansichten. Zu diesen gehören auch die zahlreichen Anhänger der arabischen mystischen Schule, die, in Uebereinstimmung mit Ebn Farid, meinen, dass „wenn die Moschee mit Versen des Koran erleuchtet ist, die Kirche durch die Worte des Evangeliums keineswegs verfinstert werde", und einige Zeilen weiter: „es ist keine Sache zum Spassen und Gott hat alle diese Wesen nicht geschaffen, damit sie weggeworfen werden, wenn auch ihre Handlungen und Wege nicht immer genau die besten sind." Ja ich habe orientalische Logiker gehört, welche so weit gingen, dass sie die Erscheinungen erklärten, welche beschränktere Köpfe und Herzen in Verlegenheit setzen oder zur Unverständlichkeit trei- 10 ben, indem sie sagten, „nach Allem muss das Gericht in Verhältmss zu der Kenntniss stehen, und positive Gesetze und Glaubenssätze können für die, welche sie nicht kennen, nicht bindend sein; die Oblie- genheiten eines Menschen sind nach seinen Mitteln zu bemessen, und wer recht handelt, wird darnach gerichtet werden", und Aehnliches. Aber solche Grundsätze stehen in direktem Widerspruche mit der mohammedanischen Orthodoxie und der Lehre des Koran, und Diejenigen, welche sie haben, können nicht als Beispiele des Islam gelten, sondern als Ausnahmen, oder vielmehr als Gegner. Da mir die Verschiedenheit der Meinung unter den gewöhnlichen Mohammedanern hinsichtlich der Zweitheilung der Sünden bekannt war, so war ich sehr begierig zu erfahren, wie ein Wahhabit die Sache angreifen würde. Meine Leser werden begreifen, dass die Antwort auf diese Frage ein nicht geringes Licht auf den sittlichen Charakter der Sekte werfen müsse; vielleicht der wichtigste Punkt, wo es sich um nationale Glaubenssätze handelt. Ich drückte also meinen gelehrten Freunden die grosse Gewissensangst aus, in der ich mich befand, aus Furcht, mich „grosser Sünden" schuldig zu machen, wenn ich glaubte, nur „kleine" zu begehen; dass ich die Lehrer im Norden sehr abweichend und ungenügend in ihren Antworten gefunden, dass ich aber jetzt, in den frömmsten und rechtgläubigsten Städten und in der Gesellschaft der gelehrtesten Freunde (wobei ich bescheiden auf ihn blickte), hoffe, mein Gemüth zu beruhigen und ein für allemal über einen so wichtigen Gegenstand ins Reine zu kommen. 'Abd-el-Kerim zweifelte nicht, dass er einen aufrichtigen Schüler vor sich habe und wollte seine Hand nicht zurückziehen, wo es galt, eine Seele zu retten. Mit einem tiefen Seufzer und feierlicher Stimme hob er also sein Orakel an, „die erste der grossen Sünden sei die, einem Geschöpfe göttliche Ehre zu erweisen". Ein Seitenhieb, wie ich bemerken muss, auf die gewöhnlichen Mohammedaner, deren ganze Lehre von der Intercession, sei es durch Mohammed oder 'Ali, von den Wahhabiten auf gleiche Stufe mit dem Götzendienst gesetzt wird. Ein damascenischer Scheikh würde die Zweideutigkeit vermieden haben, indem er antwortete „Ungläubigkeit". „Natürlich", antwortete ich, „eine solche Sünde ist so ungeheuer, dass daran kein Zweifel sein kann. Wenn dies aber die erste ist, so muss es noch eine zweite geben, und welche ist diese?" 11 „Den Schändlichen zu trinken", d. i. auf deutsch, Tabakrauchen, war die Antwort. „Und Mord, und Ehebruch, und falsches Zeugniss?" fragte ich. „Gott ist gnädig und barmherzig", entgegnete mein Freund, d. h. das sind nur kleine Sünden. „Sonach giebt es nur zwei grosse Sünden, Vielgötterei und Tabakrauchen", fuhr ich fort, obgleich ich mich beinahe nicht mehr länger halten konnte. 'Abd-el-Kerim antwortete mit der ernsthaftesten Be-theuerung, dass dies wirklich der Fall sei. Ehe wir diesen Gegenstand verlassen, muss ich noch einige Worte zur Erklärung hinzufügen. Die Antwort über die erste der beiden Todsünden, „Scherk" (buchstäblich „Association", oder Gleichstellung des Geschöpfes mit dem Schöpfer), ist nach der wahhabitischen Lehre, die nichts Anderes ist, als der ächte Geist des Koran, ganz klar. Ich habe in einem der vorhergehenden Kapitel den ächten Begriff der Gottheit, wie er in dem Textbuche des Islam enthalten ist, und jene Alles absorbirende Theokratie, welche Gott zu dem grössten Tyrannen und seine Geschöpfe zu den niedrigsten Sklaven macht, ausführlich behandelt. Ein verhängnissvoller Schluss, aber die unvermeidliche Folge eines pantheisti-schen Verschmelzens aller Handlung, aller Verantwortlichkeit in Gott allein. Nach diesem Systeme kümmert es den grosren Autokraten sehr wenig, was das Geschöpf thut, wie es seine Zeit hinbringt, ob es mordet, stiehlt, Meineide schwört oder nicht, so lange nur das heilige Recht seiner höchsten Monarchie unangetastet und gehörig anerkannt wird. Der Tyrann ist zufrieden mit dem Sklaven, wenn der Sklave sich nur als solchen anerkennt; weiter verlangt er nichts. Mit dieser Theorie stimmt die Praxis vollkommen überein. Zwischen Gott und dem Menschen besteht eine Art Compromiss: „Ich", sagt der Mensch, „erkenne dich an, und dich allein, mit ungeteilter Ehrfurcht und Gehorsam, als meinen Schöpfer, Erhalter, Meister und Herrn; um meiner Verbindlichkeit nachzukommen, will ich dir täglich fünf Gebete bringen, bestehend aus vierunddreissig Niederwerfungen, siebzehn Kapiteln des Koran und einer gleichen Anzahl von Verneigungen, nicht zu vergessen, vorhergehende Abwaschungen, partielle oder vollständige, mit häufigen „La Iläh illa Allah" u. s. w.; du dagegen wirst mich während der übrigen Zeit der vierundzwanzig Stunden thun lassen, was ich will, und dich weiter nicht um meine private und häusliche Aufführung kümmern; und nach diesem kannst du nicht weniger thun, als mich in das Paradies einlassen und mich dort „mit Fleisch von Vögeln, gerade so wie der Mensch es wünscht" (Worte des Koran), schattigen Bäumen, Bächen von Nektar und Bechern mit Wein ver-12 sehen, als Belohnung für meine langen Anbetungen, und sollten sie auch hie und da unvollständig gewesen sein, mein Glaube an dich, und dich allein, mit einem guten „La Iläh illa Allah" auf meinem Todtenbett muss vollständig genügen." — Dies ist im Kurzen die ganze Lehre des orthodoxen Islam. Und von der Ratification dieses Vertrages durch die Gottheit selbst ist der Muslim versichert durch das vom Himmel gesendete Versprechen im Koran „Gott wird sicherlich nicht verzeihen, dass ein Anderer ihm gleichgestellt wird, aber er wird sonst Alles verzeihen, wem er will"; nämlich denen, welche sein Wille auf den geraden Weg zum wahren Glauben geführt hat. Aber gewöhnliche Mohammedaner können wohl erstaunt sein, hier neben der ersten noch eine zweite Todsünde genannt zu finden, die eben so schlimm ist als die erste. Und warum gerade das Rauchen? Um so mehr, da nach dem ganzen Systeme Alles, was der Mensch thut, Gott selbst thut, folglich das Rauchen nicht weniger das Resultat des göttlichen Rathschlusses und unwiderstehlichen Antriebes ist, als Diebstahl und Mord. Hier erhalten wir wieder die bündige Antwort: „Gott hat es so gewollt". Und wer wollte dem unbeschränkten Herrscher das Recht ableugnen, für schuldig zu erklären wen er will und zu bestrafen wie er will? Bei gewöhnlicher Prüfung muss jedoch noch ein anderer Grund angegeben werden, namentlich wenn die Frage von Jemand aufgestellt w^rd, der nicht vollständig in die Lehren der Sekte eingeweiht ist. Aus diesem Grunde bat ich 'Abd-el-Kerim sehr bescheiden, mir zu erklären, worin denn die besondere Verwerflichkeit der Tabaksblätter bestehe, damit ich sie in der Folge desto mehr verabscheuen und vermeiden könnte. Ich will seine Gründe hier mittheilcn und dann hinzufügen, was ich selbst für einen in der wahhabitischen Theorie bei weitem entscheidendem Grund halte, als irgend einen der von 'Abd-el-Kerim angeführten. Er begann nun seine Belehrung und sagte, erstens, seien alle berauschenden Substanzen durch den Koran verboten; der Tabak sei eine berauschende Substanz, folglich sei er verboten. Ich gab zu verstehen, dass er doch wohl nicht berauschend sei, und berief mich auf die Erfahrung. Zu meiner Ueberraschung aber hatte mein Freund ebenfalls die Erfahrung für sich und führte sogleich die 13 abschreckendsten Erzählungen an von Leuten die nach einem einzigen Zuge aus der Pfeife berauscht worden und Andern, die durch Genuss des Tabaks in einer beständigen viehischen Berauschung seien. Diese Erzählungen entbehrten auch nicht so ganz alles Grundes, wie man wohl glaubten könnte. Wenn überhaupt, so kennt man im südlichen Neged nur eine einzige Sorte Tabak, die in 'Oman wächst und ausserordentlich stark ist. Ich selbst musste mehr als einmal über die ausserordentliche narkotische Wirkung erstaunen, als ich ihn in den Kaffeehäusern in Bahrejn und den K'häwahs in Sohar versuchte. Ohne Uebertreibung könnte man seine Kraft durch die analogen Symbole XX, sogar XXX darstellen. Dennoch wollte ich diesen Grund nicht zulassen; übrigens hatte ich damals die Sorte Tabak, welche er meinte, noch nicht erprobt. Ich entgegnete also, ohne die Genauigkeit der von ihm angeführten Thatsachen im geringsten in Zweifel zu ziehen, dass diese wohl nach Allem nur als Ausnahmen oder unglückliche Idiosyncrasien anzusehen seien, und dass man in den so wenig von dem wahren Lichte des Glaubens erleuchteten Gegenden des Nordens täglich mit tiefem Bedauern Viele dem Genüsse des „Schändlichen" fröhnen sähe, an denen sich keine deutlichen Symptome der Trunkenheit zeigten. Aber mein Lehrer wandte das Spiel gegen mich, indem er kühn behauptete, die Berauschung sei die Regel und Nichtberauschung die Ausnahme. „Ganz eben so", setzte er hinzu, „wird Mancher Wein trinken, ohne besonders davon erregt zu werden, sein Beispiel aber hebe nicht das absolute Verbot dieses Getränks auf, welches auf die gewöhnliche Wirkung des Weins begründet dei." Darauf hielt ich natürlich für das Beste, dagegen nichts mehr einzuwenden, da ich fürchten musste, einen allzu umfassenden Vordersatz meines Syllogismus aufzustellen, der mich in den Verdacht bringen konnte, dass ich auch den Wein verthei-digen wollte. 'Abd-el-Kerim mochte, wie die meisten Sophisten, im Innern wohl fühlen, dass sein erster Grund nicht ganz überzeugend sei, und brachte nun noch einen andern, der auf Tradition gegründet war. Diese Autorität lehrt uns, dass Mohammed, warum und wo erinnere ich mich nicht, seinen Anhängern erklärt habe, dass Alles, was vom Feuer angebrannt oder versengt sei, als Nahrungsmittel zu geniessen ungesetzlich sei. Dies ist vielleicht ein Grund, weshalb man im Neged das Fleisch allgemein gekocht geniesst, mit Ausschluss alles geschmorten oder ge- bratenen, — wenn nicht UnkenntnisB der Kochkunst die wirkliche Ursache ist. Wie dem aber auch sei, das Verbot ist da, und es bliebe nur zu beweisen, dass es sich auch auf den Tabak erstreckt. Dazu aber 14 genügt hinlänglich, dass die Araber trinken und rauchen mit demselben Wort „schareba" ausdrücken. Diesem Argumente setzte ich den Gebrauch der Räucherungen entgegen, die in Neged so gewöhnlich und dem Propheten so angenehm seien. Aber vergeblich, denn auf diese lässt sich das Wort schareba nicht anwenden. Ich führte nun das „Mellah" an, ein in glühender Asche gebackenes oder vielmehr gebranntes Brod, welches wir schon oben kennen lernten und das in ganz Neged gewöhnlich ist. Dagegen Hess sich allerdings nichts einwenden, und 'Abd-el-Kerim kam nun wieder auf die berauschende Eigenschaft des Tabaks zurück. Was aber, werden meine Leser fragen, ist nun das wirkliche Motiv zu dem scheinbar willkürlichen Banne, mit dem der Wahhabäis-mus den Tabak belegt? Wir haben es nicht weit zu suchen; die Lei denschaft für Sektenunterschiede erklärt Alles vollständig. Die frühere Geschichte der wahhabitischen Sekte, die im ersten Bande erzählt ist, wird, wie ich glaube, meinen Lesern hinreichend gezeigt haben, dass die Idee der Aggression und Eroberung Mohammed-ebn-'Abd-el-Wahhäb und seinem Schüler Sa'üd nicht weniger vor Augen war, als die des Dogma und Proselitismus. Beide, Sa'üd aber vielleicht noch mehr als Mohammed, hatten nicht nur die Gründung einer Sekte, sondern eines Reiches im Auge; nicht allein die Bekehrung, sondern die Unterjochung ihrer Nachbarn. Der Wahhabi und Sa'üd waren die vereinigten Apostel des Islam, und mit dem Islam ist nothwendig das Schwert verbunden. Um aber auf diesen Weg zu kommen, brauchten sie einen geziemenden Vorwand, und zugleich eine unzweideutige Handhabe, um ihre Partei von allen übrigen zu unterscheiden. Das Bekenntniss der Einheit Gottes, die regelmässige Verrichtung von Gebeten, die mit denen aller übrigen Mohammedaner beinahe identisch sind, etwas grössere Einfachheit der Kleidung, einige fromme Redensarten und niedergeschlagene Augen konnten nicht hinreichen, weder für den einen noch den andern Zweck, konnte weder das Schwert rechtfertigen, noch die, welche es zogen, genügend von denen unterscheiden, gegen die es gezogen wurde. Die Mehrzahl der von den Wahhabiten angegriffenen Bevölkerungen konnte mit Recht entgegnen, „wir sind eben so gute Mohammedaner wie ihr selbst, es ist kein Unterschied zwischen uns; mit welchem Rechte, unter welchem Vorwande könnt ihr eure Brüder angreifen, tödten und zu Sklaven machen?" Man brauchte noch irgend etwas Anderes, und der Tabak 15 gab dem Wahhabi einen passenden Vorwand. Dass der Gebrauch desselben allgemein war, war sicher; dass er auf irgend eine Weise dem ächten Geiste des islamischen Codex entgegen war, war nicht weniger sicher. Die Menschen urtheilen oft richtig, selbst wenn ihre Gründe nicht folgerichtig sind. Die von 'Abd-el-Kerim angeführten Gründe sind, selbst vom mohammedanischen Standpunkte, durchaus nicht triftig genug, um seine Thesis zu stützen. Doch ist es mehr als wahrscheinlich, dass, hätte Mohammed den Tabak gekannt, er den Gebrauch desselben eben so würde verboten haben, wie den des Weins, und aus ganz analogen Gründen. Rauchen ist eine sociale und civilisirende Sitte, es bringt die Männer einander näher (ich fürchte, dass es auf die Frauen gerade die entgegengesetzte Wirkung ausüben möchte) zu Unterhaltung, guter Laune und freundlichem Gedankenaustausch. Er hat überdies, obwohl hauptsächlich eine beruhigende, doch auch noch genug stimulirende Wirkung, um ihn mit Wein und geistigen Getränken in einen Kreis zu bringen. Endlich ist er nicht mit inbegriffen in die einzige Erholung, welche Mohammed seinen Nachfolgern in den Zwischenräumen zwischen Kampf und Gebet gestattet. Die Wahhabiten sind daher consequent und logisch in ihrer Antipathie gegen diesen Genuss, und wir müssen auch zugeben, dass wenige handgreiflichere Vorwände zur Einmischung und wenige hervorstechendere Unterscheidungszeichen in dem tabakrauchenden Orient gewählt werden konnten. In der That, die meisten Eingebornen in Syrien, Aegypten, ja den äusseren Provinzen Arabiens selbst,, wenn man sie nach diesen Sektirern fragt, wissen wenig oder nichts Bestimmteres von ihnen zu sagen, als dass sie zu Hause und in der Fremde den Tabak verabscheuen. Nicht dass sie absolut ohne Nachahmer in dieser Aversion sind, obwohl in geringerem Grade; viele strenge oder halb asketische Mohammedaner unter den gewöhnlichen Sonniten, vor allem die, welche zum Ritus des Mäleki gehören, missbiligen den Genuss des Tabaks und halten ihn für etwas, das sich für den wahren Gläubigen nicht schickt, ohne jedoch ihm den teuflischen Ursprung zuzuschreiben oder die ausserordentliche Sündhaftigkeit, die ihn in Neged brandmarken. In Wadi Dowäsir ist der Fanatismus in diesem Punkte wo möglich noch schlimmer als in 'Aared, und dasselbe lässt sich, wenn ich recht berichtet bin, von Gebel 'Aasir sagen. Dieses war an diesem Tage das Resultat meiner Unterredung mit 'Abd-el-Kerim; ich theile sie hier mit als eine Probe verschiedener 16 anderer zu anderen Zeiten. Ich kann jedoch nicht umhin zu erzählen, was nach seiner völligen Herstellung zwischen uns vorging; ein Er-eigniss, woran meine Leser, wie ich hoffe, theilnehmendes Interesse nehmen werden und das eben so charakteristisch für den Mann wie für das ganze Volk ist. Nach etwa drei Wochen waren die Symptome, welche ihn vorher beunruhigt hatten, so weit verschwunden, dass er sich vollkommen gesund fühlte. Zu Anfange der Behandlung hatten wir das Honorar bestimmt, welches er mir für die Cur zahlen sollte, und da nun die Zeit gekommen war, erinnerte ich ihn höflich an seine Verpflichtung. Da der erste Wink keine Wirkung that, folgte ein zweiter und dritter, jeder etwas stärker als der vorhergehende, aber Alles umsonst. Einige der angesehensten Einwohner halfen mir den Ex-Zeloten um Abführung der Stipulation zu drängen. Und da die ganze Summe, um die es sich handelte, nicht mehr als etwa vier Thaler betrug, so war 'Abd-el-Kerims Saumseligkeit eben so lächerlich als filzig. Beschämt, aber noch immer widerstrebend, suchte er ein Mittel, von seiner Verpflichtung loszukommen, das sinnreich, aber kaum glaublich war. Eines Nachmittags sass ich noch ziemlich spät allein in meinem K'häwah, als ein starkes Klopfen an der Thür mich nöthigte, mein Notizbuch bei Seite zu legen. Als ich den Riegel aufschob, traten einige meiner Freunde aus der Stadt ein, deren heitere Mienen mir zeigten, dass sie mir etwas Angenehmes mitzutheilen hätten, und kaum hatten sie sich niedergesetzt, als sie mir erzählten, was sie soeben mit angesehen. Sie kamen eben aus der täglichen Nachmittagspredigt in der grossen Moschee oder Dschämia'. Von dieser Art Predigten habe ich schon bei meinem Aufenthalte in Hä'jel gesprochen; sie ist hier nicht wesentlich verschieden, nur ist die Ceremonie bedeutend länger, die Zuhörer zahlreicher und die Vorlesung oder Predigt kommt zwei- oder dreimal auf gewisse Eigentümlichkeiten der Sekte zurück. Heute, nachdem der Vorleser, ein Metow'waa, seine Sache beendigt hatte, trat 'Abd-el-Kerim auf, um einen freien Vortrag zur Erläuterung des Vorgelesenen zu halten, der hier nie unterlassen wird. Als Thema für seine Rede nahm er die Unwirksamkeit der geschaffenen Mittel, und die Verpflichtung, sein Vertrauen nur auf den Schöpfer allein zu setzen, mit Ausschluss aller Creatur. Dann kam er auf die praktische Anwendung und eiferte gegen Alle, die ihr Vertrauen auf Arznei und Aerzte setzen, und nicht auf Gott allein, und erklärte, dass ein solches Vertrauen erstens ketzerisch und zweitens ein offenbares Missverständniss sei, insofern die einzige wirksame Ursache 17 der Gesundheit oder Krankheit, des Lebens oder Todes, einfach der göttliche Wille sei; Aerzte und Arznei seien nichts in der Sache von Anfang bis zu Ende. Hieraus leitete er eine zweite und sehr richtige Folgerung ab, dass so nutzlose Dinge und Wesen von Seiten des wahren Gläubigen durchaus keine Bezahlung verdienten, weder mit Geld noch mit Dank. Ja, setzte er hinzu, sollte es wirklich den Anschein haben, dass ein Kranker durch ärztliche Mittel Besserung oder seine Gesundheit wieder erhalten habe, so würde eine solche Genesung blosser Zufall sein, durchaus nicht die Wirkung einer Ursache, und der Arzt hätte daher durchaus keinen Anspruch auf eine Bezahlung, da die Heilung nicht ihm zu danken sei, sondern allein Gott, La Iläh illa Allah u. s. w. Zu anderer Zeit und aus einem andern Munde würden diese Lehren theologisch-praktischer Weisheit wahrscheinlich mit Schweigen hingenommen worden sein, oder hätten vielleicht Billigung gefunden. Leider aber war 'Abd-el-Kerim eine zu bekannte Persönlichkeit, und eben so auch ich selbst. Die ganze Nachbarschaft kannte die Geschichte seiner Krankheit, seiner Heilung und Genesung. Die Folge war, dass seinem Vortrage, obwohl dieser an und für sich vollkommen orthodox war, persönliche und nicht eben ehrenvolle Gründe untergelegt wurden und Jedermann den Prediger in Verdacht hielt, dass es ihm mehr um seinen Geldbeutel zu thun sei, als um die Erörterung einer religiösen Lehre. Schon während des Vortrags fehlte es nicht an Winken und Zeichen und als die Zuhörer aus der Moschee kamen, folgten allerlei Commentare und Gelächter, so weit es sich irgend mit dem negedäischen Anstände vertrug. Meine Freunde ergötzte die Sache sehr und zum Schlüsse versprachen sie, 'Abd-el-Kerim am nächsten Tage durch ein oder das andere Mittel in unser Haus zu bringen, und wir verabredeten uns, was wir dann sagen und thun wollten. Sie hielten ihr Wort, und am nächsten Morgen erschien 'Abd-el- Kerim mit verlegenem Blick in zahlreicher Begleitung, unter welcher auch die, welche am Tage vorher bei mir gewesen waren. Nach den gewöhnlichen Höflichkeiten wurde die Rede bald auf den gewünschten Punkt geleitet. „'Abd-el-Kerim", sagte ich, „es kanu keinem Zweifel unterliegen, dass Gesundheit und Genesung allein von Gott kommen und dem Arzte nur geringer Dank gebührt. Auf dieselbe Weise, . nicht mehr und nicht minder, erwarte ich, dass Gott mir so und so viel geben wird" (ich nannte die Summe) „durch Eure passive Instru- 18 meutalität, und wenn ich es erhalten habe, dann auch Euch nur geringer Dank." Alle lachten und fielen über unsern armen Ex-Zeloten her, bis er sich vor Verlegenheit nicht mehr zu helfen wnsste. Mit dem Versprechen, sogleich bezahlen zu wollen, entfernte er sich, und noch ehe es Abend wurde, schickte er durch seinen jüngsten Bruder das Geld, um nicht weiteren Spöttereien ausgesetzt zu sein. 'Abd-el-Kerim aber kam nie wieder über unsere Schwelle, was wir nicht eben bedauerten. Ein bei weitem besseres Beispiel der gelehrten oder halbgelehrten Klasse hatte ich an einem dritten angesehenen Patienten, 'Abd-er-Rahmän, dem Metow'waa' oder Kaplan des Schlosses. Dieser litt seit Jahren an Anfällen eines nervösen Kopfschmerzes und unterlag eben jetzt einem Paroxismus, der ihn zwang, das Zimmer zu hüten, so dass er seine Amtsgeschäfte nicht verrichten konnte. Gauhar, der schon eine Besserung seines Zustande« fühlte und anerkannte, hatte seinem Arzte in dem Palaste schon einen guten Namen gemacht, und auf seinen Rath schickte der Metow'waa' nach mir und Hess mich bitten, sobald wie möglich zu ihm zu kommen. Seine Zimmer, denen Mahbübs gerade gegenüber, waren geräumig und gut möblirt, und enthielten unter andern etwa vierzig Bände gedruckte und geschriebene Bücher über verschiedene Gegenstände. Trotz seiner Schmerzen beobachtete er bei Auseinandersetzung seines Zustandes alle elegante Pedanterie der Grammatik, und als nach einigen Tagen eine geeignete Behandlung seine Qualen gelindert hatte, zeigte er sich als eine sehr interessante Bekanntschaft, ungleich liebenswürdiger und offener als 'Abd-el-Kerim. In seinen Zimmern lernte ich viel von der Geschichte Mosejlemahs, von dem Wahhabi, von dem religiösen Zustande des Neged in älterer Zeit, und Aehnliches; Manches, was ich hier erfuhr, ist bereits in dieser Erzählung mitge-theilt, Anderes wird noch folgen. Ja, der würdige Kaplan wusste ganze Kapitel aus Mosejlemahs Parodie des Koran auswendig, die er mit vollkommener Anerkennung ihres plumpen Witzes recitirte. Er versammelte eine Anzahl junger Studenten der Gottesgelahrtheit und der Rechte um sich, mit denen er in meiner Gegenwart über Fragen der Sittenlehre oder Glaubensätze discutirte, denn 'Abd-er-Rahmän war nicht allein gelehrt, sondern auch sehr mittheilsam, verstand sehr gut zu sprechen und wusste diese blassen und schmächtigen jungen Leute so an sich zu ziehen, dass sie ihn als ihren Führer und Meister verehrten. 19 Eines Morgens sass ich an seiner Seite auf dem „Belas" (einem Teppich von grobem Wollenstoffe) und Viele aus dem Palaste waren zugegen und nahmen an dem Gespräch Theil. Als die Rede auf „Schäm" oder Damaskus kam, ergossen sich, aus blosser Höflichkeit, Alle in Lobreden über die Stadt, die sie für meine Heimath hielten und führten die bekannte Tradition an, nach welcher der Prophet, Gruss und Segen Gottes über ihn] sich vorgenommen, die Hauptstadt Syriens zu besuchen und bereits nahe am südlichen Thore halb von seinem Kamele abgestiegen war, als gerade, da sein gesegneter Fuss den Boden berührte und der andere Fuss folgen sollte, der Engel Gabriel an seiner Seite erschien, um ihm kund zu thun, dass Gott ihm die Wahl lasse, zwischen dem Paradiese dieser Welt und dem der künftigen, und dass, wenn er darauf bestehe, Damaskus zu betreten, er auf die Gärten und Huris des Himmels Verzicht leisten müsse. Der Prophet gab natürlich sein Vorhaben auf, zog die Genüsse der Ewigkeit den Hainen und Gewässern am Barada vor, legte sein Bein wieder über den Sattel und kehrte zurück auf dem Wege, den er gekommen war. Jedoch, zur Beschämung aller Skeptiker und Ungläubigen, ist der Abdruck eines Fusses des Propheten, der den felsigen Boden bereits berührt hatte, unauslöschlich eingedrückt geblieben, und ich selbst habe das Glück gehabt, ihn zu sehen in der • hübschen kleinen Moschee, welche zum Andenken an die Vision und die Wahl nahe am Thore und dem Wege nach dem Haurän erbaut ist. Obwohl allerdings Einige behaupten wollen, dass die fünfzehige. Fussstapfe nicht von Mohammed herrühre, sondern von Gabriel, der in menschlicher Gestalt, aber mit englischer Geschwindigkeit, bei seiner Herabkunft nur mit einem Fusse auftrat. Doch, es sei weit von mir, eine so wichtige Controverse entscheiden zu wollen; meine Leser mögen das selbst thun. Der Fussstapfen mag nun herrühren von wem er will, die Geschichte ist bei den Mohammedanern ein Evangelium, und wurde jetzt zum tausendsten Male erzählt, um uns als vermeintlichen „Schowäm" oder Damascenern ein Compliment zu machen. Aber der Peschäweri Abd-el-Hamid war zugegen und konnte die Sache nicht schweigend mit anhören. Ausser der Eifersucht, welche er gegen uns hegte, und die allein schon genug war, seine Galle zu erregen, war er selbst aus einer der schönsten Gegenden der Welt, in Kaschmir gebürtig und zwischen Hainen aufgewachsen, die ungleich lieblicher sind als die Gärten von Damaskus, und an Flüssen in Vergleich zu denen der Barada ein blosser Wassergraben ist. Endlich war er im Herzen ein ächter Schija'i 20 und das Lob der am meisten sonnitischen unter allen Städten, der alten Hauptstadt der Beni-Ommejah, und des Centrums, auch jetzt, der Feindseligkeit und des Antagonismus gegen seine Sekte, waren Gift und Galle für seine Seele. „Was für Unsinn schwatzt ihr da", rief er in vollem Zorn und Eifer, „irdisches Paradies! irdisches Paradies! wegen ein paar verkrüppelter Bäume und ein wenig schlammigen Wassers! Wie! wisst ihr denn nicht, dass der Prophet und seine Gefährten Beduinen waren, die in ihrem Leben nichts als das dürre Hegäz und die Wüste gesehen hatten? Denen musste es freilich, als sie zum ersten Male nach Damaskus kamen und ein paar Gärten und fliessendes Wasser sahen, vorkommen, als wären sie auf geradem Wege in das Paradies, und desshalb nannten sie es so! Hätten sie mein Vaterland gesehen, sie würden andern Sinnes geworden sein." Alle Augen starrten ihn an, und Allen blieb der Mund offen stehen, und „Astaghfir Allah" (ich bitte Gott um Vergebung) und „La Hab illa Allah" gingen von Mund zu Munde, während 'Abd-el-Haraid jetzt vor Aufregung blutroth, seinem Aerger freien Lauf Hess und kabulische Flüche ausstiess. Wäre er nicht ein persönlicher Günstling Fejsals gewesen, so hätte die Sache eine schlimme Wendung für ihn nehmen können; 'Abd-er-Ralimän aber brachte das Gespräch schnell auf eine andere Bahn und der Ausbruch afghanischer Heftigkeit ging ohne weitere Erörterung vorüber. Es ist nicht nöthig, meine nicht medicinischen Leser mit genauer Erzählung hier häufiger und zum Glück glücklicher Curen zu ermüden. Manche meiner Patienten wohnten in der Stadt, andere waren fremd und in Geschäften nach Riad gekommen; manche waren reich, andere arm; manche Besuche und Mahlzeiten wurden gegeben und erwidert. So fanden wir uns bald in gut mit Teppichen belegten K'häwahs auf Kissen liegend, vor einem prahlerisch aufgebauten Haufen von Kaffeetöpfen, zwei zum Gebrauch und zehn zum Anschauen; ein andermal * in niedrigen, schlecht erleuchteten Zimmern im Erdgeschoss, den Wohnungen der Armen; bald wieder in Gärten, eine Meile und weiter von der Stadt, wohin uns bald Freundschaft, bald unsere Pflicht führte. Die Tage gingen schnell vorüber, und ich müsste mich sehr irren, wenn uns nicht manche prakticirende Aerzte in London um unsern Mangel an freier Zeit oder um die Popularität, welche sie mehr verdient hätten als wir, beneideten. Ich darf jedoch hier 'Abd-el-Latif nicht mit Stillschweigen übergehen, den Urenkel des berühmten Wahhabi, und jetzt Kadi der Hauptstadt, in der That ein auffallend schöner und höflicher Mann, dessen 21 Manieren einen bemerkbaren Anstrich von ägyptischer Civilisation hatten. Er war als Kind mit denen seiner Familie, welche das Schwert verschont hatte, von dem siegreichen Pascha nach Aegypten geführt und dort erzogen worden. Die Gesellschaft von Kairo und der Verkehr mit gebildeteren und weniger exclusiven Menschen als die Bewohner von Neged und Derej'iah insbesondere, hatten ihm eine Leichtigkeit der Unterhaltung und Vielseitigkeit gegeben, die bei einem Kadi von Riad wirklich überraschte und ihn befähigte, sich bei Gelegenheit einer von den Kunstausdrücken und der ermüdenden Tautologie der Sekte, an deren Spitze er steht, freien Ausdrucksweise zu bedienen. Dies war aber nur ein oberflächlicher äusserer Anstrich von Liberalität, die Sprache mochte die eines Aegypters sein, aber Herz und Gehirn gehörten immer dem Neged an, und ich glaube nicht, dass die Gebirge in der Mitte Arabiens einen gefährlichem Mann bergen, als 'Abd-el-Latif, oder einen, der die Fortschritte, die er gesehen und an denen er selbst einen gewissen Antheil hatte, herzlicher hasste als er. Naraik Pascha, 'Ali Pascha, oder jeder andere Pascha, die nach einem Aufenthalte an der Seine oder Donau, an die Ufer des Bosphorus zurückkehren, mit dem bittersten Neide über die Wohlfahrt und Civilisation, die sie gesehen, und die zu erreichen sie die eigene Unfähigkeit fühlen, und aus Hass gegen eine nicht wegzuleugenende Ueberlegenheit entschlossen sind die persönlichen Vortheile und Kenntnisse, welche sie erworben haben, dazu anzuwenden, diejenigen, welchen sie nicht nach- ahmen können oder wollen, zu lästern und zu schimpfen, sind Typen 'Abd-el-Latifs, des Zöglings von Kairo und Oberhauptes der wahhabitischen Zeloten. Er ist die verkörperte Antipathie des Schlechten gegen das Gute, und diese ist wenigstens eben so gross wie die des Guten gegen das Schlechte. Wir waren öfters zusammen, doch beobachtete ich, ungeachtet seiner ausserordentlichen Höflichkeit, immer vorsichtige Zurückhaltung. Dass sein Haus ein Palast war, seine Gärten die grössten, seiner Sklaven eine Schaar, braucht kaum gesagt zu werden; der nächste nach dem König, war er unbedingt die erste Person in der Hauptstadt, und selbst im ganzen Reiche, ja in mancher Beziehung sogar mächtiger als Fejsal selbst. Auch war die oft wiederholte Lehre des Koran „o ihr, die ihr glaubet, warum solltet ihr euch der guten Dinge berauben, die Gott euch vorsetzt?" bei einem nicht verloren, dessen Familie, Rang, Amt und Einfluss ihm die schönste Gelegenheit gaben, Alles zu geniessen, was geniessbar ist. Ich war sehr oft sein Gast bei einer Tasse Kaffee: nach einer, ich weiss nicht welcher, Intonation meiner Stimme hielt er mich nicht für einen Damascener, sondern für einen Aegypter und sprach gern mit mir über das Kasr-el-'Ejni und die 22 Gamia'-el-Azhar. Aber er wusste auch, dass ich ein Christ war und zeigte mir zu geeigneter Zeit, welches seine wirklichen Gefühle gegen mich, als solchen, waren. Ich hörte mehrere seiner öffentlichen Vorträge mit an, die er entweder in seiner eigenen hübschen Moschee hielt, dicht bei seinem Hause im dritten Quartiere der Stadt, oder in der grossen Gämia'. Bei diesen Gelegenheiten war er von zahlreichen und ernsten Zuhörern umgeben, ausser einer auserwählten Schaar specieller Schüler; und ich muss ihm zur Ehre nachsagen, dass er eben so klar als elegant sprach und auch die seiner Stellung angemessene Gelehrsamkeit besass. Aber einen engherzigem und bitterern Sektengeist als den, welcher den Grundzug seiner Lehren bildete, habe ich nie gehört. Eines Nachmittags, im November, als die grosse Moschee mit Zuhörern angefüllt war, die damals über Neuigkeiten aus 'Onejzah und einen von den „Moslims" über den ungläubigen Zämil und seine Schaar erfochtenen Sieg sehr aufgeregt waren, hielt 'Abd-el-Latif die Rede; er sprach über die Pflichten der strengen Orthodoxie und die Gefahr der modernen Neuerungen. Um seine Thesen zu bestätigen, führte er eine berühmte Tradition an, in welcher von Mohammed erzählt wird, dass eisernen Gefährten die tröstliche Belehrung mittheilte, „dass die Bekenner der jüdischen Religion in einundsiebzig Secten getheilt seien, die Christen in zweiundsiebzig" — (vielleicht hatte der unhistorische Prophet etwas von den zweiundsiebzig Jüngern unseres Herrn gehört) — „so würden seine Glaubensgenossen sich in dreiundsiebzig Secten spalten. Von diesen zahlreichen Verzweigungen aber seien zweiundsiebzig für das höllische Feuer, und nur eine für das Paradies bestimmt." — Hier machte der Redner eine Pause und ein andächtiger Schauer ging durch die ganze Zuhörerschaft. Dann fuhr er mit erhobener Stimme fort und erzählte, wie die Sahhäbah, als sie diese erschreckende Kunde hörten, bekümmert fragten, „und welches, o Gesandter Gottes, sind die Zeichen jener glücklichen Sekte, der allein das Paradies gehören wird?" —Worauf II. 2 Mohammed antwortete: „Es sind die, welche in allen Stücken mir und meinen Gefährten gleich sein werden." — „Und diese", setzte 'Abd-el-Latif hinzu, indem er die Stimme bis zu dem tiefen Tone der Ueberzeugung herabstimmte, „dieses sind durch die Gnade Gottes, wir, das Volk von Riad." 23 Unwillkürlich dachte ich so etwas wie „jedem Narren gefällt seine Kappe." Einer von den Bagdader aus der Begleitung des Nä'ib war an meiner Seite; als er diese kostbare Probe Riadischer Theologie hörte, stand er auf und verliess die Moschee, im Uebermass seines Aergers die gedrängten Reihen beinahe mit Füssen tretend. Aber die Negedäer waren zu sehr von den Worten ihres Lehrers absorbirt, um mein Lächeln oder Hasan's Aerger bemerken zu können. „Aschhedu an la Bäh illa Allah" ging es durch die Moschee und alle Zeigefinger erhoben sich, um die ungeteilte, Alles verschlingende Einheit zu bezeugen, welche das Heil der wahren Gläubigen sichert, während sie die Verdammung der Ungläubigen und Polytheisten rechtfertigt. Das, was ich so eben beschrieben habe, ist ein leidliches Beispiel Negedäischer Bildung. Von Sittlichkeit, Gerechtigkeit und Urteil, Menschenliebe und Wahrheit, Reinheit des Herzens und der Zunge, und Allem, was den Menschen besser macht, hörte ich während anderthalb Monaten, in denen ich die Predigten in dieser frommen Hauptstadt besuchte, nie ein Wort. Aber von Gebeten, von Krieg gegen die Ungläubigen, von den Bächen des Paradieses, Huris und Lauben,, Hölle, Teufel und Ketten, auch von den Gesetzen über Ehescheidung und den complicirten ehelichen Verpflichtungen der Polygamie mehr als zuviel. Auch einen sehr häufigen Gegenstand darf ich nicht übergehen, die Sündhaftigkeit des Tabakrauchens, ja, und diese bekräftigt durch sichtbare und erschreckende Gottesurteile, die eine merkwürdige Aehnlichkeit mit denen hatten, welche ein weniger christlicher als jüdischer Geist gelegentlich in europäischen Erbauungsbüchern eingeführt hat. So z. B. ein Mann, von dem man glaubte, dass er in seinem ganzen Leben rechtschaffen und als guter Moslim gelebt hatte, starb und wurde zu Sedüs begraben, der kleinen Gränz-stadt, durch welche wir vor nicht langer Zeit gekommen waren. Gebete wurden über ihm gesprochen, er wurde, wie sich gehört, in sein Grab gelegt, auf seiner Seite ruhend, sein Gesicht der Ka'abah zugewendet, wie jeder andere gute Moslim. Da wollte der Zufall, dass ein Nachbar, der dem Begräbniss beiwohnte, ohne dass er es bemerkte einen kleinen Geldbeutel in das Grab fallen Hess, wo er mit Erde bedeckt an der Seite des Todten liegen blieb. Als er nach Hause kam, bemerkte er seinen Verlust; er suchte überall, aber umsonst, und schloss endlich richtig, dass sein Geld ein unzeitiges Grab gefunden haben müsse. Was war zu thun? die Ruhe des Todten zu stören, ist bei den Mo- 24 hammedanern eben so verabscheut wie unter gewöhnlichen Christen, aber quid non mortalia pectora cogis Auri sacra fames? Der Bauer fragte den Kadi des Dorfs um Rath, der ihm die Versicherung gab, dass es in diesem Falle keine Sünde sei, den Körper auszugraben, obwohl er ihm weise den Rath gab, bis zur Nacht zu warten, weil er fürchtete, Aergerniss zu geben. Die Nacht kam und der ehrliche Leichendieb machte sich ans Werk und erlöste bald seinen Geldbeutel aus der kalten Umarmung des Todes. Wie gross aber war sein Entsetzen, als er jetzt gewahrte, dass sein verstorbener Nachbar mit dem Gesichte von der Ka'abah abgewendet lag, und in einer Stellung, die der, in welcher er gelegt worden , gerade entgegen war. Eilig deckte er das Grab zu und kehrte zurück, um dem Kadi von dem Wunder Meldung zu thun. Beide kamen darin überein, dass der Todte, um diese ominöse Umstellung zu verdienen, im Unglauben oder einer gleichen schweren Sünde gestorben sein müsse, und es wurde nun in seiner frühern Wohnung eine vollständige Haussuchung angestellt, um Spuren oder Andeutungen seiner verkehrten Wege zu finden. Alles wurde durchstöbert, und endlich entdeckte man, sorgfältig in einer Mauerritze verborgen, eine kleine Pfeife, deren geschwärztes Rohr und teuflischer Geruch nur zu deutlich zeigten, dass sie oft gebraucht worden war. Die abscheuliche Heuchelei des Eigenthümers war entlarvt, das Verbrechen lag am Tage, die sichtbare Strafe war erklärt, und Niemand zweifelte mehr, dass der, welcher hienieden dem schändlichen Rauchen gefröhnt, bereits dem unauslöschlichen Feuer verfallen sei, — wie er's verdiente. Ein anderer war bei lebendigem Leibe verfault; einem Dritten war ein Stein auf den Kopf gefallen u. s. w. Bigoterie und ihre Erzählungen sind unter jedem Klima dieselben und in jeder Zunge mutato nomine — fabula narratur. Bei diesem Pharisäerthum steht es nur leider um die Sittlichkeit sehr schlecht. Es ist wahr, die Lichter werden eine Stunde nach Sonnenuntergang ausgelöscht und Niemand darf sich mehr auf der Strasse sehen lassen; während selbst bei Tage nicht einmal ein Kind am Wege spielen oder Jemaud laut lachen darf. Es ist wahr, keine profanen musikalischen Instrumente stören das geheiligte Summen der Koranlesungen und keine Gruppen weltlicher Heiterkeit geben ernsten Augen auf dem Marktplatze Anstoss. Aber Laster von allen Arten, selbst solche, die zu nennen der Zunge widersteht, sind hier schlimmer als in Damaskus und Sejda selbst, und die verhältnissmässige Sittsamkeit der meisten anderen arabischen Städte setzt die Schwärze von Riad nur in desto stärkern und auffallendem Contrast. „Eine Regierung, die, nicht zufrieden mit der Unterdrückung scandalöser Exoesse, von ihren Unterthanen inbrünstige und strenge Frömmigkeit 25 verlangt, wird bald inne werden, dass, während sie versucht, der Tugend einen unmöglichen Dienst zu leisten, sie in der That nur das Laster fördert", ist eine der vielen richtigen Bemerkungen eines bekannten neuern Schriftstellers. In der That, das Meiste was Mac-aulay in seinen „kritischen und historischen Abhandlungen" über diesen Gegenstand sagt, sei die Rede von dem Rumpf-Parlament und puritanischer Strenge, oder der abscheulichen Rcaetion der Unsittlichkeit unter der Regierung der letzten Stuarts, kann beinahe buchstäblich auf den gegenwärtigen Zustand des arabischen Reiches der Heiligen angewendet werden und sagt eine nicht ferne unvermeidliche Zukunft voraus. Es ist eine eigenthüraliche Thatsache und verdient wohl, bevor wir diesen leidigen Gegenstand verlassen, der Erwähnung, dass während der der wahhabitischen Herrschaft vorangehenden Periode Ver- brechen, die Allen verhasst sind, weil sie von der Natur selbst verurteilt werden, die einzigen waren, welche in Neged mit einer der Tortur ähnlichen Strafe belegt wurden. Ich habe schon oben bemerkt, dass, während Türken und Perser durch die Barbarei ihrer Hinrichtungen, bei denen das Aufspiessen beinahe noch als eine Gnade erscheint, zum Schauder geworden sind, die Araber, in den wenigen Fällen, wo Todesstrafe verhängt ist, sich immer mit der einfachen Enthauptung durch das Schwert begnügt haben, da sie es für ungesetzlich halten, die letzten Augenblicke eines Nebenmenschen, auch wenn er Verbrecher ist, durch überflüssige Todesqual zu erschweren. Man erzählt nur wenige Ausnahmen, und diese nur, um sie zu brandmarken. Aber in solchen Fällen, auf die ich eben hindeutete, zeigte die entrüstete Gesellschaft ihren Abscheu in einer grausamen, aber bezeichnenden Procedur, und die Verbrecher wurden «oit den Köpfen nach unten an den Füssen aufgehangen, bis sie verendeten. Unter der gegenwärtigen Regierung wird die von dem Koran empfohlene Milde gegen solche Verbrecher angewendet. Dies ist der Musterstaat des Islam. Abd-el-Latif ist nicht der einzige Repräsentant seiner Familie; er ist der älteste von mehreren Brüdern, die ihm aber alle an Geist bedeutend nachstehen. Der jüngste, Mohammed, war ein sehr origineller Charakter. Er war eben aus Aegypten zurückgekehrt, wo er zwei Jahre lang unter den Studenten der Medicin des Kasr-el-'Ejni figurirt hatte, als ein Beispiel des arabischen Sprüchworts „ein Esel ging hin und ein Langohr kehrte heim". Ohne Kopf und Herz, mit zwanzig Jahren so geizig wie Sir John Cutler mit sechzig, mit den ausländischen Lastern von Cairo auf den einheimischen Stamm von Riad gepfropft, und mit einem Dialekte, der so verdorben und verworren war wie der jenes Reisenden, der „seine Sprache vergessen 2ö und keine fremde gelernt", war es belustigend, seine ägyptischen Erfahrungen und seine Reden über die Rasse Pharao's, wie er die Bewohner des grossen Delta schalt, anzuhören. Er hatte die einleitenden Vorlesungen des medicinischen Collegiums besucht, aber wenig davon verstanden; endlich kam die Zeit, einem anatomischen Cursns beizuwohnen, und Zeuge zu sein von den Geheimnissen der „todten Wohnung" als, wie er sagte, seine Orthodoxie ein dem correkten Islam so zuwiderlaufendes Verfahren nicht mehr ertragen konnte und er das Collegium und die Hauptstadt mit Ekel verliess. So erzählte er die Sache; ich habe aber grossen Verdacht, dass hoffnungslose Dummheit, vielleicht schlechte Aufführung, den grössern Theil an einer Ausstos-sung hatten, die er unter dem respektablem Namen eines Rückzuges versteckte. Er war in der That einer der durch und durch verdummtesten Kerle, die ich je gesehen; und er beehrte mich mit seinem spe-ciellen Hasse und besonderen Verleumdungen. Müsste ich nicht fürchten, die Geduld meiner Leser zu ermüden, so möchte ich noch etwas von dem Beduinenhäuptling Toweil, vom Stamme 'Otejbah mittheilen, den ich unter meinen Patienten zählte, und der nach Beduinenart, als er gesund wurde, machte, dass er von Riad fortkam, ohne seine Rechnung zu bezahlen; ferner von dem reichen 'Abd-er-Rizzak und seiner schönen Wohnung, in achtem alt-negedäi- sehen Style; von dem heitern Abyssinier Fahd, dessen munteres, offenes Wesen auffüllend von dem seiner arabischen Nachbarn unterschieden war; von dem jungen Hamud, der im Feldzuge gegen'Onejzah verwundet, und so ein halber Märtyrer, neben mehreren anderen Patienten und Freunden unsern Aufenthalt erheiterte, indem sie bald unser Notizbuch, bald unsern Geldbeutel füllten. Aber wir haben noch Vieles zu erzählen, bevor wir die Hauptstadt verlassen und noch mehr, wenn wir sie im Rücken haben, und ich muss ohne weitern Verzug mich beeilen, denen meiner Leser gerecht zu werden, welche medicinische Kenntnisse, oder wenigstens physiologische Wissbegierde besitzen. Zwölf Monate lang in Arabien den Doktor zu spielen und keinen Sanitätsbericht über das Land zu geben, würde unverzeihlich sein. Ich will daher, wenigstens flüchtig, die hauptsächlichsten Punkte der arabischen Nosologie angeben: einige Seiten werden genügen. Wenn ich diese Pflicht erfüllt, will ich zu unserm ersten Patienten, Gauhar zurückkehren, der uns den Weg zu wichtigeren Dingen des vergangenen oder gegenwärtigen Lebens bahnen mag, zu der herrschenden Dynastie, dem Hofe von Riad, und was uns dort begegnete. Von Arabien im Allgemeinen kann ich sagen, dass das ganze centrale Plateau, welches den Raum zwischen Gebel Towejk im Osten, 27 Wadi Dowäsir im Süden, dem Wüstenrande des Hagg oder der Pilgerstrasse gegen Westen und den Nefud oder Sandströmen oberhalb Gebel Schomer gegen Norden umfasst, mit Allem, was innerhalb dieser vier Grenzen liegt, eines der gesundesten Länder der Welt ist, und folglich sehr geringe nosologische Abwechselungen darbietet. Bei seiner reinen, fast scharfen Atmosphäre, seinem trockenen Klima und seiner gemässigten Temperatur sollten wir kaum erwarten, unseren Bemerkungen zu „Bright's kidney" oder „Addison's supra-renal capsules" noch etwas zufügen zu können. Auch scheinen seine nüchternen und massigen Bewohner keine grosse Disposition zur Gicht zu haben, von der ich nie ein Beispiel gesehen, oder nur davon gehört hätte. Auch der Krebs, mit allen seinen verschiedenen und ekelhaften Formen scheint aus diesen Regionen verbannt zu sein, ein gleiches Schicksal hat die Hysterie bei den sehr unromantischen und nervenstarken Damen des Landes. Mit einem Worte, die meisten Kankheiten, welche von einer unreinen Atmosphäre, Mangel an Licht und Luft, luxuriösem Leben herzurühren scheinen — denn scheinen muss in solchen Dingen der gewöhnliche Ausdruck der Behauptung sein —, oder von der andern Seite, von zu engem Beisammenwohnen und tiberreizten Nerven, sind, so weit meine Kenntniss und Nachforschung reicht, ganz von diesen Gegenden der Halbinsel ausgeschlossen und die Einwohner haben nicht einmal besondere Namen dafür. Auch vom Wechselfieber, obwohl ich davon hörte und einen oder zwei Fälle sah, muss ich sagen, dass es ausserordentlich selten ist, sowohl das dreitägige aJs viertägige und andere. Von Masern sah und hörte ich nie etwas; das beweist aber wenig, da die ungenaue Beobachtung meiner Berichterstatter sie mit den Pocken, vielleicht dem Scharlachfieber verwechseln konnte, welches hier sicher existirt. Typhus und typhusartige Krankheiten sind im ganzen Neged, im weitesten geographischen Sinne geuommen, durchaus unbekannt. Auch habe ich nie etwas gehört, woraus ich schliessen könnte, dass die Pest, von Aegypten oder von Persien eingeschleppt ihren Weg in das Hochland gefunden hätte. Es ist jedoch klar, dass ungeachtet dieser Lücken in den Reihen der Krankheiten, andere, und bis zu einer gewissen Ausdehnung supplementäre Formen existiren müssen, da auch in Arabien, eben so wie in anderen Ländern, die Siebzig und Achtzig als höchstes Mass des menschlichen Lebens gilt; nur erreichen dasselbe hier, wie ich meine, verhältnissmässig mehr Personen als anderwärts. Wenn Ge-28 burts- und Sterbelisten geführt würden, so könnte man über diesen Punkt zu einem richtigen Urtheile gelangen; aber selbst bei Ermangelung officieller Angaben stimmte ich nach vielen Beobachtungen und Erörterungen mit meinem Gefährten darin überein, dass die Sterblichkeit der Kinder hier vielleicht grösser sein mag als in anderen Ländern, wo Wohnung und Bekleidung besser und ärztliche Hülfe und Mittel leichter bei der Hand sind, dass aber die, welche den Gefahren der Kinddeit glücklich entgangen sind, hier ein eben so hohes Alter erreichen und noch höher, als die Bewohner der syrischen Gebirge, die in dieser Beziehung besonders gerühmt werden. Aber früher oder später müssen alle Menschen sterben, und ein Tod, der nicht auf irgend eine Weise herbeigeführt ist, oder, mit anderen Worten, ein Tod, der keine andere Ursache hat als Altersschwäche, ist eine seltene Erscheinung, wenn er überhaupt nicht nur im Glauben des Volks existirt. Die besonderen Ursachen des Todes mögen verborgen sein, aber sie sind da, auch wenn sie nicht bemerkt werden. Welches nun sind die gewöhnlichen Wege, auf denen das menschliche Geschlecht seinen Weg aus Arabien zu der gemeinschaftlichen Heimath findet? Dass dieses Land zuweilen von epidemischen oder ansteckenden Krankheiten heimgesucht wird, kann man aus dem bereits Gesagten entnehmen. So hat in neuerer Zeit auch die Cholera ihren Weg nach dem Neged gefunden und scheint hier nicht weniger verheerend aufgetreten zu sein wie in anderen Ländern; doch hat sie nicht das Hochland überschritten, welches Kasim von Gebel Schomer trennt, welches letztere, nach Aussage seiner Bewohner, noch nicht von dieser asiatischen Geissei heimgesucht wurde, während das tiefer liegende Gauf ungeachtet seiner getrennten Lage schwer durch dieselbe gelitten hat. Die Negedäer haben einen regelmässigen Gang der Krankheit von Aegypten her, von Westen nach Osten, beobachtet. Die Pocken sind seit undenklichen Zeiten in Arabien bekannt, und die Impfung ist noch in ganz Neged üblich, obwohl mir Niemand angeben konnte, zu welcher Zeit sie eingeführt worden. Dass sie von Constantinopel hergebracht sein sollte, scheint mir unwahrscheinlich, auch macht keine arabische Lady Mary Wortley Montague Anspruch auf diese Ehre. Dasmascenische Abenteurer haben die Vaccination bis nach dem Gauf gebracht, und Teläl unterstützte in ganz neuerer Zeit die Ausbreitung derselben in Gebel Schomer; in dem wahhabitischen Gebiete aber stehen ihr ganz ähnliche Vorurtheile entgegen wie früher bei den ungebildeten Klassen in England und dem übrigen Europa. Des Scharlachfiebers habe ich oben kurz gedacht; die Fälle, welche ich hier sah, waren nicht bösartig. Eine sehr gewöhnliche Quelle verschiedener Uehel sind die Skro- 29 pheln, welche bei der arabischen Rasse ausserordentlich häufig sind; sie werfen sich zuweilen auf die Brust, häufiger auf den Unterleib, vielleicht in Folge des milden Klimas, wo die Athmungsorgane weniger angegriffen werden, als in dem kalten und feuchten Europa, während dagegen erhitzende und oft unverdauliche Nahrungsmittel die Unterleibsorgane sehr empfänglich machen. Ich war Anfangs erstaunt über die Menge von Unterleibsleiden bei Männern und Frauen, während Brustkrankheiten selten oder gar nicht vorhanden zu sein schienen. Die gewöhnliche Zeit, wo sich jene Uebel einzustellen pflegen, ist in dem Alter zwischen Zwanzig und Vierzig; doch erinnere ich mich eines Falles bei einer wohlhabenden Frau, die schon an die Fünfzig sein konnte; dies ist jedoch ein seltener Fall. Auch Skropheln, die sich auf die Halsdrüsen werfen und Krankheiten des Rückgrades, welche dieselben Krümmungen hervorbringen wie in Europa, kommen im südlichen Neged häufig vor; in Schomer, Kasim und Sedejr habe ich sie nicht gefunden. Schwindsucht, oder vielmehr ein Siechthum, welches keine anderen auffallenden Symptome bietet, ist verhältnissmässig selten. In Riad sah ich einen einzigen Fall. Die Araber haben natürlich keine Idee von einer Behandlung dieser Leiden, ausser dass sie den Kranken so viel essen lassen, als nur irgend möglich. Bei Pocken und anderen eruptiven Krankheiten, thun sie noch, wie ehedem die europäischen Aerzte, ihr Bestes, das hülflose Opfer mit warmen Kleidern, Hitze und geschlossenen Fensterladen zu ersticken. Von ihren Vorkehrungen gegen die Cholera habe ich in einem frühern Kapitel gesprochen; ein anderes, als das dort angegebene Mittel kennen sie nicht. Rheumatismus in allen möglichen Gestalten und Graden, Hüftweh, Kreuzschmerzen und andere verwandte Krankheiten sind vielleicht die gewöhnlichsten Uebel, hauptsächlich bei den Beduinen und der ärmern Landbevölkerung; auch Herzübel, eine schlimme Folge jener, sind nicht selten. Ich habe mehrere Fälle von Krankheiten des Herzens gesehen, die man sichtlich auf keine andere Ursache zurückführen konnte. Letztere gehen oft in Wassersucht über, die mir oft vorgekommen ist, sowohl bei jungen als bei alten Personen, wo sie offenbar ihren Ursprung in einer Krankheit des Herzens hatte. Ich will hier bemerken, dass die Araber bei Eintritt der Hautwassersucht alle Hoffnung auf Heilung aufgeben. Herzübel versuchen sie in den ersten 30 Stadien zuweilen durch Blutlassungen und Purganzen zu heilen, wodurch sie zeitweilige Linderung herbeiführen, aber die Sache selbst nur desto schlimmer machen. Zuweilen wird die Brust des Patienten über und über mit heissen Eisen gebrannt; ein eben so nutzloses als schmerzhaftes Verfahren, das aber durch eine Tradition vom Propheten autorisirt ist. Eine ähnliche Behandlung haben an Rheumatismus Leidende zu fürchten, doch begnügt man sich bei diesen oft mit blossem Frottiren. Schweisstreibende Mittel werden nie angewendet. Von Nierenwassersucht erinnere ich mich keinen Fall gesehen zu haben. Magenbeschwerde und chronische Magenentzündung sind fast eben so häufig wie Rheumatismus, was allerdings kein Wunder ist, wo getrocknete Datteln und halb ausgebackenes ungesäuertes Brod mit einem Stück schlecht gekochten Schaffleische acht bis neun Monate des Jahres hindurch die einzige Kost bilden, wenigstens der niederen und mittlen Klassen. Magengeschwüre scheinen ebenfalls keineswegs selten zu sein; namentlich leiden die Frauen daran, und ich bin überzeugt, dass, wenn ich mich hätte durch eigenen Augenschein überzeugen können, ich unter je sechs Frauen wenigstens bei Einer Anzeichen davon entdeckt hätte. In meiner kurzen und beschränkten Praxis sind mir zwei Fälle vorgekommen, wo einem langen gastrischen Leiden plötzliche und heftige Bauchfellentzündung folgte, auf welche ein schneller Tod eintrat. Das eine dieser Opfer, eine junge Frau, wurde noch in ihrem schmerzhaften Todeskampfe, trotz aller meiner Einwendungen, durch Brennen des Unterleibes von der Hand eines Hufschmiedes gemartert. Kolik ist nicht selten, desgleichen vollständige Verstopfung der Eingeweide. Auch hier hat die arabische Pharmacie kein Mittel. Dysenterie und chronische Diarrhöe kommen allerdings vor, sind aber bei weitem weniger häufig als in Indien. Opium, welches den Arabern als ein Arzneimittel unbekannt ist, war hier mein gewöhnlichstes und wirksamstes Mittel, zu grosser Verwunderung der Leute. Hämorrhoiden kommen überall vor, namentlich an den Küsten des persischen Meerbusens. Die Araber behandeln sie, wenn sie können, durch Exstir-pation, wenn sie es nicht können, durch eine Homilie über dem Kranken. Für Dysenterie aber haben sie weder ein specifisches Mittel, noch Diät, und diese hat daher oft einen schlimmen Ausgang. Ich sagte oben, dass das Wechselfieber selten sei. Diese Angabe bezieht sich auf diejenige Form der Krankheit, welche als im Lande 31 einheimisch gilt; aber in einer importirten Form, mit der Leute, die aus Basrah, Hasa oder Katif zurückkehren, oft Monate lang, selbst Jahre lang geplagt sind, findet es sich oft. Gewöhnlich ist es mit einer Anschwellung der Milz verbunden. Ich hatte mehrere Fälle dieser Art in Behandlung, in Riad selbst. Nachdem ich dem Fieber, wo es sich noch fand, durch Chinin Einhalt gethan, fand ich Sulphat von Zink ausserordentlich wirksam, um die geschwollenen Drüsen in den natürlichen Zustand zurückzuführen. Ich weiss nicht, in wie weit dieses Mittel in Europa in Gebrauch ist; ich lernte es in Indien kennen und es leistete mir in Neged gute Dienste. Ein einfaches und selten starkes Wechselfieber existirt hier und in ganz Neged, mit Einschluss von Schomer; es ist eine mildere Form des in Indien heimischen Fiebers und hält zuweilen zwei bis vier Wochen an. Richtig behandelt aber weicht es sehr bald. Ein halbempirisches Recept von Marriott, wo weinsteinsaures Antimonium verordnet wird, in kleinen, aber oft wiederholten Dosen, verfehlte seine Wirkung nie. Hier mag bemerkt sein, dass, obgleich Chinin in Arabien ganz unbekannt ist, was kein Wunder, doch andere stärkende Mittel angewendet werden. Die Eingebornen gebrauchen zu diesem Zwecke Abkochungen von Schiah, einer ausserordentlich bittern Pflanze, die in dem Hochlande überall wächst, oder von Themäm, ein zartes aromatisches Kraut, welches, wie ich glaube, dem Neged eigentümlich ist. Bei leichten Fällen fand ich beides wirksam. Eine Krankheit, die ich nicht mit Namen zu nennen brauche, ist entsetzlich häufig. Wie alle anderen Völker schreiben ihr auch die Araber einen fremden Ursprung zu und sagen, sie sei ihnen aus Persien von Persern zugeschleppt worden. Jedoch der Name dieser Krankheit „Belegh" ist ein acht arabisches Wort, und ich fürchte, dass auch die Krankheit nicht weniger im Lande selbst entstanden ist, obwohl die Lüderlichkeit der persischen Besucher desselben und die häufige Durchreise ihrer Pilgerkarawanen durch Neged nach Mekka — das selbst ein Sitz des Lasters und seiner schrecklichen Folgen ist — und von dort zurück, zu ihrer Verbreitung beigetragen haben mögen. Jetzt hat sie volles Heimathsrecht erlangt und ist bei ihrem schnellen, und uncontrolirten Umsichgreifen eine grosse Plage. Der Ansteckungsstoff wird von den Eingebornen für nicht weniger mittheilbar und eben so unbegreiflich gehalten, wie der der Pocken und des Scharlachs. Ob dies wahr sei, wage ich nicht zu entscheiden; ich habe jedoch Fälle gesehen, die kaum eine andere Erklärung zu-liessen. Merkur ist bekannt und wird als specifisches Mittel ange- 32 wendet, aber nur in einer Form, nämlich als Sulphat, das gewöhnliche Zinnober; andere Präparate, z. B. Kalomel, Salbe u. s. w., findet man nicht. Ich versuchte mein Möglichstes, sie einzuführen, als eine wahre Wohlthat für das Land. Eine besondere Behandlung, die hauptsächlich in Diät besteht, und in Europa „arabisch" genannt wird, scheint nicht diesen Namen zu verdienen; ich hörte wenigstens in Arabien nichts davon. Bei dem gegenwärtigen Stande, oder vielmehr Darniederliegen der einheimischen Pharmacopöa werden meine Leser wohl kaum erwarten, etwas von Jodine zu hören, welches man in diesen Gegenden noch nicht einmal dem Namen nach kennt. Ich hatte vergessen zu sagen, dass Wassersucht des Eierstocks in Neged nicht selten ist. Die Einwohner halten sie in ihrer Unwissenheit für eine in die Länge gehende Schwangerschaft und erzählen von Frauen, die vier bis fünf Jahre mit einem Kinde gingen. Wenn mir solche Patienten gebracht wurden, wich ich der Behandlung aus, indem ich meine Hoffnung auf eine baldige Niederkunft aussprach. Apoplexie nimmt auf der Liste dieser schlimmen Erbschaft der Kinder Adams eine hervorragende Stelle ein; dazu Lähmung, sowohl Hemiplegie als Paraplegie (ein merkwürdiges Beispiel davon mit Kno-chenfrass im Rückgrade sah ich in Hä'jel), und Lähmung eines einzelnen Gliedes oder Nervenzweiges. Tic douloureux und Migräne übertrafen bei Weitem meine Erwartungen und beschränkten sich nicht ausschliesslich auf die „beaux esprits" oder die Brünetten, welche hier das „schöne Geschlecht" ersetzen. Veitstanz, und zwar sehr schlimme Fälle kamen unter meine Hand; er ist aber nicht häufig. Von Starrkrampf hörte ich, doch ist er mir nicht selbst vorgekommen. An Epilepsie Leidende wurden einige Male zu mir gebracht, ich hielt mich aber nie lange genug an einem Orte auf, um daran denken zu können, eine Kur dieser Krankheit vorzunehmen, die in Arabien in einer eigenthümlichen Form auftritt. Wahnsinn und Raserei hatte ich Gelegenheit in Riad zu beobachten, und hörte auch anderwärts davon. Alle diese Formen von Krankheit, namentlich die beiden letztern, werden, eben so wie Rheumatismus, in Arabien durch Brennen geheilt, oder richtiger, noch schlimmer gemacht. Ich sah, wie ein unglücklicher epileptischer Junge von Kopf zu Fuss versengt wurde, natürlich ohne dass es etwas nutzte, und der arme Verrückte in Riad, ein junger Mann von vornehmem Hause, hatte auf dem Kopfe eine kreisrunde Brandwunde, die bis auf den Knochen ging. Wäre er nicht 33 schon verrückt gewesen, so würde diese allein hingereicht haben, ihn dazu zu machen. Wasserscheu, in Folge des Bisses eines tollen Hundes, ist in allen Theilen der Halbinsel bekannt, und ich hörte wunderbare Geschichten von einem Heilkraute, welches die Wirkung hat, dass der Kranke, der es einnimmt, einige kleine Hunde auslaxirt! man entschuldige den Ausdruck — und dann geheilt ist. Ja, der Erzähler betheuerte, diese ausserordentlichen Hündchen selbst gesehen zu haben und beschrieb sehr umständlich ihre Grösse, Farbe, Gestalt u. s. w. Ich forschte aber umsonst nach dem wunderwirkenden Kraute. Bandwurm und andere Parasiten sind in Arabien äusserst selten; wo man sie ver-muthet, ist eine Abkochung von den Wurzeln des wilden Granatbaums das einzige, aber unfehlbare Mittel. Asthma ist, wie ich glaube, verhältnissmässig häufiger als in Europa; die scharfe Luft des Towejk scheint den Körper besonders empfänglich für dieses Leiden zu machen. Stechapfel wächst überall, wird aber nicht als Gegenmittel gebraucht; obwohl er zuweilen in boshaften Händen die Rolle eines Giftes spielt, zuweilen auch die eines Liebestrankes — sicher sonderbar genug, — der jedoch, wie ich vermuthe, nicht gerade zum Ziele führt. Vom Blasensteine habe nichts gehört oder gesehen, ich glaube jedoch kaum, dass Arabien so glücklich ist, ihn gar nicht zu kennen. Affectionen der Luftröhrenäste, von einfacher Erkältung und Halsweh bis zu chronischer und fortdauernder Krankheit, geben in Arabien dem Arzte oft Beschäftigung. Sie sind ebenso häufig, wie Lungenkrankheiten selten. Zwerchfellentzündung kommt nicht häufig vor, fehlt aber doch nicht ganz; auch bei dieser wird oft das Brenneisen angewendet. Ueber Keuchhusten, Halsbräune und andere in Europa gewöhnliche Kinderkrankheiten sage ich nichts, weil meine medizinische Praxis sich auf Personen von reiferem Alter beschränkte. Von ersterm aber wurde mir nirgends etwas gesagt, die letztere ist vielleicht mit in dem allgemeinen Namen Khanak oder „Erwürgung" inbegriffen, durch welche manche arabische Kleinen den Sorgen des Lebens frühzeitig enthoben werden. Die Liste der Hautkrankheiten aber ist lang und ekelhaft, bei weitem schlimmer als in Europa, von dem lupus excedens bis zu der 34 einfachen impetigo herab. Aussatz, wie bekannt, ist sehr häufig, und nimmt zuweilen die fleckige nnd gefährliche Gestalt an, welche Baras genannt wird, zuweilen die abscheuliche Gedäm, bei welcher zuerst die Glieder anschwellen, worauf sich faulige Geschwüre bilden und endlich das Fleisch Stück für Stück abfällt, indem sich an verschiedenen Theilen des Körpers schreckliche Wunden öffnen, namentlich am Rücken und an den Lenden, bis, oft erst nach langen Leiden, der Tod erfolgt. Auch die Baras, obwohl sie keinen tödtlichen Ausgang hat, ist oft mit P^iterung verbunden. Jedoch weder die eine noch die andere dieser Krankheiten entspricht genau der Beschreibung, welche wir im vierten Buch Mosis lesen, so dass der Aussatz der Hebräer nocli immer von dem der Araber verschieden ist. Auch macht der letztere, wie ekelhaft er auch ist, nicht das Opfer gesetzlich unrein, und Niemand glaubt, dass er ansteckend sei. Die Einwohner wenden ein kräftiges Mittel an, nämlich Sulphat von Arsenik, oder gelbes Arsenik, wie sie es nennen, welches jedoch nicht immer den gewünschten Erfolg hat; gewöhnliche Arseniksäure wird nicht angewendet, ausser als Gift. Krätze und das beste Mittel dagegen, Schwefel, ist in ganz Arabien, von einem Ende zum andern in reicher Menge vorhanden; aber die Ungeschicklichkeit der Araber in Anwendung des Minerals vereitelt oft die Wirkung. Diese Krankheit ist namentlich häufig bei den Kamelen und theilt sich von ihnen oft den Menschen mit. Augenentzündungen sind auf eine fürchterliche Weise vorherrschend, namentlich bei Kindern, und nehmen ungehindert in vielen oder den meisten Fällen den schlimmsten Verlauf. Es würde keine Ueber-treibung sein, wenn man sagte, dass von fünf Erwachsenen wenigstens bei Einem die Augen mehr oder weniger in Folge von Entzündung verdorben sind. Die Araber sind jedoch in ihrer Sorglosigkeit noch auf kein Mittel bedacht gewesen, nicht einmal das einfachste — viel weniger Höllenstein, und was sonst in dem benachbarten Aegypten mit gutem Erfolge angewendet wird. Der graue Staar ist sehr gewöhnlich; auch der schwarze Staar ist nicht selten und kommt zuweilen sehr plötzlich. Die Eingebornen schreiben ihn oft der kalten Nacht-lnft zu; sicher ist er nicht die Folge zu fleissigen Studirens. Jene eigenthümliche Art von Blindheit, welche nur in der Zeit zwischen Sonnenuntergang und Sonnenaufgang kommt, existirt hier wie in Indien. Chronische Entzündung und Verdickung der Bindehaut erschöpft oft die Geduld des arabischen Patienten. Kurz, ich kenne nichts in dem 35 Verzeichniss der Augenkrankheiten, wovon man nicht in jeder mittelgrossen Stadt des Neged ein oder einige Beispiele finden könnte. Ich bedaure, dass ich nicht aus eigener Erfahrung die Aussagen mancher Reisenden über die ausserordentliche Schärfe des Gesichts und Gehörs bei den Arabern bestätigen kann. Beduinen und Städter schienen mir in dieser Beziehung im Durchschnitt den übrigen Menschen gleich zu stehen — weniger kurzsichtig als in der Regel die Deutschen, aber weniger weitsehend als gewöhnlich die Griechen. In der That merkwürdig ist bei den Arabern die Stumpfheit der allgemeinen Ner-venempfindnng. Mehr als einmal hatte ich Gelegenheit, das Messer oder ein Arzneimittel anzuwenden, und war erstaunt über die kaltblütige Standhaftigkcit des Patienten. In Riad kam einmal ein junger Mann zu mir, der eine Kugel tief im Vorderarme sitzen hatte; sie machte ihm einige Unbequemlichkeit und er bestand darauf, sie ausschneiden zu lassen. Die Operation war, da mir selbst die Uebung fehlte, ziemlich schwierig; die Muskeln mussten bis auf den Knochen durchschnitten werden. Der Negedäer hielt dabei seinen Arm so fest und unbeweglich, als ob er einem Dritten angehörte, und ohne die Farbe zu wechseln, bis ihm vor Freude das Blut ins Gesicht stieg, als ich endlich durch den Einschnitt die Kugel herauszog und ihm in die Hand legte. Nach einer kurzen Ruhe nach dem Verbände ging er nach Hause und nahm seine bleierne Trophäe mit. Aehnliches ist mir öfter vorgekommen. Die Araber sind sicher kein nervenschwaches Volk. Von verschiedenen selteneren und verborgeneren Formen der Krankheit sage ich nichts, nicht allein weil sie in keinem Bezüge zu dem Klima oder der Physiologie stehen, sondern auch wegen der Schwierigkeit der Präcision bei Angaben, die nicht von genügender und genauer Beobachtung während des Lebens und anatomischer Untersuchung nach dem Tode begleitet sind. Die vorstehende Aufzählung mag genügen für eine summarische Skizze des Negedäischen „Lazarus-Hauses". Ich füge noch einige Worte bei über den fernen Süden und Osten der Halbinsel und die Inseln und Küsten des persischen Meerbusens, und will so weit unserm Besuche derselben vorgreifen, um später nicht noch einmal auf diesen wenig anziehenden Gegenstand zurückkommen zu müssen, bei dem ich vielleicht die Mehrzahl meiner Leser schon zu lange aufgehalten habe. Wenn wir von dem äussersten Rande des grossen Plateaus Östlich hinabsteigen und in die warme und feuchte Atmosphäre von Hasa 36 kommen, zeigen sich sogleich eine Menge Krankheiten, die man in Neged selten oder gar nicht findet. Obenan steht das Wechselfieber, das oft tödtlich und immer sehr heftig ist; es herrscht hauptsächlich an den schlammigen Küsten von Katif, dehnt sich aber mehr oder weniger über die ganze Küstenprovinz von Kowejt nach Katar hin aus. Typhusartiges Fieber (nicht der Typhus, der, wie ich glaube, dem Lande fremd ist) verlässt die Bevölkerung niemals ganz und wird zu Zeiten wirklich epidemisch. Seine Symptome sind ganz dieselben wie in Europa. Dysenterie trifft man häufig; Hämorrhoiden, eben so schmerzlich als beschwerlich, können allgemein genannt werden. Dagegen sind Skropheln in allen Formen, Brustleiden und Augenleiden ausserordentlich selten. Diese kurzen Bemerkungen gelten, mit wenigen Ausnahmen, für Hasa, Katif, die Inseln Bahrejn, Ge's, Gischm und Ormuz, nebst der Küste von Linga und der Seeküste von 'Oman. Aber die Gebirgsgegenden der letztgenannten Provinz können an Gesundheit mit Sedejr oder Schomer wetteifern. Auch Katar ist nicht ungesund. Nach dieser Abschweifung über die Nosologie des Landes wollen wir unsere Erzählung, die bei dem ersten Besuch des Oberschatzmeisters Gauhar unterbrochen worden war, wieder aufnehmen. Mit der Gelehrigkeit eines Negers vergass er, der Oberschatzmeister, seine hohe Stellung so weit, dass er des Morgens und Abends kam, um in unserer bescheidenen Wohnung Heilung zu suchen, obgleich in seinem Falle Bewegung mit grossen Schmerzen verbunden war. Nach drei Wochen war er schon ziemlich hergestellt und er konnte ohne ernstliche Unbequemlichkeit seine Reise an die Küste unternehmen. Seine Freude war grenzenlos, und ein für Neged sehr schönes Geschenk — mehr als vierzig Schilling nach englischem Gelde — mit vielen ehrlich gemeinten Lobsprüchen, bezeugte seine Dankbarkeit. Unsere Stellung bei Hofe war jetzt ausgezeichnet, und 'Abd-Allah selbst, der künftige Thronerbe und thätige Verwalter des Reichs, war entschieden zu unseren Gunsten. Mahbüb, der erste Minister, war bisher ziemlich kalt gegen uns gewesen, aber nach der Genesung seines Vaters Hess er uns seinen Schutz zu Theil werden und würdigte uns eine Zeitlang seiner genauem Bekanntschaft, auch unsere Besuche im Palaste wurden immer häufiger. Ehe ich jedoch auf genauere Erzählung unserer Erlebnisse bei Hofe eingehe, wird es gut sein, Einiges über die Geschichte der Dynastie Sa'üd und ihre wichtigsten 37 Persönlichkeiten mitzutheilen. Der Gegenstand ist an und für sich von grossem Interesse und kann auch dazu dienen, einige der folgenden Scenen, welche unserm Aufenthalte in Riad Abwechselung gaben, zu erläutern. In dem folgenden Abrisse der Geschichte der Dynastie, ihrer Kriege und Revolutionen, ihres Sturzes und Wiedereinsetzung werde ich einfach und genau wiedergeben, was mir von den Leuten des Landes erzählt wurde. Ich weiss sehr wohl, dass die Erzählung in manchen Stücken, selbst was Data und Persönlichkeiten anbelangt, von anderen Darstellungen abweichen wird, aber ich mache keinen Anspruch auf grössere Genauigkeit, obgleich meine Erzählung mir in manchen Punkten deutlicher und innerlich wahrscheinlicher scheint. Hinsichtlich besonderer Thatsachen oder Gespräche, die bei der oder jener Gelegenheit erzählt werden, kann meine Erzählung vielleicht nur auf sehr geringe Glaubwürdigkeit Anspruch machen; Einbildung hat ohne Zweifel hier das Werk des Gedächtnisses gethan, und Vermutung ist kein Dokument. Ich würde jedoch Unrecht thun, sie zu übergehen; es sind lebendige Darstellungen der Menschen und Sitten, und die Formel, so zu sagen, abstrakter und kritisch historischer Wahrheiten. t Elftes Kapitel. Geschichte der wahhabitischen Dynastie. Emporkommen der Dynastie Ebn-Sa'üd — Die letzten Jahre Sa'uds II. — sein Rath auf dem Todtenbette — 'Abd-el- Azn — seine Eroberungen und Ermordung — 'Abd-Allah — Kriegszug gegen Meschid Hosejn — Eroberung von Mekka und Medina — Unternehmung gegen Syrien — Aufstand in Harik — Rüstungen Mohammed 'Ali's gegen die Wahhabiten — Tarsun Pascha — dessen Tod — Ibrahim Pascha — Abd-Allahs Gegenrüstung — Brief an Ibrahim Pascha — dessen Erfolg — ein schlauer Gesandter — Ibrahims Marsch durch Arabien — seine Politik — Schlacht von Korejn — Belagerung von Derefijah — Ibrahims Verfahren gegen die königliche Familie und den Adel — geistliche Versammlung in Riad — deren plötzliches Ende — Ibrahim als Eroberer in Netfed — Rückkehr nach Aegypten — Ismael Pascha — Turki Ebn-Sa'üd —■ Aufstand in Neged — Turki's Thronbesteigung — erste Regierungsakte — Hosejn Pascha — letzte Jahre Turki's — Fejsal wird König — dessen Vertreibung durch Khurschid Pascha — seine Wanderungen — Khalid als Vicekönig — Fejsal als Kriegsgefangener in Aegypten — Ebn Thenej'jun als Vicekönig — dessen Sturz und Tod — Fejsal kehrt zurück — sein« Familie — die Provinzen des Reichs — 'Aasir — Afläg — Wadi-Dowäsir — Wadi Negrän — Bevölkerung und Staatseinkünfte des Reichs Schomer. Welchen Umständen die regierende Dynastie ihr Emporkommen verdankte, ist bereits bei Gelgenheit der Geschichte des Mohammed-ebn-'Abd-el-Wahhäb und seiner Stellung in der Burg und am Hofe Sa'uds, als ersten unabhängigen Fürsten dieses Namens in Derej'ijah, erzählt worden. Derej'ijah wird in den arabischen Annalen erwähnt, ehe es noch durch seine wahhabitischen Herrscher Bedeutung erhielt, 39 Riad war zur Zeit Mosejlemas und später die Hauptstadt von 'Aared gewesen, unter der Familie Ma'ammer hatte 'Ejänah diesen Rang eingenommen, während Manfühah lange Zeit der Vorort von Jemämah blieb. Sa'üd, ein Häuptling vom Blute der 'Anezah, folglich mit Wä'il, Tagleb und Schomer verwandt, hatte die Oberhoheit über das Städtchen erhalten, welches bestimmt war, über Arabien zu herrschen, und hielt es in Abhängigkeit von den Beni Ma'ammer. Etwa fünfzig Jahre später bestieg sein Enkel den Thron, der Erste aus dieser Familie, welcher den Titel eines Königs annahm. Aber Sa'üd I. wird in Neged als der Gründer der Familie betrachtet. Als er starb, folgte ihm sein Sohn 'Abd-el-'Aziz und diesem Sa'üd II., der Schüler und Beschützer des grossen Wahhabi. Wie dieser Fürst zur Secte Wahhabi's bekehrt wurde und mit welchem Eifer und Erfolg er deren Verbreitung be trieb, habe ich bereits umständlich erzählt. Er regierte beinahe fünfzig Jahre und sah vor seinem Tode seine Macht von den Küsten des persischen Meerbusens bis an die Grenze von Mekka anerkannt. Die Dynastien Ebu-Tähir in Hasa, Da'äs in Jemämah, die Nachkommen Därims in Kasim waren eine nach der andern vor diesem Eroberer verschwunden, und sein Reich hatte eine Ausdehnung erlangt, welche der des heutigen Wahhabitenreichs nicht nachstand. Aber Sa'üd, eben so vorsichtig als unternehmend, vermied sorgfälti jeden Uebergriff in die Grenzen der grossen Staaten, welche sein neues Reich berührten. Die Oberhoheit Persiens über Bahrejn und dessen Protektorat in Katif wurden von dem Negedäer geachtet; Ebn Sa'id, der Monarch oder Sultan von 'Oman, konnte sich über keinen Angriff beklagen, eben so wenig war bisher das heilige Gebiet von Mekka verletzt oder .die Türkei und Aegyppten auf irgend eine Weise herausgefordert worden. Sa'üd selbst scheint nicht allein nach Aussen siegreich, sondern auch im eigenen Lande beliebt gewesen zu sein; er unterstützte die Gelehrsamkeit, so weit es die Grundsätze seiner Sekte gestatteten, und während er die Verbreitung der wahhabitischen Lehren thatkräftig förderte, unterliess er nicht, seine Hauptstadt mit religiösen und nationalen Monumenten zu schmücken, die darauf berechnet waren, das Selbstgefühl seiner Unterthanen zu stärken und ihn selbst in den Augen derselben zu heben. Die Ruinen eines Ungeheuern Palastes und einer kaum weniger grossen Moschee in Derej'ijah legen noch heute Zeugniss ab von der Prachtliebe des Herrschers, welcher sie errichtete, und die 40 alte Hauptstadt zeigt noch in ihrer gegenwärtigen Verödung Spuren einer grössern Regelmässigkeit und grösserer Pracht, als die, mit welcher Riad sich brüsten kann. Sa'üd war auch unnöthigem Blut-vergiessen abgeneigt und selbst im Kriege menschlich. Seine Feldzüge waren mehr von Minerva als von Bellona geleitet; rechtzeitige Unterwerfung wendete oft die Spitze seines Schwertes um, und die Negedäi-schen Chroniken erzählen nichts von Niedermetzelungen oder gänzlicher Verwüstung in den während seiner Regierung annektirten Provinzen, Kasim nicht ausgenommen, wo wir das Schlimmste erwarten könnten. Nur die Benu-Khälid in Hasa leisteten trotzigen Widerstand, wurden aber nicht von der Mehrzahl der Einwohner unterstützt und daher bald unterworfen. Auf seinem Todtenbette berief Sa'üd seine beiden ältesten Söhne, 'Abd-el-'Aziz und 'Abd-Allah zu sich, ernannte Erstem zu seinem Nachfolger, wies dem Andern eine ehrenvolle Stelle in der Regierung an und empfahl ihnen ernstlich die von ihm befolgte Politik innezuhalten und „den Felsen nicht zu untergraben" — um die Worte anzuführen, welche ihm die Tradition in den Mund legt, und die nichts Anderes bedeuten sollen, als die Gefahr, welcher sie sich aussetzen würden, wenn sie sich einmal die Feindschaft ihrer mächtigen Nachbarn zuzögen, namentlich der Ottomanischen Regierung, die scheinbar schwach, aber durch das blosse Gewicht ihrer Ungeheuern Ilülfsquellen zermalmend sei. Um das Jahr 1800 (meine Leser erinnern sich dessen, was ich schon oben über arabische Zeitangaben gesagt habe) bestieg 'Abd-el-'Aziz den Thron. Seine Regierung war kurz, aber reich an eben so ruhmvollen als verderblichen Ereignissen. Unruhig und kühn, aber weniger klug als sein Vater, wendete 'Abd-el-'Aziz seine Waffen sogleich gegen Osten, erstürmte Katif, wo er unter den Einwohnern ein grosses Blutbad anrichtete, besetzte Bahrejn und die anliegenden Inseln des persischen Meerbusens, griff die'östlische Küste oder Barr-Färis au, die er unwiederbringlich der persischen Herrschaft entriss und überfiel endlich das Königreich 'Oman. Diese letztere Unternehmung wurde von seinem Jüngern Bruder, dem stürmischen 'Abd-Allah geleitet. Der Erfolg der Negedäer war voll-ständig; nach verschiedenen Schlachten, jede ein Sieg, erreichte 'Abd-Allah die Höhen über Mascat, und richtete die Batterien der Festung gegen die unten liegende Stadt. Der Sultan Sä'id ergab sich und verstand sich dazu,-einen jährlichen Tribut zu zahlen, musste eine wah-41 habitische Besatzung in die wichtigsten Orte seines Reichs nehmen und die Erbauung von Moscheen nach orthodoxem Zuschnitt in Mascat und anderwärts gestatten. Aber diese Eroberungen waren verderblich für 'Abd-el-'Aziz, der durch dieselben einen bei weitem gefährlichem Feind herausgefordert hatte, als das wahhabitische Reich bisher kannte. Katif und Bahrejn standen Beide unter persischer Oberhoheit und hingen mehr noch durch religiöse als durch politische Verbindung mit diesem Reiche zusammen. Auch 'Oman stand in genauer Verbindung mit Persien. Der Hof von Teheran beschloss, seine Verbündeten an dem arabischen Räuber zu rächen. Ein persisches Heer in die Wüsten Arabiens zu schicken, wäre ein eben so gefährliches als unnützes Wagniss gewesen; aber es gab einen leichtern Weg, durch ein den Schija'is zu jeder Zeit und unter jedem Klima bekanntes Werkzeug, nämlich den Dolch des Mörders. Wie zahlreich und in ihren Lehren von einander abweichend die Sekten sind, welche aus den Kämpfen 'Alis mit seinen glücklicheren Nebenbuhlern hervorgingen, so stimmen doch alle in einem Punkte überein, — der traditionellen Billigung und häufigen Ausübung des Meuchelmords. Schija'is von dem ursprünglichen Stamme, Ismailijah (assasins par excellence, von denen alle anderen ihren Namen erhalten haben), Drusen, Karmathier, Khärigijah, Metäwelah, mit einem Worte, die ganze Sippschaft von den ersten Räfedi bis zu den Bäbi in unserer Zeit herab, billigen den Meuchelmord, wenn damit ein Zweck erreicht oder ein Nebenbuhler bei Seite geschafft werden kann; es ist ein Theil ihres praktischen, nicht weniger als ihres theoretischen Codex. Mos-lims und Christen, Sonni und Polytheisten, alle haben zu ihrer Zeit den Dolch des vielgestaltigen Schija'i, des orientalischen Urbildes des „carbonaro" „gekostet", wie der Araber sagt. 'Abd-el-'Aziz sollte jetzt auch an sich selbst erfahren, dass mit den „geheimen Sekten" Asiens nicht zu scherzen sei. Ein Fanatiker, Eingeborner der Provinz Ghilan, des Landes, wo sechs Jahrhunderte früher 'Abd-el-Kadir den Enthusiasmus seiner Schüler zu einem Piedestal beinahe göttlicher Ehren machte, erbot sich, die blutige That zu vollziehen. In Teheran erhielt er die geeigneten Anweisungen und reiste von dort nach Meschid Hosejn, welches bei den Schija'i in gleicher, wenn nicht grösserer Verehrung steht als Mekka selbst. Hier verschaffte er sich einen Freibrief für alle begangenen und noch zu begehenden Sünden und eine in aller Form unterzeichnete und besiegelte Urkunde, die ihm die ewigen Freuden des Para- dieses zusicherte, im Fall er die Erde von dem negedäischen Tyrannen 42 befreite. Mit diesem Dokument, welches sorgfältig zusammengerollt und in einem Amulet um seinen Arm sicher verwahrt wurde, nahm er als Kaufmann verkleidet seinen Weg nach Derej'ijah und erwartete dort eine günstige Gelegenheit, um die ihm für den Meuchelmord zugesagte Belohnung zu verdienen. 'Abd-el-'Aziz, ein aufrichtiger Wahhabi, war bei den Öffentlichen Gebeten in der grossen Moschee der Stadt stets persönlich zugegen. Unbewaffnet und mit gewissenhafter Beobachtung aller Vorschriften seiner Andachtsübungen beschäftigt, die keinen Blick nach hinten oder zur Seite gestatten, konnte er hier ein leichtes Opfer des vorher wohl überlegten Verbrechens werden. Dies wusste der Perser, und als ein wochenlanger Verkehr und genaue äusserliche Orthodoxie ihm das volle Vertrauen der Leute in der Stadt erworben, nahm er eines Tages seinen Stand in den Reihen des Abendgebets unmittelbar hinter 'Abd-el-'Aziz, machte die zwei ersten Reka'as der islamischen Andachstsübung, und bei dem dritten, als der Sultan von Neged sich zur Anbetung niederwerfen wollte, stiess er diesem seinen khorasanischen Dolch in den Rücken. Die Klinge drang zwischen den Schultern durch und vorn an der Brust wieder heraus; 'Abd-el-'Aziz war todt. Seine Begleiter griffen nach ihren Waffen, die sie während des Gebetes abgelegt hatten und stürzten sich auf den Mörder. Mit dem Muthe der Verzweiflung vertheidigte sich der Perser mit dem vom Blute des Königs triefenden Dolche, bis er zusammenstürzte und auf dem Boden der Moschee in Stücken gehauen wurde, aber erst, nachdem er noch drei seiner Angreifer ihrem Könige in den Tod nachgesendet. An der Leiche fand man die von dem Statthalter in Meschid Hosejn unterzeichnete Urkunde, und 'Abd-Allah, der nun Sultan von Neged war, gelobte, dass seine erste Rache für den Tod des Bruders an der Stadt sein sollte, die seinen Mörder beherbergt hatte. Diese Ereignisse fanden, so weit meine Berichterstatter eine Zeit anzugeben im Stande waren, in den Jahren 1805 oder 1806 statt. 'Abd-Allah regierte von da an allein, da sein jüngerer Bruder Khälid, und Thenej'jän, der Sohn des 'Abd-el-'Aziz, keinen Antheil an der königlichen Macht hatten. Khälid hinterliess einen Sohn, Namens Me-schäri, von welchem, als dem Mörder Turki's, schon in einem frühem Kapitel unserer Erzählung die Rede war; von Ebn Thenej'jän und einem andern Khälid, ebenfalls Neffen 'Abd-Allahs, werden wir unten sprechen. 'Abd-Allah hatte die ganze Klugheit und Charakterstärke seines 43 Vaters geerbt, aber mit diesen besseren Eigenschaften vereinigte er die gewöhnlichen Laster der im Purpur Geboruen; despotisch, grausam, treulos, stolz bis zu einem selbst im Orient seltenen Grade, und über alle Massen bigott für die Sekte, in deren Grundsätzen er erzogen war. Die hässlichen Züge, welche selten in dem Porträt eines mohammedanischen Autokraten fehlen, — Hochmuth, rücksichtsloses Blutver-giessen, Missachtung menschlicher Leiden, Verschwendung mit schonungsloser Bedrückung gepaart, launische Grausamkeit und eben so launische Gunst und Gnade — Alles fand volle Entwickelung in dem II. 3 wahhabitischen Despoten und bezeichnete jede Massregel seiner Regierung. Kaum hatte er seinen Bruder begraben, als er die Rache an Meschid Hosejn und den Schija'is der persischen Grenze vorbereitete. An der Spitze eines mächtigen Heeres marschirte er nach den westlichen Ufern des Euphrat. Auf dem Wege dorthin drohete er, die kleine Stadt Kowejt zu verschlingen, welche damals anfing als Handelsplatz wichtig zu werden, aber eine rechtzeitige Unterwerfung und grosse Geschenke wendeten die gefährliche Ehre eines negedäischen Besuchs ab. Allen Widerstand vor sich niederwerfend, zerstörte 'Abd-Allah die seinem Angriffe entgegengestellten Heere bei Zobejr, Sük-esch-Schejukh und Samowah und kam vor der grossen Stadt Meschid 'Ali an, die er sogleich belagerte. Ob aber eine wunderbare Dazwi-schenkunft des Schwiegersohnes Mohammeds die belagernden Wahha-biten in Verwirrung brachte, wie die Schija'i noch bis heute behaupten, oder ob den Belagerern das nöthige Geschick und die Kraft zur Erstürmung der Festungswerke fehlte, 'Abd-Allah wurde mit bedeutendem Verluste zurückgeschlagen und musste seinen Angriff auf Meschid 'Ali aufgeben. Er überliess die Stadt ihren Vertheidigern, marschirte mit neuer Wuth weiter nach Norden gegen Meschid Hosejn oder Kerbeiah, den Hauptgegenstand seines Hasses. Hier warf die Heftigkeit seines Angriffs allen Widerstand nieder, die fetadt wurde erstürmt, und eine Niedermetzelung ohne Unterschied der Besatzung und der Einwohner versöhnte die Manen des gemordeten 'Abd-el-'Aziz. Das Grab (ob acht oder nicht, bleibt sich gleich) des Sohnes der Fatimah wurde zerstört, die reiche Moschee geplündert und entweiht. Ich selbst habe in Riad verschiedene Gegenstände gesehen, die damals aus dem Heiligthum persischer Andacht fortgeschleppt worden waren; Alle stimmen darin überein, dass die Metzelei erbarmungslos war und die Einwohner, unbewaffnete wie bewaffnete, ohne Unterschied niedergemacht wurden. 44 Durch diese Erfolge gereizt, beschloss 'Abd-Allah, gegen den Rath seines sterbenden Vaters, seine Eroberungspläne durch einen Angriff auf das Gebiet von Mekka im Westen zu vervollständigen. Zum zweiten Male raffte er die ganze Macht von Neged zusammen, überschritt bei Meghasil die Grenze des Haram oder heiligen Gebiets und lagerte nach wenigen Tagen vor Mekka, das zu schwach war, um wirksamen Widerstand leisten zu können. Die heilige Stadt, welche seit Karmut-ebn-Tähir von allen Parteien geachtet und von jedem Eroberer geschützt worden war, wurde jetzt genommen, die Besatzung niedergemacht, und mit den türkischen Soldaten fielen viele der ältesten und geehrtesten Scherifs und Sej'jids durch das Schwert. Aller Schmuck, jede Spur einer nicht-arabischen Andacht oder Aberglaubens wurde weggenommen oder zerstört; und die Ka'abah, jetzt für die nackte Reinheit des islamischen Gottesdienstes wiederhergestellt, wurde gegen eine künftige Entweichung dadurch geschützt, dass man Allen, die nicht zu der orthodoxen, d. i. der erobernden Sekte gehörten, den Zutritt verwehrte. Eine kleine Ermässigung von diesem comprehensiven Verbote jedoch wurde den Pilgern zu Theil, welche durch Zahlung eines angemessenen Tributs und Opfers an Geld genügendes Zeugniss für die Correktheit ihrer religiösen Ansichten ablegten; unter keiner andern Bedingung war Mekka unter seinem neuen Herrn den Sonni oder Schijä't zugänglich ; und auch so noch hatte zuweilen ein Anfall fanatischen Eifers die Oberhand über alle Reize des Goldes, ja 'Abd-Allah kam dem Compromiss oft nicht anders nach, als dass er den türkischen Pilgern, gleichviel von welchem Range und Stellung, die Durchreise geradezu versagte. Bei einer solchen Gelegenheit wurde einmal die Schwester des Sultans selbst „mit Schimpf und Schande" von der mekkanischen Grenze zurückgewiesen, ehe sie den schwarzen Stein ge-küsst oder nur einen einzigen Kiesel in dem Thale Mina geworfen hatte. Mehr als einmal trieb ein glückliches Zusammentreffen der Grundsätze und Interessen, religiösen Eifers und zeitlichen Vortheils die wahhabitischen Hüter der heiligen Stätten zu Plünderung der reichen ketzerischen Karawanen. Goldene Zeiten, obwohl nur von kurzer Dauer, die aber in 'Aared und Riad lange in gutem Andenken blieben, wo ich manchen Seufzer hörte nach den guten alten Tagen der Eroberung, Intoleranz und 'Abd-Allahs. Die nächste Unternehmung war nun gegen Medinah. Die Veranlassung dazu gab, wenn wir den mekkanischen Erzählungen glauben dürfen, ein eigenthümliches politisches Manöver, welches in den oberen Regionen aufgeführt wurde. Als die noch übrigen Scherifs und Scheikhs von Mekka sahen, dass der Allmächtige sehr geringe Notiz von dem 45 seinem Hause und seinen Dienern in der Hauptstadt angethanen Unrechte zu nehmen schien, besannen sie sich, dass sie wirksamere Hülfe finden würden, wenn sie den Propheten selbst für ihre Sache interes-sirten. Zu diesem Zwecke war nothwendig, dass 'Abd-Allah dieser Alles vermögenden Persönlichkeit irgend eine bedeutende Beleidigung zufügte und so deren privaten und persönlichen Unwillen auf sich zöge. Obgleich nun die Achtung gegen ihren grossen Landsmann Mohammed ihnen nicht erlaubte, direkt bei einer solchen Handlung mitzuhelfen, so konnte sie doch indirekt und nicht weniger wirksam die Hand dabei im Spiele haben. So begaben sich eines Morgens alle verehrungswürdigen Graubärte Mekka's in corpore nach der geplünderten Ka'abah, um dort Gott in allem Ernste zu bitten, den wahhabitischen Monarchen zu der Entweihung von Medinah und des Grabes des Propheten zu vermögen, damit so das Mass seiner Sünde voll werde und er die Rache des Geliebten, nämlich Mohammeds, auf sein Haupt zöge. Ihr Gebet wurde erhört, und 'Abd-Allah marschirte mit der wahhabitischen Armee nach Jathreb, oder Medinah, um dort das Mass seiner Verbrechen voll zu machen. Meine Leser, hoffe ich, werden sich erinnern, dass ich jetzt ein Erzähler — nicht ein Geschichtsschreiber bin. Medinah fiel als eine leichte Beute, und der siegreiche Wahhabi ging daran, den bekannten Grundsatz seiner Sekte, ,,Khejr-ol-Kebür' ed-dowäris" — d. i. die besten Gräber sind die, von denen keine Spur mehr da ist, durch Plünderung der Gräber des Propheten und seiner beiden grossen Nachfolger Abu-Bekr und Omar zur Ausübung zu bringen. Als er alle Mauern niedergerissen, zogen die reichen Gaben, welche die Andacht seit Jahrhunderten in der Begräbnissmoschee aufgehangen hatte, seine Aufmerksamkeit auf sich. „Mohammed ist todt, Ich bin lebendig; solcher Reichthum ist sicherer in der Be- wachung eines Lebenden als eines Todten", sagte 'Abd-Allah mit frevelhaftem Spott, als er sechzig Kamele mit den Trophäen seines profanen Triumphes beladen nach seinem Schatze in Derej'ijah absendete. Wie gleichgültig auch der Prophet den der Ka'abah zugefügten Schimpf angesehen haben mochte, diese letzte und persönliche Beleidigung musste ihn tief verletzen. Ob er aber für den Augenblick mit Baal „auf einer Reise war" oder vielleicht „schlief und erst aufgeweckt werden musste", er liess die Sache fünf Jahre lang hingehen. Unterdessen führte der Wahhabit, jetzt Herr der ganzen Halbinsel, bis auf ein kleines Stück von Jemen und Hadramaut, seine Heuschrecken-48 schwärme nach der nördlichen Grenze. Schomer und Gauf waren bereits unterworfen, aber von Karak bis Palmyra wurde das ganze offene Land mit Feuer und Schwert verwüstet. Nur feste Städte und Burgen konnten die hülflosen Einwohner vor dem Schwerte ihrer allzu rechtgläubigen Brüder schützen. Die 'Anezah im Norden waren jedoch im Allgemeinen nicht geneigt, mit den Plünderern aus dem Süden gemeinschaftliche Sache zu machen, und es fanden einige Scharmützel statt, welche Gelegenheit gaben zu der fürchterlichen Fiction von einer siebentägigen Schlacht zwischen zwei Heeren, das eine unter Anführung der Benu-Scha'alän, das andere unter Abu Nokta und seiner Gehülfen, die in Lamartine's bekanntem Werke über den Orient erzählt wird. Ungeachtet aller Nachforschungen, die ich anstellte, sowohl bei den Benu-Scha'alän selbst, den Ru'ala, Sebaa' und Hasimah im Norden, als auch bei den Negedäern und Benu-Tamim im Süden, konnte ich doch keine Spur von einem Ereigniss entdecken, welches, wenn es in so riesenhaften Verhältnissen stattgefunden hätte, wie ihm der Erzähler beilegt, wenigstens von fünfzig Dichtern in der Wüste und den Städten besungen worden wäre. Während so die negedäische Hauptmacht an den verschiedenen Grenzen beschäftigt war, liess natürlich der wahhabitische Druck im Innern des Reichs einigermassen nach. Es fehlte nicht an Unzufriedenen und im Neged selbst, wo sich 'Abd-Allah durch seine Tyrannei bei seinen Unterthanen eben so verhasst gemacht hatte wie in den eroberten Ländern bei seinen Feinden, brach ein furchtbarer Aufstand los, namentlich in den Provinzen südlich von 'Aared; das Centrum der Reaktion war Harik, der grosse Vorposten von Jemämah, dessen entfernte Lage es auch jetzt noch oft zu einem Brutneste des Hasses gegen die wahhabitische Regierung macht. An der Spitze des Aufstandes standen die Männer der Stadt Hutah und ihnen zur Seite der alte Adel des Landes, der jetzt seine Ansprüche wieder geltend machen wollte. Aber 'Abd-Allah war auch bereit und sein Joch zu fest aufgelegt, um durch einen nicht allgemeinen Aufstand abgeschüttelt werden zu können. Er sammelte die Reserve-Heere von 'Aared und Sedejr, seine zuverlässigsten Vasallen, und ohne den Angriff der Empörer abzuwarten, griff er diese in Jemämah selbst zuerst an. Nach langen Kämpfen, denn es war ein hartnäckiger Bürgerkrieg, kam er in die Provinz Harik, die er weit und breit verwüstete. Das volle Gewicht seiner Rache aber blieb der Stadt Hutah aufbewahrt. Hier blieb kein Haus von den Flammen verschont, und Männer und Kinder wurden ge- schlachtet. Von Jen ganzen männlichen Einwohnern, deren man nahe an zehntausend zählte, sollen nur einhundert und dreissig dem Blutbade entgangen sein. Als der Eroberer hier durch die blutgefärbten Ruiueu ritt, von seinen wilden Gefährten begleitet, stellte sich ihm eine Frau in den Weg, die in dem Blutbade Kinder und Gatten verloren hatte, und rief ,,'Abd-Allah". „Hier bin ich", antwortete der König. — „Sprich den Namen Gottes aus", sagte das Weib. „0 Gott!" rief 'Abd-Allah. „0 Gott!" fuhr sie fort, den Satz, welchen er angefangen, vollendend, „wenn 'Abd-Allah gut gethan, mit dem. was er hier gethan, so vergilt ihm mit Gutem; wenn es aber Ungerechtigkeit und Grausamkeit ist, so vergilt ihm darnach." 'Abd-Allah, von seinem Gewissen getroffen und niedergeschlagen, wandte schweigend um, kehrte nach Derej'ijah zurück und liess Harik als eine Wüste hinter sich. Aber der Fluch folgte ihm auf den Fersen. Die Regierung in Constantinopel beauftragte Mohammed 'Ali, den Vicekönig von Aegypten, die Vertreibung der Wahhabiten aus Mekka in die Hand zu nehmen und ihm eine geeignete Züchtigung angedeihen zu lassen. Die ersten kriegerischen Operationen zu diesem Zwecke wurden von Tarsun Pascha, dem Sohne Mohammed Ali's und altem Bruder Ibrahim Paschas befehligt. Wie Tarsun mit seinen Truppen im Hegäz landete, wie zwei bis drei Jahre bald mit bald ohne Erfolg gekämpft und unterhandelt wurde, die Pest im Heere der Aegypter ausbrach, Tarsuns Tod und andere Ereignisse dieses Kriegszuges, sind genau in Burck-hardt's Reisebeschreibung erzählt. Mekka wurde allerdings wiedererobert, aber die ägyptischen Heere machten ausserdem wenig Fortschritte und dachten nicht daran, nach Neged vorzudringen. Mohammed Ali dagegen hatte bereits den kühnen Plan gefasst, nicht allein dem wahhabitischen Uebermuthe im Hegäz ein Ende zu machen, sondern um jeder künftigen Wiederholung desselben vorzubeugen, Derej'ijah selbst einzunehmen und so die Wespe in ihrem Neste zu erdrücken. Zuerst aber (meine Leser werden sich erinnern, dass ich die negedäische Version der Geschichte gebe) berief er in Cairo seine sämmtlichen Generale, Minister, Offiziere und Staatsmänner zusammen, um über diesen Gegenstand zu berathen. Nachdem er ihnen weitläufig auseinandergesetzt, weshalb er sie berufen, und was er wünsche, zeigte Mohammed Ali auf einen Apfel, der auf dem Fussboden des Diwans lag; er war absichtlich genau in die Mitte des grossen vor ihm ausgebreiteten Teppichs gelegt worden. „Nun", sagte er, „wer von euch mit seiner Hand den Apfel erreichen und mir geben kann, aber ohne seinen Fuss auf den Teppich zu setzen, auf dem er liegt, der soll den Oberbefehl über die Expedition lach Neged erhalten." Mancher kleine Bey streckte sich in voller Länge auf dem Boden aus, mit den Fersen gerade an dem Rande des Teppichs, mit den Armen nach der Frucht langend, aber die Entfernung war zu gross, und der Apfel blieb unberührt. Einer nach dem andern versuchte es, jeder auf andere Weise, aber Alle vergeblich. Endlich stand Mohammed Ali's Adoptivsohn Ibrahim auf, ein kurzer, stämmiger Mann, verneigte sich vor seinem Vater und erbot sich, das schwere Manöver auszuführen. Alle lachten und Niemand zweifelte, dass es ihm eben so wenig gelingen werde wie allen Uebrigen. Ihr Lachen aber verwandelte sich bald in Bewunderung, als sie sahen, wie Ibrahim ruhig anfing den Teppich vom Rande aus zusammenzurollen, bis der Apfel ihm so nahe war, dass er ihn leicht erreichen konnte, diesen dann aufhob und seinem Vater überreichte, der den bildlichen Sinn sehr wohl verstand und ihn sogleich zum Oberst-Commandirenden der ägyptischen Armee ernannte. Fabel oder nicht, die darin enthaltene Vorstellung von der Natur des Landes, in welches man eindringen wollte, und die Hindeutung auf die Mittel, welche den wahrscheinlichsten Erfolg versprachen, sind gewiss richtig. Die Schwierigkeit der beabsichtigten Expedition lag hauptsächlich darin, eine regelmässige Armee durch den breiten Wüstengürtel zu bringen, welcher das Neged von allen Seiten umgiebt. Ueber diesen zu reichen, hatte sich schon der Arm manches Eroberers als zu kurz erwiesen; war aber das centrale Plateau einmal erreicht, so konnte es keinen erheblichen Widerstand mehr leisten. Wie aber gedachte Ibrahim den Teppich aufzurollen und den Preis zu erreichen? Sein Feldzug selbst wird uns bald die praktische Lösung dieses Räth-sels geben: einstweilen muss ich meine Leser für einige Augenblicke auf den arabischen Boden versetzen, um hier zu sehen, welche Vorbereitungen 'Abd-Allah traf, dem anrückenden Feinde zu begegnen. Ibrahim verweilte noch in Aegypten, um Truppen und Munition zusammenzuziehen, als die ersten Schatten der furchtbaren Kriegswolke die Hauptstadt 'Abd-Allahs erreichten. Die negedäischen Truppen waren bis jetzt erst wenig zu activem Dienste in dem Kriege gegen Tarsun Pascha verwandt worden, der hauptsächlich von den zahlreichen und kriegerischen Bewohnern des Gebel 'Aasir unter Anführung ihres Oberhauptes Ebn-Sa'adun geführt wurde. Ein Blick auf die Karte 49 wird meinen Lesern zeigen, dass das Bergland 'Aasir unmittelbar südlich von dem Gebiet von Mekka liegt; die Zahl seiner streitbaren Männer wird mit negedäischer Uebertreibung auf siebzigtausend angegeben; ein Drittheil dieser Zahl mag vielleicht der Wahrheit nahe kommen. Die Bewohner von 'Aasir sind fanatische Wahhabiten und Verbündete, jedoch nicht Unterthanen, von Neged. Sie bildeten sonach die erste ernstliche Schutzwehr gegen die ägyptische Invasion. Aber 'Abd-Allah hatte Grund zu fürchten, dass 'Aasir allein sich gegen die andringende Kriegsfluth zu schwach erweisen würde. Er schrieb daher an Ebn-Sa'adun einen Brief, in welchem er diesen ermuthigte und Hülfe zusicherte, und traf dann selbst kriegerische Vorbereitungen in einem ungewöhnlichen Umfange. Einstweilen aber wählte er aus den Bewohnern von Derej'ijah einen aus, den er besonders geeignet hielt, die Dienste eine« Spions zu versehen, und sendete diesen verkleidet nach Aegypten, um dort ausfindig zu machen, wie viel Truppen wirklich auf den Beinen seien, und Alles genau zu beobachten. Als nach Verlauf der bestimmten Zeit der Emissär zurückkehrte, hielt 'Abd-Allah eine öffentliche Audienz vor dem Thore des Palastes, rief den Boten auf und liess ihn vor der versammelten Menge erzählen, was er gesehen und gehört hatte. Der Unglückliche, auf dessen arabische Einbildungskraft die Entfaltung der organisirten kriegerischen Macht des ägyptischen Heeres einen tiefen Eindruck gemacht hatte, begann seinen Landsleuten eine erschreckende Schilderung von dem mächtigen Pascha und seinen Truppen, Kanonen und Regimentern, Reiterei und Fussvolk zu machen, die alle in Neged einfallen sollten. Alle Gesichter erblassten, 'Abd-Allah aber machte der Erzählung sogleich ein Ende, indem er befahl, den nur zu glaubwürdigen Erzähler abzuführen und auf der Stelle zu enthaupten, „weil er die Herzen der Moslims entkräftet". Obwohl aber der König auf diese Weise wohl die Befürchtungen der Menge einigermassen beschwichtigen mochte, so konnte er sich doch seiner eigenen nicht so leicht entschlagen. Er würde gern einen Gesandten an den Aegypter gesandt haben, um wegen eines Friedens zu unterhandeln und die Gefahr abzuwenden, bevor es zu spät war, aber es fand sich Niemand mehr, der einen solchen Auftrag übernehmen wollte; Jeder zog sich zurück, weil Jeder, und nicht mit Unrecht, für sich selbst das Schicksal des ersten Abgeordneten fürchtete. Endlich erbot sich Einer, das Wagniss zu unternehmen, aber mit der Bedingung, dass er den Brief, welchen er überbringen sollte, zuerst selbst lesen dürfe — genau genommen, eine sehr kluge Vorsicht. Auf ein kleines viereckiges Stück schmutziges gelbes Papier hatte w 'Abd-Allah, nach Wahhabiten-Art, eine kurze, in sehr wenig umständlichen Worten ausgedrückte Note an Ibrahim Pascha geschrieben. Sie enthielt, nach der pflichtschuldigen Nennung des göttlichen Namens Folgendes: „Wir, 'Abd-Allah-ebn Sa'üd, grüssen Euch Ibrahim Pascha", — ohne Titel, Compliment oder weitere Vorrede; — dann folgte ein Dutzend Zeilen mit weisen Ermahnungen, die gut mit Citaten aus dem Koran aufgeputzt waren, und ein sehr kühler Antrag, Freundschaft zu halten, auf die Bedingung, dass jede Partei bleiben sollte wo sie wäre. Der wahhabitische Stolz erlaubte nicht, Friedensverhandlungen auf eine andere Weise zu eröffnen. Als der Gesandte diese undiplomatische Note erhalten und gelesen hatte, warf er sie hin und sagte, „das mitzunehmen, wäre mehr als den Kopf auf das Spiel gesetzt. Ihr müsst mich selbst einen Brief in Eurem Namen schreiben lassen; so nur kann ich gehen, anders nicht." 'Abd-Allah, der wohl einsah, dass sich nicht so leicht ein anderer Gesandte finden würde, antwortete ärgerlich: „Nun, so schreibe"; — „Aber", fügte der künftige Gesandte hinzu, „erst versprich mir mit einem feierlichen Eide, Sicherheit des Lebens, ich mag schreiben, was ich will." Abd-Allah schwor sie ihm zu. Der Negedäer, welcher weit gereist war und mehr von der Welt und dem was Brauch ist gesehen hatte , als sein im Palast aufgewachsener Herr, verlangte nun einen grossen Bogen weisses Papier, und schnitt sich eine ausgezeichnete Feder, dann schrieb er, mit grossen und schön verzierten Buchstaben einige Zeilen, die nichts enthielten als Complimente, das gewöhnliche Exor-dium orientalischer Staatsschriften, in denen die Titel „Herr, Gebieter, Herrscher" u. s. w. — lauter Götzendienst nach wahhabitischem Sinne, wenn sie einem Andern beigelegt werden, als dem höchsten Wesen allein — dem ägyptischen Ungläubigen dick aufgetragen waren. Hierauf folgte ein Anerbieten zu Freundschaft und Bündniss, aber in Ausdrücken abgefasst, die Unterwürfigkeit und Nachgeben athmeten, nicht Gleichstellung oder Drohung; und endlich ein demüthiges Gesuch, dass „unser Herr" (Ibrahim Pascha) geruhen möge, die Geschenke anzunehmen, welche, so schrieb er auf eigene Verantwortung, dieses Schreiben begleiteten. Als er seine Composition vollendet, händigte er sie dem Könige ein. „Bei Gott", rief der Despot, „hätte ich Dir nicht Sicherheit des Lebens zugeschworen, so müsstest Du diese Lästerungen mit dem Tode büssen." Indessen es half nichts, 'Abd-Allah besiegelte das abscheuliche Dokument und fügte noch das in dem Briefe erwähnte Geschenk von sechs schönen negedäischen Pferden bei. So ausgestattet trat der Gesandte seine Reise nach dem Westen an. 51 Von Giddah setzte er nach Kosejr in Aegypten über, und war von dort noch nicht weit landeinwärts gekommen, als ihm die Armee begegnete. Ibrahim an der Spitze, der bereits von Kairo nach der Küste zu auf dem Marsche war. Drei Tage musste 'Abd-Allahs Gesandter warten, ehe er zu einer Audienz gelangen konnte; erst am vierten Tage ward er vorgelassen. „Nun, Mann", sagte Ibrahim Pascha in dem ächten kairischen Volksdialekte, den er sich bis an das Ende seines Lebens nicht abgewöhnte, „was bringst Du von dem Hunde in Neged, Deinem Herrn?" Der Gesandte überreichte sein Schreiben. Der Pascha nahm und übersah es und lachte laut auf. „So — Herr, Gebieter! Euer unterthäniger Diener! Junge, (wendete er sich zu Einem aus seinem Gefolge), bringe den Brief, den ich vor vier Tagen von Sa'adün, dem Hunde in 'Aasir, erhalten habe." Das Dokument wurde gebracht. Es war eine Protestation gegen Unterwerfung und Bündniss, mit welcher der Häuptling von 'Aasir zugleich, als Beweis seiner Aufrichtigkeit, die ihm kurz zuvor von 'Abd-Allah Sohn Sa'uds geschickte Note übersendete. „Höre das, Du Schwein", sagte Ibrahim, und fing an, das andere wahhabitische Dokument laut vorzulesen, wobei er aber seine Vorlesung oft mit Flüchen über die negedäische Kalligraphie unterbrach: „Im Namen Gottes, des Erbarmenden, wir 'Abd-Allah-ebn-Sa'üd, grüssen Euch Ebn-Sa'adün, und Friede sei über Euch und das Erbarmen Gottes und sein Segen. Zunächst sagen wir: lass' Dich nicht täuschen durch diesen ägyptischen Esel und sein Schreien, denn er kann Euch nichts nutzen und nichts schaden, und wir sind mit Gottes Erlaubniss die siegende Partei; und hüte Dich, ich sage, hüte Dich vor dem Prahlen der Ungläubigen; Gott stürze sie alle in Schande! denn sie werden sicher unterliegen, und wir sind bereit mit Ross und Mann zu Eurer Hülfe, und der Sieg ist von Gott, und der Triumph nahe zur Hand, und Friede mit Euch." „So schreibt er an seine Freunde", fuhr Ibrahim fort; „und so", indem er auf das vor ihm auf dem Boden liegende Dokument zeigte, „so schreibt er an uns. Euer Herr, Ebn-Sa'üd, ist ein Lügner. — Sage ihm, Du Schwein", setzte der Pascha hinzu, „dass ich ihm in Derej'ijah selbst antworten werde. Und jetzt packe Dich, sammt Deinen Geschenken. Wärest Du nicht als Gesandter gekommen, so Hesse ich Dich auf der Stelle todtschlagen." Der Negedäer sah, dass hier Entschuldigungen und Diplomatie verloren seien. Er versuchte weder die eine noch die andere, son- dern nahm, seine Pferde, schiffte sich in Kosejr ein und war bald 53 wieder in Gidda. Sobald er hier angekommen war, überlegte er, wie er sein Antlitz wieder in Derej'ijah zeigen könnte nach einem solchen Ausgange seiner Gesandtschaft und mit einer Antwort, die genug war, nicht einen, sondern hundert Köpfe verlieren zu lassen. Indessen ein ächter Araber ist selten lange um einen Ausweg verlegen. Er verhandelte seine Pferde, das beabsichtigte Friedensgeschenk, für einen guten Preis und kaufte für das daraus gelöste Geld ein Dutzend nubische Sclaven, die er so schön wie möglich aufputzte und mit in das Innere nahm; unterwegs gab er dieselben überall für ein Geschenk aus, welches Ibrahim Pascha an den Sultan von Neged sende, als Beweis des Bündnisses und der Freundschaft, ja sogar seiner Furcht. So»kam er in Derej'ijah an, eben als die Stimme des Mu'eddin die Bewohner zum 'Asr-Gebet rief. Von seinen prächtig geputzten Schwarzen begleitet, ging er gerades Weges in die grosse Moschee, die von Andächtigen gedrängt voll war. 'Abd-Allah war in der ersten Reihe und die Gebete sollten eben beginnen. Als der Gesandte eintrat, richteten sich Aller Augen auf ihn und seine schwarzen Begleiter, und da man gern glaubt, was man wünscht, so machten Alle, 'Abd-Allah mit eingeschlossen, den Schluss, welchen der schlaue Dromio beabsichtigte. „La Iläh illa Allah! Gott ist mit den Muslims, Gott allein ist gross, Lob sei Gott!" lief ein tiefes Murmeln durch die ganze grosse Versammlung. 'Abd-Allah, obwohl von der anticipirten guten Botschaft selbst noch in mehr gehobener Stimmung als irgend ein Anderer, gebot durch einen Wink Ruhe und das Gebet wurde gesprochen. Kaum war dieses beendigt, als der Monarch seinen Gesandten aufforderte, vor der ganzen versammelten Menge den Verlauf und Ausgang seiner Botschaft zu erzählen. Ein höflicher Empfang, der ihm von dem ägyptischen Potentaten zu Theil wurde, das Schrecken Ibrahims, als er von der kriegerischen Tapferkeit des Neged hörte, seine Freude bei Empfang des Geschenks und Erwiderung desselben durch die hier gegenwärtigen Sklaven, mit Betheuerungen von Freundschaft, Bündniss und was noch, bildeten die ungeheure, aber rechtzeitige Lüge, die der schlaue Bote jetzt vor dem König und dem Volke vorbrachte. „Nun zeige uns den Brief des Ungläubigen", sagte 'Abd-Allah, als die seinem Ohre schmeichelnde Erzählung unter dem „Alläho Akbar" des Volks beendigt war. Aber der Gesandte antwortete, der Brief enthalte Dinge, die man besser im Ge- 53 heimen Rathe lesen könne und bat 'Abd-Allah, die Sache bis dahin zu verschieben. Der Monarch, der in ungewöhnlich guter Laune war, gab diess nach einigen Einreden zu, nahm den Gesandten mit sich und brach sogleich nach dem Palaste auf, von seinen Ministern und Hofe begleitet, denen die Neger folgten. Im Diwan angekommen, verlangte 'Abd-Allah wieder den Brief. „Er ist sehr vertraulicher Natur", antwortete der discrete Schelm, „und kann keinen anderen Augen und Ohren anvertraut werden, als Euren eigenen." 'Abd-Allah, einigermassen überrascht, liess seine Räthe abtreten. „Ich habe keine andere Antwort auf Eure Vorschläge, als dass Ibrahim*Pascha dieselbe hier in Derej'ijah in eigener Person geben will, und wenn Ihr ein Mann seid, so trefft Anstalt, ihn herauszutreiben", sagte der Gesandte, der nun endlich den Ochsen an den Hörnern greifen musste. Dann setzte er 'Abd-Allah auseinander, was er gesehen und gehört, bat, die momentane Täuschung zu entschuldigen, die er angewendet, um zu verhüten, dass nicht Entmuthigung und Schrecken sich der Hauptstadt bemächtigte. „Aber", schloss er, „die Gefahr ist nahe und Ihr müsst Euch auf einen Kampf in Neged selbst gefasst machen." Der Monarch konnte nicht anders, als die Geschicklichkeit seines Dieners loben, und entliess ihn, ohne ihm den Kopf abschlagen zu lassen. Nun ging er mit allem Ernste daran, die ganze Macht seines Reiches aufzurufen und zu concentriren, und beschloss, so gerüstet, den Feind am Eingange der Pässe des innern Neged in d#r Nähe von Kowej' zu erwarten, wo die Strasse von Mekka her zuerst in die labyrinthischen Thäler des Towejk führt, ehe sie Wadi Hanifah und das Herz von Neged erreicht. Seine Truppen, frisch und unvermindert, konnten so auf heimischem Boden ihr Land gegen einen Feind verteidigen, der, so meinte 'Abd-Allah, nicht anders ankommen konnte, als ermüdet und von dem Wege durch die dazwischen liegende Wüste aufgerieben, und vielleicht nachdem seine stürmische Kraft durch den Guerillakrieg mit den Beduinen und den Bewohnern der einzelnen Ortschaften, durch die sein Weg führte, gebrochen und seine Reihen gelichtet waren. Es unterliegt keinem Zweifel, dass 'Abd-Allahs Be rechnung klug war und einem weniger vorsichtigen Feinde gegenüber von gutem Erfolge begleitet sein konnte. Ibrahim Pascha aber brachte jetzt seinen Plan, den arabischen Teppich aufzurollen, zur Ausführung, und zeigte, nicht durch Theorien, sondern durch die That, wie die berühmten Feldzüge eines Cambyses, 54 Crassus und Napoleon wohl, wenn nicht ganz 'erfolgreich, wenigstens bei weitem weniger verhängnissvoll für die, welche sie unternahmen, hätten durchgeführt werden können, selbst in Scythien, der syrischen Wüste oder dem Schnee Russlands. Die Art, wie er es that, verdient Beachtung; sie ist eine gute Lehre für kriegerische Operationen in Asien, vornehmlich wenn sie in grossem Massstabe und weit landeinwärts geführt werden. Sobald Ibrahim in Gidda landete, unterwarf sich Ebn-Sa'adun und das ganze Gebel 'Aasir; er rückte nun mit dem Hauptcorps seiner Truppen in dem langen und sandigen Thale aufwärts, welches von Mekka nach Neged führt, die Nefud und Kasim zu seiner Linken und den niedrigen' Arm des Towejk, welcher zuweilen, aber unpassend, auch Gebel 'Aared genannt wird, zu seiner Rechten, und richtete seinen Marsch gerade gegen Wadi Dowäsir und dessen fanatische Bevölkerung. Auf diesem Wege stellte sich ihm kein Feind entgegen, als die schlecht bewaffneten Bewohner vereinzelter Dörfer und die Beduinen-Stämme Harb, 'Otejbah, 'Anezah und Kahtän, während Wasser, wenn auch nicht täglich, doch sicher in den vierzig bis fünfzig Stunden Wegs von einander liegenden Brunnen zu finden war. Aber Ibrahim rückte nicht als Eroberer vor, sondern als Freund. Jeden Eimer Wasser, den die Einwohner oder Beduinen für seine Truppen heraufzogen, jede Dattel, die die Soldaten aufhoben, jedes Stück Holz, das sie verbrannten, wurde sogleich und gut bezahlt, und Offiziere und Mannschaften hatten strengste Weisung, die unbewaffneten und keinen Widerstand leistenden Einwohner mit grösster Schonung zu behandeln und sich jeder, selbst der geringsten Gewalttätigkeit zu enthalten. Ein Dorf nach dem andern, ein Stamm nach dem andern, theils durch die Entfaltung kriegerischer Macht in Furcht gesetzt, theils in der Hoffnung auf Gewinn, oder auch, weil sie einsahen, dass civilisirte Ordnung sie gegen den Uebermuth und die Wildheit der Wahhahiten schützen konnte, suchte mit dem Aegypter Bündniss und entzog sich der negedäischen Herrschaft. Alle, sie mochten sein wer und von welchem Stamm sie -rollten, wurden mit den günstigsten Bedingungen angenommen. F kleiner Theil weigerte, sich noch, die Herrschaft der „Muslims" . 1t der des „ägyptischen Esels" zu vertauschen; aber auch gegen diese wurde keine Gewalt angewendet und kein Blut vergossen; mit wohlberechneter Milde verlangte Ibrahim nur, dass sie ihre Wohnstätte verlassen und ihm nach Central-Neged vorangehen sollten, um dort, wie er mit bitterem Hohne sagte, „die Macht der Gläubigen zu verstärken", eigentlich aber, um 'Abd-Allahs Hülfsmittel zu erschöpfen und seinen Muth durch die Last einer gemischten und nutzlosen Menge niederzudrücken. Ein zartes pecuniäres 55 Interesse und reichlicher Tabak, der allen Beduinen gespendet wurde, welche Kamele brachten, um Wasser zu transportiren, oder die als Führer dienten, zogen die Nomadenstämme ohne Ausnahme unter die Fahne des Pascha. So Stufe für Stufe das Ne£ed „aufrollend" nach arabischer Redeweise, und in leichten Märschen den Höhen Mittelarabiens immer näher rückend, unermüdet, und mit Allem versehen, was sein Heer brauchte, ohne einen Tropfen Blut verloren oder vergossen zu haben, liess Ibrahim eine leichte Communication mit der Küste und günstig gesinnte Verbündete hinter sich, während er Hunger und eine unnütze Menge vor sich her trieb und die Furcht, welche eine durch vollkommene Disciplin zusammengehaltene und im Bewusst-sein der Macht gemässigte Armee einflösste. Bei Kowej" stiess er zuerst auf einen Vorposten des Heeres der Negedäer. 'Abd-Allah hatte schon Boten über Boten gesendet, um den Heranrückenden zu besänftigen oder abzuhalten, dieser aber hatte auf alle Anerbieten, die er erhielt, nur eine Antwort: „in Derej'ijah." Bei allen seinen Fehlern war Ebn-Sa'üd kein Feigling; er beschloss, dem Feinde an den Thoren zu seinen Gebirgen die Spitze zu bieten und den Eingang theuer zu verkaufen. Seine Vorposten wurden von den Heersäulen der Aegypter bald zurückgeschlagen und einige Scharmützel öffneten Ibrahim den Weg nach Schakra', einer Stadt, die damals, wie noch jetzt, mehr Sinn für Handel und friedliche Gewerbe hatte, als für den Krieg, und dem Pascha leicht die Thore öffnete. Einige Meilen weiter aber, bei Korejn, lag das grosse Heer von Neged mit 'Abd-Allah an der Spitze. Zweiter Heerführer war der unüberwindliche Härith, den die Tradition als den tapfersten aller wahhabitischen Führer älterer oder neuerer Zeit beschreibt. Ein furchtbares Treffen, ähnlich dem zwischen Khälid und Mo- sejlemah, fand hier statt. Es soll zwei Tage gedauert haben und nur durch die ägyptischen Kanonen am Abend des zweiten Tages entschieden worden sein. Härith durchbrach mit seinen Lanzenträ»ern die Linien des Feindes und erreichte den Pascha selbst; schon war das Schwert des Negedäers gezückt, um dem Kriege mit Einem Schlage ein Ende zu machen, als ein Tscherkesse im Handgemenge hinter ihn kam und den Araber durchbohrte. Härith stürzte todt vom Pferde, aber seine Gefährten setzten unentmuthigt den Kampf fort, bis die Nacht die Kämpfenden trennte. Lange noch soll Ibrahim Pascha in s6 seinen Träumen durch die Erinnerung an die Gefahr beunruhigt worden sein, in welcher er an diesem Tage schwebte und nach Jahren noch oft im Schlafe aufgeschreckt den Namen Härith gerufen haben. Endlich begann die Artillerie ihr Werk, welche auf einer das Schlachtfeld beherrschenden Höhe stand. 'Abd-Allah zog sich mit seinem geschlagenen Heere zurück, um sich in Derej'ijah zu verschanzen, und Wadi Hanifah lag deu Ägyptern offen. Sie rückten vor, aber behutsam, und nachdem sie noch eine kleine Armee, die ihnen den Weg versperren wollte, geschlagen, kamen sie vor die Hauptstadt. Sogleich wurde ein Sturm unternommen, aber von der Besatzung, zurückgeschlagen. Ibrahim, dessen kluge Politik gern unnützes Blut vergiessen ersparen wollte, machte keinen zweiten Versuch, und be gnügte sich, die Truppen rings um die Mauern aufzustellen, um jeden Verkehr nach Aussen zu hindern; zugleich forderte er die Bewohner zur Capitulation auf. Er erhielt keine Antwort. Zwanzig Tage hielten die Aegypter so die Stadt eng eingeschlossen, ohne dass von beiden Seiten ein Schuss fiel, denn die Wahhabiten, entschlossen, ihre ganze Kraft auf einen entscheidenden Schlag zu versparen, machten keine Ausfälle und antworteten auf Ibrahims wiederholte Aufforderungen, sich zu ergeben, nur mit Stillschweigen. Einstweilen hatte sich das wahhabitische Hülfsheer in Sedejr gesammelt und rückte zum Entsätze der Hauptstadt heran. Ibrahim, von den Bewegungen des Heeres unterrichtet, schickte ein starkes Corps entgegen, welches bei Sedüs auf die Sedejri stiess und mit leichter Mühe 'Abd-Allahs letzte Hoffnung auf Hülfe vernichtete. Dann, am einundzwanzigsten Tage der Belagerung, schickte der Pascha sein Ultimatum in die Stadt, und liess die Wahl zwischen ehrenvoller Capitulation oder Sturm, in dem Vertrauen, dass der letzte Schlag den Stolz des negedäischen Monarchen gebeugt und ihn bewogen hätte, die gebotene Milde anzunehmen. Aber auch jetzt wollte sich 'Abd-Allah noch nicht unterwerfen, und der'Gesandte kehrte ohne Autwort zurück. Ibrahim besetzte mit seiner Artillerie die Höhen, welche sich um die Stadt ziehen. Mit Sonnenuntergang begann das Bombardement und wurde ohne Unterbrechung bis zum nächsten Sonnenaufgang fortgesetzt. Sechstausend Bomben sollen in dieser Nacht in die dem Verderben geweihte Stadt gefallen sein. Der Morgen grauete über eingestürzten Mauern und Ruinenhaufen, über Todten und Sterbenden, die unter den rauchenden Trümmern ihrer Wohnungen jammerten, und hülflos Verzweifelnden. Ohne Widerstand zog Ibrahim nun in Derej'ijah ein. Seine erste 57 Sorge war, sich der Person 'Abd-Allahs, seiner Familie, des Hofes und der anderen Häupter und Vornehmen zu versichern, die in der Hauptstadt beisammen waren. Einige, welche Widerstand leisteten, wurden von den Soldaten niedergemacht; der grössere Theil beugte sein Haupt nach dem Willen Gottes und unterwarf sich. Die Religionslehrer, die verschiedenen Repräsentanten der grossen Familie Wahhabi, der Kadi, Imäm, die Metow'waa's, und Alle, welche die Kraft der doctrinären Partei bildeten, wurden ebenfalls gefangen genommen und in sichern Gewahrsam gebracht. Eine allgemeine Amnestie erstreckte siel über alle übrigen Einwohner, und ausser einer kurzen Plünderung wurde der siegreichen Armee keine Gewaltthat gestattet. Die Strassen, welche von der Stadt nach dem Gebirge führen, wurden inzwischen sorgsam bewacht. Nur Wenige konnten während der ersten Verwirrung bei Einnahme der Stadt entrinnen, unter diesen auch Turki, der älteste Sohn 'Abd-Allahs, der zum Erben des Thrones bestimmt war. Als Alles vorüber war und eine gut disciplinirte ägyptische Garnison die Ueberlebenden eben so gegen den Uebermuth der Eroberer wie gegen die Gefahren ihres eigenen Fanatismus schützte, zog sich Ibrahim auf die Ebene ausserhalb der Mauern zurück, schlug sein Zelt auf und liess 'Abd-Allah mit allen seinen Verwandten vor sich bringen. Ohne Vorwürfe oder Drohungen sagte er einfach: „Ich bin der Diener des Sultans in Constantinopel, und er muss Euer Richter sein, nicht ich. Einstweilen, in Erwartung seines weitern Willens, werdet Ihr mich nach Aegypten begleiten, wo Ihr ehrenvolle Behandhandlung finden sollt; und wenn der Befehl des Sultans kommt, wex-det Ihr Euch fügen." 'Abd-Allah antwortete mit einer Redensart aus dem Koran und fügte sich. Mit gleicher Milde verfuhr Ibrahim gegen die übrigen Kriegsgefangenen, welche zu der königlichen Familie und dem Hofe gehörten, und gegen alle, die einen militärischen oder bürgerlichen Rang und Titel führten, und so lange der Pascha in Neged blieb, wurde Keiner von ihnen hingerichtet oder hart behandelt. Während er aber so die erbliche Gewalt des Landes an seine Regierung zu fesseln suchte, war er ebenso und aus denselben Gründen bestrebt, einen mit dem Bestehen dieser Regierung unvereinbaren Fanatismus auszurotten. Die Nationalität von Neged konnte mit Ordnung, Handel und Fortschritt Hand in Hand gehen, die Bigoterie von Neged aber nie; diese musste immer die verderbliche Saat zu nie endendem Rückschritt oder Empörung werden. Mit dieser beschloss Ibrahim ein für allemal ein Ende zu machen. Nachdem die königliche Familie nebst Gefolge entlassen und wieder in sichern, aber ehrenvollen Gewahrsam gebracht war, liess er die Metow'- 58 waa's, Doctoren und Gesetzlehrer kommen; ihre Zahl soll mehr als fünf Hundert betragen haben. Er sagte ihnen, dass er wünsche, die religiösen Streitigkeiten, welche zwischen ihnen und den gewöhnlichen Mohammedanern beständen, sorgfältig gesichtet und geprüft zu sehen; dass er zu diesem Zwecke gelehrte Männer der orthodoxesten Schulen aus Kairo mitgebracht habe und dass daher in der grossen Moschee eine Conferenz gehalten werden sollte, wo er selbst zugegen sein und den Ausgang anhören wolle. Die Einladung eines Eroberers erlaubt keine Entschuldigung, und das Concil zu Riad begann seine Sitzungen. Sie dauerten, wenn die Erzählung wahr ist, drei Tage; alle Punkte der Controverse wurden genau durchgesprochen und beide Parteien trugen, nach der Ansicht ihrer Anhänger, den Sieg davon. Ibrahim Pascha, der sich im Grunde seines Herzens sehr wenig um diese Dinge kümmerte, führte mit grösster Geduld den Vorsitz und folgte den Verhandlungen eine Zeitlang sogar mit grösster Aufmerksamkeit, ohne ein Wort zu sprechen. Am vierten Tage aber, entweder weil seine Geduld erschöpft war,♦der weil er meinte, dass die Controverse einen Punkt erreicht habe, der seine Einmischung erheische, ergriff er selbst das Wort, und nachdem er von den negedäischen Theologen die orthodoxe Erklärung erhalten, die auch sonst sehr gewöhnlich ist, dass, da es nur Einen Gott gebe, auch nur Ein Glaube sein könne und dieses sei der ihrige, folglich sei auch ausserhalb ihres Bereichs keine Seligkeit zu finden, fragte er in seinem gewöhnlichen ägyptischen Volksdialekte weiter: — „Nun, Ihr Schweine, und was sagt Ihr vom Paradiese?" — Auf diese Frage giebt es nur eine im Munde eines Mohammedaners zulässige Antwort, nämlich die, welche in den Worten des Koran enthalten ist, „ein Paradies an Ausdehnung allen Himmeln und Erden gleich für die Frommen bereitet." Diese Antwort erfolgte natürlich. „Ein Paradies an Ausdehnung allen Himmeln und Erden gleich!" wiederholte Ibrahim Pascha, „und da solltet Ihr Negedäer durch einen unbegreiflichen Akt der göttlichen Gnade hinkommen! da würde wohl ein einziger Baum in seinen Gärten gross genug sein, um Euch alle in seinen Schatten aufzunehmen! und für wen, frage ich, ist nun der übrige Raum?" Sie schwiegen. „Haut sie zusammen !" rief Ibrahim seinen hinter 59 ihm aufgestellten Soldaten zu; und in wenigen Minuten war die Moschee von Derej'ijah das blutige Grabmal der wahhabitischen Theologie. Ich will nicht gerade sagen, dass Ibrahim Pascha bei dieser Gelegenheit gut handelte; aber für diese Länder wenigstens handelte er weise. Toleranz ist den Massen gegenüber sowohl recht als weise, gegen Enthusiasten und Agitatoren mag sie vielleicht recht sein, weise aber ist sie sicher nicht. Man könnte dazu setzen, dass eine positive Ermuthigung von Grundsätzen und Lehren, die der Ruhe, Stabilität, nationaler Wohlfahrt und Fortschritt widersprechen, in beiden Fällen weder recht noch weise sei, wenigstens im Orient. Kehren wir aber zu unserm Gegenstande zurück. Nachdem er so die Einwohner von Derej'ijah „hatte sein Süsses und sein Bitteres kosten lassen" (nach arabischer Redeweise zu sprechen), ging Ibrahim an ein Werk, in dem er ausgezeichnet, wenn nicht einzig unter allen Machthabern im Orient dasteht, nämlich an die Sicherung der Eroberung. Er besuchte in Person die anliegenden Provinzen, überall dieselbe kluge Mässigung beobachtend wie auf dem Marsehe von Mekka her und in der Hauptstadt selbst, überall zeigte er Versöhnlichkeit und Freundlichkeit gegen die nationalen Häuptlinge und das Volk, - wirksame Strenge gegen religiöse Dogmatiker, Ordnung, Fortschritt und Gerechtigkeit für Alle. Meine Leser werden begreifen, dass ich hier nicht nach meiner Einbildung eine Lobrede auf den grossen Pascha schreibe; ich wiederhole nur, was man mir in Neged, in dem eroberten Lande selber, erzählte. Ueber einen Punkt der weisen Verwaltung Ibrahims kann ich in der That selbst als Augenzeuge sprechen, da ich selbst die Resultate gesehen habe. . Es ist der, dass er es seine besondere Sorge sein liess, die festen Punkte des Landes am westlichen Eingange des Wadi Hanifah, bei Horejmelah, auf deu centralen Höhen oberhalb Derej'ijah und anderwärts, zu befestigen. Zu gleicher Zeit legte er den Grund zu Verbesserung des Ackerbaues, indem er überall, wo er bisher unbenutztes Wasser ver-muthete, neue Brunnen graben liess. Bei 'Ejanah, wie wir schon oben gesehen, schlug seine Bemühung fehl; eben so waren ähnliche Bemühungen in Wadi Farak erfolglos, wie wir bald sehen werden. Einstweilen hatten seidene Kleider, goldene Ringe und Tabak in Neged gute Tage, und es ist ein hinlänglicher Beweis menschlicher Schwäche, dass die folgenden Jahre der Orthodoxie und des Eifers nicht im Stande gewesen sind, die schlechten Folgen einer kurzen Periode gegen sich selbst nachsichtiger Verdorbenheit wieder auszurotten. So beschäftigt, blieb Ibrahim einige Monate in Neged; als er nach eo Kairo zurückkehrte, nahm er 'Abd-Allah und den grössern Theil der Familie Ebn-Sa'üds nebst vielen unter den Vornehmen des Landes ausgewählten Geissein mit. In letzerer Beziehung hatte er einen besondern Zweck im Auge, nämlich den, für Neged Leute von besserer Bildung und weiterem Gesichtskreise zu erziehen, als ihr Land ihnen bieten konnte, und so den Weg zu bahnen für wirklichen und dauernden Fortschritt. Seine Pläne gingen nicht in Erfüllung, aber mehr in Folge der Thorheit und Unfähigkeit seiner Nachfolger, als des Widerstandes, im negedäischen Charakter selbst. Bei seiner Abreise liess er ein Gefühl von Vertrauen, Zuneigung und Furcht mit achtungsvoller Bewunderung gemischt zurück, wie nur wenige Eroberer bei den Nationen, welche sie unterjochen, und bis auf den heutigen Tag wird sein Name und der seiner Familie in ganz Centrai-Arabien mit Achtung genannt, ausser von den Ultra-Zeloten, welche nicht ohne Grund fürchten, dass einem zweiten ägyptischen Besuche wieder eine dogmatische Conferenz wie jene in der grossen Moschee zu Derej'ijah folgen dürfte. Ibrahim hatte einen seiner Offiziere, Ismail Pascha, als Vicegou-verneur des Landes zurückgelassen. Ismail blieb zwei Jahre hier und besuchte in dieser Zeit Hasa, welches sehr erfreut war, von dem wahhabitischen Joche befreit zu sein, ferner Jemämah, Harik und Kasim und legte überall ägyptische Besatzung in die Städte. Leider aber erlaubte er nicht nur sich selbst, sondern auch seinen Offizieren allen Uebermuth der Eroberer, wodurch zuletzt die alten nationalen Antipathien wieder hervorgerufen wurden, welche durch die Mässiguug Ibrahims eine Zeitlang zurückgedrängt waren, und untergrub so den Grund der ägyptisch-arabischen Regierung. Für den Augenblick jedoch kam es noch nicht zu einem Aufstande von wirklicher Bedeutung. Als aber Ismail nach Aegypten zurückkehrte und an seiner Stelle Khälid Pascha als Statthalter im Lande blieb, zeigte dieser neue Herrscher sich noch übermüthiger und grausamer als sein Vorgänger, und die grausamen Todesstrafen, welche er in Ne^'ed einführte, wie lebendig spiessen und verbrennen, empörten die Einwohner aufs Höchste, welche nun entschlossen waren, das Joch der ägyptischen Tyrannei abzuwerfen. Mittel und Gelegenheit dazu fanden sich bald, auch ein Mann, der sich an die Spitze stellte, war vorhanden. Bi. Ich habe schon oben gesagt, dass Turki, der Sohn 'Abd-Allahs bei der Einnahme von Derej'ijah entkommen war. Er floh nach Se-dejr, und da er keine Hoffnung hatte, so lange Ibrahim und dessen Nachfolger Ismail noch in Neged waren, in sein Land zurückkehren und den Thron besteigen zu können, führte er einige Jahre ein Wanderleben an den Grenzen des Landes. Endlich kam er nach Basrah und hielt sich dort und in der Umgegend lange im Verborgenen auf. Die Nachrichten, welche hier zu ihm gelangten, benahmen ihm alle Hoffnung. Sein Vater Abd-Allah war nach kurzer Gefangenschaft in Aegypten (wo er jedoch von Mohammed Ali gut behandelt wurde) nach Constantinopel gefordert und dort gleich nach seiner Ankunft hingerichtet worden. Seine Brüder und Vettern, nebst denen, welche von der alten Familie Wahhabi noch am Leben waren, und viele andere angesehene Häuptlinge wurden, auf Befehl des Sultans, in Aegypten in engem Gefängniss gehalten. In Neged und dessen Provinzen hatte sich bis jetzt noch keine Reaction gezeigt, im Gegentheil schien die ägyptische Herrschaft von Tage zu Tage in Centrai-Arabien festern Fuss zu fassen. Die Nachrichten aber von der Grausamkeit und Ungerechtigkeit Khälids erweckten in Turki die Hoffnung auf ein Erwachen des arabischen Nationalgefühls, welches auf keinen Fall für immer schlafen konnte, obwohl ein weiseres Verfahren von Seiten der Aegypter den Ausbruch hätte weniger gefährlich machen können. Neged war zum Aufstande bereit und wartete nur auf einen Führer. Der Sohn des hingerichteten Monarchen, der natürliche Erbe des Throns, lebte noch und war frei, obwohl im Exil. Boten wurden an Turki gesendet, der bereits nach der Grenze von Sedjr im Anmärsche war; und der verbannte Prinz zauderte keinen Augenblick, die Einladung seiner Unter-thanen anzunehmen. Bald stiessen streifende Banden von Gebel Towejk zu ihm und einige plötzliche gegen die ägyptischen Vorposten unternommene Angriffe zeigten, dass sich Turki am Rande des Wadi Hanifah befand. Khälid, durch die Veränderung der Dinge in Verwirrung gesetzt, theilte seine Macht, welche bald in einem Guerillakriege aufgerieben wurde, in dem Kenntniss des Bodens, Unterstützung von Seiten der Bauern und eingebornen Bevölkerung und ein unbiegsamer Wille alle Vortheile auf Seite Turki's brachten. Die Sache wurde alle Tage ernster, bis zuletzt ein allgemeiner Aufstand der Negedäer erfolgte, die ihre ägyptischen Herren nicht allein hassen, sondern auch verachten gelernt hatten. Von Kasim bis zu den Küsten des persischen Meer-82 Busens war Alles in Aufstand. Die Besatzungen von Hasa, Jemämah und Harik wurden überwältigt und niedergemacht; nur einzelne Soldaten fanden Erbarmen und nur wenige entkamen durch die Flucht. Khälid fürchtete, und nicht ohne Grund, früher oder später selbst von Aegypten abgeschnitten und in Wadi Hanifah eingeschlossen zu werden, und zog sich mit dem Ueberreste seiner Truppen nach Kasim zurück. Turki kam in das grosse mittle Thal herab und wurde ein- stimmig als Sultan von Neged und Wiederhersteller des Wahhabiten-reichs ausgerufen. Seine erste Sorge war, eine Hauptstadt zu wählen. Die blutgefärbten Ruinen und schrecklichen Erinnerungen Derej'ijahs machten dieses nicht geeignet eine Dynastie unter einem bessern Sterne wieder ins Leben zu rufen. Mit richtigem Urtheil richtete Turki seine Blicke auf Riad, das alte Centrum von Neged in den Tagen Mosejlemahs, welches der Himmel selbst vor dem Schwerte Khälid - Eon - Walids geschützt hatte. Dazu kam, dass die Stadt selbst in jeder Hinsicht günstig und mitten in einer ausserordentlich fruchtbaren Gegend gelegen ist; dass die Gesundheit des Klimas Einiges zu wünschen lässt, war ein Umstand, der den Berechnungen eines arabischen Staatsmannes entging. Hier richtete er seinen Hof ein und begann den Bau des grossen Palastes, welchen jetzt sein Sohn Fejsal bewohnt. Hierauf dachte er an Befestigung der Stadt und Erbauung einer grossen Moschee oder Gämia', denn er wusste sehr wohl, dass religiöser Enthusiasmus seinem Reiche in Neged Entstehen und den einzigen schicklichen Vorwand zu den Eroberungen gegeben hatte, auf welche er bereits wieder dachte, und er zeigte sich daher jederzeit nicht weniger als eifrigen Wiederhersteller der Sekte, als des Reichs seines Vaters. Sein Ansehen als Sultan (der Titel Imäm ist sehr wenig in Gebrauch, weil er zweideutig ist und mehr für die Moschee passt, als auf den Thron) wurde von Anfang an in 'Aared, Wosehem, Sedcjr, Afläg, Jemämah, Harik und Dowäsir, mit einem Worte in allen Cen-tralprovinzen anerkannt. Aber Kasim, sowohl das obere als das niedere, wurde noch von Khälid Pascha gehalten, während Alles, was über dasselbe hinauslag, nördlich und westlich, dem Wahhabiten natürlich verloren war. Hasa und Katif hatten allerdings ihre ägyptischen Bedränger vertrieben, ihre Absicht war aber keineswegs, an deren Stelle die Negedäer aufzunehmen; einheimische Häuptlinge hatten die Macht ihrer Vorfahren über diese fruchtbaren Länder wieder gewonnen 'Oman endlich war schon längst wieder in den unbestrittenen 68 Besitz seines Sultans Sa'id-ebn-Sa'id zurückgekehrt. Turki begann weise mit der Reorganisirung der Civil- und Militärverwaltung von Neged selbst. Während er aber damit beschäftigt war und ehe er noch unternehmen konnte, seine abgetrennten Provinzen wieder zu erobern, erhob sich ein neuer Sturm gegen ihn im Westen, von wo Mohammed Ali eine grosse Armee unter Hosejn Pascha sendete, um das Glück Aegyptens in Arabien wieder herzustellen. Der Sohn 'Abd-Allahs, nicht im Stande, dem ersten Andränge gut disciplinirter Truppen zu widerstehen, beschloss, den Erfolg der Zeit und der Fehlgriffe seiner Feinde zu erwarten. Er verliess seine Hauptstadt und floh mit dem grössten Theile seiner Anhänger auf die Höhen des Towejk, hinter Horejmelah, um dort zu erwarten, dass die Aegypter in die südlichen Thäler herabkämen. Hosejn erfreute sich eine Zeitlang des vollständigsten Erfolgs; Städte und Dörfer öffneten ihre Thore und die Negedäischen Besatzungen unterwarfen oder zerstreuten sich. Einige Flüchtlinge sammelten sich um Turki in den Gebirgen; andere, in grösserer Anzahl, gingen durch Jemämah und con II. 4 centrirten ihre Macht in Harik, wo der bitterste Hass gegen die ägyptische Herrschaft bestand. Hosejn Pascha, der von Seiten Turki's keinen Widerstand fand besetzte mittlerweile Riad und Wadi-Hanifah und hätte sehr klng gethan, wenn er dabei geblieben wäre. Aber seiue Ungeduld drängte ihn, allen Widerstand auf den ersten Angriff niederzuwerfen, und er entschloss sich zu schnell, gegen die Flüchtlinge in Harik zu mar-schiren und Turki und Sedejr für seine Rückkehr aufzusparen. In diese Zeit fällt einer jener Akte schändlicher Verrätherei, die in Neged keineswegs ungewöhnlich, in dem übrigen Arabien verhält-nissmässig selten ist, und die kaum entschuldigt werden kann, selbst wenn es sich dabei um nationale Unabhängigkeit und Freiheit handelt. Die ägyptische Armee musste, bevor sie Harik erreichte, einen Arm der grossen WTüste durchschreiten, nämlich den welcher Harik von Jemämah trennt und nördlich von WTadi-Solej' endigt. Hosejn Pascha suchte Führer für sich und sein Heer; -er fand Verräther. Unter dem Vorgeben, die Aegypter nähere und sicherere Wege zu führen, brachten die Negedäer sie mitten in die Sandhügel südwestlich von Harik und Hessen sie hier in dem brennenden Labyrinthe vor Durst verschmachten. Alle kamen um ; und als die Bewohner der nur wenige Stunden von dem Schauplatze der Schaudthat entfernten ö4 Städte die Sandberge überschritten, um zu sehen, ob das Werk des Todes gethan sei, fanden sie (die Sache wurde mir von einem Augenzeugen erzählt) nichts als Leichen und Sterbende, die in Durst und Verzweiflung mit dem Tode kämpften -— mehr als vier Tausend an Zahl. Nach einer Angabe soll Hosejn Pascha selbst unter den Opfern gewesen sein, nach einer andern, die wahrscheinlicher scheint, entkam er mit einer hinter dem Hauptcorps in Jemämah gelassenen Reserve, und zog sich nach Kasim und später nach Aegypten zurück. Turki kehrte nun nach Riad zurück und nahm sein Reich wieder in Besitz, welches er einige Jahre ungestört behauptete, ohne von den Aegyptern oder von anderen Seiten belästigt zu werden. Seinen Kriegszug gegen Hasa, seine Ermordung durch Meschära, welchen Antheil 'Abd-Allah-ebn-Raschid an der Bestrafung des Usurpators und der Einsetzung Fejsals auf dem durch den Tod seines Vaters erledigten Throne hatte, ist bereits im dritten Kapitel dieses Werks erzählt worden, auf welches ich deshalb raeine Leser verweise. Als Fejsal so unerwartet zur höchsten Würde erhoben wurde, war er etwa drei- oder vierunddreissig Jahre alt. Aber obgleich ge-wissermassen unerwartet durch die Ereignisse gehoben, besass er doch manche Eigenschaften, durch die er den Schwierigkeiten seiner neuen Stellung gewachsen war. Hinsichtlich seines Charakters war er seinem Vater Turki bei weitem ähnlicher als seinem Grossvater 'Abd-Allah. Von Natur mild und nicht unliebenswürdig, ausserordentlich klug und vorsichtig, in seinen Ansichten gemässigt, mit scharfem Verstände begabt, von einnehmendem Aeussern und mit grosser Beredtsamkeit ausgestattet, besass er Vieles, was ihm die Liebe seiner Unterthanen sichern konnte und hoffen liess, dass er ein ebeu so mächtiger als guter Herrscher sein würde. Aber wahhabitische Erziehung, Sektenbigotterie und der Einfluss der orthodoxen Partei (wie man es nennen kann, jedoch ohne Anspielung auf europäische Verhältnisse), verbunden mit einem angebornen Hange zu Aberglauben und übertriebener Frömmigkeit, machten diese schönen Hoffnungen zu nichte. Je älter er wurde, desto mehr traten die schlechten Folgen wahhabitischer Neigungen hervor, und in den letzten Jahren ist Fejsal ein vollkommenes Spielzeug in den Händen seiner engherzigen Rathgeber und seines heftigen Sohnes geworden, welche das Reich im Namen des alten Monarchen verwalte und von seiner Schwäche leicht die Gutheissung 6& der grössten Bedrückungen und der schwärzesten Verbrechen erhalten. Noch dringen zuweilen Strahlen einer besseren Natur durch die Wolke des Absolutismus und der fanatischen Verderbtheit, welche seine alten Tage umhüllt; ein Beweis, dass unter anderen Umständen, mit einer bessern Erziehung und besserm Rathe, der Sohn Turki's ein vortrefflicher König geworden wäre, wenigstens für Neged. Kaum zum Sultan ausgerufen, begann Fejsal die alte Ordnung in den Centraiprovinzen wiederherzustellen, wo bei dem Tode Turki's und während der Usurpation Meschära's Alles in Verwirrung gerathen war. Auch hatte er nicht Zeit, mehr zu thun, denn der Vicekönig von Aegypten, welcher meinte, dass jetzt eine günstige Gelegenheit gekommen sei, die letzte Niederlage Hosejn Pascha's zu rächen und sein Ansehen in Arabien wiederherzustellen, schickte einen neuen Oberbefehlshaber nach Neged, Khurschid Pascha, der mit einem bedeutenden Heere kam. Kasim war noch ganz in den Händen der Aegypter geblieben und Khurschid drang daher bald und ohne Mühe in das Wadi-Hanifah vor, überfiel den neuen Herrscher, ehe dieser es erwartet hatte, und dem kaum Zeit blieb, sich durch die Flucht zu retten, nahm mehrere Glieder der königlichen Familie gefangen und schickte sie nach Aegypten, setzte dann Khälid, den Enkel, nicht des 'Abd-el 'Aziz, sondern eines von dessen Brüdern, dessen Name ich vergessen habe, als Vicekönig von Neged ein und kehrte selbst nach Kasim zurück, dessen Klima ihm besser behagte, als das des 'Aared. Fejsal, aus seiner Hauptstadt vertrieben und nicht geneigt, wie sein Vater, einen Guerillakrieg gegen die Eroberer zu führen, benutzte die Müsse, welche ihm blieb, die Welt zu sehen, und reiste, nachdem er eine Wallfahrt — natürlich in Verkleidung — nach Mekka gemacht, nordwärts nach Damaskus, besuchte die Gämia' el-Aksa in Jerusalem und verschiedene Städte an der syrischen Küste. Es ist Schade, dass exilirte Monarohen ihre Wanderungen selten zu eignem Vortheile benutzen; ob ihr Geist zu sehr mit dem wirklichen oder vermeinten Unrecht beschäftigt ist, welches sie erlitten, oder der böse Genius, der auf dem Throne in ihrer Nähe war , sie auch auf ihren Reisen begleitet, ist schwer zu sagen; es scheint aber in der That oft so zu sein; und weder Dionysius im Alterthum, oder Karl II. im siebenzehnten Jahrhundert, noch der Graf von Artois in unserm Jahrhundert scheinen nach Syracus , London oder Paris weiser oder ee besser zurückgekehrt zu sein, als sie es verlassen hatten. Einer nur, in jüngster Zeit, hat die Schule des Unglücks so zu benutzen gewusst, dass das Exil ihn zum Kaiser gereift hat. Eine auffallende Ausnahme, «nd um so auffallender, je seltener. Kehren wir zu Fejsal zurück. Was ihm früher etwa noch an 4* Bigotterie fehlen mochte, das wurde jetzt durch das schlechte Wasser des Zemzem und die geistliche Bewässerung durch die Vorlesungen hanbalitischer und schafeitischer Fanatiker in Damaskus reichlich ersetzt. Dieser Process , welcher den Negdäer vollkommen zu einem Wahhabiten verkrüppelte, dauerte etwa zwei Jahre. Fejsal erhielt dann Nachrichten, welche ihn an die Grenzen von Neged zurückriefen. Khälid — ein Ebn-Sa'üd und geborner Wahhabit — der falschen und verhassten Stellung als Spielzeug des Aegypters müde, hatte den Wunsch zu erkennen gegeben, seines wenig beneidenswerthen Vice-königthums enthoben zu werden. Er war in der That ein ruhiger und verständiger Mann, und obwohl seine Landsleute ihn wegen seiner Familie zu hoch achteten, um sich gegen ihn zu erheben , so theilten sie doch seine Gefühle mit ihm und unterstützten sein Vorhaben, die Regierung niederzulegen. Fejsal erschien wieder, und Khälid zog sich nach Kasim zurück, von wo er nach Aegypten ging, bis er endlich, nachdem er mehre Jahre an den l fern des Nil gelebt, einen ruhigen Aufenthalt in Mekka suchte, wo er zurückgezogen und unbekannt lebte, bis er im Jahre 1861 eines natürlichen Todes auf seinem Bette starb, — ein in seiner Familie seltenes Glück. Der Sohn Turki's nahm inzwischen wieder Besitz von dem Palaste seines Vaters, ohne Schwierigkeit oder Opposition. Aber Khurschid Pascha hatte keine Lust, ein ruhiger Beobachter der Veränderungen zu bleiben die seinen eigenen Absichten so wenig günstig waren. Durch ein plötzliches Manöver schloss er die Hauptstadt von 'Aared ein und zwang Fejsal, sich auf Gnade und Ungnade zu ergeben, worauf er ihn ohne Verzug nach Aegypten schickte; diesmal nicht als Vergnügungsreisenden, sondern als Gefangenen. Mohammed Ali wies dem gestürzten Fürsten einen Aufenthalt in einer streng bewachten Festung zwischen Kairo und Suez an, wo Fejsal bis zum Tode des grossen Pascha in engem Gewahrsam blieb. Während dieser Zeit wurde Ebn-Thenej'jän, ein Vetter Khälids und wie dieser ein Enkel des 'Abd-el-'Aziz-ebn - Sa'üd, von Khurschid Pascha als Vicekönig von Neged eingesetzt. Sehr verschieden von Khälid, war der neue Herrscher, oder vielmehr Vasall, ein ganzer Ebn-67 Sa'üd und hatte alle guten und schlechten Eigenschaften des königlichen Geschlechts geerbt. Schön, freigebig und tapfer, war er in gleichem Grade grausam und arglistig. Kaum hatte er den Thron bestiegen, so fing er an das Reich in seiner eigenen Weise zu verwalten, und kümmerte sich sehr wenig um seinen ägyptischen Oberherrn. Das Erste, was er that, war allerdings etwas an und für sich Gutes, er trieb nämlich die Beduinen, welche in der unruhigen Zeit ihre frühere Macht und Frechheit wieder gewonnen hatten, in die ihnen gebührenden Schranken zurück. Metejr und 'Otejbah waren die beiden ersten mächtigen Stämme unter den Negdäischen Nomaden, welche das Schwert Ebn-Thenej'-jäns fürchten lernten und ihn als ihren Meister erkannten. Siegreich über die Beduinen, unterdrückte der Fürst zunächst einen unter den halbwilden Bewohnern des Wadi - Dowäsir ausgebrochenen Aufstand. Schade, dass diese im Ganzen nützlichen und für das Land notwendigen Unternehmungen von den empörendsten Greueln und Grausamkeiten begleitet waren. Ebn-Thenej'jän vollendete auch manche von Turki begonnene Bauten in der Hauptstadt; er erweiterte den Palast und bauete innerhalb desselben, an einer ziemlich gefährlichen Stelle, das gegenwärtige Pulvermagazin und Arsenal. Aber Glück und Macht waren Gift für diesen übermüthigen Charakter, und er wurde nun ein Tyrann gegen seine eigenen Unter-thanen; er erneuerte die verhassten Grausamkeiten Khälid Pascha's, und liess oft selbst ohne nur eine Form von Verhör und bei der geringsten Veranlassung diejenigen, welche sich sein Missfallen zugezogen hatten, lebendig spiessen. Die Gemüther seiner Unterthanen, die ihm wegen seines angenehmen Aeussern, seiner verschwenderischen Freigebigkeit, seiner Tapferkeit und der halben Unabhängigkeit, die er ihnen von der ägyptischen Herrschaft verschafft hatte, zugethan waren, wurden jetzt ganz von ihm entfremdet; die Sehne war zu hoch gespannt und musste auf den ersten Schlag springen. Ebn-Thenej'jän hatte Neged etwa fünf Jahre verwaltet, als Mohammed Ali starb und diesem sein halb blödsinniger Enkel 'Abbas Pascha folgte. Von den Projekten dieses schwachen Wüstlings hinsichtlich Arabiens ist schon oben die Rede gewesen; kaum hatte er den Thron bestiegen, als er den ersten Schritt in dieser Richtung that, oder wenigstens, was er dafür hielt, indem er Fejsal und dessen Gefährten aus der Gefangenschaft befreite. Da er aber nicht wagte, dieses offen zu thun, ohne Erlaubniss von Constantinopel, die selbst, 68 wenn er darum gebeten hätte, kaum zu erlangen war, so vollzog eisernen Akt von Narrheit auf eine andere Weise , indem er die Besatzung der Festung verringerte und entfernte, und zu gleicher Zeit die Gefangenen heimlich mit Seilen und Anderem, was sie zur Flucht nöthig haben, versehen liess. Diese machten gern davon Gebrauch, kletterten in einer finstern Nacht über die Mauern und waren bald in Kosejr, wo sie, als ächte Wahhabiten , Gott dankten und den Aegypter auslachten. Von Kosejr schickte Fejsal Spione nach Neged. Dort wurde kaum bekannt, dass Fejsal in Freiheit sei, als Einladungen und Anerbietungen zu Bündniss über das Meer nach Kosejr herüberkamen. Khurschid Pascha, lauteten die Nachrichten, und Ebn-Thenej'jän seien Einer so verhasst wie der Andere; lasst Fejsal herüber kommen, so werden sich Alle um seine Fahne schaaren. Der unglückliche Pascha sah die drohende Gefahr und bat vergeblich um Unterstützung und Hilfstruppen von seinem Herrn , der entschlossen war, seine eigene und seines Dieners Sache aufzugeben. Da Khurschid nichts mehr von Kairo zu hoffen hatte, zog er sich, ehe noch ein allgemeiner Aufstand, ausbrach aus der Provinz zurück. So endete die ägyptische Herrschaft in Arabien nach einer nicht ununterbrochenen Dauer von siebenundzwanzig Jahren. Sich selbst überlassen, schickten die Bewohner von Kasim, gross und klein, Häuptlinge und Volk, des langen Aufenthalts der Fremden in ihrem Lande müde, neue und dringende Botschaften an Fejsal, diesen zu bitten , ihr Herr und Meister zu werden. Das war, wie meine Leser bereits aus der vorhergehenden Erzählung wissen, die a'te Geschichte von den Bäumen und dem Dornstrauch. Unser ara bischer Abimelech liess nicht lange warten; er setzte von Kosejr nach Jamba über und erschien plötzlich mit einem kleinen Gefolge in Ka- sim. Der übereilte Enthusiasmus der Einwohner umgab ihn mit Un-terthanen und einem zahlreichen Heer. Fejsal ordnete dieses, marschirte nach Schakra' und schickte Boten nach Riad , um Ebn-Thenej'jän aufzufordern, die Krone dem legitimen Herrn zu über geben. Ebn-Thenej'jän war nicht der Mann, der seine Ansprüche auf das erste Verlangen aufgab. Er berief die Häuptlinge von Ne£ed und verlaugte deren Unterstützung; sie antworteten ihm aber ins Gesicht, dass nicht Ein Mann einen Finger für seine Sache rühren werde, und bewiesen die Wahrheit ihrer Aussage dadurch, dass einer nach dem andern sich mit Fejsal in Kasim verband. Noch blieb dem Usur-69 pator eine kleine Schaar von Anhängern treu, und mit dieser marschirte er nach Schakra, dem Feinde entgegen. Als aber der Sohn Turki's näher rückte, begann der Abfall auch unter den bisher noch treuen Anhängern Ebn-Thenej'jäns, und er musste sich ohne Kampf nach Riad zurückziehen, wo er sich mit den wenigen, die ihrem unglücklichen obwrohl schuldigen Herrn noch treu geblieben waren , im Palaste verschanzte. Fejsal zog in Riad ein, forderte seinen Vetter zu einer ehrenvollen Capitulation auf und versprach ihm Leben und Freiheit. Aber Ebn-Thenej'jän weigerte sich, seine Stellung aufzugeben, um so mehr, da die ganze Artillerie von Neged in der Burg in seinem Besitze war. Ohne Belagerungsgeschütze wollte Fejsal und seine Araber auf die massiven und gut bewachten Mauern keinen Angriff unternehmen; es blieb also nichts übrig als Blokade. Einen ganzen Monat waren nun zwei Könige in Neged, der eine in, der andere vor dem Palaste. Der Sohn Turki's erneuerte Tag für Tag seine Aufforderungen und Anerbieten von Verzeihung, aber ohne Erfolg, und Ebn Thenej'jän erklärte, dass er entschlossen sei, den Thron nur mit dem Leben aufzugeben. Eines Abends, bald nach Sonnenuntergang, als der belagerte Usurpator entmuthigt durch die Gänge und Gemächer der Burg schlich, kam er an eine Seitenthüre, welche in ein kleines Zimmer führte, wo einige seiner Getreuen in eifrigem Gespräche beisammen sassen. Ebn Thenej'jän trat näher, um zu horchen, und wie die meisten Horcher hörte er nichts Gutes. Die Rede war, dass Gott den Enkel des 'Abd-el-'Aziz verlassen habe, es sei Zeit, die Pläne der Vorsehung zu unterstützen, um der eignen Sicherheit willen, und Fejsal die Thore der Burg zu öffnen, und um Pardon und Belohnung zu erhalten, ihm den Kopf seines Nebenbuhlers zu bringen. Ebn Thenej'jän sah, dass er jetzt seinen eigenen Leuten nicht mehr trauen könne — Alles war verloren! Unter der Decke der Nacht verliess er durch die geheime Pforte den Palast. Aber durch die Verzweiflung verwirrt, anstatt in irgend einem entfernten Versteck Sicherheit zu suchen, ging er gerade nach dem Hause eines reichen Vornehmen , Namens Ebn - Sowejlim, desselben, welchen einige Jahre später die Zeloten erschlugen, und setzte sich dort schweigend und das Gesicht mit seinem Kopftuche verdeckt, im K'häwah nieder. Sein erstaunter Wirth erkannte den ungebetenen Gast und rief „Ebn-Thenej'jän!" Er erhielt keine Antwort. „Kommst Du um Schutz zu suchen?" sagte Ebn - Sowejlim; denn so heilig ist in Arabien der Charakter eines Schutzsuchenden oder „Mugfr", dass, hätte Ebn-Thenej'jän selbst jetzt noch den Schutz seines Wirthes verlangt, dieser ihn unter keiner Bedingung ausgeliefert hätte. Aber der eigensinnige Mann, dem das Unglück alle Ueberlegung geraubt hatte, antwortete „Nein". — „Was führt dich denn her?" fragte der Herr des Hauses. — Ein einziges Wort hätte ihn gerettet, Ebn-Thenej'jän aber schwieg. Eine dritte Frage blieb ebenfalls ohne Antwort. Jetzt schickte Ebn - Sowejlim an Fejsal die Nachricht, dass sein Nebenbuhler in seiner Gewalt sei. Sogleich wurden Bewaffnete geschickt, der gestürzte Usurpator, der noch regungslos dasass, wurde festgenommen und vor den rechtmässigen König geführt. „Kommst du, um dich meinem Schutze zu übergeben?" fragte Fejsal. Ein „Ja" würde alle Rache entwaffnet haben; war es aber Stolz, oder Bewusst-sein der Schuld, oder Betäubung durch den Sturz, Ebn-Thenej'jän antwortete wieder „Nein." — „Seid Alle Zeugen", sagte Fejsal zu den Anwesenden, „dass Gott ihn mir ohne Bedingung und Stipulation ausgeliefert hat." Dann nahm er ruhig Besitz von der geöffneten Burg und warf den unglücklichen Vetter in das Burgverliess wo er nach wenigen Tagen starb, Einige sagen aus Verzweiflung, Andere, an Gift, welches ihm auf Befehl Fejsals gegeben wurde; beide Erzählungen sind wahrscheinlich. Sein Grab befindet sich nahe dem Türkis auf dem grossen Begräbnissplatze; einige seiner Kinder leben noch in Af-läg, wenige Tagereisen von der Hauptstadt entfernt. Fejsal war nun der einzige und unbestrittene Herr von Centrai-Arabien. Aber Hasa weigerte sich, seine Herrschaft anzuerkennen, und 'Oman hatte sich schon längst von dem Einfluss der Wahhabiten frei gemacht. Die zahlreichen und kriegerischen Stämme der 'Agmän waren in offenem Aufstande an der nordöstlichen Grenze, und hatten die kaum weniger kriegerischen Benu-Hägar und Benu-Khälid zu Hilfe gerufen. Ihre vereinigten Streitkräfte bedrohten Neged mit einer Invasion der Nomaden, und keinem der oingebornen Häuptlinge konnte man ein Heer anvertrauen, welches genügend war, der Gefahr zu begegnen : kurz, Fejsal war in Besitz eines Reichs gekommen, das an Ausdehnung verkürzt und durch häufige und lange anhaltende Umwälzungen bis auf die Grundfesten erschüttert war. Dazu kam, dass der Sultan selbst kein Krieger und bei weitem geschickter in dem Gebrauch diplomatischer als kriegerischer Waffen, war, ausserdem hatte sein Augenlicht durch eine Augen-Entzündung gelitten , die er sich in Aegypten zugezogen , und der Fortschritt der Krankheit bedrohte ihn mit gänzlichem Verluste seines Gesichts. Dieses Unglück hatte auch einen seiner Gefährten in der Gefangenschaft betroffen und wurde von den Negdäern einem geheimen Gifte zugeschrieben, das ihm auf Befehl des Vicekönigs in Kairo gereicht worden sein sollte. Aber Fejsal hatte in der Person seines ältesten Sohnes 'Abd-Allah einen vollen Ersatz seiner eigenen kriegerischen Mängel. Welche Fehler dieser Prinz sonst haben mochte, wir haben bereits auf einige der schlimmsten angedeutet, wie stolz, unsittlich, treulos und grausam er sein mochte, den Ruhm grosser Tapferkeit und einer bei einem Ära- ber ausserordentlichen Geschicklichkeit in kriegerischer Taktik kann ihm nicht abgesprochen werden. Diesem also wurde das militärische Departement anvertraut, während Fejsal in der Hauptstadt blieb, um das Reich zu organisiren und zu verwalten. 'Abd-Allahs erster Kriegszug war gegen die 'Agmän-Beduinen. Ihr Heer, furchtbar durch Zahl und treffliche Ausrüstung, hatte sich bei Kowejt gesammelt und wollte eben nach Neged marschiren, in sicherer Erwartung eines leichten Sieges. Während sie aber in ihrer anmassenden Sicherheit 'Abd-Allah weit in Aared wähnten, war er ihnen bereits auf dem Nacken. Mit nur dreihundert Reitern griff er eine vorgeschobene Abtheilung an und trieb sie in Verwirrung nach dem Hauptcorps zurück. Am nächsten Tage zogen beide Parteien ihre ganze Macht zu einem entscheidenden Treffen zusammen. Der Armee der Beduinen ging, nach alter Sitte, eine Hadi'jah voraus, d. i. ein Mädchen von guter Familie und noch besserem Muthe, die in den vorderen Reihen auf einem Kameele reitend, durch satyrische und enco-miastische Recitationen die Furchtsamen beschämen und die Tapferen ermuthigen soll. Der Name des Mädchens, welches an diesem merkwürdigen Tage figurirte, ist mir gesagt worden, ich habe ihn aber wieder vergessen; sie soll sowohl durch ihren Wuchs als ihre Beredt-samkeit ausgezeichnet gewesen sein. Jedoch der grausame Mars wollte diese arabische Bellona nicht verschonen, und ihr Tod, durch eine negdäische Lanze, wie man sagt, entschied die Niederlage der Agmän. 'Abd-Allah benutzte seinen Vortheil und verfolgte die Feinde, und in einem Feldzuge wurden zwei Drittheile der männlichen Bevölkerung vernichtet und die nördlichen Stämme zu dauernder Unterwerfung gebracht. Der Eroberer wendete dann seine Waffen gegen 72 die Nomaden im Westen — Metejr, 'Anezah und 'Otejbah und verfuhr mit ihnen eben so wie mit den Agmän. Hierauf wurde zunächst Hasa unterworfen, obwohl erst nach schwerem Kampfe, und Katif erhielt wieder eine negdäische Besatzung. Ueberau glücklich, verlangte 'Abd-Allah jetzt nichts mehr als auch 'Oman einen Besuch abzustatten. Aber die Gelegenheit zu diesem grossen Feldzuge, seinen Verlauf, Erfolg u. s. w. und was sonst die gegenseitige Stellung der Regierungen in Riad und 'Oman betrifft, werde ich später genauer auseinandersetzen, und will daher jetzt nicht mit einer Erzählung vorgreifen, welche meine Leser besser verstehen werden, wenn der Verlauf unserer Reise sie mit dem südöstlichen Arabien vertrauter gemacht haben wird. Zu welcher Zeit Wadi Selej'jel dem äussersten Süden des Wah-habitenreichs zugefügt wurde und ob auf friedlichem Wege oder durch Krieg, konnte ich nicht erfahren. Ich kann mir aber kaum denken, dass eine so kleine Provinz, in der Mitte zwischen Wadi Dowäsir auf der einen und Gebel 'Aasir auf der andern Seite — zwei eben so fanatische Gebiete wie 'Aared selbst — in Riad jemals sollte grosse Besorgniss erregt haben. Vielleicht folgte es nur dem Geschick von Wadi-Dowäsir, zu dem es eine Art von Anhängsel bildet, da es sowohl denselben territorialen Charakter hat, als auch in eben so schlechtem Rufe steht. Die hier in der Kürze erzählten Ereignisse nahmen etwa zehn Jahre in Anspruch, während welcher Fejsal, mit Sorgen und bürgerlichen und religiösen Reformen beschäftigt, wenig oder keinen thäti-gen Antheil an den Kriegen seines ungestümen Sohnes nahm, obwohl er die so erworbenen Provinzen nach ihrer Unterwerfung besuchte und Steuern, Abgaben und locale Verwaltung einrichtete. Fast unmittelbar nach 'Abd-Allahs Rückkehr von 'Oman begann in Kasini die schon im vierten Kapitel beschriebene unglückliche Reihe von Ereignissen. Aber Fejsals Aufmerksamkeit wendete sich nie ganz von dem persischen Meerbusen ab, au dessen Ufern Handel und Civilisation einen Reichthum aufgehäuft hatten, der wohl im Stande war, seinen gierigen Ehrgeiz zu reizen. Nach dem faulen Frieden, welcher im Jahre 1865/66 zwischen den negdäischeu Autokraten und Zämil, dem Oberhaupte von 'Onejzah, zu Stande gekommen war, sammelte sich auf Befehl Fejsals ein wahhabitisches Heer in Katif, und zum ersten Male unter der neuen Herrschaft schifften sich Krieger aus Neged auf einer Flotte ein, die zur Eroberung von Bahrejn bestimmt war; mit welchem Erfolge, werden wir in einem spätem Kapitel sehen. Gebel Schomer und die von diesem abhängigen Provinzen waren durch die Kraft der stellvertretenden Dynastie, welche hier in der Person des 'Abd-Allah-ebn-Raschid eingesetzt war, praktisch schon von Neged abgetrennt. Hier jedoch hat Fejsal lange gearbeitet um durch heuchlerische Agenten unter den Einwohnern und selbst zwischen den Gliedern der königlichen Familie Zwietracht zu säen, bis sich eine passende Gelegenheit zu einer bewaffneten Intervention bieten würde, was, wenn die Sachen ihren jetzigen Weg fortgehen, allerdings sehr leicht möglich ist. Als bei Fejsal das Alter heranrückte, erblindete er endlich ganz, und eine immer zunehmende Beleibtheit, bei den Arabern eine seltene Erscheinung, machte ihn immer unfähiger zu einer thätigen Anstrengung. Furchtsamkeit und der mit dieser oft verbundene Aberglaube beherrschten ihn immer mehr, bis er endlich in den letzten drei oder vier Jahren die Leitung der Geschäfte ganz seinem Sohne 'Abd-Allah übergab und die ihm noch übrige Zeit zwischen Bethaus und Harem theilte. Er erscheint nie öffentlich, ausser des Freitags Morgens in der Frühe an dem Grabe seines Vaters, oder wenn ein ausserordentliches Ereigniss ihn veranlasst, sich einige Minuten, aber nicht länger, dem Volke zu zeigen. Ausserhalb der Mauern des Palastes ist 'Abd-Allah der oberste Herrscher, während innerhalb desselben Mahbüb und einige Negersklaven, denen der Zutritt zu der Person des alten Despoten gestattet ist, ihn nach ihrem Willen leiten. Ausser den bigotten Zeloten, deren moralischem und selbst materiellem Einflüsse Widerstand zu leisten er weder vermag, noch wagt, wie sehr es auch den besseren Interessen des Reichs zuwiderlaufen mag, darf Niemand seiner Person nahen. Geiz hat über Fejsal die vollste Herrschaft, wie nur zu oft auch über bessere Leute in ähnlichen Perioden ihres Lebens, während ihm Verstellung durch lange Uebung vollständig zur zweiten Natur geworden ist. Kurz, man muss fürchten, dass das, was noch etwa Gutes an ihm war, beinahe, wenn nicht ganz, verschwunden ist, während Herz und Kopf, Verstand und Wille in eine kindische Schwäche sinken, wie bei einem siebzigjährigen Tyrannen kaum anders zu erwarten ist. Von 'Abd-Allah , seinem ältesten Sohne, ist schon genug gesagt worden; hier mag noch bemerkt sein, dass seine Mutter (das Buch der Könige giebt immer die Mütter der jüdischen Herrscher an) zur Familie Sa'üd gehörte. Nicht so die Mutter des zweiten Sohnes, der nach dem Stammvater des Geschlechts Sa'üd genannt ist, aber eine Mutter vom Stamme der Benu-Khälid hat, und die Wahrheit eines 74 bekannten arabischen Ausspruchs beweist, indem er bei weitem mehr der Mutter als dem Vater gleicht. Denn während 'Abd-Allah, eben so wie sein Vater, kurz und untersetzt ist, mit grossem Kopf und dickem Nacken, im Aeussern einem Stiere ähnlich, ist Sa'üd lang und schlank, mit einen auffallenden Zuge beduinischer Sorglosigkeit in dem hübschen Gesichte. Offen und edelmüthig, ein Freund von Gepränge und schönen Pferden, ist er sehr beliebt bei den „Liberalen", die ihn „Abu-'hala", d. i. Vater des „Willkommen" nennen, von dem „Ja-'hala" oder „willkommen", womit er Jeden begrüsst, der ihm nahe kommt. 'Abd-Allah hingegen gilt als Oberhaupt der orthodoxen Partei, die ihn als ihre Hauptstütze betrachtet und alle Hoffnung für die Zukunft auf ihn setzt. Die beiden Brüder, obgleich von beinahe gleichem Alter, sind wie gegeneinander gezückte Dolche, und können nicht einmal friedlich mit einander sprechen. Fejsal hat, um öftere Collisionen zu vermeiden, Sa'üd zum Regenten von Jemämah und Harik gemacht, mit Salemi'jah als Residenz, in gehöriger Entfernung von Riad, wo 'Abd-Allah als specieller Gouverneur der Stadt residirt. Sa'üd hat durch leichte Zugänglichkeit und freisinniges Wesen die Herzen seiner unmittelbaren Linterthanen und der ganzen Opposition gegen den Rigorismus in den anderen Provinzen gewonnen. Man glaubt daher allgemein , dass der Tod Fejsals das Signal zu einem blutigen Kriege geben wird. So weit zwischen zwei Despoten und zwei Uebeln eine Wahl ist, gehen meine Wünsche mit Sa'üd. Fejsal jedoch, aus Orthodoxie, vielleicht aus Sympathie, begünstigt den altern Bruder und sucht den Jüngern in den Hintergrund zu drängen. Nur ein einziges Mal, • bei Gelegenheit einiger Unruhen in Wadi-Dowäsir, ernannte er Sa'üd zum Führer einer bewaffneten Macht, die dorthin gesandt wurde. Aber er bereitete bald, ihm so Gelegenheit gegeben zu haben, sich öffentlich zu zeigen, als Sa'üd nach einem kurzen, aber glänzenden Feldzuge wieder in Riad erschien, von zwei hundert auserlesenen Mann begleitet, alle reich gekleidet in schöner scharlachrother Uniform mit Goldstickerei, versilberten Säbeln, kostbaren Satteldecken, Jeder auf einem prächtigen Pferde reitend, in einem Glänze, den man selbst in den Tagen des ersten 'Abd-Allah nicht kannte und der der väterlichen Bigotterie eben so anstössig war wie der brüderlichen Eifersucht. Sa'üd wurde schleunigst wieder nach Salemi'jah geschickt, von wo wir ihn jedoch bald wieder werden zurückkehren sehen, und dann will ich 75 erzählen, was bei der Zusammenkunft des Familien-Kleeblattes — Sa'üd, 'Abd-Allah und Fejsal — vorging. Ein dritter Sohn, Mohammed, von einer negdäischen Mutter, und im Aeussern dem Vater und altern Bruder sehr ähnlich, belagerte jetzt eben 'Onejzah, wo wir ihn schon oben sahen. Der vierte und letzte, 'Abd-el-Rahmän, ist ein finster blickeuder Junge, der noch in dem Harem seines Vaters wohnt. Er mag etwa zehn bis zwölf Jahr alt sein; ein Lavater würde aus seinen Zügen wenig Versprechendes lesen. Ich habe schon von der alten Jungfrau, Fejsals einziger unvermählter Tochter gesprochen, die ihm als Privatsekretär dient. Sie ist, wie ich versichert bin, sehr schön, ich bin aber nie so glücklich gewesen, einen Blick hinter den schwarzen Schleier zu thun, in welchen eingewickelt sie dasitzt, mehr wie ein Haufen Kleider als die Tochter eines Königs. Soviel über die königliche Familie von Neged. Bevor wir aber unsere Erzählung wieder aufnehmen, mag es nicht unangemessen sein, einen kurzen Blick auf die gegenwärtige Lage dieses Reichs innerhalb seiner Grenzen zu werfen und dessen Beziehungen zu seinen Nachbarn, Verbündeten oder Feinden zu betrachten. Innerhalb des Reichs selbst finden wir zwei sehr verschiedene und einander oft scharf entgegengesetzte Elemente: die wirklichen zuverlässigen Wahhabiten, Leute, die, wie der alte Oliver sagt, „mit Gewissen an die Arbeit gehen", und die, welche nur durch die Macht der Eroberung Wahhabiten sind und weil sie müssen. Die erstere Klasse herrscht in den sechs oft genannten Provinzen 'Aared, Woschem, Sedejr, 'Afläg, Dowäsir und Jemämah vor. Nicht dass unzufriedene Individuen hier ganz fehlten, sie bilden aber eine ent-■schiedene Minorität, und bestehen hauptsächlich aus alten Häuptlingsfamilien, die durch die gegenwärtige Regierung entsetzt sind, und deren unmittelbaren Anhängern. Die übrigen Einwohner sind alle der Dynastie und dem Systeme der Sa'üd aufrichtig zugethan, obwohl der Grund und Grad ihrer Zuneigung keineswegs überall derselbe ist. Diese ist am stärksten in 'Aared, wo zu den religiösen Sympathien noch nationale Bande kommen. Die Sa'üd sind Eingeborene des Landes, und dessen seit langer Zeit geehrte Häuptlinge, so dass die Regierung hier ausserordentlich populär ist, oder, genauer gesprochen, durch das Volk gestützt wird. Dazu kommt ein un ruhiger und kriegerischer Sinn, verbunden mit Armuth zu Hause, welche bewirken, dass der Charakter und die Folgen des herrschenden 76 Systems den Hochländern von 'Aared ausserordentlich gefallen. Jedoch auch hier besteht eine reaktionäre Partei, Leute, die lieber mehr Tabak rauchen und weniger beten möchten. Doch auch diese wünschen nicht einen Wechsel der Dynastie , obwohl sie im Falle von Fejsals Ableben lieber Sa'üd auf dem Throne sehen möchten, als 'Abd-Allah. Im Allgemeinen aber verhalten sich in ganz 'Aared die Anhänger des Letztern und der strengen Orthodoxie wenigstens wie Sieben gegen Eins. In politischer und moralischer Beziehung ist diese Provinz, wie sie immer gewesen ist, von grösster Wichtigkeit. In Jemämah ist die Stimmung im Ganzen dieselbe, doch in einer etwas gemilderter Form. Auch hier ist die grösstc Achtung vor dem angestammten Regentenhause, obwohl die Zahl der Freunde Sa'uds grösser iöt, als die der Anhänger 'Abd-Allahs, in welcher Beziehung Jemämah mit' 'Aared in Widerspruch steht. Die persönliche Anwesen- heit Sa'uds und weniger fanatische Färbung der südlichen Provinz erklärt diesen Unterschied. 'Aared sowohl als Jemämah sind dabei wesentlich wahhabitisch. In Harik haben alte Uneinigkeit, grausame Kriege, und unerfreuliche Erinnerungen ihre Spuren gelassen, und man findet dort viele Familien, die nicht nur mit dem Wahhabäismus im Allgemeinen, sondern insbesondere mit der Familie Ebn-Sa'üd unzufrieden sind. Dies war vor wenigen Jahren noch mehr der Fall; jetzt scheint Sa'üd, durch häufige Besuche in Hutah, und eine besondere Höflichkeit gegen die Bürger, die Mehrzahl der Herzen für sich gewonnen zu haben, und wenn einmal der unvermeidliche Kampf zwischen den beiden Brüdern ausbricht, kann 'Abd-Allah in Harik kaum auch nur auf ein Schwert oder einen Dolch zu seinen Gunsten rechnen. 'Afläg, dürr und wild, gleicht 'Aared in seinen Bewohnern, nur dass religiöse Motive ein festeres Band der Anhänglichkeit knüpfen, als politische Gefühle. Dieses ist vor Allem der Fall in Wadi-Dowäsir, wo der Enthusiasmus in den schwärzesten Fanatismus der schlimmsten Art übergeht, und die Raublust fast noch mehr als in 'Aared selbst dazu kommt. Die Bewohner des Wadi-Dowäsir oder die Aal-'Aamär, wie sie sich selbst nennen, sind der verachtetste und verächtlichste unter allen arabischen Volksstämmen; als solche schildert sie Geschichte, Poesie und Satyre und meine eigene Erfahrung kann das Urtheil nur bestätigen, welches Motenebbi in seinen beissenden Versen über sie fällt; sie nehmen unbedingt auf der wahhabitischen Stufenleiter die höchste, 77 auf der nationalen die niedrigste Stufe ein. Jahrhunderte lang nichts, sind sie jetzt, zum Unglück ihrer Nachbarn durch ihre Einverleibung in den grossen wahhabitischen Körper etwas geworden, und es giebt kein besseres Beispiel für ein bekanntes arabisches Sprichwort von einem Bettler zu Pferde und wohin er reiten will, als die Khodejrijah und Aal-'Aamär des Wadi-Dowäsir. Es ist nicht nöthig zu sagen, dass überall, wo es etwas zu plündern giebt, auf die zerlumpten Banden gezählt werden kann, gleichviel ob für Sa'üd oder für 'Abd-Allah. Durchaus verschieden von diesen Provinzen ist Woschem. Hier herrscht der f landelsgeist vor, wenigstens der Krämergeist, aber obwohl ruhiger und weniger kriegerisch, sind die Einwohner dennoch gute Unterthanen einer Regierung, von deren Bestehen sie einen wesentlichen Vortheil haben, indem sie die Karawanen von Pilgern auf der Strasse nach Mekka verdreifacht und vervierfacht und die Waa-renlager der an der Strasse gelegenen Städte und Dörfer, namentlich Schakra', mit allerlei Waaren füllt, die von Westen nach Neged gehen. Im Kriege füllt diese Provinz mehr das Coramissariat als die Reihen des Heeres; die Einwohner sind jedoch gute Wahhabiten, und wenn man auch nur wenig „Zeloten" findet, so giebt es doch auch mir wenige Unzufriedene. Sedejr ist an Ausdehnung der grösste unter diesen Distrikten, steht auch in anderer Hinsicht obenan. Hier findet man negdäische Grossmuth, Tapferkeit, Ausdauer und Geduld in Verbindung mit dem Unternehmungsgeiste, durch welchen sich die Bevölkerung von Schomer auszeichnet; und auch in physischer Beziehung stehen die Einwohner entschieden über allen ihren Nachbarn. Hier sind auch die alten Städte, fast die ältesten, welche die arabische Geschichte kennt, alte Familien, alte und ehrenhafte Erinnerungen; der Sedej'ri ist der Edelmann von Neged. Der grössere Theil der Einwohner sind ächte Wahhabiten und den Grundsätzen ihrer Sekte aufrichtig zugethan, namentlich in den südlichen Gebirgszügen; in den nördlichen Distrikten hat der Verkehr mit Kowejt, Zobejr und Gebel Schomer ihre Ansichten einigermassen erschüttert. Dagegen finden die Ebn-Sa'üd hier weniger politische Zuneigung als sonst in Neged; viele von den Häuptlingen bedauern ihre frühere Unabhängigkeit und das Volk sehnt sich nach einer einheimischen Regierung. Es würde nur eines geringen Stosses bedürfen, um sie von der Dynastie in Riad abzulösen; nicht aber so von den wahhabitischen Lehren. Die Beduinen dieser sechs Provinzen sind verhältnissmässig ge- 78 ring an Zahl und auf dem ganzen Ungeheuern Plateau und in den verschiedenen Thälern verstreut; sie sind alle, ohne Ausnahme, aufrichtige Freunde bürgerlicher und religiöser Anarchie, von jedem leicht zu gewinnen, sind sie eben so leicht zum Abfall geneigt, im Verhält-niss zu der Kraft oder Schwäche der regierenden Hand; Geschöpfe des Tages, sind sie ein leichtes Spielzeug für Invasion oder Insurrec-tion, Störung und Auflösung der bürgerlichen Ordnung in der Hand eines Jeden, der ihnen das Meiste bietet. So viel über das eigentliche Neged, nebst Harik und Dowäsir. Zunächst folgen drei grosse Provinzen, die aus dem einen genügenden Grunde Neged unterworfen sind, weil sie sich nicht von ihm frei machen können; nämlich Hasa, Katif und Kasim. Von den Bewohnern kasims ist bereits genug gesagt, was ihre politischen und religiösen Tendenzen erklären kann. Der Krieg mit 'Onejzah kann als Beispiel dienen. Sie würden sich gern, und werden es vielleicht einmal, mit der ersten besten Macht vereinigen, die sich als ihren Beschützer zeigen würde, sei es im Namen von Hegäz oder Kairo, der Türkei oder Aegyptens. Die Mehrzahl sind Mohammedaner, aber nicht Wahhabiten, manche, vielleicht ein Viertheil, haben gar keine Religion, weder in der Theorie, noch in der Praxis. Hasa und Katif werden später noch genauer beschrieben werden; wir werden dann sehen, dass ihre Vereinigung mit Neged noch lockerer ist, als die Kasims. Weiterhin werden wir den Einfluss des Wah-babäismus und Negeds auch in Bahrejn und in der gegenüberliegenden persischen Küste oder Barr-Färis, kennen lernen, der sich nördlich bis Kowejt, südlich bis 'Oman erstreckt, mit drei örtlich geringen Ausnahmen, nämlich Barr-Färis, einem Streifen von Katar und der Küste von Gowäsimah, mehr ein Einfluss der Furcht als der Liebe. 'Aasir ist immer der feste Verbündete von Neged, obwohl diesem nicht tributpflichtig. Ich habe diesen gebirgigen Distrikt, südlich von Mekka und nicht weit von den Küsten des rothen Meeres, nicht selbst besucht, habe ihn aber sowohl vor, als während meiner Reise im in-nern Arabien oft von Eingebomen beschreiben gehört. Der Fanatismus seiner Bewohner scheint dem der Negdäer wenigstens gleichzu- kommen , mit deren Lehren und Weisen sie in jeder Beziehung Ubereinstimmen sollen. Hinsichtlich ihrer kriegerischen Eigenschaften möchte ich, nach dem was ich gehört, vermutheu, dass sie im Kriege weniger ausdauernd und in Verfolgung ihrer Zwecke weniger zäh 79 sind als die Negdäer - überhaupt mehr den Volksstämmen des benachbarten Hegäz gleichen. Auf jeden Fall aber macht ihre Anzahl und die wichtige geographische Lage, in der Nähe von Mekka, und gerade an der Flanke des Weges einer ägyptischen Invasion, sie zu guten Alliirten einer schlechten Sache. Um nicht noch einmal unsern Aufenthalt in Riad unterbrechen zu müssen, will ich einen kleinen Ausflug erzählen, den ich mit Bara-kät in das 'AHäg machte. Diese Provinz, welche auf den meisten Karten, ich weiss nicht warum, in einer Entfernung von zwei bis dreihundert englischen Meilen von 'Aared angegeben ist, hängt mit diesem zusammen und trennt es von Wadi-Dowäsir. Sie ist, so zu sagen, ein Stützpfeiler an der grossen Wand des Towejk, an Höhe jedoch niedriger als die Hauptkette des Gebirges, und hinter ihr senkt sich das ganze Niveau des Landes allmälig — so sagten mir arabische Reisende; und was ich sah, bestätigte ihre Aussage ■— bis etwa drei oder vier Tagereisen (sechzig bis siebzig englische Meilen) von Kela'at Bischa'; von da steigt es wieder gegen Gebel 'Aasir zu. Wir verliessen Riad in der zweiten Woche des November, schlugen den Weg nach Südwesten ein, durch Wadi Hanifah, und kamen noch an demselben Abend bis Safra, einem Dorfe an der Grenze von 'Aared. Unser Führer war ein Manu aus Negrän, Namens Bedaa', d. i. „Ketzerei", ein unglücklicher Name für einen Besucher der orthodoxesten Gegenden; jedoch die Person, welche ihn führte, war ein munterer, gutmüthiger Bursche, mit vollem Gesicht und breiten Schultern, von Gewerbe ein reisender Kaufmann und grosser Freund von Scherz und Belustigung. Er hatte in unserm K'häwah in Riad manche Tasse Kaffee getrunken und manche Pfeife geraucht; der gegenwärtige Ausflug geschah auf seine Veranlassung; und ärztliche Praxis gab mir, wie gewöhnlich einen passenden Vorwand dazu. Sobald wir das Wadi-Hanifah hinter uns hatten, fanden wir das südliche Plateau gebrochener und unebener als das nördliche; in anderer Beziehung ist es diesem ähnlich, da es dieselbe Kalksteinformation hat. Der Weg, oder vielmehr Steig, ging auf und ab zwischen weisslichen Felsen, wo jedoch hier und da Bäume, Sidr und Markh, und für leidliche Schafweide genügende Kräuter die Landschaft vor dem Vorwurf einer gänzlichen Kahlheit schützten. Der Lauf der Winterbäche ging mehrere Meilen nach dem Wadi-Hanifah zu und nahm dann eine mehr südliche Richtung. go In Safra' wurden wir in negdäischer Weise gut aufgenommen. Die Kleinheit des Dorfs, welches kaum sechzig Wohnungen zählt, gab eine schickliche Enschuldigung am nächsten Morgen schon bei Zeiten weiter zu gehen. Manche Häuser waren von Palmenzweigen und Dachstroh, Zeichen eines warmen Klimas. Die den Ort umgebenden Mauern, (ich kann sie kaum Befestigungen nennen) waren von ungebrannten Ziegeln und in Verfall. Das Mesgid dagegen, wohin sich Alle mit erbauender Pünktlichkeit begaben, war hübsch und neu. Am nächsten Tage bestiegen wir wieder unsere Kaineele und zogen mehrere Stunden lang durch enge, theilweise sandige Thäler nach Südwesten, allmälig zwar, aber merklich, immer abwärts. Wir waren jetzt in 'Afläg; gegen Mittag kamen wir an dem grossen Dorfe Meschallah (buchstäblich „Plünderstätte") vorüber — ein ominöser Name für Reisende; aber mit Ausnahme unserer Hemden hatten wir alle drei sehr wenig, was man uns nehmen konnte; hier blieben wir während der Mittagshitze in einem kleinen Hause, dessen Bewohner Be-daa' von seinen Reisen als Hausirer kannte. Die Bevölkerung schien sehr arm zu sein; die Gärten und Palmenhaine, obwohl ausgedehnt, waren spärlich und die Brunnen keineswegs reichlich. Baumwolle wird hier mehr gebaut als in 'Aared, und Felder mit weisser Hirse ersetzen die in der Umgegend von Riad in Ueberfluss wachsenden Linsen. In Kleidung und anderer Hinsicht gleichen Männer und Frauen denen in 'Aared, nur sind die Hemden kürzer und das schwere gerade Messer am Gürtel, Berim genannt, ist hier gewöhnlicher. Von Meschallah nach Kharfah führt der Weg meist in einer tiefen Schlucht hin, deren steiniger Boden Spuren von Winterbächen zeigte, die aber in dieser Jahreszeit trocken waren; zu beiden Seiten waren oben vortreffliche Weiden und Heerden in Menge; unten einige Palmenpflanzungen mit Gärtuerhütten; der Distrikt ist dünn bevölkert, namentlich in Vergleich zu Jemämah oder selbst Sedejr. Es wurde Nacht, ehe wir Kharfah erreichten, und wir ruheten auf der sandigen, mit einzelnen Palmen bewachsenen Ebene ausserhalb der Mauern. Der Statthalter der Provinz, welcher hier residirt, ist ein Eingeborner von 'Aared und eifriger Wahhabit. Bedaa' hatte keine Lust, ihn zu besuchen, und wir hielten ebenfalls nicht für rathsam, uns ohne Empfehlung bei ihm vorzustellen. Die Stadt, denn so kann der Ort genannt werden , hat mindestens acht Tausend Einwohner. An Wasser ist hier kein Mangel und die Gärten sind besser, als sonst irgendwo in 'Afläg. Die Khodejrijah, oder Mulatten, sind an Zahl der Geissen Bevölkerung beinahe gleich; ebenso wie ihre Vettern, die Neger, begnügen sie 8] sich oft, anstatt des arabischen Hemdes, mit einem um die Hüften geschlungenen Tuche. Die Bewirthung war dürftig und ich bemerkte Mangel an Geselligkeit und eine gewisse Rauhheit der Sitten, die an Wadi-Dowäsir erinnerte, dessen Grenzen allerdings von hier nur etwa fünfzehn bis zwanzig Meilen weiter südlich sind. Wir blieben bis zum Nachmittage und kehrten dann auf demselben Wege, den wir gekommen waren, wieder zurück. In Safra', Meschallah und Kharfah drehte sich die Unterhaltung, wie zu erwarten, hauptsächlich um den Krieg mit 'Onejzah, wohin ein Drittheil der waffenfähigen Mannschaft bereits abmarschirt war. Aber ein anderer, und für mich interessanterer Gegenstand war das Land selbst und der Tauschhandel zwischen 'Afläg und Jemen, ein Gegenstand, zu dem die Gesellschaft Bedaa's Gelegenheit gab. Ich sammelte folgende Angaben, die ich hier nach Hörensagen wiedergebe, und ich zweifle nicht, dass sie im Allgemeinen richtig sind, doch will ich für ihre Genauigkeit im Einzelnen keine Bürgschaft leisten. Eine massige Tagereise südlich von Kharfah auf dem Wege nach Jemen in das Wadi-Dowäsir, ein langes, einförmiges und sandi- ges Thal, welches nördlich vom Towejk (hier , nach seinem Centraipunkte, zuweilen Gebel 'Aared oder Gebel Neged genannt; aber weder der eine noch der andere dieser Namen ist geographisch richtig), südlich von der Dahnä begrenzt ist. Die Länge des Wadi wird zehn Tagereisen angegeben, d. i. etwa zweihundert englische Meilen. Dörfer, hauptsächlich aus zerstreuten Hütten von Palmenblättern bestehend , liegen an dem Wege; Wasser findet man überall. Ich stelle mir den Distrikt als eine Art südliches Wadi-Sirhän vor. An dem andern Ende des Wadi-Dowäsir kommt man in das Kora, einen grossen, dünnbevölkerten, halb wüsten Distrikt, der hinter dem Tä'if und Gebel 'Aasir liegt. Der bedeutendste Ort ist Kela'at Bischa', etwa zwei Tagereisen (oder vierzig engl. Meilen) von Wadi-Dowäsir. Drei Tagereisen weiter südlich führt der Weg durch Wadi-Selejjel; den Namen der Hauptstadt desselben, wenn es überhaupt eine hat, konnte ich jedoch nicht erfahren. Bedaa' schilderte es als einen erbärmli chen Distrikt, voller Sandhügel und mit wenig Wasser. Zwei Tagereisen weiter kommt man nach Wadi-Negrän; wenn Bedaa's Erzählung richtig ist, so hat die Fruchtbarkeit dieses Distrikts mehr den Charakter von Jemen als von Neged: gut bebaut, mit einer zahlreichen und civilirten Bevölkerung, vortrefflichen Datteln und Getreidefeldern, ein Land des Friedens und des Ueberflusses. Hier führt die Hauptstrasse von Sanaa' durch, von dessen Emir Wadi-Negrän abhängt. 82 Die Bewohner des Wadi-Negrän nennen sich selbst Schija'i, von den Negdäern aber werden sie mit der noch umfassendem Benennung „Keffär" odei1 Ungläubige benannt. Bedaa' machte, sobald ihn kein Wahhabite hören konnte, kein Geheiraniss von seiner und seiner Landsleute Sekte. Wie die Eingebornen von Hasa und 'Oman, gehören sie zu der grossen karmathischen Schule, verwandt der persischen, und eingeteilt in Biadijah, Drusen, Ismailijah und verschiedene andere. So viel ich weiss, existirt im westlichen Arabien keine andere karmathi-sche Colonie. Wadi-Negrän ist das einzige bleibende Andenken der Revolution im dritten Jahrhundert des Islam. Die Strasse durch Wadi-Dowäsir und Selejjel wird viel von Kaufleuten besucht, die von Jemen nach Neged reisen, sie ist ziemlich gerade und vermeidet die Gebirgspässe und die Intoleranz von Gebel 'Aasir. Ueber die bekannte Strasse, welche durch das Wadi-Hanifah nach dem Norden von 'Afläg führt, Schakra' berührt und von da südlich vom Towejk nach Mekka geht, hörte ich oft genaue Angaben der Märsche und Stationen von Reisenden, welche dieselbe in beiden Richtungen gereist waren. Ihre Angaben entsprechen genau der in Gotha 1835 nach Niebuhr, Ehrenberg und Rüppell herausgegebenen Karte. Dieses ist die Hauptstrasse durch Central-Arabien. Bei Schakra' theilt sich der Weg nach 'Onejzah und Kasim. Von Riad nach Norden zu giebt es nur eine Strasse, die, welche wir selbst gekommen, bei Zalpha aber theilt sich diese nach drei Richtungen, westlich nach Kasim, nordwestlich nach Gebel Schomer und nordöstlich nach Zobejr. Oestlich von Riad ist nur eine viel besuchte Strasse, die vom Centrum nach dem Umkreise führt und der wir bald folgen werden. Es scheint sonach, dass das eigentliche Neged vier Verkehrslinien mit dem Auslande und der Küste hat, die beinahe den vier Cardinalpunkten entsprechen und die jede einen Streifen der Wüste durchschneiden, obwohl die beiden, welche nach Westen und Südwesten führen, weniger auf Sand treffen, als die beiden anderen. Der Weg, auf welchem wir hierher kommen mussten, war der längste, schwierigste, am wenigsten besuchte und gerade deshalb für uns der sicherste und beste. Südlich von Wadi-Dowäsir und den äusserten Grenzen von Jemämah und Harik und östlich von Negrän liegt die grosse Wüste ohne Weg und Steg, ein unwegsames Sandmeer, die wir unten noch 83 genauer kennen lernen werden. Fassen wir Alles zusammen, so können wir nicht leugnen, dass das Gebiet der Wahhabiten ein compactes Ganzes und wohl organisirtes Reich ist, wo die Centralisation vollständig verstanden und wirksam durchgeführt ist und dessen Hauptfeder und verbindende Glieder Gewalt und Fanatismus sind. Hier existiren keine coustitutionellen Einschränkungen, weder für den König noch für seine Untergebenen, ausser solchen, welche die Notwendigkeit und die Umstände erheischen und die der Koran vorschreibt. Seine Atmosphäre, bildlich zu sprechen, ist reiner Despotismus in moralischer, religiöser, intellectueller und physischer Beziehung. Dieses Reich ist fähig, sich über seine Grenzen auszudehnen und deshalb gefährlich für seine Nachbarn, von denen es jetzt eben einige verschlingt, und wahrscheinlich noch mehrere verschlingen wird, wenn es nicht anders daran gehindert wird. Unfähig zu wahrem Fortschritt im Innern, feindlich gegen Handel, den Künsten und selbst dem Ackerbau ungünstig gesinnt, und im höchsten Grade intolerant und aggressiv, kann es weder selbst zum Bessern fortschreiten, noch auf Andere einen wohlthätigen Einfluss üben, und die Ordnung und Ruhe, welche es zuweilen über die eroberten Länder verbreitet, werden am besten durch die oft angeführten Worte des römischen Annalisten bezeichnet „Ubi solitudinem faciunt pacem appellant. — Wir können hinzufügen, seine Schwäche sind die Eifersucht zwischen den Gliedern der königlichen Familie und die Streitigkeiten um die Nachfolge, welche in Verbindung mit der in ganz Arabien bestehenden antiwahhabitischen Reaction eines Tages das negdäische Reich erschüttern, wrenn nicht ganz auflösen werden. Ibrahim Pascha allein erkannte die wahren Mittel, Arabien und seine Nachbarn von diesem Giftbaum des tyrannischen Fanatismus zu befreien und begann das Werk, dem der Eigensinn und die Thorbeit seiner Nachfolger wieder entgegenarbeitete. So lange aber Wahhabäismus im Centrum und den Hochlanden Arabiens herrscht, ist nur geringe Hoffnung zur Civilisation, Fortschritt und nationaler Wohlfahrt der arabischen Rasse. Zum Schlüsse gebe ich hier eine numerische Uebersicht theils aus den Registern der Regierung in Riad, theils nach mündlichen Mittheilungen an Ort und Stelle über die Provinzen, Zahl der bedeutendsten Städte und Dörfer, Bevölkerung und Kriegscontingent des Wahhabitenreichs, welcher ich noch eine ähnliche Uebersicht über die Beduinen innerhalb dieses Gebiets beifüge. II. 5 „ . Städte oder „ Stärkp Provinzen. r»Ärf« Bevölkerung. *«arKe Dorfer. * des Heeres. I. 'Aared ..... 15 110,000 6,000 II. Jemämah..... 32 140,000 4,500 III. Harik...... 16 45,000 3,000 IV. 'Afläg...... 12 14,000 1,200 V. Wadi-Dowäsir ... 50 100,000 4,000 VI. Selejjel ..... 14 30,000 1,400 VII. Woschem..... 20 80,000 4,400 VIII. Sedejr...... 25 140,000 5,200 IX. Kasim...... 60 300,000 11,000 X. Hasa...... 50 160,000 7,000 XI. Katif . . . . . ■ 22 100,000 — 316 1,219,000 47,700. ~ Hier ist zweierlei zu beobachten; erstens bemerken wir ein Miss-verhältniss zwischen der Zahl der Einwohner und der der Städte. Dieses kommt von der stets wechselnden Grösse und Wichtigkeit der letzteren, je nach den politischen oder anderen Verhältnissen der bezüglichen Provinzen. So z. B. im Wadi-Dowäsir, wo keine bedeutenden Städte und die gewöhnlichen Centren der Population blosse Weiler sind, kommt deren Anzahl beinahe der der Ortschaften in Kasim gleich, während dort in den grossen Städten, wie 'Onejzah, Berejdah, Henäkijah, Rass u. a., und bei der allgemeinen Fruchtbarkeit des Landes die Zahl der Einwohner dreimal so gross ist als hier. Ein nicht weniger auffallendes Verhältniss finden wir zweitens bei dem Kriegs-Contingent, dessen Zahl ebenfalls zum grössern Theile von dem Charakter der Distrikte abhängt. Katif z. B., obwohl stark bevölkert, stellt gar kein Contingent, aus Gründen welche später erklärt werden sollen, während 'Aared mit einer wenig höhern Volkszahl die Reihen der negdäischen Krieger füllt. Die meisten dieser Anomalien finden ihre Lösung in dem, was wir bereits in unserer Reisebeschreibung im Einzelnen gesagt haben. Die Beduinenbevölkerung zählt im mittlen Arabien sehr wenig. Stämme. Köpfe. I. 'Agmän...... 6,000 H. Benu-Hagar..... 4,500 III. Benu-Khälid..... 3,000 IV. Metejr....... 6,000 V. 'Otejbah...... 12,000 86 VI. Dowäsir...... 5,000 VII. Sebaa'........ 3,000 VIII. Kahtän....... 6,000 LX. Harb /...... 14,000 X. 'Anezah...... 3,000 XI. 'Aal Morrah..... 4,000 Verstreute Familien . . . 10,000 76,500. Die streitbare Mannschaft eines Beduinenstammes rechnet man gewöhnlich als ein Zehntheil der gesamniten Kopfzahl; sonach würden höchstens 8000 Beduinen unter dem weiss und grünen Banner Ebn-Sa'üds kämpfen. Ich muss meine Leser hier wieder erinnern, was schon oben bemerkt wurde, dass die hier genannten Benu-Khälid gleichen Ursprungs mit dem gleichnamigen Stamm in Syrien sind, die 'Anezah und Se-baa' hingegen nicht; dass Kahtän und 'Aal - Morrah in der That weit zahlreichere Stämme sind, als hier angegeben, wo nur die aufgeführt sind, welche mehr oder weniger unter der Herrschaft des Wahhabiten stehen; endlich, dass die'Agmän, und Benu Hagar und Benu-Khälid diejenigen sind, unter denen das Schwert 'Abd-Allahs am meisten gewüthet hat. Drittens gebe ich hier eine Uebersicht des jährlich von den verschiedenen Provinzen in den Schatz zu Riad gezahlten Tributs , mit Ausschluss der ausserordentlichen Auflagen. Die Schätzung ist nach den in Gauhars Verwahrung gehaltenen Listen gegeben und nach spanischen Thalern aufgezeichnet, nach denen, wie häufig im Orient, gerechnet wird. Sie gelten auf dem negdäischen Wechselmarkte etwa 5 Sh. 6 P. engl. Provinzen. Tribut. I. 'Aared .... 5,000 Thaler. II. Jemämah .... 6,000 III. Harik..... 10,000 IV. 'Afläg..... 2,000 V. Wadi-Dowäsir . . 4,000 VI. Selejjel .... 3,000 VII. Woschem .... 6,000 VHI. Sedejr..... 8,000 IX. Kasim..... 120,000 X. Hasa..... 150,000 XI. Katif..... 50,000 Summa . . . ~364,000 . — etwa 100,000 Lvstl. 8 P. Hierzu kommen noch: Erstens ein jährlicher Tribut oder Räuber- 86 sold von 8000 Thalern oder 2200 Lvstl. aus Bahrejn; zweitens eine ähnliche Steuer von den westlichen Provinzen von 'Oman, die sich auf 20,000 Thaler = 5500 Lvstl. beläuft. Dies giebt mit der vorhergehenden eine Totalsumme von 391,000 Thalern oder 107,000 Lvstl. An ausserordentlichen Auflagen, Geldstrafen, Geschenken, Kriegsbeute u. dergl. rechnet man ein beinahe gleiches Einkommen; die Gesammt-Einnahme würde sich also jährlich mindestens auf 160,000 Lvstl. belaufen. Und da hier kein stehendes Heer, keine Flotte (ausser zwei oder drei elende Schiffe in Katif), kein Hoftstaat und was damit zusammenhängt zu erhalten sind , so lässt sich annehmen, dass die wahhabitische Regierung nicht in Gefahr ist, eine Nationalschuld zu machen und dass sie für das Land und die Verhältnisse sogar reich ist. Als Anhang will ich hier noch eine annähernde Schätzung der gleichen Elemente in dem Reiche Teläl - ebn - Raschids beifügen. Ich hätte sie schon oben geben können, ziehe aber vor, die beiden Staa- teil nebeneinander zu stellen, damit meine Leser verschiedene wichtige Unterschiede sowohl hinsichtlich der Bevölkerung als in anderer Beziehung zwischen den beiden Gebieten Neged und Gebel Schomer bemerken können. . Städte und Provinzen. D5rfer Gebel Schomer ... 40 162,000 Gauf ....... 12 40,000 Khejbar...... 8 25,000 Ober-Kasim .... 20 35,000 Tejma'* . . . . . . 6 12,000 I. II. III. IV. V. 86 Total unterworfene Beduinenstämme Volkszahl. Kriegsmacht. 6,000 2,500 2,000 2,500 1,000 274,000 14,000" 80,000 40,000 20,000 I. Schomer . II. Scherarat III. Howejhat IV. Benu-'Ätijah . . . 6,000 V. Ma'äz..... 4,000 VI. Tai..... 8,000 VII. Wahhidijah . . . 8L000 Summa . . . 166,000. " Streitbare Mannschaft etwa 16,000. Totale Bevölkerung 430,000, streitbare Mannschaft 30,000. Meine Leser werden bemerken, dass im Norden die beduinische 87 Bevölkerung im Verhältniss grösser ist. Ueber Teläls Einkünfte konnte ich keine genauen Angaben erhalten; aber nach dem Stande des Ackerbaues und Handels in seinem Gebiet zu urtheilen, schätze ich sie ungefähr auf ein Viertheil der jährlichen Einkünfte Fejsals. Zwölftes Kapitel. Der Hof in Riad. — Reise nach Hofhuf. Erste Bekanntschaft mit 'Abd-Allah — seine Gunst — Charakter des Fürsten — Besuch im königlichen Marstall — negdäische Pferde — Premierminister Mahbüb — Aegypten und Neged — Aufnahme des persischen Näib am Hofe — sei« Unwille — ein Morgenbesuch der Zeloten — dessen Folgen — Verhandlungen des Näib mit der Regierung und deren Erfolg — Rüstungen gegen 'Onejzah — officielle Correspondenz — Ankunft Sa'uds mit dem südlichen Con-tingent — seine Aufnahme in Riad — Streitigkeiten zwischen Sa'üd und 'Abd-Allah — Zusammenkunft mit Sa'üd — sein Charakter — Stellung der beiden Brüder zu einander — 'Abd-Allah wird kühl und schöpft Verdacht gegen uns — Vorschlag zur Niederlassung in Riad — Ablehnung desselben — Strichnin-Cur — 'Abd-Allah verlangt, Strichnin — Weigerung — Nachtscene im Palaste — schlimme Lage — eine Besänftigung — Entrinnen aus Riad — Lebewohl der Hauptstadt — Drei Tage in Wadi Solej' — Reise mit Abu-'Ejsa und El- Ghannäm — Hochland des östlichen Towejk — Lakej'jät — Letzte Bergkette des Towejk — Landschaft — Brunnen 'Owejsit — die Dohna oder grosse Wüste — ein gefährlicher Moment - Regmat Abu-'Ejsa — Aal Morrah — Trennung Abu-'Ejsa's von El-Ghannum — Weg durch die Wüste — Wädi Farük — die Höhen von Ghäd und Ghowejr — Weg nach der Küste abwärts — Heuschrecken — Ankunft in Hofhuf. Der erste Sturm hatte sich gelegt, und Alles schien uns einen ungestörten und sichern Aufenthalt in der Hauptstadt zu versprechen. Gauhar hatte uns einen guten Namen gemacht und jeder Tag brachte neue Consultationen und Bekanntschaften, von denen die meisten sehr vorteilhaft waren. Fejsal, dessen Furcht sich einigermassen gelegt hatte, war in seinen Palast zurückgekehrt und hatte nach einigen Tagen Muth genug, dem Näib eine Privataudienz in seinem Palaste zu bewilligen. Mohammed 'Ali war jedoch nicht besonders entzückt über die Aufnahme und konnte die Gleichgültigkeit nicht begreifen, mit welcher der „Beduine" (einen andern Titel gestand der Schiräzi dem Negdäer nicht zu) seine lange Liste von Beschwerden aufgenommen hatte; auch Mahbüb entwickelte keinen grossen Eifer zur Förderung seiner Angelegenheit. Wir unsererseits waren mit Abu-'Ejsa einig, keine besondere Zusammenkunft mit Fejsal nachzusuchen; der alte Mann war ein blosses Spielzeug in den Händen seiner Minister und der Zelotenfaction, und während kein nützliches Resultat von unserer Gegenwart im Diwan erwartet werden konnte, konnte sie von der andern Seite leicht Anlass zu eifersüchtigem Verdacht und müssiger Vermuthung geben. Aber 'Abd-Allah, der nicht die greisenhafte Furcht hatte, welche die Brust seines Vaters bewegte, war nicht geneigt, uns lange ohne die Gunst seiner persönlichen Bekanntschaft zu lassen. Wir hatten wie meine Leser wissen, den Brief 'Obejds an den Prinzen bereits geöffnet und gelesen, und dieser hatte in uns keineswegs das Verlangen nach einer besondern genaueren Bekanntschaft mit einem oder dem andern der beiden Correspondenten erweckt. Auch was wir übrigens von dem Charakter und den' Neigungen des Thronerben gehört hatten, war nicht geeignet, grosse Anziehungskraft auf uns auszuüben. 'Abd-Allah gab in seiner Eigenschaft als Administrator zweimal täglich öffentliche Audienzen, und es sollte durchaus nicht schwer sein, auch im Innern seines Palastes Zutritt zu finden. Wir vermieden aber sorgfältig den Theil der anstossenden Strasse, wo eine versammelte Volksmenge uns andeutete, dass der Prinz sich zeige, und begnügten uns, sein Gefolge und seine Person aus der Ferne anzusehen. Es vergingen jedoch nicht viele Tage, als ein Bote erschien, der uns zu ihm beschied. Der Ueberbringer der Einladung seiner Hoheit hiess ebenfalls 'Abd-Allah, ein Negdäer unter den Negdäern, und gehörte zu der strengsten und bigottesten Klasse; ein dünnbeiniger, blasser und runzeliger Kerl; klug und thätig, aber keineswegs ein angenehmer Gesellschafter. Dieser Ehrenmann sagte uns, dass die Gesundheit seines Oheims (höflicher Ausdruck für 'Abd-Allah) in etwas gestört sei, und er deshalb den Besuch eines Arztes wünsche. Er empfahl uns, nicht lange warten zu lassen. Wir zogen reine Oberkleider an und begaben uns nach 'Abd-90 Allahs Palaste. Hier mussten wir durch zwei Höfe, ehe wrir die Vorhalle erreichten, an deren anderem Ende sich das Privat-K'häwah des Fürsten befand. Er hatte noch ein anderes, aber öffentliches; dieses lag im zweiten Hofe, war von grossen Dimensionen und doppelt so gross als Fejsals Gastzimmer. Das Privatzimmer hingegen war klein und konnte nur etwa zwanzig bis fünfundzwanzig Personen fassen; es war gut möblirt, aber nicht eben so gut beleuchtet. Es war bereits spät am Morgen und die Hitze innerhalb der Thtiren drückend. 'Abd-Allah sass auf einem in der Vorhalle ausgebreiteten Teppich, mit Zwreien oder Dreien seines Gefolges an seiner Seite. Mehrere Andere, Weisse und Schwarze, einfach gekleidet, aber alle bewaffnet, standen oder sassen an dem Portal und in dem äussern Hofe; sie machten keineswegs, einen günstigen Eindruck, namentlich aber die wirklich gebornen Negdäer. Hätte 'Abd-Allah nicht einen Ausdruck von Hochmuth, beinahe Unverschämtheit im Gesicht, und eine deutlich vortretende Anlage zu Wohlbeleibtheit — ein Erbfehler, wie es scheint, in einigen Zweigen der Familie — so würde er keinen üblen Eindruck raachen. So wie er ist, hat er einige Aehnlichkeit mit manchen Porträts Heinrichs VIII., dem er auch im Charakter nicht ganz unähnlich ist. Als wir herantraten, steckte er eine Art plumper Höflichkeit heraus und liess uns eine ziemlich ermuthigende Aufnahme zu Theil werden, obwohl ich bald herausfand, dass sein Unwohlsein ein blosser Vorwand war, um seine Neugier zu befriedigen. Von 'Obejd und seinem Briefe kam natürlich kein Wort über unsere Lippen. 'Abd-Allah that einige Fragen über Gebel Schomer, denn er hatte bereits gehört, dass wir von dort kamen, äusserte einigen Unwillen gegen Teläl, spottete über die Vertbeidiger von 'Onejzah und fluchte auf Zämil. Dann begann eine Reihe unwissenschaftlicher medizinischer Fragen über Temperamente, bilöse, lymphatische, sanguinische und so fort. Er war sehr begierig zu erfahren, welches Temperament er selbst habe, und ich stieg bedeutend in seiner Achtung, als ich ihm versicherte, es sei eine glückliche Vereinigung aller vier. Er versicherte uns dann wiederholt seines Schutzes und Wohlwollens, und ich glaube, dass seine Versicherungen im Augenblicke ehrlich gemeint waren, da er bis jetzt noch keinen Verdacht gegen uns hatte. Zuletzt bat, oder befahl er vielmehr, wir sollten am nächsten Morgen bei Zeiten wiederkommen und einige medizinische Bücher mitbringen, weil er selbst sehr begierig sei, die Heilkunst zu erlernen. Ein vielversprechender Schüler, dachte ich, und meine Leser werden vermuthlich ebenso denken. Er meinte es jedoch in vollem Ernste, und als wir am nächsten 01 Tage in das kleine K'häwah geführt und mit Kaffee und Wohlgerüchen beehrt worden waren, hielt er uns eine volle Stunde mit Lesen und Sich vorlesenlassen auf, theils aus meinem in Bulak gedruckten Buche, theils aus einer Handschrift ohne Titel, aus seiner Bibliothek, in welcher therapeutische Traditionen vom Propheten (die leider beweisen, dass dieser eine sehr klägliche medizinische Autorität war), alte Definitionen und Recepte aus irgend einer alten Nachübersetzung Galens, die so verunstaltet und mit persischen Pflanzennamen und Botanik im oberägyptischen Idiom zusammengeworfen war, dass ein Daniel selbst keine Deutung finden konnte. Wir behandelten das Werk natürlich mit der grössten Ehrerbietung und versuchten auf eine oder die andere Weise eine vernünftige Erklärung, mit welchem Erfolge weiss ich nicht. Jedenfalls aber gelang uns dadurch, das Zutrauen Sr. Hoheit zu erwerben, wie wir an dem freundlichen Lachen der Weissen und Grinsen der Schwarzen erkennen konnten, als wilden Palast wieder verliessen. Etwa drei Wochen ging so Alles ganz gut. Fast joden Tag kam eine Einladung, und wir brachten gewöhnlich zwei bis drei Stunden des Morgens oder des Abends bei dem Prinzen zu, der sich durchaus nicht zurückhaltend zeigte. Er sprach über Politik und höhnte mit der ganzen Unverschämtheit der Unwissenheit über dieselben Mächte, die erst wenige Jahre vorher das Reich seiner Vorfahren vernichtet, einen seiner Vorgänger enthauptet, einen andern in jahrelange Ver bannung getrieben und seinen Vater in langer Gefangenschaft gehalten hatten. Aber Constantinopel und Kairo waren nichts in 'Abd-Allahs Augen, und als ich ihn einmal gelegentlich fragte, ob er in Mekka gewesen sei, antwortete er, „ich will hin, aber zu Pferde!" und er war gewiss der Meinung, dass wir das noch erleben würden. Dann folgten die wildesten Pläne 'Onejzah zu erstürmen, wie die Mauern mit Kanonen niedergeschossen, oder vielmehr da sie von ungebrannten Ziegeln wären, durch eine grosse Spritze weggeschwemmt werden müssten; wie er Zämils Kopf abhauen wolle u. s. w. Eine Reihe von Erfolgen über marodirende Beduinen und unkriegerische Nachbarn Hessen den Prinzen glauben, dass die Negdäer die erste Armee und er selbst der erste General auf der ganzen Erde sei. Und im Ganzen g2 war es nicht blosse Prahlerei, denn innerhalb der Halbinsel würde ihm nicht leicht Jemand die Spitze bieten können, und Aegypten hat nicht immer einen Ibrahim Pascha. Während dieser Zeit konnte ich einen Blick in die königlichen Marställe thun, was ich schon längst gewünscht hatte, denn die negdäischen Pferde stehen in der allgemeinen Meinung eben so hoch über allen anderen ihrer Art in Arabien, wie die arabische Rasse im Allgemeinen über der persischen, indischen oder der vom Vorgebirge der guten Hoffnung. In Neged ist die eigentliche Heimath, der wirkliche Typus, das authentische Muster des arabischen Rosses. So wenigstens hörte ich überall, und so weit meine Erfahrung geht, scheint es mir auch selbst so, obwohl ich weiss, dass andere ausgezeichnete Autoritäten einer andern Ansicht sind. Jedenfalls war unter allen Stutereien in Neged die Fejsals unbestritten die erste, und wer diese gesehen, hat ohne Zweifel die schönsten Exemplare der Pferdezucht in Arabien, vielleicht der ganzen Welt gesehen. Eine Stute war von einem andern Pferde unter der Schulter gebissen worden, und die Wunde, schlecht behandelt, war in Eiterung übergegangen, bei der die erfahrensten negdäischen Pferdeärzte keinen Rath wussten. Eines Morgens, als ich mit Barakät in 'Abd-Allahs K'häwah sass, kam ein Stallknecht, um dem Prinzen den gewöhnlichen täglichen Bericht über die Ställe abzustatten. 'Abd-Allah wandte sich zu mir und fragte, ob ich die Kur unternehmen wolle. Mit Freuden nahm ich den Vorschlag an, die Patientin zu besuchen und die Wunde in Augenschein zu nehmen, doch sagte ich sogleich, dass ich mich auf eine weitere Behandlung nicht einlassen könnte, weil diese in das Bereich der Thierarzneikunde gehöre. Der Prinz gab darnach seine Befehle und am Nachmittag klopfte ein Stallknecht an unsere Thüre, der mich geradeswegs in die Ställe führte, welche ausserhalb der Stadt liegen, nordwestlich und links von dem Wege, welchen wir gekommen waren, in geringer Entfernung von den Gärten 'Abd er-Rahmäns des Wahhabi. Sie nehmen einen grossen viereckigen Platz ein, etwa 200 Schritt lang und eben so breit, im Centrum offen, mit einem langen Schuppen ringsherum an den innern Wänden, unter welchem die Pferde, etwa dreihundert, als ich sie sah, in der Nacht angebunden werden. Bei Tage können sie in dem mittlem Hofe nach Belieben ihre Beine strecken. Die grössere Anzahl liefen sonach frei herum, einige jedoch 93 waren an ihren Ständen angebunden; einige, aber nicht viele, hatten Decken über. Der starke Thau, welcher im Wädi-Hauifah fällt, er laubt nicht, dass man sie unbeschützt der Nachtluft aussetzt. Auch der Nordwind soll den Thieren hier zuweilen sehr schädlich sein, eben so wie der Landwind in Indien. Etwa die Hälfte der königlichen Stuterei war hier, die übrigen waren auf der Weide. Die Gesammt-zahl der Pferde Fejsals wird auf sechshundert und darüber ge rechnet. Kein Araber wird ein Pferd am Halse anbinden; ein Spannseil ersetzt die Halfter; und ein Hinterbein des Thieres ist um die Fessel mit einem leichten eisernen Ringe umgeben, der mit einem Vorlege schloss verschen ist und mit einer etwa zwei Fuss langen eisernen Kette zusammenhängt, an deren Ende sich ein Seil befindet, welches durch einen eisernen Pflock am Boden befestigt wird; dies ist die gewöhnliche Art. Bei unruhigen und wilden Thieren wird ein Vorderbein auf ähnliche Weise gefesselt. Bekanntlich sind in Arabien die Pferde bei weitem seltener boshaft oder widerspenstig als in Europa, und das ist der Grund, weshalb sie hier so selten verschnitten werden, obwohl das Verfahren nicht unbekannt ist. Auch konnte ich nicht entdecken, dass gegen die Operation selbst ein Vorurtheil bestände, sie wird nur selten angewendet, weil sie nicht nothwendig ist und doch eigentlich den Werth des Thieres verringert. Ich hatte nie eine so hübsche Sammlung von Pferden gesehen oder geträumt. Ihr Wuchs war allerdings etwas niedrig, ich glaube kaum ganze fünfzehn Handbreit hoch; im Durchschnitt vielleicht vierzehn, wie mir schien; aber sie waren so ausserordentlich wohlgebildet, dass der Mangel an Grösse durchaus nicht als ein Fehler erschien. Merkwürdig voll an den Schenkeln, zierlich geschweiften Schultern, ganz wenig satteltiefem Rücken, genau die Curve, welche Spannkraft ohne irgend welche Schlaffheit anzeigt; ein oben breiter Kopf, der nach der Nase spitz zuläuft; ein höchst kluger und doch ausserordentlich sanfter Blick, volles Auge, scharf gespitztes Ohr, Beine hinten und vorn wie aus Eisen getrieben, so rein und doch so schön mit Sehnen durchflochten; ein hübscher, runder Huf, ganz wie ihn der harte Boden verlangt; der Schweif in einem vollkommenen Bogen geworfen, das Fell glatt und glänzend; die Mähne lang, aber nicht über- 94 massig voll, und eine Haltung und Schritt, als ob sie sagen wollen, „seht nur, wie schön ich bin". Die vorherrschende Farbe war kastanienbraun oder grau; fuchsfarbe, eisenfarbe, weiss oder schwarz waren weniger häufig; ganz braun, gefleckt oder gesprenkelt gar keins. Wenn man aber fragt, welches sind nach Allem die specifisch unterscheidenden Punkte des negedäischen Pferdes, so muss ich antworten, die geschweifte Schulter, die ausserordentliche Reinheit der Schenkel, die voll gerundeten Hüften, obwohl auch alle übrigen Theile eine Vollkommenheit und Harmonie haben, wie mir wenigstens sonst nirgends vorgekommen. Es ist unnöthig zu sagen, dass ich auf meiner Reise oft Gelegenheit hatte, Pferde genau zu betrachten; ich verschob aber absichtlich bis hierher, mehr von ihnen zu sagen. In Hä'jel und Gebel Schomer fand ich sehr schöne Exemplare der gewöhnlich sogenannten arabischen Rasse, eine sehr schöne Zucht, von der zuweilen einzelne Stücke von europäischen Fürsten und reichen Leuten mit ungeheuren Summen bezahlt werden. Diese sind zum grössten Theil von Stuten aus Gebel Schomer und der Umgegend und einem negedäischen Hengste, zuweilen auch umgekehrt; aber niemals, so scheint es mir wenigstens, von beiden Seiten von negedäischer Abkunft. Bei allen ihren Vorzügen sind diese Pferde doch weniger systematisch zierlich, und ich erinnere mich nicht, jemals eines gesehen zuhaben, das nicht irgend einen kleinen Fehler gehabt hätte, wie etwa eine kleine Erhöhung der Schulter, einen fehlerhaften Huf, zu kleines Auge, u. dgl. Auch ihre Höhe ist sehr verschieden; manche haben sechzehn Handbreit, manche kaum vierzehn. Jedermann kennt die gewöhnliche Eintheilung ihres Stammbaumes: Manaki, Siklawi, Hamdani, Torejfi u. s. w., ich selbst habe ein Verzeichniss dieser Namen gemacht, als ich mich einige Jahre früher nuter den Sebaa' und Ru'ali-Beduinen aufhielt, und fand keinen bemerkenswerthen Unterschied zwischen dem, was mir damals gesagt wurde und den Berichten, welche Reisende und Schriftsteller gewöhnlich über diesen Gegenstand geben. Die Beduinen verfehlten auch nicht, ihre oft wiederholten Legenden Uber Salomo's Marstall u, s. w. zu erzählen. Aber ich bin sehr geneigt, den grössten Theil dieser Stammbäume, und noch mehr das Alter ihres Ursprungs, als verhältnissmässig neue Erfindungen zu betrachten, die nur wenig Glau-»5 ben verdienen. Auch ist eine Kohlani-Stute noch keine Gewähr für einen Kohlani-Hengst; Kreuzungen kommen immer vor, selbst in Schomer. Als ich erst in diesem Distrikt angekommen war, hörte ich nichts mehr von Siklawi, Delhami und anderen Genealogien, und von den Ställen Salomos wusste man so wenig wie von denen des Augias. In Neged wurde mir versichert, dass niemals lange Stammbäume geführt würden, und dass man nach nichts weiter frage, als ob Vater und Mutter gut seien; was Solomon anbelangt, sagte mein Führer, so würde er wahrscheinlich lieber Pferde von uns genommen haben, als wir von ihm; eine Bemerkung, die bei dem, welcher sie machte, auf einen gewissen Grad von historischer Kritik schliessen lässt. Die ächte negedäische Rasse, so weit ich gefunden habe, trifft man nur in Neged selbst, und auch hier sind diese Thiere nicht in Jedermanns Besitz; nur Häuptlinge und Leute von bedeutendem Reichthum und hohem Range besitzen welche. Auch werden sie niemals verkauft, so wenigstens sagen Alle; und als ich fragte, wie man ein Pferd erwerben könne, wurde mir geantwortet, „durch Krieg, Ver-mächtniss oder Geschenk". Auf letztere Weise allein ist es möglich, dass ein vereinzeltes Exemplar über die Grenzen von Neged kommt, und auch dies ist ein seltener Fall; und wenn die Politik verlangt, dass nach Aegypten, Persien oder Constantinopel ein Geschenk geschickt wird (ich selbst habe es einmal angesehen, Und hörte von zwei anderen Fällen), so werden niemals Stuten geschickt, sondern die dürftigsten Hengste zu diesem Zwecke ausgelesen, die noch immer anderwärts für wirkliche Schönheiten gelten. 'Abd-Allah, Sa'üd, uhd Mohammed halten ihre Pferde in besonderen Ställen, deren jeder etwa Hundert enthält. Nach vielen Fragen und Bemerkungen kam ich und mein Reisegefährte zu dem Schlüsse, dass die Gesammtzahl der Pferde in Neged nicht über fünf Tausend betragen kann, und vielleicht diese Zahl noch nicht erreicht. Der Umstand, dass hier die Zahl derer welche auf Pferden reiten in einer Armee ganz unbedeutend ist, im Vergleich zu denen, welche auf Kamelen reiten, kann als Bestätigung angeführt werden, namentlich da in Neged die Pferde ausschliesslich für Krieg und Parade gebraucht werden, während alle Arbeit mit Kamelen, zuweilen mit Eseln ver richtet wird. 96 Ueber den vertraulichen Verkehr der Araber, insbesondere der Beduinen, mit ihren Stuten sind hübsche Geschichtchen erzählt worden; wie das Füllen bei seiner Geburt von den dabei Stehenden mit den Händen aufgefangen wird, damit es nicht auf den Boden fällt, wie es mit den Kindern des Hauses spielt, mit seinem Herrn isst und trinkt, wie er es pflegt, wenn es krank ist und das Thier ihm bei Gelegenheit dieselben Dienste leistet. Das arabische Pferd ist allerdings ein ungleich sanfteres und im Allgemeinen klügeres Thier als die im Stalle aufgezogenen Pferde in Europa, was allerdings nicht anders sein kann. In enger Berührung mit dem Menschen und sich eines freien Gebrauchs seiner Sinne und Glieder erfreuend, kann das arabische Pferd alle guten Eigenschaften des Instinkts und guten Blutes frei entwickeln. Sicher aber würde ein Araber sein Pferd über die Nase hauen, wenn es sie in seinen Topf stecken wollte und eben so sicher wird er nicht die Dienste einer Hebamme bei seiner Stute versehen. Ich will nicht sagen, dass die hübschen Geschichtchen, welche von einem Buche in das andere gehen, nicht hie und da vorgekommen sein können, ich aber habe nie etwas dergleichen gesehen oder gehört. Nach einer köstlichen Stunde, die ich zwischen diesen Thieren auf- und abgehend verbrachte, untersuchte ich die fragliche eisengraue Stute, sah eine andere, die nicht fressen wollte, verordnete etwas, das, wenn es nichts nutzte, sicherlich nichts schaden konnte, und verliess dann nicht ohne Bedauern die Ställe, welche ich später noch öfters besuchte. Wenn wir weiter nach Osten und über die südlichen Grenzen des Towejk kommen, finden wir, dass die arabische Rasse schnell bedeutend an Schönheit und Vollkommenheit, Grösse und Kraft abnimmt. »7 Die Thiere der einheimischen Rasse, welche ich in 'Oman sah, hatten grosse Aehnlichkeit mit den „Tattoes" in Indien; aber in dem östlichen Winkel Arabiens wird der Mangel an Pferden einigermassen durch die Dromedare dieses Landes ersetzt. Die negedäischen Pferde sind besonders wegen ihrer Schnelligkeit und Ausdauer berühmt; in letzterer Beziehung namentlich kommen ihnen keine anderen gleich. Vierundzwanzig Stunden unterwegs zu sein, ohne zu trinken und ohne zu erschlaffen, ist sicher etwas; aber derselben Enthaltsamkeit und Kraftanstrengung unter dem brennenden arabischen Himmel achtundvierzig Stunden in einem Zuge fort, sind nur Thiere dieser Rasse fähig. Ausserdem haben sie eine Zartheit, ich kann nicht sagen des Maules, denn sie werden gewöhnlich ohne Gebiss und Zaum geritten, sondern der Fühlung mit Knie und Schenkel und gehorchen auf den leisesten Druck und auf die Stimme des Reiters, bei weitem besser als unsere noch so kunstvoll zugerittenen Schulpferde. Ich habe manches Pferd, vom Besitzer aufgefordert, ge ritten, ohne Sattel, Zügel oder Steigbügel, in vollem Gallop, herumgeworfen, mitten im schnellsten Laufe stehen lassen, Alles, ohne die geringste Schwierigkeit oder den geringsten Mangel an Correspondenz zwischen den Bewegungen des Pferdes und meinem eigenen Willen; der Reiter fühlt sich auf dem Rücken dieser Thiere selbst als die Hälfte eines Centauren, nicht als ein besonderes Wesen. Dies kommt hauptsächlich von dem arabischen System des Zureitens, welches dem europäischen bei weitem vorzuziehen ist und das Pferd ungleich gefügiger macht. Schnelligkeit allein bei einem Pferde, ohne diese Eigenschaften, wird auch wenig geschätzt, da sowohl bei einem ara- bischen Wettrennen, als bei Verfolgung und Flucht im Kriege, Kreuz-sprünge bei weitem mehr in der Regel sind, als geradeaus reiten wenigstens eine Strecke weit. Dieselbe Dressur ist auch für das Gerid sehr nöthig, diesem Turnier des Orients, welches sich in Neged in nichts von dem in Syrien und Aegypten gewöhnlichen unterscheidet ausser dass der Palmenstock oder Gerid selbst etwas leichter ist. Ich muss hinzufügen, dass auf den steinigen Plateaus in Neged die Pferde immer beschlagen werden, das Hufeisen ist aber plump und schwer; der Huf wird sehr schlecht beschnitten und das Eisen immer mit sechs Nägeln angeschlagen. Wäre das Horn nicht so vortrefflich, so würde auf diese Weise manches schöne Pferd lahm gemacht werden. 98 Während wir in 'Abd-Allahs Gunst immer höher stiegen und bald seinen Pferden, bald seinen Dienern etwas eingaben, liess sich Mahbüb, durch die Lobreden seines Vaters Gauhar bewogen, so weit herab, uns einen Besuch zu machen. Die Höflichkeit hätte allerdings verlangt, dass wir ihn zuerst besuchten, wir hatten dieses aber bisher aus Vorsicht absichtlich unterlassen. — Der Premier - Minister Mahbüb, und was für ein Premier! Zum Glück hatte mir 'Abu-'Ejsa schon oft genug das Portrait seiner Excellenz entworfen, so dass ich ihn, als er eintrat, nicht verkennen konnte; mein Gefährte Barakät aber wollte kaum glauben, dass die Person, welche er vor sich hatte, wirklich die Säule von Neged und des ganzen wahhabitischen Reiches sei. Von einer georgischen Sklavin geboren, welche Fejsal bei seiner ersten Thronbesteigung von 'Abbas-Pascha als Geschenk erhalten hatte, hatte Mahbüb, jetzt etwa fünfundzwanzig Jahr alt, ein so knabenhaftes, unnegedäisches, unarabisches Ansehen, dass ich ganz erstaunt war. Sein Vater ist Gauhar, unser schwarzer Patient — nämlich sein legaler Vater, denn so weisse Gesichtsfarbe, schlichtes Haar, blaue Augen, symmetrische Glieder können keine Schwarzen zum natürlichen Vater haben, wenn nicht Alles, was ich in Büchern über diesen Gegenstand gelösen und was ich selbst beobachtet habe, falsch ist. Die Sache verhält sich so: während officiell Gauhar als der Vater des Premierministers gilt, weiss doch Jedermann, hoch oder niedrig, dass Fejsal selbst ein besseres Recht auf diesen Titel hat. Der junge Mann ist gewandt, daran lässt sich nicht zweifeln; eben so wenig lässt sich leugnen, dass es ihm nicht an Muth und Entschlossenheit fehlt. Geschmack an allgemeiner Literatur und Trieb 99 zum Forschen, die auf kaukasischen Ursprung deuten, lassen sich auch an ihm bemerken. Aber Eitelkeit, Leichtsinn, übermässiger Stolz, despotische Grausamkeit und eine gewisse Leichtfertigkeit der Sitten, die ganz mit dem in Riad üblichen Ernste in Widerspruch steht, sind ihm in eben so hohem Grade eigen, und kein Wunder, wenn man seine Herkunft und Erziehung im Palaste in Betracht zieht. Dabei aber besitzt er einen freien männlichen Anstand, Selbständigkeit in Gedanken und Manieren, Bestimmtheit des Ausdrucks, selbst eine gewisse Herzlichkeit, die man bei den Negdäern seiner Umgebung in der Regel nicht findet; Eigenschaften, hinter denen seine Fehler zurücktreten und die er sicher mehr von seiner Mutter, als von seinem Vater hat, mag derselbe sein wer er wolle. Dazu kommt noch, dass er sehr hübsch, beinahe schön ist, ein vollkommener Georgier. Geistig und körperlich so ausgestattet, leitet dieser Halb-Kaukasier, in einem Alter, in welchem unsere Jünglinge oft noch auf den Schulbänken hocken, den alten Tyrannen von Ne£ed wie ein Kind herum, begegnet dessen schrecklichem Sohne wie einem Untergebenen, commandirt Höflinge , Häuptlinge und Zeloten, und hält die Geschicke von mehr als der Hälfte der arabischen Halbinsel in seinen Händen. Mahbübs erster Besuch zeigte uns sein ganzes Wesen. Wenig Ceremonie, viel Vertraulichkeit, die zweite Frage schon gethan, ehe die erste beantwortet war, Alles schnell besehen — Bücher, Arzneien, Kleider und was sonst da war, — schnell eine Tasse Kaffee getrunken, ein Wort von Ermuthigung und Beschützung, ein acht europäischer Händedruck und ein Lebewohl auf Wiedersehen. 'Abu-'Ejsa, dessen Hauptstütze bei Hofe kein Anderer war als Mahbüb, und dessen Geschick gegenwärtig mit dem unsrigen verflochten war, wünschte sehr, dass dieser ersten Zusammenkunft eine genauere Bekanntschaft folgen möchte, und mir selbst lag nicht wenig daran, eine so aussergewöhnliche und zugleich so wichtige Persönlichkeit mit Müsse genauer kennen zu lernen. Ich erwiderte daher schon am nächsten Tage den Besuch und 'Abu-'Ejsa begleitete mich. Wir fanden Mahbüb in Gauhars Diwan sitzend. Er zeigte gegen 'Abu-'Ejsa ganz die Vertraulichkeit eines alten Protektors und liess auch mir einen guten Theil davon zukommen. Diesmal aber ging er mit seinen Fragen weiter und tiefer als gestern, und ich konnte bemerken, dass der Minister mir die Ehre, erwies, mir eine der seinigen ähnliche Herkunft zuzuschreiben , da er mich für einen von einer 100 Georgierin oder Circassierin gebornen Aegypter hielt. Eine solche Voraussetzung hatte in Riad eine besondere Tragweite und nicht geringen Einfluss auf die folgenden Ereignisse. Aegypten war für Neged bald ein Freund, bald ein Feind gewesen, als letzterer gefürchtet, als ersterer beargwöhnt, und nicht ohne Grund. Gegenwärtig mehr Argwohn herrscht als Furcht, doch sind beide vorhanden. Von Persien hat Neged wenig zu fürchten, die Heere des Schah möchten kaum über den Meerbusen kommen; auch von Constantinopel ist kein direkter Angriff zu erwarten, denn die türkischen Truppen würden an den zwischenliegenden Sandwüsten ein unüberwindliches Hinderniss finden, und im Fall eines Angriffs wahrscheinlich nur in sehr geringer Zahl nach Gebel Towejk gelangen. Was entferntere Nationen anbelangt, so sind sogar deren Nameü, mit Ausnahme einer einzigen, in nebelhaftes Dunkel gehüllt und häufige Erfahrung, wenn auch nicht ihre eigene, so doch die ihrer Nachbarn, hat die Negedäer gelehrt , dass einem Blitze im Westen selten ein gefährliches Wetter folgt. Nur der persische Meerbusen, der einen Weg in das indische Meer öffnet, und so die Küstenlinie des Wah-habitengebietes in nähere Berührung mit dem Reiche bringt, in dem die Sonne nie untergeht, verursacht Fejsal eine gewisse, nicht zu verargende Besorgniss vor denen, die zuerst Kaufleute waren und endlich die Eroberer und Beherrscher Indiens geworden sind. Aber eine nähere und beständige Ursache der Furcht ist Aegypten. Was einmal da gewesen ist, kann wieder kommen; das Banner des heiligen Georg kann möglicher Weise einmal an der Küste wehen, aber die siegreichen Fahnen Aegyptens haben bereits in den Winden des Wadi-Hanifah geflattert. Ein Aegypter, sei er Arzt, Pilger oder Kaufmann, wird daher in Riad mit einer gewissen Achtung und noch mehr mit Verdacht betrachtet, als einer, mit dem nicht zu spassen und dem man nicht trauen darf, als ein gefährlicher und unwillkommener Gast dessen man sich nicht so leicht auf eine Weise entledigen kann, die man zuweilen gegen Andere in Anwendung bringt. Mahbüb war im Innern überzeugt, dass wir in der That mehr oder weniger Spione wären, welche die ägyptische Regierung wegen des Krieges mit Kasim und der Belagerung von 'Onejzah in das Land geschickt hatte. Der Weg, auf dem wir gekommen, die Bücher in unserm Besitze, der Umstand, dass wir höhere medicinische Kenntnisse besassen, meine Aussprache des Arabischen, dies alles konnte wohl auf eine solche Vermuthung führen. Zwar sprach Mahbüb seinen Verdacht nicht gerade mit vielen Worten aus, allein es war nicht 101 schwer, seinen Gedankengang zu erkennen. Dazu kam noch, dass Mohammed, der jüngere Bruder 'Abd-el-Latifs, eine ungeheure Lüge ausposaunt hatte, dass er mich in Aegypten persönlich gekannt und meine ganze vorhergehende Geschichte und gegenwärtige Absichten kenne; eine Reihe von Fictionen, die leicht widerlegt, deren Eindruck aber nicht so leicht auszulöschen war. Nach dieser ersten Zusammenkunft in Gauhars K'häwah öffnete mir Mahbüb das seinige und ich brachte in den folgenden Tagen oft mehrere Stunden daselbst" zu. Seine Bibliothek war die reichste, welche ich in Arabien gesehen habe; sie enthielt die Werke mancher bekannten Dichter, unter andern des Ebn-el-'Atihijah, Motenebbi, Abu-l-'Ola, der Diwan des Hariri, die Hamasa und andere Werke der klassischen arabischen Literatur; neben diesen waren Abhandlungen über Gesetz und Religion von Mälekitischen und Hanbelitischen Schriftstellern, Commentare zum Koran, Reisebeschreibungen, geographische Schriften, welche die Welt in sieben Regionen theilen, unter denen Arabien natürlich die erste und grösste, und dergl. Am meisten interessirte mich eine handschriftliche Geschichte des Wahhabitenreichs, der ein allgemeiner Abriss der arabischen Geschichte vorausgeschickt war. Der vorislamische Theil hatte grosse Aehnlichkeit mit Abu-l-Feda's Geschichte und war vielleicht aus dieser abgeschrieben. Die Geschichte den Zeit zwischen den Kriegen des Khälid-ebn-el-Walid und dem Emporkommen der Dynastie Sa'üd bezog sich nur auf Neged, der Inhalt ist zum grössteu Theile schon in diesen Blättern mitgetheilt worden oder wird bei Gelegenheit noch folgen; Rechnungsbücher, Musterrollen, of-ficielle Correspondenzen und dergleichen lagen in einem grossen Nebenzimmer aufgespeichert, dessen Flügelthüren gewöhnlich offen standen, so dass ich manchen Blick in die Documente thun konnte. Die am Ende des vorhergehenden Kapitels gegebenen Notizen sind zum grössten Theil ein Auszug aus diesen Papieren. Mahbüb machte durchaus keine Schwierigkeit, mich Bemerkungen machen oder ganze Stellen abschreiben zu lassen, nur bedauere ich, dass viele meiner Ex-cerpte bei späteren Unglücksfällen meiner Reise zu Grunde gegangen sind. Der erste Minister versprach viel und that auch Manches. Er sorgte dafür, dass wir täglich vom Palaste aus mit Allem, was Nege-däischer Luxus bot, versorgt wurden — Fleisch und Kaffee — ausserdem machte es mir ein hübsches Geschenk an Geld, welche sich annahm, 102 in der Hoffnung dadurch seinen Argwohn ein wenig beschwichtigen zu können. Sein Auge aber ruhte beständig auf mir mit dem ruhelos unbefriedigten Ausdrucke eines, der in ein tiefes Wasser hinabschaut nach einem auf dem Grunde befindlichen Gegenstande, den er nicht erkennen kann; aber die Sympathie einer vorausgesetzten Rassenverwandtschaft machte ihn mir freundlich gesinnt. Inzwischen trieben sowohl Mahbüb als 'Abd-Allah aus Herzenlust ihren Scherz mit dem alten Näib, der seinerseits über sie spottete. Da der Perser fand, dass Fejsal seine Angelegenheit ausserordentlich lau betrieb, entschloss er sich, dessen Sohne und Erben einen Besuch zu machen und begab sich, auf das Schönste geputzt, nach dem Palaste des Prinzen. Hier in das K'häwah geführt, fand er 'Abd Allah, der auf seinem Teppich ausgestreckt lag, nach Beduinenweise den Rücken nach Oben gekehrt, ein Kissen unter seinen Elbogen, worauf |er sich stützte, mehr in der Stellung eines Hundes, der, seine Schnauze auf die Vorderpfoten gelegt, einep ansieht. „Willkommen", sagte der gnädige Prinz, als der Gesandte eintrat, diesen zum Sitzen einladend, ohne jedoch seine wenig ceremoniöse Stellung im Geringsten zu ändern. Nachdem er ihn hierauf etwa eine Minute lang angestarrt fragte er, „ist Euer Bart gefärbt?" Ich muss bemerken, dass das Färben des Haares für einen ungesetzlichen Eingriff in die Rechte des Schöpfers gilt. Der Näib antwortete in einem ernsten, doch etwas beleidigten Tone, sein Bart sei allerdings gefärbt, und wie er zu dieser Frage käme. „Weil", antwortete 'Abd-Allah, „wir dieses für sehr unsauber halten"; worauf der Näib trocken antwortete, die Perser seien in dieser Beziehung anderer Ansicht. „Seid ihr ein Sonni, oder ein Schija'i?" war die nächste Frage seiner königlichen Hoheit. Die ohnehin nicht allzugrosse Geduld des Näib war nun zu Ende. „Ich bin ein Schija'i, und mein Vater war ein Schija'i, und mein Grossvater war ein Schija'i, und wir Alle sind Schija'i", antwortete er in einem Tone voller Entrüstung; „aber ihr, 'Abd-Allah, was seid ihr, ein Fürst oder ein Pfaffe?" Dies Alles sprach er in einem gebrochenen Arabisch, bei dem man unmöglich ernst bleiben konnte. „Ein Fürst", antwortete 'Abd-Allah, mit wichtiger Miene. „So, — ich meinte nur nach Euren Fragen, dass ihr ein Pfaffe wäret, wenn ihr das wirklich seid, so geht in die Moschee, das ist der Platz, nicht der Palast, wo einer hingehört, der so spricht, wie ihr." 'Abd-Allah lachte laut auf .und brachte eine Entschuldigung vor, die noch schlimmer war als der los Fehler, indem er vorgab, dass ihm diplomatischer Gebrauch und die einem Gesandten schuldige Achtung unbekannt seien, worauf er ein anderes Gespräch anfing. Die ganze Sache war aber keineswegs wirkliche Leichtfertigkeit oder Ungeschick von Seiten des Negedäers, sondern wohlüberlegte Grobheit, um den Näi'b auf den Punkt zu bringen, wohin man ihn haben wollte, zu dem von Fejsal und seinem Sohne bereits beschlossenen Handel. Der Näib kam in Wuth gegen den Beduinen und 'Abu-'Ejsa hatte grosse Mühe, ihn zu verhin- dem, dass er die Hauptstadt nicht noch an demselben Tage in einem Anfalle plötzlichen Zornes verliess. Mit Mahbüb, dem der Näib manche förmliche Besuche machte in der Hoffnung, dessen Einfluss bei dem alten Könige zu gewinnen, ging es ihm nicht viel besser und auch von diesem musste er manche absichtliche Grobheit über Perser und Schija'i hinnehmen. Die Schija'i haben unter andern eine ausserordentliche und abergläubische Ehrfurcht vor geschriebenen Namen heiliger Personen und halten eine absichtliche Zerstörung solcher Worte für ein entsetzliches Verbrechen. Einmal, als der Näib im Diwan zugegen war, erhielt Mahbüb einen Brief, auf welchem obenan die gewöhnliche Formel „im Namen Gottes" stand. Der Minister las den Brief, riss ihn dann in der Mitte durch und warf ihn in das auf dem Herde brennende Feuer, wie sehr auch der Näib bitten mochte, einen solchen Frevel zu unterlassen. Aber es kam noch schlimmer. Der Schiräzi hatte einen silbernen Becher von persischer Arbeit mit, auf dem die den Persern besonders heiligen Namen Mohammed, Ali, Fatimah, Hasan und Hosein am Rande sehr schön eingegraben waren. Diesen brachte er eines Tages mit in den Palast, um ihn bewundern zu lassen. Mahbüb nahm den Becher in die Hand, drehte-ihn herum und rief, als er die Buchstaben am Rande sah, aus, „was ist das für eine abscheuliche Inschrift!" und warf das Kunstwerk auf den Boden. Wie dem Näib dabei zu Mutbe war, kann man sich besser vorstellen als beschreiben. In den ruhigen Abendstunden, die wir oft in den kühlem oberen Gemächern des Näib zubrachten und bei seinen Narghiles über die Ereignisse des Tages sprachen, hörten wir alle solche Vorkommnisse aus seinem eigenen Munde, zuweilen in verstümmeltem Arabisch, zuweilen in zierlichem Hindustani. Ein komisches Ereigniss, das um diese Zeit vorfiel, brachte die ' Sache, so zu sagen, zu einer Krisis. Ich habe bereits gesagt, dass des Morgens und Abends die Namen aller derer, die beim Gebet in den Moscheen zugegen sein sollen, aufgerufen und die fehlenden er mahnt werden in Zukunft regelmässiger zu erscheinen. Natürlich kümmerte sich weder der Näib und seine Leute als Schija'i, noch ich und Barakät, als Christen, uns sehr um den Besuch des wahhabitischen Gottesdienstes. Eines Morgens kam der Zelot, welcher die Aufsicht über die Moschee hatte, zu welcher unser Stadtviertel gehörte, auf den Einfall, dass wir, um kein Aergerniss zu geben, ebenso gut wie die rechtgläubigen Moslims verpflichtet seien, die Versammlungen der Gläubigen zu besuchen. Unsere Namen, und ebenso die des Näib und seines Gefolges wurden also in der Moschee mit vorgelesen, aber Niemand antwortete. Der entrüstete Zelote sammelte nun eine fromme Bande, die mit Stöcken und Prügeln bewaffnet kurz vor Sonnenaufgang vor unserer Thüre erschien, welche ihm bei seinem Rundgange gerade die nächste war. Zum Glück war die Thüre von Innen verriegelt, denn Barakät, 'Abu-'Ejsa und ich selbt sassen, anstatt bei Gebet und Abwaschungen, bei einer Tasse vorzüglichen Kaffees und rauchten unsere Morgenpfeife. Als 'Abu-'Ejsa klopfen hörte, sagte ihm sein böses Gewissen sogleich, was dies zu bedeuten habe, er erschrak, denn er wusste aus Erfahrung, das mit wahhabitischem Fanatismus nicht zu scherzen ist. Ganz blass vor Angst, bat er uns auf den Ruf keine Antwort zu geben, sondern uns in einem hintern Zimmer zu verbergen. Barakät hingegen, mit dem ganzen Muthe eines Zahlawi, war entschlossen, der Gefahr ins Auge zu schauen, ging gerade auf die Thür zu, öffnete sie schnell, trat heraus und schloss eben so schnell wieder hinter sich zu, ehe die Besucher eintreten konnten. Nun erhob sich auf der Strasse folgendes Gespräch: „Warum kommt ihr nicht zum Morgengebet?" „Wir haben wohl gebetet; meint ihr denn? dass wir so gottlos sinif?" „Warum antwortet ihr nicht, wenn eure Namen aufgerufen werden?" fragte der Zelote weiter, welcher nach der Antwort, welche er auf die erste Frage erhielt, vermuthete, dass wir in der Moschee gewesen sein müssten. „Wir meinten, dass dies eine besondere Ceremonie für euch Wahhabiten sei, die uns als Fremde nichts anginge; wie können wir alle 105 eure Sitten kennen?" antwortete Barakät, ohne in Verlegenheit zu kommen. „Wer stand euch zur rechten Hand, als ihr euer Gebet verrichtet ?" fragte Inquirent weiter, der noch immer nicht ganz überzeugt war. „Irgend ein Beduine; wer kann alle Beduinen in Riad kennen?" antwortete mein Gefährte. „Und wer stand zu eurer Linken?" „Die Wand." Das Letzte wurde mit einem solchen Ausdruck von Unschuld und Unbefangenheit gesagt, dass die Bande nicht wusste, was sie thun sollten. So Hessen sie denn, als gute Araber, den Zweifel uns zu Gute kommen und gingen weiter, nachdem sie uns noch ermahnt, unseren religiösen Pflichten regelmässiger nachzukommen. „Wenn Gott es will", war die vieldeutige, aber orthodoxe Antwort. Von unserer Thür zog die heilige Schaar vor die des Nä'ib. Auf ein donnerndes Gepolter antwortete hier sogleich 'Ali, der jüngste Diener, der schneller als man erwartete, die Thür weit aufriss. Keine Schonung für Perser: „werft sie nieder, schlagt sie, klopfet ihnen den Pelz aus!" schrie es von allen Seiten, und die vordersten legten Hand an den erstaunten Schija'i, um ihm die gesetzliche Strafe zu ertheilen. Aber 'Ali war ein derber Bursch und nicht so leicht zu überwältigen; er entriss sich ihren Händen und rannte schnell in das Innere des Hauses, seinen altern Bruder Hasan rufend. Dieser kam heraus, mit einem Pistol in jeder Hand, während 'Ali einen Säbel ergriffen hatte, den er fürchterlich schwang; der alte Nä'ib, aus dem Schlafe aufgeschreckt, lehnte über das Treppengeländer und schrie und schimpfte auf Persisch was er konnte. Die Zeloten wandten um, ergriffen in Verwirrung die Flucht und 'Ali und Hasan rannten ihnen, mit Säbel und Pistolen in den Händen, die halbe Strasse entlang nach und trieben sie" mit Stössen und Hieben vor sich her, dass einer über den andern purzelte. Der Nä'ib kleidete sich sogleich an und ging in den Palast, um sich über die Verletzung seines Hausrechts zu beschweren und Protest einzulegen gegen die Absurdität, ihn zum Besuch des Gottesdienstes zwingen zu wollen. Wir hielten nicht für nöthig, ihn zu begleiten, da bei uns die Sache noch ziemlich gut abgelaufen war. Abu-'Ejsa aber, der mit dem Nä'ib gegangen war, führte auch für uns das Wort. Die Folge war, dass ein königlicher Befehl erging, der den II. 6 Zeloten untersagte, sich weiter um uns und unser Treiben zu küm-lonmern; und um die Sache einigermassen wieder gut zu machen, wurde dem persischen Gesandten fortan im Palaste von Mahbüb und dessen Leuten mit etwas mehr Rücksicht begegnet. Nachdem er länger als einen Monat auf alle erdenkliche Weise hingehalten worden war sagte ihm Abu-'Ejsa endlich gerade heraus, was er ihm schon mehr als einmal angedeutet hatte, aber ohne Erfolg — dass in der wahhabitischen Hauptstadt Geld, und nur Geld allein, die Sache in Gang bringen könne, und wenn er eine schnelle Erledigung seiner Angelegenheit wünsche, er nur ein ansehnliches Gebot zu machen brauche, dann würde Alles gut gehen. Mohammed 'Ali war, wie die Perser in der Regel, ein Geizhals; es blieb aber kein anderer Weg. Am nächsten Morgen ging die doppelläufige Büchse an 'Abd-Allah, die Theemaschine an Mahbüb; ein schöner Rubin fand seinen Weg in Fejsals Kabinet; ich glaube, selbst die schöne Königstochter, der weibliche Kabinetssecretär, erhielt ihren Antheil an Geschenken. Die Wirkung war zauberisch. Unverzüglich wurde ein grossartiges Entschuldigungsschreiben wegen „früherer Unfälle" an den Schah aufgesetzt, und von Fejsal unterzeichnet, in welchem alle Schuld an dem, was der Karawane zugestossen war, auf den unglücklichen Abu Botejn geschoben wurde, der jetzt bei den „Ungläubigen" in 'Onejzah als Flüchtling sei; sobald ihn aber Gott würde der Rache der Gläubigen ausgeliefert haben, sollte der Schuft in Ketten nach Teheran geschickt werden, um sich vor seiner Persischen Majestät zu verantworten, wenn er nicht, wie man hoffen könne, vorher getödtet würde. Kein Wort von Mohanna. Kein Wort (ich habe das Dokument selbst gelesen) von Ersatz, ausser, was x\bu-Botejn wieder herausgeben sollte — wenn nämlich der Fuchs erst gefangen war. Endlich, um dem Nä'ib das Maul zu stopfen und dringenden Vorstellungen über die Plünderung seines Gefolges zuvorzukommen, wurden ihm einige Geschenke gemacht. Ein ziemlich altes Pferd, das in Bombay vielleicht zweihundert Rupien werth war, ein Kamel, wie man in Neged für sechs bis sieben Rial (etwas weniger als zwei Pfund Sterling) haben kann, drei oder vier Oberkleider aus Hasa, und nicht 107 von der ersten Qualität, wurden dem Cerberus hingeworfen und gierig verschlungen. Der Nä'ib verstand sich weder auf Pferde noch auf Kamele, auch die Röcke waren etwas Neues für ihn und er glaubte, dass man ihm das Beste seiner Art gegeben hätte. Dafür gab er sein Wort, dass die persischen Pilger nach wie vor ihren Weg durch Neged nehmen und dafür auch bezahlen sollten. Es war ein schmutziges Geschäft von Anfang bis zu Ende und machte weder dem handelnden Sultan von Neged und seinen Untergebenen Ehre, noch dem Perser, der die Rechte seiner Landsleute und die Interessen seiner Regierung für ein altes Pferd, ein schlechtes Kamel und ein Paar abgetragene Röcke verkaufte. Als Zulage zu diesen Manövern verschaffte sich Abu 'Ejsa für sich selbst ein königliches Patent, wodurch er zum alleinigen und obersten Führer für alle Pilgerzüge ernannt wurde, die in Zukunft von der persischen Küste nach Mekka gehen würden; was wenigstens den Vortheil hatte, dass den unglücklichen Schtjä'is unterwegs eine gute Behandlung zu Theil wurde, und unser Freund in Besitz von Einnahmen gelangte, welche ihn in Stand setzten, den Aufwand, an welchen er gewohnt war, fortzusetzen. Mohammed 'Ali musste sich nun noch entscheiden, auf welchem Wege er nach Meschid und von da nach Bagdad und Teheran zurückkehren wollte. Der Winter war im Anzüge, und der Landweg, der hauptsächlich durch sehr hochgelegene Gegenden führt, konnte ziemlich kalt werden, selbst in Arabien. Diese und andere triftige Gründe hätten ihn bewegen können, den leichteren und wärmern Weg über Hasa und von da zu Schiffe im persischen Meerbusen und dem Schatt-el-'Arab aufwärts nach Meschid 'Ali, den ermüdenden Wegen über die Gebirge von Sedejr, Zalphah und das Hochland vorzuziehen. Aber Mohammed 'Ali war ein frommer Schija'i und als solcher musste er erst das Schicksal befragen und die Perlen seines Rosenkranzes zählen. Dreimal bedeutete ihm seine Zählung die vom Himmel gesandte Warnung, nicht jenen, sondern den letztern Weg zu wählen, was er denn auch that, mit vielem Zeitverlust und doppeltem Aufwand an Geld und Mühe. Meine Leser wissen vielleicht (und wenn nicht, so mag es hier bemerkt sein) dass ein Perser, und überhaupt ein Schija'i, auch wenn er kein Perser von Geburt, nichts thun kann, nicht einmal eine Tasse Kaffee trinken oder eine Narghile anzünden, ohne vorher durch Zählung der Perlen seines Rosenkranzes das Schicksal zu befragen; eine lächerliche Sitte, welche die Wahhabiten mit Recht verwerfen, deren Hass gegen Magie, Zaubersprüche, Zaubermittel und was sonst dahin gehört, sich auch auf Divination und Omina aller Art, Traumdeutung, ios glückliche oder unglückliche Tage u. dgl. ausdehnt; ich freue mich, dass ich den Wahhabiten wenigstens in dieser Hinsicht ein gutes Zeugniss geben kann. In der letzten Woche des November, unmittelbar vor unserer Abreise, brach Mohammed 'Ali mit seinem ganzen Gefolge nach Sedejr auf, und im folgenden Frühjahr hörte ich zu meinem Vergnügen in Bagdad, dass er das Ziel seiner Reise glücklich erreicht hatte. Die beiden Bettler aus Mekka, die uns von Hä'jel hieher begleitet hatten, erhielten jeder ein Hemd und zwei Rials. Mit diesem reichen Geschenke ging der eine nach Basra, wo er sich für einen Sej'jid ausgab und einen grossen Turban trug, der andere wendete sich nach Westen, und ging — ich weiss nicht wohin. Jetzt aber wollen wir den Faden unserer Erzählung wieder aufnehmen. Während dieser vierzig Tage wurden in Neged sehr ernstliche Vorbereitungen zu einem entscheidenden Schlage gegen 'Onejzah getroffen. Bisher hatte man nur kleine Heeresabtheilungen gegen diese Stadt entsandt, die hauptsächlich aus Leuten von 'Afläg und Sedejr, Zalphah und Schakra' bestanden, nebst einigen Kriegern aus 'Aared und Jemämah, welche den Muth der übrigen aufrecht erhalten sollten unter dem Befehl eines Jüngern Sohnes Fejsals. Der Plan des wahhabitischen Kriegsraths war der, durch gelegentliche Angriffe, die mit einer halben Blokade verbunden waren, den Feind erst zu schwächen, und dann die ganze Macht des mittlem und südlichen Neged nebst der grossen östlichen Provinzen heranrücken zu lassen. Der zum entscheidenden Schlage bestimmte Zeitpunkt rückte jetzt heran und Jemämah und Harik erhielten Befehl, ihr Contingent zu schicken, Solej' und Dowäsir wurden aufgerufen, ihre Milizen zu senden, die Truppen von Hasa, die Artillerie von Katif rückte heran, und mit dieser zugleich die gefürchteten Schaaren von 'Aared selbst, um das Belagerungsheer zu vervollständigen. Welche Hoffnung blieb nun noch einer vereinzelten Stadt, wenn sie auch noch so fest war, gegen eine solche Concentration der belagernden Macht. Zämil und seine Anhänger fühlten, dass ihr Untergang nicht nur beschlossen, sondern sicher sei. Sie hatten keine Hoffnung mehr auf den Scherif von Mekka, und Aegypten war für sie, wie einst für Israel, ein schwankendes Rohr. Sie sandten nun unterwürfige, ja 109 flehende Briefe an Fejsal, versprachen Bündniss, Tribut und Gehorsam, erneuerten ihre Betheuerung der Orthodoxie, appellirten an die Verbrüderung durch den Islam und legten endlich dem Sultan von Neged ans Herz, dass er alle Drangsale des Krieges und einer im Sturm genommenen Stadt vor dem Richterstuhle Gottes verantworten müsse. Fejsal wurde bewegt und hätte gern eine Unterwerfung angenommen, die so demüthig erbeten wurde und deren Verwerfung eine so schreckliche Verantwortung nach sich ziehen musste, aber Mahbübs politischer und 'Abd-Allahs kriegerischer Ehrgeiz und der Fanatismus der Zeloten drängten den alten schwankenden Monarchen zu unnachlässlicher Strenge, welche der Prophet in dem berühmten Kapitel des Koran befohlen hat, das die Ueberschrift „ die Reue" führt, welches aber, wie schon Abu Bekr bemerkt hatte, richtiger „Rache" genannt werden sollte. Im Palaste wurden lange Berathungen gehalten und endlich Fejsals Ultimatum abgesandt. „Gebt Zämil, El-Khej'jät und die übrigen Rädelsführer heraus, dann, aber nicht eher, will ich über den Frieden verhandeln", lautete das Dokument. Der Tod war den Bewohnern von 'Onejzah weniger schrecklich als solche Bedingung, und es erfolgte keine Antwort. Ich selbst habe, durch Vermittelung Mahbübs, den Brief von 'Onejzah so wie Fejsals Antwort gesehen, obwohl ich natürlich bei den Berathungen keinen Zutritt hatte, über die ich nur nach dem, was ich hörte, berichten kann. 'Abd-Allah machte kein Geheimniss aus seiner Freude und bereitete sich zu einer schnellen Abreise. Fejsal schickte mittlerweile Befehle an seinen zweiten Sohn Sa'üd, die Truppen von Harik heranzuführen und seinem altern Bruder in Riad zu übergeben, dessen specielles Amt als Gouverneur der Hauptstadt er, Sa'üd, während dessen Abwesenheit übernehmen sollte. Sa'üd kam sehr bald, mit etwa zweihundert Mann zu Pferde, die übrigen, mehr als zweitausend, ritten auf Kamelen. Als sie in Riad einrückten, gab Fejsal zum ersten und letzten Male während unseres Aufenthalts eine öffentliche Audienz am Thore des Palastes. Es war eine Scene für einen Maler. Da sass 110 der alte blinde Tyrann, dick und altersschwach, doch noch immer imponirend, mit seiner hohen breiten Stirn, weissem Bart, nachdenkendem Gesicht, in der einfachsten Kleidung eines Wahhabiten, keinen andern Schmuck oder Auszeichnung als den goldenen Griff seines Schwertes. Neben ihm die Minister, die Beamteten seines Hofes und eine Schaar angesehener und reicher Bürger. 'Abd-Allah, der Erbe des Thrones, allein war nicht zugegen. Sa'üd, reich gekleidet in Kaschmirschal und im golddurchwirkten Mantel, ritt seiner roth gekleidete Reiterschaar voran, welche die Lanzen über die Schultern, die Säbel an der Seite herabhängen hatten; jeder hatte noch eine Muskete . hinten auf dem. Sattel und im Gürtel glänzte der scharfe, in Harik gewöhnliche Dolch. Hierauf kamen die gemeinen Soldaten auf Kamelen oder Dromedaren, einige nur mit Speeren, andere mit Speeren und Flinten bewaffnet, bis der grosse Platz ganz mit Bewaffneten und gaffenden Zuschauern angefüllt war. Als die ganze Truppe vor dem grossen Autokraten vorüberzog und Sa'üd abstieg, sich vor seinem Vater verbeugte und dessen Hand küsste, ertönte von allen Seiten „Gott segne Fejsal! Gott verleihe dem Heere der Moslims. den Sieg!" und alle Gesichter strahlten vor Enthusiasmus und selbst-bewusster Kraft. Fejsal erhob sich von seinem Sitze, liess seinen Sohn an seine Seite treten und ging dann "mit diesem in die Burg, während die Truppen sich zerstreuten und sich in ihre Quartiere begaben, zum grössten Theil in den -Khagik. Ich habe bemerkt, dass 'Abd-Allah nicht zugegen war.; Wie sehr auch der Einmarsch der Truppen ihn erfreuen mochte, da die Erfüllung seiner eigenen Wünsche dadurch näher gerückt wurde, so konnte er doch seine Eifersucht und seinen Hass gegen seinen Bruder nicht so weit unterdrücken, um bei dessen Aufnahme zugegen zu sein. Am folgenden Tage fragte Fejsal, als er mit Sa'üd allein im Privat-Divan sass, diesen, ob er seinen Bruder schon gesehen hätte, und befahl ihm, als dieser es verneinte, 'Abd-Allah zuerst einen Besuch zu machen. „Ich bin der Gast, und er wohnt in der Stadt", entgegnete Sa'üd, „seine Schuldigkeit ist es, zuerst zu mir zu kommen." Fejsal mochte ihm zureden wie er wollte, Sa'üd blieb bei seiner Weigerung. Endlich riss dem alten König die Geduld, und von zwei Negersklaven gestützt, stand er auf um seinen Sohn zu schlagen. „Schlage", sagte Sa'üd, „indem er sich bückte und den Rücken hinhielt, „ich stehe vor dir, aber meinen Bruder werde ich nicht besuchen." Die Sklaven traten jetzt vermittelnd ein, und Fejsal, der sich schämte, dass er sich so weit hatte hinreissen lassen, erlaubte Sa'üd, sich zu entfernen. Einige Stunden später begab sich der alte Monarch selbst in den Palast 'Abd-Allahs, erzählte diesem, was eben vorgefallen, und redete 111 ihm zu, seinem Bruder, wie sich gehöre, den ersten Besuch zu machen. Aber auch der ältere Sohn erwies sich nicht weniger störrisch als der jüngere, obwohl er noch weniger Entschuldigung hatte. Endlich sagte Fejsal, „ich allein bin Schuld, ich habe deinen Bruder schlecht behandelt, er war in seinem Rechte, und wir sind im Unrecht. Der Fehler muss auf irgend eine Weise wieder gut gemacht werden. Komme mit mir in den Palast, und wir wollen ihn zusammen in seiner Wohnung besuchen; dein Besuch wird dann durch den meinigen bemäntelt und die Sache ist ausgeglichen." 'Abd-Allah konnte sich nicht länger weigern ; die üblichen Höflichkeitsceremonien wurden zwischen den beiden Brüdern ausgewechselt, und die Gefahr eines grossen öffentlichen Skandals war so weit vermieden. Mahbüb aber war von Allem unterrichtet worden. „Seht ihr nun, wie die Sache steht?" sagte er zu Fejsal. „Bei Gott, Ihr werdet kaum einmal die Augen zuthun, so wird in 'Aared und Sedejr der Kampf losbrechen." Fejsal seufzte tief; welches Mittel aber, wo die Eifersucht der Mütter, auf die Kinder vererbt, noch durch die Begierde nach einem Reiche verstärkt wird. Sa'üd war noch nicht drei Tage in seiner Wohnung im Palaste, als ein schöner langgewachsener Bedienter mit ausserordentlich höflichem Anstände zu mir kam, um mich zu seinem Herrn zu rufen, der, wie er sagte, an Kopfschmerz oder Zahnschmerz litt, und meiner unverzüglichen Hülfe bedürfe. Als ich bei dem Prinzen eintrat, be-grüsste er mich mit einem herzlichen Willkommen und lachte laut auf, als ich nach seiner Krankheit fragte. „So gesund wie Ihr selbst", sagte er, „ich brauchte nur einen Vorwand, um Euch hieher zu haben"; dann fing er eine freie Unterhaltung an und zeigte grosse Sympathie für Aegypten, oder sprach wenigstens so. So viel ist sicher, dass er ein Todfeind 'Abd-Allahs ist, und, im sichern Vorgefühl eines nicht fernen Kampfes auf Leben und Tod, gern die Unterstützung einer Regierung suchen möchte, die, wie er annehmen kann, seinem ultrawahhabitischen Bruder nicht eben freundlich gesinnt ist. Während der noch übrigen Zeit meines Aufenthalts in Riad liess er mich öfters kommen, und war, in der Meinung, dass ich ein ägyptischer Emissär sei, ziemlich aufrichtig gegen mich, wrodurch er nicht wenig dazu beitrug, 'Abd-Allah gegen mich aufzubringen. 112 Im Anfang ging unsere Sache mit dem Kronprinzen ganz gut und er war un3 günstig gesinnt. Mit der Zeit aber erweckte unser Verhältniss zu ihm hie und da Eifersucht und bei genauerer Betrachtung Verdacht, bis der heitere Himmel sich bewölkte und Anzeichen eines aufziehenden Gewitters erschienen; leider waren wir nicht vorsichtig genug, dieselben gehörig zu beachten und auf unserer Hut zu sein. Ich muss hier, um der Wahrheit willen, mehr als eine Unklugheit erzählen, die, wie ich hoffe, meine europäischen Leser mir leichter verzeihen werden, als Se. königliche Hoheit in Riad. Eines Abends z. B. fragte mich 'Abd-Allah, ob ich ein Mittel geZahnschmerzen wüsste, die ihn zuweilen plagten. Ich schlug ihm eins und das andere vor, die ihm aber nicht gefielen. Endlich liess ich merken, dass es noch ein Universalmittel gebe, welches er aber sehr geheim halten müsse. „Was ist das?" fragte der Prinz neugierig. „Gekauter Tabak auf den Zahn gelegt, und dann eine brennende Pfeife, um die Wirkung im Gange zu erhalten", antwortete ich. Der Wahhabit sagte nichts, aber sein finsterer Blick sprach deutlich genug, und ich fühlte, dass ich zu weit gegangen war. Ein anderes Mal verlangte er, ich sollte dem Befinden seiner Pferde regelmässigere und besondere Aufmerksamkeit schenken. Ich versuchte, aber ohne Erfolg, ihm verständlich zu machen, dass ein Arzt und ein Thierarzt zwei ganz verschiedene Dinge seien; eigentlich freilich fürchtete ich ernstlich, bei seinen Stuten und Füllen einmal einen erheblichen Missgriff zu thun. 'Abd-Allah aber wollte nichts hören bis ich endlich kurz sagte: „Hoheit wollen gnädigst bedenken, dass ich in Ihrer Hauptstadt ein Doktor für Esel und nicht für Pferde bin." Er verstand den Hieb und fühlte sieh nicht eben geschmeichelt, dann lachte er und ging auf einen andern Gegenstand über. Es kommt aber noch schlimmer. Eines Abends waren wir im Palaste und 'Abd-Allah behielt uns, wie oft, bis Mitternacht bei sich, quälte mich mit wissenschaftlichen medicinischen Fragen und verlangte einen vollständigen pharmazeutischen Lehrcursus für seine Person, natürlich ohne Honorar. Ich war schläfrig und müde und hätte mich am liebsten zu Hause schlafen gelegt. Um die Sache endlich zu einem Ausgange zu bringen, liess ich seine Hoheit fragen so viel er wollte, ohne ihm Antwort zu geben. „Woran denkt Ihr?" fragte er. Nach einigen ausweichenden Antworten, sagte ich, ich denke an die Geschichte von Harun-er-Raschid und seinem bekannten Spassmacher und Begleiter Abu-Nowas. 'Abd-Allah, der, wie alle Araber, nichts lieber hörte, als eine Gesclüchte von Königen oder Kalifen, fragte neugierig, was das für eine Geschichte sei. Ich sagte ihm also, der berühmte Kalif hatte die schlechte Gewohnheit, spät in der Nacht zu sitzen, wobei ihm Abu - Nowas Gesellschaft leisten musste, der oft gern zur Ruhe gegangen wäre. Eines Abends sprach Harun immer fort, Abu - Nowas aber sass schweigend, wie in tiefe Gedanken versunken. „Woran denkst du?" fragte der Kalif. „An nichts", antwortete Abu-Nowas und verfiel wieder in Schweigen. Zum zweiten Male dieselbe Frage und dieselbe Antwort. Bei der dritten Frage aber erhob Abu-Nowas sein Haupt, schaute der Majestät von Bagdad gerade ins Gesicht und sagte : „Ich denke an das Thierchen, das weder selbst zur Ruhe geht, noch Andere in Ruhe lassen will." 'Abd-Allah staunte, und wusste im Augenblick nicht, ob er böse sein oder lachen sollte. Endlich aber siegte das Letztere ob. „Ihr könnt gehen", sagte er, und ich empfahl mich. Diesmal aber war er reif, wirklich etwas übel zu nehmen, und der Kadi 'Abd-el-Latif, wie ich später erfuhr, nebst einigen Anderen seines Gleichen benutzten die Gelegenheit, uns bei ihm zu verdächtigen. Die erste Andeutung, welche wir davon erhielten, war merkwürdig genug. Für einen Fremden ist es nicht immer leicht, nach Riad zu gelangen, aber wieder hinaus zu kommen, ist oft noch schwerer. Rei-ueke selber würde sich hüten, diese königliche Höhle zu betreten. In der Hauptstadt von Neged giebt es zwei erprobte Mittel, denen, welchen man nicht traut, den Ausgang zu verwehren. Das erste und einfachste ist, den Missfälligen auf immer den Mund zu verschliessen; wenn aber Umstände die Bande des Todes nicht rathsam erscheinen lassen, so müssen die Bande Hymens und eine feste Niederlassung in Riad gelegentlich an deren Stelle treten^ Auf letztere Weise beschloss 'Abd-Allah uns zu fesseln. Eines Morgens kam ein Bedienter aus dem Palaste zu uns, mit lachendem Gesichte, woraus wir schon sahen, dass er etwas Gutes bringe. Nach mancherlei Fragen über unser Befinden u. s. w. sagte er, 'Abd-Allah glaube, wir möchten vielleicht gern das oder jenes Andere kaufen wollen, und schicke uns hier ein kleines Geschenk. Es war eine schöne Summe, gerade doppelt soviel als das gewöhnliche Zeichen des Wohlwollens, nemlich vier Rials anstatt zwei. Hierauf entfernte sich der Bote wieder. Abu-'Ejsa, der zugegen war, sagte, „Nehmt euch in Acht, da steckt etwas dahinter". An demselben Nachmittage noch liess mich 'Abd-Allah kommen und erklärte mir, nach vielen Lobreden und Versprechungen, er könne nicht zugeben, dass ein so schätzbarer Arzt Riad wieder verlasse, ich müsste nothwendig meinen bleibenden Aufenthalt in der Hauptstadt nehmen , wo es mir an seinem Schutze und allem Andern, was ich wünschen würde, nicht fehlen sollte; er habe bereits beschlossen, mir ein Haus und einen Garten zu geben, nebst passendem Haushalte, und einem hübschen Gesichte, damit ich nicht allein sei. Er schloss mit der Aufforderung, sogleich hinzugehen und zu sehen, ob die neue Wohnung mir gefalle, und sie in Besitz zu nehmen. Ich machte viele und lange Einwendungen, sagte, dass ich einen Winterbesuch an der Küste machen und im Frühjahr wieder zurückkommen würde, versuchte den und jenen Vorwand, aber nichts wollte ziehen; endlich musste ich versprechen, mir das Haus wenigstens anzusehen. Wegen der mir zugedachten Calypso hatte ich einen dem mohammedanischen Gesetz entlehnten Vorwand zur Hand, der sie ausser Frage stellte, dessen Erörterung aber hier zu weit führen würde. Genug, er Hess diesen Vorschlag fallen, das angebotene Haus und Einkommen aber sollte ich durchaus annehmen, und in der That, ich zweifle, ob irgend eine Gesetzgebung in der Welt einen gültigen Vorwand geben kann, ein gutes Einkommen abzulehnen. Er befald also einem seiner Bedienten, mir das Grundstück zu zeigen und ich versprach, ihm am nächsten Morgen eine bestimmte Antwort zu geben. Das Haus war wirklich hübsch, gut gelegen, mit einem kleinen Garten zur Seite, und es liess sich nichts daran aussetzen. Ein wirklicher herumziehender arabischer Arzt würde mit allen fünf Fingern darnach gegriffen haben. Die Frage war aber „sein oder nicht sein", und Schwierigkeiten, die man nicht abwenden kann, muss man gerade anfassen. Bei der nächsten Zusammenkunft erklärte ich 'Abd-Allah, dass ich die Ehre, welche er uns zugedenke, vollständig zu würdigen wisse, 115 dass wir aber schon vorher uns verpflichtet hätten , nach Hasa zu gehen und unser Versprechen nicht weiter hinaus schieben könnten, wir würden aber im nächsten Frühjahr nach Riad zurückkehren, und da er selbst auf der Expedition gegen 'Onejzah von der Hauptstadt abwesend sei, so würden wir doch bis zu seiner Rückkehr aufschieben müssen, unsern bleibenden Aufenthalt hier zu nehmen, wo uns in seiner Abwesenheit leicht manche Schwierigkeiten gemacht werden könnten; kurz, wir könnten den Winter nicht in Neged zubringen, im nächsten Jahre aber würden wir für längere Zeit wiederkehren. Die Weigerung, obwohl nicht geradezu ausgesprochen, konnte nicht anders als unangenehm sein, und 'Abd-Allah war keineswegs damit zufrieden, wenn er sie auch musste gelten lassen. Der Winter rückte jetzt immer näher; es war die dritte Woche im November; ein Gewitter, das erste, welches wir in Ccntral-Arabien erlebten, brachte eine merklich kältere Temperatur für das Wadi Hanifah. Es regnete viel und die Wasserbäche, welche in das Thal hinabströmten, verwandelten die grossen Vertiefungen desselben in zeit- weilige Seen. Keiner dieser Ströme jedoch zeigte irgend eine Disposition, das Meer zu erreichen, noch konnten sie es, denn dieser Theil von Neged ist gegen Osten ganz durch das Towejkgebirge abgeschlossen. Den Bewohnern waren die Regengüsse sehr willkommen, da sie ihnen ein fruchtbares Jahr versprachen, während sie für 'Onejzah weniger günstig waren; meine Leser werden errathen, weshalb. Die feindlichen Heere unter Zämil und Mohammed-ebn-Sa'üd, standen einander gegenüber und wollten eben einen heftigen Kampf beginnen. Als aber das Gewitter losbrach, löschten die angezündeten Lunten aus und beide Partheien waren verhindert loszuschiessen und mussten von dem Kampfe abstehen. Als diese Nachricht nach Riad kam, sagte Abu-'Ejsa zu mir: „Vergesst nicht, dieses bei eurer Rückkehr nach Europa zu erzählen, man kann sich daraus eine Vorstellung machen, wie in Arabien Krieg geführt wird." Die Geschäfte des Nä'ib waren nun beinahe vollendet und Abu-'Ejsa hatte sein Patent in der Tasche. Wir machten uns zum Aufbruch bereit, aber der Tag unserer Abreise aus Neged war noch nicht bestimmt, als ein plötzlicher Ausbruch des königlichen Unwillens unserer Unentschlossenheit ein Ende machte und uns nöthigte, einen schnellen Entschluss zu fassen. Einem meiner Patienten hatte ich ein wirksames, aber gefährliches Mittel verordnet, nämlich Strychnin, worauf eine schnelle und nicht zu verkennende Besserung eintrat. Ich glaube nicht, dass die Gene-116 sung wirklich und dauernd war, dies konnten jedoch die Negedäer, welche nur die augenscheinliche Wirkung sahen, nicht beurtheilen, aber der hohe Rang des Patienten, — er war ein alter Häuptling der Stadt, — zog eine besondere Aufmerksamkeit auf diese Kur. Jedermann sprach davon und die Kunde gelangte bis in den Palast. 'Abd-Allah hatte eben bei Sa'üd seinen erzwungenen Besuch gemacht, und die gegenseitige Eifersucht der Brüder, jetzt durch die Nähe noch gesteigert, wurde wenig oder gar nicht durch die Förmlichkeiten gesellschaftlicher Höflichkeit verhüllt. Intrigue, Verrath, Gewalt brüteten unter den Mauern des Palastes, und Meuchelmord durch Dolch oder Gift würden Niemanden sehr überrascht haben. Auch Mahbüb war jetzt 'Abd-Allah mehr als je verhasst, und der Minister sah sehr wohl ein, dass er nicht mehr sicher sei, wenn der, welchem er so oft ganz ohne alle Rücksicht begegnet war, mit der Zeit in den alleinigen Besitz der Macht gelangte. Er stellte sich also auf Seite Sa'uds und erregte dadurch den Hass und Zorn 'Abd-Allahs nur noch mehr. Die Vornehmen der Stadt, selbst die Fremden, Alle nahmen für einen oder den andern der beiden Brüder Partei, und wenn auch die feindlichen Brüder, so lange der Vater lebte, einander noch nicht offen angriffen, so war doch möglich, dass im Finstern ein verhängnissvoller Schlag geführt wurde. 'Abd-Allah hatte in meinen pharmazeutischen Vorlesungen genug von den giftigen Eigenschaften mancher Arzneimittel gehört, namentlich auch des Strychnin; und obwohl er die Schandthaten europäischer Verbrecher wahrscheinlich nicht kannte, war er doch vollkommen fähig, ein gleiches Verbrechen zu begehen. Die Kur, wenn ich es so nennen darf, von der ich eben sprach, traf etwa auf den IG. November, gerade zu der Zeit, als ich 'Abd-Allahs Anerbieten definitiv ausgeschlagen hatte, und er also nicht recht wusste, welchen Weg er nun einschlagen sollte. Etwa zwei Tage später liess er mich wieder zu sich kommen, drückte sein Bedauern darüber aus, dass wir die Hauptstadt verlassen wollten und bat, wir möchten wenigstens einige Arzneien zum allgemeinen Besten unter seiner Obhut zurücklassen, namentlich das wirksame Arzneimittel, welches jetzt ein Gegenstand der allgemeinen Bewunderung sei. Alles, was ich Uber die Nutzlosigkeit, ja die grosse Gefahr von Pharmacie in unkundigen Händen sagen mochte, wurde als blosser ungenügender Vorwand verworfen. Endlich, da alles Drängen nichts half, sagte der Prinz, auf die übrigen Ingredienzen wolle er nicht bestehen, das Strychnin aber müsse er haben, es möchte kosten, was es wollte. Seine Absicht lag am Tage, und mir konnte natürlich nicht einfallen, ihm, auch nur indirekt, zu seinem teuflischen Beginnen die Hand zu reichen; ich sah aber keinen andern Ausweg, als sein Verlangen bestimmt aber höflich zu verweigern. Ich stellte mich also, als ob ich von seinen Plänen nicht die geringste Ahnung hätte, und bestand nur auf dem gefährlichen Charakter des Alkaloid, bis er die Sache für einen Augenblick aufgab, und ich verliess den Palast. Am nächsten Tage wiederholte er sein Verlangen, aber ohne Erfolg. Am 19ten oder 20sten musste ich noch einmal zu ihm kommen und er erklärte mir, er müsste das Gift durchaus haben, ging sogar so weit, mir zu sagen, zu welchem Zwecke er es brauche, ohne jedoch die Person zu nennen, und erklärte, dass er keine Ausflüchte von meiner Seite mehr annehme. Er sass in diesem Augenblicke am hintersten Eude des K'häwah und ich dicht neben ihm; zwischen uns und den anwesenden Dienern war genug Raum, um zu verhindern, dass sie von der leise geführten Unterredung etwas verstehen konnten. Ich sah mich um, um mich zu versichern, dass mich Niemand hören könne, und da eine gerade Weigerung von meiner Seite keine andere Folge gehabt hätte, als eine ebenso gerade Verwerfung und neues Verlangen von seiner Seite, so wendete ich mich zu ihm um, hob den Rand seines Kopftuches auf und flüsterte ihm ins Ohr: „Abd-Allah, ich weiss sehr wohl, wozu Ihr das Gift braucht, und ich bin nicht gesonnen ein Mitschuldiger Eures Verbrechens zu sein, noch vor Gottes Richterstuhl zu verantworten, was Ihr zu verantworten habt. — Ihr werdet es niemals erhalten." Sein Gesicht wurde buchstäblich schwarz und schwoll vor Wuth; ich habe nie einen so vollkommenen Teufel gesehen. Einen Augenblick war er still, bemeisterte sich aber, änderte dann plötzlich die Stimme und fing an heiter über gleichgültige Dinge zu sprechen. Nach einigen Minuten stand er auf und ich ging nach Hause. 8 Hier hielt ich mit Abu-'Ejsa und Barakät sogleich einen Rath, um zu überlegen, was nun zu thun sei. Dass nächstens ein Ausbruch erfolgen müsse, schien sicher; ihn zu erwarten, war gefährlich, doch konnten wir die Stadt nicht in zu grosser Eile verlassen, auch nicht ohne eine Art von Erlaubniss. Wir beschlossen also noch einige Tage ruhig zu warten, den Hof zu sondiren, in Fejsals Palaste Abschied zu nehmen, ein gutes Wort von Mahbüb zu erhalten (was nicht schwer war), und dann zu entschlüpfen, ohne allzu grosse Aufmerksamkeit auf uns zu ziehen. Aber die Sache sollte noch nicht so ruhig abgehen. Am Abend des 21sten sassen wir noch spät Abends beisammen, sprachen über nöthige Vorbereitungen zur Reise, und tranken Kaffee mit einigen Freunden aus der Stadt, die keine Einwendung gegen eine Pfeife Tabak machten, wofür unsere Wohnung schon seit längerer Zeit berühmt oder berüchtigt war, als ein Klopfen an der Thür uns 'Abd-Allah ankündigte, nicht den Prinzen, sondern seinen Namensvetter und vertrauten Diener. „Was bringt Ihr noch so spät bei Nacht?" sagten wir, nicht übermässig erfreut über die Ehre seines Besuchs. „Der König (so wird in Riad der Thronerbe fast immer genannt) schickt nach Euch, kommt sogleich mit, sagte er kurz. „Soll Barakät auch mit kommen?" fragte ich, mit einem Blicke auf meinen Gefährten. „Der König verlangt Euch allein", antwortete der Diener. „Soll ich meine Bücher mitbringen?" — „Das ist nicht nöthig." „Wartet nur einige Minuten, dass wir Euch eine Tasse Kaffee vorsetzen können." Diese konnte, nach der gewöhnlichen Höflichkeit, nicht abgelehnt werden. Unterdessen fand ich Zeit mit Barakät und Abu-'Ejsa einige Worte zu wechseln. Sie kamen überein, die Gäste gehen zu lassen und zu erwarten, was diese nächtliche Sendung bringen würde, die, wie man leicht sehen konnte, drohend, vielleicht gefährlich wrar. Doch der Umstand, dass mein Gefährte nicht auch mitkommen sollte, •schien mir wenigstens nicTit auf einen unmittelbaren Gewaltstreich zu deuten. Ich verliess nun das Haus mit dem königlichen Boten und wir gingen schweigend durch die finsteren und krummen Gassen zu dem Palaste 'Abd - Allahs. Hier angekommen, wechselte mein Führer einige Worte mit den Wächtern, die sich dann wieder auf ihren Posten begaben, während er voranging, um mich bei dem Prinzen zu melden und mich einige Minuten in der kühlen Nachtluft im Hofe allein liess, wo ich mich abkühlen konnte; dann kam ein Neger her- 119 aus und rief mich herein. Das Zimmer war dunkel und kein anderes Licht da, als das flackernde Feuer auf dem Heerde. Am äussern Ende sass 'Abd-Allah, schweigend und finster; ihm gegenüber an der andern Seite 'Abd-el-Latif, der Nachkomme des Wahhabi und noch einige andere, Zeloten, oder solche, die zu deren Partei gehörten. Neben 'Abd-el-Latif sass Mahbüb, und seine Gegenwart war der einzige günstige Unistand, den ich auf den ersten Blick sehen kannte. Aber auch er sah ungewöhnlich ernst aus. Am andern Ende des langen Saales standen ein Dutzend bewaffneter Diener, Negedäer und Neger. Als ich eintrat, blieb Alles still, ohne meinen Gruss zu erwiedern. Ich grüsste 'Abd-Allah, der mir leise antwortete und mich mit einein Zeichen bedeutete, mich in einer kleinen Entfernung von ihm, aber an derselben Seite des Diwans, niederzusetzen. Nach einer kurzen Pause wendete sich 'Abd-Allah halb gegen mich, und sagte mit dem finstersten Blick und einer tiefen Stimme, „ich weiss jetzt vollkommen, wer Ihr seid; ihr seid keine Aerzte, Ihr seid Christen, Spione und Revolutionäre (Mufsidin) und hieher gekommen, um unsere Religion und unser Staatswesen zu stören, zum Nutzen derer, die Euch gesendet haben. Die Strafe für solches ist der Tod, das wisst Ihr, und ich bin entschlossen, sie sogleich an euch vollziehen zu lassen." „Drohung geht nicht sogleich ans Leben", dachte ich, und es wurde mir nicht schwer, mich eben so ruhig zu zeigen, wie ich wirklich war. Ich sah ihm also dreist ins Gesicht und sagte: „Istaghfir Allah", buchstäblich: „bitte Gott um Vergebung". Dies ist die gewöhnliche Redensart, womit man antwortet, wenn Jemand etwas sagt, das ganz und gar nicht am Platze ist. Die Antwort kam ihm unerwartet, er staunte und sagte: „Wie so?" „Weil", entgegnete ich, „Ihr soeben eine gewaltige Dummheit gesagt habt; Christen, das mag sein; aber Spione, Revolutionäre — als ob wir nicht Jedermann in Eurer Stadt als ruhige Aerzte bekannt wären, nicht mehr und nicht weniger! Und dann zu sagen, dass Ihr mich wollt hinrichten lassen! Ihr könnt nicht, und dürft nicht." „Aber ich kann und darf", antwortete 'Abd-Allah; „wer will mich daran hindern? das sollt ihr bald zu Euerm Schaden erfahren." 120 „Ihr könnt nicht und dürft nicht" sagte ich noch einmal. „Wir sind hier Eures Vaters und Eure Gäste seit länger als einem Monate, als solche bekannt, als solche aufgenommen. Was haben wir gethan, das einen Bruch der Gesetze der Gastlichkeit in Neged rechtfertigen könnte? Es ist Euch unmöglich, das zu thun, was ihr sagt", fuhr ich fort, obwohl ich bei mir dachte, dass es nur zu leicht möglich sei; „durch unsern Tod würdet ihr Euch allzuschweren Tadel zuziehen." Er sann einen Augenblick nach und sagte dann: „Als ob Jemand zu wissen brauchte, wer es that. — Ich habe die Mittel, und kann mit Euch machen, was ich will, ohne dass viel davon gesprochen wird. Die, welche unter meinem Befehle stehen, können Zeit und Ort wählen, ohne dass mein Name in der Sache genannt wird." Der Vortheil war jetzt augenscheinlich auf meiner Seite, ich griff ihn auf und sagte mit ruhigem Lachen: „Auch das steht nicht in Eurer Macht. Bin ich nicht Eurem Vater und Allen im Palaste bekannt? auch noch Eurem Bruder Sa'üd? weiss es etwa Niemand, das3 ich jetzt eben bei Euch bin? oder giebt es hier Niemand", setzte ich mit einem Blicke auf Mahbüb hinzu, „der überall erzählen kann, was Ihr hier eben gesagt habt? Besser für Euch, ihr lasst solchen Unsinn; haltet mich. nicht für ein Kind von drei Tagen." Er murmelte wieder etwas wie eine Drohung. Da sagte ich so laut, dass man es von einem Ende des Zimmers zum andern hören konnte: „Seid Zeugen Alle, die ihr hier zugegen, wenn mir oder meinem Gefährten zwischen Riad und dem persischen Meerbusen irgend etwas zustösst, so ist es 'Abd-Allabs Werk; die Folgen fallen auf sein Haupt, schlimmere Folgen, als er sich träumen lässt." Der Prinz antwortete nichts. Alle schwiegen: Mahbüb sah starr auf den Feuerherd; 'Abd-el-Latif sah mich an und sagte nichts. „Bringe Kaffee", rief 'Abd-Allah dem Diener zu, und nach kaum einer Minute kam ein Schwarzer mit einer, aber nur einer Tasse in der Hand; auf ein Zeichen seines Herrn reichte er mir diese. Eine so ungewöhnliche Art nur eine einzige Tasse zu überreichen, konnte unter solchen Umständen allerdings sehr verdächtig erscheinen. Ich hielt es aber für sehr unwahrscheinlich, dass die Sache sollte so genau vorbereitet sein, überdiess war die hauptsächlichste Veranlassung zu seinem Aerger gerade die, dass ich ihm kein Gift verkaufen wollte, und es war daher sehr wahrscheinlich, dass er keines hatte. Ich sagte also „Bismillah", nahm die Tasse, sah 'Abd-Allah scharf an, trank 121 sie aus und sagte dann zu dem Sklaven: „Giesse mir noch eine ein." Er that es; ich trank auch diese aus und sagte: „Jetzt kannst Du die Tasse wegnehmen". Mein Zweck war vollständig erreicht. ' Abd-Allahs Gesicht drückte aus, dass er geschlagen war, während die Uebrigen untereinander flüsterten. Der Prinz wendete sich nun zu 'Abd-el-Latif und fing an mit diesem über die Gefahren zu sprechen, denen das Land durch Spione ausgesetzt sei, von den schlimmen Absichten der Ungläubigen, das Reich der Moslims zu verderben u. s. w. Der Kadi und seine Gefährten stimmten ein und die Geschichte von dem Pseudo-Derwisch, der bei Derej'ijah ermordet wurde, und einem andern (ich weiss nicht wer; vielleicht ein Perser, der, wie 'Abd-Allah sagte, auch als ein Spion erkannt wurde, aber nach Mascat entkam) wurde nun auf das Tapet gebracht und verschieden commentirt. Endlich sprach auch Mahbüb, aber, um solche Befürchtungen als grundlos darzustellen. „Die Sache ist an und für sich selbst- unwahrscheinlich", sagte er, „und wäre es wirklich der Fall, was könnten sie schaden?" Hierauf mischte auch ich mich in das Gespräch und suchte die Furcht vor Spionen und Spionage auszutreiben, appellirte an unsere ruhige und unanstössige Aufführung, gerieth in eine tugendhafte Entrüstung über ein solches Vergelten des Guten mit Bösem, nach allen den Diensten, welche wir dem Hofe und der Stadt geleistet hatten, und citirte Verse aus dem Koran über die Schlechtigkeit ungegründeten Verdachts und die Einschärfung des Propheten, nicht ohne klare Beweise zu richten. 'Abd-Allah gab keine direkte Antwort, und die Uebrigen, wie sie auch denken mochten, konnten eine Anklage, welche ihr Herr hatte fallen lassen, nicht weiter aufrecht erhalten. Was mir am meisten Spass machte, war, dass der Wahhabiten-fürst eigentlich den Nagel ziemlich auf den Kopf getroffen hatte, und dass ich ihn nur deshalb tadelte, weil er nur zu gut gerathen hatte. Aber es half nichts, und ich hatte das Vergnügen, zu sehen, dass er, obwohl seine Meinung über uns immer dieselbe blieb, doch genug eingeschüchtert war, so dass wenigstens ein Aufschub seiner üblen Pläne sicher und unser Entrinnen dadurch möglich war. Das Gespräch ging eine Weile so fort, und ich behielt absichtlich meinen Sitz, um die Unbefangenheit der Unschuld zu zeigen, bis mir Mahbüb durch ein Zeichen zu verstehen gab, dass ich mich mit Sicherheit zurückziehen könne. Hierauf nahm ich Abschied von 'Abd-Allah und verliess den Palast ohne Begleitung. Es war beinahe Mitternacht, 122 nicht ein Licht war in den Häusern zu sehen, nicht ein Laut auf den Strassen zu hören, der Himmel war schwarz und überwölkt, so dass mich zum ersten Mal ein Gefühl von Einsamkeit und Furcht überkam und ich gestehe, dass ich mich mehr als ein Mal umwendete, um zu sehen, ob nicht Jemand mit dem „Bösen" in der Hand, wie die Araber sagen, hinter mir sei. Es war aber Niemand da und ich erreichte das ruhige Gässchen und das niedrige Thor, wo mir ein Blick durch die Ritzen zeigte, dass meine Gefährten noch ängstlich warteten; sie öffneten schnell und Hessen mich herein, froh, mich wieder frisch und gesund aus einem so kritischen Verhör zurückkehren zu sehen. Unser Plan war nun bald gemacht. Wir wollten noch einen oder zwei Tage in Riad bleiben, denn Eile würde Furcht verrathen und dadurch zur Verfolgung ermuthigt haben. In dieser Zeit aber wollten wir den Palast möglichst vermeiden und unsere Spaziergänge in den Gärten oder nach Sonnenuntergang unterlassen, überhaupt uns so viel wie möglich zu Hause halten. Mitlerweile sollte Abu-'Ejsa seine Dromedare in Bereitschaft setzen und in einen unmittelbar neben unserm Hanse befindlichen Hof bringen, wo sie sogleich beladen werden konnten wenn es nöthig war. In einigen Tagen sollte eine Gesellschaft Reisender von Riad nach Hasa abgehen. Abu-'Ejsa sprach öffentlich davon, dass er sie bis Hofhüf begleiten wolle, während man glaubte, dass wir die nördliche Strasse nach Sedejr einschlagen würden, auf welcher der Nä'ib eben abgereist war Mobejrik, ein Schwarzer in Abu-'Ejsa's Dienst, stärkte einstweilen die Kamele für den langen Marsch fleissig mit Klee und Wicken, woran hier kein Mangel ist, und-wir betrieben unser Geschäft als Aerzte, aber in aller Stille und ohne das Haus sehr zu verlassen. Im Palaste war Alles mit dem Abmärsche des Contingents von Harik beschäftigt, welches jetzt über Schakra' nach 'Onejzah marschirte, aber wider Erwarten ohne 'Abd-Allah, der noch die Artillerie erwartete, welche täglich von Hasa her ankommen sollte, unter Führung des Mohammed-es-Sedejri. Bei dieser Unruhe und mancherlei Geschäften wurde wenig nach uns gefragt; der Sturm hatte sich gelegt und wir mussten die Windstille benutzen, ehe ein neuer und vielleicht schlimmerer Ausbruch erfolgte. Am Nachmittag des 24sten brachten wir drei von Abu-'Ejsas 123 Kamelen in unsern Hof, schlössen das äussere Thor zu, packten und luden auf. Dann warteten wir, bis die Stimme des Mu'eddin alle guten Wahhabiten, die Wächter der Stadt nicht ausgenommen, von den verschiedenen Moscheen zum Abendgebet rief. Als wir vermuthen konnten, dass alle Gläubigen zum Gebet versammelt wären, öffneten wir unser Thor. Mobejrik sah noch einmal die Strasse auf und ab, um sich zu versichern, dass uns Niemand sähe, und wir führten die Kamele hinaus. Abu-'Ejsa begleitete uns. Mit Vermeidung der grösseren Strassen nahmen wir unsern Weg durch Seiten-Gässchen, einem kleinen Stadtthore zu. Einer, der sich verspätigt hatte, begegnete uns auf seinem Wege zur Moschee und rief uns zu, den Gottesdienst nicht zu versäumen. Abu-'Ejsa antwortete sogleich, „wir kommen soeben aus dem Gebet", und Jener, welcher fürchtete, dass er zu spät kommen und so der Strafe verfallen würde, machte, dass er fort kam und lief auf die nächste Moschee zu. Am Thore war keine Wache. Wir ritten hinaus, wendeten uns dann nach Süden, und kamen noch in der kurzen Abenddämmerung an eine Reihe Hügel, hinter denen wir uns verbargen, bis die Sterne am Himmel sichtbar wurden und „der Fittig der Nacht", wie die arabischen Dichter sich ausdrücken, schwarz über Stadt und Land lag. Wir athmeten tief auf, als ob wir aus einem Kerker kämen, und dankten Gott, dass Alles vorüber war. Nach etwa einer Stunde, als wir sicher waren, dass Niemand mehr vorbeikommen und uns anrufen würde, machten wir Feuer, tranken eine Tasse erquickenden Kaffee, zündeten unsere Pfeifen an und lachten 'Abd-Allah und Fejsal aus. Ich schlief jedoch in dieser Nacht nur wenig. Eine Menge ernster, ja trauriger Gedanken drängten sich in meinem Geiste, wenn ich auf die dunkeln Mauern und Thürme zurücksah, die im Schatten des Thaies hinter uns lagen. Ich dachte an die, welche sie umschlies-sen, an den Einfluss, welchen sie bereits über die ganze Halbinsel geübt hatten und noch üben würden. Welche schreckliche und doch kindische Tyrannei*, welch unheilvolles Aufflackern eines ausgebrannten Fanatismus; wie viel falscher Eifer; welch concentrirter, schlecht angewendeter Muth und Ausdauer, und was kann das Ende sein! Hier hatten wir eben fünfzig Tage verlebt, unter dem Dache und an dem Tische derer, die, hätten sie nur vor einer Stunde gewusst, wer und was wir wirklich waren, und was unser Zweck sei, unserer Reise und 124 unserm Leben ein plötzliches Ende gemacht hätten. Noch mehr, in Verdacht, angeklagt, gerichtet, beinahe überwiesen, und doch den Klauen entronnen, in denen Andere umgekommen waren, befanden wir uns jetzt beinahe in Sicherheit, und ausserhalb der gefürchteten Mauern — und wann sollten wir sie wiedersehen? — Noch aber waren nicht alle Schwierigkeiten überwunden. Es war jetzt mehr als je durchaus nothwendig, dass wir unbeobachtet über die Grenze von Neged kamen und die Wüste zwischen uns und dem Hofe und der Hauptstadt der Wahhabiten lag, und nicht weniger nothwendig war es, dass Abu-'Ejsa, der mit Riad und der Regierung in so naher Beziehung stand, durchaus nicht mit in unsere unceremonielle Abreise verwickelt erschien. Kurz, eine scheinbare Trennung zwischen ihm und uns war nothwendig, ehe wir wieder zusammenkommen und unsere Forschungen gemeinschaftlich fortsetzen konnten. Um dies zu bewerkstelligen und zugleich wegen unserer eigenen Sicherheit den Wahhabiten einigen Sand in die Augen zu streuen, kamen wir dahin überein, dass Abu-'Ejsa am nächsten Morgen in die Stadt und in seine Wohnung zurückkehren sollte, als ob gar nichts vorgefallen, und dort die Abreise der grossen Handelscaravane erwarten sollte, von der oben die Rede war, und die hauptsächlich aus Leuten aus Hasa und Katif bestand, welche jetzt unter Führung eines gewissen Abu-Dahir-el-Ghannäm nach Hofhuf reisen wollte. Sie sollte spätestens innerhalb drei Tagen aufbrechen. Bis dahin sollte unser Freund sich öffentlich in den Palästen Fejsals und 'Abd-Allahs zeigen, und wenn er nach uns gefragt würde, so antworten, als ob er nichts von uns wüsste, und weiter nichts mehr mit uns zu thun hätte. Wir wollten unterdessen mit Mobejrik schnell nach dem Wadi Solej' weiter reisen und dort in einem Versteck warten, bis Abu-'Ejsa wieder zu uns stossen würde. Mit dem ersten Morgengrauen nahm Abu-'Ejsa von uns Abschied und Barakät, Mobejrik und ich sasscn wieder auf unseren Dromedaren und wendeten uns nach Südosten, so dass die Hügelreihe zwischen uns und Riad blieb, von dem jetzt nichts mehr zu sehen war. Unser Weg führte über niedrigen, wellenförmigen Boden, eine Fortsetzung des Wadi Hanifah, und nach etwa vier Stunden fanden wir uns vor den Thoren von Manfuhah, einer hübschen Stadt, mit Gärten umgeben, die an Ausdehnung und Fruchtbarkeit denen von Riad nicht nachstehen; aber die früher starken Festungswerke sind schon längst durch die 125 Eifersucht der nahen Hauptstadt abgebrochen und niedergerissen. Manfuhah hat lange zu Jemämah gehört, nicht zu 'Aared, und gehörte zu dem Thale des Da'äs, des frühern Nebenbuhlers der Ebn Sa'üd. Hinsichtlich des Klimas hat diese Stadt den Vorzug vor Riad, weil sie höher liegt, und über den Nebeln, welche die Tiefen des Wadi Hanifah oft ungesund machen; in militärischer Beziehung aber steht sie der Hauptstadt nach, weil sie mehr den Angriffen ausgesetzt ist und eine weniger geschützte Lage hat. Wir zogen bei Manfuhah vorbei, wieder bergab, und fanden uns bald in Wadi Solej', einem langen Thale, welches in der Wüste zwischen Harik und Jemämah anfängt und sich nach Norden zu zieht, bis es sich in dem Hochlande von Towejk, oberhalb Horejmelah, hinter Gebel 'Atalah verliert. Aber ganz anders als Wadi Hanifah, hat es nur wenige Brunnen und nur kleine und unbedeutende Dörfer. Das Thal Hanifah selbst erstreckt sich nicht weiter östlich als Manfuhah, und die niedrige Bergreihe, welche wir eben überschritten hatten, bildet eine geographische und territoriale Scheidelinie. Nachdem wir in dem breiten Thale Solej' noch verschiedene Windungen gemacht, erreichten wir die Stelle, welche uns Abu-'Ejsa als Versteck angegeben hatte. Es war eine kleine sandige Vertiefung, in einiger Entfernung von der eigentlichen Strasse, zwischen Hügeln und Gesträuch, und ohne Wasser. Von letzterm hatten wir in Ziegenschläuchen so viel mitgenommen, dass wir drei Tage ausreichen konnten. Zwei Tage gingen traurig genug vorüber. Wir hofften mit Sehnsucht auf die Ankunft unseres Führers und waren nicht ganz ohne Sorge wegen unserer selbst. Einmal oder zweimal verirrte sich ein Landmann zu uns und wunderte sich nicht wenig über unser Lager an einem so dürren Orte. Einige Male Hessen wir unsere Dromedare niederknien, verbargen sie im Gebüsch, und wanderten das Thal hinauf, oder erstiegen die hohen kalkigen Felsenwände des Towejk an der östlichen Seite, um eine deutlichere Vorstellung von dem Lande zu gewinnen, seinen Höhen und Tiefen, seiner Fruchtbarkeit oder Dürre, oder uns an der Fernsicht auf die blaue Sierra von Harik im fernen Süden und die weissen Bergketten des Towejk, im Norden und Osten zu erfreuen. Oder wir jagten die zahlreichen, nicht sehr scheuen Heelden von Gazellen, nicht etwa, um sie zu fangen, sondern zum blossen Zeitvertreib und um uns auf andere Gedanken zu bringen. 126 So verging eine Stunde nach der andern, bis am dritten Tage unsere Erwartung und Angst immer höher stieg, da die Sonne bereits unterging und sich noch Niemand zeigte. Endlich, als die Nacht einbrach und wir ziemlich entmuthigt an unserm kleinen Feuer beisammen sassen, denn die Nachtluft war kühl, kam Abu-'Ejsa an, und auf einmal änderte sich die Scene und es gab Frage und Antwort, Scherz und Lachen. Er erzählte nun, wie an demselben Tage, als er uns verlassen, 'Abd-Allah ihn hätte kommen lassen, und ihn gefragt, wo die beiden Christen hingekommen wären; er habe geantwortet, sie seien wahrscheinlich auf dem Wege nach Zobejr. Auch Mahbüb habe nach uns gefragt und eine ähnliche Antwort erhalten, mancherlei sei über uns gesprochen worden und die tollsten Vermuthungen über unsere Herkunft und unsere Absichten zum Vorschein gekommen. Manche hätten uns für Abgesandte aus Konstantinopel gehalten, Andere aus Aegypten (ein Glück, dass nicht auch Einer auf Europa verfiel), und manches Andere dergleichen , worüber wir jetzt herzlich lachten. Dahir-el-Ghannäm war mit seiner Gesellschaft noch eine kurze Strecke weiter gezogen und wartete auf uns. Am nächsten Morgen sollten wir mit ihm zusammentreffen. Am 28. November früh am Morgen, als noch ein dünner Nebel das Thal bedeckte, setzten wir unsern Weg wieder fori, und trafen bald mit unseren Reisegefährten zusammen. Die Gesellschaft war ziemlich zahlreich, ich will aber meinen Leser mit einer genauen Beschreibung verschonen, da sie eben nichts Besonderes hatte. Nur drei Individuen aus Wadi Dowäsir fielen mir und Barakät einigermassen auf; der Eine war ein blinder Metow'waa', unwissend, fanatisch und über alle Beschreibung geizig; der Zweite, ein Landmann aus demselben Distrikt und nicht besser als sein Landsmann und Seelsorger, und der Dritte, sein Sohn, der wie Falstaffs Page, ohne Zweifel einen guten Engel bei sich hatte, den aber auch der Teufel überbot. Die Uebrigen waren zum grössten Theil gewöhnliche Kaufleute. Diesmal hatten wir keine Beduinen in unserer Gesellschaft, was wir auch nicht sehr bedauerten. Am ersten Tage kamen wir aus dem Wadi Solej', zogen quer durch die Pflanzungen von Salemi'jah, ein grosses befestigtes Dorf, einst Hauptstadt von Jemämah und Residenz .der Familie Da'äs. Man kennt es oft unter dem Namen Khorg, welchen auch die ganze Gegend führt. Die Gewohnheit, einen und denselben Namen für den 127 Hauptort einer Provinz und die Provinz selbst zu gebrauchen, giebt in der arabischen Geographie zu häufigen Verwechselungen Anlass. So ist z. B. Schäm der Name für Damaskus und für ganz Syrien. Tejma', Negrän, Gauf, Hasa sind Worte von eben so unbestimmter Bedeutung. Dieses sowohl, als die beständige Wiederkehr derselben descriptiven Benennungen, wie „Raudah" Garten, „Kela'at" Burg, „Thenijat" Pass, „Gauf" Höhlung, „Akhaf" Sandhiigel u. dergl. macht die arabische Localnomenklatnr zu einer der ärmsten und zugleich dunkelsten in der ganzen Welt. Das ganze System ist schlecht und scheint förmlich darauf berechnet zu sein, die Identification der Orte zu erschweren. Dieses Khorg oder Salemi'jah ist die gewöhnliche Residenz Sa'uds, des zweiten Sohnes Fejsals, wenn er nicht, wie oft der Fall, in Hutah und dem Harik abwesend ist. Die Umgegend ist die fruchtbarste in II. 7 ganz Jemämah und das Paradies von Neged; aber die Vegetation, Bäume und Pflanzen, unterscheiden sich wenig von der des Wadi Hanifah, ausser durch grössere Continuität der Ausdehnung und dunkleres Grün. Baumwolle allein, die hier häufig ist, giebt der Gleichförmigkeit der Palmenhaine und Mais- und Hirsefelder mehr Abwechselung als anderwärts. Von dem Charakter der Einwohner und ihren politisch-religiösen Tendenzen habe ich schon oben gesprochen; ich will hier noch bemerken, dass sie im Allgemeinen für freundlicher und umgänglicher gelten, als die Bewohner von Riad und Derej'ijah. Sie sind aber, mit wenigen Ausnahmeu, aufrichtige Wahhabiten. Die Bewohner dieser Gegend waren einst die eifrigsten Anhänger des unglücklichen Mosejlemah. Zu meinem Bedauern zog unsere Karawane ohne Aufenthalt bei dem Dorfe vorbei, und bald darauf kamen wir, uns nach Norden wendend, in eine lange und enge Schlucht, in der Kalkwand des Towejk; hier stiegen wir etwa dreihundert Fuss aufwärts und gelangten dann auf eine hohe, breite Steppe, wo eine dürftige Weide, gerade genug, um den kalkigen Boden hie und da mit einer bräunlichen Vegetation zu bedecken, einigen Heerden schafähnlicher Ziegen oder ziegenähnlicher Schafe das Leben fristete, während die fürchterlichen, steil auf und ab führenden Wege mich an schottische Landschaften erinnerten, nur dass hier Tannen und Fichten fehlten. Wir brauchten ziemlich lange, um diese Wüste zu durchschreiten, bis wir gegen Abend an einen Fleck grüneren Bodens und einige Brunnen kamen, Lakej'jät genannt, wo wir die sehr kalte Nacht zubrachten. 128 Am nächsten Morgen war das ganze Land, Berg und Thal, Bäume und Sträucher, mit einem so dichten Nebel bedeckt, dass wir unsern Weg verfehlten, und schreiend und rufend" auf dem unebenen Boden und im Gesträuch umherirrten, bis sich endlich der Nebel zerstreute, und wir den Weg wiederfanden, der in einiger Entfernung zur Rechten lag. Ehe wir diesen weiter verfolgten, sahen wir eine schwarze Masse von Osten her auf uns zukommen. Es war die erste Abtheilung der Truppen aus Hasa auf ihrem Wege nach Riad, nicht weniger als vier- oder fünfhundert Mann. Als echte Araber marschirten sie mit einer vornehmen Verachtung aller Ordnung und Disciplin in Schritt, Galopp, Trab, singend, schreiend, einzeln oder truppweise, jeder wie ihm einfiel. Wir wechselten einige Worte des Grusses mit diesen munteren Burschen, und sie sagten uns, dass ihr Brigadegeneral, Mohammed es-Sedejri, mit dem Hauptcorps und der Artillerie schon abmarschirt, aber noch zwei Tagereisen zurück sei. Sie selbst, sagten sie ohne Zaudern oder Beschämung, wären lieber zu Hause geblieben, und sie seien nur gezwungen worden, an dem Feldzuge Theil zu nehmen, wohin sie weder kriegerischer noch religiöser Eifer riefe. Wir lachten und wünschten ihnen Zämils Kopf, oder ihm den ihrigen, was sie ebenfalls mit Lachen aufnahmen und laut singend und schreiend weiter zogen. Nicht weit von hier hatten wir nach Süden eine prächtige Ansicht des Harik, dem wir uns jetzt gegenüber befanden, obwohl durch einen Wüstenstreifen davon getrennt. Die Gebirge dieser Landschaft, scheinbar Granit (aber ich bitte meine Leser ein für allemal, sich zu erinnern, dass ich ebenso wenig Geologe als Botaniker bin), lagen östlich und westlich in einer schroffen und isolirten Kette, die an sechzig bis siebzig englische Meilen lang sein konnte. So von der Wüste umgürtet, muss Harik ein sehr heisser Distrikt sein, was auch der Name (buchstäblich: brennend) andeutet und die dunkle Farbe seiner Bewohner bestätigt. In der Entfernung konnten wir keine Städte oder Burgen unterscheiden; nur die Lage der Hauptstadt, Hutah, wurde uns von einigen des Landes kundigen in unserer Gesellschaft angegeben. Es war auch merkwürdig zu sehen, wie plötzlich, fast mit einem Male, Gebel Towejk in der Wüste abbricht, in einer Reihe steiler Stufen, von denen die letzte gleichsam im Sande der Wüste versinkt. Das Towejk besteht hier hauptsächlich aus Kalkstein, an 129 manchen Stellen aber findet man Eisenerz; Abu 'Ejsa zeigte uns einen Berg, dessen Aeusseres auf Eisen schliessen Hess, mit der Bemerkung, dass Europäer, wenn sie hier wären, davon guten Nutzen ziehen würden. Wir zogen weiter durch eine Gegend, welche ungleich mehr Abwechselung bot, als die, durch welche wir Tags zuvor gekommen waren, über Berg und Thal, mit hübschen kleinen Hainen von Sidr und Gebüschen des breitästigen Markh, bis wir an den Fuss eines hohen weissen Felsenabhanges kamen, der grosse Aehnlichkeit mit dem bei Dover hatte; aber diese Klippen überragten, anstatt der See zu ihren Füssen, ein breites Thal mit Bäumen und Spuren vieler heftiger Winterbäche, deren Lauf von Osten nach Westen geht, die aber jetzt ohne Wasser waren. Hier machten wir Halt und brachten die Nacht zu, die jetzt im November eben so unfreundlich war, wie an den Ufern des Ayr, obwohl unter der Breite von 25° nicht von 56°. Ehe noch das Sternenlicht an dem kalten Morgenhimmel verblich, waren wir auf und in Bewegung, denn wir hatten einen langen Marsch vor uns. Auf einem steilen, vielfach gewundenen Pfade, auf dem die Kamele kaum fort konnten, ging es den Berg hinan. Als die Sonne aufging, befanden wir uns auf dem letzten und hier dem höchsten Rande des Towejk, jener langen Kalkwand, welche das Neged an der Ostseite begrenzt; über diese hinaus liegt die Wüste und dann die Küste. Die Aussicht, welche sich uns hier öffnete, war sehr weit und die scharfe Luft machte uns die Höhe Uber der weiten Ebene desto bemerkbarer, welche hier wie ein glatter See vor uns lag. Kein Mensch oder Thier, kein Baum oder Strauch war rings umher zu sehen; nur Mergel und Kies bildeten das unter einem kalten Winde und brennender Sonne vertrocknete und öde Plateau. Nach etwa drei Stunden Weges auf gleicher Höhe ging es wieder allmälig abwärts, und gegen Mittag kamen wir in eine merkwürdige Vertiefung, ein ungeheures, natürliches Wasserbecken in dem Kalkfelsen, mit tiefen Furchen zu allen Seiten. Im Grunde dieses, einem Krater ähnlichen Thaies waren mehr als ein Dutzend Quellen, die so reichlich strömen, dass sie oft den ganzen Raum überschwemmen und einen kleinen See bilden; das Wasser ist klar und gut, lao aber auf der ganzen Linie von hier bis Hasa findet man keines weiter. Bei diesen Quellen (die von ihrer geographischen Lage den Namen Owejsit haben, das Diminutiv von Awset, d. i. Centrum) kom- noen mehrere Wege zusammen, südlich vom Harik, westlich von Jemämah und dem südlichen Neged, unsere Strasse; nordwestlich von Gebrin und Wäb, welcher durch das Wadi Solej' führt; ein schmaler Bergpfad, der nur von wenigen Hirten betreten wird, führt auf der Länge des ganzen Bergrückens hin, bis er nördlich mit dem Wege von Kowejt und Zobejr zusammenkommt; endlich führt gegen Osten noch ein Pfad nach Hasa und Hofhüf; auf diesem mussten wir jetzt weiter. Alle Heerden Gross- und Kleinvieh aus der nahen Gebirgs-region kommen hierher, um zu trinken. Wir ruhten hier einige Zeit, bereiteten eine Tasse Kaffee, füllten unsere Wasserschläuche bis zum Bersten, bestiegen mit frischen Kräften wieder unsere Dromedare und stiegen dann wieder auf dem östlichen Auswege aus dem Krater hinauf. Den noch übrigen Tag ging es immer auf dem breiten, ebenen Abbange abwärts, dessen ausserordentliche Kahlheit und todte Einförmigkeit mich an das kiesige Hochland bei Ma'än, an der westlichen Seite der Halbinsel, erinnerte, durch welches ich vor nun gerade sieben Monaten gekommen war. Die Sonne ging unter und die Nacht brach an, und viele von unseren Reisenden hätten gern Halt gemacht, Abu-'Ejsa aber drängte immer weiter. Wir waren jetzt mehrere Hundert Fuss unter dem hinter uns liegenden Bergkamme, die Luft war schwül und wir bemerkten, dass der bisher unter unseren Füssen harte Boden sich mit jedem Schritte weiter in einen leichten Sand verwandelte. Zuerst eine seichte Welle, dann tiefer, und es währte nicht lange, so sahen wir die bekannten Wellenzüge des Landmeeres von mehreren Faden Tiefe. Unsere Thiere arbeiteten sich mühsam durch die unter den Füssen nachgebende Oberfläche; die Nacht war dunkel, aber sternhell, und wir konnten im Finstern genau einen weissen Schimmer der zu allen Seiten sich erhebenden gespensterhaften Sandhügel sehen, aber keine Spur von einem Wege. Dies war die grosse Dahnä oder rothe Wüste, das Schrecken selbst der wandernden Beduinen, welche gewöhnliche Wanderer nie ohue Furcht betreten, die nur zu oft durch schreckliche Unglücksfälle gerechtfertigt wird. Der Sand ist so leicht, die Winde, welche ihn täglich verändern und zu anderen Hügeln und Thälern gestalten, so 131 wunderlich, dass keine Spur früherer Wanderer für die, welche ihnen folgen, zurückbleibt; dazu kommt eine intensive Hitze und blendendes von allen Seiten wiederstrahlendes Licht, Durst, Müdigkeit, die den Wanderer, welcher sich hinein wagt, irre führen, bis er endlich ganz die Richtung verliert und in der wüsten Einöde irrend, bald sein Grab findet. Viele ind auf diese Weise umgekommen; selbst ganze Karawanen sind in der Dahnä spurlos verschwunden, so dass die abenteuerlichen arabischen Erzählungen von Dämonen, welche die Wanderer fortführen, oder Ghnls, welche sie auffressen, bei Manchen, die sonst über solche Dichtungen lachen, beinahe Glauben finden. Jedoch Kaufleute, Reisende, Gesandte, Heere — mit einem Worte Alle, welche zwischen dem volkreichen Hasa und dem kaiserlichen Neged hin und her gehen — müssen durch diese Wüste, sie mögen wollen oder nicht, und zwar auf einer und derselben Linie, denn nach allen anderen Richtungen ist die Dahnä, mit kaum einer Ausnahme, durchaus un- wegsam. Zu beiden Seiten dieses Sandstromes sind allerdings die Wege deutlich vorgezeichnet und nicht zu verkennen, die Schwierigkeit ist hauptsächlich nur in dem mittlem Räume. Um die Gefahr zu mindern, hatte Abu 'Ejsa, mit einem im Orient seltenen Grade von Gemeinsinn, vor zwei Jahren mehrere Kamele mit einer Ungeheuern Masse grosser Steine beladen, und mitten im Sande einen grossen Haufen oder eine Art Pyramide errichtet, von den Arabern Regm genannt, die etwa fünfundzwanzig bis dreissig Fuss hoch, eine sehr wünschenswerthe Landmarke in der pfadlosen Wüste bildete. Die Veränderungen, welche Wind und Wetter in dem Sande hervorbringen, sind selten so bedeutend, dass ein so hoher Haufen ganz bedeckt würde, und sollte dies wirklich für einige Tage der Fall sein, so weht der nächste Sturm die Decke wieder von dem steinigen Kerne ab. Mancher schon hat Abu 'Ejsa für diesen Regm gesegnet, der schon vielen Reisenden aus der Noth geholfen hat. Auch Abu-Dahir-el-Ghannäm, derselbe, welcher unsere Karawane führte, und dessen Beruf ihn oft nöthigte, diesen schrecklichen Raum zu durchkreuzen, war von einem ehrenwerthen Wetteifer ergriffen worden und hatte weiter hin noch einen andern Steinhaufen errichtet, der unter dem Namen Regmat-el-Ghannäm bekannt ist, wie jener unter dem Namen Regmat Abu-'Ejsa. Aber trotz dieser Wegweiser bleibt der Weg durch die Dahnä immer gewagt und es fehlte wenig, dass unsere Karawane selbst mit auf die Reihe der vielen verunglückten kam. Wir mochten etwa drei Stunden in der Nacht gezogen, oder viel-132 mehr in den Sandwellen gewatet sein, bis Menschen und Thiere, die einen wie die andern, vor Müdigkeit beinahe umsanken, als sich ein heftiger Wortwechsel zwischen Abu-'Ejsa und El-Ghannäm erhob, die jeder eine andere Richtung einschlagen wollten. Wir Alle hielten einen Augenblick still und erhoben unsere von Schlaf und Müdigkeit schweren Augen, als ob wir sehen wollten, welcher von den beiden Streitenden im Rechte sei. Ich werde den Eindruck dieses Augenblicks lange nicht vergessen. Ueber uns war der dunkle schwarze Himmel, mit grossen Sternen bestreut, von einem Glänze, wie ihn nur der Araber erblickt, da alle Sterne, die anderwärts als Sterne dritter Grösse erscheinen, hier in dem reinen Vacuum einer dunstlosen Luft wie Sterne erster Grösse glänzen; um uns herum waren hohe Hügelreihen sichtbar, die uns hinten und vorn gespensterhaft umschlossen, zu unseren Füssen der todte Sand, und überall eine Grabesstille, die zu einer fremden Traumwelt zu gehören schien, in welche der Mensch sich nicht wagen darf. Abu-'Ejsa streckte einen Arm aus, um einen Weg zu zeigen, El-Ghannäm zeigte einen andern, und beide Richtungen schienen, eine wie die andere, ohne Pass oder Ausweg. Nach einer Weile jedoch schnitt Abu - 'Ejsa die Sache kurz ab, indem er seine Stimme erhob und Allen zurief, ihm zu folgen, und trotz des Widerstandes Ghannäms uns Alle in einen scharfen Winkel nach Links führte, bis wir endlich in eine Art Thal kamen, wo einige Sträucher dem Sande Abwechselung gaben. Hier stiegen wir ab, um einige Stunden zu ruhen; wärmer jedenfalls, als in der vorhergehenden Nacht. Am nächsten Morgen setzten wir unsern Weg fort, aber jetzt unter Abu-'Ejsas alleiniger Führung, den unsere Gesellschaft, im Vertrauen auf seine grössere Bekanntschaft mit dieser wilden Region, sich einstimmig anvertraut hatte, bis wir das gegenüberliegende Ufer erreichen würden. Wie unser Führer es machte, seine Schritte richtig zu leiten, ist schwer zu sagen. Das Vermögen, die Nase in der geraden Richtung zu halten, wenn weder Augen noch Ohren Beistand leisten, ist, wie ich meine, eine der vielen verborgenen Kräfte der menschlichen Natur, die nur durch die Umstände und lange Uebung ausgebildet werden können. Nicht weit von der Mitte der Dahnä stiessen wir auf einige Beduinen vom Stamme Aäl-Morrah, der einzigen Bewohner dieser Wüste; sie führten ihre Ziegen zu kleinen vereinzelten Flecken von Gras und Sträuchern, die hie und da in Vertiefungen eine kurze Existenz finden. Die Thiere können vier bis 133 fünf Tage ohne Wasser aushalten, und wenn sie dann endlich trinken müssen, führen die Hirten sie zu dem Owejsit oder einem andern Brunnen mit schlechtem Wasser am Rande des Towejk, der gewöhnlichen Menschen unbekannt ist. Wilder aussehende Wesen als diese Aäl-Morrah sah ich nie; das Haar struppig und wild, anstatt der Kleider blosse Fetzen, das Gesicht schmutzig, der Blick die personificirte Wildheit. Aber ihre Sprache, das eigentliche unterscheidende Zeichen des Menschen vom Thiere, zeigte, dass sie nicht allein menschliche, sondern selbst beredte Wesen waren. Ihr Dialekt war ganz von dem im Norden verschieden, selbst von dem des Neged; er setzte mich anfänglich in Verlegenheit; als ich ihn aber einmal verstand, fand ich, dass er zu der alten, in der That uralten Form der arabischen Sprache gehört, für die ich meine Leser auf die in Meidani's Sprüchwörtern erhaltenen Proben verweisen muss, die der gelehrte Freytag in einem wunderlichen Deutsch-Latein wiedergegeben hat. Die Form der Sprache ist reicher an Varietät der Worte und Wendungen, als der starre Dialekt des Koran, dessen geometrische Genauigkeit und monotone Cadenz dem neuern Arabisch die Grenzen gezogen hat; die Endungen sind oft die alterthümliche Modification, auf welche bereits in einem frühern Kapitel angespielt wurde, und die Wurzeln fallen weniger selten mit denen des Hebräischen und Syrischen zusammen; Eigenthümlichkeiten, welche mit dem frühern und südlichen, vielleicht afrikanischen Ursprünge in Einklang stehen, den ihnen die historische Tradition anweist, vor der Zeit Ismaels und der Einwanderung der nördlichen Stämme des Hegäz. Die Aäl-Morrah selbst sind ein sehr weit verbreiteter Stamm; nur ein kleiner Theil erkennt den wahhabitischen Einfluss durch einen gelegentlichen Tribut und ein entstelltes Gebet an, der bei weitem grössere Theil sind reine Ungläubige, und in Dingen der Religion und Sitten, den Scherarat, welche wir im ersten Kapitel dieses Werkes kennen lernten, sehr ähnlich. Ihre Hautfarbe ist beinahe schwarz; ihre Waffen sind Speer und Messer, die Flinte ist ihnen noch beinahe unbekannt. Das einzige Erbtheil, welches sie von Kahtän haben, ist ihre Beredtsamkeit: in jeder andern Beziehung sind sie Wilde, aber keine Barbaren ; ich fand sie selbst gut müthig, obwohl unverschämt und diebisch, wie alle anderen Beduinen. Ihnen gehört die grosse Wüste von Neged bis Hadramaut. Nicht dass sie diesen grossen Raum, ein Viertheil der ganzen Halbinsel, wirklich inne haben; aber sie haben den freien und unbestrittenen Besitz der einzelnen zerstreueten Oasen, wo Kräuter, Sträucher und Zwergpalmen um eine dürftige Quelle salzigen Wassers wachsen. Diese Oasen sind häufig genug, um einen oder zwei verirrte Beduinen 134 vor dem Verschmachten zu bewahren, aber nicht genug, um als Landmarken für einen regelmässigen Weg quer durch die centrale Dahnä zu dienen. Von der eigentlichen grossen Sandwüste läuft der lange und breite Arm aus, welchen wir jetzt durchschritten; er hat ganz dasselbe Ansehen wie die südliche Wüste, bis er, nachdem er im Norden zwischen Gebel Towejk und dem Küstenlande von Hasa durchgezogen, in der Ebene von Zobejr hinter Kowejt endigt, beinahe parallel mit dem nördlichen Ende des persischen Meerbusens. Von unseren Aäl-Morrah erhielt Abu-'Ejsa Angaben über den Weg, welchen er einzuschlagen hatte, und verschaffte uns so Gelegenheit, etwa fünf Minuten still zu stehen, aber ohne von unseren Kamelen abzusteigen. Etwa eine Stunde später bekamen wir seinen Regm in Sicht. Durch sein beredtes Stillschweigen versichert, dass wir auf dem richtigen Wege seien, eilten wir vorwärts, sehr müde von der Hitze, aber gar nicht gesonnen, in dieser Gegend der Gefahr Halt zu machen. Als der Nachmittag etwas weiter vorrückte, sahen wir gegen Osten und etwas zur Linken etwas auf uns zu kommen, das sich beinahe wie ein Zug schwarzer Ameisen ausnahm; es kam näher und wir erkannten das Hauptheer von Hasa, welches zwei schwere Kanonen, die aus Katif zur Belagerung von 'Onejzah geschickt waren, mit grosser Mühe durch den Sand mit sich schleppte. Diese Abtheilung, bedeutend grösser als die, welcher wir früher begegnet waren, konnte nicht weniger als sieben- bis achthundert Mann zählen; wir kamen ihnen aber nicht nahe, da sie sich etwa eine Viertelmeile seitwärts von uns gegen Norden hielten, und Niemand in unserer Gesellschaft war neugierig genug, um wegen einiger Worte einen Umweg durch den Sand bis zu ihnen zu machen. Nach Sonnenuntergang erreichten wir den zweiten Regm oder Steinhügel, den Regmat-el-Ghannäm. Das Ansehen der Wüste begann sich hier zu ändern; der feine Sand war von nun an mit Grobsand gemischt und gab unseren Thiere einen festen Fuss. Wir stiegen ab, um unsere Abendmahlzeit zu halten, ich möchte lieber sagen Frühstück, denn wir hatten den ganzen Tag noch nichts gegessen. Alle waren froh, die Dahnä bald hinter sich zu haben. Aber der Erfolg Abu-'Ejsa's, der die Karawane besser geleitet hatte, als ihr ursprünglicher 135 Führer, erregte den Neid el Ghannäms, eine Leidenschaft, die nirgends heftiger wüthet, als in der Brust des Arabers. Es kam zu einem Streite zwischen den beiden Führern, die Reisenden nahmen Partei und es fehlte wenig, so kam es von heftigen Worten zu einem wirklichen „Jaum" oder Tage, wie die Araber einen Kampf nennen. Da legte ich und Barakät uns endlich ins Mittel und bedeuteten Abu-'Ejsa, dass er am besten thäte, mit uns und denen, die sich sonst uns an-schliessen wollten, aufzubrechen und seinen Triumph über El-Ghannäm dadurch zu vervollständigen, dass er zuerst in Hofhüf ankäme. Gesagt, gethan, und wir brachen auf, mit noch zwei oder drei Anderen, und Hessen unsere entkräfteten Gefährten bei ihrem Kaffee zurück. Der Boden, von hier an konnte man wieder so sagen, bestand etwa zu gleichen Theilen aus Kiesel, Mergel und Sand, neigte sich sanft gegen Osten zu und glänzte bis zum fernen Horizont in kahler Weisse, die nur hie und da durch dunkle Streifen niedrigen Dornen-gebüsches unterbrochen war. Im Schutze eines dieser Gebüsche hielten wir eine kurze Rast vor einigen Stunden, worauf am andern Tage eine noch monotonere Ebene folgte, an Bodenhöhe und Charakter der des vorhergehenden Abends ganz gleich. Auf dem ganzen Wege von vierzehn Stunden hatten wir keine andere Abwechselung, als einige Reisende, die von Gün in Hasa kamen, und die uns für Räuber hielten und beinahe vor Furcht starben, ein so wildes Aussehen hatten wir. Dörfer, Schatten und Brunnen gab es natürlich hier nicht; zum Glück war die Hitze hier bei weitem erträglicher, als in dem Sande. Wieder ein Nachtlager im Freien und dann wieder über die weisse abhängige Ebene. Noch eine Veränderung folgte; plötzlich begrenzten Kalkberge und enge Schluchten unsern Weg, bis wir in einem Hohlwege an einen grossen einzelnen Baum kamen, der mehr Dornen als Blätter hatte. Hier, sagte Abu-'Ejsa, liess Ibrahim Pascha einen Brunnen graben, mindestens sechsig Fuss tief, in der Hoffnung, Wasser zu finden, aber umsonst. Das trockene Loch, jetzt halb mit Steinen und Sand angefüllt, blieb als Zeuge des Versuchs. Wäre er gelungen, so würden die Schwierigkeiten des Verkehrs zwischen Neged und der östlichen Küste ungleich geringer sein. 136 Etwas weiter hin kamen wir in das grosse Thal, welches unter dem Namen Wadi Faruk bekannt ist. Dieses Thal, wie alle anderen geographischen Grundzilge dieser Region, gleichviel ob Gebirge oder Ebene, läuft von Norden nach Süden; der allgemeine Typus desselben gleicht der Dahnä, von der es gewissermassen eine parallel laufende Abzweigung ist. Es ist tief und weit, ein Labyrinth von Sandbergen, zwischen denen, kaum weniger als in der Dahnä, die Reisenden oft ihren Weg und nicht selten auch ihr Leben verlieren. Was aber dem Wadi Faruk namentlich einen schlechten Ruf verleiht, sind die Räuber, welche es unsicher machen, theils vom Stamme Aäl-Morrah, theils von dem Menäsir-Beduinen, einem Stamme, dessen Bekanntschaft wir weiter östlich machen werden, und „Ihr Hunde, euer Geld oder euer Leben", ist die häufige Alternative, welche einige kühne Räuber dem ehrlichen Manne auf diesem Wege stellen. Die Wahhabiten, die vor allen Räubern, ausser sich selbst, einen gerechten Abscheu haben, haben hin und wieder versucht, die Strassenräuber von Faruk zu Paaren zu treiben, bisher aber ohne grossen Erfolg. Gegen Mittag stiegen wir in das Thal hinab, ritten nicht ohne einige Bangigkeit quer durch, erklommen gegen Sonnenuntergang das jenseitige Ufer und wanderten dann dem Küstengebirge von Hasa zu. Denn auch hier ist die Wüste durch jene kahle und schroffe Bergkette von dem Meere getrennt, welche das ganze, oder wenigstens beinahe das ganze Arabien ringsum einfasst, von 'Akabah im Nordwesten an, die ganze Länge des rothen Meeres entlang, bei 'Aden und Nakab-el-Haggar sich wendet und bis Räs-el-Hadd am indischen Ocean und endlich an der Küste von 'Oman und dem persischen Meerbusen hinaufläuft, bis beinahe an dessen nördlichstes Ende. An manchen, aber nur wenigen Stellen lässt sie eine Lücke; die Höhe ist zum grössten Theil nicht bedeutend, kaum über tausend Fuss, einige Mal aber, wie z. B. in 'Oman, erreicht sie eine Höhe von sechstausend Fuss über der Meeresfläche, während sich die Kette zu gleicher Zeit zu einem weiten Berglande ausbreitet. Wadi Faruk gegenüber erreichen die Berge, nach meiner sehr oberflächlichen Beobachtung, etwa vierzehnhundert Fuss über der Meeresfläche, und etwa vierhundert über der westlich gelegenen Wüste, welche sonach etwa tausend Fuss über dem Meere liegt. Die Berge von Hasa enthalten hie und da Kalkstein, ihre Hauptbestandtheile aber sind, wie ich glaube, Granit und Sandstein mit Quarz und Basalt an einzelnen Stellen. Die Seiten 137 sind oft von Höhlen durchbrochen und der ganze Anblick im höchsten Grade öde und wunderlich. Seit drei und einem halben Tage hatten wir kein frisches Wasser angetroffen, unser Vorrath ging zu Ende und Abu-'Ejsa eilte daher, das Ziel unserer Reise zu erreichen. Aehnliche Gründe hatten nicht weniger mächtig auf El-Ghannäm und dessen Gefährten gewirkt, die uns hier wieder einholten; wir machten Frieden, und eilten nun gemeinschaftlich den von den Strahlen der untergehenden Sonne vergoldeten Bergen zu. Es war bereits finster, als wir die vordersten Höhen erreichten, welche nach dem einen kleinen, in den Bergschluchten versteckten Ghär, den Namen Thenijat-Ghär erhalten haben. Von hier überblickten wir die Ebenen von Hasa, konnten aber in den täuschenden Strahlen des aufgehenden Mondes nichts genau unterscheiden; es war, als schaueten wir in einen grossen milchweissen See. Nach einem Aufenthalte von einer Stunde und nachdem wir unsere Abendmahlzeit gehalten, ging es wieder fort, über Berg und Thal, an der steilen Seeseite des Gebirges, auf einem sich windenden Wege, beinahe tausend Fuss hinunter auf die Ebene von Hasa und in die warme feuchte Luft der Seeküste. Der Boden schimmerte weiss im Lichte des Mondes und bot unseren Dromedaren wieder festen Fuss, die durch neue Munterkeit an der Freude ihrer Reiter theilzunehmen und zu verstehen schienen, dass die Ruhe nahe sei. Wir waren in der That alle so begierig, unter Dach und Fach zu kommen, dass wir, obwohl die Stadt Hofhüf noch volle fünfzehn Meilen weit nordöstlich lag, die Ruhe, welche uns die nahen Hütten von Ghowejr, am Fusse des Passes, oder das Dorf Scha'abah, etwa' fünf Meilen weiter rechts, bieten konnten, ver-schmäheten, und immer vorwärts nach der Hauptstadt drängten. Und hier würden wir in der That alle auf einmal noch vor Tagesanbruch angekommen sein, wenn nicht ein eigenthümlicher Zufall die bei weitem grössere Anzahl unserer Gefährten zurückgehalten hätte. Bald nachdem die Felsen hinter uns die Wüste und Centraiarabien vielleicht für Jahre, vielleicht für immer, unseren Blicken entzogen, während vor uns und um uns herum die unbestimmten Wellenlinien und ungewissen Zwischenräume der grossen Ebene von Hasa lagen, bemerkten wir auf einem Abhänge nicht weit vor uns einige grosse schwarze Flecke, die scharf von dem weiss glänzenden Boden ringsherum abstachen und zugleich wurde unsere Aufmerksamkeit auf ein 138 eigenthümliches Schwirren, wie von fliegenden Hornissen, dicht auf dem Boden hin, gezogen, während unsere Dromedare hupften und sprangen, als ob sie plötzlich toll geworden wären. Die Ursache von diesem Allen war ein grosser Heuschreckenschwarm, der sich auf seiner Wanderung von seiner Heimath, der Dahnä, nach Norden hier niedergelassen hatte-, ihr Lager dehnte sieh weit und breit aus, und wir hatten ihre Vorposten gestört. Diese Insekten pflegen sich nach Sonnenuntergang auf den Boden zu setzen und hier, von der kühlen Nachtluft halb betäubt, die Strahlen der aufgehenden Sonne zu erwarten, deren Wärme sie wieder zum Leben und in Bewegung bringt. Diesmal thaten unsere Dromedare das Werk der Sonne, und es lässt sich schwer sagen, wer von beiden mehr erschrocken war, ob sie oder die Heuschrecken. Es war wirklich lächerlich zu sehen, wie ein so grosses Thier aus Furcht vor einem harmlosen Insekt, das nicht einmal einen Stachel hat, den Verstand verlor; von allen furchtsamen Geschöpfen* kommt an Feigheit keines dem „Schiffe der Wüste" gleich. Wenn sich aber auch die Thiere fürchteten, so war dies bei ihren Herren keineswegs der Fall; ich glaubte vielmehr wirklich, diese würden vor Freude den Verstand verlieren. Heuschrecken sind hier ein Nahrungsmittel, ja, ein Leckerbissen, und in Arabien fleht man ebenso inbrünstig zum Himmel um einen guten Schwärm, wie man in Syrien und Indien um Abwendung desselben betet. Dieser Unterschied des Gefühls hat verschiedene Gründe; ein Hauptgrund ist die Verschiedenheit der Insekten selbst. Die Heuschrecke des Inneren Arabien ist sehr verschieden von allen desselben Genus, welche ich anderwärts gesehen habe. Die im Norden sind klein, von blassgrüner Farbe und haben grosse Aehnlichkeit mit den bei uns gewöhnlichen Heupferdchen. Sie werden, so viel ich weiss, in Syrien, Mesopotamien und Irak nie gegessen, weder von Beduinen noch auf den Dörfern, und ich glaube überhaupt nicht, dass sie essbar sind, ausser wenn etwa der äusserste Hunger dazu zwingt. Wie die Bienen haben sie eine Königin, deren Grösse im Verhältniss zu ihrer Majestät steht; aber auch in dieser Beziehung wie die Bienen, schwärmt die Heuschreckenkönigin nicht, sondern lebt in Zurückgezogenheit. Die arabische Heuschrecke hingegen ist ein röthlichbraunes Insekt, zwei- bis dreimal so gross wie die nördlichere und sieht beinahe aus wie eine grosse Gar-nate, und ist so gross und ungefähr so dick wie ein kleiner Finger eines Mannes. Bei diesen Heuschrecken habe ich nie eine Königin gesehen, noch davon gehört; sie scheinen zu der Species zu gehören, welche in der Bibel, im vorletzten Kapitel der Sprüche Salomo's „Arbah" genannt wird. Die Namen Gandeb und Geräd werden diesem Insekt 139 von den Arabern ohne Unterschied beigelegt, ich glaube aber der erste Name ist gewöhnlicher. Die langen Hinterbeine werden „Keraa'" genannt. Die Heuschrecke soll gekocht oder geschmort ein grosser Leckerbissen sein und wird daher in grosser Menge verzehrt, ich konnte mich jedoch nie überwinden, sie zu kosten, trotz aller Anpreisungen der Landeseingebornen, die alle Finger darnach leckten. Barakät versuchte es einmal und nicht wieder und meinte, sie schmecken ölig und ekelhaft. Der Schwärm, welchen wir jetzt vor uns hatten, kam unseren Arabern wie vom Himmel gesendet; Durst, Müdigkeit, Alles war vergessen, die Reiter sprangen von ihren hüpfenden Kamelen, einer breitete seinen Rock, ein anderer einen Sattelsack, ein dritter sein Hemd über die unglücklichen Geschöpfe, die zu seinem Morgenmahle bestimmt waren. Einige flogen schwirrend zwischen unseren Füssen durch, andere wurden gefangen und in Tüchern und Säcken zusammengebunden. Ich und ebenso Barakät hatten jedoch wenig Lust, die Jagd mitzumachen uud zum Glück hatte auch Abu-'Ejsa noch so viel syrischen Geschmack, um unserer Meinung zu sein. Wir Hessen also unsere Gefährten bei ihrer Arbeit und trieben unsere noch unruhigen Dromedare in der Richtung nach Hofhüf zu und in möglichster Eile über die Ebene. Dreizehn bis vierzehn Meilen ritten wir so weiter und kamen bei dem kleinen Dorfe 'Ejn-Negm oder „Sternquell" vorbei, dessen Hütten im Mondschein einen schwarzen Schatten auf die weissen Felsen unter Ghowejr warfen. Hier war vor noch nicht langer Zeit eine grosse schwefelhaltige Quelle, berühmt durch ihre heilende Kraft bei Hautkrankheiten und Lähmung durch Schlagfluss, obwohl ich an der Richtigkeit der letztern Angabe zweifeln möchte. Vielleicht sind einige zufällige Genesungen vorgekommen, die man für Heilungen gehalten hat. Nach dem gewöhnlichen Glauben war 'Ejn-Negm ein Universalmittel für alle zerrütteten Gesundheiten. Eine offene Kuppel war von früheren Generationen über der Quelle errichtet worden und ringsherum Badezimmer erbauet. Von allen Seiten strömten Fremde hierher und fanden oft die Gesundheit, welche sie suchten, bis der Ort, als ein Zusammenfluss von allem aus der ganzen Umgegend, den 140 Verdacht der Regierung in Riad auf sich zog. In Folge dessen erging, etwa drei Jahre vor unserem Besuche, der Befehl, die Kuppel und Bäder zu zerstören, und die Quelle mit Steinen zu verschütten, damit nicht, so lauteten die Worte Fejsals in seinem orthodoxen Ferman, „die Leute lernen möchten, ihr Vertrauen mehr auf das Wasser, als auf Gott zu setzen, was Götzendienst wäre". Der kaiserliche Befehl wurde ausgeführt, und die Ruinen des „Kubbah" oder der Kuppel, nebst dem heissen Strome, der noch jetzt unter den Trümmern hervorquillt, sind übrig geblieben, um Zeugniss abzulegen von der Güte des Schöpfers, der dummen Engherzigkeit des Wahhabiten und dem Unglück eines Landes, wo Bigoterie das Ruder führt. Es ist eine alte Geschichte, die nicht in Arabien allein vorkommt. Weiter hin bekamen wir noch ein anderes kleines Dorf zu Gesicht, dessen Namen ich vergessen habe. Aber erst gegen Morgen sahen wir in unbestimmten Umrissen die langen schwarzen Linien der unermesslichen Dattelhaine, welche Hofhüf umgeben. Dann uns zwischen Reis- und Getreidefeldern hindurchwindend, Hessen wir zu unserer Rechten ein einzelnes Fort (welches bei Tageslicht beschrieben werden soll), kamen bei einigen einzelnen Landhausern und Gärten vorbei, näherten uns den zerstörten Stadtmauern und zogen durch das südliche, jetzt unbewachte und offene Thor ein. Noch einige Gassen, und wir befanden uns vor dem Hause Abu-'Ejsa's, wo wir die ersehnte Ruhe finden sollten. Dreizehntes Kapitel. Von Hofhüf nach Katif. 141 Abu-'Ejsa's Haus — Charakter der Einwohner von Hasa im Allgemeinen — ihre Abneigung gegen die Wahhabiten — Verbreitung der karmathischen Lehre in Arabien — ihr Einfluss auf Hasa — unsere Wohnung in Hofhüf — Beschreibung der Stadt — Kot — Kejsarijah — Rifej'rjah — Na'uthar — Befestigungen — Khotejm — Umgebung von Hofhüf — heisse Quellen — Erdbeben — Natur des Bodens, Vegetation — Abnahme des Ackerbaus, der Gewerbe und des Handels — Klima — Nabathäische Verskunst — die Nabathäer — wer sie waren — unpassende Benennung — Litteratur in Hasa — Kleidung — Schmuck — Lustpartie nach Moghor — Unser Leben in Hofhüf — Abende in Gesellschaft — Abneigung gegen den Islam und die Wahhabitenregierung — Negdäische Spione — Markt in Hofhüf — Mebarraz — Burg und Stadt — Inneres eines Hauses — Gärten und Pflanzungen — die Khalus-Dattel — Omm-Sabaa' — Beschreibung der Quelle — arabisches Picknick — Gewässer von Hasa — Frauen — arabisches Geld — Münze in Hasa — Abreise von Hnfhüf — ein Unfall — Keläbijah — Strasse nach Norden — Charakter der Landschaft — Gebel-Muschakhar — Beduinen — 'Azmiah — Berge von Katif — die Ebene — eine Wasserleitung — die Stadt Katif — Burg — das Meer — der Hafen — FejsaFs Flotte — Farhät, der Statthalter von Katif — der Palast Karmuts — Farhut's K'huwah — Umgebung von Katif— Ruinen — Halbpersische Abendmahlzeit — Lebensweise der Negdäer in I£atif — Einschiffung nach Moharrek. Der Tag war noch nicht angebrochen; auf der Strasse und in dem Hause, vor dessen Eingange wir standen, herrschte noch tiefe Stille; ja, niemand als der Herr eines Hauses konnte daran denken, um diese Stunde Einlass zu begehren, und Abu-'Ejsa wurde jetzt keineswegs erwartet. Nach langem Klopfen endlich fing es an im 142 Hause lebendig zu werden; zuerst hörte man den lauten Freudenruf der Gattin, die Thür wurde geöffnet und Abu-'Ejsa führte uns durch einen finstern Gang in das K'häwah. Hier machten wir Feuer und legten uns zum Schlafen nieder, nachdem wir vorher einen kleinen Imbiss genommen. Unser Aufenthalt in Hofhüf war angenehm und interessant, zwar ohne persönliche Abenteuer, aber Alles, was uns hier umgab, hatte den Reiz der Neuheit. Abu 'Ejsa suchte uns so viel in seinen Kräften stand Gelegenheit zu verschaffen, Land und Leute kennen zu lernen, und traf alle Vorsichtsmassregeln, um uns vor Gefabren und Unannehmlichkeiten, wie wir früher auf unserer Reise erfahren hatten, zu bewahren. Der Charakter der Einwohner von Hasa ist im Allgemeinen sehr von dem der Bewohner des Neged und selbst von Schomer und Gauf verschieden und der Fremde wird sich hier weit leichter heimisch fühlen. Als Bewohner eines Küstenlandes, die auf den Verkehr mit fremden Ländern und das Meer angewiesen und gewohnt sind, Leute von fremden Sitten und fremder Tracht und anderer als ihrer Religion unter sich zu sehen, oder die selbst Reisen nach Basrah, Bagdad, Bahrejn, 'Oman, zuweilen selbst noch weiter unternehmen, betrachten sie den Fremden ungleich weniger mit jener argwöhnischen Verwunderung, die den abgelegenen von der Wüste umgürteteten Ländern des mittlem Arabien eigen ist, denn Erfahrung, die beste Lehrerin, hat die Intoleranz und nationale Aversion vergessen lassen. Aber auch abgesehen von diesen äusseren Einflüssen ist der Charakter der Ein- 143 wohner von Hasa weniger abgeschlossen und schroff. Der Wahha-bäismus besteht allerdings, aber nur bei Wenigen, welche die herrschende und verhasste Klasse bilden, und trägt durch eine natürliche Reaction nur dazu bei, die grosse Masse der Einwohner einem Systeme nur noch abgeneigter zu machen, dessen Schattenseite sich ihnen nicht allein in der Theorie, sondern noch mehr durch häufige uud bittere Erfahrung zeigt. Ja, der Mohammedanismus selbst ist hier nur an der Oberfläche vorhanden und hat keine tiefen Wurzeln geschlagen, und es giebt Viele, die den Islam in seiner gewöhnlichen Form eben so sehr hassen, wie den Wahhabäismus. Was ist nun aber hier der eigentlich herrschende Ton und Tendenz des Glaubens und der Sitte? Diese Frage ist nicht leicht zu beantworten, und die Antwort vielleicht nicht weniger leicht zu verstehen, ohne eine gewisse vorhergehende Kenntniss und Forschung, die eine für den Umfang dieses Werks zu schwierige Auseinandersetzung erfordert; ich will jedoch versuchen, die Sache hier in der Kürze deutlich zu machen. Seit der Zeit des grossen Schisma, welches im ersten Jahrhundert des Islam die mohammedanische Welt in zwei grosse Lager theilte — nämlich die Sonni oder Orthodoxen und die Schija'i oder die Faction 'Ali's und seiner Familie, eineFaction, welche Alles, was zu dieser Rasse gehört, einschloss und mit ihrer eigenthümlichen und mystischen Lehre befruchtete — hat Hasa, nebst den Nachbarländern, nördlich bis an die Ufer desEuphrat und Tigris, zu der letzteren oder schiitischen Partei gehört und verhältnissmässig an allen weltlichen Schicksalen und geistigen Phasen theilgenommen, durch welche der Familie der Fatemiten und ihrer Anhänger zu gehen bestimmt war. Aber während die Heere der Ommaijaden und namentlich die Grausamkeiten des blutdürstigen und abscheulichen Heggäg die Schija'is aus Kufa und Basrah zurückdrängten, blieb Hasa, im Schutze der dazwischenliegenden Wüste glücklicher, mehr sich selbst überlassen, und seine Bewohner behielten ihre Sitten und Grundsätze ohne grosse Belästigung von Seiten der siegreichen Sonni. Nach Hasa flohen daher die vertriebenen Schüler Mosejlemahs, die versprengten Truppen des Abu-Na'ämat-el-Katari, die Krieger des tapfern SchebibAbued-Dokhäk, die Wenigen, welche die Wunder und die Burg des 'Ata-el-Khorasäni (bekannter unter dem Namen Mokannaa', oder der „verschleierte" Prophet) überlebten und viele Andere fanden 144 hier Schutz, und Alle brachten neue Feindschaft gegen den Islam und bitterern Hass gegen mohammedanisches System und Herrschaft mit in das Land. Die Trennung Hasa's von dem grossen Körper, dessen Bildner zugleich und Halt die Araber des Hegäz waren, wurde auch durch den Unterschied der Abkunft begünstigt. Die ersten bekannten Colonisten an dieser Küste waren die Benu-Khälid und Benu Hagar, beides Stämme von Kahtän und daher wenig sympathisirend mit den Arabern, welche Geschichte oder Mythe zu Nachkommen lsmaels machen. Zu den beiden genannten Stämmen kam noch die zahlreiche Familie Fezärah, allerdings von negedäischer Abkunft, aber durch lange Kriege und bittere Feindschaft aus Neged verbannt, und eben so wenig geneigt, mit den Hegäzi's und deren Khalifen zu fraternisiren, als die Kahtänis selbst. Endlich die Stämme Kelb (Todfeinde von Koreisch), Beli, Tenükh und zahllose Verzweigungen von Kodaa', der edelsten und hochherzigsten unter den Kindern Kahtän, hatten sich über die ganze östliche Küste zwischen Katar und Basrah verbreitet und selbst noch weiter nördlich. Diese waren unter allen die letzten, welche den Islam annahmen und die ersten, die ihn wieder abwarfen. Endlich die Nähe von Persien und die berauschende Atmosphäre der persischen Mystik waren hier sehr fühlbar; und dies scheint der Fall selbst in den entferntesten Zeiten gewesen zu sein, auf welche der unsichere Schimmer der Legende gerade genug Licht wirft, um sie dem völligen Dunkel zu entziehen. Kurz, Hasa, früher ebenso wie 'Oman, eine Festung des Sabäismus und jetzt dem Islam nur durch Gewalt unterworfen, war nichts weniger als ein der maho-medanischen Orthodoxie günstiger Boden. Verschiedenartige Gährungen, und theilweise aber eben deshalb unwirksame Aufstände fanden während der beiden ersten Jahrhunderte des Islam in dieser Provinz statt. Ich übergehe diese hier, um zu dem grossen Ausbruche zu gelangen, an dessen Spitze Abu-Sa'id-el-Genäbi stand — gewöhnlich unter dem Namen El-Karmüt bekannt —, ein Name, der eben so berühmt ist wie sein Ursprung dunkel, und von dem die europäische Benennung seiner Anhänger Kar mathen 145 herkommt. Umsonst sendete der Khalif Ma'tedad-b-'IUah von Bagdad im Jahre 287 der Hegirah sein grösstes Heer unter den tapfersten Führern, um die Flamme im Enstehen zu ersticken. Die Heere des Islam wurden in der Schlacht am Gebel Moghäzi von den wütlienden Karmathen in Stücke gehauen, die im Hasse gegen Alles, was mohammedanisch war, so weit gingen, alle lebendigen Gefangenen zu verbrennen und nur einen einzigen Offizier am Leben Hessen, den sie nach Bagdad entsandten, um dort das Schicksal seiner Gefährten zu erzählen. Abu-Sa'id-el-Karmüt, nicht mehr durch die Furcht vor den Heeren der Abbasiden zurückgehalten, brach mit seinen Anhängern aus Hasa vor und dehnte seine Verheerungen weit über Mesopotamien und selbst Syrien aus. Ihm wird die Erbauung der grossen Burg in Katif zugeschrieben, wo länger als 800 Jahre seine Nachkommen hausten; aber die Kriegsthaten seines Sohnes und Nachfolgers Abu-Tähir Solej man setzten die des Vaters in den Schatten. Nun folgten die schrecklichen und verheerenden Kriege, durch welche der Mohammedanismus in zwei Drittheilen Arabiens unterdrückt wurde und die selbst dessen Fortbestehen in den übrigen Ländern des Orients in Frage stellten. Mit dem Schwerte seines Vorgängers Ga'ünat-el-Katari (des ersten Oberhaupts des Khowarig im sechzigsten Jahre der Hegirah) in der Hand, und dessen Versen im Munde — von denen Ebn - Khallikän sagt, sie würden den grössten Feigling, den Gott erschaffen, zu einem Helden machen — hielt Abu-Tähir-el-Karmüt den zitternden Khalifen in Bagdad eingeschlossen, bedrohte die Citadelle von Aleppo und füllte den Umkreis der Ka'abah und den Brunnen Zemzem mit mohammedanischen Leichen. Ich habe oben einige Proben arabischer Liebeslieder gegeben, hier werden vielleicht meinen Lesern einige Verse aus den Kriegsgesängen des Ga'ünat-el-Katari und Abu - Tähir - Solejmän nicht unangenehm sein, um so mehr, da sie neben dem poetischen zugleich historisches Interesse haben. Ich sage zu meiner Seele, wo scheu in Funken sie stob vor dem Kampf: o sei du nur unbetreten! Denn über die Frist vom Schicksal bestimmt, du könntest die Dauer nicht eines einzigen Tags erbeten. Darum o Geduld in Kreisen des Tods, Geduld nur! um ewiges Leben wird hier umsonst gebeten. Kein Ehrengewand ist auch das Gewand des Daseins, weil Feiglinge sonst und Memmen es an nicht thäten. Von Allem, was lebt, das Ziel ist der Pfad des Todes; der Rüster desselben rufet in Land und Städten, Und wer nicht erliegt in Fülle der Kraft, der altert; 148 statt früher Geschicke geht er entgegen späten. Das Leben ist ohne Werth für den Mann, sobald er sich siehet gezählet zu müssigen Hausgeräthen.*) Aber die Kriege, die Erfolge, die verschiedenartigen Schicksale dieser mächtigen Sekte, welche von el-Karmüt den Namen erhielt, sind ein Gegenstand der allgemeinen Weltgeschichte und können in den Jahrbüchern des Orients hinglänglich studirt werden. Es war eine mächtige Anstrengung des menschlichen Geistes, die Bande des Formalismus und theokratischen Fanatismus zu brechen, und seine angebome Freiheit und ungefesselte Thätigkeit wieder zu behaupten; wie die meisten solcher Anstrengungen überschritt sie ihr Ziel. Aber als nach einem Kampfe von länger als einem Jahrhundert das Glück des Islam die Oberhand behielt, als der schwarze Stein mit Rosenwasser abgewaschen und wieder in die Ka'abah gebracht war, als der grosse unitheistische Glaube über seinen wilden rationalistischen Gegner triumphirt hatte, war während des Kampfes Vieles zu Grunde gegangen, was in der Folge nicht wieder ersetzt werden konnte, und es blieben Ruinen, die keine Gesetzgebung oder Autorität wieder aufbauen konnte; vor Allem aber, der ursprüngliche Heerd und Mittelpunkt des Ausbruchs blieb, wie gewöhnlich in solchen Fällen, unwiederbringlich der Wiederherstellung des alten Zustandes verloren. Die Gebirge des Valais, die Wälder Böhmens, die Umgegend von Paris können als uns näher liegende Beispiele aus neuerer Zeit angeführt werden. In Arabien unterlagen die Provinzen Hasa und Katif demselben Gesetz der Ereignisse; der Distrikt blieb für immer dem *) Hamasa, übersetzt von Friedrich Rückert. Th. I. S. 18. Das arabische Versniass ist Wäfir: Islam entfremdet, ein Haufen moralischer und religiöser Ruinen von karmathischen und esoterischen Lehren, wo Naturalismus, um einen modernen Ausdruck für eine alte Sache zu gebrauchen, und Materialismus mit schiitischen Transmigrationen und Incarnationen gemischt und untermengt waren , und mit den nun wieder auflebenden Ueber-resten eines alten Sabäismus, und einem Fetischismus, der unter den niederen und ungebildeten Klassen über die ganze Erde verbreitet ist, obwohl in verschiedenen Formen und unter verschiedenen Namen. Das Christenthum hat auf dem Festlande von Hasa niemals Fuss fassen können, obwohl es einmal auf den nahen Inseln von Bahrejn die Oberhand hatte, und nur geringe Spuren desselben sind in dem, was wir von der spätem Geschichte dieser Küste wissen, oder unter der gegenwärtigen Bevölkerung noch erkennbar. Industrie, Handel, Ackerbau und Künste, von der geographischen 147 Lage und den localen Hülfsquellen Hasa's begünstigt, blüheten und beschäftigten den Geist der Einwohner, die, zufrieden mit der Trennung von Mekka und von Bagdad, die ungestörten Vortheile einer politischen und religiösen Unabhängigkeit genossen. Ueberreste aus früherer und aus späterer Zeit, merkwürdig als Denkmäler der Macht und Kunst, bedecken das Land von Hasa und bezeugen den materiellen Wohlstand vergangener Zeiten. Als der Wahhabäismus zuerst in Neged auftrat, waren dessen erste und am weitesten sehende Gegner, wie wir bereits bemerkt haben, die Beherrscher der östlichen Küsten. Aber nicht im Stande, der Uebermacht lange zu widerstehen, wurden sie besiegt, und diejenigen von den einheimischen Häuptlingen, welche dem Schwerte Ebn-Sa'üds entgingen, flohen theils nach Persien, theils in die Wüste bei Kowejt, und Viele in die entfernte Provinz Harik und überliessen ihr Land den kühnen Bergbewohnern des Innern als eine hülflose Beute. Der Islam wurde jetzt in ganz Hasa und Katif mit Zwang eingeführt; überall wurden Moscheen erbaut und Gebete wurden gesagt von Leuten, die ihr Gesicht nach Mekka wendeten und ihre Stimme in Formeln des Koran erhoben, während sie im Herzen den Propheten, sein Buch und seine Religion verfluchten. Sobald Ibrahim Pascha das Reich von Neged unterworfen hatte, erhielt Hasa seine bürgerliche und religiöse Freiheit wieder, und im Vertrauen, in dem ägyptischen Protektorat eine Gewähr für dieselben zu finden, boten die Einwohner Isma'il Pascha, als er den Osten besuchte, sich selbst als Verbündete an. Aber die neuen Beherrscher, durch ihre Erfolge übermüthig, vergassen in Arabien die Lehren der Mässigung, welche ihnen in Kairo eingeschärft worden waren und verfuhren in Hasa nach einem Systeme, welches mehr Aehnlichkeit mit dem der alten Mamluken hatte, als mit dem Mohammed-Ali's. Sie behandelten das Volk als unterworfene Sklaven, nicht wie freiwillig Verbündete, legten ihnen willkürliche Steuern auf, brandschatzten die Häuser der Wohlhabenden, warfen die Vornehmen unter nichtigem Vorwande in's Gefängniss, zwangen die angesehensten Bürger von Hofhüf knechtische und entwürdigende Geschäfte zu verrichten und beschimpften sogar die Frauen in den Strassen der Stadt. Dies konnte nicht lange so bleiben. Ein mörderischer Aufstand vertrieb die Aegypter für immer aus dem Lande und Hasa erlangte für eine kurze Zeit seine frühere Unabhängigkeit wieder. Als nach einigen Jahren die wahhabitische Dynastie mit Turki wieder auf den Thron gelangte und durch Fejsals vorsichtigen Des-148 potismus etwas von ihrer ersten Kraft wieder gewann, wurde die Unterwerfung Hasas noch einmal beschlossen und durchgeführt, obwohl nicht ohne einen langen und blutigen Krieg, in welchem, wenn ich mich recht erinnere, Fejsal in eigener Person die von seinem Sohne 'Abd-Allah geleiteten Operationen unterstützte. Die Mauern Hofhüfs und anderer Städte wurden zum Theil niedergerissen, die Festungen geschleift und manche Ortschaften ganz zerstört, dagegen aber alte Moscheen wieder hergestellt, neue erbaut und ein Anstrich von Orthodoxie über die religiöse Nacktheit des Landes verbreitet. Seitdem ist die Sache so geblieben. Einstweilen glimmt die karmathische Reaction im Verborgenen unter der Asche fort und wartet nur auf eine Gelegenheit, um mit frischer Flamme vorzubrechen, die vielleicht zum letzten Male den Oberbau von Wahhabäismus und Islam zerstören kann. Aber durch die ganze Breite der Halbinsel von Aegypten getrennt, mit der türkischen Herrschaft von Bagdad nicht sympathisirend und ohne Hoffnung auf Hülfe von Seiten Persiens, können die Häuptlinge Hasa's sich für jetzt nur darauf beschränken, sich bereit zu halten, einen Befreier zu bewillkommnen, ohne zu wissen, von woher sie ihn erwarten sollen, und auf Pläne zu einem Aufstande zu sinnen, welche, bei dem erdrückenden Uebergewicht Negeds, ohne Hülfe durchzuführen unmöglich ist. Dies mag hier genügen als allgemeine Uebersicht der nationalen Verhältnisse dieser Provinz; die Details, welche unser Aufenthalt liefern wird, werden das Gemälde einigermassen vervollständigen. Als wir erwachten, erwartete uns ein vortreffliches Frühstück von gebratenem Geflügel, Reis, Pasteten, — seit Gaza ein unerhörter Luxus — welche die culinarische Kunst unserer abyssinischen Wirthin, Abu-'Ejsa's Frau, bereitet hatte. Letztere war eine gutmüthige, ziemlich gedankenlose Person, wie die meisten ihrer Landsmänninnen, und wir befanden uns in einer bequemen Wohnung, die sich ganz zu der ruhigen Lebensweise schickte, die wir hier einige Wochen lang führen wollten. Das K'häwah war klein und behaglich und konnte nur etwa zwanzig Gäste fassen; neben demselben befand sich ein grösseres Zimmer, welches Abu-'Ejsa zu unserer Wohnung eingerichtet hatte und aus dem wir in den Hof treten konnten. Zu beiden Seiten desselben waren noch zwei geräumige Zimmer, von denen das eine zu unserer Disposition stand, das andere diente als eine Art Kinderstube und war der gewöhnliche Aufenthalt unserer braunen Wirthin mit ihrem Sohne und Erben. Ausserdem waren in dem Erdgeschosse noch zwei getrennte Zimmer, in welche das stärkere Geschlecht keinen 149 freien Zutritt hatte, und eine Küche; im obern Stock waren drei leere unmöblirte Zimmer. Auf dem grossen flachen Dache war in den Morgen- und Abendstunden ein angenehmer Aufenthalt. Die Stadt Hofhüf ist ziemlich ansgedehnt und hatte vor etwa dreissig Jahren gegen dreissigtausend Einwohner, jetzt aber nur drei-bis vierundzwanzigtausend und ist in drei Quartiere eingetheilt, nämlich IL 8 das Kot oder die Festung (ein Fremdwort, welches von den Ufern des Kischna und Tapti hier eingeführt ist), wo der wahhabitische Statthalter residirt; das Quartier der Refej'ijah, wo der grössere Theil der älteren und vornehmen Familien wohnt, und das Na'äthar, das grösste der Ausdehnung nach, mit einer gemischten Bevölkerung aus allen Klassen. In letzterm lag unsere Wohnung, fern von dem Kot und dessen unheimlichen Einflüsse und ebenfalls entfernt genug von der unruhigen Nachbarschaft der Refej'ijah, dem Centrum der anti-wahhabitischen Bewegungen, dessen Name schon in negdäischen Gemüthern Misstrauen und Unruhe erregt. Die Stadt hat die Gestalt eines grossen Ovals; der öffentliche Platz, ein längliches Viereck von etwa dreihundert Yard Länge und gegen achtzig Yard Breite, nimmt die Mitte der Stadt ein,"an der Stelle, wo die drei obengenannten Quartiere an einander grenzen. Das Kot liegt gegen Nordosten, Refej'ijah gegen Nordwesten und Westen und das Na'äthar gegen Osten und Süden. Das Kot selbst ist eine grosse Citadelle, von einem tiefen Graben umgeben, mit Mauern und Thürmen von ungewöhnlicher Höhe und Dicke, von Erde mit untermischten Steinen erbaut, ein Werk der alten karmathischen Herrscher; es bildet beinahe ein Viereck und ist etwa eine Drittelmeile (engl.) lang und eine Viertelraeile breit. Drei löoSeiten dieser Festung haben jede ein Thor in der Mitte; die vierte oder nördliche Seite bildet eine kleine aber starke Festung für sich, ein Viereck mit Thürmen von mehr als vierzig, vom Grunde des äussern Grabens aus gerechnet vielleicht sechzig Fuss Höhe. Hier wohnt der negdäische Statthalter, früher Mohammed-es-Sedejri, jetzt aber einer von Fejsals Negern, Namens Beläl, ein guter Sklave, aber schlechter Herrscher. Hier befindet sich auch die orthodoxe Muster-Moschee, in welcher Alles nach der correctesten wahhabitischen Weise vor sich geht. Hier wohnen die von Riad hergeschickten Metow'waa's und Zeloten, und andere Negedäer aus 'Aared, Woschem und Jemämah. In dem Kot wohnt ausserdem noch eine Bevölkerung von zwei bis drei Tausend Seelen, denn der ganze Raum, bis in die innere Linie der Mauern, ist dicht bewohnt und von Strassen durchschnitten, die von Thor zu Thor und von einer Seite zur andern gehen und sich im rechten Winkel durchschneiden. Die Thürme, fünfzehn oder sechzehn an jeder Seite des Kot, sind meistens rund mit Wendeltreppen und unter den Zinnen mit Schiessscharten versehen; ähnliche Vertheidigungsmittel haben auch die zwischen den Thürmen hinlaufenden Mauern. Der äussere Graben ist zum grössten Theil trocken, kann aber, wenn es nöthig ist, aus den Brunnen in den Gärten mit Wasser gefüllt werden. Die Thore sind fest und gut bewacht. An der gegenüberliegenden Seite des Vierecks, und sonach zu dem Quartier Refej'ijah gehörig, ist der überwölbte Marktplatz, oder Kejsarijah, ein Name, welchen Bauwerke dieser Art selbst bis Mascat hin führen, obwohl ich nicht erklären kann, wie dieser lateinische Name den Weg quer durch die ganze Halbinsel gefunden hat, in Gegenden, welche mit dem römischen oder byzantinischen Reiche nur in sehr geringen Handelsbeziehungen standen. Es ist ein langer, rund gewölbter Säulengang mit einem Portal an beiden Enden. Die Flttgel-thüren, welche an anderen Orten den Eingang beschützen, sind hier in Hofhüf weggenommen worden. Die Seiten bestehen aus Läden, in denen man ausschliesslich Kostbarkeiten findet, oder was hier für Kostbarkeit gilt, wie Waffen, Kleider, Stickerei, goldner und silberner Schmuck und Aebnliches. Um die Kejsarijah führen mehrere ziemlich symmetrisch geordnete Gänge, die zum Schutze gegen die Hitze mit Palmenblättern gedeckt sind. In den Läden finden wir hier Waaren aus Bahrejn, 'Oman, Persien, Indien, inländische Fabrikate; auch die l5* Werkstätten der Schmiede, Zimmerleute und Schuhmacher sind hier. In dem offenen Viereck selbst stehen zahllose Buden mit Datteln, Gemüsen, Brennholz, eingesalzenen Heuschrecken und allerlei anderen Waaren. Tabak jedoch, früher ein gewöhnlicher Handelsartikel, ist von den wahhabitischen Sittenwächtern proscribirt und darf nicht mehr das Auge beleidigen. Er wird jedoch im Geheimen verkauft, und die Redensart, „verbotene Frucht ist süss", bethätigt sich auch hier, denn die Vorräthe sind bedeutend und an Käufern fehlt es nicht. In dem Viereck werden oft öffentliche Versteigerungen gehalten; auch die Barbiere haben hier ihre Stände, desgleichen viele Schmiede und Schuhmacher, obwohl letztere sich auch in vielen anderen Theilen der Stadt finden. Trotz des ertödtenden Einflusses der Tyrannei und Bigoterie herrscht bei dieser von Natur geschickten und fleissigen Bevölkerung grosse Thätigkeit. Die Refej'ijah, oder das vornehme Stadtviertel, bedeckt einen ziemlich grossen Flächenraum und hat meist leidliche, an manchen Stellen selbst hübsche Wohnhäuser. Die im Vergleich zu anderen Städten zierliche Bauart der Häuser in Hofhüf kommt von der Anwendung des Bogens, der uns seit Ma'än zuerst wieder in Hasa vorkam, und der den Bauwerken in dieser Provinz eine Leichtigkeit und Abwechselung giebt, welche in den monotonen und schwerfälligen Steinhaufen in Neged und Schomer ganz unbekannt ist. Ein anderer Vorzug ist hier, dass die Wände, sowohl von Erde als von Stein, oder ein Gemisch von beiden, wie oft der Fall, weiss getüncht sind; auch Verzierungen über den Thüren und Karniessen der Fenster sind sehr beliebt. Die Strassen dieses Quartiers sind, für ein heisses Land, breit und sehr reinlich; die in Damaskus, selbst in Beirut sind nicht um ein Viertel so gut gehalten. Dieses Quartier ist sehr gesund gelegen, auf einem etwas lehnansteigenden Boden, daher der Name Re-fej'ija oder Anhöhe, und ist dem Seewinde ausgesetzt, der hier zuweilen bemerkbar ist. Das Na'äthar ist das grösste Stadtviertel und beinahe die gute Hälfte der ganzen Stadt. Hier sieht man alle Arten von Wohnungen, — für Reiche und Arme, Hoch und Niedrig, Paläste und Hütten. Auch hier, aber nahe dem Köt, hat die fromme Staatsweisheit Fejsals eine grosse Moschee erbaut, wo maurische Bogen, leichte Por- 152 tikus, glatter Mauerbewurf und ein mit Matten bedeckter Fussboden einen Anblick boten, der an Schicklichkeit, so zu sagen, die nackte Kathedrale der Hauptstadt Riad bei weitem übertraf. In diesem Quartier zählt jedoch die wahhabitische Sekte, als solche, nur wenige Anhänger. Hier wohnen viele Kaufleute, Krämer und Geschäftsleute; hier nehmen Fremde aus Persien, 'Oman, Bahrejn, Harik und Katar ihren Aufenthalt; Weber und Handwerker leben und treiben hier ihr Geschäft. Auch der unglückliche Reisende, dessen Tod bei Derej'ijah ich oben beschrieben habe, bewohnte einige Wochen ein Haus im Na'äthar, welches uns Abu-'Ejsa zeigte. Der Unglückliche hatte sich schon durch die Wahl seiner Wohnung verrathen, denn ein echter Derwisch kennt keine andere Wohnung als die Moschee. In dem Na'äthar findet man häufiger, als in den beiden anderen Quartieren, Gärten zwichen den Häusern und hier und da streckt ein Baum seine belaubten Aeste über den Weg. Feigenbäume oder Citronenbäume sind die gewöhnlichsten. Die Befestigungen der Stadt waren einst stark und hoch, sind aber jetzt nicht viel mehr als Ruinenhaufen von abgebrochenen Thürmen und Wendeltreppen, die nirgends hinführen. Sie sind von einem Graben umgeben, der am Na'äthar voll Wasser, an der Refej'ijah aber trocken ist, wo die Wasserleitungen, durch die er mit den Brunnen zusammenhing, abgeschnitten oder verschüttet sind, vielleicht absichtlich, vielleicht aus blosser Vernachlässigung. Ausserhalb der Mauern liegen die Gärten und Pflanzungen, die sich nach Norden und Osten, so weit das Auge reicht, erstrecken, gegen Süden und Westen aber einen engern Ring bilden. Nicht weit von dem südlichen Thore steht * die isolirte Festung, bei der wir in der Nacht unserer Ankunft vorbei kamen, ein kleines aber gut gebautes Werk, an einer Stelle, wo es den Zugang der Stadt von Süden und Westen her vollständig beherrscht. Der Name Khotejm oder „Maulkorb" deutet auf seinen 153 Zweck und Charakter. Das Fort ist von neuerm Datum. Der Häuptling von Hofhüf erbauete es im Laufe des vorigen Jahrhunderts als Schutz gegen einen Ueberfall der Wahhabiten, als die Horden von Neged durch die Pässe von Ghowejr von dieser Seite her auf die Hauptstadt der Provinz zurückten. Nahe bei diesem befindet sich noch ein kleineres Fort, oder Wachtthurm, ebenso wie das Khotejm aus ungebrannten Ziegeln erbaut, die im Laufe der Zeit steinhart geworden sind. Seit siebzig bis achtzig Jahren haben diese unbedeckten Mauern Wind und Wetter getrotzt, ohne nur einen Zoll von ihrer Höhe zu verlieren , oder einen Riss zu bekommen. Von hier aus hat man, gerade nach Süden, die Aussicht über eine weite und wüste Ebene, welche die Provinzen Hasa und Katar von einander scheidet, eine natürliche Grenze, welche künstliche Grenzen zwischen den beiden feindlichen Gebieten Neged und 'Oman unnöthig macht. Eine genaue Grenzlinie müsste hier etwa zwanzig engl. Meilen südlich von Hofhüf gezogen werden. Gegen Südosten hemmen niedrige Sandhügel die Aussicht auf den Golf von Bahrejn und den Hafen von 'Agejr, die nicht sehr fern sind; gegen Südwesten erheben sich die Höhen von Ghowejr und unter diesen liegt 'Ejn-Negm und ein anderes Dorf; Scha'abah selbst kann man nicht sehen, aber oberhalb desselben erblickt man die letzten Ausläufer des Küs-tengebirgs, hier nur ein niedriger Wellenzug, der sich weiter östlich mit den Bergen von Katar vereinigt, die sich dann mit geringer Unterbrechung bis 'Oman hinziehen. Wenden wir uns gegen Westen, so haben wir eine Menge kleiner Flussbetten vor uns, nicht mehr die Brunnen von Neged, sondern fliessende Bäche, zwischen grünen Palmenhainen, und einer Vegetation, welche den halbindischen Typus hat, der diesem Theile Arabiens eigentümlich ist. Die Ebene ist mit einer Menge kleiner Dörfer besäet, bis etwa fünf oder sechs engl. Meilen gegen Nordwesten die von Höhlen durchbrochenen Felsenabhänge des Gebel-el-Moghäzi oder „Gebirge der Kriegszüge" die Aussicht verschliessen, wo in den Tagen des ersten karmathischen Monarchen, Abu Sa'id-el-Genäbi, die Heere des 'Abbas, des obersten Heerführers des Khalifen El-Ma'tedad-b-Illah zu Grunde gingen. Aber die Bergkette zieht sich wenigstens noch hundert engl. Meilen gegen Norden hin und endigt jenseits Wäb und dessen reichen Gewässern. Nördlich und östlich von Hofhüf ist nur 154 Eine grüne Masse wogenden Laubes, nur durchbrochen, wo etwa übergetretene Flüsse einen wirklichen Sumpf bilden, mit Rohr und Binsen und hochbeinigen Wasservögeln, während rings um den Rand der Sümpfe sich prächtige Palmen erheben, die mit den vorzüglichsten Datteln Arabiens, oder vielmehr der ganzen Welt beladen sind. Ein einzelner konischer Hügel, eine Laune der Natur, dessen Gipfel Spuren einer karmathischen Befestigung trägt, erhebt sich nordöstlich aus dem Niveau dieser gut bewässerten Ebene. Meine Leser werden sich jetzt, wie ich hoffe, eine leidliche Vorstellung von der Stadt Hofhüf und ihrer nächsten Umgebung machen können. Sie gewährt im Allgemeinen den Anblick eines weiss und gelben Onyx mit einer Einfassung von Smaragd. Der Name Hofhüf selbst bedeutet Glanz und Schönheit. Die Quellen und Brunnen in Hasa sind alle mehr oder weniger warm, manche so heiss, dass man kaum die Hand darin halten kann, andere nur wenig über .die durchschnittliche Temperatur; hin und wieder kann man auch einigen Schwefelgeschmack bemerken. In der That, von dem nördlichsten Ende dieser Provinz", an der Grenze von Kowejt, bis an die südlichste Grenze bei Scha'abah findet man überall Anzeichen unterirdischen Feuers. In Katar und an der Küste hinauf bis Ras Mesandem sind diese nicht vorhanden, kommen aber, wie wir später finden werden, in der Bätinah oder dem untern Distrikt von 'Oman wieder zum Vorschein. Von 'Ejn-Negm und dessen heissen Bädern habe ich bereits gesprochen. Eine fast nicht weniger merkwürdige Quelle ist 'Omm Sebaa' welche wir noch besuchen werden. Auch die Felsen bestehen hier oft aus Tutfstein und Basalt, ebenfalls ein Zeichen vulkanischer Thätigkeit. Endlich noch sagten mir die Einwohner, dass leichte Erdstösse hier durchaus nicht ungewöhnlich sind, von denen man im obern Neged nichts wusste. Ein Erdbeben ungewöhnlicher 155 Heftigkeit, von dem die Risse in den hohen Mauern und oberen Stockwerken mehrerer Häuser in der Stadt noch heute Zeugniss ablegen, soll vor etwa dreissig Jahren stattgefunden haben. Es trifft vielleicht mit der bekannten Katastrophe zusammen, durch welche im Jahre 1836 die Bewohner von Safed unter den Ruinen ihrer Stadt begraben, die grossen Steine von Kela'at-Gisch (Dschiskala) in das Thal herabgewälzt und die festen Mauern der Burg von Aleppo erschüttert wurden. Hasa gehört mit seinem Ufer am persichen Meerbusen zu jenem grossen Thale, welches, zum Theil von den Gewässern des Meerbusens bedeckt, zum Theil über diese erhoben, das Bett des Tigris und Euphrat bildet und von den Küsten von Belutschistan und 'Oman bis Kara Dagh und den armenischen Gebirgen hinaufreicht, und an dessen obern Ende Erdbeben, wie bekannt, sehr häufig sind. Auch die merkwürdige Gleichförmigkeit des Klimas in diesem langen Thale beweist, dass es ein zusammengehöriges Ganzes bildet, gewissermassen einen grossen Trichter mit heisser Luft, dessen Basis in den Tropen ist, während sein oberes Ende den 37sten Grad nördlicher Breite erreicht. Daher kommt es, dass der Senium, der in den weit südlicheren Gegenden Syriens und Palästina's unbekannt ist (meine Leser werden sich erinnern, dass der speeifische und gashaltige Semüm nicht mit dem Schiluk oder Sirocco in Syrien, Malta und Italien zu verwechseln ist), zuweilen bis Mosul und Gezirat 'Omar dringt und das Thermo meter in Bagdad im Sommer eine Höhe erreicht, die selbst in Bombay kaum erhört ist. Dass eine analoge Gleichförmigkeit des Charakters unter dem Boden des Thaies eben so gut wie oben stattfinden sollte, hat nichts der Theorie Widersprecheudes und die oben erwähnten Thatsachen scheinen es zu bestätigen. Diese Frage gehört jedoch ind as Bereich der Geologen, denen ich die Entscheidung überlasse. Die Produkte Hasa's sind viel und mannichfach; die Monotonie der arabischen Vegetation, ihr ewiges Palme und Ithel und lthel und Palme, erhält hier durch anderes Laub und in Neged und Schomer unbekannte Gewächse Abwechselung. Es ist wahr, die Dattelpalme herrscht noch vor, ja, erlangt sogar hier die höchste Vollkommenheit, aber der Nabak mit seinen runden Blättern und einer kleinen apfelähnlichen Frucht, in Centrai-Arabien ein blosser Strauch, ist in Hasa iö§ ein stattlicher Baum 5 auch der Melonenbaum, den man in der östlichem Halbinsel so wohl kennt, erscheint, obwohl selten, in üppigem Wüchse neben anderen an der Küste von Cutsch nach Bombay zu gewöhnlichen Bäumen. Ein Verzeichniss derselben werde ich in einem der folgenden Kapitel geben. Indigo wird hier gebaut, jedoch nicht genug, um der Nachfrage im Handel zu genügen; Baumwolle wächst bei weitem mehr als in Jemämah; Reisfelder sind in grosser Menge vorhanden und das Zuckerrohr wird oft gepflanzt, obwohl, wie ich glaube, nicht um Zucker daraus zu ziehen. Die Bauern in Hasa verkaufen das Rohr in Bündeln auf dem Markte und die Käufer nehmen es mit, um zu Hause mit Bequemlichkeit daran zu nagen. Korn, Mais, Hirse, Wicken aller Art, Rettig, Zwiebeln, Knoblauch, Bohnen, kurz alle Legumina und Cerealia, mit Ausnahme der Gerste (ich wenigstens habe keine gesehen oder davon gehört), bedecken die Ebene und könnten unter einer bessern Verwaltung um das Zehnfache vermehrt werden. Aber eine hohe Grundsteuer und willkürliche Con»-tributionen haben Ackerbauer und Händler entmuthigt. Ich habe oft grosse Strecken gesehen, auf denen mit einigen Spatenstichen eine reichliche Bewässerung herzustellen wäre, die aber trocken und unbenutzt verwilderten. Auf meine Frage, warum man eine so leichte Arbeit nicht unternähme, die so viel Aussicht auf reichen Lohn böte, antwortete man: „Was würde es uns nützen? es würde Alles in Fej- sals Beutel gehen. Besser, das Land Gott zu überlassen, der es gemacht hat, als es für die Wahhabitenhnnde zu pflügen." Hat aber der Bauer Grund zu schreien, so mag der Kaufmann jammern, denn ihm ergeht es noch ungleich schlimmer. Seit Jahrhunderten trieb Hasa einen blühenden Handel, auf einer Seite mit 'Oman, Persien und Indien, auf der andern mit Bagdad, ja selbst mit Damaskus, trotz der politischen Feindschaft und örtlichen Entfernung. Denn die Oberkleider von Hasa und die dieselben zierende Stickerei sind einzig in ihrer Art; so feine Arbeit und zierliche Muster kennt man nur noch in Kaschmir. Die dazu verwendete Wolle ist ausserordentlich fein und bildet, künstlich mit Seide gewebt, ein eben so festes als schönes Gewebe, und die Randeinfassung von Gold- und Silberfäden, geschmackvoll mit den buntesten Farben gemischt, kann von Syrien und Persien beneidet, aber nicht erreicht werden. In Bearbeitung der kostbaren Metalle, Verzierung eines Schwertgriffes oder einer Pulverbüchse, eines Dolches oder einer Narghilah haben die 157 Künstler von Hasa, obwohl sie in dieser Hinsicht denen von 'Oman nachstehen, nicht nöthig die Concurrenz von Damaskus oder Bagdad zu scheuen. Auch bei Gerätschaften von Kupfer oder Messing verstehen sie das Schöne mit dem Nützlichen zu vereinigen und die Kaffeetöpfe von Hasa übertreffen sicher alle, die man nördlich von Basrah zu sehen bekommt. Alle diese und ähnliche Gegenstände waren früher regelmässige Artikel einer vorteilhaften Ausfuhr und bildeten nebst dem nie fehlschlagenden Handel mit Khaläs - Datteln, die in diesem Gebiet heimisch sind, und nach denen von Bombay bis Mosul Jedem der Mund wässert, nebst einigem Zuckerrohr und dgl., einen vortrefflichen Ausfuhrhandel. Tuche von geringerer Qualität, Kurzwaaren, Eisenwaaren, Säbel, Spiesse, Töpferwaaren, Seide, Gold-und Silberdraht und eine Menge anderer Artikel wurden dagegen eingeführt. Daher der grosse Reichthum der Kaufleute von Hasa und folglich auch der dortigen Regierung, und daher die Denkmäler, deren Ueberreste noch jetzt diesen Reichthum bezeugen. Jetzt ist Alles gesunken; der Negdäer zehrt das Mark des Landes auf und durch seinen sinnlosen Krieg gegen Alles, was seinem Fanatismus einfällt unter dem Namen Luxus zu proscribiren — gegen Tabak und Seide, Schmuck und Kleidung — schneidet er einen wichtigen Zweig eines nützlichen Handels ab und verliert keine Gelegenheit, die unorthodoxen Handwerker und Kaufleute, denen die Schiffe lieber sind als die Moscheen, und die Waarenballen besser gefallen als der Koran, auszubeuten und zu entmutigen. Wenn irgend eine Expedition angeordnet oder ein Aushebung vorgenommen wird, ist der Erste, der den Befehl erhält, die Muskete auf die Schulter zu nehmen, sicher jedesmal ein reicher Kaufmann oder fleissiger Handwerker. Dieses boshafte System, welches Mobanna, wie wir oben gesehen, in Kasim befolgt, war namentlich in dem gegenwärtigen Kriege von Fejsal angenommen worden, und als wir nach Hofhüf kamen, war die grössere Hälfte der besseren Einwohner auf diese Weise gezwungen abwesend, auf einem Feldzuge, der keinen andern Ausgang haben konnte, als den, das Joch des verhassten Wahhabiten noch fester auf ihren Nacken zu drücken. 120 Leben in Hofhüf. Kap. XIH. Das Klima von Hasa, wie ich bereits angedeutet, ist von dem des Hochlandes sehr verschieden und der Gesundheit weniger günstig. Ein Doktor, wie ich, wenn meine Leser mir diesen Titel zugestehen 158 wollen, findet daher hier mehr Arbeit und bessere Bezahlung; Letzteres kommt auch daher, weil hier mehr Geld in Umlauf ist und medi-cinische Gelehrsamkeit, von Leuten, deren Verstand ungleich gebildeter ist als der ihrer negdäischen Nachbarn, hier bei weitem mehr gewürdigt wird. In ihrer äussern Erscheinung sind die Bewohner von Hasa in der Regel ziemlich gross und gut proportionirt, aber etwas blass von Gesicht und weniger musculös als die des iunern Landes, ihre Gesichtszüge, obgleich regelmässig, sind weniger markirt als die der Negedäer und haben nicht denselben halbjüdischen Typus, sondern erinnern vielmehr einigermassen an die der Radschputen und Guze-raten. Sie sind grosse Freunde von Literatur und Poesie, welche letztere sie sowohl nach den bekannten Regeln der arabischen Metrik üben, als auch nach denen der Nabti, oder nabathäischen Versification. Diese letztere Form der Composition, welche man auch zuweilen im Neged findet, jedoch selten, ist hier sogar gewöhnlicher als die eigentlich arabische, von welcher sie sich hinsichtlich der Scansion, des Metrums und des Reimes unterscheidet. In den Nabti-Versen richtet sich die Scansion nach dem Accent, nicht nach der Quantität; das Metrum bleibt sich selbst in einem und demselben Stücke nicht gleich und der Reim, anstatt durch das ganze Gedicht derselbe zu bleiben, wechselt ab. Mit einem Worte, diese Form von Poesie hat die grösste Aehnlichkeit mit der gewöhnlichen englischen Ballade und ist im Lande eben so populär wie diese. Wie sie aber zu dem Namen „nabathäisch" kam, zu welcher Zeit und unter welchen Um ständen sie in Arabien eingeführt wurde, wer diese Nabathäer waren und was sie in diesem Theile der Welt zu thun hatten, darüber konnte mir Niemand Auskunft geben; ein sehr gewöhnliches und unglückliches Resultat historischer Nachforschungen im Orient. Diese eigenthümliche und nicht-arabische Form der Literatur, von welcher sich im Neged nur Spuren finden, ist jedoch in Hasa häufig und in 'Oman durchaus herrschend, wo von den Dichtern der Bätinah und des Gebel-Akhdar nichts als Nabti, um es mit dem im Lande üblichen Namen zu benennen, angewendet wird. „Was sind die Bewohner von Bahrejn?" sagte der blutdürstige Hcggäg zu dem unglücklichen arabischen Geschichtsschreiber Ejüb-ebn-el-Kirrijah. „Zu Arabern gewordene Nabathäer!" antwortete Ejüb. „Und was sind die Bewohner von 'Oman?" — „Zu Nabathäern gewordene Araber!" Dieses Gespräch, welches sehr interessant, aber 159 zu lang ist, um es hier vollständig mittheilen zu können, fand, wenn wir Ebn-Kballikan glauben dürfen, etwa im Jahr 700 nach Chr., oder im 48sten Jahre der Hegra statt und würde sonach der nabathäischen Rasse und ihrem Einflüsse an diesen Küsten ein ziemlich altes Datum auweisen. Und wenn wir bedenken, dass diese Nabathäer, oder „Nabat", mögen sie sein wer sie wollen, zur Klasse der Stern- oder Sonnenanbeter gehört zu haben scheinen und dass von der andern Seite Hasa und 'Oman sicherlich zur Zeit Mohammeds die Hauptsitze dieser Religionsform in Arabien waren, so haben wir einen fernem, obwohl indirekten Beweis für nabathäischen Einfluss an dieser Küste. Jeder hat seine Theorie, und ich bin überzeugt, dass meine Leser mir dieses allgemeine Privilegium nicht bestreiten werden. Diese Nabathäer, deren Spuren sich von den östlichen Ufern des Jordan bis zum Tigris, und von dem nördlichen Mesopotamien, wo die ,,Schem-sijah" oder Sonnenanbeter von Mardin sie noch repräsentiren, bis nach Räs-el-Hadd und selbst noch weiterhin finden, wer sind sie? und zu welcher Menschenfamilie gehören sie? Die lächerliche Conjectur, welche sie mit den Nebajoth der heiligen Schrift indentificiren wollte, wird durch die ersten Principien Semitischer Etymologie genügend widerlegt. Die beiden Worte „Nabat" und „Nebajoth" sind sowohl hinsichtlich der Consonanten als der Vocale so verschieden, dass sie sich nicht auf gemeinschaftlichen Ursprung zurückführen lassen, anderer Gründe gar nicht zu gedenken, die sich jedem ruhigen Forscher als überzeugend darstellen. Diese hyper - biblischen Theorien — ich kenne keinen bessern Namen dafür — sind des Verstandes derer würdig, welche die Kinder der Hagar in den Benu-Hagar in Hasa wiederfinden wollen und die den ganzen Pentateuch auf den Felsen der Sinaitischen Wüste geschrieben sein lassen. Manche gelehrtere und nüchterne Forscher wollen die Nabathäer mit den Chaldäern zusammenbringen, andere machen sie zu einem besondern Volke. Ma-krizi scheint sie sogar in einem seiner Werke mit den Persern in eine Klasse zu werfen. Ich für meinen Theil möchte den Namen Nabat mehr für conven-tionell als für national halten: eine allgemeine Benennung in der That, unter welcher die Bewohner von Syrien, Palästina und Arabien die verschiedenen Bevölkerungen begriffen, welche die Regionen des Euphrat und Tigris bewohnen, gleichviel ob assyrischen, chaldäischen 'oder babylonischen Ursprungs. Sonach würde Nabat verschiedene Dynastien, Regierungen und Rassen bezeichnen, die unter sich selbst ieo verschieden, aber hinlänglich homogen waren, um im Gegensatz zu denen, welche sie von Aussen ansahen, ein Ganzes zu bilden. Einige Worte werden dies erklären. Ich glaube, man kann annehmen, ohne sich einer Voreiligkeit schuldig zu machen, dass die östliche Welt in einer sehr frühen Periode in drei grosse durch Blut, Religion und geographische Lage verschiedene Gruppen zerfiel. Gegen Westen waren die Syrer, Juden und Araber, nahe verwandte Nationen, die trotz scharf bezeichneter Unterschiede doch untereinander ähnlich waren und zusammen gehörten, „facies non omnibus una, nee diversa tarnen". — Weit im Osten wohnten die Perser und Medoperser, die bald zu einem mächtigen Reiche zusammenschmolzen und sich sowohl hinsichtlich ihres physichen als moralischen Typus sehr von den westlichen Rassen unterschieden. Zwischen diesen beiden Conföderationen — das Wort in seinem weitesten Sinne genommen — lag ein grosses Gebiet, von den beiden Zweigen des Schaft, dem Tigris und Euphrat bewässert, wo eine dritte Gruppe wohnte, die, den beiden anderen unähnlich, in der That in sich selbst gespalten war, aber doch in ihrer Religion, ihren Institutionen, ihrer Politik und Sitte genug Gemeinschaftliches besass, um in den Augen ihrer westlichen Nachbarn fUr eine einzige Rasse, oder wenigstens als ein in seinem Ursprünge Ganzes gelten zu können. Gerade entgegengesetzt in fast allen Punkten denen, welche Abraham als ihren Vater und Verwandten anerkannten, deren bestandige Gegner im Kriege, Cultur, angebornen Gefühlen, socialer Organisation, konnte dieser Gegensatz und allgemeine Antipathie wohl die kleineren Unterschiede in dem feindliehen Ganzen übersehen, und denen, welche sie unter eine gemeinschaftliche Furcht und gemeinschaftlichen Hass classificirten, einen gemeinschaftlichen Namen beilegen. Im Verlauf der Zeit, und das scheint namentlich auch aus der angeführten Stelle bei Ebn-Khallikan hervorzugehen, konnte der Name „Nabathäer", — zuerst einem oder einigen Zweigen der chaldäischen Sippschaft eigen-thümlich, mit denen die Bewohner Syriens am häufigsten in Berührung kamen, und dann auf die ganze assyrische oder babylonische Nationalität ausgedehnt — auf Alle angewendet werden, die in ihren Sitten und Gebräuchen, welche vielleicht aus Babylon stammten, aber nachher sich weit über den mittlem Orient verbreiteten, massgeblich unter die erste Classification gebracht wurden; und so war, in arabischem Munde und nach arabischen Begriffen, ein Nachahmer des chaldäischen Planetendienstes werden, gleichbedeutend mit: ein Nabathäer werden. Abgesehen davon kann eine historische Folgerung, auch ohne 161 bestimmte Zeugnisse, leicht zu der Annahme führen, dass eine chal-däische, Kasdi oder Kuschitische, vielleicht Kurdische Colonie nach Bahrejn kam, eine Insel, die so genau durch Lage und Handel mit den Mündungen des Schatt zusammenhängt, und es ist nicht schwer zu begreifen, wie solche Colonisten ihren Weg noch weiter nach Hasa finden und selbst in das Innere Arabiens vordringen konnten, während sie sich über die östliche Küste verbreiteten. Ein organisirendes Volk übt immer ein Uebergewicht auf ein anderes aus, welches reicher ist an imaginativen als an construetiven Facultäten (Angelsachsen und Gelten geben uns ein näher liegendes Beispiel im Westen), und daher konnte dem Uebergewicht des chaldäischen oder nabathäischen Handels und Einflusses, vielleicht der Religion, bald eine entsprechende Modifikation in Literatur und Poesie folgen, die bald zu neuen Zwecken angewendet, oder wenigstens ein Ausdruck neuer Gedanken und Wendungen des Geistes wurde. „Dichtkunst ist die Literatur der Araber!" sagte Asmä'i, selbst der gelehrteste Araber seiner Zeit, und daher musste die Dichtkunst deu fremden oder „nabathäischen" Einfluss zuerst und am längsten fühlen und einen Namen behalten, der allerdings jetzt nicht mehr richtig ist, ursprünglich aber in der That richtig und bezeichnend war. Wir haben häufige Beispiele eines ähnlichen Processes einer Nomenclatur, namentlich in dem Orient, der es mit solcheu Dingen nicht eben genau nimmt. So z. B. bleiben die Bewohner Syriens und Arabiens dabei, nach aller Erfahrung und Kenntniss, die sie durch Jahrhunderte langen Verkehr gewonnen haben, alle christlichen Nationen im Westen mit dem gemeinschaftlichen Namen Afräng zu benennen, eine Benennung, die ursprünglich den Franken oder Franzosen der Kreuzzüge zukam. Sicher aber waren die Bürger Ninivehs von den Bewohnern des babylonischen Schinar oder Sena'ar wenigstens eben so verschieden, wie die Franzosen von Deutschen, Engländern oder Italienern. Das thut aber nichts; für die Araber sind sie alle „Afräng". Von der andern Seite wirft man im Westen Alles unter den einen Namen „Araber" zusammen, sämmtliche Rassen des ganzen Gebietes von Aleppo bis Asowän, vom mittelländischen Meer und dem Nil bis an den Tigris und den persichen Meerbusen, obwohl die Länder dieses Gebietes — Aegypten, Syrien, Mesopotamien, 'Irak, Arabien u. s. w. — von Stämmen und Bevölkerungen bewohnt sind, die sich in jeder Beziehung von einander unterscheiden. Solche ungenaue Classificationen sind gewöhnlich und sind von verschiedenen Ursachen abhängig, die in einer Zeit gerade vorherrschen. 162 Dies war höchst wahrscheinlich auch der Fall mit dem Worte „Nabathäer", ursprünglich ein Eigenname, wie wir vermuthen können, erhielt seine Anwendung eine weitere Bedeutung. Diesem sehr ähnlich ist die Classification, welche der Geschichtsschreiber Schemr-ed-Din-el-Dimischki annimmt, wenn er uns versichert, dass die Chaldäer, Kasdi, Geräinihah, Ganbän und Kcnana'ün alle Sabäer waren, d. i. setzt er hinzu, Verehrer der Sterne. Der Aufdruck „Saba'i" oder Sabäer hat ursprünglich eine locale und beschränktere Bedeutung, die er später in dem allgemeinen Gebrauche verloren. Es liesse sich noch mehr sagen über einen Gegenstand, der mit Recht die Aufmerksamkeit mehrerer ausgezeichneter Orientalisten auf sich gezogen und auf den nicht wenig Mühe und Arbeitverwendet worden ist; aber man musste ein ganzes Buch darüber schreiben. Vielleicht kann das, was hier gesagt ist, so unvollkommen es ist, einen Schlüssel zur Lösung der Schwierigkeiten bieten, welche von einer an und für sich schwieligen Untersuchung untrennbar sind, die durch den auffallend unkritischen Charakter der orientalischen Geschichtswerke noch schwieriger wird. Vielleicht, dass man endlich der Wahrheit ziemlich nahe kommt. Hier will ich mir nur noch einige Worte über einen ähnlichen Fall technischer Verwirrung erlauben, der zu manchen eigenthümlichen Ungenauigkeiten und schädlichen Missverständnissen geführt hat. Das europäische Publikum ist mit Erzählungen von arabischen Sitten, Leben, Eigenschaften, Wohnungen, Kleidung, Frauen, Kriegern und was noch überfluthet worden; zum grössten Theil nach Materialien, die in Syrien, Mesopotamien, Aegypten, 'Irak, vielleicht auch Tunis, Algier und Marokko, oder im besten Falle in Giddah und an der Küste des rothen Meeres gesammelt worden. Ein romantischer Geist giebt Scenen unter den Halbblut-Beduinen von Palmyra als Schilderungen arabischen Lebens, ein anderer ladet uns ein, die arabische Gesellschaft in einem Divan in Cairo oder Aleppo zu studiren. Solche Erzählungen, wie genau sie auch die Oertlichkeiten und diejenigen Rassen schildern, die sie behaudeln, haben nicht den geringsten Anspruch auf correkte Schilderungen der Araber und arabischer Sitten. Es ist nicht anders, als ob man die Beschreibung eines Hinterwäldlers vom Ohio, als eine Schilderung eines Pächters in Yorkshire geben wollte, oder die Lebensweise von Connaught für eine Schilderung des Lebens in Norfolk. Syrien und Aegypten, Palmyra und Bagdad, und noch weniger Mosul und Algier, sind nicht Arabien, und ihre Bewohner 103 sind keine Araber. Die Bevölkerungen dieser Länder sind ein Gemisch von Kurden, Turkomanen, Syriern, Phönikern , Armeniern, Berbern, Griechen, Türken, Copten, Albanesen, Chaldäern, der Ueberreste anderer und älterer Rassen gar nicht zu gedenken, mit einem sehr geringen Zusätze von arabischem Blute, höchstens einem Zwanzigtheil, das noch obendrein durch locale und territoriale Einflüsse verdünnt ist. Dass Alle mehr oder weniger Arabisch sprechen ist eine That-sache, die ihnen nicht mehr Anspruch darauf giebt, als Araber gezählt zu werden, als schlechtes Englisch den Eingebornen von Connaught oder Texas zu einem Engländer macht. Was die populäre Figur des Beduinen betrifft, so muss ich hinzufügen, dass selbst, wenn, wie selten der Fall, der Schilderung ein ächter Nomade Arabiens zu Grunde läge, er eben so wenig als ein Beispiel arabischen Lebens und arabischer Gesellschaft gelten könnte, als die „Pickwick Papers" oder „Nicholas Nickleby" und die „Scenes of High Life" oder „Tales of the Howards" als Schilderungen des englischen Lebens. Diese unglücklichen und so vielbesprochenen Beduinen in Syrien, fälschlich auch Araber genannt, sind in der That nur Mischlinge, Kreuzungen zwischen turkomanischen und kurdischen Stämmen, mit einer geringen und sehr fraglichen Infusion arabischen Blutes, und dieses nicht von dem besten, etwa so, als ob man ein Glas dünnen Ciaret-Wein in einen Kübel mit Wasser schüttete. Kurz, unter diesen Rassen, Städtern sowohl als Beduinen, haben wir keine wirklichen authentischen Araber. Arabien und die Araber beginnen erst südlich von Syrien und Palästina, westlich von Basrah und Zobejr, östlich von Kerak und dem rothen Meere. Zieht man eine Linie quer durch, von der obern Spitze des rothen Meeres nach der Spitze des persischen Meerbusens, so ist nur das, was südlich dieser Linie liegt, Arabisch, und auch davon muss man noch die halbtürkische Pilgerstrasse, das kosmopolitische Medinah, die indisch-abyssinische Seeküste von Jemen abziehen, vor Allem aber Mekka, den Kloak der mohammedanischen Welt aller Nationen und Länder, wo jede Spur arabischer Identität längst durch ein Gemenge von Immoralität und Verderbtheit aller Völker und Zeiten verwischt ist. Auch Mascat und Katif nebst Mokha und 'Aden stehen auf der Liste der Ausnahmen. Kehren wir aber jetzt nach Hasa zurück, von wo uns die Nabathäer auf eine lange und weite Abschweifung führten. Es war die in Hasa gewöhnliche Form der Dichtung, welche uns dazu Veranlassung gab. Während meines Aufenthalts in Hofhüf hörte ich viele Gedichte in nabathäischer, weit weniger in arabischer Form, von noch lebenden Dichtern, vortragen, die sich zum Theil durch merkwürdige 164 Orginalität und Eleganz auszeichneten. Eine Klage über die Zerstörung von 'Ejn - Negm, ein Gedicht über den Kriegszug gegen Bahrejn, ein anderes in der den Arabisten bekannten Form Kotrobi, hatten wirklichen poetischen Werth; so auch manche hübsche Liebeslieder. Sieben oder acht derselben schrieb ich auf, leider aber wurde mein Schatz acht Monate später von den Wellen des Indischen Oceans verschlungen. Im Ganzen schien mir in Hasa die Poesie durchaus höher zu stehen als in Neged, dahingegen die Sprache des gewöhnlichen Lebens, sowohl was den Reichthum als die Reinheit und Bildsamkeit betrifft, der des innern Hochlandes bedeutend nachsteht. Der an dieser Küste vorherrschende Dialekt ist weder der ismaelitische des Neged noch der kahtanische von 'Oman, sondern ein Gemisch aus beiden, zu beiderseitigem Schaden. Einem geübten Ohre wird auch einige Mischung mit Persisch nicht entgehen, die man namentlich in Bahrejn und Katif bemerken kann. Der niedrigere Standpunkt der Sprache in Hasa wird jedoch vollständig durch höhere geistige Anlagen ausgeglichen und in vernünftigem Gespräch und folgerechtem Denken stehen die Bewohner von Hofhüf ungleich höher als die von Riad und Hä'jel. Der Verkehr mit Fremden hat ihre Grammatik verderbt, aber ihren Verstand geschärft. Die hier gewöhnliche Kleidung machte durch ihre Abwechselung einen angenehmen Eindruck auf unsere durch die Gleichförmigkeit der Tracht, sowohl der Männer als Frauen, vom Gauf bis Jemämah, ermüdeten Augen. In Hofhüf und den umliegenden Ortschaften trägt man anstatt des weiten weissen arabischen Hemdes oft ein enger anschliessendes, safrangelbes und mit Seide eingefasstes Jäckchen, wie in 'Oman, ein Kleidungsstück, welches mich an die im westlichen Indien gewöhnliche Angin oder Anghurka erinnerte. Anstatt der Ka-fijah ziert ein Turban das Haupt, bald gross und weiss, bald bunt und kleiner; der hellrothe Rock, der, wie ich glaube, der östlichen Küste eigentümlich ist, wechselt mit dem schwarzen arabischen Mantel und das glänzend rothe Leder und die zierliche Form der Sandalen von Bahrejn oder 'Oman schützen die Füsse besser und geschmackvoller, als das grobe braungelbe Produkt des negdäischen Schuhmachers. Endlich ein krummer Dolch mit silbernem Griff wird zuweilen im Gürtel getragen und ist innerhalb der Grenzen von 'Oman ganz allgemein. Dieses Alles gefiel uns sehr, denn Gleichförmigkeit, auch wenn sie einfach und primitiv ist, wird auf die Dauer ermüdend. Ehe Hasa von den Wahhabiten unterworfen wurde, war Schmuck I65 und Kleiderpracht in dieser Provinz an der Tagesordnung, und auch jetzt noch sieht man Seide und Stickerei bei weitem häufiger, als sich mit der Orthodoxie verträgt. Zur Zeit der grossen Reform in Riad, im J. 1856, die im neunten Kapitel dieses Werkes beschrieben wurde, kamen einige zelotische Prediger nach Hofhüf, und da sie es für höchst wahrscheinlich hielten, dass die Gottlosigkeit der Einwohner ihren Antheil daran habe , dass die Cholera 'las Land heimsuchte, predigten sie mit grossem Eifer gegen bunte Kleider und weltliche Eitelkeit. Da sie aber fanden, dass die Bollwerke der Sünde allen Batterien der Kanzelberedtsamkeit widerstanden, so vollendeten die Hände der Missionäre hier, wie auch anderwärts, was ihre Zunge nicht im Stande war, und als die gottlosen Sünder in Hasa noch zauderten, ihren eitlen Tand von sich zu werfen, leisteten die orthodoxen Negdäer ihnen freundlichen Beistand, bis, wie mir Augenzeugen versicherten, abgerissene Seide und aufgefaserte Goldstickerei buchstäb lieh auf den Strassen herumlagen. Zu gleicher Zeit wurde ein grimmiger Feldzug gegen den Tabak unternommen, der sich von da an in das Privatleben zurückzog. Eine andere gottlose Sitte, die bei höheren Ständen gewöhnlich t war, wurde zu dieser Zeit, wenn auch nicht ganz, so doch ziemlich abgeschafft. Die Kaufleute in Hofhüf und Mebarraz, welche sich nicht für blosse Lastthiere und Automaten hielten und meinten, sich feinere und mannichfachere Genüsse erlauben zu dürfen, als der Prophet seinen Bekennern gestattet, hatten seit undenklichen Zeiten die Gewohnheit, Lustpartien zu veranstalten, namentlich an solchen Tagen, an welchen die gewöhnlichen Geschäfte ruhten. Solche Erholungen dauerten oft eine bis zwei Wochen und wurden hauptsächlich im Herbste veranstaltet. Nordöstlich von Hasa erhebt sich ein langer isolirter Kamm von Basalt und Sandstein, etwa vierhundert Fuss hoch; die Felsen sind zu allen Seiten von grossen natürlichen Höhlen durchbrochen und ihr Name „Moghor" oder „Höhlen" ist mit dem Berge selbst gleichbedeutend geworden. Innerhalb dieser Höhlen ist die Luft kühl, selbst während der heissesten Monate des Jahres, und frisches Wasser fliesst das ganze Jahr hindurch in reichlicher Fülle am Fusse des Gebirges. Dorthin pflegten die Katrfleute und Geschäftsleute von Hasa sich zurückzuziehen, wenn sie von ihren Rechnungen und Handlungsbüchern ermüdet waren, um sich einige Tage durch leichte gesellschaftliche Unterhaltung, bei wohlbesetzter Tafel, Musik, Tanz und anderen Lustbarkeiten zu erholen, wie sich auch andere denkende 166 Männer oft erlauben, wenn sie von anhaltender und sitzender Arbeit ermüdet sind. Nun ist es aber klar, und das oben Gesagte wird als genügender Beweis dafür gelten, dass solche Vergnügungen dem reinen und orthodoxen Islam geradezu widersprechen. Den Negedäern waren daher die Lustpartien nach Gebel Moghor ein eben so grosser Greuel wie etwa die Töne einer Geige des Sonntags in den Gassen von Glasgow. Fejsal liess Befehle ergehen, um diesen Frevel zu unter drücken. Viele, die sich desselben schuldig machten, wurden gefänglich eingezogen, Andere mussten Geldstrafen zahlen, und was von diesen Lustpartien noch übrig ist — denn sie haben sich noch immer erhalten — wird nur im Verstohlenen ausgeführt, oder wenigstens nur in kleiner Anzahl und mit gehörigen Vorsichtsmassregeln. Unser Aufenthalt in Hofhüf wird ein Beispiel geben. Es wäre sehr zu wünschen, dass durch diese Gesetze und Verordnungen wenigstens die Moralität etwas gewonnen hätte; aber nach dem, was ich von Privatskandal und häuslichem Zwiste hörte, schienen „die Heiligen" ihren Zweck in Hasa nicht besser erreicht zu haben, als ihre älteren Brüder in Genf unter Calvin, oder in London unter dem Rumpfparlement. So scheint die allgemeine Regel zu sein; aber aus der Erfahrung Nutzen zu ziehen, ist vielleicht bei Regierungen ein noch seltenerer Fall, als bei einzelnen Individuen. Ich habe bereits gesagt, dass wir in Hasa besonders darauf bedacht waren, selbst unbeobachtet zu beobachten, um uns so viel wie möglich vor Zwischenfällen und Katastrophen zu schützen, wie wir bereits erlebt hatten. Doch gingen wir nicht so weit in das andere Extrem über, dass wir ein ganz zurückgezogenes Leben führten. Abu 'Ejsa sorgte von Anfang an dafür , uns mit den besten und gebildetsten Familien der Stadt in Berührung zu bringen, und mein Ge werbe als Arzt hatte nirgends einen weitern Spielraum und bessern Erfolg, als hier in Hofhüf. Freundliche Einladungen, bald zum Mittag- essen, bald zum Abendessen, kamen täglich. Bei den Mahlzeiten wurden häufig Fische aufgetragen, und hier nicht mehr eingesalzen und zusammengeschrumpft, denn wir waren nun der Küste nahe; Fadennudeln und andere Mehlspeisen zeigten den Einfluss persischer Kochkunst. Innerhalb der Häuser wurde allgemein geraucht, aber anstatt der kurzen arabischen Pfeife bediente man sich nicht selten sehr zweckmässig der Narghilah. Durchräucherungen sind dabei hier nicht weniger in Gebrauch als in. Neged. Ich habe kaum nöthig zu sagen, dass das Hausgeräth hier ungleich mannichfacher und verfeinerter ist, als in den Wohnungen in Sedejr oder 'Aared, und die Stühle, Speisetafeln, Schenktische, Repositorien, Bettstellen haben grosse Aehnlichkeit mit denen, welche man in anständigen Wohnungen 167 der Hindus von Baroda oder Cambay findet. Auch Holzschnitzerei ist häufig und wird gewöhnlich an Thürpfosten und Fensterrahmen angebracht; endlich sind die Wände häufig mit gemalten Figuren geschmückt , die zwar den Fresken von Giotto oder Ghirlandajo nicht ganz gleich kommen, aber doch den Zimmern ein freundlicheres, und, wenn ich den Ausdruck gebrauchen darf, ein mehr christliches Ansehen geben, als der einförmige braune und weisse Anstrich der Gemächer in Kasim und 'Aared. Was aber den Häusern in Hasa einen entschiedenen Vorzug vor denen in Centrai-Arabien giebt, ist die Anwendung des Bogens. Der Bogen in Hasa, gleichviel ob gross oder klein, ob über einem einzigen Fenster oder über das ganze Gebäude ausgespannt, ist, wie ich glaube, nicht das Segment eines einzigen Kreises, sondern zweier, und hält ungefähr die Mitte zwischen dem Tudor-Gothisch und dem Spitzbogen der Plantagenets. Nirgends aber sah ich hier die Hufeisenform, die der sogenannten maurischen Architektur eigenthümlich ist. Es ist ein einfacher flacher, aber zugespitzter Bogen, in dem man ein gleichseitiges, zuweilen stumpfes, niemals aber ein spitzes Dreieck zeichnen könnte. Der Bogen bringt andere Verbesserungen mit sich; das ganze Haus wird ungleich regelmässiger, die Anordnung symmetrischer, Licht und Luft circuliren reichlicher und leichter; während das Dach, anstatt eine blosse Masse schweren Holzwerks zu bilden, das durch plumpe Pfeiler gestützt ist, ein leichteres Ansehen hat und einem Reisenden, der von Riad kommt, sogleich sehr angenehm in die Augen fällt. Unter diesen Dächern, am gastlichen Heerde, während Kaffee herumgereicht wurde und poetische Recitationen oder Erzählungen des Landes, von manchem guten Scherze und heiterra Lachen begleitet, die nur zu schnell vorübereilenden Abendstunden kürzten, hatten wir hinlänglich Gelegenheit zu sehen, was zuweilen der Revers der Medaille genannt wird, und vielleicht noch bezeichnender, nach arabischer Redeweise, die untere Seife des Teppichs genannt werden könnte. Für jeden negdäischen Segensspruch über Fejsal waren hier zehn Flüche. Zum ersten, aber nicht zum letzten Male in Arabien 168 hörte ich in Hofhüf die emphatische Zusammenfassung antimoham-. medaniacher Gefühle in den Worten „Baghadna Allah w'al Islam", buchstäblich, wir hassen Gott und den Islam, gleichbedeutend mit unserm Gott verdamm's, oder Hol's der Teufel, in Verbindung mit dem nicht weniger emphatischen „T-fu 'ala '1 Muslimin, (auf gut Deutsch: „Seh . . . auf die Moslims), Phrasen, die zwischen den Zähnen ausgesprochen und mit nicht weniger bezeichnenden Gesten begleitet waren. „La Iläh illah Allah" war hier ganz aus der Mode und „Islam" ein Synonym des Tadels, ja horresco referens, oft mit dem unhöflichen Prädikat „Keläb" oder Hunde gepaart. Dabei wurde viel von den Vorzügen der guten Ordnung und dem Wohlstande in Bombay und Karratschi gesprochen, welche beide Städte von vielen unserer Wirthe besucht worden waren , und Vergleiche gezogen, die sehr zum Nachtheil der wahhabitischen und türkischen Regierung ausfielen. Reisen nach Basrah' und Bagdad haben Manche mit der türkischen Verwaltung bekannt gemacht und sie in Stand gesetzt, deren Werth zu beurtheilen. Oft wurden im Schatten der Nacht und in Häusern, die dem Verkehre fern lagen, oder an Abu-'Ejsa's immer gastlichem Heerde Zusammenkünfte der alten Häuptlinge und ihrer Parteigänger gehalten. Ich war zweimal, als ein scheinbar zufälliger Gast, bei solchen zugegen und sah, wie weit verzweigt diese antiwahhabitische Conspiration, oder vielmehr Conföderation, ist. Hasa und 'Oman bilden das Centrum; Teläl-ebn-Raschid und Alle, die mit ihm in Schomer sympathisiren, sind bereit, vom Norden her mitzuwirken; zahlreiche Parteigänger existiren in Harik und Sedejr ; in Kasim sind drei Viertheile der Bevölkerung der Bewegung günstig und die Beduinen nehmen alle, ohne Ausnahme, daran Theil. Diejenigen meiner Leser, welchen durch Studium oder eigene Beobachtung bekannt ist, wie tief das Gefühl der Stammverwandtscbaft bei den Arabern wurzelt, werden leicht einsehen, wie eine Regierung, welche die Edelsten Arabiens entsetzt, verbannt oder gemordet hat, aus diesem Grunde allein, anderer Gründe gar nicht zu gedenken, die diesem Werke fern liegen, ein Gegenstand des Hasses und das Ziel der wohlüberlegten Rache derer sein muss, welche sie unterdrückt. Bis zur zwanzigsten Generation, und noch weiter hinaus, verzeiht ein Araber nicht ein seinen Vorfahren angethanes Unrecht. Nimmt man 169 dazu die nationale und erbliche Antipathie, diese „Crasis" des Blutes, um einen Ausdruck zu entlehnen, der allerdings physiologisch, hier aber nicht metaphorisch ist, nimmt man den Druck der wirklichen Unterwerfung und oft positiven Missregierung, nimmt man endlich die angeborne Antipathie der Araber gegen Alles, was eng geschnürt und durch Formeln und in's Kleine gehende Observanzen ausgedrückt ist, so wird man sich wundern, nicht über die Ausdehnung der antiwah-habitischen Reaction, sondern vielmehr, dass sie nicht noch weiter verbreitet ist, nicht über ihre Intensität, sondern vielmehr, dass sie sich noch eine Stunde halten kann, ohne zum offnen Ausbruch zu kommen. Dazu haben die Beduinen, nicht weniger als die Städter, viel vergossenes Blut zu rächen, viele verlorne Rechte wieder zu gewinnen, und wenn die Liebe zur Freiheit die intelligenteren Bewohner von Hasa und Kasim begeistert, so entflammt die Hoffnung auf Ungebundenheit die Agmän und Benu-Khälid nicht weniger. Daher kann im Falle eines Aufstandes auf die letzteren mit Sicherheit gezählt werden. Dennoch aber sind sie durchaus keine sehr werthvolle Hülfe, aus Gründen, die bereits oben, im fünften Kapitel, weiter erörtert wurden. Wäre die Sache mit dem Munde aliein abgethan, dann freilich würden die Beduinen hinreichen. Die Leute sind da, aber die Zeit ist noch nicht gekommen. Trotz aller Ursachen zu Unzufriedenheit hält doch eine zu rechtfertigende Furcht vor der concentrirten Macht des Neged, namentlich, so lange sie in den Händen des schrecklichen 'Abd-Allab-ebn-Sa'üd ist, die so oft angegriffen, so oft angreifend und immer siegreich, den ersehnten Ausbruch zurück, und die reactionäre Partei wartet schweigend auf einen Augenblick, wo innere Schwäche oder ein neuer und mächtiger Feind von Aussen einen Augenblick die Aufmerksamkeit ihres Tyrannen abziehen oder das Gewicht seines Armes schwächen mag. Ich habe oben gesagt und wiederhole es hier, die Araber sind vor allem eine kluge Rasse und Unternehmungen dieser Art erfordern eine mehr als gewöhnliche Klugheit. Ueberdies lassen die Spione Fejsals, die durch ganz Arabien, vom Gauf bis Maskat verbreitet sind, keine Bewegung, kein Symptom unbemerkt und unberichtet vorübergehen. Den Freunden der Freiheit bleibt daher vor der Hand nichts weiter als Hoffnung, Hass und Unterwerfung. Wir waren etwa seit einer Woche in der Stadt, als Abu 'Ejsa eines Tages in unser Zimmer trat, wo ich mit Barakät eben beschäftigt war, ein Nabti-Gedicht zu copiren, und uns mit erschrockenem Gesicht und ängstlichem Tone sagte, dass zwei der vornehmsten neg- 170 däischen Agenten aus dem Kot soeben in das K'häwab getreten seien, unter dem Vorwand einer ärztlichen Consultation, eigentlich aber, um die Fremden zu identificiren, wie er sich ausdrückte. Wir zogen unsere Oberröcke an und traten mit der unbefangensten Miene und einer gewissen Feierlichkeit vor unsere Inquisitoren. Im Gespräch sprachen wir so gelehrt über biliöse und sanguinische Com-plexion, cephalische Venen, indische Droguen, und Hessen so viele Stellen aus dem Koran und loyalen Phrasen für Fejsal einfliessen, dass Abu 'Ejsa vor Freude ganz ausser sich war und die Spione, nachdem sie einige Recepte von Brod-Pillen und aromatischem Wasser erhalten hatten, das Haus verliessen, nicht klüger als vorher. Auch unsere Freunde, und wir hatten deren viele, welche wohl erriethen, war wir eigentlich sein mochten, theils nach unserm Aeussern, theils auch nach dem allgemein bekannten Charakter unseres Wirthes, thaten alle ihr Möglichstes, um den Wahhabiten Sand in die Augen zu streuen, und so ging die Sache gut ab. Nach einer in Schomer und Neged unbekannten Sitte, die aber im übrigen Orient sehr gewöhnlich ist, wird an bestimmten Tagen der Woche und an bestimmten Orten ein Markt gehalten, welchen die Einwohner, namentlich der umliegenden Dörfer, viel besuchen, um zu kaufen und zu verkaufen, während Versteigerungen, Spiele, öffentliche Vorträge von Gedichten, Wettrennen und dgl. ein reges Leben unterhalten. In Arabien sind solche Märkte seit dem frühesten Alterthume bekannt und dauerten zuweilen volle vierzehn Tage, wie z. B. der Markt zu 'Okäd, wo die sieben Moallakät zuerst Öffentlich vorgetragen worden sein sollen, der Markt zu Sanaa' in Jemen und andere, die in den alten Chroniken erwähnt werden. Derselbe Gebrauch hat sich seit undenklicher Zeit in der Provinz IL 9 Hasa erhalten. Der Wochenmarkt in Hofhüf ist Donnerstags, der des grossen Dorfes Mebarraz, nördlich von der Stadt, Montags u. s. w. 171 Abu 'Ejsa, der sehr bestrebt war, uns von dem Lande, wo er seine neue Heimath gefunden, eine gute Idee beizubringen, und deshalb jede Gelegenheit aufsuchte uns das Schönste und Beste zu zeigen, sorgte dafür, dass wir auch diese Märkte kennen lernten. Wir gingen dorthin und sahen dem Treiben unter den Buden, mit Städtern und Bauern scherzend, mehre Stunden lang zu. Der Markt wird auf einem freien Platze vor dem nördlichen Thore gehalten, dicht, unter den äusseren Mauern des Kot. Die Verkäufer waren zum grössten Theile, wenn nicht alle, aus den Dörfern und hatten Waaren mitgebracht, die sich mehr durch Wohlfeilheit als durch Eleganz empfahlen: schwere Sandalen, grob gewebte Röcke, alte Musketen und Dolche, gebrauchte messingene Geräthe, ausserdem Kamele, Dromedare, Esel und einige Pferde. Die Krämer von Profession hielten ihre Waaren in Buden feil, wie Schnuren von Glasperlen, Arm- und Beinringe, auch einige europäische Trinkgläser, die über Kowejt oder Basrah eingeführt werden, Spiegel, deren verzerrter Reflex ein hübsches Frauenzimmer der Mühe überheben konnte, Gesichter zu schneiden. Die Buden waren ziemlich symmetrisch geordnet und bildeten Reihen und viereckige Plätze; auf letzteren waren grosse Haufen von Vegetabilien und Datteln aufgehäuft, Säcke mit Mehl und Korn, Kohlen, Bündel von Brennholz, Zuckerrohr u. s. w. Rings herum waren Esel angebunden, Kamele streckten ihre Hälse in die Höhe und ein halbes Dutzend junger Kerle aus der Stadt machten einen Ungeheuern Staub, indem sie mit den Pferden herumjagten, unter dem Vorwand, sie zu probiren. Ueberau hörte man Scherzen und Lachen und es war, als ob Alle ihre arabische Ernsthaftigkeit zu Hause gelassen hätten. Den nächsten Montag besuchten wir den Markt zu Mebarraz, wohin wir auf Eseln ritten, wobei ich nur bemerken will, dass man hier zu Lande seitwärts auf den Thieren sitzt. Mebarraz hat eine Bevölkerung von beinahe zwanzigtausend Seelen und könnte sonach 178 wohl Anspruch auf den Namen einer Stadt machen, aber es hat keine Mauern und die dazu gehörige Festung steht auf einem isolirten Hügel in einiger Entfernung gegen Westen. Die Lage der Burg konnte ich nur bewundern, da sie eben so geeignet ist, einen Feind, aus welcher Richtung er kommen mag, zu entdecken und zurück zu werfen, als auch die Bewohner des Ortes selbst, im Fall sie sich unruhig zeigen sollten, zur Ruhe zu verweisen. Die Schiesslöcher des Forts sind von den Häusern unten innerhalb der Schussweite. Das Gebäude bildet ein Viereck und gleicht in jeder Hinsicht dem Kot in Hofhüf, nur mit dem Unterschiede, dass die Festung der Hauptstadt vier- bis fünfmal so gross ist. In der Nähe des Forts wurde der Markt gehalten, der in jeder Beziehung dem so eben beschriebenen in Hofhüf glich. Das bedeutendste Gebäude des Ortes selbst ist eine grosse und recht hübsche Moschee, welche Fejsal aus Sorge für das Seelenheil seiner Unter-thanen in neuerer Zeit auf eigene Kosten erbaut hat; aber eine ausserordentliche Contribution, die im darauf folgenden Jahre von der Provinz erhoben wurde, mag dem Schatze zu Riad die Auslage zum frommen Zwecke wohl hinlänglich wieder ersetzt haben. Der Ort hat manche hübsche Häuser, aber auch viele schlechte Hütten. Die Einwohner von Mebarraz unterscheiden sich im Ganzen wenig von denen der Stadt, treiben aber mehr Ackerbau und weniger Handel als diese. Einer unserer Begleiter, Namens 'Obejd, hatte einen Verwandten in Mebarraz und benutzte die Gelegenheit, um eine Einladung zum Mittagessen zu erhalten, bei dem ich seit vielen Monaten zum ersten Male wieder Honig sah. Die Wohnung unseres Wirthes war ganz so wie die Häuser der mittleren Stände in Horns oder Hamah mit kleinen Zimmern, deren Fussboden mit Matten belegt war, niedrigen Fenstern, einem kleinen Hofe, einem Brunnen und dem eigenthüm-lichen Ansehen von Abgeschlossenheit, selbst mitten in der Strasse, die Jedem auffällt, der in Syrien, in Mosul oder in Bagdad ein Haus betritt. Hasa nähert sich in der That schon den gemischten Distrikten, obwohl das arabische Element noch vorherrschend ist. Fast der ganze Raum zwischen Hofhüf und Mebarraz, eine Strecke von etwa drei engl. Meilen, ist mit Gärten und Pflanzungen ausgefüllt, in denen Ströme lauwarmen Wassers rauschen. Hier, und mehrere Meilen in der Runde, wachsen die unter dem Mamen Khaläs bekannten Datteln, — ein Wort, welches buchstäblich Quintessenz bedeutet — eine der Provinz Hasa eigenthümliche Species und wohl die vor-173 züglichste ihrer Art. Die Frucht selbst ist etwas kleiner als die Dattel in Kasim, von bernsteingelber, etwas röthlich schimmernder Farbe und halb durchsichtig. Durch Beschreibung eine Vorstellung von ihrem Geschmack zu geben, ist nicht möglich-, sie steht aber in dieser Beziehung .mindestens eben so hoch über der in Syrien und Aegypten gewöhnlichen Dattel wie die Mangofrucht oder Maigaum über einer wdlden Feige. Mit einem Worte, es ist die Dattel in höchster Vollkommenheit. Der Baum, welcher sie trägt, kann von einem einigermassen geübten Auge leicht am Stamme erkannt werden, welcher schlanker ist, als der der gewöhnlichen Palme, die Krone ist weniger büschelig und die Rinde glätter. Eine andere, ebenfalls auf diese Provinz beschränkte Species, ist die Rekab, welche anderwärts den ersten Rang behaupten würde. Während meines Aufenthalts in Arabien zählte ich ein Dutzend Dattelarten, die alle durchaus von einander verschieden waren, und ich zweifle nicht, dass ich bei längerem Aufenthalte noch ein Dutzend hätte kennen lernen. Die Pflege der Khaläs bildet einen wichtigen Zweig der ländlichen Beschäftigungen in Hasa; der Ertrag ist eine reiche Quelle des Wohlstandes, und sie wird nach Mosul und Bombay, ja ich glaube selbst bis an die afrikanische Küste von Zangibar ausgeführt. Ich kehre jetzt auf unsern Weg zurück: es ist ein Hochweg, der zwischen tiefen Bewässerungskanälen hinführt, hie und da an einem Teiche oder kleinen Sumpfe vorbei. Wer von meinen Lesern etwa bei Vellore, Tanjore oder Negapatam gereist ist und sich der dortigen Hohlwege erinnert, kann sich ungefähr eine Vorstellung von denen in Hasa machen. Merkwürdigerweise findet sich mitten in dieser Fruchtbarkeit, nicht weit von Mebarraz, ein kleiner See, dessen Wasser so mit Salz gesättigt ist, dass sich am Rande eine dicke Kruste angesetzt hat und der Boden rings herum ganz kahl ist. Andere ähnliche Salzflecken finden sich auch noch an anderen Stellen; der dazwischen liegende Boden aber ist in der Regel ganz frei von Salz und fruchtbar. Etwa zweihundert Schritt nördlich von Mebarraz ist ein hübscher Brunnen, der einen kleinen, aber tiefen See bildet, dem seine Wärme den bezeichnenden Namen „Sakhneh" oder Hitze gegeben hat. Das 174 Wasser hat keinen merklich mineralischen Geschmack, die Temperatur des Teiches aber kann nicht unter 85° bis 90° Fahrenheit sein. Die Bewohner von Mebarraz gehen dorthin, um zu baden; wir folgten ihrem Beispiele und kehrten, nachdem wir tüchtig herumgeschwommen, wieder zurück, um in dem mit Teppichen belegten Hause des Vetters 'Obejds — ich glaube sjeines Oheims — unser Mittagsmahl einzunehmen. Ein anderes Mal machte uns Abu 'Ejsa den Vorschlag, 'Omm Sa-baa' (buchstäblich Mutter der Sieben) zu besuchen. Meine Leser werden natürlich an einen Besuch bei irgend einer angesehenen, mit einer grossen Familie gesegneten Dame denken; aber selbst in Hasä, wo das schöne Geschlecht bei weitem weniger Einschränkungen unterworfen ist als in Neged, würde der Besuch bei einer Dame sehr auffallen. Die Mutter der Sieben ist nichts anderes als eine heisse Quelle, die in der Tiefe eines natürlichen Beckens hervorsprudelt, aus dem sieben Ströme, die Töchter dieser fruchtbaren Mutter, in verschiedenen Richtungen abfliessen und das Land weit und breit befruchten. Die Stelle selbst ist etwa acht englische Meilen von Hofhüf, gerade nach Norden. Die Gesellschaft bestand im Ganzen aus zwölf Personen, lauter Leute von gutem Stande, denen es nicht an guter Laune fehlte. Ausser mir und Barakät waren noch fünf Herren aus Hofhüf, zwei Mulatten oder Halb-Araber, ein Neger und zwei junge Leute. Abu 'Ejsa blieb zu Hause, seine Frau aber versorgte uns mit gekochten Hühnchen, Backwerk, Zuckersyrup, Kaffee und anderen guten Dingen. Wir bestiegen unsere Esel und trabten, davon, vermieden aber die Stadt, um nicht einem negdäischen Beobachter zu begegnen, und machten einen weiten Umweg an der Aussenseite der Stadtmauern, zwischen Teichen und Feldern hin, wobei wir oft Gefahr liefen, von dem schmalen Hochwege einem sich unten im Sumpfe kühlenden Büffel auf den Rücken zu fallen. Als wir Mebarraz, das Fort und die Quelle hinter uns hatten, ging' es drei bis vier Meilen weit in vollem Jagen über eine weite Ebene, die zur Rechten von Palmbäumen begrenzt war, während sich links die Bergkette von Hasa dürr und in phantastischen Formen hinzog, an deren ganzer Länge man immer in einiger Entfernung Wachtthürme und isolirte Forts bemerkte, die jetzt dem Verfall überlassen waren. Dann wurde der Weg enger und führte zuerst zwischen zwei ziemlich grossen Dörfern, dann zwischen Pflanzungen und Teichen hin, bis uns endlich das 175 Rauschen des Wassers und ein breiter Strom, an dessen mit Gras bewachsenem Ufer wir aufwärts ritten, nach 'Omm Sabaa' hinauf brachten. Diese Quelle steigt in einer kreisrunden Vertiefung auf, die etwa fünfzig Fuss im Durchmesser hat und sehr tief ist. In der Mitte unten quillt das Wasser so heiss aus dem Boden, dass der Badende nicht wagen darf, hineinzutauchen, ohne vorher seine Füsse und Arme vorsichtig nach und nach an die Temperatur gewöhnt zu haben. Das Beckeu ist bis an den Rand voll und durch sieben Oeffnuugen in dem Felsenrande fliessen die sieben Ströme ab, von denen die Quelle ihren Namen hat, breit und tief genug, um eben so viele Wassermühlen treiben zu können. Einige dieser Kanäle sind von der Natur gebildet, aber die Zahl Sieben ist augenscheinlich durch Kunst hergestellt, ob mit einer Beziehung auf das Planetensystem, will ich nicht entscheiden, aber eine ähnliche Nachhülfe, die wir später bei den Cisternen an der persischen Küste sehen werden, und die ohne Zweifel in der Religion oder vielmehr dem Aberglauben ihren Ursprung hat, lässt mich glauben, dass bei 'Omm Sabaa' dasselbe stattfindet. Die Mauer um den Wasserbehälter ist offenbar alt, aber es findet sich keine Inschrift oder Angabe des Datum, die man, wie ich schon oben bemerkte, in Centrai-Arabien und im östlichen Arabien allgemein ver-misst. Rings herum beschatten Palmen und Nabak die mit Gras bewachsenen Ufer; dunkle Massen von Vegetation begrenzen die Fernsicht und entziehen das kleine Dorf Zekkah, welches, etwa eine Viertelmeile östlich liegt, den Blicken. Das Wasser von 'Omm Sabaa' fliesst Sommer und Winter gleichmässig fort. Fische, Frösche und andere im Wasser lebende Thiere können in dem heissen Becken oder selbst in den Strömen in der Nähe ihres unmittelbaren Ursprungs nicht leben, sind aber weiter unten in den Kanälen in grosser Menge vorhanden. Die Sonne stand nun hoch und hell am Himmel, es wehte eine herrliche Luft; wir versuchten die Hitze der Quelle auf alle Weise, badeten, schwammen, rangen mit einander, tranken Kaffee, schwatzten, assen, tranken, schliefen und badeten wieder. Alles ging so heiter wie ein Hochzeitsschmaus, bis wir entdeckten, dass durch ein Vergessen, das von einem Pik-nik immer unzertrennlich ist, keine Kaffeetassen mitgebracht waren, ein Umstand, den wir nicht eher bemerkten, als bis der Kaffee fertig war und uns nichts übrig blieb, als ihn aus dem berussten Topfe zu trinken, in dem er gekocht worden war. Zum Glück kam einer aus der Gesellschaft auf den klugen Einfall, in Zekkah sein Heil zu versuchen; er ritt hinüber und kehrte bald 176 mit einer Ladung Tassen zurück. Sehr triviale Umstände, die ich nur erzähle, um zu manchen hochtrabenden Beschreibungen des Lebens im Orient, und namentlich in Arabien, ein Gegenstück zu geben. Die Zeit des 'Asr rückte heran, Alle stimmten darin überein, dass es am besten sei, die Gebete für gesagt anzunehmen; wir bestiegen unsere Thiere und galoppirten wieder nach Hause. Einige unserer Gefährten wurden unterwegs abgeworfen, andere machten Halt, um ihnen aufzuhelfen. Endlich kamen wir Alle wieder in Hofhüf an, ziemlich spät und ermüdet, aber in bester Laune und sehr befriedigt von unserm Ausfluge. Die beiden heissen Quellen in Hasa habe ich ziemlich genau beschrieben ; Abu 'Ejsa sagte mir, dass es in der Provinz nicht weniger als dreihundert solcher Quellen gäbe. Ich will nicht gerade dafür einstehen, dass die Zahl richtig ist, so viel aber kann ich versichern, dass sehr viele vorhanden sind, da ich auf einem ziemlich kleinen Räume deren mehr als ein Dutzend gefunden habe; eine namentlich, etwa drei Meilen östlich von Hofhüf, strömte selbst noch reichlicher als 'Omm Sabaa' selbst, obwohl sie nicht so heiss war. Der Grad der Hitze ist bei den verschiedenen Quellen sehr verschieden und hängt ohne Zweifel von unterirdischen Ursachen ab; das Wasser aber muss aus dem Hochlande im Innern des Landes kommen, namentlich vom Towejk. Das Wasser, welches sich im Gebirge an verschiedenen Stellen sammelt, und die Ströme, die sich im Winter auf den Plateaus bilden oder die Thäler durchfurchen, versickern sehr bald in dem Mergel und Sande und scheinen für immer für Befruchtung und das Leben verloren. Dem ist aber nicht so. Sie verschwinden nur für eine Zeit, um dann wieder an der Oberfläche zu erscheinen und an der Küste nachzuholen, was sie im Innern des Landes versäumten. Wenigen Reisenden im Innern Syriens, namentlich gegen Osten und Süden, wo, wie ich früher sagte, der Boden schon das Ansehen von Arabien gewinnt, wird es nicht aufgefallen sein, wie schnell diese Bäche, Flüsse und Ströme sich in dem durchbrochenen Boden der Wüste verlieren. Aber, kann man fragen, warum kommen diese Gewässer nicht näher am Fusse des Towejk wieder aus dem Boden hervor, anstatt nach einem unterirdischen Laufe von vollen fünfzig bis achtzig Meilen in Hasa wieder zum Vorschein zu kommen? Auf diese Frage kann ich nur mit einer Vermuthung antworten. Die Feuchtigkeit, welche durch die Kalksteinlager des Towejk dringt, folgt 177 diesen, wie ich meine, bis zu einer bedeutenden Tiefe in ihrer östlichen Curve, bis sie, näher der Küstenformation, auf eine Schicht undurchdringlichen Granits kommt, die durch unterirdisches Feuer erhitzt ist. Das Wasser, welches nun nicht weiter sinken kann, muss hier wieder emporsteigen und kommt nun heiss an die Oberfläche. Meine Leser werden sich ohne Zweifel erinnern, dass Granit und Basalt in der Küstenformation Arabiens vorherrschen, dagegen Kalkstein, Gyps und ähnliches Gestein sich fast ausschliesslich im Innern des Landes finden. Ehe wir Hasa verlassen, muss ich noch einige Bemerkungen hinzufügen, um die von der Provinz und deren Bewohnern gegebene Skizze zu vervollständigen. Die Frauen in Hasa leben weniger eingeschränkt und sind schöner als in Neged. Wollte ich es unternehmen, eine Schönheitsleiter der Frauen für Arabien aufzustellen, so würden die der Beduinen noch unter der ersten Stufe stehen, über diesen zunächst die Negdäerinnen, dann die Frauen in Schomer und über diesen die des Gauf. Die fünfte oder sechste Stufe würde ich den Schönen von Hasa anweisen, die siebente dann die von Katar; aber mindestens um zehn Stufen höher als diese stehen den wirklich auffallenden Schönheiten von 'Oman, die wir später noch werden kennen lernen. Aller weiblichen Reize bar sind nach dem allgemeinen Urtheil die Frauen in Jemen; auch zweifle ich sehr, dass die Mulattinnen und dunkeln Gesichter in Hadramaut sich grosser Schönheit rühmen können. 178 In einem Distrikt, wo Ackerbau nicht weniger blüht als Handel, wird man erwarten, dass ich etwas über Pflüge, Hacken, Spaten und Dreschflegel sage; Niebuhr hat aber alle Ackergeräthe, die in Arabien gebraucht werden, so genau beschrieben, dass ich nichts weiter hinzufügen kann. Auch über den Bauer, der sieh beinahe in der ganzen Welt gleich bleibt, und die Bauernhäuser, hier meist blosse Erdbütten oder Schuppen von Palmenblättern, will ich nicht viel sagen; bemerken aber will ich, dass man hier viele Kühe findet, alle mit dem Höcker auf dem Rücken, wie in Indien; sie werden oft an den Pflug gespannt, obwohl nicht ausschliesslich, da man sich dazu auch oft der Esel bedient, niemals aber der Pferde. Hinsichtlich der letzteren will ich nur bemerken, dass die Rasse der in Schomer gleicht, d. h. Negdäisches Halbblut ist. Dromedare giebt es viele; sie sind wohlfeil und werden nur von denen in 'Oman übertroffen. Auf meiner ganzen Reise fand ich nur in Hasa Geld von wirklich .arabischer Prägung. In Gauf und Schomer coursirt türkisches und europäisches Geld, eben so wie in Syrien, Aegypten und 'Irak. Im eigentlichen Neged, wo türkisches Geld nicht mehr angenommen wird, ebensowenig wie französische Franken oder deutsche Gulden, haben nur spanische Thaler und englische Sovercigns Werth. Als Scheidemünze bedienen sich die Bewohner von Sedejr, 'Aared und Jemämah der sogenannten Gedidah oder „neuen Münze", ohne Zweifel so genannt wie lucus a non lucendo, denn sie ist in der That sehr alt, ein Stück schlechtes Silber, von der Grösse eines Sixpence - Stückes, welches, so weit die verwischte Inschrift sich noch entziffern lässt, wenn überhaupt noch eine Spur davon da ist, aus einer ägyptischen Münzstätte hervorgegangen zu sein scheint, aber zu einer Zeit lange vor der Dynastie Mohammed 'Ali's. Der Werth dieser Münze ist etwa dem des gewöhnlichen syrischen „Gorseh" gleich, schwankt also zwischen dem eines englischen fourpence und fourpence half-penny. Die kleinste Münze in Neged wird Khordah genannt; kleine 179 unregelmässige Kupferstücke, viereckig, rund, dreieckig, oft vieleckig, die vor etwa zweihundert Jahren in Basrah geprägt worden sind. Die Inschrift, welche die Namen der Statthalter giebt, die sie prägen Hessen, ist beinahe kufisch, so grob und eckig sind ihre Züge. Dreissig Khordah kommen etwa einem Gedidah gleich, der Werth eines Stückes beträgt also etwa yB oder V4 Farthing. Aber Khordah oder Gedidah, Alles ist fremd; die wahhabitische Regierung hat noch nie eine eigene Münze gehabt. In Hasa aber finden wir eine landeseigene Münze, nämlich „Towilah", oder „Langstück" genannt, nach ihrer Gestalt. Sie besteht aus einem kleinen Kupferbarren, der grosse Aehnlichkeit mit einem dicken Nagel hat, etwa einen Zoll lang und an einem Ende gespalten ist, so dass er beinahe aussieht wie ein zusammengedrücktes Y. An der einen flachen Seite sind einige kufische Charaktere, welche den Namen des karmathischen Fürsten anzeigen, unter dessen Auspicien dieses auserwählte Produkt arabischer Numismatik vollendet wurde; übrigens aber findet sich weder ein Datum noch Motto. Drei Towilah sind gleich einem „Gorsch"; ein solcher Kupfernagel hat also etwa den Werth von drei Farthing. Diese Münze hat nur in Hasa Cours, wo sie geprägt wurde, und daher das Sprichwort „Zej' Towilat-il-Hasa", d. i. „wie ein Langstück von Hasa", von einem, der sich nur in seiner Heimath geltend machen kann. Zur Blüthezeit der karma-tischen Herrschaft wurden auch Towilahs von Gold und Silber geprägt. Diese sind aber schon längst wieder eingeschmolzen. Ausser dem Kupfer-Towilah gelten in Hasa auch der persische Tornän, Gold oder Silber, und die englisch-indische Rupie, Anna und Pice. Türkisches oder französisches Geld kommt nicht in die Provinz, ebensowenig negdäische Khordah und Gedidah. In Folge des commerziellen Charakters der Bevölkerung ist das Geld hier häufiger und folglich von verhältnissmässig geringerm Werthe als im Innern. Man kann sich leicht denken, dass in ganz Arabien auf den Dörfern, und selbst bei den ärmeren Klassen in den Städten meistens Tauschhandel getriebei wird, obwohl in Hasa mancher Bauer, wenn es die Gelegenheit giebt, Silber-Tomäns und Kupfer-Towilahs aufzählen kann. Aber bei den Beduinen und selbst den Dorfbewohnern in Neged geht die Berechnung des Werthes nach einem künstlichen Medium über den gewöhn liehen Stand der menschlichen Geisteskraft. Während unseres Aufenthalts in Hofhüf liess Abu 'Ejsa kein Mittel arabischer Beredtsamkeit und Ueberredung unversucht, um mich zu bewegen, nach 'Oman zu gehen, und versicherte, dass Alles, was wir bisher gesehen hätten, selbst in seinem lieben Hasa, nichts sei, im Vergleich zu dem, was uns dort erwarte. Mein Gefährte, der von der langen Reise ermüdet war, und meinte, die Entfernung zwischen ihm und seiner syrischen Heimath sei ohnehin schon weit genug, und es sei nicht nöthig, noch einige Meilen hinzuzufügen, hatte wenig Lust zu einer weitern Expedition. In der That, wenn ich bedächte, mit welcher Liebe die Bewohner des innern Syrien, und namentlich die Christen, an ihrer Heimath hängen, und wie schwer es ist, sie zu einer Reise zu bewegen, so musste ich mich mehr darüber wundern, dass er schon so weit mitgegangen war, als dass er nicht weiter wollte. Die Engländer freilich sind geborne Landstreicher, und so war ich auch entschlossen, 'Oman jedenfalls zu besuchen, mochte Barakät mitgehen oder nicht. Einstweilen machten wir den Plan für das nächste Stadium unserer Reise. Ich wollte mit meinem Gefährten von Hofhüf abreisen und nordwärts nach Katif gehen, und von dort zu Schiffe nach Menämah auf Bahrejn. Hier wollten wir mit Abu 'Ejsa zusammentreffen, der eine Woche später von Hofhüf abreisen sollte, aber nicht über Katif, sondern über 'Agejr, einen Hafen, der näher bei Hofhüf liegt als Katif, nur etwa 24 Stunden südöstlich, an der Küste des Meerbusens. Der Hauptgrund, wesshalb wir uns trennten, war, so lange wir uns in einem Lande befanden, das unter wahhabitischer Herrschaft stand und von wahhabitischen Spionen und Berichterstattern wimmelte, den Anschein zu vermeiden, als ob wir gemeinschaftliche Geschäfte betrieben, namentlich nach dem Verdachte, welcher in Riad, auf uns gefallen war. Weitere Anordnungen wegen 'Oman mussten bis zu unserm Zusammentreffen in Menämah verschoben werden. Abu 'Ejsa, als Pilgerführer, musste ohnehin nach 181 Bahrejn, wegen verschiedener Geschäfte betreffs der Ueberfahrt seiner künftigen Gefährten. Von Bahrejn ging sein Weg zur See nach Abu-Schahr, dem gewöhnlichen Sammelplatz der persischen Pilger, von wo aus sie nach Mekka aufbrechen. Die gewöhnliche Zeit für eine Karawane von Abu-Schahr nach Mekka, über Neged, ist etwa zwei Monat, mit Einschluss der Ueberfahrt von der persischen nach der arabischen Küste. Die Pilger müssen daher zu Ende der ersten Woche des Schaw'wäl spätestens in Abu-Schahr versammelt sein. Barakät und ich bereiteten uns zur Abreise; wir kauften einige Gegenstände, die locales Interesse hatten, zogen unsere Außenstände ein, machten und empfingen die gewöhnlichen Abschiedsbesuche, machten selbst dem Statthalter Beläl, einem Neger, unsere Aufwartung bei einer öffentlichen Audienz am Thore des Palastes im Kot. Nach Katif brauchten wir keinen Pass, da dieses in den Augen der Regierung mit Hasa eine und dieselbe Provinz bildet, obwohl es in mancher Hinsicht von diesem verschieden ist. Der Weg ist vollkommen sicher, an plündernde Beduinen oder Strassenräuber ist nicht zu denken; wir brauchten jedoch Gefährten, nicht als Escorte, sondern als Führer. Abu 'Ejsa zog in der Stadt Erkundigungen ein und fand auch wirklich drei Leute, die eben nach Katif wollten. Der eine war ein halber Beduine, von der Klasse, welche in Syrien ,,'Arab-ed-Dirah" oder Beduinen des bebauten Landes genannt werden; der zweite war ein ächter Agmän; der dritte ein Einwohner von Hofhüf. Sie waren gern bereit, mit uns gemeinschaftlich zu reisen. Unsere abyssiuische Wirthin versorgte uns mit einem ganzen Sack voll Lebensmitteln und so bestiegen wir unsere Kamele und nahmen einen fast rührenden Abschied von Abu 'Ejsa's gutmüthiger Frau, küssten den Kleinen, wechselten ein „auf Wiedersehen" mit dem Vater und ritten fort, Nachmittags am 19. December. Ich liess hier manchen guten Freund zurück und ich bin überzeugt, dass, sollte ich jemals wieder nach Arabien zurückkehren, ich nirgends ein so herzliches Willkommen finden würde, als hier in Hofhüf. Wir ritten zum nordöstlichen Thore des Quartieres Refej'ijah 182 hinaus, wo die Freunde, welche uns nach arabischer Sitte in einer Art Prozession das Geleite gaben, uns eine glückliche Reise wünschten und noch einmal Abschied nahmen. Unser Weg führte nun sogleich in ein Labyrinth üppiger und gut bewässerter Palmenhaine, meist Khaläs, einige Stunden lang bald zwischen rauschenden Wassergräben, bald über schmale Brücken, bis wir gegeu Sonnenuntergang an einem grossen mit Schilf bewachsenen Sumpfe vorbei kamen, wo zwischen den dicht beisammen stehenden Bäumen und dem schlammigen Sumpfe gerade so viel Raum war, dass ein Kamel fussen konnte; endlich kamen wir auf einen kleinen sandigen Platz, der das Gebiet von Hofhüf von dem von Keläbijah trennt. Letzteres ist ein ziemlich grosses Dorf, etwa sieben engl. Meilen nordöstlich von der Hauptstadt. Hier bivouakirten wir an einem kleinen Hügel von reinlichem Sande, Keläbijah zu unserer Rechten und die dunkle Linie des Gehölzes von Hofhüf zu unserer Linken, während vor uns in einiger Entfernung eine reiche Quelle ihre rauschenden Gewässer hervorsprudelte, die wir in der Stille der Nacht deutlich hören konnten, und einen Garten bewässerte, der Damaskus oder Antiochiens würdig gewesen wäre. Die Nachtluft war mild, weder kühl wie in Neged, noch schwül wie im südlichen Indien, der Himmel sternenhell. Von unserer hohen Stelle auf dem Hügel konnte ich den Sohejl oder Canopus sehen, der jetzt dem Untergange nahe war, und nicht weit über dem Horizont die drei oberen Sterne des südlichen Kreuzes, eine alte indische Bekannt- schaft. Zwei Monate später hatte ich in 'Oman den Anblick des ganzen Sternbildes. Während wir hier der Ruhe pflegten, wurden wir durch die Tritte herannahender Kamele aus dem Schlummer geweckt. Es waren einige Reisende, die von Katif kamen. Sie machten neben uns Halt und rasteten etwa eine Stunde, denn wie könnte ein Araber bei einem andern vorbeigeben, ohne ihn nach Neuigkeiten zu fragen? Einer von ihnen, ein Ein gebor ner von Katif, hatte vor nicht langer Zeit die Entdeckung gemacht, dass ein junger Mann aus derselben Provinz seine junge noch unverheiratete Schwester verführt hatte. Nach arabischen Begriffen kann eine solche Schmach nur mit dem Blute der Schuldigen rein gewaschen werden, und der Kauft, in voller Ueber-einstimmung mit uraltem Gebrauche, welcher dem nächsten Ver-183 wandten die Pflicht auflegt, die Schande der Familie zu rächen, erschlug seine Schwester und ihren Buhlen. Die Wahhabiten aber bestimmen, nach den Vorschriften des Koran, für Vergehen unverheirateter Personen eine weit mildere Strafe; und als daher die Kunde von diesem Falle nach Riad gelangte, wurde Befehl gegeben, den eifersüchtigen Katifi festzunehmen und wegen absichtlichen und nicht zu rechtfertigenden Mordes zur Verantwortung zu ziehen. Die Ausführung des Befehls wurde Beläl, dem Statthalter der ganzen Provinz, übertragen, der seinerseits wieder Farhät, dem speciellen Statthalter von Katif, dieses unangenehme Geschäft übertrug. Farhät schickte seine Schergen, um den Schuldigen festzunehmen; die ganze Nachbarschaft aber verband sich, um den Mörder zu schützen und ihm zur Flucht bchülflieh zu sein. Endlich, nachdem man ihn einige Wochen lang gesucht, wurde er im Hause eines Bauers entdeckt, gefangen genommen und nach Hofhüf geschickt. Dieser Vorfall h«itte in ganz Katif grosse Aufregung hervorgebracht, wo die öffentliche Meinung allgemein für den Bruder war und die wahhabitische Verwaltung tadelte, welche der Lauheit in häuslicher Sitte Thor und Angel öffne. WTir waren noch nicht fertig, diese Ereignisse anzuhören und zu commentiren, als noch ein Einwohner von Hofhüf, gut beritten und bewaffnet, von Süden her ankam und bat, ihm zu erlauben, an unserer Gesellschaft Theil zu nehmen, was ihm natürlich sogleich zugestanden wurde. Am nächsten Morgen zogen wir, nun sechs Mann hoch, weiter und kamen dicht unter dem Hügel vorbei, auf welchem Keläbijah liegt. Der Name des Dorfes zeigt, dass es eine Colonie der Benu Keläb ist, eines negdäischen Stammes, der sich von Kejs herleitet und sich hier in sehr früher Zeit angesiedelt hat. Meine Leser mögen Keläb nicht mit Kelb verwechseln, welches ein ganz anderer Stamm von kahtanischer Herkunft ist und Todfeinde von Keläb und der ganzen zahlreichen Nachkommenschaft von Kejs - 'Ejlän. Langer Aufenthalt in Hasa hat die nationale Antipathie nicht verwischt und die Bewohner von Keläbijah werden bis heutigen Tags von der umwohnenden Bevölkerung schlecht angesehen, die stolz ist auf ihre kahtanische Verwandtschaft durch Modhag, Kodaa'h und Kindah. Als wir Keläbijah hinter uns hatten, kamen wir über eine grosse Ebene mit leichtem sandigen Boden, die teilweise mit Streifen von Basalt und Saudstein durchschnitten war. Ueberau sah man Anzeichen reicher Feuchtigkeit in geringer Tiefe unter der Oberfläche; Zwerg-Palmen, Sträucher, selbst Schilf und Binsen standen überall in kleinen Zwischenräumen, und hie und da kamen wir an kleinen Teichen 184 vorbei, in Vertiefungen, mit überhängendem Gesträuch, während die Ruinen von zwei grossen Dörfern den Verfall des Landes unter der negdäischen Herrschaft bezeugten. Hunderte von Einwohnern sind in neuerer Zeit ausgewandert; einige Familien nach Norden, die Mehrzahl nach den Inseln bei Bahrejn, der persischen Küste und dem verwandten Gebiet von 'Oman. Ueber die, welche zurückgeblieben, übt die schlechte Regierung ihr Schritt für Schritt fortschreitendes Werk des Ruins, nach demselben Prozess, welcher unter ottomanischem Einflüsse das Land zwischen Bagdad und Mosul in eine Wüste verwandelte und Syrien auf ein Achtel seiner frühern Bevölkerung zurückgebracht hat. Wir reisten den ganzen Tag, ohne Beduinen zu treffen, und begegneten nur wenigen Reisenden. Gegen Abend lagerten wir in einem flachen Thale, nahe einigen bis an den Rand vollen Brunnen, einige mit süssem, andere mit brakigem Wasser, wo die Spuren halbver-schiitteter Wasserbetten und zusammengestürzter Wände zeigten, dass früher ein Dorf hier gestanden hatte, welches jetzt ebenfalls wüst war. Wir brachten eine sehr angenehme Nacht im Schutze von Palmen und hohen Sträuchern zu, zwischen riesenhaften Aloes und Palmenlilien, und setzten früh am andern Morgen unsern Weg fort. Als wir gegen Sonnenaufgang über eine sandige Anhöhe kamen, sahen wir in geringer Entfernung zu unserer Linken das Dorf Iledijah und hier zum letzten Male die Bergkette von Hasa, hier schon bedeutend niedriger als bei Hofhüf, aber mit denselben phantastischen Umrissen. Unser Weg ging nach Nordosten. Am Nachmittag bekamen wir zum ersten Mal Gebel Muschahhar zu Gesicht, einen pyramidenförmigen, mehr als siebenhundert Fuss hohen Gipfel, etwa zehn englische Meilen von Katif. Er gehört zu einer Reihe von Bergen, unter denen dieser der „Muschahhar" oder „der Deutliche" (ein Name, der mich an den maltesischen Conspicua erinnerte) allein die Aufmerksamkeit auf sich zieht. Diese Bergkette trennt das Gebiet von Katif von der Provinz Hasa, welche stets zwei- bis dreihundert Fuss über dem Meeresspiegel liegt. Die Gegend, durch welche unser Weg an diesem Tage führte, war der des vorhergehenden Tages sehr ähnlich: Sandhügel und Eben en, hie und da ein Felsen, ein Palmengebüsch oder ein verfallenes Dorf, und überall ein merkwürdiger Ueberfluss an unterirdischem Wasser, welches durch den Boden hervordrang, im Allgemeinen süss und gut, jetzt aber nutzlos, weil die Hände fehlen, um die Fruchtbarkeit, welche es geben könnte, zu benutzen. Wäre eine bessere Regierung an der Stelle der gegenwärtigen Tyrannei, so könnten wir leicht fünfhundert Dörfer oder Städte sehen, wo jetzt nur fünfzig sind; denn so viel wurden mir als runde Zahl der Dörfer in Hasa 185 angegeben. Ein eigenthümliches Ansehen giebt hier der Vegetation eine ungeheure Aloe, die ich schon früher erwähnte, und deren dornige Blätter und dichte Büschel oft hoch genug sind, um den Reisenden mit ihren Kamelen und Allem, was sie bei sich führen, Schutz zu gewähren. Diese Pflanze ist in Hasa gewöhnlich, im Innern aber, oder auf dem Hochlande sah ich sie nirgends. Es wäre unhöflich, wenn ich mich hier von meinen Gefährten trennen wollte, ohne ihrer mit einigen Worten zu gedenken. Unter allen Beduinen, die ich auf meinen Wanderungen getroffen habe, sind die Benu Hagar, Benu-Khälid und Agmän sowohl die geistig begabtesten als zugleich die höflichsten; die Freiheit der Sitten , die von dem Nomaden unzertrennlich ist, wird bei ihnen weniger roh und ab-stossend, als bei anderen. Das ist theilweise eine Folge ihres häufigen Verkehrs mit der sesshafteu Bevölkerung in Hasa, deren geselliges und höfliches Wesen sie zum Theil angenommen haben. Diese Stämme sind besser bewaffnet und gekleidet, als im Durchschnitt ihre Brüder in der Wüste, obwohl im Ganzen ihre Tracht dieselbe ist und sich nur durch die Qualität des Materials und hellere Farben unterscheidet. Alle sind mit Musketen bewaffnet, manche auch noch neben diesen mit Speer und Schwert und tragen in ihrem Gürtel den krummen in 'Oman gewöhnlichen Dolch. In den späteren Nachmittagsstunden stiegen wir allmälig die breite niedrige Kette der Berge von Katif hinan, wobei uns Gebel Muschahhar in ziemlicher Entfernung zur Rechten blieb; das Meer aber war durch eine Fortsetzung der Bergreihe unseren Blicken verhüllt. Hier kamen wir aus dem Sande von Hasa auf einen felsigen und schwärzlichen Boden; die Luft war kühl und scharf. Abends machten wir an einem GehölzeHalt, gerade an der Grenze des Gebiets von Katif, nahe dem jetzt halb wüsten Dorfe 'Azmiah, dessen wenige noch bewohnte Häuser so erbärmlich und wenig versprechend aussahen, dass wir es vorzogen, im Schutze einer Aloehecke zu lagern und unser Abendessen von unseren eigenen Vorräthen zu bereiten. Unsere Dromedare, sehr hübsche Thiere, Hessen wir frei grasen. Diese benutzten die Dunkelheit, um das Weite zu suchen und konnten nicht ohne Schwierigkeit wieder eingefangen werden, ein Beweiss, dass das Kamel, wie ich oft hörte und schon im ersten Kapitel dieses Werkes 186 erwähnt habe, einmal sich selbst überlassen, nicht leicht wieder zurückkehrt, wenn es nicht dazu gezwungen wird. Am nächsten Morgen standen wir mit dem ersten Grauen des Tages auf. Ein langer, vielfach gewundener Weg brachte uns über die Berge von Katif und endlich, nach mehreren Stunden, bekamen wir die dunkle Linie von Pflanzungen zu Gesicht, welche Katif von der Landseite umgeben; unmittelbar hinter dieser war die See, die wir aber wegen der grünen Wand nicht sehen konnten. Gegen Mittag stiegen wir den letzten Abbang hinab, einen steilen Sandsteinfelsen, der aussieht, als ob er in einer frühern Periode die Grenze des Meeres gebildet hätte. Wir waren nun in gleicher Höhe mit dem Meerbusen an der Küste, die bei einer nur wenige Fuss höhern Fluth als gewöhnlich bis an die Felsen unter Wasser gesetzt wird. Das Land ist daher entschieden ungesund, obwohl fruchtbar und bevölkert; die Einwohner haben aber meist ein schwächliches Aussehen. Unser Weg, die Hauptstrasse von Katif, führte länger als eine Stunde über einen weisslichen Boden, das [ausgetrocknete Bett eines seichten Salzsees; aber vor uns, zur Rechten und zur Linken, war eine ununterbrochene Linie von Palmenhainen, wo sich in Schlangenwindungen die Bogen und Kanäle einer alten Wasserleitung hinzogen, noch aus den Zeiten der karmathischen Dynastie, welche früher Katif mit besserem Wasser versorgte, als das, welches in unmittelbarer Nähe zu haben ist. Die ganze Länge des Baues muss gegen fünf englische Meilen betragen haben; leider aber ist er jetzt verfallen, und die Gewässer, welche einst über dem Gemäuer strömten, schleichen jetzt träge auf dem Boden hin, oder stagniren in Sümpfen. Die Atmosphäre war schwül und drückend, die Hitze fast unerträglich, die Vegetation rings umher reich und üppig und erinnerte mich an die Küste Indiens. Im Schatten der hohen Bäume führte uns ein schmaler Richtweg nach etwa einer Stunde an das westliche Thor von Katif, ein hoher, steinerner Bogen von zierlicher Form mit Thürmen und Mauern zu beiden Seiten, die aber alle verfallen und abgebrochen waren. Dicht vor demselben waren die beiden Begräbnissplätze, der eine für die Landeseingebornen, der andere für die negdäischen Herrscher und Eingewanderten, selbst noch im Tode durch gegen- 187 seifigen Hass und Fluch getheilt. Eine Narrheit, wenn man will, aber eine Narrheit, die nicht dem Orient allein eigen ist. Die Stadt selbst ist volkreich, aber feucht und schmutzig und hat ein fast düsteres, ich möchte sagen, modriges Ansehen. Markt und Strassen waren sehr belebt, aber das schlechte und sehr wenig arabische Ansehen der Budeninhaber und Arbeiter bestätigt, was die Geschichte von einer persischen Colonisation dieser Stadt erzählt. Die Einwohner dieses ganzen Distrikts, hauptsächlich aber der Hauptstadt, sind in der That eine gemischte Rasse, in welcher das persische Blut vorherrscht, mit dem von Basrah, Bagdad und 'Irak gemengt. Während des Triumphes der Benu 'Abbas flohen die hart bedrängten Schija'is oft nach Katif, wo sie bei den karmathischen Herrschern Schutz fanden. Diese Einwanderung trug viel dazu bei, die Industrie und Gewerbthätigkeit der Hauptstadt zu heben, zugleich aber auch die Sittlichkeit und den Stammbaum der Einwohner zu verderben. In den Dörfern von Katif mag sich das arabische Blut reiner erhalten haben, aber auch hier ist der persische Typus nicht zu verkennen. Es ist kaum nöthig zu sagen, dass sämmtliche Einwohner Schija'is oder wenigstens Khowarig (Freigeister) sind, und alle Abstufungen des orientalischen Unglaubens durchschritten haben, von Mohammed zu 'Ali, von 'Ali zu den Imäms, Isma'il, Musa oder Abu-Käsim; von den Imäms zu dem Kä'im-ez-Zemän und von Kä'im zu Pantheismus, Materialismus oder unverhülltem Pyrrhonismus: ein Gegenstand und eine Phase des menschlichen Verstandes, der eine ernstere Untersuchung verdient, als ihm bis jetzt zu Theil geworden. Einstweilen muss ich meine Leser, welche einen Blick in die fremde Welt orientalischen Lichtes oder orientalischer Finsterniss werfen wollen, auf die Vorrede von de Sacy's Werk Uber die Drusen verweisen. Wir trieben unsere Kamele zur Eile über den grossen Marktplatz, ritten durch die ganze Stadt, die, wie die meisten Städte an dieser Küste, nur etwa eine Viertelmeile lang ist, und kamen am andern Ende wieder ins Freie, wo wir uns nach dem Meere umsahen, das von hier keine zehn Minuten mehr entfernt ist; noch immer aber konnten wir es nicht sehen, so niedrig liegt das Land und so dicht beisammen stehen die Bäume. Nachdem wir aber noch eine oder zwei Windungen gemacht hatten, kamen wir an die äussere Mauer, 188 welche ZU der gewaltigen Festung Karmuts gehörte, und unmittelbar darauf öffnete sich das Thal und zeigte fast zu unseren Füssen die seichten Wellen der Bucht. Wie verschieden ist diese von dem hellen Wasser des mittelländischen Meeres, wo Alles glänzt und lebt, wie wir es zum letzten Male vor acht Monaten in Gaza gesehen hatten. Wie eine bleierne Fläche, halb Schlamm, halb Seegras, lag das schlammige Meer ohne Wellen und rcgunslos vor uns; zu unserer Linken reichten die massiven Mauern der Burg bis beinahe an den Rand des Wassers hinab, so dass zwischen ihnen und der Bucht nur eine schmale Esplanadc blieb. Hier standen einige verrostete Kanonen von schwerem Kaliber, die uns zeigten, wie der Platz ehedem verteidigt war; und gerade vor dem Hauptthor war ein halb verfallenes Aussenwerk, welches ein einziger Kanonenschuss dem Boden gleich machen könnte. Hier standen sechs Stück durch und durch löcherige Geschütze, deren Mündungen nach der See zu gerichtet waren. Die Mauern der Burg sind hoch und fest, von einem Gemisch von Backstein und Steinen und können einem ernsten Angriffe wohl widerstehen ; der Eingang ist mit doppelten Thoren versehen, mit Thürmen zur Seite. Lange Steinbänke ausserhalb luden uns ein, unsere Kamele auf der Esplanade niederkauern zu lassen, während wir uns setzten und ein wenig ausruhten, bevor wir den Gouverneur um Gastfreundschaft und" um die Erlaubniss baten, uns nach Bahrejn einschiffen zu dürfen. Die Burg von Katif steht an der innern Curve einer kleinen Bucht, welche an der Basis einer andern grössern ausgeschweift ist, und ist beinahe gerade nach Osten gerichtet. Gegen Norden und Süden laufen zwei lange Vorgebirge aus, wie vorgestreckte Hörner, auf deren Spitzen die Burgen Därim und Däman liegen. In gerader Linie beträgt die Entfernung dieser beiden Spitzen etwa zwölf engl. Meilen, folgt man aber der Krümmung der Bucht, so ist sie ungleich weiter. In diesem Loche faulen die seichten Gewässer des Golfs, die bei voller Fluth das. täuschende Ansehen einer ruhigen Tiefe haben , bei eintretender Ebbe aber kommen unzählige Sandbänke, kleine Inseln, Untiefen und Büsche von Seepflanzen zum Vorschein, zwischen denen sich schmale, mit Schlamm angefüllte Kanäle hinwinden. Das Ufer ist mit Ausnahme weniger Stellen ausserordentlich flach und fast in gleicher Höhe mit der See; an manchen Stellen ist es sandig und kahl, an anderen bis an den Rand des Wassers mit Palmen und niederem Gesträuch bewachsen. Man erkennt beim ersten Andicke, dass diese Küste ungesund ist und wie sehr sie den schlechten Ruf verdient, in welchem sie wegen Fieber und anderer Krankheiten steht. 199 In der kleinern oder innern Bucht lagen zwanzig bis dreissig arabische Barken von verschiedener Grösse, aber alle mit sogenannten lateinischen Segeln, das einzige Takelwerk, welches man hier kennt. Ein grosser Schiffsrumpf, nicht weit vom Lande, zog unsere Aufmerksamkeit auf sich, und wir bekamen nicht wenig Respekt, als wir erfuhren, dass dies Fejsals Seemacht sei, mit der der Beherrscher von Neged alle Flotten der Ungläubigen von Bahrejn, 'Oman und England schlagen und erobern will, im Fall sie tollkühn genug wären, einen Angriff zu wagen. Dieses gewaltige Sehirl', Geschwader" oder Flotte, kam an Grösse etwa einem gewöhnlichen Kohlonschiffo von Newcastle gleich und war, nach der ausserordentlichen Plumpheit der Bauart zu ur-theilen, zu kriegerischen Manövern eben so geschickt. Die Einge-borneh jedoch betrachteten es mit grosser Furcht und sprachen nur ' mit grösster Achtung davon. Es hatte so eben seine Masten erhalten und sollte nun segelfertig gemacht werden. Nicht weit davon, und dicht am Ufer, lag das Zollhaus, eine lange und schmale Hütte von Palmenblättern, „Ma'äscher" oder „Zehnten-Ort" genannt, denn das Uecimalsystein der Procentenzahlung findet hier bei Abgaben, die an die Regierung zu zahlen sind, überall Anwendung, wie beim Ackerbau, so auch beim Handel. Etwas weiter hin waren dumpfige Palmenhaine und Flecken von Salzwassersumpf. Barakät und ich konnten nicht umhin, Betrachtungen anzustellen über die Verschiedenheit der beiden Seiten Arabiens; unsere Gefährten aber, als echte Araber, meinten, es sei hohe Zeit, Erfrischungen einzunehmen., und erkundigten sich am Thore der Burg, wo der Gouverneur sei und ob er zu sprechen sei, als Se. Hoheit selbst herauskam, im Begriff, das neue Kriegsschiff zu besuchen. Der Gouverneur des bedeutendsten Hafens, welchen Neged am persischen Meerbusen besitzt, 190 und der ehemaligen Hauptstadt jener gewaltigen Dynastie, welche die Kaabah der Erde gleich machte und Katif mit Beute aus Jemen und Syrien füllte, ist ein in Fejsals Palaste erzogener Neger, mit Namen Farhät, ein langer Mann (wie die meisten seiner Farbe) von etwa fünfzig Jahren, heiter, gesprächig, gastfreundlich und mit mehr Verstand begabt, als man im Durchschnitt bei dieser Rasse findet. Er war reicher gekleidet, als sich eigentlich für einen strengen Wahhabiten schickt, was man jedoch bei einem Neger wohl entschuldigen darf; übrigens nehmen es an den Aussenstationen selbst gute Wahhabiten nicht so genau. Sein Gefolge bestand aus Negdäern, deren blasse Gesichter zeigten, dass sie alle mehr oder weniger an den Folgen des Fiebers litten, und die so verdriesslich aussahen, als hätten sie eben eine Predigt von 'Abd-el-Kerim oder 'Abd-el-Latif in Riad anhören müssen. Abu 'Ejsa, der überall Freunde und Bekannte hatte, und sich namentlich mit Negern, vornehmen und geringen, gut stand, hatte uns ein Empfehlungsschreiben an Farhät gegeben, in welchem er sagte, wie gnädig und mit welchen Ehren wir in der Hauptstadt von Fejsal aufgenommen worden waren, jedoch klüglich die Umstände unserer plötzlichen Abreise von dort verschwieg. Von unserer Weiterreise sagte der Brief nichts; unser Plan aber war, uns zu stellen, als ob wir nach Kowejt und Basrah wollten, während wir uns nach einer Gelegenheit zur Ueberfahrt nach Menämah umsahen, um nicht etwa durch eine vorzeitige Erwähnung von Bahrejn Verdacht zu erwecken. Die Sachen gingen jedoch besser, als wir erwartet hatten, so dass eine solche Vorsicht kaum nöthig war. Der Zufall wollte, dass ein heftiger Nordwind eintrat, der uns den besten Vorwand gab, uns nicht nach Basrah einzuschiffen, während er einer Reise nach Bahrejn, wohin wir wollten, ausserordentlich günstig war. Nun ist bei Reisenden, welche zur See nach einem Hafen an . der Küste des persischen Meerbusens wollen, nichts gewöhnlicher, als bei widrigem Winde einige Tage in den passend gelegenen Häfen zu Menämah oder Moharrek liegen zu bleiben, um günstiges Wetter zu erwarten. Farhät selbst hatte kaum Abu 'Ejsa's Brief erbrochen und sich die ersten Zeilen von einem aus seinem Gefolge vorlesen lassen (seine Augen hatten 191 durch Ophthalmie sehr gelitten), als er uns freundlich und herzlich willkommen hiess, ohne allen Verdacht und Hintergedanken, Befehl gab, unser Gepäck in das Schloss zu bringen, und uns bat, hineinzugehen und bei einer Tasse Kaffee seine Rückkehr zu erwarten, da er so eben Fejsals neuerbaute Flotte inspiciren musste. Wir waren nun in dem Palaste, der der Tradition zufolge von Abu-Sa'id-el-Genäbi oder Karmut selbst erbaut sein soll, obwohl ich kaum glauben kann, dass er wirklich so alt ist und seine Erbauung eher in das sechste oder siebente Jahrhundert des Islam setzen möchte. Der hier angewendete Architekturstyl ist ungleich leichter und zierlicher, als bei den übrigen wenigen Ueberresten, welche wir aus dem dritten Jahrhundert der Hegra besitzen, und die Grösse und Verzierunng des Gebäudes stimmen weit mehr zu Werken einer Zeit, in welcher die Macht der Dynastie schon befestigt war. Die Grundmauern und das erste Stockwerk mögen vielleicht von Genäbi herrühren, der Oberbau aber höchst wahrscheinlich erst von dessen Nachfolgern. Der äussere Hof bildet ein Viereck und ist von den hohen Mauern umgeben, an deren äussern Seite wir eben vorbei gekommen waren, mit hohen Thürmen an den Ecken und einem Graben an der Landseite; nach vorn durch die See geschützt. An der südwestlichen Ecke, die dem Eingange am entferntesten ist, steht der Palast selbst. So wie er jetzt ist, zum Theil eingestürzt und niedergerissen, zum Theil in späterer Zeit ungeschickt ausgeflickt, lässt sich sein ursprünglicher Plan nicht leicht erkennen. Zuerst kommt ein grosser Porticus oder Bogengang, im sogenannten maurischen Style, von Reihen leichter Säulen getragen, drei Bogen tief und fünf Bogen lang, wenn ich mich nicht irre, mit einem Kreuzgewölbe und einer jetzt zerstörten Verzierung von Arabesken in Stukkarbeit. Von hier kommt man in eine lange, früher bedeckte Gallerie, wovon aber jetzt nur die Seitenwände und Pfeiler stehen und nur hie und da noch ein Stück von einem Bogen. Durch diese tritt man in den innern Hof, um welchen rings herum sich leidlich gut erhaltene Gemächer linden; an einer Seite desselben ist der Empfangssaal, ein grosses, langes und breites Zimmer, mit schönen Pfeilern in der Mitte und Fenstern im persischen Style, die durch kleine Säulen in Felder abgetheilt sind; am hintern Ende 192 des Saales ist ein erhöhter Thron, wo von ehedem ein Monarch sass, jetzt ein Neger. Hinter diesem und im Innern ist ein unentwirrbares Labyrinth von Zimmern, Gallerien, Kämmerchen und Durchgängen in drei Stockwerken über einander; hier kommt man an eine eingestürzte Treppe, dort an eine Thür, die sich auf einen leeren Raum öffnet. Die noch erhaltenen Fenster sind mit einem hübschen Gitter- werk von Stein ausgefüllt, jedes mit einem andern Muster und vielem Geschick und Geschmack. Endlich, einige Schritt hinter dem Empfangzimmer oder K'häwah, und zu ebener Erde, scheint sich der Hof für öffentliche Audienzen befunden zu haben, mit grossen runden Säulen und Spuren von Verzierungen, die grosse Aehnlichkeit mit denen in den Häusern zu Bagdad haben, wo das Basrelief die Stelle der Farben vertritt. Dieser Theil des Gebäudes ist in eine wahhabitische Moschee verwandelt und jämmerlich verunstaltet worden, um ein Mihräb und anderes zur mohammedanischen Andacht Nöthiges herzustellen. Und das ist Alles, was Zeit und Krieg von der alten karmathischen Königsburg übrig gelassen haben. „Die das bauten, müssen viel civilisirter gewesen sein, als die es jetzt inne haben", war die erste Bemerkung meines Reisegefährten. Leider lässt sich dies nicht von Katif allein sagen, sondern von einem ganzen Reiche zwischen der Donau und dem Tigris. Zu bemerken ist, dass, obgleich man in Hasa den Bogen kennt und beständig anwendet, dies mit dem Gewölbe nicht der Fall ist, ausser in dessen einfachster oder Tonnenform. Dasselbe kann man auch von den bedeckten Gängen sagen, die noch in der Burg im Gauf erhalten sind und die alle nur die tonnenförmige Wölbung haben. Der Palast Karmuts war sonach das erste Gebäude, welches wir sahen, seit wir Gaza verlassen, in welchem Kreuz- oder Rippen-Gewölbe angewendet waren ; ein entschiedener Fortschritt in der Architektur, den wir später noch öfters in Bahrejn, an der persischen Küste und 'Oman begegneten. In den beiden letzteren Distrikten zeigt sich noch ein weiterer Fortschritt der Baukunst in der häufigen Anwendung des Domes oder der Kuppel, durch concentrische Reihen von Ziegeln oder Steinen gebildet, welche eine doppelte Curve bilden, sind lauter Erscheinungen, die auf fremde Kunst und fremden Einfluss deuten, denn die Araber scheinen, sich selbst überlassen, nie genug Architekten gewesen zu sein, um nur einen einfachen Bogen zusammenzusetzen, viel weniger ein Gewölbe oder eine Kuppel; und die Gewölbe, welche sie ohne fremden Beistand aufgeführt haben, in Schomer, Kasim und Neged, alte wie neue, beweisen hinlänglich diese auffallende Unkenntniss oder Vernachlässigung. Als sie aber einmal persische und griechische Bauwerke gesehen hatten, copirten 193 sie leicht die besseren Muster von Iran und Syrien, bis sie selbst leidliche Baumeister wurden, wenn auch nicht Meister ersten Ranges. Die Ueberreste Himjaritischer Arbeit in Hadraraaut, z. B. in Nakab-el- Haggär und an anderen Orten, gehören einer andern Rasse an, nämlich der abyssinischen, ein Punkt, dem wir im nächsten Kapitel genauer nachforschen wollen. Barakät und ich wurden bald in das K'häwah geführt und nahmen dort Platz, während ein loderndes Feuer von Palmenholz die feuchte Kälte dieser alten Ruinen vertrieb. Die Möblirung war ziemlich gut und der Kaffee ausgezeichnet. Farhät kam jetzt zurück und nun begann eine lebhafte Unterhaltung über Riad, Fejsal, 'Abd-Allah, die Belagerung von 'Onejzah u. s. w.1 Im Zimmer waren noch einige zwanzig Negdäer anwesend, die zur Besetzung des Forts gehörten, welche im Ganzen etwa 250 Mann beträgt; an der andern IL , 10 Seite des K'häwah sassen schweigend einige Einwohner der Stadt, mit grossen Turbans und knappen persischen Jäckchen; Zwischen ihnen und den Arabern aus dem Hochlande schien wenig freund -' schaftlicher Verkehr zu bestehen. Ausser diesen befanden sich noch einige Schiffer in der Gesellschaft, muntere und sehr gesprächige Leute 5 schwarze und weisse Diener füllten den Hintergrund. Bald wurde ein gutes Abendessen aufgetragen, bestehend aus Fisch und Fleisch, und nachdem dieses in gehöriger Form mit Kaffee und Räucherung beschlossen war, sagte Farhät mit einer Höflichkeit, die uns beinahe überraschte, er habe unser Gepäck bereits in ein zu unserer Aufnahme in Stand gesetztes Zimmer bringen lassen, und da wir ohne Zweifel ermüdet wären, wünschten wir vielleicht demselben zu folgen. Er war sogar so vorsichtig, uns in eigener Person mit dem Lichte voranzugehen 5 bei dem verfalleneu Zustande der steinernen Treppe eine keineswegs überflüssige Vorsicht. Meine Leser werden sich vielleicht, eben so wie wir selbst, über eine so übermässige Höflichkeit bei einem so hohen Herrn wundern. Aber Alles auf der Welt hat seinen Grund, und dieser fehlte auch 194 hier nicht. Mein alter Patient Gauhar, welcher nach Wiederherstellung seiner Gesundheit lange vor unserer Abreise aus dem 'Aared Riad in geschäftlichen Angelegenheiten verlassen hatte, gerade als wir bei Hofe in der höchsten Gunst standen, war auf seinem Wege nach Bahrejn durch Katif gekommen. Mit allen dem Oberschatzmeister gebührenden Ehren aufgenommen, hatte er, während seines Aufenthalts in der Burg, seinem schwarzen Bruder Farhät eine so günstige Meinung über uns beigebracht, dass, als wir selbst ankamen, mit noch einer Empfehlung von Abu 'Ejsa in der Tasche, wir alle schon zu unseren Gunsten gestimmt fanden und Farhät gern Alles that, um uns gefällig zu sein. Ja, schon an diesem ersten Abende leistete er uns den grössten Dienst, den er konnte, indem er sorgfältige Erkundigungen einzog, ob etwa ein Schiff oder Boot bald nach Bahrejn segele und uns versprach, dass das erste, welches dorthin gehen würde, uns mitnehmen sollte, obwohl, setzte er hinzu, er es sehr gern sähe, wenn wir ihm wenigstens acht Tage schenken wollten. Wir dankten ihm, und folgten ihm die Treppe hinauf in ein Zimmer, wo vielleicht einmal Könige geruht hatten, und das mit Teppichen und Matten belegt war. Zwei Fenster hatten die Aussicht auf den innern Hof, die leeren Nischen an den Wänden, in denen früher Schränke gestanden hatten, schienen darauf zu deuten, dass das Zimmer früher einen Theil des Harem gebildet hatte. Wir verschlossen die Thüre, zündeten unsere Pfeifen an, (natürlich nur, um die Moskiten abzuhalten) und begaben uns dann zur Ruhe. Den folgenden Tag brachten wir theils in Farhäts K'häwah zu, theils auf Spaziergängen um die Burg, die Stadt, in den Gärten, am Strande und erkundigten uns nach einem Boote. Katif bildet im Allgemeinen einen sehr starken Contrast gegen das übrige Arabien. Die üppige Vegation seiner Gärten übertrifft noch bei weitem die am besten bewässerten Stellen bei Hofhüf. Das Wasser, aus welchem die Palmen ihre Nahrung ziehen, ist salzig, denn der Boden erhebt sich so wenig über das Meer, dass die Fluth weit in die Pflanzungen hineinreicht und sich mit den reichlich von den westlichen Bergen herabströmenden Quellen mischt. Es ist merkwürdig, dass die 19& Dattelpalme, ebenso wie die Kokusnuss, durch das Sslzwasser nicht allein keinen Schaden leidet, sondern vielmehr desto besser gedeiht. Die Dattelhaine bei Katif ziehen sich wie ein Gürtel mehrere Stunden lang und breit an der Küste hin und ihr Produkt ist, wenn auch an Qualität dem von Hasa nicht gleich, an Quantität doch noch bedeutender. Ausserdem wachsen hier Limonen, Citronen, allerlei Arten Gemüsepflanzen, auch Getreide, obwohl die Hauptnahrung der Einwohner aus Fisch und Reis besteht. Der letztere ist wohlfeil und wird über Bahrejn aus Indien eingeführt. Die Stadt selbst ist feucht und schmutzig und bietet für den Fremden wenig. Ich bemerkte einen Streifen gepflasterten Weges, und neben diesem einen Schwibbogen, der glücklicheren Tagen angehörte, als Katif noch eine Hauptstadt war. Die Einwohner, welche uns nach unserer Kleidung für Negedäer hielten, blickten uns mürrisch und schweigend an. Sie sind ein fleissiges, aber nicht eben sehr freundliches Volk. Ich glaube nicht, dass die Stelle von Katif gut gewählt ist. Die ungesunde Lage und Mangel an leichtem Verkehr mit dem Innern werden kaum durch einen halbverschlammten Hafen aufgewogen, in welchen nur die kleinsten Seeschiffe gelangen können, und auch diese nur mit hoher Fluth. Ueberdiess machen die zu beiden Seiten hinlaufenden Sandbänke die Einfahrt in den Hafen schwierig und selbst gefährlich. Dagegen ist die Bucht durch die Vorgebirge gegen Norden und Süden und die Inseln Tärut und So-wejk gut geschützt und günstig gelegen für den Handel mit Bahrejn, Abu-Schahr u. a. Gereinigt und gut in Ordnung gehalten, könnte sie ein nennenswerther Hafen werden, aber unter wahhabitischer Verwaltung lassen sich solche Verbesserungen kaum hoffen. Es war Mittag, als wir einen Schiffscapitain trafen, der, wenn Wind und Fluth günstig wären, noch an demselben Abende absegeln wollte. Farhäts Leute hatten schon mit ihm gesprochen und er war bereit, uns an Bord zu nehmen. Wir besuchten nun noch den Zollbeamteten, um die für Einschiffung von Passagieren und Gütern üblichen Abgaben zu bezahlen. Dieser Obmann des Ma'äscher war, ich weiss nicht ob auf Anordnung Farhäts oder aus ,eigenem freiem Antriebe, ausserordentlich gnädig und erklärte, dass von so nützlichen Dienern der allgemeinen Wohlfahrt, wie Aerzte, nur einen Pfennig zu nehmen „Schejn w' Khatä'" „Schande und Sünde" wäre. Ach, dass doch europäische Zollbeamtete noch so wenig von solchen edlen und patriotischen Gefühlen haben! Endlich verschaffte er uns noch aus eigenem Antriebe Leute, welche unser Gepäck durch Wasser und Schlamm, in dem sie bis über die Knie waten mussten, nach dem kleinen Scho- 196 ner trugen, der etwa fünfzig Schritt vom Ufer lag. Gegen Abend liess uns Farhät kommen und wünschte uns Glück, dass wir so schnell eine Reisegelegenheit gefunden hatten, bedauerte aber höflich, dass wir ihn so bald vcrliessen. Zugleich Hess er uns wissen, dass er bei einem reichen Kaufmann in der Stadt zum Abendessen eingeladen sei und auch wir als Gäste erwartet würden; wegen unserer Abreise brauchten wir nicht in Sorge zu sein, da unser Cäpitain ebenfalls ein- geladen sei und unmöglich vor Eintritt der hohen Fluth, gegen Mitternacht, absegeln könne. Nach Sonnenuntergang also begaben wir uns Alle in grossein Staate, der Gouverneur an unserer Spitze, nach der Wohnung unseres Gastgebers. Es war ein hübsches, dreistöckiges Haus, wo Möbeln und die ganze häusliche Einrichtung, die kleinen Zimmer, die Menge von Teppichen und Schnick-Schnack von kindischem Putz mehr persischen als arabischen Geschmack zeigten. In einem Seitenzimmer standen Narghilahs für die, welche sich derselben bedienen wollten, und als Farhät mit seinen Begleitern und wir uns auf den Kissen des Divans niedergelassen hatten, wurden wir alle der Reihe nach mehr als einmal mit Rosenwasser besprengt und mit Thee bewirthet, welchen gut gekleidete Diener in hübschen Tassen von Porzellan präsentirten. Die Unterhaltung war jedoch nicht sehr lebhaft; die Städter, welche zwei Drittheile der Gesellschaft bildeten, schienen wenig Interesse an Riad und 'Onejzah zu nehmen, oder hielten für besser, dasselbe nicht zur Schau zu tragen, und Farhät mit seinen Leuten beobachteten die Würde, welche wahren Gläubigen in der Gesellschaft von Freidenkern und Ungläubigen ziemt. Das Abendessen dauerte ziemlich lange und hatte vier oder fünf Gänge, mit verschiedenen süssen, persisch zubereiteten Zwischengerichten. Zuletzt wurde noch Thee servirt, bis wir uns endlich gegen Mitternacht erhoben. Farhät wünschte uns glückliche Reise und bestand darauf, dass ich ihm von Basrah aus schreiben sollte, um ihm unsere glückliche Ankunft dort zu melden. Diesen Brief habe ich niemals abgeschickt, aus dem einfachen Grunde, weil, ich muss mich schämen es zu sagen, ich nicht eher wieder an sein höfliches Verlangen dachte, als heute, da ich dies schreibe (den 20. Juli 1864), wo ich am Ufer eines deutschen Landsees unter Fichten und Buchen die Erinnerung an die schlammige Küste und die dichte Palmenwraldung von Katif wieder in mir wach rufe. Tempora mutantur, und ich kann wohl hinzusetzen: et nos mutamur in illis. Mag dem so sein; die äussere 197 Schaale mag wechseln, aber der innere Kern des Menschen bleibt immer derselbe. Ehe ich Katif verlasse, will ich noch ein Wort über die negdäische Garnison sagen. Diese hat eine traurige Existenz, kaum weniger als die englischen Truppen und Offiziere in 'Aden. Durch die Antipathie Aller, die sie umgeben, und zum Theil ihren eigenen Argwohn abgeschlossen und auf die Mauern beschränkt, welche sie bewachen, in einem unzuträglichen Klima, mit geringer Löhnung, während eine unvernünftige Strenge ihnen selbst verbietet, sich mit Spiel und Tabak die Zeit zu vertreiben, habe ich selten oder nie Araber gesehen, die so von Spleen und langer Weile geplagt waren. Viele sind krank, alle ohne Muth. Gewöhnlich werden sie nach drei Jahren abgelöst, manche aber bleiben länger hier. Sie verheiratheu sich nie mit Frauen aus der Stadt. Kein Wunder, dass sie am schrecklichsten Heimweh leiden. Ich werde nie einen armen Jungen aus dem 'Aared vergessen, den ich in Katif an seinem Todtenbette besuchte. Er hatte keinen andern Wunsch, als seine heimathlichen Berge noch einmal wiederzusehen; Leben oder Tod war ihm gleich- gültig, aber der Gedanke, in diesem verhassten Lande sterben zu müssen, war ihm unerträglich. In der That, ein Engländer ist in Hong-Kong kaum so weit von seiner Heimath entfernt, wie ein Mann aus Neged in Katif. Ich sass eine Stunde lang an dem Bette des armen Burschen und versuchte ihn zu trösten, indem ich ihm von Riad erzählte. Von unserem Abendessen in der Stadt kehrten wir bei Fackelschein in die Burg zurück; unser Gepäck, keine grosse Last, war bereits nach dem Seethore hinabgebracht, wo zwei Leute des Capi-tains auf uns warteten. Mit diesen gingen wir hinunter an das Ufer, schürzten dann unsere Röcke bis an den Gürtel auf und wateten bis zu dem Schiffe, nicht ohne Schwierigkeit, denn die Fluth kam schnell heran und wir mussten ihr beinahe entgegen schwimmen. Endlich erreichten wir das Schiff und kletterten an der Seite hinauf. Vierzehntes Kapitel. Bahrejn und Katar. 198 Schiffsbemannung aus Bahrejn — arabische Matrosen — Hafen von Katif — vornehme Passagiere — Familie El-Khalifah — ein unterrichteter Neyer — die Insel Bahrejn — Moharrek und Menämah — ihre Lage — Landung daselbst — unser erster Tag — Wohnung — Menämah — der Hafen — Burg — Bahrejn — Bevölkerung — Fremde — politische Verhältnisse der Insel — letzte Veränderungen — Perlenfischerei — Handel und Gewerbe — Erzeugnisse des Bodens — Lebensunterhalt — gegenwärtige Regierung — Bemerkun- ■ gen über Toleranz — Gewitter aus Norden — Abu 'Ejsa kommt an — Plan der Reise nach 'Oman — Jusef ebn-Khanus — eine Trennimg — Ueberfahrt nach Moharrek — die Burg — Inneres der Stadt — Lehren der Kuderi — Probe ihrer Dichtkunst — Sturm um Mitternacht — Einschiffung nach Katar — Mangel an frischem Wasser — Küsten von Bahrejn und Katar — Ras Rekan — Bedaa' — Beschreibung von Katar — Fischereien — Regierung — Menäsir - Beduinen — Wachfthürme — Benu Jass — Aal Morrah — arabische Falkenjagd, — zwei Beduinen „Liojis" — die Dahnä — ihre Ausdehnung und Natur — die Himjariten — ihre Geschichte — Abreise von Katar — Schiff und Mannschaft von Barr-Faris — Gastfreundschaft zur See — Barr-Faris und dessen Einwohner — Felsen von Halül — ein Sturm — Landung bei Tsharak — Sitten an dieser Küste — Besuch beim Häuptling — neueste Nachrichten aus 'Onejzah — weiteres Schicksal dieser Stadt und Zämils — ein Spaziergang um Tsharak — Einschiffung nach Linga — Leuchten des Meeres — wahhabitische Erklärung — Einleitung zur Geschichte von 'Oman. Die ganze Bemannung unseres Schiffes bestand aus dem Capitän und fünf Leuten. Letztere waren Eingeborne der Insel Moharrek, die jetzt zunächst das Ziel unserer Reise war, und hatten in jeder Bez iehung das den Bewohnern dieser Insel eigenthümliche Aeussere. 199 Ziemlich unter der gewöhnlichen Grösse, schlank und gut gebaut, mit dunkeln, regelmässigen und hübschen Gesichtern, beinahe bartlos und mit glattem Kinn, wie Kinder, waren sie ziemlich hübsche Proben ihrer eigenthümlichen Rasse — Nabathäer, wenn die Örtliche Tradition richtig ist, die aber mit persischem, arabischem und 'omanischem Blute gemischt, einen eigenthümlichen Typus angenommen haben, den man sonst nirgends findet. Gute Matrosen, gute Geschäftsleute, und, was für einen Reisenden wichtig, keineswegs übermässig in ihren Forderungen, höflich, freundlich, oft lustig, können sie in gesellschaftlicher, wenn auch vielleicht nicht in nautischer Beziehung, mit der Bemannung manches europäischen Schiffes einen für sie vorteilhaften Vergleich aushalten. Ihre Tracht ist sehr eigentümlich; sie besteht aus einem grossen Stück bunten Zeuges, welches um diellüften geschlungen, und so lange sie bei der. Arbeit sind, zwischen den Beinen fest aufgebunden, nach der Arbeit aber bis an die Knice heruntergelassen wird; den Kopf umwinden sie mit einem Tuche; bei gutem Wetter, wenn sie auf dem Verdeck ruhen, tragen sie einen Turban; über die Schultern endlich tragen sie einen weiten, röthlich braunen Mantel. An der Küste unterscheidet man sie kaum von der übrigen Bevölkerung des Landes. Diese Leute kennen alle Buchten, Untiefen, Sandbänke und Kanäle des seichten Meeres von Bahrejn, und ein Fremder würde ohne Hülfe eingeborner Lotsen nicht leicht durch dieses verworrene Labyrinth den Weg finden. In Arabien ist keineswegs Mangel an Matrosen, wie wir unten noch sehen werden, sie bilden aber nicht eine besondere Klasse der Gesellschaft, wie in manchen anderen Ländern. Dies kommt hauptsächlich daher, weil die Fahrten auf den beiden Meerbusen hauptsächlich an der Küste hingehen und in der Regel nur von kurzer Dauer sind. Müsste der arabische Matrose das Atlantische Meer oder den Stillen Ocean durchschiffen, so würde er, an Bord wie an der Küste, bald unseren Matrosen gleichen. Bis jetzt aber ist eine ge-200 wisse Licenz der Sitten vielleicht das Einzige, was sie mit diesen gemein haben. Unser Capitän Molejk hiess uns an Bord seines Schiffes willkommen und liess sogleich Kaffee auftragen. Wir schmauchten unsere Pfeife mit dem köstlichen Behagen, nun endlich ausserhalb des Bereichs der Wahhabiten und aller Rauchverbote zu sein und begaben uns dann in eine grosse Kajüte am Hinterteile des Schiffs, wo wir bald einschliefen, ungestört, wenigstens was mich betrifft, von dem Hin- und Herlaufen und Schreien der Matrosen oben auf dem Verdeck. Am nächsten Morgen, den 24. December, waren wir schon einige Meilen in offener See und hatten die volle Aussicht auf die Küste, ihre flachen Ufer, Palmenhaine, den weissen Sand, die kleinen Inseln, die weit in das Meer hinausreichenden Vorgebirge mit den Forts Dä-man und Darim und weit im Hintergrunde den spitzen Kegel des Gebel Muschahhar, das Einzige, was wir vom Hochlande sehen konnten. Katif selbst lag am innern Ende der Bucht und so tief, dass es kaum sichtbar war. Aber die Festungsreihen am Ras Tannurah brachten eine malerische Wirkung hervor und erinnerten mich an die Zeiten der portugiesischen und holländischen Eroberungen an diesen Küsten. Unser Schiff war schon über die Horner der Bucht hinaus, und Barakät und ich meinten nun, es solle flink in den Kanal von Bahrejn gehen, als uns unser Kapitän zu unserer grossen Enttäuschung ankündigte, dass er noch einige Passagiere aus dem Städtchen Sowejk erwarte, welches wir jetzt oben auf dem Vorgebirge Darim in der Ferne sehen konnten, wir müssten daher wieder dem Lande nähern, um die neue Fracht einzunehmen, ehe wir unseim Weg fortsetzen könnten. Ein Capitän an Bord seines Schiffes ist der absoluteste Monarch und in keinem navalen Codex steht etwas von constitutioneller Opposition. Wir unterwarfen uns schweigend und zogen gegen Mittag Sowejk gegenüber unsere Segel ein, etwa zweihundert Schritt von der Küste, die jetzt, bei niedriger Ebbe, durch ein Bett von Schlamm und Sand von uns getrennt war. Hier erwarteten wir unsere verversprochenen neuen Bekannten, die uns als vornehme Herren volle vierundzwanzig Stunden warten Hessen, ehe sie uns die Ehre ihrer Gesellschaft schenkten. Endlich ging dem Capitän selbst die Geduld 201 aus, so dass er an das Ufer watete, von wo er nach einiger Zeit mit unseren neuen Gefährten zurückkehrte. Der vornehmste von dieser Gesellschaft war ein junger Häuptling der Familie El-Khalifah, ein einziger Sohn und Erbe eines grossen Vermögens; mit ihm kam sein ernster und ehrwürdiger Oheim und ein gutgekleideter und wohlunterrichteter Neger, als Bedienter, ausserdem noch zwei entfernte Verwandte des Häuptlings und eine schwarze Dame, nach deren Stellung im Hause uns zu erkundigen uns die Höflichkeit verbot; im Ganzen also sechs Personen. Ehe ich aber weiter gehe, muss ich meine Leser mit der Familie Khalifah bekannt machen, die zu den Vornehmsten des Landes gehört und in diesen Gegenden weit und breit bekannt ist, obwohl man in Europa wahrscheinlich sehr wenig von ihr weiss. Die Familie El-Khalifah, in Hasa, jedoch nicht in Hofhüf selbst, einheimisch, hatte wenigstens zweihundert Jahre lang (ich glaube sogar noch länger, doch konnte ich über die frühere Zeit keine genauen Angaben erhalten) die Würde eines Vicekönigs über die Inseln von Bahrejn erblich besessen, bald im Namen der karmathischen Beherrscher von Katif, bald gestützt durch das Ansehen Persiens, bald 'Oman tribupflichtig. Welche aber immer ihre nominelle Unterordnung war, sie regierten mit einem beinahe absoluten Ansehen in Bahrejn ohne deshalb ihre schönen Ländereien und erblichen Besitztümer in Hasa und an der Küste von Katif aufzugeben. Vor etwa zehn Jahren wurde die Einigkeit der Khalifahs durch einen Familienzwist gestört, in welchem ein jüngerer Zweig des Stammes, an dessen Spitze Moham-raed-el-Khalifah (jetzt Statthalter von Bahrejn) stand, seine Verwandten von der Insel vertrieb, welche bis dahin im Besitz der Vicekönigs-würde gewesen waren, und sie zwang, sich auf das feste Land zurückzuziehen und dort mit allen übrigen Bewohnern Hasas Untertanen Fejsals zu werden. Es kam zum Kriege, welcher durch Vermittelun-gen von Seiten Persiens, 'Omans und Negeds nur noch verwickelter wurde, nicht zu gedenken einer gelegentlichen Gesandtschaft von der türkischen Statthalterschaft in Bagdad, bis endlich eine Versöhnung zu Stande kam, durch welche Mohammed an das Ruder der Verwaltung von Bahrejn trat, als Vasall des Sultans Thowejni, des Beherr- schers von 'Oman, und mit der Verpflichtung, einen jährlichen Tribut 202 an Neged zu bezahlen, um des Friedens und der Ruhe willen. Seine besiegten Vettern erhielten von der wahhabitischen Regierung, welche sie in dem vorhergehenden Kriege unterstützt hatte, einige Privilegien mussten sich aber von nun an mit den Familiengütern bei Darim und Sowejk begnügen und alle Ansprüche auf die Gewässer um Bahrejn aufgeben. Dieser Krieg ist durch eine grosse Seeschlacht merkwürdig, von der schon oben die Rede war, als die Wahhabiten, die bei dieser Gelegenheit Seeleute geworden waren, Bahrejn mit Schiffen angriffen; der Niederlage, welche sie bei dieser, zu Gunsten des verbannten Zweiges der Ebn - Khalifah unternommenen Expedition erlitten, und der Klugheit, mit welcher Mohammed seinen Sieg benutzte, ist hauptsächlich der für letztern günstige Vertrag zuzuschreiben. Die Khalifahs sind bis auf gewisse verschwenderische Gewohnheiten, die auf Rechnung ihres Reichthums und ihrer Macht kommen, obwohl sie kaum zu entschuldigen sind, ganz erträgliche Leute, und auffallend frei von den blutdürstigen Neigungen negdäischer und wah-habitischer Häuptlinge. Kaum also war die erste Hitze des Krieges vorüber, als sie wieder untereinander Freundschaft schlössen, und es wurde kein Versuch weiter gemacht, das neue Uebereinkommen zu stören. Der junge Herr, welcher sich jetzt an Bord unseres Schiffes befand, war das Haupt der besiegten Partei, und eben im Begriff, seinen siegreichen Oheim Mohammed zu besuchen, der in der Stadt Moharrek residirt, die nicht weit von Menämah liegt, von dem sie durch eine schmale Meerenge getrennt ist. Solchen vornehmen Leuten mussten wir als einfache Reisende natürlich die Kajüte überlassen, und nahmen daher unsern Platz im Schiffsräume. Aber 'Arüs, unser hübscher junger Freund, wollte uns an Höflichkeit nicht nachstehen und lud uns ein, an seiner Tafel theilzunehmen, was wir gern annahmen, da seine Vorräthe und Küche entschieden besser waren als die unsrigen. Das Gespräch kam bald in Gang und es gab manchen Scherz; aber solche locale Spässe verlieren ihre Spitze, wenn sie in einer Entfernung von tausend Meilen und mehr als zwei Jahre später erzählt werden. Mit dem Neger, Dahel mit Namen, der sich im Gefolge befand, hatten wir ein sehr interessantes und für uns lehrreiches Gespräch. Der Mann war sehr intelligent und ein guter, obwohl etwas phlegmatischer Erzähler; dazu war er mit allen Punkten der Controverse, theoretischen sowohl als praktischen, zwischen den Wahhabiten und ihren Nachbarn bekannt. Wie die meisten „seiner Haut", d. i. Ne- 203 ger, war er fatalistischen und rigoristischen Dogmen durchaus abgeneigt und machte kein Hehl seiner Parteinahme für Mosejlemah, den er für einen „prächtigen" Mann erklärte, edelmüthig, tapfer u. s. w.; eben so wenig verhehlte er seine Abneigung gegen die in Riad herrschenden Grundsätze. Nach seiner Erzählung entsprachen Mosejlemahs Lehren in allen wesentlichen Punkten denen des Karmüt-el-Genäbi; und die bekannte Thatsache, dass die Anhänger des „Lügenpropheten", welche, nachdem sie dem Schwerte Khalids entgangen und das Exil dem Islam vorzogen, sich hauptsächlich nach Hasa und Katif zurückzogen, macht es sehr wahrscheinlich, dass der spätere Aufstand Karmuts in dieser Gegend eine Fortsetzung der von Mosej-lemah begonnene^ Bewegung war, obwohl durch die Zeit und deren Veränderungen einigermassen modificirt. So erhalten wir noch einen Schlüssel zu dem bittern Hasse der Karmathier gegen Alle, welche den Namen des Islam führten, und der grausamen Rache, welche ihre Verwüstungen auf mohammedanischem Gebiet begleitete, namentlich wo sie auf Abkömmlinge von Tamim trafen, die in ihren Augen Apostaten von der alten vaterländischen Sache des Neged waren. Allmählig kam die träge Fluth heran und trug uns noch einmal auf die offene See. Aber der Nordwind, unser bester Freund für den Weg von Katif nach Menämah, hatte sich gelegt, und statt dessen waren starke Windstösse eingetreten, gegen die wir vierundzwanzig Stunden laviren mussten, ohne weit von der Stelle zu kommen. Am folgenden Nachmittag endlich bekamen wir Bahrejn zu Gesicht und befanden uns am Abend dicht unter den beiden Inseln, welche diesen Namen führen. Die südliche Insel ist die grössere und wird deshalb oft allein Bahrejn genannt, während die nördliche, nach der darauf gelegenen Hauptstadt, den Namen Moharrek führt. Die beiden Inseln sind durch eine schmale Meerenge getrennt, die kaum eine englische Meile breit und sehr seicht ist. Ich sah, dass Reiter und selbst Fussgänger (denen jedoch das Wasser an manchen Stellen bis an die Brust ging) zur Zeit der Ebbe dieselbe durchwateten. Bahrejn sowohl als Moharrek sind so niedrig als nur möglich-, letztere namentlich erhebt sich kaum über die Meeresfläche; der Boden ist jedoch leicht und sandig und die Insel ist deshalb trockener und gesünder als die andere , deren westliche Seite eben so niedrig ist, aber aus einem schwarzen und zähen Schlammboden besteht, der an manchen Stellen wie ein Schwamm mit Nass getränkt ist. Gegen Osten ist Bahrejn etwas höher und hat selbst einige Hügel, „Gebäl" oder Berge genannt. Ehe wir landen, will ich noch bemerken, dass das ganze Meer 204 zwischen Katif und Bahrejn sehr seicht ist, nirgends über drei Faden tief, und an vielen Stellen tritt während der Ebbe der Grund zu Tage. Brandung und heftige Wellen sind hier nicht zu fürchten, desto mehr aber läuft man Gefahr, auf den Grund zu gerathen. Daher die allgemeine Gewohnheit, bei Nacht Anker zu werfen und nur bei Tage zu segeln — für ungeduldige Reisende eine sehr langweilige Vorsicht. Die Stadt Moharrek, an der südlichen Seite der Insel,' welcher sie den Namen giebt, liegt wie ein weisser Streifen am Ufer des Kanals, welcher sie von der gegenüberliegenden Stadt Menämah, am nördlichen Rande der grösseren Insel, trennt. Diese beiden Häfen sehen einander eben so in's Gesicht, wie Dover und Calais, doch zum Glück mit freundlicheren Gefühlen, da im Fall eines Krieges keine Boulogner Flotte nöthig wäre, um über den Kanal von Bahrejn zu kommen. Moharrek macht den bei weitem angenehmem Eindruck auf das Auge; seine weissen Häuser, welche zwischen dunkleren Palmenhütten hervorgehoben (das ausserordentlich milde Klima macht diese Art Wohnungen sehr gewöhnlich, fast wünschenswerth) noch mehr hervortreten, weit ausgedehnte aber niedrige Paläste der Kha-lifah, zwei oder drei imponirende Forts dicht an der Küste, eine lange Küstenbatterie, die man bis zu einer gewissen Entfernung sehen kann • ' das Alles bildet ein Ensemble, welches wohl verdiente gemalt zu werden. Ich bedauerte an diesem Abende sehr, dass ich keine Gerätschaften zum Zeichnen bei mir hatte, obwohl ich in Gegenwart 'Arüs-el-Khalifahs und seiner Gefährten wahrscheinlich keinen Gebrauch davon machen konnte. Längs der niedrigen Sandlinie, welche die Insel vollständig macht, erheben sich viele kleine einzelne Gruppen von Palmenhütten, hie und da mit mit einem weiss angestrichenen Wohnhause, zwischen hohen Dattelbäumen; das Ganze hat ein ruhiges und friedliches Ansehen. Menämah, obwohl an Ausdehnung grösser als Moharrek, nimmt sich bei weitem weniger hübsch ans; es ist ein Sitz des Handels, wie sein vis-ä-vis ein Sitz der Regierung, und hat daher weniger Pa-205 laste und weniger Vertheidigungswerke. Nur am westlichen Ende erhebt sich eine grosse viereckige Masse, mit einigen wie eine Batterie aufgestellten Kanonen. Dies ist die Residenz 'Ali's, des Bruders Mohammeds, und Vicestatthalters von Menämah. Von der Stadt selbst ist, wenn man zur See herankommt, wenig zu sehen, da die erste Reihe der Wohnhäuser und Waarenspeicher alles üebrige verdeckt und ausser dem Palaste 'Ali's kein anderes bedeutenderes Gebäude am Rande des Wassers steht. In der That, auf den ersten Anblick macht Menämah keinen günstigen Eindruck; der Stadttheil am Ufer ist zu drei Viertheilen von Schiffern und Fischern bewohnt, deren Hütten keinen Anspruch auf Schönheit machen. Der Strand selbst ist mit schmutzigen, flachen Steinen bedeckt. Rund herum, namentlich gegen Westen und Süden, lassen dichte Haine und die grüne Vegetation eines fruchtbaren Bodens die Stadt weniger glänzend ei*scheinen als Moharrek, während die vielen Masten von Fischerbooten und kleinen Schiffen eine Art brauner Palissaden bilden, die das ohnehin düstere Ansehen der Stadt noch vermehren. Langsam, mit halbem Winde näher rückend, warfen wir bald nach Sonnenuntergang vor Moharrek Anker. Bald darauf kam ein Boot vom Ufer her, um unsere Reisegefährten nach der Residenz des Vice-königs zu bringen, während wir, da wir keinen unmittelbaren Zweck zu landen hatten, an Bord des Schiffes blieben. Früh am nächsten Morgen riefen wir eines der zahlreichen Fischerboote an, die sich in dem seichten Wasser des Kanals von Bahrejn herumtrieben, und bald darauf, etwa eine Stunde nach Sonnenaufgang, stiegen wir an dem niedrigen Ufer, dem Zollhause oder Ma'äscher gegenüber, an's Land. Die Ankunft von Fremden, gleichviel ob ihrer viele oder wenige sind, ob sie von Norden oder von Süden kommen, ist hier etwas sehr Gewöhnliches, man nahm daher am Landungsplatze nur sehr geringe Notiz von uns. Wir, unserer Seits, hatten einige Hoffnung, dass Abu-'Ejsa vielleicht schon vor uns angekommen sein könnte, und uns in irgend einem Quartiere der Stadt erwarte. Wir übergaben daher unser geringes Gepäck einem der Beamteten im Zollhause — ein blosser Schuppen mit Kaufleuten, Schiffsführern und dergl. angefüllt, die alle mit ihren Pfeifen arbeiteten, so dass man kaum durch den Dampf sehen konnte — und gingen durch ein niedriges Thor in die Stadt, dem nächsten und grössten Kaffeehause zu, wo, wie ehedem in den Barbierstuben, Neuigkeiten und Neuangekommene das Recht haben, gesucht und gefunden zu werden. Seit guten acht Monaten hatten wir zum letzten Male in einem Öffentlichen Kaffeehause gesessen, in einer Vorstadt von Ghazzah (oder Gaza) in Palästina; von da an war unsere Reise durch Gegenden gegangen, die in der Civilisation zu weit zurück, oder in der Bigotterie zu weit vorwärts, oder beides zusammen sind, um solche Etablissements zuzulassen. Bahrejn aber liegt ausserhalb des Bereichs der Wahhabiten und athmet, so zu sagen, die Luft von Basrah und Persien. Hier nahmen wir Platz mitten unter beturbanten Städtern und bunt gekleideten Krämern und erkundigten uns, ob Jemand aus 'Agejr angekommen sei, wo sich Abu-'Ejsa, nach unserer Verabredung, einschiffen sollte. Einstweilen bereitete der weiss gekleidete Diener unsern Kaffee, und brachte ihn, nachdem er vorher noch die hier gebräuchlichen grossen Narghilahs mit starkem Tabak von 'Oman gefüllt hatte. Wir konnten jedoch nichts über die fragliche Person erfahren; der starke Nordwind, der unsere Reise von Katif her begünstigt hatte, war denen, welche von 'Agejr nach Menämah wollten gerade entgegen. Wir verliessen das Kaffeehaus, gingen durch Strassen und Gässchen, und suchten oben und unten, fragten jeden, der nur irgend so aussah, als ob er uns Kunde geben könnte, bis wir uns endlich selbst lächerlich vorkamen, und weitere Nachforschungen vor der Hand aufgaben, zumal es Zeit wurde, für uns selbst auf ein Unterkommen unter Dach und Fach zu sinnen. Dies war nun nicht leicht. Bahrejn, wie die meisten orientalischen Städte, hat keine eigentlichen Wirthshäuser, und die Khans, welche hier wie anderwärts diesen Mangel ersetzen, hatten ein zu wenig einladendes Ansehen, um uns zu verleiten, in einem derselben unsere Wohnung zu nehmen. So suchten wir mehrere Stunden vergeblich nach einer Wohnung, bis wir endlich in ein hübsches Kaffeehaus kamen, nahe am Ufer. Der Wirth, ein sehr höflicher Mann, nahm sich unserer an und gab seinem obersten Diener den Auftrag, einstweilen seine Stelle einzunehmen, während er mit Barakät fortging, um eine Wohnung für uns zu suchen. Ich blieb zurück und unterhielt mich mit den anwesenden Matrosen, oder sah durch ein ziemlich verdorbenes Telescop nach dem Meere hinaus. Mit Sonnenuntergang kehrten die Beiden zurück, nachdem sie eine Wohnung gefunden hatten, die für einen kurzen Aufenthalt genügte; weiter wollten wir nichts. Jetzt war nur noch am Zollhause ein schwerer Knoten zu lösen, wo unser Gepäck mit einem willkürlichen Zoll von 5 Silber-Tomän belegt war (nach dem an Seehäfen allgemeinen Prin-eip, von den Fremden so viel wie möglich zu nehmen); obwohl in der That viel weniger zu entrichten war. Meine Leser werden aus diesem Umstände entnehmen, dass hier die persische Geldrechnung eintritt, anstatt der arabischen; eine sehr vortheilhafte Aenderung, da die Münze des Schah weit leichter zu berechnen ist, als die com-plicirte und immer wechselnde Valuta von Rials und „Gorsch". Eine zweite Bemerkung kann die sein, dass Fremde überall geprellt werden. Aber wir waren jetzt stark in unserm neuen Bündniss mit dem Kaffeehauswirthe, und hatten überdies noch einen jungen Schiffer zur Hülfe, der zufällig in unserer neuen Wohnung unser Thürnach-bar war und es daher für seine Schuldigkeit hielt, zu unserm Schutze aufzutreten. Wir verweigerten also geradezu, mehr zu bezahlen, als den gesetzlichen Zoll, womit sich die ungerechten Zöllner endlich auch zufrieden gaben. Wir luden nun unser Gepäck auf einen Esel und gingen quer über den Marktplatz, von dem Kaffeewirth und dem jungen Schiffer begleitet, durch einige Gässchen und kamen endlich gegen Dunkelwerden vor unserer Wohnung an. Hier traten wir durch ein enges Thor in einen grossen offenen Hof, der mit etwa acht Fuss hohen Palmenzweigen umzäunt war, die dicht neben einander in den Boden gerammt und unter einander verflochten waren; in dem Hofe und durch einen kleinen Zwischenraum von einander getrennt, standen zwei lange Hütten von Palmblättern; eine für uns, die andere war die Wohnung unseres Schiffers und seiner Familie. Unsere Wohnung war etwa dreissig Fuss lang und zehn Fuss breit und eben so hoch bis an die Spitze des schrägen Daches. Ein geflochtener Schirm theilte das Innere in zwei ungleiche Hälften; die kleinere diente als Vorrathshaus, die grössere als Wohnung. Der Boden war, wie hier allgemein Sitte, mit einer dicken Schicht sehr kleiner Muscheln bestreut, fast alle von dem Genus Halix und kaum ein Achtel Zoll lang. Diese Muscheln werden von den Kindern körbeweise vom Ufer hergebracht und geben einen reinlichen und trockenen Fussboden inner-208 halb der Häuser; über die Muscheln wird dann noch eine grosse Matte von Rohrgefiecht gelegt. Wir machten nun vorläufige Anstalten, das Zimmer zu verschönern und aufzuputzen und wurden bald mit einem Besuche des Eigenthümers beehrt, der aus seinem hübschen, von Ziegeln gebauten Hause, dicht daneben, herauskam, um zu sehen, wie wir uns eingerichtet, während seine Diener das übliche Einzugsessen, bestehend aus Reis, Fischen, Seegranaten und Gemüsen, für die neuen Gäste brachten. Natürlich luden wir unsere gutmüthigen Freunde ein, deren Bemühung wir dieses Obdach verdankten, an unserem Mahle Theil zu nehmen; und wir Alle brachten einen vergnügten Abend zu, mit einem Gefühl von Sicherheit und Ruhe, wie wir seit unserer Abreise aus Jaffa noch nicht wieder empfunden hatten. Am nächsten Morgen gingen wir wieder aus, um Abu-'Ejsa zu suchen, aber vergeblich. Seit mehreren Tagen war Niemand von 'Agejr angekommen, noch immer stand der Wind aus Norden, und so lange er anhielt, war wenig Hoffnung, dass unser Freund bald ankommen könnte. So vergingen noch volle zehn Tage. Einstweilen, da wir wenig zu thun hatten (denn in Bahrejn machte ich als Arzt Feiertage und lebte als vornehmer Herr), lernten wir die Stadt, Insel, Einwohner und deren Gewohnheiten kennen, die ich hier kurz beschreiben will, obwohl ich kaum glaube, dass diese Insel meinen Lesern ganz unbekannt sein wird, nachdem dieselbe bereits so viele Europäer besucht haben. Aber Viele besuchen einen Ort, ohne ihn zu beschreiben. In den Strassen und dem Markte auf und ab wandelnd, hier schwatzend, dort gaffend, oder mit einem Bekannten am Arm, herumschlendernd, wurden wir bald so vertraut mit Menämah und seiner kleinen Welt, als ob wir hier geboren und aufgewachsen wären. Wie die meisten Hafenstädte ist Menämah mehr lang am Ufer hin gebaut, als breit, obwohl es sich ziemlich tief landeinwärts erstreckt. Die ganze Länge nach der See zu beträgt etwa iy4 engl. Meilen, die Breite landeinwärts gegen 3/4 Meilen. Die durchschnittliche Höhe des Bodens, auf dem es liegt, ist etwa 12 Fuss, selbst noch weniger, über dem höchsten Wasserstande; die Küste steigt zuerst vom Ufer an etwas aufwärts und senkt sich dann wieder landeinwärts, so dass das Salzwasser an manchen Stellen wieder an der Oberfläche zum Voischein kommt und man glauben möchte, diese 209 liege, wie in Holland, theilweise noch unter der Meeresfläche. Die Häuser sind zur Mehrzahl blosse Hütten von Palmblättern, jede mit einem umzäunten Platze; die Beschreibung, welche ich eben erst von unserer eigenen Wohnung gegeben habe, kann als allgemeines Beispiel gelten. Diese Hütten sich von sehr verschiedener Grösse und meist nach Strassen und Reihen geordnet, ohne besondere Rücksicht auf die Regeln der Geometrie. Wenigstens die Hälfte wird von den Söhnen Neptuns bewohnt, Fischern u. dergl.; daher flattert fast an jedem Giebel oder jeder Ecke ein langer Fetzen, flaggenähnlich am Ende einer Stange gebunden, um anzuzeigen, woher der Wind kommt, damit die Einwohner ihre Geschäfte darnach richten können. Zwischen diesen geringeren Wohnungen, oder von diesen getrennt in besonderen Quartieren der Stadt, sind grosse Häuser von Ziegeln und Steinen, in einem Baustyle, den ich der Kürze wegen den persischen nennen will; sie sind oft eben so zierlich als geräumig, mit Spitzbögen, Baikonen, Terrassen, Säulengängen und Gitterfenstern; hier wohnen die vornehmeren und reicheren Bürger, Kaufleute, Grundbesitzer und Regierungsbeamtete. Aber diese Hälfte der Gebäude ist im Zustande des Verfalls und bietet nur ein Gewirr von Gewölben und Schutt als traurige Zeugen des Sinkens, dessen Ursachen ich sogleich angeben werde. Nicht weit von der See, ziemlich in der Mitte der Stadt, der Länge nach gerechnet, ist der Marktplatz, ein Labyrinth von engen Gässchen , manche überwölbt, andere durch überragende Dächer vor der Hitze geschützt. Im Mittelpunkte desselben ist ein kleines überdachtes Viereck, wo das erste Kaffeehaus der Stadt liegt, deren es wenigstens ein halbes Schock giebt, die meisten in der Nähe des Ufers. In verschiedenen Quartieren Menämahs sind Moscheen, von denen auch einige den Sonniten gehören. Am südwestlichen Ende der Stadt, und dicht am Ufer, erhebt sich die hohe und ziemlich imponirende Residenz des 'Ali-ebn-Khali-fah, des unmittelbaren Statthalters von Menämah. Rings um die Häuser sind spärlich bepflanzte Gärten, denn der Boden, auf dem die Stadt liegt, ist der Cultur nicht günstig; aber eine Viertel- oder halbe Meile weiter hin ist die Aussicht durch Palmenhaine gehemmt. Vor der Stadt liegt, wie ein Becken, die Bucht, bald eine ruhige Wasserfläche mit kräuselnden Wellen, bald eine feuchte Sandfläche, bald wieder mit ziemlich hohen Wellen bedeckt, die mit der täglichen Fluth 210 wechseln. Zahllose Schifte, von der grössten bis zur kleinsten arabi- sehen Bauart, Kutter, Fischerboote, kurz alle Arten Fahrzeuge sieht man hier, manche an das Ufer gezogen, andere in dem feuchten Sande halb gestrandet, andere weiter hin in tieferem Wasser. Ueber das Ganze ein mildes Klima und ein in der Regel wolkenleerer Himmel; Kälte ist hier unbekannt, gewöhnlich herrscht eine erschlaffende Wärme, die im Sommer mit drückender Hitze wechselt. Hinter der Stadt erstreckt sich eine weite Ebene flachen salzigen Bodens, die ganz kahl und zum Theil sumpfig ist. Am äusser-sten Rande derselben steht ein grosses viereckiges Fort, dessen Baustyl, Mauern und Pfeiler an das römische Borough Castle in Yarmouth erinnern, nur dass das Gebäude in Bahrejn um etwas höher ist. Es diente in früherer Zeit ohne Zweifel als Festung und Schutz für die Stadt Menämah, ist aber jetzt theilweise abgetragen und durch und durch voller Breschen. In Bezug auf dieses Schloss hörte ich verschiedene extravagante Legenden, die keiner Erwähnung verdienen: die einzige sichere Tradition ist die, welche dessen Erbauung den karmathischen Fürsten zuschreibt, während der Tage ihres zweideutigen Glücks. Viele Pfade führen in verschiedenen Richtungen über die Ebene den kleinen jenseits derselben liegenden Dörfern zu, blosse Gruppen von Hütten, aber dicht bevölkert, die grosse Aehnlichkeit mit den „Ganws" in Ceylon und Jafnapatam haben. Weit im Hintergründe erbebt sich der einzige Berg der Insel, ohne den Bahrejn nichts als eine niedrige vom Meere umgebene Sandbank wäre. Die Insel ist etwa fünfzig engl. Meilen lang und höchstens dreissig Meilen breit. Mit Ausnahme des Hafens Menämah wird sie wenig von Fremden besucht und hat auch in der That wenig Anziehendes. Neged besitzt bessere Weiden, Hasa bessere Anpflanzungen, und beide ein besseres Klima. Die fünfzig oder sechzig über die Insel verstreuten Dörfer haben wenig Verkehr mit dem Hafenplatze an der nordwestlichen Seite und die Bewohner derselben haben ein ziemlich wildes Ansehen, welches auf sehr geringe geistige Bildung schliessen lässt. Sie sind fast alle, mit wenigen Ausnahmen, Schija'is und von dem bittersten Hasse gegen die Sonnis und Wahhabibis beseelt; ein Negedäer wagt sich selten unter sie. Der Feldbau verschafft ihnen, was sie brauchen, und ihren Ueberfluss bringen sie nach Menämah 21} auf den Markt. Die Bewohner der Küste sind durchaus ungebildete Fischer. Einige Dörfer am Fusse des oben envähnteu Berges leben von der Jagd, die aber, wie mir gesagt wurde, sehr wenig ergiebig ist. Die Gesammtbevölkerung der Insel wird auf etwa 70,000 Seelen geschätzt, ist aber jetzt sehr im Abnehmen. Die Einwohner der Stadt, von denen ich hauptsächlich zu sprechen habe, sind eine sehr gemischte Rasse, die aber, mögen sie ursprünglich Nabathäer, oder was sonst, gewesen sein, jetzt einen eigenthümlichen Typus bat, der sie von allen anderen unterscheidet. Am richtigsten würde ich sie vielleicht schildern, wenn ich sage, sie seien ein Mittelding zwischen Arabern und Guzeraten, mit einem ziemlich fischartigen Auge in dem glatten, sanften, runden Gesichte, das bei solchen auf dem Meere lebenden Wesen nicht unnatürlich ist. Sie sind weder hoch von Wuchs, noch stark an Gliedern, weder wirklich weiss, noch wirklich braun; weder besonders schön, noch auffal- lend hässlich; aber sie haben einen schnellen und klugen Blick, eine Geschmeidigkeit des Körperbaues, Leichtigkeit der Bewegung und einen gewissen gutmüthigen Ausdruck, kurz, man sieht ihnen auf den ersten Blick an, dass sie besser für den Frieden passen, als für den Krieg, besser für Handel, als für Ackerbau, vielleicht auch besser für das Meer, als für das Land. Es ist eine merkwürdige Thatsache, und nicht leicht zu erklären, dass die Sonnfs in Menämah, etwa ein Sechstheil der Bevölkerung, weder Hanbelis sind, wie ihre Nähe zu Arabien vermuthen liesse, nach Hanifis, wie ihre Nachbarn, die Be-ludschen und Afghanen an der andern Seite des Meerbusens, noch Schäfiis, wie die Hauptmasse der orthodoxen Mohammedaner um Basrah und Bagdad, sondern Mälekis, welche islamitische Schule bekanntlich in Aegypten und Nordafrika vorherrscht. Sicher aber besteht keine Verwandtschaft des Blutes zwischen Tunis und Bahrejn, und hat nie eine Einwanderung von dorther stattgefunden. Die übrigen fünf Sech-theile sind Schija'is nach persischer Weise. Mit dieser eingebornen Bevölkerung gemischt sind zahlreiche Fremde und Ansiedler, von denen sich manche durch die Vortheile angezogen, welche Handel und Perlfischerei bieten, schon seit mehreren Generationen hier niedergelassen und mehr oder weniger die Physiognomie und Tracht ihrer Heimath beibehalten haben. So sieht man oft die bunte enganliegende Kleidung des südlichen Persers, die safrangelbe Jacke von 'Oman, den weissen langen Rock von Neged und den gestreiften Oberrock von Bagdad, in Verbindung mit den hellen Kleidern von Bahrejn, dem blauenund rothen Turban, dem mit weissseidenen Fransen besetzten, nach Banianenart um die Hüften geschlungenen Tuche, und dem rockähnlichen Ueberwurf; während eine kleine aber unverkennbare Colonie von Indiern, Kaufleuten von Profession und hauptsächlich aus Guzerate, Kutsch und Umgegend, hier alle ihre Eigenthüm-lichkeiten der Tracht und der Sitten aufrecht erhalten. Nach dem Falle der karmathischen Dynastie in Katif wurde Bahrejn von Persien abhängig und erkannte lange Zeit keine andere Herrschaft oder Einmischung an. Als im Anfang des vorigen Jahrhunderts 'Oman das persische Joch abgeschüttelt hatte und zu eigner Macht gelangte, machte es Anspruch auf das Recht, von der Insel einen Tribut zu erheben, und war stark genug, dem Ansehen des Statthalters von Schiraz das Gegengewicht zu halten. Die Familie Khalifah hatte inzwischen seit mehreren Generationen immer an Macht zugenommen und zuletzt die Herrschaft über Bahrejn erlangt, obwohl als Lehen des Schah. In dem gleichen Verhältniss blieb sie auch zu dem Sultan von 'Oman. Wir haben bereits gesehen, dass 'Abd-el-'Aziz-ebn-Sa'üd die Inseln Bahrejn dem wahhabitischen Reiche einverleibte, und es ist nicht nöthig zu sagen, dass die Negedäer mit aller der ihrer Sekte gewöhnliehen, aber nicht allein eigenthümlichen Intoleranz hier ihren religiösen Codex und Gebräuche einführten. Dadurch machten sie sich bei einem Volke, unter dem Toleranz, die gewöhnliche Folge freien Handels und Verkehrs, immer an der Tagesordnung gewesen war, und welches, obgleich vortreilliche Geschäftsleute, einen ausgeprägten Hang zu Belustigung, Spiel und gesellschaftlicher Unterhaltung jeder Art hatte, ausserordentlich verhasst. Als mit dem Falle Dercj'ijahs die wahhabitische Kette gebrochen war kehrte Bahrejn unter die erbliche Autorität der El-Khalifah und persisches Vasallenthum zurück. Bald darauf aber erhob Sa'id, bekannt unter dem emphatischen Titel „Es-Sultan" oder „der Sultan" von 'Oman, nach anderen wichtigen Eingriffen in die maritimen Besitzungen Persiens, auch Anspruch auf Bahrejn und machte die Insel seinem Scepter zinsbar. Einige Jahre später fiel der wiederbelebte wahhabitische Geier, nachdem er seine Flügel wieder über Hasa ausgebreitet, noch einmal über Bahrejn her. Viel Spass machten mir die Erzählungen einiger Augenzeugen von den Seeschlachten zwischen den Negdäern und den Inselbewohnern. Der Vortheil grössern Muthes war sicher auf Seiten der Negdäer, aber Zahl und Seetüchtigkeit 213 wandte die Wagschale zu Gunsten der Flotte von Bahrejn. Nach einem heftigen Kampfe bei Darim, in welchem einige negedäische Boote verbraunt und andere untauglich gemacht wurden, gelang es einer Truppenabtheilung Fejsals, die Wachsamkeit des Feindes zu täuschen und an einem unbewachten Punkte der Insel zu landen. Einmal gelandet, marschirten sie gerade nach Menämah; als sie aber hier ankamen, fanden sie sich durch die geschickte Taktik 'Ali-el-Khalifahs wie in einem Netze gefangen, und es war ihnen alle Möglichkeit abgeschnitten, zu ihren Schiften zurückzukehren, welche die Insulaner ruhig in Besitz genommen hatten. 'Ali benutzte seinen Vortheil gut und schickte die Gefangenen, mit Einwilligung seines Bruders Mohammed, nicht allein unbeschädigt, sondern mit Geschenken beladen und von Friedensanerbietungen begleitet, nach Hasa zurück. Bei dieser Gelegenheit wurden die Familienstreitigkeiten, welche Fejsal einen Vorwand zum Angriff auf Bahrejn gegeben hatten, in der obep erwähnten Weise beigelegt. Mohammed aber war von da an verpflichtet, einen jährlichen Tribut nach Riad zu zahlen, als Preis des Bündnisses und der Unterstützung, obwohl er, wenn die Gelegenheit es fordert, keinen Anstand nimmt, bald die Hülfe Persiens, bald 'Omans, bald der Türkei in Anspruch zu nehmen, je nach welcher Seite sich Hoffnung oder Furcht neigen. In den letzten Jahren hat brittische Einmischung einigen Einfluss auf die Insel geübt, ohne jedoch den Einwohnern bis jetzt Vortheil zu bringen, vielmehr gerade das Gegenteil. Bei Bahrejn beginnt die eigentliche Perlenküste und Fischerei, die sich von hier östlich um das Vorgebirge Katar an der Küste der grossen südlichen Bucht des Persischen Meerbusens hin bis an die Grenze von Schargah in 'Oman erstreckt. Perlenmuscheln findet man allerdings auch nördlich von Bahrejn an der Küste von Katif und der anliegenden Inseln, wo ebenfalls Fischerei betrieben wird, die Perlen sind jedoch schlecht und lassen sich in keiner Weise mit denen von Bahrejn und der östlichen Golfküste vergleichen. Rings um Bahrejn selbst ist die Perlenfischerei sehr ergiebig und beschäftigt wenigstens die Hälfte der Einwohner der Insel. Mohammed et-Khalifah besitzt das Monopol und erhebt von jedem Boote, das auf Perlenfischerei in See geht, eine bestimmte Abgabe, ausser seinen Procenten vom Er* trage, und wer es wagen wollte, eine Muschel ohne Erlaubniss der 214 Regierung aufzunehmen, würde nach dem Gesetz, d. h. nach Gutdün- ken des Statthalters, bestraft werden. Nach einer ungefähren Schätzung kann die Zahl der Fischerboote, welche an den Küsten von Bahrejn nach Perlen suchen, nicht weniger als zwei bis drittehalb Tausend sein, und doch klagt Niemand über schlechten Fang. Die Zeit des Tauchens ist von April bis mit October und dieser submarinische Theil der Arbeit wird hauptsächlich von Negern verrichtet. Diese sind vortreffliche Taucher und können etwa zwei Minuten unter Wasser bleiben; ich hörte aber nie, dass einer sich rühmte, noch länger den Athem anhalten zu können. Ich vergass zu sagen, dass diese schwarzen Herren in Bahrejn sehr zahlreich sind, wo sie, frei von wahhabitischem Zwange, allerlei Kurzweil und kindische Possen treiben; eine Freiheit, die dem ächten Neger ungleich mehr am Herzen liegt, als jede Freiheit des bürgerlichen Lebens. Während die ärmeren Klassen sich der schwerern Arbeit der Perlenfischerei unterziehen, betreiben die wohlhabenderen alle ohne Ausnahme Handel, im Grossen uud im Kleinen, innerhalb der Insel oder auf Reisen an den benachbarten Küsten, von Basrah bis Bombay und von Karratschi bis Zanzibar. Die „Bahärinah'' (um die Eingebomen von Bahrejn mit ihrem arabischen Collectivnamen zu benennen, wie „Zahäliuah" Einwohner von Zahleh und „Karäkinah" Einwohner von Karak) sind in der Regel keine besonders guten Buchhalter und methodischen Arbeiter und stehen in dieser Hinsicht den unter ihnen angesiedelten 'Omaniten und Indern nach, an Handarbeit aber kommen ihnen *im ganzen Orient nur wenige gleich; — Weber, Metall-, Holz-, Lederarbeiter, Schneider, Färber, kurz Handwerker aller Art giebt es in Menämah vollauf, die, nach orientalischen Begriffen, in ihren Professionen Ausserordentliches leisten. Arzneikunst jedoch und andere Wissenschaften liegen kläglich darnieder. Im Innern der Insel ist der Ackerbau nicht ganz vernachlässigt, die Armuth des Bodens ist jedoch ein grosses Hinderniss desselben, und ausser ungeheuren Citronen, die ich nirgends so gross sah, stehen die vegetabilischen Erzeugnisse Bahrejns, obwohl durch Arbeit vermanuichfacht, weit unter der Mittel-mässigkeit. Die Feuchtigkeit ist dem Wachsthum günstig, die Qualität aber kommt der Quantität nicht gleich; so sind auf der ganzen Insel Palmen sehr zahlreich, die Datteln aber schlecht. Noch einige Worte über den Viehstand: Kamele sind von der 215 arabischen Küste hier eingeführt worden; die armen Thiere befinden sich aber sehr schlecht, da ihnen das feuchte Klima wenig zusagt; Ochsen und Kühe sind nicht selten, aber mager, und geben ein erbärmliches Rindfleisch; Schafe giebt es wenige, Esel aber ungleich mehr, wie es auch anderwärts in der That oft der Fall ist. Aber Fische von allen Arten, mit und ohne Schuppen und Schalen, werden zu Markte gebracht, in einer Menge, die man kaum irgendwo wieder findet. Die Hauptnahrung der Bahärinah ist daher Fisch. Nach genauer Berechnung mit Barakät fand ich, dass der Preis der Fische auf dem Markte zu Menämah nicht mehr als ein Zwanzigtheil des Preises derselben an der Küste des Mittelländischen Meeres in Syrien beträgt, z. B. Beiruth, Sejda und der benachbarten Häfen. Dadurch erklärt sich auch die verhältuissmässig geringe Viehzucht. Kurz, Bah-II. 11 rejn ist eine Tochter der See, und die See ist und wird immer seine beste nährende Mutter sein. Die gegenwärtige Regierung von Bahrejn verdient nur wenig Lob. Vor dem ersten Einfall der Wahhabiten war das Ländchen ungleich wohlhabender und glücklicher als jetzt, wenn wir der lokalen Tradition glauben dürfen, die durch das stumme Zeugniss in Ruinen liegender Häuser und Khane bestätigt wird. Die thörigten Beschränkungen und unzweckmässige Polizei der negdäischen Sektirer ging unmittelbar darauf aus, den Handel zu vernichten und die Kaufleute zu vertreiben. Als endlich in den Jahren 1818 und 1819 die Insel von dem fremden Joche befreit wurde und wieder an dem Fortschritte theilnehmen konnte, dessen sich 'Oman erfreute, kehrte die ehemalige Thätigkeit wieder zurück, bis durch Familienzwiste unter den Herrschern persische und endlich wahhabitische Einmischung wieder hindernd dazwischen traten. Der persönliche Charakter des gegenwärtigen Vice-königs Mohammed hat viel zu dem schlechten Zustande beigetragen, in dem sich die Insel jetzt befindet. Dieser Statthalter ist ein vollkommener Sybarit, der alle vierzehn Tage eine andere Frau nimmt, jedesmal mit grossem Gepränge und Aufwand, wozu noch kommt, dass »16 er die Verstossene ernähren und die neue jedesmal theuer bezahlen muss. An die Wohlfahrt seiner Unterthanen denkt er nicht; wenn er nur Steuern erheben kann, um seine Lüste zu befriedigen, so kümmert es ihn wenig, ob die Einwohner auswandern oder nicht. Wahhabitischer Einfluss, machtlos für Sittlichkeit und Gutes, allnfächtig für Bigoterie und Verfall, ist jetzt in Bahrejn (Dank der Schwäche Mohammeds), namentlich in der Hauptstadt und in der Nähe des Palastes, sehr fühlbar und trägt viel zum Ruin des Landes bei. Das „auserwählte Volk" sieht mit orthodoxem Unwillen die Gräuel schiitischen oder indischen Unglaubens in so grosser Nähe zu ihrem geheiligten Lande. Eine kleine Kolonie Juden, Leute, deren Anwesenheit in einer Stadt oft als ein Thermometer des Wohlstandes betrachtet werden kann, ist so gequält worden, dass sie sich endlich genöthigt sahen, Menämah zu verlassen, und die hier angesiedelten Hindus sind mehr als einmal nahe daran gewesen, ihrem Beispiel zu folgen; die eingeborne Bevölkerung, oder die Bahärinah, sind ausgewandert und ziehen noch täglich zu Dutzenden und zu Hunderten fort, zum grossen Vortheil der Hafenplätze, wo sie sich niederlassen, und dem entsprechenden Schaden und Nachtheil für ihre Insel. Von Basrah bis Mascat sind beide Küsten des persischen Meerbusens (Barr-Färis ausgenommen, wo das wahhabitische System herrscht) buchstäblich von Einwanderern aus Bahrejn bevölkert, Kaufleuten, Handwerkern, Fischern, Tagelöhnern und was noch, und eine Kolonie von zwei- bis dreihundert Bahärinah hat in den letzten Jahren die kleine Insel Ge's, die vorher unbewohnt war, zu einem der wichtigsten Handelspunkte dieser Gewässer gemacht. Namentlich bei der toleranten Regierung von 'Oman, der weisesten vielleicht im ganzen Orient, wenigstens in dieser Beziehung, haben die Exilirten von Bahrejn Schütz und selbst Unterstützung gesucht und gefunden. Durch das oben beschriebene Verfahren hat Mohammed-ebn-Kha-lifah von seinen Unterthanen einen und die Wahhabiten zwei Grade von Hass geerntet. Aber die Einwohner von Bahrejn sind ein friedliches und geduldiges Volk und ihre Unzufriedenheit macht sich nur durch Klagen Luft, oder sie wandern aus; Volksaufstände nach europäischer Art sind, vielleicht kann man sagen leider, wenig in Ueber-einstimmung mit asiatischen Gefühlen und asiatischer Schwäche. In Menämah, nicht weniger als in Hasa, spricht man viel von einer „Annexion", wie unsere Diplomaten es nennen würden, an eine liberalere Regierung. Jedoch, weder Teheran noch Constantinopel bieten die gewünschte Aussicht; 'Oman, obwohl in anderer Beziehung passend, ist im gegenwärtigen Augenblick nicht mächtig genug, um Hülfe leisten zu können; vielleicht — aber Conjecturen oder Winke wären hier nicht an ihrem Platze. Für eine Bemerkung nur bitte ich meine Leser um Erlaubniss. Wer immer im Orient die Herrschaft gewinnen mag, wird wohl thun, gegenüber den Sonnis, Schija'is, Heiden, und was sie sonst sein mögen, absolute Toleranz zu seiner Maxime zu machen, in Allem, was nationale Gebräuche, Religionen und selbst Vorurtheile betrifft; und diese drei Worte sind sehr häufig identisch, wenigstens in Asien. Ich meine nicht, dass ein fremder Herrscher Somnath bekränzen und die Prozession der Dschaggernath mit seiner offiziellen Gegenwart beehren, oder einer dickbäuchigen Statue des Goneschwa Kerzen anzünden und Blumen bringen soll (wie ich selbst gesehen habe); auch würde es nicht klug sein, denen nachzuahmen, welche Staatsgelder zum Bau von Moscheen in Algier verwenden und islamitische Formeln an die Spitze europäischer Proclamationen setzen. Ich meine die Toleranz, welche darin besteht, dass man sich nicht einmischt und keine Notiz nimmt; kurz, die Philosophie und Religion der Unterthanen als Dinge betrachtet, die der Regierung gar nichts angehen. Dieses Verfahren allein ist vernünftig und sicher. Geistige und religiöse Fortschritte werden ihren Weg am besten finden, wenn sie frei sind von unzeitiger Hülfe und von sinnloser Opposition. Während der ersten zwölf Tage, ehe Abu 'Ejsa ankam, brachten wir unsere Zeit meist in verschiedenen Kaffeehäusern zu, namentlich in dem, welches ich oben nannte, dessen Besitzer - sich bei unserer Ankunft freundlich unserer angenommen hatte. Hier trafen wir persische Kaufleute, Schiffer aus allen Häfen, 'Omänis, Beludschen, Indier und andere und es fehlte uns nicht an Unterhaltung. Bei der maritimen und gewissermasen centralen Lage von Bahrejn kann man sich denken, dass die vollständige Unwissenheit der Negdäer über Europa hier einer theilweisen Bekanntschaft Platz gemacht hat. In Menämah hört man wenigstens die Namen „Inglis" und „Franzis"; Deutsche und Italiener , deren Schiffe selten oder nie in dieses Meer kommen, haben in dem Vocabular von Bahrejn bis jetzt noch keinen Platz gefunden, und Holländer und Portugiesen scheinen ganz in Vergessenheit gerathen zu sein; aber die Russen oder „Mosköp" (d. i. Moscowiter) sind bekannt und gefürchtet, Dank des Verkehrs mit Persien. Ueber die Politik von Constantinopel und Teheran wird in diesen Kaffeehäusern zuweilen sehr frei gesprochen, desgleichen über Neged und dessen gefährliches Weitergreifen; Schiffsneuigkeiten, Handel, Geschäfte, Erzählungen von fremden Ländern, zuweilen Literatur sind Gegenstand der Unterhaltung. Von religiöser Controverse hörte ich nie ein Wort. Kurz, anstatt der Zeloten und Fanatiker, Kameltreiber und Beduinen, haben wir in Bahrejn wieder eine Art „Weltleute, die Welt und Menschen kennen". Ausser diesen Besuchen in den Kaffeehäusern betrieb ich noch ein wenig meine medizinische Praxis, zu der ich durch schmeichelhafte Aufforderungen genöthigt wurde, machte freundschaftliche Besuche und dann und wann einen kleinen Ausflug ins Freie und auf die nahen Dörfer, in deren einem wir einen Wochenmarkt mit ansahen, der in jeder Beziehung die grösste Aehnlichkeit mit den bereits beschriebenen Märkten in Hofhüf und Mebarraz hatte. Das merkwürdigste Ereigniss dieser Tage war ein heftiges Gewitter aus Norden, mit Regen, Hagel und Sturm, der Bäume entwurzelte und Palmenhütten abdeckte, trotz ihrer festen Seile und Weidenruthen, und man hörte viel von untergegangenen Schiffen, so dass wir für Abu 'Ejsa fürchteten. Er war jedoch gerade, als das Unwetter losbrach, bei Agejr auf dem Wege zur Küste und auf dem Punkte gewesen, sich einzuschiffen, nachdem er einen halben Tag bis auf die Haut nass zwischen den Sandhügeln zugebracht. In der vergeblichen Hoffnung, dass das Wetter sich verziehen möchte, war er nebst seinen Begleitern in ein Dorf weiter landeinwärts zurückgekehrt, um dort besseres Wetter zu erwarten. Dies erfuhren wir einige Tage später aus seinem eigenen Munde. Von dem Statthalter und anderen Staatsmännern sahen wir wenig; in der That gingen wir ihnen so viel wie möglich aus dem Wege und lehnten selbst eine Einladung 'Ali's, in seinen Palast zu kommen, ab; da wir glaubten, hinglängliche Bekanntschaft mit den Khalifahs 220 von Bahrejn zu machen, wenn wir hörten, was Schlechtes von ihnen gesprochen wurde, und nicht glaubten, dass eine nähere Bekanntschaft uns eine bessere Meinung von ihnen beibringen würde. Endlich, am 6. Januar 1863, drehte sich der Wind nach Süden und am 9ten desselben Monats kam unser lang erwarteter Abu 'Ejsa an, mit einem ganzen Gefolge, drei Weissen, einem Schwarzen, einem kaffeebraunen Mulatten, alle in bunte Seide gekleidet, mit silbernen Griffen an den Säbeln; Abu 'Ejsa selbst trug einen schön gestickten Oberrock und sah aus wie ein Bräutigam bei der Hochzeit. Wir mussten lachen über dieses Schaugepränge von Leuten und Putz; er hatte jedoch seine guten Gründe dazu, denn Abu 'Ejsa hatte die Absicht, zunächst nach Abu-Schahr zu gehen, als Oberanführer der persischarabischen Karawane, und ein Ansehen von Reichthum und hoher Stellung war durchaus nothwendig, wenn er sein Geschäft mit Erfolg betreiben wollte, namentlich bei Persern und in einem Lande, wo Prunk Alles gilt. In der That würden ohne diesen alle Patente Fejsals und Creditive Mahbübs bei den Schija'is umsonst gewesen sein. Abu 'Ejsa hatte einen eigenthümlichen Hang, Schmuggel zu treiben, und war deshalb mit seinen Gütern und Leuten nicht in Menämah gelandet, sondern in einiger Entfernung vom Hafen, hinter einem kleinen Vorgebirge, um den Zoll zu umgehen, nicht ohne Gefahr, von der Küstenbewachung Mohammed-el-Khalifahs entdeckt zu werden. In Menämah nahm er eine Wohnung für sich und sein Gefolge in einem grossen Hause am andern Ende der Stadt, beinahe eine halbe Meile von unserer Wohnung, wo er als vornehmer Herr auftrat, Jedermann aufnahm und eine Zeit lang den Mittelpunkt für alle Kaffeetrinker und Neuigkeitskrämer der Nachbarschaft bildete. In ruhigeren Stunden machten wir unsern Plan für unsere weitere Reise. Es wurden mancherlei Pläne '.emacht und besprochen, verworfen oder wieder aufgenommen, bis wir uns endlich zu einem Plan entschlossen, den unsere Freunde in Hofhüf schon mit uns besprochen hatten und zu dessen Ausführung ein grosser Theil der Waaren, welche Abu 'Ejsa mitbrachte, gekauft worden waren. Der Plan war nicht schlecht, obwohl Umstände eintraten, die ausserhalb der gewöhnlichen Berechnung lagen und seinen Erfolg weniger vollständig machten, als er hätte sein können. Abu 'Ejsa hatte mehr als zwanzig Ladungen der besten Datteln 221 von Hasa angeschafft, ächte Khaläs, gut verpackt in länglichen Binsenkörben, ferner hatte er vier schöne Mäntel anfertigen lassen, die von den kunstvollsten Händen gewebt und gestickt waren. Drei derselben waren für die Garderobe untergeordneter Häuptlinge geeignet; der vierte aber, der ausserordentlich prächtig war, schien nur für die Schultern eines Königs passend. Diese Luxusartikel sollten sämmtlich der Obhut eines seiner Diener anvertraut und in Abu 'Ejsas Namen überreicht werden, drei Mäntel einer gleichen Anzahl von Häuptlingen, deren Gebiete zwischen Bahrejn und Mascat lagen, mit jedem Mantel zugleich eine geeignete Anzahl Dattelkörbe, um das Geschenk zu versüssen. Der vierte und kostbarste Mantel, nebst einem Drittheil der Früchte, war für den Sultan von 'Oman selbst bestimmt, als Anerkennung des Schutzes, welchen er unserm Freunde bei einer frühem Gelegenheit hatte angedeihen lassen. Die Ueberreichung von Geschenken, auch ohne einen speciellen oder unmittelbaren Zweck, zu blosser Erinnerung und Wiederbelebung des Wohlwollens, ist im Orient sehr gewöhnlich; in der Regel werden sie mit einem Gegengeschenk vergolten, welches dem Ueberbringer unmittelbar gegeben wird, ausser der Versicherung künftiger Unterstützung, wenn diese verlangt wird. Die erwarteten Gegengeschenke, so rechnete Abu 'Ejsa, mussten genügen, um seinen Diener für die Schwierigkeiten und Gefahren der Reise zu entschädigen. Ich sollte die Geschenke und den Ueberbringer begleiten, als gelehrter Arzt, der, ich weiss nicht was für Kräuter und Droguen suchte, die in den südöstlichen Gegenden zu finden wären. Auf diese Weise eingeführt, konnte ich Land und Leute mit Müsse kennen lernen. Hierauf sollte ich mit meinem Führer nach Abu-Schahr gehen, um dort mit Barakät und Abu 'Ejsa wieder zusammenzutreffen, die schon früher dorthin abgegangen waren, denn letzterer musste in Abu-Schahr mindestens drei Monate verweilen, während sich die Pilger sammelten und zur Reise durch Arabien nach Mekka rüsteten. Barakät, so sagte Abu 'Ejsa, konnte mich nicht sicher begleiten; noch viel weniger konnte er meine Stelle einnehmen. Der Plan war gewiss schlau ersonnen und konnte für Kundschafter, wenn sonst ihre 222 Umstände ein gleiches Verfahren erlaubten, von besonderem Werthe sein, aber er war abenteuerlich und erforderte reifliche Vorüberlegung und sorgfältige Anordnuug. Meinen syrischen Gefährten und mir selbst wollte eine Trennung nicht gefallen, die vielleicht nur zwei Monate, vielleicht aber auch (und so erwies es sich später wirklich) viel länger währen konnte*, in der That, es fehlte wenig, dass wir uns, wenigstens in diesem Leben, nie wieder gesehen hätten, aber ich sollte als ein zufälliger und unwichtiger Begleiter des Boten Abu 'Ejsas erscheinen; die Begleitung eines Dritten konnte nicht plausibel erklärt werden und hätte Verdacht erwecken können. Auch schien es weder rathsam noch vorsichtig, wenn wir uns Beide auf einmal der wirklichen Gefahr eines Schiffbruchs aussetzten; die Jahreszeit war ungünstig; ein Theil, ja die Hälfte des Weges, war zur See, und der persische Meerbusen ist selbst für europäische Segelschiffe im Winter und Frühjahr gefährlich zu befahren, noch vielmehr für arabische. Doch Barakät und ich ermuthigten einander, das Beste su hoffen und ich konnte nicht daran denken, eine so gute Gelegenheit, 'Oman kennen zu lernen, aus der Hand zu lassen, obwohl ich wusste, dass zu dieser Zeit meine Kenntniss nur eine sehr oberflächliche sein würde, aber sie konnte mir den Weg bahnen zu einer vollständigem und dauerndem Bekanntschaft. Jusef-ebn-Khamis, dies war der Name meines neuen Reisegefährten, war ein höchst merkwürdiger Kerl. Er war aus Hasa gebürtig, halb Spassmacher, halb Spitzbube, witzig, sorglos, leichtsinnig im höchsten Grade, voller scherzhafter oder pathetischer Geschichten, Gedichte, Traditionen und Spässe aller Art, grobe und feine; aber er hatte eine probehaltige Eigenschaft, die bei einer Sache, wie die gegenwärtige, alles Uebrige mehr als aufwog, nämlich eine unbegrenzte Anhänglichkeit, eine wirkliche Verehrung für Abu 'Ejsa. Abu 'Ejsas Gutherzigkeit und Freigebigkeit hatte Jusef aus der äussersten Armnth gezogen und ihm eine bescheidene und selbst anständige Stellung verschafft. Wie sie zuerst bekannt wurden, wäre zu lang, hier zu erzählen; genug, 223 seit fünf oder sechs Jahren, so lange Abu 'Ejsa in Hofhüf lebt, ist er für Ebn-Khamis beständig der beste Freund gewesen, ein Freund in der Noth. Jusef hatte in seiner Jugend die Waffen getragen, wenigstens eine Lanze, und an dem Kriege Theil genommen, welcher Fejsal das Uebergewicht über Ebn-Thenej'jän gab. Er war auch bei der grossen Unternehmung zur See gegen Bahrejn gewesen, welche wir oben erzählten, als die Negdäer den unglücklichen Versuch machten, ihre Herrschaft zur See zu begründen. Jetzt war er etwa sechsunddreissig Jahr alt, schlank gewachsen und (ungeachtet eines etwas komischen Zuges in seinem Gesicht) hübsch, mit einem kleinen schwarzen Barte, wo einige vorzeitige graue Haare, die Folge des Entsetzens, als er einen unglücklichen Kameraden im Kampfe bei Bahrejn an seiner Seite fallen sah, mit seinem jugendlichen Gesichte merkwürdig kontrastiven. Wir waren schon in Hofhüf mit einander bekannt geworden, wo Jusef Abu'Ejsas täglicher Gast oder vielmehr Satellite war, und standen uns sehr gut miteinander. Ich hatte also nichts gegen seine Führerschaft und er nichts gegen meine Begleitung, obwohl ihm der eigentliche Zweck meiner Reise unbekannt war. Wir warteten nun auf eine Gelegenheit zur Abreise, aber der Wind war nicht günstig. So verging ein Tag nach dem andern, bis endlich am 23. Januar eine Brise aus Süden und ein gutes Schiff zusammen trafen, um Abu 'Ejsa mit seinen Leuten nebst Barakät nach Abu-Schahr zu tragen, während ich mit Jusef am nächstfolgenden Tage über den Kanal nach Moharrek ging, wo wir uns nach Bedaa', an der Küste von Katar, einschiffen wollten. Dort nämlich regierte Mohammed-ebn-Thäni, der erste und nächste von den Häuptlingen, die 224 wir besuchen und denen wir Geschenke überbringen sollten. Eine Ahnung von einem Schiffbruche, der mir bevorstand, bewog mich, alle meine Papiere , Notizen und was ich sonst von Werth bei mir hatte, Barakät zu übergeben; ich behielt nur eine kleine Summe baaren Geldes für die notwendigsten Ausgaben. Ohne diese Vorsicht würde dieses Werk wohl nie das Licht der Welt erblickt haben. Es war ein schöner sonniger Nachmittag, als wir uns nach manchen guten Wünschen auf baldiges Wiedersehen von unseren Freunden trennten. Den Abend brachte ich mit Jusef still in Abu 'Ejsas bisheriger Wohnung zu, in der jetzt eine unheimliche Stille herrschte. Ich fühlte mich ausserordentlich einsam, tröstete mich aber mit der Hoffnung auf eine interessante Reise und baldige glückliche Rückkehr; auch Jusef war sehr niedergeschlagen und suchte in seiner Phantasie allerlei Umstände zusammen, die Vorbedeutungen einer glücklichen Reise für Abu 'Ejsa ohne Seekrankheit und Gefahr sein sollten. Die Hoffnung täuschte uns Beide, wie die Folge lehren wird. Am nächsten Morgen nahmen wir ein kleines Boot und fuhren, diesmal unbelästigt von den Zollbeamten, die sich nur um die Einfuhr kümmern, nach Moharrek hinüber. Dort fanden wir bald ein nach Katar bestimmtes Schiff, mit dessen Führer Abu 'Ejsa schon vorläufig unsertwegen ein Abkommen getroffen hatte und welches unter dem Kastell am östlichen Ende der Stadt vor Anker lag. Um zu demselben zu gelangen, mussten wir ziemlich eine Viertelmeile durch nassen Sand und über eine kleine, einem Damm ähnliche Landzunge gehen, die gerade so breit war, dass zwischen dem Schlamme zu beiden Seiten ein schmaler Fusssteig blieb, der uns bis zu dem grossen viereckigen Gebäude führte, welches ich schon oben erwähnte, und das fest gebaut und mit einigen Kanonen versehen ist. Es steht am Rande des 225 Wassers und ist mit einer starken Mauer umgeben. Hier lag ehedem die Garnison von Bahrejn, gegenwärtig aber dient das Gebäude nur als Stall für die hübsche Stuterei Mohammed-el-Khalffahs. Dicht unter den Mauern grasten zwei Dromedare, die erst vor einigen Tagen vom Sultan von 'Oman als Geschenk angekommen waren, als Entgegnung für die gewöhnliche Tributsendung. Es waren prächtige Exemplare des ächten 'Omanischen Dromedars; die zierliche einer Giraffe ähnliche Gestalt, das glänzende, man möchte fast sagen kluge Auge, die glatte mäusefarbene Haut, der leichte Schritt und Gang unterschieden sie hinlänglich von jeder andern Rasse und rechtfertigten den Ruf, in welchem 'Oman in dieser Beziehung steht. Dicht unter dem alten Kastell lag unsere Barke, schlecht gebaut, schlecht ausgerüstet und schlecht bemannt, aber diese Mängel fielen wenig ins Gewicht, da wir uns ihrer nicht weiter als bis Katar bedienen wollten, eine kurze Fahrt. Uebrigens kann jedes, auch das schlechteste Fahrzeug, wenn es nur von einem kundigen Lotsen geführt wird, sich ohne Furcht in die ruhigen Gewässer dieser Bucht wagen, der die Araber den Namen „Bahr-al-Benät" oder „Mädchen See" gegeben haben, entweder von den Seejungfrauen, welche man hier gesehen haben will, wie das Volk glaubt, oder vielleicht von dem ruhigen, freundlichen und lachenden Charakter der Bucht selbst. Wir brachten unsere Waaren und Habseligkeiten an Bord, empfahlen sie der Obhut des Kapitäns, eines alten Mannes mit schneeweissem Barte, und kehrten dann, nachdem wir die Zusicherung erhalten, dass wir am nächsten Morgen mit Sonnenaufgang absegeln würden, wieder in die Stadt zurück. Als ein Ganzes ist Moharrek merkwürdig und sehenswerth, obwohl es keine besonders auffallenden Gebäude enthält. Merkwürdig sage ich, wegen seines persisch-arabischen Ansehens; die Häuser sind klein und stehen dicht aneinander, der Marktplatz ist gepflastert, überall an den Wänden sind hohe Bänke und Verkaufsstände, die auf ein reges Leben ausser dem Hause deuten; dabei ist Alles dicht zusammen gedrängt und überall der Raum gespart, ganz anders als in 226 den meisten arabischen Städten, wo man weit mehr auf freie Bewegung als auf Ersparniss des Grund und Bodens Rücksicht genommen zu haben scheint. Als Handelsplatz steht die Stadt hinter Menämah zurück und der Marktplatz ist weniger mit Waaren gefüllt und kleiner, dagegen aber unbedingt hübscher. In der Stadt sind einige geräumige aber niedrige Paläste, wo mehrere Mitglieder der Familie El-Khalifah wohnen. Jusef, der sich auf eine frühere Bekanntschaft stützte, die er unter dem Schutze Abu 'Ejsas gemacht hatte, veranlasste mich zu einem Besuche bei einem dieser Häuptlinge, Namens Hamid, einem Oheim des gegenwärtigen Statthalters. Hamid nahm uns ausserordentlich höflich auf; die Einführungsceremonien unterscheiden sich in nichts von denen, welche ich schon öfters beschrieben habe. Als das Gespräch vertraulicher wurde, machte er mir den Vorschlag, in Moharrek zu bleiben und mich dort als Leibarzt der königlichen Familie niederzulassen, für welchen Fall er mir seinen besondern Schutz zusagte, und es kostete mir wirklich einige Mühe, einen schicklichen Vorwand zu finden, so gnädige Anerbietungen abzulehnen. Nach einiger Zeit standen wir auf und gingen fort, um in dem kleinen Hause eines gewissen Moghith, eines Freundes Jusefs und Eingebornen von Hasa, zu übernachten. Dieser war ein einfacher Gelehrter, der seinen Lebensunterhalt theils als Schreiber, theils als Schulmeister gewann. Diese beiden Professionen sind im Orient oft vereinigt, und da es hier noch keine Schnellpressen giebt, so haben die Abschreiber oft guten Verdienst und sind nie ganz ohne Arbeit. Uebrigens war Moghith ein Mystiker und gehörte zur Sekte der Käderi, deren eigcn-thümliche Grundsätze und verdächtige Orthodoxie eine genauere Auseinandersetzung verdienen, als hier zu geben möglich ist. Ich will nur bemerken, dass der Stifter dieser Sekte, 'Abd-el-Kädir-el-Ghiläni, wenn er nicht (wie sehr möglich) wirklichen Anspruch auf göttliche Ehren machte, wenigstens bei seinen Anhängern in bei weitem höhern Ansehen stand, als Mohammed, und ihnen ein vollständiges System einer halb-pantheisten Lehre als Erbschaft hinterliess, welche durch mohammedanische Nomenclatur nur halb verdeckt wird. Die Glieder dieser merkwürdigen Verbindung (wenigstens Alle, die ich kennen lernte) unterscheiden sich durch auffallende Höflichkeit und Freundlichkeit gegen Fremde, und in dieser Beziehung war unser Wirth ein wahres Muster. Moghith brachte das Gespräch bald auf religiöse Gegenstände — ein anderes Gespräch hörte man in der That unter seinem Dache nicht — und es freute mich, als ich fand, dass mein neuer Freund eben so vernünftig in seinen Begriffen, als 227 aufrichtig in seinen Ueberzeugungen war, die in der Hauptsache auf der breiten Basis einer geistigen Anschauung ruhten, die in allen Ländern und allen Zeiten angenommen worden ist, weil sie auf einer vernünftigen Schätzung des göttlichen und menscblichen Wesens beruht. Auch seine moralischen Ansichten und Folgerungen waren nicht schlechter als seine theoretischen Grundsätze; wegen beider verweise ich Orientalisten auf das bekannte „Tej'ijat-el-Kubra" des grossen Dichters, 'Omar ebn-el-Färid, der zur Sekte der Käderi gehörte. Ich habe oben einige Proben der erotischen und kriegerischen Poesie der Araber gegeben, vielleicht sehen meine Leser auch gern, welchen Schwung die orientalische Muse in einer mehr dem Himmel zugewandten Richtung nimmt. Ich will daher hier ein kurzes Gedicht einschalten, welches mir Moghith diktirte, als bei unserer Unterhaltung die Rede auf das Jenseits kam. Moghith erzählte, nach einer Tradition der Käderi, wie der berühmte Ahmed-el-Ghazäli aus Tüs in Persien (meine gelehrten Freunde werden ihn als den Verfasser des „Lobäb-el-Ahja" erkennen, der um das Jahr 1180 lebte) eines Tages zu seinen Schülern sagte, „Geht und bringt mir neue weisse Kleider, denn der König hat mich zu sich beschieden". Sie gingen, und als sie mit den verlangten Sachen zurückkehrten, fanden sie ihren Herrn todt. An seiner Seite lag ein Papier mit den folgenden Versen: Sage meinen Freunden, die mich todt finden Und eine Weile weinen und trauern: Glaubt nicht, dass der Leichnam hier ich selbst sei; Es ist mein Leichnam, aber nicht mein Ich. Ich bin ein unsterbliches Wesen, dies ist nur mein Körper, Lange Jahre mein Haus und mein Kleid zum Wechseln; Ich bin der Vogel, und dieser Körper war mein Käfig; Ich bin entflogen und habe ihn als Andenken zurückgelassen. Ich bin die Perle, und dies ist meine Muschel, Die aufgebrochen als werthlos liegen blieb; Ich bin der Schatz und dieses war ein Zauber, Der über mich geworfen war, bis der Schatz gehoben wurde. Dank sei Gott, der mich befreit 228 Und mir oben eine dauernde Wohnung angewiesen hat. Dort unterhalte ich mich nun mit den Seligen, Und schaue die entschleierte Gottheit von Angesicht zu Angesicht; Schaue in den Spiegel und sehe und lese Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. 170 Bahrejn nnd Katar. Kap. XIV. Auch Trank und Speise habe ich, doch beide sind Eins; Ein Geheimniss, das der kennt, der es zu kennen würdig ist. Nicht „Wein von süssem Geschmacke" trinke ich; Nein, auch nicht „Wasser", sondern die reine Muttermilch. — Versteht mich recht, denn ein Geheimniss Ist durch symbolische Worte und Bild angedeutet. ~ Ich bin davon gegangen und habe euch zurückgelassen; Wie konnte ich den Ort eures Rastens zur Wohnung nehmen? Zerbrecht nun mein Haus, brecht meinen Käfig in Stücke, Lasst die Muschel zu Grunde gehen; Zerreisst mein Kleid, die Hülle, die mich deckte; Verbrennt Alles und lasst es vergessen sein. Glaubt nicht, dass Tod Tod ist, denn er ist in Wahrheit Leben des Lebens, das Ziel unseres Sehnens. Gedenket liebend eines Gottes, dessen Name Liebe ist, Der im Belohnen Freude hat, und kommt ohne Furcht. Da wo ich bin, sehe ich Euch als unsterbliche Geister wie mich selbst, Und sehe, dass euer Loos dasselbe ist, und Ihr wie Ich. Ich muss hier bemerken, dass Wasser und Wein, von denen hier gesagt wird, dass sie nicht zu den Genüssen eines künftigen Zustandes gehören, im Koran ausdrücklich versprochen werden; auch ist die Verwerfung einer Auferstehung des Fleisches, welche von Mohammed ausdrücklich versichert wird, in den Versen Ghazälis nicht weniger bemerkenswerth; überhaupt der ganze Ideengang in diesem Gedichte ist durchaus gegen die Lehre des Islam. Moghith gerieth, als er dieses Gedicht recitirte, in eine Art Extase, brach in Thränen aus und konnte mit dem Diktate kaum zu Stande kommen. Jusef war dabei fest eingeschlafen und in später Stunde folgte auch ich und Moghith seinem Beispiele. Nach Mitternacht wurden wir durch ein heftiges Gewitter aufgeweckt, das von einem fürchterlichen Sturme und Regen begleitet war; und als es Tag wurde, war nicht allein kein Gedanke mehr von einer Abreise, sondern sogar unmöglich, einen Fuss vor die Thüre zu setzen, so heftig tobte der Sturm. Er kam aus Norden, und Jusef, eben so wie ich, war nicht ohne Sorgen wegen Abu 'Ejsa, doch hoff-229 ten wir, dass er schon vor Auabruch des Unwetters Abu - Schahr erreicht haben könnte. Drei Monate später erfuhren wir, dass er noch nicht über Ras Halilah hinaus gewesen war und der Sturm ihn bis beinahe nach Bahrejn zurückgetrieben hatte, und nicht ohne Gefahr; erst nach vielem Zeitverlust hatte er den Weg nach Abu-Schahr wieder fortsetzen können. Als vernünftige Menschen blieben wir unter Dach, bis endlich nach vierundzwanzig Stunden der Sturm etwas nachliess und die Sonne wieder zum Vorschein kam. Wir suchten nun unsern Capitän auf und machten ihm den Vorschlag abzusegeln. Qer alte Mann aber fand, dass die See für ein Fahrzeug, wie das seinige, noch zu hoch ging und vertröstete uns auf den nächsten Morgen. Für den Augenblick hatte ich nun nichts weiter zu thun, als in den Gassen der Stadt auf und ab zu schlendern, in Kaffehäusern auszuruhen, an dem sandigen Ufer hinzugehen und ein kleines, vor der Stadt gelegenes Dorf zu besuchen , wo auf dem magern Boden ein „Amphion" von Moharrek eine kleine Pflanzung angelegt hat. Am Abend hatte ich mit unserm ascetischen Wirthe wieder eine philosophische Unterredung. Moghith hasste die Wahhabiten aus Herzensgrunde; ja, ihre Ankunft in Hasa war der Grund, weshalb er seine Heimath verlassen hatte; sie hielten ihn für einen Ketzer und er betrachtete sie als intolerante Frömmler; Beschuldigungen, welche überall in der Regel die eine die andere voraussetzen. Endlich am Morgen des 26sten erschien unser ehrwürdiger Palae-mon wieder und forderte uns auf, in seine Barke zu kommen. Moghith und drei oder vier seiner Sinnesgenossen begleiteten uns bis an das Ufer. Ich sprach die Hoffnung aus, sie bei meiner Rückkehr von 'Oman wieder zu sehen. „Versprechen wir uns ein Wiedersehen in einer andern Welt", antwortete Moghith, „dort wird es von längerer Dauer sein." Mit diesen Worten drückte er meine Hand und wir fuhren ab. Ein leichtes Boot brachte uns an Bord des Schiffes. Dicht neben demselben hatten wir das merkwürdige, obwohl nicht einzige Phänomen, einer Quelle süssen Wassers, die mitten in der salzigen Fluth hervorsprudelt. Die Quelle ist etwa sechzig Schritt vom Ufer entfernt und wir betrachteten mit vielem Vergnügen die Undinen von Moharrek, welche mit ihren Krügen auf den Köpfen durch das Wasser wateten, bis zu einem kleinen Felsen, die Landmarke (oder vielmehr Seemarke) der Quelle, die unten mit solcher Gewalt hervorquillt, dass sie die salzigen Wellen von allen Seiten zurückdrängt, so dass ein 230 grosser Kreis trinkbaren Wassers bleibt, aus dem die Najaden schöpften. Unser Schiff, von der Grösse einer kleinen Brigg, war voll von lebendiger Waare ; Passagiere jeden Alters und Geschlechts, aber alle den niederen Ständen angehörig, die nach Katar wollten, sechs bis acht Matrosen, einige Dutzend Schafe zu unserer Gesellschaft (NB. keine Kajüte). Jusef und ich nahmen Besitz von der höchsten und vornehmsten Stelle, auf dem Verdeck, nahe dem Hintertheile des Schiffes. Kurz vor Mittag lichteten wir die Anker. Wir kamen bei vielen Sandbänken und Felsenriffen vorbei, die uns durch die Farbe des Wassers erkennbar waren. Zu unserer Rechten lag die Küste von Bahrejn, auf deren einfarbigem Sande hie und da kleine Dörfer wie dunklere Flecke erschienen. Gegen Abend bekamen wir die westliche Spitze von Katar zu Gesicht, die auf manchen Karten Bahrän genannt wird; ich weiss aber nicht auf welche Autorität, denn hier wenigstens nennt sie Niemand so. Bahrän ist einfach der Nominativ, von welchem Bahrejn der Genitiv oder Casus obliquus ist; ich vermuthe daher, dass irgend ein grammatisches Miss-verständniss unserer Geographen zum Grunde liegt. Die Küste von Katar vor uns war felsig, aber nicht hoch, und hatte ein sehr ödes Ansehen. In einzelnen Zwischenräumen erheben sich kleine Wach-thürme, denen sehr ähnlich, welche man an verschiedenen Punkten der syrischen Küste sieht und welche der Tradition zufolge von der Kaiserin Helena, der Gemahlin Constantins des Grossen, erbaut worden sein sollen. In der Nacht wurden wir unangenehm aus dem Schlummer geweckt ; unser Kiel streifte an ein Riff, wodurch eine gewaltige Verwirrung entstand; und wenn wir wieder flott wurden, so war es sicher mehr dem Glücke zu danken, als der Geschicklichkeit unserer Mannschaft. Am nächsten Tage hatten wir Wind und Regen, gegen den wir uns nicht schützen konnten und fuhren langsam unter dem Ras Rekan, der nördlichsten Spitze des Vorgebirges von Katar. Ras Rekan ist eine ziemlich schroffe Landspitze, mit Felsen von dreissig bis * vierzig Fuss Höhe umgeben, die zu umsegeln wir ziemlich lange Zeit brauchten. Ich bemerkte auf der Höhe ein grosses Fort, welches zu einem in einer nahen Schlucht gelegenen Dorfe gehört, dessen Namen ich aber vergessen habe. 231 Am Morgen des 28ten waren wir endlich glücklich um Ras Rekan herum und fuhren nun mit gutem Winde südwärts auf Bedaa' zu. Die Küste war überall steil, aber nicht sehr hoch. Zwischen Ras Rekan und Bedaa', wo wir gegen Abend ankamen, liegen etwa fünf oder sechs von Fischern bewohnte Dörfer. Ebn-Khamis ging ans Land, um dem Häuptling seine Aufwartung zu machen und für uns eine Wohnung zu suchen; da es aber schon spät war, zog ich vor über Nacht an Bord zu bleiben. Am nächsten Morgen kehrte mein Gefährte zurück, um mich zu holen, und wir wateten miteinander eine ziemlich weite Strecke durch den Sand nach Bedaa', der gegenwärtigen Hauptstadt von Katar. Bedaa' ist die erbärmliche Hauptstadt einer erbärmlichen Provinz. Um sich eine Vorstellung von Katar zu machen, denke man sich meilenweit niedrige, kahle, von der Sonne ausgebrannte Hügel, unter diesen einen schlammigen Strand, mehrere hundert Schritte weit schmutzigen Triebsand mit Schlamm und Seegras. Landeinwärts, jenseits der Hügel, nichts als öde Dünen mit kaum einem Hainichen Gras und hinter diesen einige Gruppen erbärmlicher niedriger Hütten von Erde und Palmblättern; dies sind die Dörfer oder vielmehr „Städte" (denn so nennen sie die Eingebornen) von Katar. Noch ärmer und kahler als die Küste ist das hinter den Hügeln liegende Land, dem auch die wenigen Hilfsmittel fehlen, welche der Meeresstrand bietet, und dessen Bewohner das, was sie zu Hause nicht finden können, sich mit Gewalt zu verschaffen suchen. Die Dörfer von Katar sind daher alle sorgfältig mit Wällen umgeben, und auf den Dünen stehen überall Thürme und hie und da ein grösseres befestigtes Gebäude. Diese Burgen sind in der That nicht überflüssig, denn in Katar fehlt es weder an Reichtümern, noch an Räubern, gegen die sie verteidigt werden müssen. Woher aber Reichthum bei solcher Armuth, und worin besteht derselbe ? Was ich soeben beschrieben habe, ist nichts weiter, als die Schutthaufen und Hütten der Bergleute an den Mündungen des Schach- 232 tes; dicht dabei ist die Mine selbst und diese ist reich und unerschöpflich. Diese Mine ist nichts anderes als das Meer, für die Bewohner von Katar ein eben so freundlicher Nachbar, wie das feste Land hinter ihnen ein geiziger Wirtb. In dieser Bucht finden sich die ergiebigsten und zahlreichsten Perlenfischereien des persischen Meerbusens und neben diesen ein fast unglaublicher Ueberfluss an Allem, was die See bieten oder bringen kann. Von der See also, nicht von dem Lande haben die Bewohner von Katar ihre Nahrung; sie wohnen daher auch hauptsächlich auf der See und bringen die eine Hälfte des Jahres im Wasser zu, um Perlen zu suchen, die andere Hälfte mit Fischerei oder Handel. Ihre eigentlichen Wohnungen sind die zahllosen Boote, die in geschützten Buchten oder in langen schwarzen Reihen an der Küste hin liegen. Auf den Schmuck ihrer Häuser auf dem Lande, die Wohnungen ihrer Frauen und Kinder, und unscheinbaren Sparbüchsen für ihre gesammelten Schätze verwenden die Bewohner von Katar wenig Sorgfalt. „Wir sind Alle, vom Höchsten bis zum Niedrigsten, Sklaven eines einzigen Herrn, und dieser ist die „Perle", sagte eines Abends Mohammed-ebn-Thäni, der Häuptling von Bedaa' zu mir; und er hatte nicht Unrecht. Alle Gedanken, alle Reden, alle Arbeit dreht sich um diesen einen Gegenstand; alles Andere ist nur Nebensache. Ich sprach oben von Räubern und Gefahr der Plünderung. Von beiden haben, wie es scheint, die Bewohner von Katar wenig zu fürchten. Zu arbeitsam, um kriegerisch zu sein, leben sie in einer passiven Harmonie, die selbst den gewöhnlichen Mechanismus einer Regierung beinahe unnöthig macht. Ebn Thäni, der Statthalter in Bedaa', wird allerdings allgemein als Oberhaupt der ganzen Provinz anerkannt, die von dem Sultan von 'Oman abhängig ist; er hat aber wenig Macht über die anderen Dörfer, die alle ihre Angelegenheiten unter eigenen lokalen Häuptlingen ordnen, und für die er nichts weiter ist, als eine Art Obersteuereinnehmer, dem nur obliegt, die Perlenfischerei zu beaufsichtigen und den jährlichen Tribut einzunehmen. Auch Mohmmed-el-Khalifah hat eine Art Controle oder Vorsitz n Katar, scheint sein Recht aber nur insofern auszuüben, als er dann und wann ein hübsches Mädchen (denn die Schönheit der Frauen von 'Oman erstreckt sich, obwohl in geringerem Grade, auch auf Katar) auswählt, die etwa zwei Wochen oder höchstens einen Monat lang die Ehre hat, seine Gemahlin zu sein und nachher sich mit einer Pension 233 zurückziehen kann. Als ich in Bedaa' war, beehrte der wollüstige Khalifah die benachbarte Stadt Dowhah mit seinem Besuche und vermählte sich dort ohne Schwierigkeiten mit einer hübschen Seenymphe, von der er sich noch lange vor meiner Rückkehr aus 'Oman mit eben so geringen Schwierigkeiten wieder geschieden hatte. Bei dieser Gelegenheit wurde nichts gespart, was der Sache einen feierlichen Anstrich geben konnte; Rechtsgelehrte wurden zu Rathe gezogen, die Mitgift bezahlt, öffentliche Lustbarkeiten angeordnet, und öffentliches Gelächter kam von selbst; unterdessen verschwendete Mohammed den schwer erworbenen Reichthum von Menämah und Moharrek in offenbarem Laster. Zabarah, die grösste Stadt der Halbinsel, in der That die einzige, welche einige territoriale Bedeutung hat, ist die Residenz eines der El- Khalifahs, ohne jedoch deshalb einen Vorrang vor den übrigen Ortschaften der Provinz zu beanspruchen. Obwohl aber die Bewohner von Katar im Innern Frieden haben, so sind die doch von der Landseite beständigen räuberischen Ueber-fällen der benachbarten Beduinen von den Stämmen Menäsir und Aal- Morrah auagesetzt. Erstere sind zahlreich und kriegerisch und treiben sich an der ganzen Küste zwischen Hasa und dem eigentlichen 'Oman herum, bis in die Nähe von Schargah. Manche Namaden-stämme machen den bewohnten Distrikten viel zu schaffen und sollen durch Raub und Mord grosse Schätze aufgehäuft haben. Diese Räuber besitzen viele Heerden von Schafen und Kamelen, die sie auf Kosten der Dorfbewohner erworben und vermehrt haben, und aus der kahlen Wüste dicht hinter dem Lande, wohin sie sich jedesmal zurückziehen, sobald ihnen Gefahr droht, bringen sie ihre Thiere an den schmalen Streifen Hochlandes, welcher zwischen dem Küstengebirge und der Dahnä liegt, zur Weide. Wegen dieser Räuber sind die Thürme und Burgen nothwendig, welche sich an dem Hochlande hinziehen; kleine runde Gebäude, fünfundzwanzig bis dreissig Fuss hoch, jedes mit einer Thüre in der halben Höhe, an der ein Seil herabhängt. Bei einem Ueberfalle flüchten die Hirten von Katar mit Hülfe des Seiles in das Innere des Thurmes, und ziehen dann das Seil nach, um wenigstens ihr Leben zu retten, wenn auch das Vieh verloren geht. Denn an einer Mauer fünfzehn Fuss hoch in die Höhe zu klettern, wäre ein Unternehmen, das auch der geschickteste Beduine nicht zu vollführen im Stande ist. Zuweilen greifen die Menäsir, durch Straflosigkeit sicher gemacht (denn die Bewohner von Katar machen keinen Anspruch auf grossen kriegerischen Muth), selbst 234 die grösseren Dörfer an und treiben Kühe und Schafe fort. Man hat deshalb in den Ortschaften selbst grössere feste Gebäude angelegt und die Ortschaften selbst mit Mauern umgeben. Weiter unten an der Küste, gegen Osten zu, beginnen die Ansiedelungen der Benu-Jass, eines übel berüchtigten Stammes, halb Beduinen und halb Dorfbewohner, aber alle Seeräuber, dieselben, deren Raubschiffe in früherer Zeit dieses Gegend den ominösen Namen „Piratenküste" gegeben haben. Der Hauptpunkt oder das eigentliche Centrum der Benu-Jass ist Sur; dieses ist, wie mir gesagt wurde, nichts weiter als ein Haufen von Hütten, unter einigen alten und halbverfallenen Thürmen, den Schlupfwinkeln der Räuber. Die Benu-Jass gehören zu den ursprünglichen Einwohnern von 'Oman, und obwohl sie nichts von dessen Civilisation besitzen, so theilen sie doch dessen politische und nationale Gefühle; sie hassen daher nicht allein alle Muslims und Wahhabiten, sondern greifen sie auch bei jeder Gelegenheit an. Wenn es Raub gilt, gehen sie Hand in Hand mit den Menäsir, obwohl sie hinsichtlich des Ursprungs wie des äussern Ansehens sehr von diesen verschieden sind. Denn die Menäsir, nach Tradition, Gestalt und Dialekt zu urtheilen, sind ein Zweig der grossen Familie 'Abs, zu welcher der berühmte Antarah-ebn-Scheddäd gehörte, und sonach der Rasse nach Negdäer von Kejs-'Ejlän, während die Benu-Jass ihren Stammbaum auf die Kahtanische Familie Modheg hinauffuhren und ihrer Erzählung nach von Hadramaut her eingewandert sind. Jedoch Vortheil, ebenso wie Unglück, kann auch schlechte Kameraden vereinigen. Die Menäsir sowohl, als die Benu-Jass sind in neuerer Zeit von Ahmed-es-Sedejri, dem negdäischen Statthalter in Berejmah (demselben, dessen Bruder 'Abd-el-Mahsin-es-Sedejri uns in Megmaa' bewirthete) sehr bedrängt worden ; während zur See das rothe 'Omanische Banner der Piraten vor dem noch rothern Kreuze des heiligen Georg erblasst ist, und heut zu Tage haben in dieser Bucht des persischen Meerbusens nur noch Perleu-muscheln und Fische eine Gewalttätigkeit zu fürchten. Von dem dritten Stamme dieser Gegend, den Aäl-Morrah, welche die Dahnä selbst bewohnen und noch zahlreicher und weiter verbreitet sind, obwohl zum Glück weniger kampfbereit als die Menäsir, habe ich schon oben gesprochen. Die Beduinen dieses Stammes, welche Katar und 'Oman besuchen, sei es, um Handel zu treiben, oder um zu rauben, erkennen die Wahhabitische Oberhoheit nicht an, sondern zahlen entweder dem Sultan von 'Oman einen Tribut, freilich sehr unregelmässig, oder gehorchen den Befehlen untergeordneter Häuptlinge des Landes. Das Klima von Katar ist auffallend trocken; unter dem heissen 235 Hauche der nahen Wüste scheint die Seeluft wenige Meilen Landeinwärts jede Spur von Feuchtigkeit zu verlieren. Der Boden ist arm, nichts als Kies und Mergel mit Sand gemischt; einzelne Quellen versorgen die mühsam durch die harte obere Erdrinde eingegrabenen Brunnen mit Wasser. Die Gärten sind klein und von geringem Ertrage, und ich sah nirgends Getreidefelder oder Dattelhaine, die diesen Namen verdienten. Auch die Luft soll ungesund sein, vielleicht in Folge des in den Lachen an der Küste stagnirenden Seewassers. Dies ist ungefähr eine Skizze von Katar. Als wir in Bedaa' ans Land kamen, gingen wir gerade nach dem Kastell, einenfalten Gebäude, das man für ein Gefängniss halten möchte, mit einigen Nebengebäuden die mehr Bequemlichkeit für Waaren bieten, als für Menschen. Unter einem mit Matten belegten und mit Matten behangenen Schuppen im Hofe sass der Häuptling, Mohammed-ebn-Thäni, ein schlauer, etwas korpulenter Alter, der wegen seiner Klugheit und guten Laune bekannt, aber dabei ein Knauser und schlechter Kunde beim Handel ist; überhaupt hatte er mehr das Ansehen eines in Geschäften erfahrenen geizigen Perlenhäudlers (was er auch wirklich ist), als eines arabischen Herrschers. Um ihn herum sassen einige Kerle mit schmutzigen Gesichtern, deren Haut von dem häufigen Untertauchen in die See aufgedunsen und deren Gesichter durch Rechnen und Zählen zusammengeschrumpft waren. Obwohl jedoch Ebn-Thänt ein durchaus „praktischer" Mann war, so hatte er doch seine Müsse angewendet, sich geistige Bildung zu erwerben und besass recht hübsche Kenntniss von Literatur und Poesie, über die er gern sprach. Er wollte sogar etwas von der Arzneikunde verstehen und mochte vielleicht eben so viel davon wissen wie manche alte Frau, die sich dessen rühmt. Uebrigens war er ein guter Gesellschafter und machte gern einen Scherz. Er fragte mich nach dem Zwecke meiner Reise. Ich sagte ihm, dass ich in Katar keine besonderen Geschäfte hätte, sondern nur auf dem Wege nach Maskat hier sei, wo ich Kräuter und Droguen suchen wollte. Ebn-Khamis, der jetzt ein wichtiger Mann war, Dank der Geschenke, deren Träger er war, sass dicht neben dem Häuptling, mit der ganzen Würde, die ihm ein neuer schwarzer Mantel und seidenes Kopftuch, welche ihm Abu 'Ejsa geschenkt hatte , verleihen konnten. Mohammed-ebn-Thäni selbst trug einen bengalischen Turban, der, nach dem schäbigen Ansehen zu urtheilen, aus den Zeiten des Sarag-Dowlah stammen konnte; seine Kleidung war so schlecht, dass ein damascenischer Krämer sieb geschämt hätte, sich darin vor der Thür zu zeigen. Er bedauerte, dass er uns wegen Mangel an Raum im Palaste selbst keine passende Wohnung anbieten könne. Ein Blick auf den engen Umfang der mit Gucklöchern versehenen steinernen Mauern überzeugte mich, dass seine Entschuldigung vollständig begründet war. Ebn-Thänf hatte ein Waarenhaus dicht neben dem Palaste räumen und zu unserer Aufnahme einrichten, d. h. mit Matten belegen lassen; an andere Bequemlichkeit war nicht zu denken. Wir drückten natürlich unsern Dank aus für eine Gastfreundlichkeit, die hier als grossartig galt, tranken Kaffee, unterhielten uns eine Weile und zogen uns dann zurück. Ebn-Khamis hatte bald seinen Bolzen abgeschossen, d. h. seine Geschenke überreicht. Der Empfänger aber, der alte Perlenkrämer, konnte nicht eben so schnell mit sich selbst ins Reine kommen, wie viel er als Gegengeschenk geben sollte, und so vergingen nicht weniger als acht Tage, bis ein passendes Gegengeschenk angeboten und angenommen wurde. Der Aufschub, namentlich in einer schlechten Wohnung, und da noch vieles Sehenswerthere vor uns lag, war langweilig genug, um so mehr, da vier Tage vollständig genügten, alle Merkwürdigkeifen eines Landes kennen zu lernen, welches so wenig Abwechselung bietet wie Katar. Die Zeit war jedoch nicht ganz verloren, denn ich konnte sie zu einigen Ausflügen in die Umgegend benutzen. Mit der Stadt Bedaa' selbst war ich bald fertig. Sie hat einen langen, schmalen und schmutzigen Marktplatz, wo einige Krämer und Handwerker aus Bahrejn ihre sehr geringen Geschäfte betrieben; die übrige Stadt besteht aus einer Masse kleiner, enger und schmutziger Häuser mit unregelmässigen Gässchen. Die Gesammtzahl der Einwohner , wenn alle am Lande sind, was selten der Fall ist, beträgt etwa sechstausend; einige Kolonisten aus Hasa sind hieher gekommen, um ihr Glück zu suchen und — auf das Land zu schelten. Ueberau trifft man auf Frauen der Fischer mit ihren Kleinen, die hier schmutziger sind als irgendwo, und auf schlecht gekleidete Männer, die zu sehr von Sorgen gedrückt sind, um gesellig zu sein. Gehen wir an den Strand hinab, so finden wir eine Reihe grosser Boote an der andern, deren Ränder von den Tauen, an welchen die Taucher hinabgelassen werden, berieben sind, denn die Taucher haben immer einen Strick um den Leib, dessen Ende oben gehalten wird, damit man sie, wenn es nöthig, wieder hinaufziehen kann. Meine Leser werden nach dem Gesagten Bedaa' und die Reize, welche es für Auge, Ohr und, wie die meisten Seestädte, auch für die Nase bietet, vollständig würdigen können. Doch sind die Leute von Natur nicht unfreundlich oder ungastlich, aber sie sind zu sehr von ihren Geschäften in 7 Anspruch genommen, und das beständige Untertauchen, verbunden mit Entbehrungen aller Art, die der monatlange Aufenthalt auf der See mit sich bringt, giebt den Männern das Ansehen einer vollständigen Erschöpfung. Bis vor Kurzem noch hatte Bedaa' weder eine Moschee noch einen andern anerkannten Ort der öffentlichen Gottesverehrung, und wir müssen hoffen, dass jeder seine Andacht privatim verrichtet hat. Aber seit dem letzten Einbrüche der Negdäer und der Einsetzung Ahmed es-Sedejris in Berejmah, hat in einigen Theilen von Katar eine Wiederbelebung der Islam stattgefunden und zwei Moscheen schmücken jetzt die Stadt Bedaa'. Die eine ist gross, aber einfach und schmucklos, in acht wahhabitischem Style; sie steht nördlich von dem Kastell. Die andere, an dem entgegengesetzten Ende der Stadt gelegen, ist kleiner, aber bei weitem hübscher, und hat einen offenen Säulengang mit gewölbten Bogen, in halb persischen Stile. Mohammed-ebn-Thäni, ich weiss nicht ob aus politischen Motiven oder aus Ueberzeugung — vielleicht einer Mischung von beiden — ist sehr fromm und versieht oft in eigener Person den Dienst des Imäm in der grösseren Moschee, da es in der Stadt, wo nur wenige der Minerva opfern, an einer anderen geeigneten Persönlichkeit fehlt. Die kleinere „Mesgid" ist für den Gebrauch seines ältesten Sohnes und Erben Käsim bestimmt, der lebhafter als sein Vater, aber ein eben so grosser Knauser ist. Seine Burg oder Residenz, ein weisses viereckiges Gebäude mit kleinen Zimmern und spitzen, beinahe gothischen Fenstern, liegt am südlichen Ende der Stadt; unterhalb derselben ragen niedrige Felsen in die Bucht hinaus. Wir waren bald müde, den schlechten Kaffee hier zu trinken, denn das edle Gewächs von Jemen ist hier durch das Produkt Indiens verdrängt, welches denen, welche an wirklichem Mokkha gewöhnt sind, nicht munden kann, und wurden der langweiligen Reden in Ebn-Thäni's Diwan und der schlechten Luft an der schlammigen Küste sehr bald überdrüssig. Wir beschlossen daher, zur Abwechselung einige Ausflüge in die Umgegend zu machen. Zuerst besuchten wir Dowhah, ein Dorf nördlich von Bedaa', und etwa halb so gross als dieses. Es liegt, wie der Name besagt, an einer kleinen und tiefen Bucht, welcher sechzig bis achtzig Fuss hohe Felsen im Hintergrunde ein ziemlich malerisches Ansehen geben. Die Häuser in Dowhah aber sind noch kleiner und schlechter als in Bedaa', und der Marktplatz noch enger und schmutziger. Zwei Kastelle überragen den Platz; das eine liegt auf einem nahen Felsen, das andere innerhalb der Stadt selbst; der ^38 Häuptling des Orts ist ein Untereinnehmer Ebn-Thänf's. Mein nächster Ausflug ging nach Wokrah, einer Stadt, die eben so gross ist als Bedaa', aber auf einem höhern Ufer liegt und sich ungleich freundlicher ausnimmt. Der junge Häuptling, auch Mohammed mit Namen, aber nicht von der Familie Ebn-Thäni, war ein aufgeweckter und höflicher Mann und ungleich gastfreundlicher als sein Namensvetter in Bedaa'. Wokrah ist hinsichtlich seiner Verwaltung von keiner andern Stadt abhängig. Unter dem Schutze seines Häuptlings haben sich hier mehrere kleine Krämer und Handwerker aus Bahrejn niedergelassen. Die Stadt hat im Ganzen ein wohlhabendes Ansehen. Der Weg von Bedaa' hieher ist uneben und kahl und führt dicht an der Küste hin; die Entfernung zwischen beiden Städten II. 12 beträgt etwa zehn englische Meilen. Ich machte die Reise auf einem gemietheten Esel; diese Thiere sind in Katar die gewöhnlichen Reit-thiere für kürzere Entfernungen. Mein Thier hatte einen zum Seitwärtssitzen eingerichteten Sattel und ich mochte mich in meinem arabischen Hemde ziemlich wie eine reitende Dame ausnehmen. Die Wege hier an der Küste sind so sicher und so belebt, dass ich 'nicht daran dachte, eine Begleitung mitzunehmen. Aber mein Reisegefährte, Ebn-Khamfs, dem es mehr um Profit als um Vergnügen zu thun war, meinte, dass einige Körbe Datteln dem ältesten Sohne des Häuptlings, Käsim, angenehm sein könnten, und wollte durchaus sein Glück mit diesem Herrn versuchen ich mochte dagegen einwenden, was ich wollte. Käsim war gerade auf einer Jagdpartie, zwölf bis vierzehn Meilen weiter südwestlich von Bedaa', abwesend. Wir verschafften uns Dromedare und ritten über wüstes Hochland und kiesigen Grund. Wir begegneten mehreren Gesellschaften von Frauen, welche aus entfernten Brunnen Wasser holten und Heerden von Schafen oder Ziegen, man weiss nicht recht wofür man sie halten soll, die von zahlreichen Hirten begleitet waren; hie und da trafen wir einen Wanderer mit seiner Lanze auf der Schulter, zum Schutz gegen die Beduinen an der Grenze. Kein Baum war zu sehen, nur niedriges Gras; dazu wehete ein kalter, scharfer Nordwind. Endlich kamen wir an Ort und Stelle. In einem ziemlich grasreichen Thale, zwischen wellenförmigen Hügeln am Rande der Wüste, 329 lagerte der junge Häuptling mit seinem Gefolge in Zelten und lauerte auf Rebhühner und Wachteln, von denen er bis jetzt erst wenige gefangen hatte; da er zugleich auch auf Hasen, oder vielmehr ein Mittelding zwischen Hasen und Kaninchen, von welcher Art Thieren das arabische Festland wimmelt, Jagd machen wollte, führte Käsim etwa zwanzig Reiter, Falkner, ein halbes Dutzend hübscher Falken und zwei Paar Jagdhunde (hier Seläki genannt) bei sich; eine vollständige Jagdpartie, nur dass nicht eine einzige Vogelflinte dabei war. Wir blieben einen halben Tag bei der Gesellschaft seiner Hoheit und genossen eine Art arabisches Piknik, welches durch die Jagd mit den Falken Abwechselung erhielt. Eine genaue Beschreibung dieser Art zu jagen im Orient findet man in Layards bekannten und trefflichen Werke über Nineveh. Hier traf ich zwei Beduinen, einen Menäsir und einen Morrah, welche die ganze grosse Wüste zwischen hier und Jemen durchschnitten hatten und daher selbst von ihren Landsleuten mit grossen Augen angesehen wurden. Nach ihrer Aussage waren sie ganz gegen ihre Absicht dazu gekommen, dieses Wagestück auszuführen. Sie wollten in Geschäften nach dem Akhäf gehen, eine niedrige Bergkette von Kalksteinbergen mit grasreichen Thälern, welche die Stelle einnimmt, wo auf manchen Karten „Wadi Gebrin" angegeben ist, südlich von Jemämah. Sie hatten aber ihren Weg zu weit südlich genommen, das Akhäf verfehlt und waren von einem Sandrücken zum andern, von einem Thale in das andere gewandert, glücklich, hie und da eine Quelle mit schlechtem Wasser zu finden, womit sie ihre Schläuche füllen konnten, oder einige Zwergpalmen, um sich mit einigen kaum geniessbaren Datteln zu versorgen, bis sie nach zwei Monaten, ihrer Rechnung nach, immer gerade nach Südwest -wandernd, Maa'reb an der Grenze von Jemen erreichten. Auf der Rückkehr wählten sie den sicherern aber längern Weg durch die etwas besser bevölkerten Gegenden von Hadramaut und von da an der Seeküste hinauf nach 'Oman. Ich befragte sie über den langen Küstenstreifen, welcher oft „Mahra" genannt wird, und dessen Bewohner. Sie sagten mir, dass der grössere Theil derselben weder in Städten noch in Dörfern wohne, sondern in blossen Hütten von Schlamm und Palmblättern, und zu dunkelfarbigen Stämmen gehöre, deren Sprache Abyssinisch sei. Dieses sind, wie ich glaube, die Himjariteii, dieselben, über welche man so viele gelehrte Forschungen angestellt hat und die in der That eine alte abyssinische Kolonie zu sein scheinen, welche lange vor Elisbaan dem Nagäschi im sechsten Jahrhundert hieher kam, die aber bis auf den heutigen Tag die alte Form ihrer Muttersprache bewahrt hat, eben so wie die alte türkische Ansiedelung zwischen Bagdad und Kerkuk noch den ursprünglichen türkischen Dialekt spricht, der anderwärts, wie z. B. in Anatolien und Constantinopel verweichlicht und mit fremden Elementen versetzt ist. Ich hätte diesen himjaritischen Distrikt gern besucht, es war mir aber nicht möglich, und ich bin nirgends mit wirklichen Bewohnern desselben zusammengetroffen. Was ich jedocli später in 'Oman darüber hörte, bestätigte die Aussage 'der beiden Beduinen. Araber dieser Klasse, obwohl nicht geübt, Folgerungen zu ziehen, sind vortreffliche Beobachter der Menschen und Sitten, und ich sehe keinen Grund, an ihren Worten zu zweifeln, wo es sich, wie hier, um blosse äusserliche Dinge handelt. Die Tradition (ich will nicht sagen Geschichte) macht in der That Himjar, den vermeintlichen Stammvater dieser Rasse, zu einem Enkel Kahtäns und Jüngern Bruder des berühmten Jemenischen Königs Saba. Wo aber eine so offenbare Verschiedenheit sowohl des äussern Ansehens als der Sprache deutlich vorliegt, mag man mich entschuldigen, wenn ich die Richtigkeit des Stammbaums in Zweifel ziehe, wenn auch der Mangel ursprünglicher Blutsverwandtschaft einigermassen durch Heirathen beider Rassen untereinander ersetzt worden sein mag. Einer solchen Verwandtschaft und dem Einflüsse, welcher der verhältnissmässig mehr organisirende Geist der Abyssinier auf die unstäten Araber ausübte, können wir vielleicht die weite Verbreitung des himjaritischen Namens und der himjaritischen Sprache im Süden Arabiens zuschreiben, und selbst deren theilweise Einführung in der nördlichen und syrischen Wüste unter der jemanischen Dynastie von Ghassän. Man muss bemerken, dass bis auf den heutigen Tag die Araber mit keiner andern Rasse so leicht eheliche Verbindungen eingehen, als mit der abyssinischen. Die arabischen Geschichtschreiber, mit denen auch die neuere Forschung übereinstimmt, weisen der himjaritischen Dynastie eine wichtige Stelle in der Geschichte des südlichen Arabien zu, und die Forschungen Welsteds und anderer in Hadramaut lassen keinen Zweifel über den himjaritischen Charakter dieser Provinz. Dass man durch einen erdichteten Stammbaum versuchte, den Ursprung der Eroberer, wenigstens der Häuptlinge, mit dem der unterworfenen Rasse zu vermischen, ist kein Wunder; wir haben bereits ein Beispiel dieser Art gesehen, in dem Versuche, den nord-arabischen Stamm, dessen Typus Ismael ist, von dem Blute Kahtäns abzuleiten; und eben so mag die jeraanische Eitelkeit gesucht haben, sich mit einer imaginären Amalgamation der Herrscher mit den Unterworfenen über die Unterwerfung unter eine fremde Herrschaft zu trösten. Ueberdies waren die Araber des Südens, oder Jemens, selbst höchstwahrscheinlich afrikanischen Ursprungs, obwohl von einer ungleich altern Einwanderung, und Familienverbindungen mögen oder müssen später zu einer theilweisen Verwandtschaft geführt haben, der Grundlage jener universellen Identität, welche die mohammedanischen Chronisten vor allem gern einführen möchten. So kann Himjar — wenn eine solche Person jemals existirte — um seine Herrschaft fester zu gründen, die Tochter eines jemanischen „Kejl" oder Königs zur Frau genommen haben, und wenn nicht er selbst, so doch einer von seinen Nachkommen. Den sie umgebenden Arabern in der Kunst zu regieren und eine Macht fest zu begründen, eben so überlegen wie in der Baukunst und wenigstens einiger diese begleitenden Künste, wurden die Himjariten zuletzt Herren eines grossen Theiles der Halbinsel und gründeten ein Reich, das eben so merkwürdig ist wegen seiner Ausdehnung, als s*eines verhältnissmässig langen Bestehens. Einen analogen Versuch, Süd-Arabierf zu erobern, machten später, im sechsten Jahrhundert, die Aethiopier unter Abrahah mit vollständigem Erfolge, und das kahtänische Oberhaupt, Sejf-Jezen, war nicht im Stande, das fremde Joch ohne persische Unterstützung abzuschütteln. Dass arabische Geschichtschreiber ein Vergnügen daran fanden, einen ihres Blutes als Sieger darzustellen um den Fremden nicht als mächtiger und civilisirter anzuerkennen, ist sehr natürlich. Eben so überreden sich heute noch die Perser selbst, dass Alexander der Grosse ein Sohn desselben Darius war, den er bei Arbela schlug, der als Kind seiner Amme gestohlen wurde und mit den Waffen in der Hand zurückkehrte, um seine Ansprüche geltend zu machen. Auf diese Weise wurden die Perser wenigstens nur von Persern besiegt. Von ähnlichen Schwächen sind auch westliche Geschichtschreiber nicht ganz frei. Genug von den Himjariten, oder den „Rothen", mögen sie sein 242 wer sie wollen. Sie sind jedoch nicht die einzigen Bewohner der südöstlichen Küste, die auch (wie man sagt) eine ganz schwarze Bevölkerung aus Zangibar und dessen Nachbarländern hat, namentlich in der Nähe der Insel Massora und des Räs-el-Hadd. Wie aber diese Neger hieher gekommen und welche Rolle sie in dem allgemeinen Drama des Landes spielen, will ich später erklären. Der Menäsir, von dem ich diese Nachrichten erhielt, der durch den glücklichen Ausgang seines Abenteuers kühn geworden war, machte mir den Vorschlag, in seiner Gesellschaft einen Ausflug durch die grosse Wüste zu wagen und mit ihm Dofär und Hadramaut zu besuchen. Jusef-ebn-Khamis lieferte seine Geschenke ab und erhielt dagegen schöne Worte, aber weiter nichts. Käsim erschien mir selbst noch weniger liebenswürdig als sein Vater; engherzig und weniger unterrichtet als der alte Mann, war er zugleich anmassender und stolzer. Er ahmt den Negdäern in Kleidung und Manier nach, hegt aber im Herzen weit mehr Verehrung für die diva pecunia, als für die Vorschriften des Koran. Am nächsten Morgen verabschiedeten wir uns bei Käsim und kehrten auf demselben Wege wieder, zurück, den wir gekommen waren, um mit Ebn-Thänf Fisch zu essen und schlechten Kaffee zu trinken. Wir warteten noch einige Tage, in der Hoffnung auf günstigen Wind, der uns gerade durch den Golf nach 'Oman bringen sollte. Der Landweg an der Küste hätte mindestens vierzehn Tage erfordert, und was man in Katar von der Raublust der Benu-Jass, ihrer Treulosigkeit und anderen schlechten Eigenschaften erzählte, ermuthigte uns eben nicht, ihre Gastfreundschaft zu versuchen. Ausserdem wurde uns von allen Seiten versichert, dass der Weg selbst noch öder und einförmiger sei, als in Katar selbst, und gar nichts biete, was unsere Mühe lohnen könne. Der Sand der Dahnä reicht bis an den Rand des Meeres, wie meine Leser bei einem Blicke auf die Karte sehen 243 können. Wir hielten es daher für besser, auf dem gradesten Wege zur See nach Schargah zu gehen, der ersten bedeutenden Stadt innerhalb des Gebietes des eigentlichen 'Oman, und ein junger Schiffs-capitän aus Tscharrak, an der gegenüberliegenden persischen Küste, bot uns dazu sein Schiff und seine Dienste an. Aber hier standen uns grössere Umwege bevor, auf die wir nicht gerechnet hatten. „Der Reisende kann seine Abreise bestimmen, aber nicht seine Rückkehr", sagt das arabische Sprüchwort, das in gewissem Grade überall wahr ist, am meisten aber im Orient. Unser Kapitän war bald bereit abzusegeln und seine Leute waren an Bord. Wir machten uns zur Reise fertig und am 6. Februar, als ein freundlicher Abend einen schönen Morgen versprach, und ein leichter Westwind uns gute und schnelle Ueberfahrt nach Schargah zu verbürgen schien, nahmen wir Abschied von Mohammed-ebn-Thäni und einigen anderen Freunden, die wir in Bedaa' erworben, und vertrauten uns einem kleinen Boote an, mit welchem uns Färis, so hiess unser Kapitän, dessen jüngerer Bruder Ahmed, nebst zwei seiner Leute nach dem Schiffe abholten. Wir ruderten nun über dieselbe Fläche, wo ich einige Tage früher durch den Sand gewatet war; damals aber war Ebbe, jetzt hingegen aber volle Fluth bei zehn bis zwölf Fuss Tiefe. Ebbe und Fluth wechseln in diesem Gewässer nur Einmal in drei und zwanzig Stunden, bei Bahrejn und an der Küste von Persien und 'Oman in elf Stunden. Die eigenthümliche Lage von Katar und dem Gebiete der Benu-Jass an einer tiefen Bucht wird meinen wissenschaftlichen Lesern dieses meteorologische Phänomen erklären; die Araber begnügen sich, es zu bemerken und sich darüber zu wundern. Nach etwa einer Viertelstunde gelangten wir an das Schiff. Es war gross und gut gebaut, hatte eine hübsche Kajüte für den Kapitän, eine Vor-Kajüte, und war in jeder Beziehung unvergleichlich besser, als das elende Fahrzeug, in welchem wir Bahrejn verlassen hatten. Die Mannschaft an Bord, sämmtlich untereinander Vettern bis zum 244 siebenten Grade und Verwandte des Kapitäns, empfing uns sehr herzlich. Es ist Sitte auf den meisten Schiffen des Golfs, dass Passagiere, gleichviel ob niedrig oder gering, während der Reise als Gäste des Kapitäns betrachtet werden, und als solche haben sie ein Recht an dessen Tafel und Kost, ohne dafür besonders zu bezahlen. Meine Leser werden schon bemerkt haben , dass im Orient sowohl zwischen den Reisenden untereinander, zu Lande wie zur See, als auch zwischen diesen und ihren Führern ein sehr Vertrauliches Verhältniss stattfindet, da sich während der Reise alle wie Glieder einer Familie betrachten. Auf der Reise geschlossene Freundschaftsbande werden auch nicht durch die Trennung am Ende der Reise sogleich zerrissen; die Ansprüche auf besondere Freundschaft und Kameradschaft erhalten sich oft jahrelang und werden bei Gelegenheit oder in Noth von einer oder der andern Seite geltend gemacht. Jusef und ich hielten es unter unserer Würde, etwas anzunehmen, ohne etwas dagegen zu geben, und hatten uns in Bahrejn mit dem besten Kaffee versorgt, der für Geld und gute Worte zu haben war und mit dem wir jetzt den Reis, Fisch und Fadennudeln (hier ein sehr gewöhnliches Gericht) unseres Wirthes an Bord bezahlten. Ehe ich jedoch meinen Leser nach Barr-Färis und zu dessen Bewohnern führe, muss ich versuchen von diesem Lande und seinen Leuten eine allgemeine Vorstellung zu geben. Von Ras Nabend westlich bis nach Ras Bostanah östlich (beide Orte liegen an der nördlichen Seite des persischen Meerbusens) zieht sich ein nicht unfruchtbarer Küstenstrich hin, der von einer Seite vom Meer, von der andern von hohen Bergen begrenzt ist. Arabischer Unternehmungsgeist und arabische Tapferkeit haben diesen Streifen Landes seit mehrerenMenschenaltern der Herrschaft von Teheran und deren Stellvertretung in Schiräz entrissen. Eine Kolonie arabischer Häuptlinge nebst ihrem Gefolge, meist Eingebornen des östlichen Neged, hat sich hier angesiedelt und die ursprüngliche Bevölkerung theils mit dem Schwerte unterworfen, oder sich durch Heirathen mit derselben verschmolzen. Auf diese Weise bildete sich eine Art Conföderation zu gegenseitigem Schutze gegen die Ansprüche des Statthalters von Schiräz, dessen Macht (d. h. auf dem Papiere) sich über Barr-Färis 245 und die Dörfer dieser Küste erstreckt. Aber, obwohl einig gegen den Perser, sind die Bewohner nur zu oft unter sich selbst uneinig und in Fehden, denen persische Grausamkeit, die so zu sagen in der Luft dieses Landes liegt, einen schlimmem Charakter giebt, als das arabische Räuberwesen anderwärts hat. Bei dem Emporkommen des ersten Wahhabitenreichs begrüssten die Häuptlinge von Barr-Färis, ihres Ursprungs eingedenk, das Morgenroth der negdäischen Oberhoheit, in der sie einen mächtigen Verbündeten gegen schiitische Angriffe zu finden hofften, und nahmen, um sich der wahhabitischen Hülfe zu versichern, die eigenthümlichen Lehren des neuen oder regenerirten Islam an, mit dessen ganzer Bigoterie und wilden Intoleranz. Bis auf den beutigen Tag haben sie viele acht wahhabitische Dogmen und Gefühle behalten, um ihren persischen Feinden die Spitze zu bieten, obwohl die Zeit in mancher Beziehung ihren Fanatismus gemildert hat. Die Häuptlinge von Barr-Färis rühmen sich der Abkunft von dem grossen Stamme Metejr, den wir schon in dem obern Neged kennen lernten; einige führen ihren Stammbaum sogar bis auf die Benu-Khälid, die früheren Herren von Hasa hinauf. Wenn Spaltung, Eifersucht, Raubsucht und Rachgier authentische Bürgen eines beduinischen Ursprungs sind, so sind sie mit diesen Creditiven gut versehen. Auch die den Nomaden eigentümliche Unbeständigkeit fehlt nicht, selbst nach einer langjährigen festen Niederlassung; sie haben noch den Fluch der Unbeständigkeit, welche die Beduinen, wie zahlreich und von den Umständen begünstigt sie immer sein mögen, immer gehindert hat und immer hindern wird, die Segnungen des Friedens zu geniessen, oder von den Erfolgen des Krieges Nutzen zu ziehen. So die Häuptlinge. Die Unterthanen in Barr-Färis sind ein Gemisch von Persern und Arabern in allen nur denkbaren Abstufungen. Ihre Kleidung ist jedoch fast ganz persich und eben so, in den meisten Beziehungen, ihr häusliches Leben. An die Stelle der offenen und unbeschränkten Gastlichkeit Arabiens tritt an der Küste eine gewisse Kühle und Zurückhaltung ein; die Unterhaltung mit dem fremden Gaste bewegt sich oft in den Grenzen der Förmlichkeit, und leicht überschleicht einen hier ein Gefühl von Einsamkeit, das dem Mitbewohner eines arabischen Dorfes unbekannt ist. Der allgemeine Zustand des Landes ist keineswegs gedeihlich zu nennen. Häufige Angriffe von Persien auf der Landseite, innere Uneinigkeit, verbunden 2« mit verderblicher Engherzigkeit und religiöser Bigoterie, haben den Handel, die einzige Quelle des Wohlstandes an dieser Küste, ruinirt. Perlenmuscheln giebt es nicht in den tiefen Gewässern an dieser Küste, und selbst Fische sind weniger in Menge vorhanden, als an der südlichen oder arabischen Seite, während Ackerbau auf einem ziemlich mageren und steinigen Boden, mit wenig Wasser zur Hand, kaum das Bedürfniss befriedigt. Barr-Färis wendete daher in früherer Zeit seine ganze Kraft dem Handel zu, wozu die trefflichen Häfen an der Küste und seine wichtigen Verbindungen zu Lande und zur See ausserordentlich günstig waren. Die Bevölkerung bestand hauptsächlich aus Seefahrern und Kaufleuten und an der ganzen Küste von Bosra bis Mascat gab es keine unternehmendere und geschätztere Schiffer, als die Bewohner von Barr-Färis. Auch noch jetzt ist ihnen etwas von ihrem frühern Rufe als geschickte und tätige Seeleute geblieben; aber ich habe bereits gesagt, dass der Mohammedanismus, wie jeder Despotismus, dem freien Elemente entgegen ist, und die Zahl der Schiffe, wie der Unternehmungsgeist der Schiffer ist in neuerer Zeit sehr gesunken. An keiner unpassendem Stelle konnte der Wahha-bäismus Wurzel schlagen, und nirgends sind seine traurigen Folgen deuticher. — Aber es ist Zeit, zu unserer Reise zurückzukehren. Wir fuhren jetzt mit vollen Segeln, aber der Wind schlug nach Süden um und war der Richtung, welche wir verfolgten, einigermassen hinderlich, während eine drückende Hitze einen bevorstehenden Sturm fürchten liess. Am Nachmittag umwölkte sich der Himmel und der Wind steigerte sich zu ziemlich heftigem Sturme, als wir gegen Abend die Insel Halül erblickten, die wir noch vor Sonnenuntergang erreichten. Diese ist eine einzige Felsenmasse von anscheinend vulkanischem Ursprünge und steigt steil aus dem Meere auf; sie besitzt in ihren Schluchten eine gute, aber nur eine einzige Quelle mit süssem Wasser, und dieser verdankt die Insel deu häufigen Besuch, welchen sie während der Zeit der Perlenfischerei von Fischern aus Katar erhält. Auf den schwarzen Felsenriffen findet jedoch nur sehr wenig Gras Wurzeln, und die Insel ist ganz unbewohnt. Halül, wie meine Leser auf der Karte sehen können, ist eine von den zahlreichen Inseln in dieser Bucht, deren Anzahl, wie mir ein Schiffskapitän sagte, der sie alle besucht haben wollte, sich auf sechsunddreissig belaufen soll. Die meisten derselben sind jedoch blosse Riffe, ohne Wasser und Vegetation; nur fünf oder sechs können Inseln genannt werden und haben so viel Vegetation, dass die Perlenfischer, wenn sie an den- 247 selben ankern, um Wasser einzunehmen oder eine magere Ziege ein-zufangen, nicht ganz verschmachten. Die Sonne ging jetzt hinter grossen Nebelmassen unter und ein heftiger Sturm aus Süd-Ost hielt die ganze Nacht an. Wir trieben vor ihm hin, und als der Morgen graute, waren wir weit von unserer Richtung nach Schargah abgekommen und befanden uns in den tiefen Gewässern welche unter dem Namen „Ghubbat-Färis" oder die „Persische Tiefe" bekannt sind, und ohne Aussicht, nach Katar zurückkehren oder 'Oman erreichen zu können, kamen wir schnell der nördlichen Küste immer näher. Unser Kapitän versuchte alles Mögliche, um das Schiff wieder herumzubringen, aber Alles vergeblich, so dass er sich endlich genöthigt sah, gerade nach Barr-Färis zu steuern. Gegen Mittag zeigte uns ein weisser Schimmer zur Linken die niedrige und sandige Insel Ge's an, wo bahrejnischer Unternehmungsgeist eine Ansiedelung gegründet hat, die blühend ist, weil frei. Vor uns erhoben sich nun die grossen abgerundeten Umrisse des Gebel Atrangah oder Citronengebirges, welches die Bucht von Tscharrak überragt, und bald hatten wir die ganze Linie der persischen Küste in Sicht. Diese sticht sehr gegen die arabische ab. Ihre Gebirge sind hoch, oft an zweitausend Fuss, schroff, doch weniger kahl als an der arabischen Seite. An manchen Stellen reichen die Felsen bis an die Küste herab; an anderen streckt sich zwei bis drei Meilen weit landeinwärts ein Küstenstreifen, der sich endlich in den Schluchten des Gebirges verliert und im Winter von heftigen Sturzbächen durchfurcht aber von keinem wirklichen Strome bewässert wird. Ein breiter und malerischer Pass führt etwas östlich, hinter Tscharrak, nach Schiräz; auf diesem Wege sind die persischen Heere oft nach Barr-Färis herabgekommen. An den Seiten des Gebirges wachsen Feigen-, Orangen-, Limonen- und andere Bäume, jedoch keine dichte Waldung. Hier und da sieht man Streifen von Feldern; in der Ebene unten sind Palmenanpflanzungen, die aber wenig tragen, und gerade so viel andere Cultur, um die Einwohner vor Hungersnoth zu schützen. Tscharrak selbst war einst eine ziemlich bedeutende Stadt, wie man an der grossen Ausdehnung der verfallenen Mauern sehen kann, ist aber jetzt zu einem Dorfe von etwa zweitausend Einwohnern gesunken. Es liegt im Hintergrunde einer halbkreisförmigen Bucht, durch hinausragende Vorgebirge geschützt. Die Bucht ist eine Auszackung einer bei weitem grossem^ deren westliches Horn bei Tschiro, das 248 östliche. Ende Ras Bostanah ist; die Hauptansicht derselben ist zwischen Süden und Südost. Die Stadt, denn so nennen die Einwohner es noch immer, besteht aus kleinen, aber netten weiss angestrichenen Häusern; die hübsche kleine Moschee, in persischem Styl, wurde zur Zeit der ersten wahhabitischen Dynastie erbaut. In einiger Entfernung weiter landeinwärts erhebt sich ein fester Thurm, auf einem kleinen isolirten Hügel; hier lag in früherer besserer Zeit eine Beludschische Garnison. Die Beludschen sind die Schweizer dieser Regionen; von ihnen aber unten mehr. Mit vollen Segeln kamen wir etwa zwei Stunden vor Sonnenuntergang in den Hafen und landeten ohne Schwierigkeit an dem reinlichen, abschüssigen Ufer. Unser Kapitän, der in der Stadt sein Haus und seine Familie hatte, lud uns ein am Ufer wie an Bord seine Gäste zu sein. Die Sitte in Tscharrak aber, wo die Traditionen arabischer Gastlichkeit durch persische Knickerei gemässigt und mit wahhabitischer Steifheit gemischt ist, erlaubt nicht, den Fremden unmittelbar unter das Dach der Familie einzuführen. Färis liess daher ein kleines, an die Moschee stossendes Gemach, welches für Reisende, wie wir, bestimmt war, ausfegen und mit Matten belegen; dann brachte er uns Kissen und Kaffee und schickte uns endlich durch seine jüngeren Brüder eine gute mit persischer Kochkunst bereitete Mahlzeit. Der Tabak ist in Barr-Färis ebenso streng verboten, wie in Neged selbst, und wir mussten daher verborgene Winkel aufsuchen, um unsere Pfeife zu rauchen. Aus der Stadt kam Niemand, um uns zu besuchen, als wir aber an der Thüre der Moschee sassen, zogen wir viele neugierige Blicke auf uns und Jusef, wie ich, machte manche Bemerkungen über den Unterschied zwischen Ländern und Leuten. Am nächsten Morgen war der Wind noch immer ungünstig, so dass wir nicht absegeln konnten. Um uns die Zeit zu vertreiben, machte Färis einen Höflichkeitsbesuch mit uns bei dem lokalen Häuptling, 'Abd-el-'Aziz-el-Metejri. Wir gingen durch einen Theil der Stadt, bis wir an einen grossen Rasenplatz gelangten, wo einige hohe Bäume, ich weiss nicht von welcher Species (ihr Wuchs glich denen am Ufer, sie hatten aber anderes Laub), den die Audienz erwartenden Besuchern einen angenehmen Schatten gewährt. Hier stand das Schloss des Häuptlings 'Abd-el-'Aziz, ein kleines, aber festes Gebäude, mit einem viereckigen Hofe und einem hohen gothischen Portale. Am Thore trafen wir mehrere spitze Filzmützen und acht per- 249 sische Anzüge aus dem innern Lande; die Träger derselben waren eine aus Schiräz hieher geschickte Deputation, die, wie in früheren Tagen, den üblichen Tribut oder Huldigungsgeschenk für den Statthalter der Provinz und den Schah, seinen Herrn, in Empfang nehmen sollten. Wie wir später hörten, hatten sie jedoch schlechte Geschäfte gemacht, denn 'Abd-el-'Aziz, ein strenger Wahhabit, und dem Perser so wenig gehorsam wie nur immer ein Negdäer sein kann, hatte standhaft verweigert, den „Feinden Gottes" einen Theil von den Gütern des Landes zukommen zu lassen. Wir wurden sehr bald angenommen. In einem Divan, nahe dem Portal, dem Schwerter, Speere und Flinten ein sehr kriegerisches Ansehen gaben, fanden wir den Häuptling, einen jungen und auffallend schönen Mann, der nach der Etikette von Riad gekleidet war. Er rühmt sich der geraden Abkunft von den Benu-Temim und Täbikah, obwohl, wie Ebn-Khamis nns zuflüsterte, er nicht mehr Anspruch darauf hat, wie wir selbst. Mögen aber seine Vorfahren sein wer sie wollen, 'Abd-el-'Aziz glühte von kriegerischem Eifer und war im höchsten Grade aufgeregt über die neuesten guten Nachrichten aus 'Onejzah. Zum ersten Male seit unserer Abreise aus Riad erfuhren wir hier wieder etwas über das Schicksal dieser unglücklichen Stadt. Ich will hier mittheilen, was uns 'Abd-el-'Aziz erzählte. Als das Contingent von Hasa mit der Artillerie in Riad anlangte, wollte sich 'Abd-Allah, der Sohn Fejsals, sogleich an die Spitze stellen und nach 'Onejzah aufbrechen. Aber der alte schlaue Fuchs, sein Vater, bewog den ungeduldigen Prinzen noch zu warten bis 'Obejd von Gebel Schomer ankam. Teläl war allerdings aufgefordert worden, in eigener Person zu erscheinen und seine Stelle unter den Negedäischen Führern einzunehmen; er hielt jedoch für besser, keine Folge zu leisten, da er sich wohl sagen konnte, tua res agitur paries cum proximus ardet. 'Obejd hingegen, froh eine Gelegenheit zuhaben, seine Nebenmenschen im Namen ihres Schöpfers hinschlachten zu können, raffte sogleich Leute und Munition zusammen, so viel er konnte, und kam etwa Mitte December nach Kasim herab. Fejsal gab nun das Signal, 'Abd-Allah brach auf und führte die ganze Macht 250 von Hasa, nebst den Truppen aus 'Aared und was sonst aus den centralen und südlichen Provinzen noch übrig war, mit sich, ein Heer von beinahe fünfzehntausend Mann, welches mit der bereits im Felde befindlichen Belagerungsarmee auf mindestens 23,000 bis 24,000 reguläre Truppen steigen konnte, ausser 4000 bis 5000 Beduinen, die nach langem Schwanken zuletzt doch für das Beste hielten, sich auf die Seite des wahrscheinlichen Siegers zu stellen. 'Onejzah war so auf sich allein angewiesen, ohne alle Hülfe, und konnte höchstens vier Tausend Kämpfer stellen. Nach vielen Scharmützeln kam es im Januar zu einem entscheidenden Treffen. Zämil und El-Khej'jät sollen Wunder von Tapferkeit verrichtet haben und 'Abd-Allah wäre beinahe eingeschlossen und ge-tödtet worden; Schade, dass es nicht so gekommen ist. Wo aber die Kämpfenden sich in einem Verhältniss von Fünf zu Eins gegenüberstehen, ist selbst eine gewonnene Schlacht für die kleinere Partei kaum besser als eine Niederlage; und die Männer von 'Onejzah, von der Ueberlegenheit des Feindes vollkommen überzeugt, und wohl wissend, dass jeder Mann, den sie verloren, für sie ein unersetzlicher Verlust sei, zogen sich hinter ihre Mauern zurück, wo sie vollständig eingeschlossen wurden. So stand die Sache jetzt, als uns 'Abd-el-'Aziz seine letzten Nachrichten mittheilte. Das Folgende erfuhr ich im April, als ich eben im Begriff war, die Grenzen Arabiens zu verlassen und nach Bagdad zu gehen. Nach einer engen Blokade von länger als einem Monat, fiel zuerst die äussere und dann die innere Mauer vor der wahhabitischen Artillerie, und die Stadt wurde mit Sturm genommen. Die Einwohner kämpften bis auf das Aeusserste; als keine Hoffnung mehr war, schlugen sich Zämil und Khej'jät durch die Belagerer durch und entkamen nach dem Wadi Negrän. Aber siebenhundert der vornehmsten Einwohner 'Onejzahs wurden auf der Stelle niedergemacht und es folgte ein allgemeines Blutbad; die unglückliche Stadt wurde geplündert und vollständig zu Grunde gerichtet, und so lange die Wahha- biten Herren im Lande sind, wird sie sich nie wieder erheben. Den wahhabitischen Heeren stand nun kein Hinderniss mehr entgegen, nach Mekka zu gelangen und es wurden Vorbereitungen getroffen, den grossen Traum negdäischen Ehrgeizes, die Herrschaft über die heilige Stadt, in Erfüllung zu bringen. Der lange gehegte Plan, der Ruhm und Fall des ersten 'Abd-Allah, kann, wie es scheint, von dem zweiten ausgeführt werden. Die Pforte hat es versäumt, den negedäischen Fanatikern durch rechtzeitige Unterstützung 'Onejzahs Einhalt zu thun, und dem Scherif bleibt jetzt nichts weiter übrig als, nach der gewöhnlichen Redensart, den Stall schliessen, nachdem das Pferd gestohlen ist, wenn nicht etwa Aegypten oder eine andere Macht dazwischen tritt, um die arabische Halbinsel von dem wahhabitischen Pesthauche zu befreien, der jetzt eben so über den Küsten des rothen Meeres wie des persischen Meerbusens schwebt. Wir tranken Kaffee und empfahlen uns dann wieder. Färis schlug nun vor, mit einer Höflichkeit und einem gewissen Gefühl von gutem Geschmack, wie man im Orient häufig findet, einen Spaziergang um die Stadt zu machen und uns die Sehenswürdigkeiten zu zeigen. Diese waren allerdings nicht gross; mein Cicerone jedoch zeigte mir die Trümmer der früheren Stadtmauern, die sich durch die Felder und zwischen Bäumen hinzogen, und führte mich dann an den Fuss eines kleinen aus Mergel bestehenden Berges, auf dessen Gipfel sich der runde schon oben erwähnte Thurm erhebt. Er steht dicht an den alten Festungswerken, die einen Halbkreis von etwa anderthalb englischen Meilen im Umfange bilden; mitten durch diesen Raum geht das Bett eines Baches, wo die Winterregen von den persischen Gebirgen herabschiessen, wie ein Pfeil durch einen gespannten Bogen. Feigenbäume, Orangen, Limonen und andere Obstbäume wachsen zwischen der Stadtmauer und den Häusern; ausserhalb der Mauern sind ziemlich dürftige Pflanzungen von Palmen, im Hintergrunde einige mit Bruchstücken von Felsen bestreute Felder, die sich bis an den Fuss des Berges hinaufziehen. Hie und da sieht, man einzelne Hütten; aber das Land ist dünn bevölkert und nur an der Küste liegen einige etwas grössere Dörfer. An Brunnen fehlt es in Tscharrak nicht, das Wasser aber ist bitter. Färis führte uns zwei bis drei Stunden herum und dann wieder nach Hause. Die noch übrigen Stunden des Tages vergingen mit Erkundigungen, wie wir unsere Reise fortsetzen könnten. Zwischen Barr-Färis und Schargah, wohin wir nun unsern Lauf richten wollten, besteht wenig Verkehr, und man gab uns daher den Rath, an Bord eines Schiffes aus Tschiro zu gehen, welches gerade vor Tscharrak im Hafen lag und nach Linga bestimmt war, oder Linja, wie man hier ausspricht, indem man das harte arabische g zuj verweicht; eine lokale schlechte Aussprache, nach welcher man auch Mesjid für Mesgid. 'Ajmän statt 'Agmän spricht. Linga liegt zwanzig, und einige Meilen östlich von Tscharrak, an derselben Küste, und waren wir erst dort, so konnten wir leicht nach Schargah übersetzen. Der Kapitän des Schiffes aus Tschiro, ein vom Wetter gebräunter Seemann besuchte uns noch an demselben Abend in unserer Wohnung an der Moschee und wir schlössen mit ihm den Handel ab. Am nächsten Morgen, den 10. Februar, badete ich in dem klaren Wasser der See, denn an der schlammigen Küste bei Katar hatte ich nicht gewagt zu schwimmen. Bei dieser Gelegenheit aber wäre ich beinahe von einem grossen Stechrochen aufgespiesst worden, den ich erst dicht an meiner Seite bemerkte, als eben noch Zeit war, ihm auszuweichen. In diesem Meerbusen wimmelt es von Polypen, Meernesseln, Mollusken und anderen Seeungeheuern, auch an Haifischen ist kein Mangel; wer daher am Ufer von Barr-Färis baden will, wird gut thun, bevor er in das Wasser geht, sich gehörig vorzusehen. Gegen Mittag gingen wir an Bord und das Schiff lichtete die Anker. In unserer Gesellschaft befanden sich einige sehr schweigsame Herren aus Tscharrak, die sehr gut gekleidet und scheinbar an Geld reicher waren als an Worten. Ich muss bemerken, dass die Bewohner dieser Küste im Allgemeinen sehr schwerfällig sind, wenig sprechen und wenig zu sprechen haben. Gegen Sonnenuntergang waren wir in der Nähe des Kap Bostanah, eines hübschen Vorgebirges, auf welchem nahe an der Landspitze zwei oder drei Dörfer liegen; fern im Süden sahen wir wie im Nebel die Umrisse der Insel Farür, eben so wie Halül, ein Felsenriff von vulkanischem Ursprünge. Mit einbrechender Dunkelheit segelten wir um das Kap Bostanah herum. Die See leuchtete hell von phosphorischem Lichte und jede kleine Welle strahlte; grosse glänzende Massen, Mollusken, von irgend einer leuchtenden Species, schwammen wie Kugeln von glühendem Eisen in einer geringen Tiefe unter der Oberfläche des Wassers. Ich war boshaft genug, einen unserer wahhabitischen Reisegefährten zu fragen, woher wohl dieser Feuerschein kommen möge, und erfuhr, dass dies nichts anders sei, als der Abglanz der Hölle, die unmittelbar unter dem Golf liegt. Ich fragte weiter, ob denn die höllischen Regionen 253 ein durchsichtiges Gewölbe hätten, möglicherweise von Steinglas, weil doch ohne ein solches das Wasser herunterfallen und das Feuer auslöschen könnte. Ich erhielt aber zur Antwort, dass die göttliche Allmacht dieses verhindere und es so Gottes Wille sei, weshalb man nicht weiter darnach fragen dürfe. Eine zweite Bemerkung von meiner Seite, über den geringen Grad von Hitze, den das ewige Feuer entwickele, welches die oben befindliche See fast gar nicht zu erwärmen scheine, wurde mit derselben compendiösen Antwort zum Schweigen gebracht, dass diese Erscheinung ebenso das reine Resultat des gött-lichens Willens sei, nicht eines Mangels von Wärmestoff des höllischen Feuers. Ich hielt nun für das Klügste, die Sache auf sich beruhen zu lassen, möchte aber wünschen, dass diejenigen, welchen es ein Vergnügen macht, die hohen theologischen Begriffe und geistigen Fähigkeiten der Mohammedaner zu preisen, einige Monate unter den Wahhabiten von Barr-Färis oder dem Neged zubringen möchten; genauere Bekanntschaft würde ihre Ansichten ziemlich herabstimmen. Gegen Mitternacht waren wir in der Bucht von Linga, wo zahllose Lichter am Ufer die Dunkelheit erhellten, so dass ich das Grauen des Tages erst spät bemerken konnte. Als es Tag wurde, sah ich, dass wir etwa zweihundert Yards vom Lande Anker geworfen hatten. Zwischen diesem und uns lag eine Masse von Schiffen, grossen und kleinen, und weithin zu beiden Seiten des Hafens zog sich zwischen Gärten und Bäumen eine Reihe weisser Häuser hin. Linga steht gegenwältig unter der Herrschaft von 'Oman — ein glücklicher Umstand und die Quelle seines ausserordentlichen Wohlstandes. Unter derselben Herrschaft steht die ganze persische Küste von Ras-Bostanah bis an die Grenze von Gask. Wie dieses zu Stande gebracht wurde, unter welchen Umständen und mit welchem Erfolge, kann nur von denen verstanden werden, welche wenigstens eine allgemeine Vorstellung von der Geschichte 'Omans und seiner Dynastie haben. Ich will daher, als Einleitung zu dieser letzten Phase meiner Erzählung, eine Skizze dieser Geschichte geben, der Gegenstand ist interessant und erfordert ein neues und besonderes Kapitel. Fünfzehntes Kapitel. 'Oman. 254 Geographische Grenzen von 'Oman — allgemeiner Charakter des Landes — frühere Geschichte und Ursprung der Bevölkerung — spätere Kolonien — Sabäer — der Islam in 'Oman — Karmathische Bewegung — Biadijah — Ursprung des Namens — der Polarstern — jährliche Feste — gesellschaftliche Zustände — Schönheit der Frauen — Niebuhr in Mascat — in wiefern schlecht berichtet — allgemeiner Charakter der Einwohner — Toleranz — Hexen und Zauberer in 'Oman — Geschichte eines Zauberers von Bahilah — Neger in 'Oman — deren Anzahl, Stellung und Einfluss — Geschichte 'Omans in den letzten drei Jahrhunderten — die Portugiesen — die Holländer — die Perser — 'Oman erlangt seine Unabhängigkeit wieder — Dynastie 'Ebn - Sa"id — Einfall der Wahhabiten — Unterdrückung der Seeräuber ■— spätere Eroberungen und Regierung des Sultan Sa'td — sein Besuch in Mekka — sein Tod — Dreithei-lung des Reichs — Krieg ztvischen Thowejni und Mägid — Krieg zwischen Thowejni und Amged — englische Einmischung — Volksaufstand — Thowejni ruft die Negdäer — ' Abd-Allah-ebn-Sa'üd in 'Oman — Khälid-ebn-Sakar — dessen Geschichte — Verheerungen in der Butinah — 'Abd-Allah in Berejmah — Zug gegen Gebel-Akhdar unter Zämil-el-'Atijah — Fortschritt — Erfolg — allgemeiner Friede — Bedingungen — Thowejni's Leben — „Imäm von Mascat" — in wiefern falsch — Verfassung des Reichs — Ahmed-es-Sedejri und andere Negdäer — deren Verfahren — die persische Küste — Landung in Linga — die Stadt — Hafen — Handel und Einwohner — Bemerkungen — Verwaltung in 'Oman — Do'ejy und sein Haus — Innere Stadt und Markt — persische Deputation— Abreise nach Schargah — ein Sturm — zwei Tage auf Abu Musa — Ankunft vor Schargah. 'Aamän, nach der arabischen, oder 'Oman nach der gewöhnlichen Aussprache, die jetzt zu allgemein ist, um sie ohne eine Art von Affectation aufgeben zu können, ist der Name, welcher auf den meisten Karten dem Küstengebiet zwischen Ras Mesandem und Räs-el-Hadd, der äussersten östlichen Schulter der Halbinsel beigelegt wird. Die Araber jedoch verstehen unter 'Oman den ganzen Landstrich zwischen Abu pebi, einem Dorfe an der östlichen Grenze des Gebiets, welches jetzt die Benu-Jass innehaben, bis in die Nähe von Dofär, an der süd- liehen Küste. In dieser Ausdehnung umfasst 'Oman die Provinz Mahrah, das Vorgebirge Räs-el-Had(J und das ganze Gebiet von da bis zur Piratenküste, mit Allem, was zu Ras Mesandem gehört, und gränzt sonach im Süden an Hadramaut, im Norden an Katar, oder reicht wenigstens bis in dessen unmittelbare Nähe, und bildet einen grossen Halbmond, vorn mit der See und der grossen Wüste des südlichen Arabien als Hintergrund. In politischem Sinne aber hat 'Oman oft eine noch weitere Ausdehnung, indem man ausser den angegebenen Gebieten noch das der Benu-Jass, Katar, Akhäf, alle Inseln des persischen Meerbusens östlich von Bahrejn, nämlich Gischm, Ormuz (oder Hormüz, wie es die Eingebornen nennen), Lareg und viele andere unbedeutendere dazu rechnet,' nebst der ganzen Küste an der persischen Seite des Meerbusens, von Räs-Bostanah bis Gask. Endlich ist derselben Herrschaft noch ein langer Strich der afrikanischen Küste gegenüber Zangibar unterworfen, nebst dieser Insel selbst und Socotra mit Allem, was dazu gehört. Ein Blick auf die Karte wird meine Leser überzeugen, dass 'Oman wesentlich ein maritimer Staat ist, in welchem Handel, insbesondere der überseeische eine wichtige, vielleicht die wichtigste Rolle spielen müssen. Doch sind auch die Landbesitzungen nicht ohne Bedeutung und wirklichen innern Werth. Das eigentliche 'Oman, wie wir die Provinz, welche dem ganzen Reiche den Namen gegeben hat, nicht unpassend nennen können, ist, wie es scheint, der reichste Theil der arabischen Halbinsel, sowohl hinsichtlich der Produkte des Ackerbaues, als des Bergbaues, und dehnt sich weit genug landeinwärts aus, um industriellen Arbeiten aller Art ein weites Feld zu bieten. Die afrikanischen Besitzungen sollen ebenfalls sehr fruchtbar sein, wenigstens teilweise, wegen dieser aber muss ich meine Leser auf andere Autoritäten verweisen, da ich selbst niemals dorthin gekommen bin. Wie gross aber auch der Reichthum des Landes sein mag, so ist es immer hauptsächlich die grosse Ausdehnung der Küste und die wichtige Lage 256 derselben, als Schlüssel des Persischen Meerbusens, mit vorzüglichen Häfen, welche dem Volke und der Regierung einen bestimmten und eigenthümlichen Charakter verleiht. , In einer sehr frühen Zeit erhielt dieser Theil Arabiens seine ersten Kolonisten aus Jemen. Diese gehörten, wie es scheint, nicht zu himjaritischen, sondern zu kahtanischen Stämmen, vor deren Vermischung mit fremden Elementen. Die vornehmste Familie, deren Häuptlinge an der Spitze der ursprünglichen Ansiedelung standen, war nach 'Omanischer Tradition die der Ja'aribah, und ihre Nachkommen behaupteten die ununterbrochene, obwohl keineswegs unbeschränkte Herrschaft über 'Oman, bis zu Anfang des achtzehnten Jahrhunderts, als der letzte dieser Herrscher, Sejf-ebn-Sultan, von Ahmed-ebn-Sa'id entthront wurde. Letzterer, von der Familie Ghafari, aber durch Heirath mit den Ja'aribah verbunden, befreite durch seine kluge Tapferkeit das Land von dem persischen Joche, welches ihm durch Taki-ed-Din auferlegt war, und wurde von seinen dankbaren Mitbürgern in Mascat als König ausgerufen. In einem kurzen Kampfe mit den Anhängern der alten Dynastie siegteEbn-Sa'id und bemächtigte sich endlich des ganzen Reichs, während sich die Ja'aribah mit der lokalen Herrschaft über ihre Familienbe- Sitzung in Gebel-Akhdar begnügen mussten, wo sie noch jetzt unbe-lästigt feudale Rechte geniessen, als mächtige Häuptlinge eines Stammes. Die Ghafari leiten sich, eben so wie die Ja'aribah in gerader Linie von Kahtan selbst ab, und die authentische Bevölkerung von 'Oman rühmt sich eines verwandten, obwohl nicht königlichen Ursprungs. Gelandi, Tho'al, 'Adra, Jeschhar und andere grosse Stämme der kah-tanischen Familie scheinen in sehr früher Zeit hierher gekommen zu sein. Von Gelandi entsprangen die Benu-Rijäm, welche die Höhen über Nezwah bewohnen. Im Laufe der Zeit aber haben sich andere Stämme nördlicher oder ismaeliticher Abkunft mit dem kahtanischen Grundstamm vermischt. Die zahlreichen Fezärah, durch die beständige Feindseligkeit der Keläb und, Jemäm aus Neged vertrieben, nahmen hier ihren hauptsächlichsten Aufenthalt, und von ihnen stammt ein nicht unbedeutender Theil der Küstenbevölkerung. Kenänah und Hedäl, 257 beide von negdäischem Ursprünge, folgten demselben Zuge, so dass unter den arabischen Bewohnern 'Omans ungefähr ein Viertheil nicht* kahtanischer Abkunft zu sein scheint; eine Vermuthung, welche auch durch einen etwas andern Dialekt und Gesichtsbildung bestätigt wird, nebst einiger Abweichung in religiösen Grundsätzen; genug, um eine verschiedene Abkunft zu beweisen, wenn diese nicht durch die mündliche Tradition hinlänglich verbürgt wäre. An der südöstlichen Küste herrscht Neger- und abyssinisches Blut vor. An der nordwestlichen Seite von Ras Mesandem, von dem Dorfe Agmän bis nach Scha'am, ist eine eigenthümliche Kolonie von unver-mischter negdäischer Abkunft, die sich erst in verhältnissmässig neuer Zeit hier angesiedelt hat, die Gowäsimah. Wie die Einwohner von Barr-Färis, leiten auch sie sich von Metejr ab und ihre Ansicdlung scheint im Laufe der letzten zwei Jahrhunderte stattgefunden zu haben. Die Gowäsimah sind Wahhabiten unter den Wahhabiten und foglich bittere Feinde von Allem, was sie umgiebt. Angeborne Wildheit des Charakters, durch Fanatismus noch gesteigert, und der Schutz, den ihnen ihre unzugänglichen Felsen gewähren, zum Theil auch Bündniss mit den Negdäern, machen ihnen möglich, ihren Grund und Boden gegen alle Angriffe zu Lande oder zur See zu schützen. Ausser bei dieser Kolonie finden die Lehren Ebn-'Abd-el-Wahhabs und Mohammeds selbst, mit wenigen Ausnahmen, wenig Gunst in 'Oman, wo, selbst noch mehr als in Hasa, der religiöse Glaube, mit dem staatlichen und moralischen Bestehen des Volks verschmolzen, ein sehr zweideutiges und vielförmiges Gepräge hat; die natürliche Folge, wenn eine neue Religion halb angenommen und auf einen nur halb bei Seite gelegten alten Glauben gepfropft wird. Etwas Analoges kann man auch bei anderen Nationen beobachten; und wenige in der That, wenn überhaupt welche, giebt es, die nicht mehr oder minder ein neues Stück auf ein altes Kleid genäht haben. Nirgends aber ist das Flickwerk deutlicher, als an der östlichen Ecke Arabiens, von Abu-Debi bis Ras - el - Hadd, und noch weiter nach Hadramaut selbst. Die alte Religion von 'Oman war ein Sabäismus, der, wie es scheint, die grösste Aehnlichkeit mit der Religion hatte, welche einst nicht allein in Chaldäa, sondern auch in Persien vorherrschte, ehe die dualistische Theorie die Einfachheit des altern Systems verderbte. Ich habe nicht nöthig zu bemerken, dass dieser Sonnen und Sternendienst zuweilen symbolisirt mit Erde und Feuer, und alle durch Kunst 258 gebildete Formen ausseidiessend, sehr von dem assyrsichen Cultus, oder von der merkwürdigen und complicirten Träumerei der men-däischen Sabba' oder „Johannes-Christen" verschieden war, obwohl manche europäische Gelehrte, mit dem arabischen Geschichtschreiber Scherns - ed -Din - ed - Dimischki, diesen und noch Anderen den Namen Sabäer beilegen. Der Sabäismus, von welchem ich hier zu sprechen habe, war von älterem Ursprünge und einfacher in seiner Form. Von diesen Sabäern, wie sie in einem Theil Jemens, in 'Oman und in einigen anderen Theilen Arabiens existirten, wenn sie nicht ursprünglich die ganze Halbinsel inne hatten, geben uns arabische Schriftsteller folgende, freilich sehr dürftige Kunde, dass sie die sieben Planeten anbeteten und vornehmlich die Sonne; dass sie dreissig-tägiges Fasten hielten, im Frühjahr vor dem Frühlingsäquinoctium, dass sie ihr grösstes jährliches Fest bei Eintritt der Sonne in das Zeichen des Widders feierten (was eine solare, nicht lunare Berechnung der Monate voraussetzt); dass sie den beiden grossen Pyramiden in Egypten eine besondere Verehrung zollten, die sie für Grabmäler des Seth und Idris hielten; dass sie täglich siebenmal beteten (nach manchen Schriftstellern fünfmal, eine Verschiedenheit der Angabe, die keiner weitern Erklärung bedarf) und während ihrer Andacht das Gesicht nach Norden wendeten ; endlieh, dass sie ein Buch oder einen Gesetzcodex besassen, der von Seth selbst abgefasst sein sollte (leider ist nicht gesagt, in welcher Sprache) und die Dogmen und Institutionen dieses Erzpatriarchen enthalten haben soll. Die mohammedanischen Schriftsteller geben noch einige andere und vielleicht weniger verbürgte Punkte an, z. B. dass die Sabäer die Ka'abah in Mekka verehrten, selbst schon an Mohammed glaubten. Diejenigen meiner Leser, welche mit den Träumereien derer bekannt sind, welche sich einbilden, in den Bildwerken von Yucatan und den Hieroglyphen zu Luxor ein proleptisches Christenthum zu entdecken, werden leicht begreifen, wie solche Vorstellungen über eine andere und ältere Religion in einem mohammedanischen Gehirn entstehen konnten. Zwei in der That negative, aber sehr wichtige Punkte scheinen der alten Form des Sabäismus ausschliesslich eigen gewesen zu sein, nämlich, dass sie weder Bilder oder Götzen, noch eine Hierarchie oder Priesterkaste hatten. Vorsteherschaft beim Gottesdienst war, wie es scheint, das Privilegium nur eines grössern Alters oder des Oberhauptes 259 der Familie, und involvirte keinen speciellen und anhaftenden Unterschied zwischen dem Fungirenden und denen, welche ihn umgaben. Feueranbetung, wenigstens in der Weise, wie sie jetzt von den Parsis in Indien und anderwärts geübt wird, mit einer regelmässigen Priesterschaft und heiligen Gebräuchen , scheint eine verhältnissraässig neue Erfindung oder Einführung zu sein; unsere Nachrichten über die ursprünglichen Sabäer lassen nicht auf die Existenz solcher Gebräuche bei ihnen schliessen. Endlich weist die arabische Tradition den Sabäern einstimmig den Osten der Halbinsel als ihren hauptsächlichen Wohnsitz an, zu einer Zeit, als der Westen, und in gewissem Grade auch die Mitte, eine complicirtere götzendienerische oder halbgötzendienerische Gottesverehrung angenommen hatte. In der Folge muss die vollständige und dauernde Eroberung, welche der Islam im Jemen vollzog, mit der spätem Lage dieser Provinz, dort jede Spur des Sabäismus, wenigstens in seiner altem Phase, ausgelöscht haben. In wie weit 'Oman demselben Prozess unterlag oder ihm entging, und wie viel es von den alten Sitten bewahrte, mag die folgende Erzählung zu erläutern beitragen. Zu Mohammeds Lebzeiten fügte sich 'Oman in die neue Religion des Propheten, obwohl die arabischen Geschichtschreiber bei Erzählung dieser Thatsache nichts darüber sagen, durch welche Mittel dieses bewirkt wurde und welche Färbung die neue Religion annahm. Von dem übrigen Arabien durch die dazwischen liegende Wüste getrennt, und folglich schwer zugänglich, ausser zur See, ein Weg, den die früheren Krieger des Islam selten einschlugen, konnten die Bewohner 'Omans besser als ihre Brüder anderwärts den Beschwerden des Krieges und einer allzustrengen Untersuchung ihrer Orthodoxie entgehen, wenn 8ie sich rechtzeitig der bestehenden Macht unterwarfen und den verlangten Tribut zahlten; ein für beide Theile vorteilhafter Compromiss. Ereignisse, welche unter der Regierung 'Omars erwähnt werden, lassen schliessen, dass zur Zeit dieses Khalifen die mohammedanische Religion noch immer, wenn auch nur oberflächlich, in 'Oman die vorherrschende war. Bald darauf brach der grosse Streit aus zwischen 'Oth-män und 'Ali, und die ganze Halbinsel, mit allen anderen Ländern, welche damals zu dem grossen muhammedanischen Reiche verschmolzen waren, trennte sich in zwei durch tödtliche Feindschaft geschiedene Factionen, deren Streit nach zwölf Jahrhunderten noch nicht vollständig beigelegt ist. 1 Das östliche Arabien stand auf Seiten 'Alis, das westliche war zum grössten Theil für 'Othmän. Das Volk von 'Oman, in seinem von der Wüste umgrenzten Winkel, kümmerte sich weder geu um die Häupter, noch um die Glieder, und schickte nicht einen Kämpfer in die Reihen weder der einen noch der andern Partei. 'Othmän und 'Ali schickten beide Gesandtschaften an die Häuptlinge von Gebel-Akhdar und der Batiuah und wollten wissen, für welche Partei sie sich entscheiden wollten und wen sie mit ihrem zahlreichen Heere zu unterstützen gedächten. Ich muss hier meine Leser erinnern, dass es nicht meine Absicht ist, eine Geschichte mit kritischer Genauigkeit zu geben, die auf authentische Acten und das sichere Zeugniss von Dokumenten begründet ist; ich erzähle nur, was in der lokalen Tradition und in Schriften von verhältnissmässig später Compilation vorliegt, wie ich es von den Einwohnern des Landes habe. Würde man mich allerdings nach meiner persönlichen Ansicht fragen, so müsste ich sagen, dass die Erzählung in der Hauptsache wahrscheinlich richtig ist, wie sehr auch arabische Einbildungskraft dieselbe ausgeschmückt haben mag. Weshalb wir, ohne unserm Urteile Schaden zu thun, lokaler und volkstümlicher Tradition hier einen grössern Werth beilegen können, als anderwärts, habe ich bereits bei der Geschichte der Wahhabiten gesagt. Die Gesandten der beiden Khalifen, welche die lange Reise als II. 13 wahre Friedensboten zurückgelegt hatten, erschienen zu gleicher Zeit vor der grossen Volksversammlung in Bahilah, der alten Hauptstadt des Landes. Hier brachten sie ihre Sache an und erhielten von den Edlen von 'Oman die deutlichste Antwort, welche möglich war, nämlich einen Fluch über die Factionen nebst ihren Führern, und die Erklärung, dass 'Oman nichts mit ihnen und ihren Streitigkeiten zu thun habe. Eine solche Antwort, wie billig und angemessen sie auch war, konnte bei 'Ali und 'Othmän kaum den verdienten Beifall finden. Der letztere jedoch, und mit ihm seine Heerführer und Nachfolger, Mo'a-wiah und dessen Verwandte, war zu entfernt von 'Oman und hatte zu dringende Beschäftigung anderwärts, um den ihm angethanen Schimpf rächen zu können. 'Ali aber, dessen Hauptmacht der abtrünnigen Provinz näher lag, hatte so viel Zeit, einen Zug bis an die Grenze zu unternehmen, und wenn es ihm auch nicht gelang, durch das Schwert seinem göttlichen oder prophetischen Rechte volle Anerkennung und Gehorsam zn erzwingen, so fügte er dem Lande doch genug Schaden zu, um sich selbst eine doppelte Dosis von Hass zuzuziehen, der in 'Oman noch nicht vergessen ist, wo der Name 'Ali's noch heute ungleich mehr verabscheut ist, als der seines Gegners. Jedoch die Siege der Benu-Omejjah und die Verlegung des Sitzes des Khalifats nach Damaskus, weit von den am östlichen Ende gelegenen Ländereien, befreite die Ja'aribah und deren Anhang von 'Ali. Ueber die zunächst folgende Zeit schweigen die Annalen ganz. Man sagt, und nicht mit Unrecht, dass Nationen eben so wie Familien am glücklichsten sind, je weniger der ruhige Lauf ihrer Geschichte durch Ereignisse unterbrochen wird. Wenn diese allgemeine Regel auf 'Oman Anwendung hat, so kann auf der ganzen Welt, von 1° bis 360°, kein Land eine längere Zeit des Glückes genossen haben, denn acht Jahrhundert lang ist in den Annalen 'Omans weder von Krieg oder Revolution, weder von einem Einfall, der zurückgeschlagen, oder einem Angriff, der unternommen wurde, die Rede, und das Land hatte Ruhe, nicht vierzig, sondern zwanzig Mal vierzig Jahre. Von allem Verkehr mit der unruhigen mohammedanischen Welt zurückgezogen, schaffte es die Wallfahrt nach Mekka und die Gesetze des Koran ab und behielt sich die Freiheit vor, die Form der Regierung oder der Religion zu wählen, welche ihm am besten zusagte, ohne durch fremde Intervention und Glaubenszwang belästigt zu werden. Ein einziges Ereigniss nur, eine denkwürdige Epoche in der Geschichte des Islam, ein Sturm, der Alles rings herum in die grösste Bewegung setzte, ging auch in 'Oman nicht ganz unbemerkt vorüber und brachte einige Abwechselung in die Annalen. Die Bewohner des Gebel-Akh-dar und der Batinah waren den benachbarten Regionen von Hasa nicht ganz entfremdet, und der Aufstand der Batinijah oder geheimen Sekten, die in letzterer Provinz so weit verbreitet waren, hatte seinen Ursprung hauptsächlich in 'Oman, das schon lange vorher durch die Lehren Katari und seiner Jünger geschult war. Als daher die kar-mathische Bewegung Arabien in Zuckungen versetzte, blieb auch 'Oman nicht ganz von den Umwälzungen verschont, welche die Halbinsel mit Blut flberflutheten, und seine Gebirge stellten ein grosses Gontingent zu den Heeren des Genäb! und Abu-Tähir. Als die Karmatbier unterworfen wurden, hatte 'Oman vollen Grund, die Rache der siegreichen Partei zu fürchten, der nur durch die Festigkeit seiner territorialen 262 Lage entging. Einer der abbasidischen Khalifen (ich konnte nicht erfahren, welcher)unternahm einen Kriegszug gegen 'Oman, verwüstete die Dörfer von Katar und der Provinz Schargah bis nach Gebel 'Okdah hinauf; weiter aber konnten die Angreifer nicht vordringen. Diese neuen Angriffe von Seiten des Islam Hessen die 'omanischen Sektirer auf neue Massregeln sinnen, und namentlich auf ein Unterscheidungszeichen, durch welches sie sich im Kriege und in Gefahr erkennen könnten. Zu diesem Zwecke nahmen die Männer von 'Oman, wie die Drusen im Westen, den weissen Turban an, wovon sie den Namen „Abädijah" oder „Biadijah", d. i. „die Weissen" erhielten, zum Unterschiede von den Grünen, oder Fatimiten, und den Schwarzen, oder Abbasiden. Die Benennung Biadijah, welche anfänglich nur den Karmathiern eigen war, wurde bald der ganzen Bevölkerung von 'Oman beigelegt und ist ihr bis auf den heutigen Tag geblieben. Makrizi will allerdings dem Namen einen andern Ursprung geben und ver-muthet, dass er eine Corruption von „Bejdanijah" sei, d. i. Anhänger des Bejdan, eines persischen Irrlehrers im dritten Jahrhundert der Iledschra. Aber ganz abgesehen von anderen Gründen, wie dem Mangel an jedem historischen Beweise, dass dieser Bejdan jemals Arabien besuchte, oder selbst in seinem Geburtslande Persieu solche Berühmtheit erlangte, dass eine ganze Sekte sich nach ihm nannte, so erlauben die Gesetze der arabischen Derivation nicht, die von dem gelehrten Tag-ed-Din Makrizi gegebene Erklärung anzunehmen. Der Buchstabe Dal oder D in Bejdan hat durchaus nichts gemein mit dem Dad oder d in Biadijah, und der Endconsonant N in Bejdan oder Bejdanijah lässt sich auch nicht so leicht auswerfen. Arabische Versuche etymologischer Forschungen in ihrer Sprache sind in der Regel nicht weniger unglücklich, als die der lateinischen Schriftsteller in der ihrigen, vielleicht noch mehr; denn niemals war das alte Europa so unkritisch, wie der Orient zu allen Zeiten, die Gegenwart mit eingeschlossen. Neben den Ueberresteu sabäischer Gebräuche und auf einer Grund läge karmathischer Freigeisterei haben die Biadijah, eben so wie Drusen, Israailijah, Ansejrijah und andere ähnliche Sekten, manche von dem mohammedanischen Gesetz abgeleitete Aeusserlichkeiten angenommen, die, wenn es nöthig.ist, zur Verstellung genügen, oder wenigstens Muslimen gegenüber als eine Art von Apologie dienen können. Ihre „Mezärs", oder zum Gebet bestimmte Gebäude, ersetzen den Mangel wirklicher „Mesgids" oder Moscheen, aber sie versammeln sich selten 2(i3 zu' eiuer bestimmten Form des Gottesdienstes; ihre Gebete werden kaum hörbar abgemurmelt und die Verbeugungen und Niederwerfungen sind von denen der mohammedanischen Andacht durchaus verschieden. Manche wenden sich beim Gebet nach Norden, andere nach ananderen Richtungen, ganz ohne Rücksicht auf die Kiblah oder Ka'abah. Ob der Name „Jäh" oder „Jähi" (ich hörte beide Formen), womit sie, aber nur sie allein, wie es scheint, den Polarstern bezeichnen, irgendwie mit ihrer Religion in Zusammenhang steht, kann ich nicht sagen. Auch die Etymologie und specielle Bedeutung des Wortes konnte ich nicht ergründen; es ist in ganz 'Oman gebräuchlich und ebenso an der ganzen Küste des persischen Meerbusens, wo Schiffe aus 'Oman hinkommen. Im übrigen Arabien hat der Polarstern weniger dunkle Namen, wie „Gedi" Bock, „Mismär", der Nagel, weil er an einer Stelle gleichsam festgeschlagen ist. Die Venus 'oder „Zahra", wie sie in Arabien gewöhnlich genannt wird, hat hier den Namen „Farkod" mit dem man anderwärts den Arcturus im Bootes bezeichnet. „Semäk" ist zuweilen der Name des hellen Sternes in der Capella, zuweilen des Arcturus; „Semakän", die Dualform von Semäk, sind oft die Geinini, oder die beiden Sterne erster Gröse im Cycnus. Diese lezteren Namen • sind nichts weniger als constant; die Araber scheinen sich überhaupt wenig um die Präcision ihrer astronomischen Nomenclatur zu kümmern, wie in allen anderen Dingen. Das jährliche Fasten der Biadijah dauert einen Monat und wird fast noch strenger gehalten, als das der Mohammedaner. Bis die Sterne am Himmel sichtbar wTerden,~ darf nichts genossen werden (hierin gleichen die Biadijah den Juden), und innerhalb viernndzwanzig Stunden wird nur eine Mahlzeit gehalten. Die Zeit des Fastens wird 1 durch den Willen des Staatsoberhauptes festgesetzt, welches hier die höchste religiöse Autorität ist, und daraus erklärt sich vielleicht die in Europa gewöhnliche, aber unrichtige Benennung Inaäm. Nur drei Städte im ganzen Königreiche haben das Recht, officielle Gebete abzuhalten; es sind die drei Hauptstädte Sobär, Nezwah und Bahilah; Mascat aber, dessen Bedeutung erst von verhältnissmässig neuem Datum ist, steht nicht auf dieser Liste. Polygamie, obwohl nicht selten, hat hier eine andere Gestalt, als in muhammedanischen Ländern; nur Eine Frau hat den gesetzrnässigen 264 Titel und Ehren der Gattin; die übrigen, viele oder wenige, sind blosse Concubinen. Die Erbschaftsgesetze unterscheiden sich auch von den im Koran gegebenen; der Antheil der weiblichen Erben ist hier dem der männlichen gleich, nicht nur die Hälfte. Im gewöhnlichen gesellschaftlichen Leben steht in 'Oman das weibliche Geschlecht auf einem mehr gleichen Fusse mit dem männlichen, als anderwärts, und ihr Gesicht ist nicht von dem islamischen Schleier verhüllt. Dies ist ein wirklicher Vortheil, da die Schönheit der Frauen in 'Oman nicht allein in Arabien, sondern vielleicht in ganz Asien, ohne Gleichen ist; ich wenigstens habe nirgends unter anderen Rassen des Orients so zierliche Formen oder so liebliche und regelmässige Gesichter gesehen. Die Verehrer grosser dunkler Augen, gebogener Augenbrauen, wallender Locken, schlanken Wuchses und stolzer Haltung finden hier sicher mehr Gegenstände ihrer Verehrung als in Neged, Syrien, Egypten, oder, ich glaube es wirklich, selbst in Persien. Auch die Männer, obwohl schlank und von dunkler Farbe, sind in der Regel schön, mit einem klugen Auge und lebhaften Gange. Ich muss noch hinzufügen, dass hier frei und ohne Rückhalt Wein getrunken wird, namentlich im Innern des Landes; die Weinberge finden sich in Gebel Akhdar. Wären mir damals schon einige bereits angeführte Bemerkungen mohammedanischer Schriftsteller bekannt gewesen, auf die ich aber erst nach meiner Rückkehr kam, so würde ich mich weniger gewundert haben, dass man mich in 'Oman so oft nach den ägyptischen Pyramiden fragte, die hier noch von den alten sabäischen Zeiten her im Gedächtniss sind. Hätte ich mich hier länger aufhalten und Bekanntschaften anknüpfen können, so hätte ich vielleicht etwas über die Bücher Seths und andere Religions- und Gesetzbücher erfahren können. Aber mancherlei Umstände drängten mich zur Eile; dazu kommt, dass in diesen Gegenden des Orients alle Dissidenten von der mohammedanischen Religion, und so auch die Einwohner von 'Oman, ausserordentlich vorsiclitig sind und dem Fremden sehr ungern etwas über ihren wirklichen Glauben und Gebräuche mittheilen, noch weniger würden sie ihm einen geschriebenen Beweis eines von dem Koran abweichenden Gesetzes oder Glaubens in die Hände geben. Bei den Beduinen der Wüste oder im Innern des Landes, welche durch ihre Lage vor allzuhäufigen Besuchen sicher sind, ist dies weniger der Fall, aber hier an der Küste, wo der Handel täglich und stündlich 285 ganze Schaaren von Sonni's, Schija'is, Wahhabi's und Eingeborne von Jemen und Mekka herführt, ist man desto zurückhaltender. Daher kommt es, dass oft mohammedanische Manieren und Ausdrücke angenommen werden, weshalb die Biadijah, ein Gemisch von Sabäern, Bätinijah, Karmathen, Anhängern von Mokannaa' und Abu-Tahir, dem Fremden oft als ziemlich orthodoxe Mohammedaner erscheinen. In den Augen ihrer Nachbarn aber, der Wahhabi, Sunni, und selbst die sie genauer kennen, der Schija'i, galten sie als Ungläubige, und zwar der schlimmsten Art; und bis nach Basrah nennt kein Mohammedaner einen Biadi oder 'Omäni anders als einen „Khäregi" oder „einen, der draussen steht", der schlimmste Name, den man dem vom Glauben an den Propheten des Islam Abgefallenen geben kann. Niebuhr, der bei seiner Fahrt an der Küste von 'Oman nur nach Mascat kam, dessen Erzählung aber von dem, was er über dieses Reich hörte, welches sich damals in einem Zustande grosser Bedrückung befand, vieles Interessante und Richtige enthält, wurde hinsichtlich der Sitten und des Charakters der Biadijah in einen grossen Irrthum geführt. Da er, wie es nach seiner Erzählung scheint, mit einigen in Mascat wohnenden Negdäern Bekanntschaft gemacht hatte — denn in • dieser Hafenstadt halten sich immer viele Kaufleute aus dem Innern oder aus mohammedanischen Küstenprovinzen auf — verfiel er in den Irrthum, der bei einem kurzen Aufenthalte sehr natürlich ist, die Sittenstrenge der Wahhabiten, Nichtrauchen, regelmässigen Besuch des Gebets, Einfachheit der Kleidung, kurz, alle unterscheidenden Merkmale ihre Sekte, der eingebornen Bevölkerung des Landes beizulegen, und die Biadijah nicht allein orthodoxe Mohammedaner, sondern selbst strenge Asceten zu nennen. Was den Tabak anbelangt, so verbraucht vielleicht kein Volk in der Welt, selbst die Türken in Stambul nicht ausgenommen, mehr davon, als die guten Leute in 'Oman; und sie können es wohl, da der Tabak ein Hauptprodukt ihres Landes ist, sowohl für den Verbrauch als für die Ausfuhr, und überdies sehr gut und wohlfeil. Die Märkte zu Mascat und in anderen Städten sind voll von Tabaksläden und Jedermann raucht. Was das Gebet anbelangt, so besitzt Mascat allerdings drei oder vier Moscheen, die für die mohammedanische Gottesverehrung bestimmt sind und ohne Zweifel sehr re- gelmässig besucht werden, namentlich von den Negdäcrn. Es möchte aber schwer halten, in diesen oder in jeder andern Mosche nur einen einzigen Biadi zu finden, und die Biadi sind die wirklichen Leute von Mascat, nicht die Fremden der fünf täglichen Gebete. Endlich, hinsichtlich der Einfachheit der Kleidung und Scheu vor Schmuck, fürchte ich, dass die 'Omäniten Niebuhrs Empfehlung nicht besser verdienen, als die Wiener oder Pariser-, meine Leser mögen selbst urtheilen, wenn sie noch einige Seiten weiter gelesen haben. Ich muss noch bemerken, dass Niebuhr und seine Begleiter, wie es nach seiner Erzählung scheint, türkische Kleidung angenommen hatten, und sagten, dass sie aus Constantinopel kämen. Schon dieses würde genug sein, um einem Reisenden überall Mohammedanismus finden zu lassen, selbst bei denen, die den grössten Abscheu dagegen hegen. Noch heute wird ein Türke, oder einer, von dem man weiss, dass er im Auftrage der türkischen Regierung reist, oft ein scheinbar zufriedenstellendes Bekenntniss des Islam finden, in Gegenden, wo wirklich nur Drusen, Ismailijah und dergleichen wohnen, ja selbst unter den christlichen Bevölkerungen im Innern. Dies war noch mehr der Fall in der Mitte des vorigen Jahrhunderts, zur Zeit der Reise Niebuhrs, als der türkische Name noch einen grössern Einfluss übte als heut zu Tage. Heuchelei ist die unvermeidliche Folge einer bigotten Regierung, und sie bleibt in den unterworfenen Rassen auch noch, wenn die ursprünglichen und wirklichen Ursachen aufgehört haben. Niebuhr aber muss in Mascat auf eine acht negedäische Kolonie gestossen sein, vielleicht von der wahhabitischen Sekte, die damals gerade in ihrem ersten Emporkommen war. Diese Negedäer nahm der grosse deutsche Reisende bei seinem kurzen Aufenthalt für Einwohner des Landes, mit denen sie nichts weiter gemein haben, als die Luft, welche sie athmen, und den gegenseitigen Hass. Ich sage dies nicht, um die Verdienste Niebuhrs zu schmälern; die Umstände erlaubten ihm nicht, einen sehr plausiblen Irrthum zu entdecken, in welchen ausser ihm noch Viele gefallen sind. Ein sehr enger Zusammenhang und reger Verkehr besteht zwischen den Bätinijah (meine Leser kennen diesen Ausdruck bereits) in Hasa und 'Oman; erstere sind in der That eigentlich nur ein abgetrennter Zweig der letzteren. Die Zwecke dieser geheimen Verbindung, ihr bitterer Hass und Opposition gegen den Islam, namentlich die wahhabitische Form desselben, ist zum Theil aus dem Vorhergehenden deutlich, r An Tapferkeit und Ausdauer stehen die Omäni keiner andern arabischen Rasse nach; insbesondere stehen die Bewohner von Gebel Akhdar und Gailän in dem Rufe kriegerischen Muthes. Aber Handel und Ackerbau üben eine zu solide Anziehungskraft auf sie, als dass sie ihre Kraft, wie die Negdäer, auf Krieg und Raub Wenden sollten. Von Gemüthsart sind sie entschieden, so weit meine Erfahrung reicht, die gutmüthigste, gastfreundlichste, mit einem Worte die liebenswürdigste unter allen arabischen Rassen. Toleranz, bis zu einem Grade, der selbst in Europa selten ist, herrscht hier für alle Rassen, Religionen und Gebräuche; Juden, Christen, Mohammedaner, Hindus, alle können Gott frei und unbehindert nach ihrer Weise anbeten, sich kleiden wie sie wollen, heirathen und erben ohne Beschränkung, ihre Todten begraben oder verbrennen, wie es ihnen gut dünkt; Niemand fragt darnach, Niemand belästigt sie oder hindert sie. Und wenn den Wahhabiten gegenüber zuweilen eine Ausnahme gemacht wird, die man wirklich mit Missfallen betrachtet, selbst gelegentlich beleidigt und todtschlägt, so liegt die Schuld an diesen selbst und ihrem groben und übermüthigen Auftreten. Sie sind, wie sie selbst sagen, anerkannte Feinde des Staats, und wenn sie darnach behandelt werden, haben sie kein Recht, sich darüber zu beklagen. 'Oman ist vor Allem ein Land fröhlicher und geselliger Unterhaltung, des Tanzes und Gesanges, äussern Glanzes und guten Lebens. Dieses Alles hat jedoch seine Schattenseite in einer gewissen Lockerheit der Sitten, zu welcher die Schönheit der Frauen und Lebensmuth der Männer gewiss nicht wenig beiträgt. Durch Strenge hinsichtlich jungfräulicher Tugend oder ehelicher Treue zeichnet sich 'Oman nicht besonders aus. Eine' andere Schattenseite ist der Glaube an Hexerei und schwarze Kunst, wahrscheinlich blosse Taschenspielerei, die hier vielfach betrieben wird. Solchen Künsten verdankt 'Oman den übelklingenden Namen „Beläd-es-Saharah" oder Land der Zauberer, wie es von Fremden oft genannt wird, obwohl Manche diesen Namen mit einer mildern Zauberei erklären wollen, welche die Cyrcen dieses Landes auf die weder so beständigen noch so klugen Ulysses ausüben, die ihre Küsten besuchen. Mag dies nun sein wie es wolle, mancher Negdäer lässt sich abschrecken, eine Reise nach 'Oman zu unternehmen, aus Furcht, die Augen einer Schönen oder der Zauberstaub einer Alten könnten ihn in ein verliebtes Schaf oder in einen schafköpfigen Liebhaber verwandeln. Erzählungen von Menschen, die so „übergesetzt" 26s sind durch den Prozess, welcher, wenn Falstaff Recht hat, „in mancher Beziehung das Thier zum Menschen, in anderer einen Menschen zum Thiere macht", ausser erschrecklichen Geschichten von unsichtbaren Zauberern, magischen Verwandelungen, Liebestränken u. s. w., die Alles übertreffen, was man in Tausend und eine Nacht oder in Grimms Mährchen liest, sind in diesen Gegenden häufig; und Ovid, wenn er noch lebte, könnte seinen Metamorphosen aus den Chroniken von 'Oman noch zwölf dicke Bücher zufügen. Aber noch weit schrecklichere Kräfte, als solche, die einen Menschen mit Schafwolle bekleiden, oder ihn an Körper und Geist zu einem Esel machen, werden nicht allein den alternden Damen 'Omans, sondern auch männlichen Beschwörern und Zauberern zugeschrieben. Ich habe viele Geschichten der Art gehört, die mit dem Tone vollkommener Ueberzeugung vorgetragen wurden; aber meine Leser, fürchte ich, möchten sie in Croker's Feenmährchen besser an ihrem Platze finden, als in einer ernsten Beschreibung einer Reise im neunzehnten Jahrhundert. Diese Erzählungen sind jedoch sehr unterrichtend über Glauben, Sitten und Gebräuche der Nationen, bei denen sie sich finden. Ich will daher hier als Episode eine Erzählung mittheilen, die an und für sich merkwürdig genug ist und durch die Umstände, welche sie begleiteten, eine Art von Bestätigung zu erhalten scheint, welche sich bei ähnlichen Dingen nicht immer findet. Mein Gewährsmann versicherte bei der gerichtlichen Untersuchung, die ich im Laufe der Erzählung selbst erwähnen werde, persönlich zugegen gewesen zu sein. Die Sache ereignete sich vor jetzt etwa achtzehn Jahren, unter der Regierung des Sultan Sa'id, der eben so berühmt ist durch die Erfolge seiner Waffen, wie durch eine weise Regierung. Ein junger Kaufmann aus Mascat, seit Kurzem mit einer jungen Schönen aus derselben Stadt verheirathet, machte in Handelsgeschäften eine Reise nach der Küste von Zangibar. Er kam glücklich dort an, wo er, wie gewöhnlich , drei bis vier Monate blieb, verkaufte seine Waaren und nahm andere als Rückfracht ein. Eines Abends sass er in einem Dorfe an der Küste Afrika's, 269 gegenüber Zangibar, auf dem Dache seiner Wohnung, im Gespräch mit einem andern 'Omäniten aus Bahilah, der seit einiger Zeit auf der Sowähit wohnte, wie die Araber diesen Theil der afrikanischen Küste nennen und den er hier kennen gelernt hatte. Der Zufall hatte sie zusammengeführt und die Gemeinschaft der Rasse brachte in dem fremden Lande bald einen Grad von Vertraulichkeit bei ihnen zu Wege. Die Sonne war eben untergegangen und die beiden Freunde rauchten, auf der Terrasse nebeneinander sitzend, ruhig ihre Pfeife, als der Kaufmann auf dem Gesichte seines Freundes einen eigen-thümlichen und ernsten Ausdruck bemerkte und fragte, was ihm begegnet sei. „Sähest Du, was ich in diesem Augenblicke sehe", antwortete der Zauberer, denn ein solcher war er, „so würdest Du noch ernster aussehen, als ich." Diese Antwort führte natürlich zu weiteren Fragen, worauf der Seher von Bahilah nach vielem Bedauern, wegen der unangenehmen Mittheilung, die er ihm machen müsste, endlich sagte: „ich sah soeben den und den (dabei nannte er einen jungen ausschweifenden Mann in Mascat) in dies Haus treten, da gerade Niemand zu Hause ist, als Deine Frau, die ihn sehr freundlich be-grüsst." Der Ehemann machte jetzt in der That ein sehr ernstes Gesicht. Der Magier schwieg eine Weile und fuhr dann fort, in die. Ferne starrend. „Jetzt sitzen sie Hand in Hand in zärtlichem Gespräch nebeneinander", endlich beschrieb er eine Scene, die wir hier lieber mit Stillschweigen übergehen. Die Entrüstung des verrathenen Ehemanns konnte nicht grösser sein. „Giebt es kein Mittel, das Verbrechen zu hindern, oder wenigstens zu rächen?" rief er aus. Der Magier antwortete, dass er allerdings die Macht habe, das Letztere zu thun und auch gern dazu bereit sein. „So thue es", sagte der Kaufmann. „Das geht nicht so schnell", antwortete der Magier, „wir müssen uns ■ erst vorsehen, dass es keine üblen Folgen für uns selbst hat." Dann Hess er den Ehemann ein Dokument aufsetzen, in welchem dieser seinen Freund, den Zauberer von Bahilah, ermächtigte, an dem ehebrecherischen Weibe und ihrem Buhlen Rache zu nehmen. Das Papier wurde dann 270 unterzeichnet und besiegelt. „Rufe nun den Eigentümer dieses Hauses und dessen ganze Familie und lasse sie Alle als Zeugen unterschreiben, dann will ich selbst unterzeichnen." Der Befehl des Zauberers wurde ausgeführt; mittlerweile war es Nacht geworden und Alle standen schweigend auf dem Dache unter dem sternenhellen Himmel. „Gieb mir jetzt Deinen Dolch", sagte der Mann aus Bahilah zu dem aus Mascat. Dieser zog sein mit silbernem Heft verse- heiles Dolchmesser, welches jeder freie 'Omäni trägt, aus dein Gürtel und überreichte es seinem Freunde, der es nahm, sieh nach Norden wandte und nachdem er einige Worte gemurmelt, zweimal in die Luft stach. „Gehe nun und schlafe ruhig, Du bist vollkommen gerächt, die Schuldigen sind beide todt", sagte er zu dem staunenden Ehemann. Bald darauf kehrte der Kaufmann nach Mascat zurück. Sobald er landete, erfuhr er, dass sein einziger Bruder wegen Verdachts des Mordes verhaftet und noch im Gefängniss sei. „Dein Weib", so sagten ihm die Leute, „und mit ihr der und der (sie nannten denselben, welchen der Seher schon in Zangibar angegeben hatte), wurden eines Morgens in einem Zimmer dieses Hauses ermordet gefunden, Beide von zwei Dolchstichen durchbohrt. Keine Spur war zu linden von dem Mörder oder seiner Waffe. Da man aber annahm, kein Anderer könne es gethan haben, als der Bruder, so wurde er festgenommen und von dem Richter verhört. Man konnte ihn allerdings nicht überführen, die Regieruug aber will, dass er bis zu Deiner Ankunft in Gewahrsam bleiben und dann eine neue Untersuchung angestellt werden soll. Der Kaufmann begab sich sogleich zu den Behörden und erzählte seine Geschichte. Der Fall schien zu eigenthümlich, ging von einer Instanz zur andern, bis endlich der Sultan Sa'id erklärte, dass er sich die Untersuchung und Entscheibung selbst vorbehalte. Der Monarch liess nun den Kaufmann und seinen Bruder nach Nezwah kommen, wo er gewohnlich residirte; sie wurden dort gut behandelt, durften aber die Stadt nicht verlassen. Dann sandte er Befehl nach Zangibar, dass Alle, die das Dokument unterschrieben hätten oder Zeugen der Scene auf dem Dache gewesen wären, unverzüglich nach 'Oman geschickt werden sollten. Als Alle in Nezwah beisammen waren — der afrikanische Hauswirth mit seiner Familie, dessen Nachbarn, und der Magier, hielt der König eine öffentliche Gerichtsitzimg uuter freiem Himmel; das Dokument wurde vorgelegt; alle Anwesenden bekannten sich zu ihrer Unterschrift und das Verhör bestätigte alle Aussagen des Kaufmanns, worauf der Sultan sich selbst für incompetent erklärte, bei einem solchen Falle das Schuldig zu sprechen oder eine Strafe zu verhängen, und Alle entliess, nachdem er ihnen noch für verlorene Zeit und die Unruhe, welche er ihnen verursacht, eine hübsche Entschädigung gegeben hatte. Dem Magier aber gab er die ernste Weisung, in Zukunft mit Ausübung seiner übernatürlichen Macht vorsichtiger zu sein, eine Weisung, die bald darauf alle Zauberer und Beschwörer in'Oman erhielten. Und wenn Said nicht mehr that, so giebt die öffentliche Meinung einen besondern Grund dafür an, nämlich, dass seine eigene Frau, die Mutter des jetzt regierenden Monarchen, die wirkliche Hecate der arabischen Hexen war, welche verdiente bei jeder Hexenversammlung von schwarzen Katzen, Besenstielen, Böcken und Zauberkesseln den Vorsitz zu führen. Die Quelle, aus welcher dieser ausserordentliche Fortschritt in den geheimen Wissenschaften abzuleiten ist, verdient Erwähnung, nicht weil der Gegenstand an und für sich wichtig ist, als vielmehr, weil er mit verschiedenen #nderen Umständen zusammenhängt. Diese Quelle ist die Sklavenbevölkerung, welche von nah und fern aus Afrika eingeführt wird. Ich habe bereits erwähnt, dass zwischen der Ostküste Afrika's und 'Oman ein bedeutender Sklavenhandel betrieben wird und habe hier nicht nöthig, auf die Details des Handels selbst einzugehen und die Mittel, welcbe angewendet werden, ihn aufrecht zu erhalten, noch ein 'omanisches Sklavenschiff und seine Ladung zu beschreiben; obwohl in Wahrheit (ich sage es zum Tröste aller meiner Leser, die gegen die Sklaverei sind) die Sklaverei, vom Anfang bis zum Ende, in der Art, wie sie hier seit undenklichen Zeiten besteht, mit den abscheulichen Grausamkeiten auf der westlichen Hemisphäre, die hoffentlich nun bald aufhören werden, wenig mehr als den Namen gemein hat. Ich habe es hier nur mit der in 'Oman ansässig gewordenen schwarzen Bevölkerung zu thun und dem Einflüsse, den sie auf diesen Theil Arabiens ausübt, ein Einfluss, welchen unsere sich schwer amal-gamirenden Anglosachsen schwer begreifen können, der aber bei der mehr des Eindrucks fähigen kahtanischen Bevölkerung sehr fühlbar und weit verbreitet'ist. Ich sage kahtanisch, nicht arabisch, im Gegensatz zu den nördlichen oder in Centraiarabien wohnenden Rassen, 2"2 welche beide, namentlich die erstere, eine bedeutende Beimischung jener Eisenfaser haben, welche die Europäer, namentlich die Anglosachsen, so fest gegen fremden Einfluss macht. Daher unter den Arabern von Schomer, und selbst in Neged, die Neger, wie gross auch ihre Anzahl ist, in die Wagschale nationaler Sitten und Gefühle nicht schwerer ins Gewicht fallen, als in Norfolk oder in Yorkshire der Fall sein würde. In 'Oman aber ist die Sache ganz anders. Wollte ich sagen, dass jedes Jahr tausend Neger, Männer, Frauen und Kinder, in 'Oman eingeführt werden, so würde ich weit hinter der Zahl zurückbleiben, die im Lande selbst gewöhnlich angegeben wird. Von allen diesen Nigritiern, die so von der „Heimath und ihren Freuden" — wir sagen statt dessen vielleicht richtiger, aus einem Leben, das nur für Eber und Tiger der Wildniss passt, weggeführt werden, um hinfort ein vernünftigen Zweifüsslern etwas angemessenes Leben zu führen 7— bleiben etwa die Hälfte, vielleicht zwei Drittheile, für den Rest ihrer Tage innerhalb der Grenzen von 'Oman und der anliegenden Provinzen. Die meisten derselben, ja Alle, die nicht in früher Jugend sterben (was in einem so gesunden Klima und bei Herren, die ihre Sklaven eher durch übergrosse Zärtlichkeit tödten, als durch übermässige Strenge, verhältnissmässig selten vorkommt), erhalten früher oder später ihre Freiheit, und auf diese Weise kommt zu der ursprünglich weissen Bevölkerung ein neues Element, welches sich mit dieser vermischt. Aber obgleich ein Neger bei Ausführung der Befehle seines Herrn und unter dessen Leitung oft recht schätzenswerthe Eigenschaften entwickeln mag und einen gewissen Grad von Bedeutung erlangen kann, so eignet sich doch derselbe Neger, wenn er frei und sein eigner Herr wird, selten zu einer andern Stellung in der Gesellschaft, als der niedrigsten und die am wenigsten geistige Fähigkeit erfordert. Die emancipirten Schwarzen bleiben daher meistens Diener, Wasserträger, Gärtner, Ackerbauer, gemeine Matrosen, Taucher u. s. w., und obgleich ihre Zahl ungeheuer ist und ein Viertheil der ganzen Bevölkerung erreicht, so tragen sie doch wenig oder »nichts zu der Sache der gesellschaftlichen Cultur und des Fortschritts bei. In zwei Punkten nur behaupten sie eine entschiedene Superiorität, aber eine Superiorität, die schlimme Früchte trägt, nämlich im Aberglauben und Sittenlosigkeit. Fetischanbeter in ihrer Heimath, bleiben sie es auch auf arabischem Boden, und mit dem Fetischismus bringen sie dessen ganzes lybisches Gefolge von Gaukelei, Magie, Zauberei, Vergiftung und dergleichen, und diese schimpflichen Künste sind in einer gewissen Ausdehnung in die weisse Bevölkerung übergegangen, und die schwarzen Meister 273 werden von ihren weissen Schülern sogar noch übertroffen. Mit einem Worte, das grosse Ueberhandnehmen örtlichen und erniedrigenden Aberglaubens, das gefährliche Sich abgeben mit bösartigen kosmischen Einflüssen, mögen sie sein, was sie wollen — der Fetischismus mit Bäumen, Thieren, Schlangen, und weiss der Himmel was sonst noch, — kurz, Teufelei aller Art und in jeder Gestalt, wird von der allgemeinen Stimme des Volks in 'Oman (und, es könnte scheinen, nicht ohne Grund), in der Hauptsache dem Einfluss und der Berührung mit der Negerbevölkerung zugeschrieben. Jedoch die Anspielungen einiger alten mohammedanischen Schriftsteller könnten uns zu der Meinung verführen, dass etwas von dieser Verkehrung wirklich einheimisches Gewächs der östlichen arabischen Halbinsel ist und früher schon und unabhängig vor der afrikanischen Importation existirte, obwohl es sicher durch diese vergrössert wurde. Der zweite Punkt, die Sittenlosigkeit, wird nicht überraschen, wenn man weiss, wie sehr eine Sklavenbevölkerung geneigt ist, die gröbsten Laster ihrer Herren selbst zu unterstützen, und wenn man überhaupt die Sinnlichkeit der afrikanischen Rasse kennt. Der niedrige Stand der Sittlichkeit in den , Südstaaten der amerikanischen Union giebt ein Beispiel und überhebt mich, weiter auf diesen unerquicklichen Gegenstand einzugehen. Bevor ich die unterbrochene Erzählung meiner Reise wieder aufnehme, muss ich noch eine gedrängte Uebersicht der politischen Geschichte dieses Landes und seiner Stellung vorausschicken, ohne welche Manches vor dem, was folgt, unverständlich bleiben würde. Nach einer langen Periode von beinahe acht Jahrhunderten, während welcher einige Bewegungen unter den mit 'Oman zusammenhängenden Beduinenstämmen, einige unbedeutende Vorfälle, mehr von 274 persönlichem als nationalem Charakter, und eine gewisse Betheiligung, ■ wie bereits erzählt, an dem karmathischen Aufstand in Hasa Alles sind, was die geschichtlichen Dokumente von 'Oman erzählen, bringen portugiesische Unternehmung, die Heldenthaten Albuquerques, die Eroberung von Ormuz und später von Mascat dieses Königreich zuerst wieder auf den Schauplatz der allgemeinen Geschichte. Während der ganzen vorausgehenden Zeit scheint 'Oman keine von den fremden Besitzungen erworben zu haben, die ihm gegenwärtig mehr als die Hälfte seiner Macht und seines Ansehens verleihen j Persien hielt noch die Küste und den Meerbusen in Besitz, die karmathische Herrschaft von Katif reichte noch bis Ras Mesandera, und Afrika, Zangibar und Socotra kannten im J6ten Jahrhundert unserer Aera die 'Omänis nur als einfache Kaufleute, vielleicht als Sklavenhändler. Im Innern, scheint die Regierung ihre ursprüngliche Form bewahrt zu haben, die mehr eine Art Conföderation als absolute Monarchie war, in welcher die Jaäribah damals die erste Stelle und königliche Würde innehatten, mehr noch als jetzt die Familie Sa'ids. Durch die portugiesische Invasion aber wurde Alles verändert; diese war das Signal zu weit ausgedehnten Eroberungen zur See und zu Lande, in denen Portugal, Holland und Persien gleichmässig be-theiligt waren und vorübergehende Vortheile hatten. 'Oman mit seinen Inseln und Küsten war zuerst der passive Schauplatz dieses Zusam-menstosses, bis es, dem Ruin nahe gebracht, sich erhob, an dem Kampfe theilnahm, seiner Macht bewusst wurde und aus seinen Verlusten selbst einen grossen und dauernden Gewinn zog. Im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert schien es schon ganz verloren. Die Portugiesen hatten Mascat nebst anderen wichtigen Punkten der Küste in Besitz. Ormuz und die benachbarten Inseln gehörten ihnen ebenfalls, und ihre Flotte, Herrin der See, vernichtete den Handel und Verkehr des östlichen Arabiens. Dann kamen die Holländer, allerdings Feinde der Portugiesen, aber auch nicht weniger Feinde der einheimischen Macht, und endlich fassten die Perser, von der Eifersucht der beiden europäischen Mächte Nutzen ziehend, auf Ormuz Fuss, von wo sie nach 'Oman hinübergingen, dessen Bewohner sie als Unterworfene betrachteten und als Fremde bedrückten. Die wichtigsten. Ereignisse dieses langen Kampfes sind bekannt. Die Portugiesen wurden nach einer anderthalbhundertjährigen oft an-875 gefochteneu Herrschaft endlich ganz und für immer von den Küsten 'Omans und des persischen Meerbusens vertrieben; die Holländer gewannen Festungen, Stationen und Inseln, und verloren sie dann alle wieder; während die Tapferkeit und Klugheit Sa'ids, des Statthalters von Sohär, die Perser von dem festen Lande vertrieb, und die königliche Krone auf sein eignes Haupt setzte. Dieses Alles ist von verschiedenen Geschichtschreibern des Orients erzählt worden. Eine der besten Darstellungen, obwohl etwas zu gedrängt, finden wir bei Niebuhr; die französischen Schriftsteller, welche ich zu Rathe ziehen konnte, sind zu ungenau, und die portugiesischen zu unwissend. Ahmed-ebn-Sa'id wurde i. J. 1759 zum Sultan von 'Oman ausgerufen und hatte den Thron bis 1780 inne. Seine Regierung, nach einigen Kämpfen mit denen , welche sich seiner Erhebung entgegensetzten, und die, wie man sagt, ohne grosses Blutvergiessen geführt wurden, war friedlich und selbst glücklich. Während dieser Zeit wurden die Grenzen des Reichs im Westen bis Hasa und Bahrejn vorgeschoben und die Macht Ahmeds erstreckte sich bis Dofär au der südlichen Küste. Das Andenken an ihn ist noch lebendig, obwohl verdunkelt durch das seines vEnkels, des Sultan Sa'id, wie er oft emphatisch genannt wird. Ahmed hinterliess bei seinem Tode die Krone seinem Sohne, dessen Namen ich nicht erfahren habe. Die Regierung desselben ist durch keine wichtigen Ereignisse gekennzeichnet; eine Zeit des friedlichen Fortschrittes, nicht des Ruhmes, wenn Ruhm wirklich mit Eroberung gleichbedeutend ist. 'Oman gewann jedoch immer, mehr an Bedeutung, der Handel hob sich und entwickelte in einer Periode der Ruhe mit Müsse seine grossen Hilfsquellen. Dieser Ebn-Sa'id, um ihn mit seinem Familiennamen zu nennen, starb ziemlich jung im ersten Jahrzehnt unseres Jahrhunderts; ihm folgte sein Sohn Sa'id, der grösste dieses Namens. Sa'id, obwohl noch jung an Jahren, als er den Thron bestieg, war alt an Rath. Er erkannte sogleich, dass die Macht seines Reiches mehr auf dem Meere, als auf dem Lande beruhe und begann daher mit der Bildung einer Seemacht, die stark genug war, ihm die Herrschaft über den persischen Meerbusen zu sichern. Bald hatte er etwa dreissig Fregatteu bemannt und ausgerüstet, die nach europäischem Muster an den westlichen Häfen Indiens erbaut und gut mit Kanonen versehen waren: die rothe Flagge von 'Oman, von Jemen entlehnt, an ihren Wimpeln. Mit dieser Flotte eroberte Sa'id die Insel und Küste Zangibar, Sowähit, Socotra, und zwang endlich nach einer langen Blokade zur See die persische Regierung den wichtigsten Küstenstreifen abzutreten, welcher jetzt zu 'Oman gehört, nebst den Inseln Ormuz, Gischm, Lareg und endlich noch Bahrejn. Alle diese Oertlichkeiten besuchte Sa'id selbst, ermuthigte und ordnete ihren Handel, öffnete neue Handelswege und machte sein Königreich zu dem reichsten und glücklichsten, wenn nicht in ganz Asien, so doch wenigstens in Arabien. Das wahhabitische Reich war jetzt in der ersten Blüthe seiner Kraft und es konnte nicht fehlen, dass der Ruf von den grossen Schätzen, welche die weniger kriegerischen ungläubigen Nachbarn aufgehäuft hatten, die Habgier des orthodoxen Ebn-Saüd erweckten. Es folgte jetzt der Einfall 'Abd-Allah's und die Einnahme von Mascat, nach welcher 'Oman eine Zeitlang Neged tributpflichtig blieb. Etwas später fanden jene kleineren Kämpfe an Räs-el-Hadd und der Massora gegenüberliegenden Küste statt, als englisch-indische Truppen mit den Eingebomen dieser Gegenden in Berührung kamen, ein Ereigniss, welchem bald darauf die gänzliche Niederwerfung der Seeräuber folgte, die, obwohl nicht gerade unter unmittelbarem Befehl Sa'ids, doch nicht ganz ohne seine Zustimmung, die Schitffahrt auf dem persischen Meerbusen schwierig und selbst für europäische Schiffe unsicher machten. Die Unterwerfung der Wahhabiten durch Ibrahim Pascha brachte Sa'id seine Unabhängigkeit wieder, und während den noch übrigen Jahren seiner Regierung, die im Ganzen beinahe fünfzig Jahre dauerte, erlangte 'Oman seinen ganzen frühern Wohlstand wieder und vermehrte denselben sogar noch. Es wurde jetzt das Emporium des Handels von Afrika, Persien und Indien, und zahlreiche Colonien von Kaufleuten, namentlich aus Indien, wurden durch die freisinnige Politik Sa'ids bewogen, sich in. Sohär, Barka, Mascat und anderen Hafenstädten niederzulassen und brachten ein Geschick und Ausdauer mit, die man bei den Arabern selbst nur selten findet. Wahrend der Wahhabiten-Herrschaft hatte 'Oman jährlich, unter dem Namen eines Tributs, eine bedeutende Summe an den Scherif von Mekka bezahlt, welches Amt damals 'Abd-AlIah-ebn-Sa'üd bekleidete, oder vielmehr usurpirt hatte. Natürlich hielt Sa'id, sobald er von dem negedäischen Joche befreit war, für überflüssig, noch länger gezwungen zur Erhaltung der heiligen Stadt beizutragen. Der Scherif von Mekka jedoch war anderer Meinung und drohte mit ernstlichen Feindseligkeiten, im Falle der Sultan, von 'Oman bei seiner Weigerung, diesen » arabischen Peterspfennig zu zahlen, beharren sollte. Mehrere Gesandtschaften gingen hin und her, und als der Notenwechsel zu keinem Resultate führte, entschloss sich Sa'id, der, wie es scheint, die Abwechselung liebte und die Welt draussen sehen wollte, dem Scherif einen persönlichen Besuch abzustatten und die Angelegenheit zu ordnen. Mit grossem und prachtvollem Gefolge ging der Sultan zur See nach Gidda und von da nach Mekka, wo der Glanz, mit dem er auftrat, so sagen die 'omanischen Geschichtschreiber, allgemeine Bewunderung erregte. Der Scherif war sehr höflich und Alles schien ganz gut zu gehen; es sollten nur noch die Ansprüche Mekka's gemässigt und festgestellt werden, als Sa'id den Scherif bat, ihm die Gunst zu erweisen, ihn nach dem heiligen Hause oder Ka'abah zu führen, damit er den Tempel sehen könne, zu dessen Reichthum er hinfort beisteuern solle. Der Scherif willigte ein und sie betraten miteinander das Heiligthum. Sa'id fragte, wo die verschiedenen orthodoxen Sekten ihre Gebete hielten, und man zeigte ihm die Stationen der Schafi'i, Hanbeli u. s. w. „Und wo ist die Station der Biadijahs?" fragte der Fürst; eine Frage, die leichter gethan, als beantwortet war. Der Scherif musste gestehen, dass es keine gäbe, worauf Sa'id entgegnete, dass er dann auch keinen Grund sähe, seiner Seits zu einem Gottesdienste beizutragen, an dem er keinen Antheil habe. Er verliess sogleich Mekka und von dem Tribute war, so lange er regierte, keine Rede mehr. Wir werden später sehen, wie unter seinem Sohne Thowejni die Ansprüche erneuert wurden. Sa'id theilte auf seinem Sterbebette seine grossen Besitzungen zwischen seine drei Söhne. Thowejni, der älteste, erhielt 'Oman, östlich von Barka, mit Gebel-Akhdar und den anstossenden Provinzen nebst den dazu gehörigen Ländereien und Inseln im Meerbusen; Mägid, der zweite, erhielt die afrikanischen Besitzungen, und Amged, der jüngste, den westlichen Theil von'Oman, von Barka bis Katar, mit der Hauptstadt Sohär. Diese unpolitische Maassregel, welche dem Einflüsse der Königin Mutter und ihrem berechnenden Hasse gegen ihre eigenen Kinder zugeschrieben wird, war der Grund zu langen Kriegen und grossem Unglück für das Reich von 'Oman. 278 Es gehört keine grosse Sehergabe dazu, die Folgen einer solchen Dreitheilung vorauszusagen, und sie blieben nicht lange aus. Zuerst kam es zum Streit zwischen Thowejni und Mägid, da Jener Tribut und Bündniss verlangte, wozu dieser sich nicht verstehen wollte. Ein Krieg zur See zwischen den beiden Brüdern wurde nach zwei oder drei Jahren durch englische Einmischung, vielleicht durch die Entfernung der kriegführenden Mächte von einander, beendigt und ein jährlicher Tribut festgesetzt, durch welchen Mägid vollständige und absolute Herrschaft über Zangibar und das Sowähil erkaufte. Der nun folgende Streit, ebenfalls eine Folge der unglücklichen Theilung, war ungleich verderblicher, sowohl an sich selbst, als in seinen Folgen. Thowejni, den der Wille seines Vaters zum Herrn über zwei Drittheile des Festlandes von 'Oman gemacht hatte, nebst dessen wichtigen Centralpunkten für Regierung und Handel, Meister überdies der grossen Seehäfen zu beiden Seiten des Golfs, mit zwei Drittheilen des nationalen Handels zu seiner Verfügung, war nicht länger mit einer getheilten Herrschaft zufrieden und suchte seinen jungem Bruder Amged "um sein Erbtheil zu bringen, um in 'Oman allein als absoluter Herrscher zu regieren. Amged aber, obwohl der Schwächere von Beiden an materiellen Hilfsmitteln, hatte einen mächtigen Bundesgenossen für seine Sache in der Sympathie fast der ganzen eingebornen Bevölkerung von Schargah bis Räs-el-Hadd, eine Sympathie, die er sich durch sein freundliches Benehmen und durch seine gute Verwaltung innerhalb seines unmittelbaren Gebiets erworben hatte. Als daher der Streit zwischen den beiden Brüdern in offenen Krieg ausbrach, fand Thowejni die Aufgabe, welche er vor sich hatte, ungleich schwerer, als er vorher gemeint, denn die ganze Bätinah, die grösste und volkreichste Provinz des Reichs, stand auf Seiten Am£eds; Nezwah, Bahilah und Gebel Akhdar folgten dem Beispiele und gegen einen Feind, der den bei weitem grössern Theil des Hauptlandes mit dessen drei Hauptstädten inne hatte und jetzt drohte den Angreifer in Mascat selbst zu belagern, konnte die Uebermacht zur See Thowejni wenig helfen. Wieder machte sich englische Einmischung geltend; Schade nur, dass sie zu Gunsten der unwürdigem Partei, nämlich Thowejni's war. Amged, der noch das offene Land in Besitz hatte, wurde von seinem altern Bruder zu einer Zusammenkunft in Mascat eingeladen, und dort, trotz feierlicher Verpflichtung und Versprechungen, verrätherisch als Gefangener zurückgehalten, wo er noch heute, in einen festen Thurm eingemauert, schmachtet. Thowejni war nun alleiniger Herr zu Lande 279 und zur See; aber die Treulosigkeit gegen seinen arglosen Bruder, sowie seine Ausschweifungen, brachten seine Unterthanen so gegen ihn auf, dass sie auch nach dem Verluste ihres Führers 'Amged die Waffen nicht niederlegten, und der Sultan nicht im Stande war, sie zur Unterwerfung zu zwingen. Nach einigen vergeblichen Versuchen die Rebellion zu dämpfen, rief Thowejni in einer unglücklichen Stunde für 'Oman den Wahhabiten zur Hülfe. Fejsal kümmerte sich sehr wenig darum, welcher von den beiden Brüdern die Krone trug, und einer von den beiden Ungläubigen hatte so wenig Recht auf seinen Schutz wie der andere. Aber Thowejni's Hülferuf gab ihm einen längst gewünschten Vorwand zu einer Einmischung, welche die Schlüssel zu dem reichsten Theile Arabiens in die Hände der Negdäer bringen konnte. Ueberdies hatte der Aufstand in 'Oman an und für sich ein eigenthümliches nationales Gepräge. Es war eine Biadi-Bewegung, an deren Spitze Amged stand, der selbst durch und durch Biadi war, und sein Zweck war weniger die Entthronung seines Bruders, als die, ein populäres Princip zur Geltung zu bringen und die Festigung alter karmathischer und antimohammedanischer Gebräuche. Diese Bewegung musste daher Fejsal besonders verhasst sein, dessen Erhebung sowohl innerhalb seines Reichs, als auch an den Grenzen hauptsächlich von der Unterdrückung des nationalen Elements abhing. Deshalb war keine Zeit zu verlieren, dem übel berathenen Verlangen nachzukommen: sogleich wurde in Riad ein grosses Heer gesammelt, ganz Neged, von Kasim bis Hasa, sandte seine Truppen, Freiwillige aus Schomer schlössen sich dem Heere an und 'Abd-Allah erhielt die oberste Führung. Das Wahhabitenheer rückte auf dem Küstenwege von Katar bis Schargab vor, wo bereits ein gleichgesinnter Bundesgenosse wartete. Dieser war Khälid-ebn-Sakär, ein geborner Negdäer vom Stamme Gowäsimah, der, wie ich schon oben bemerkte, an der nordwestlichen Seite des Kap Mesandem angesiedelt war. Khälid war nach langen und blutigen Kämpfen mit seinem Bruder und Oheim Herr der Stadt und der ganzen Provinz von Schargah geworden, welche er jetzt als Vasall des Sultans von 'Oman beherrschte. Von dem Charakter dieses Häuptlings mag man sich nach der hier folgenden Thatsache eine Vorstellung machen. Noch als halber Knabe hatte er seinen Oheim aus Schargah vertrieben und den Palast in Besitz genommen. Nach einigen Wochen aber kehrte der rechtmässige Herr zurück, mit Truppen, die 280 stark genug waren, seine Ansprüche geltend zu machen, und Khälid sah ein, dass er eine Belagerung nicht aushalten könnte. Er zog sich zurück ; vorher aber, um doch irgendwie sich an seinem altern Verwandten zu rächen, steckte er die Stadt in Brand und äscherte ein volles Drittheil derselben ein, entschlossen, zu verderben, was er nicht behalten konnte. Die 'omanische Regierung und die Biadijah mit dem ganzen Hasse eines orthodoxen Wahhabi hassend, denn das war er der Theorie nach, wenn auch seine ungezügelten und' persönlichen Laster ihn in der Praxis zu einem wirklichen Heiden machten, hatte Khälid schon längst den Plan gehegt, seine Provinz von dem Hauptkörper des Königreichs loszureissen und sich auch dem Namen nach unabhängig zu machen, denn in der That war er es schon in der ganzen Zeit der Anarchie gewesen, welche dem Tode des Sultan Sa'id folgte. Für die Ausführung dieses Planes konnte er mit Sicherheit auf die Unterstützung aller seiner wilden Stammesgeno: sen an der Küste der Gowäsimah zählen, die vollkommeue wahhabitische Räuber sind; aber ihrer waren nicht genug. Der Mangel wurde jetzt durch Ankunft 'Abd-Allahs ersetzt, seines natürlichen Verbündeten durch Blut, Charakter und Religion. Der Plan des Feldzugs nach 'Oman wurde von diesem par nobile fratrum entworfen und festgesetzt. 'Abd-Allah vertraute Khälid die Unterwerfung der Bätinah und Sohärs, während er selbst mit dem Hauptheere nach Gebel-Akhdar marschirte und sich der Gebirgsgegend bemächtigte; Alles im Namen Thowejni's, der, wie das Pferd in der Fabel, einen Verbündeten suchte und einen Tyrannen fand. Nach wenigen Tagen rückte Khälid mit seinem wilden Heere und negedäischen Verstärkungen in die Bätinah vor, wo er Alles, was sich ihm entgegenstellte, mit dem Schwerte niederwarf, die Dörfer verbrannte, die Städte plünderte und überall im Namen Gottes nach Herzenslust mordete. Fagirah, Schinäz, Soham und andere weniger bedeutende Küstenstädte wurden verbrannt und verwüstet, und Khälid rückte, Alles verheerend, bis in die Nähe von Sowejk vor, wo er den eingebornen Einwohnern, die sich ihm entgegenstellten, um sein weiteres Vorrücken zu hindern, eine so schreckliche Niederlage beibrachte, dass die ganze Bätinah sich auf Gnade oder Ungnade, oder vielmehr der Willkür seiner räuberischen Grausamkeit, übergab. Mittlerweile hatte 'Abd-Allah mit einer zahlreichen Armee Berej- mali erreicht, welches vier Tagemärsche von Schargah, am Fasse des Gebel 'Okdah liegt, wo sich die erste grosse Spitze der Bergkette von Dähira erhebt, die sich von NW. nach SO. zieht, parallel mit der Bergkette von Gebel-Akhdar, aber weiter landeinwärts. Den g Erben Fejsals stand jetzt der Zugang zu den festen Plätzen 'Omans offen, aber er hielt nicht für klug, seine geheiligte Person den Gefahren der Gebirgspässe auszusetzen, sondern blieb in Berejmah und sandte ein grosses Beobachtuugsheer unter Zämil, dessen spätere Geschichte in 'Onejzah wir bereits kennen, der aber damals in scheinbarer Gunst bei der Regierung von Neged stand, voran. Wie alle Kriegszüge der Wahhabiten, so hatte auch dieser den religiösen Namen „Ghaza" und war natürlich gegen die Feinde Gottes gerichtet. Ein hübsches Bruchstück nabathäischer Poesie, bei dieser Gelegenheit von einem poetischen Krieger gedichtet, und in welchem die Orthodoxie von Neged dem Unglauben von 'Oman entgegengestellt wird, wurde mir in Hasa recitirt; Mohammed selbst würde die Sahhäbah nicht in einem andern Tone ermahnt haben. Aber die Wahl Zämils als Feldmarschall während 'Abd Allahs Abwesenheit, dämpfte die heilige Flamme und wandte die Schärfe des Schwertes des Islams. Die Wahl war nicht weniger wegen der höheren kriegerischen Eigenschaften des jungen Häuptlings nothwendig, als wegen seiner grossen Popularität, nicht allein in Kasim, sondern selbst im eigentlichen Neged und bei Allen, die nicht absolute Zeloten oder Fanatiker waren. Aber Zämil war im Herzen dem Dogma der Wahhabiten ebenso abgeneigt, wie ihrer Herrschaft, und blickte mit mehr Sympathie auf diejenigen, welche er unterwerfen sollte, als auf die, welche ihn zur Eroberung ausgerüstet hatten. Er wünschte daher nichts mehr, als die Sache zu einem friedlichen Ausgange zu bringen, der verhinderte, dass die Macht von 'Aared einen bedeutenden Zuwachs erhielt und zugleich 'Oman vor Plünderung und Blutvergiessen sicherstellte. Er selbst zeigte sich nichts weniger als bigott, vielmehr gerade das Gegentheil: sein geräumiges Kriegszelt war vom Morgen bis zum Abend mit Offizieren und Häuptlingen vom höchsten Range angefüllt, denen, wenn die kriegerischen Berathungen und Dis-cussionen vorüber waren, Zämil mit gutem Beispiel voranging, aber nicht im Koranlesen und langen Gebeten, sondern in einer an Ausgelassenheit grenzenden Lustigkeit, lautem Gelächter, zuweilen sogar Tanz und Berauschung. Unter einem Haupte mit solchen Neigungen nahm der Körper natürlich eine ähnliche Richtung. Bald betrachteten Alle die Einwohner des Landes, durch welches sie vorrückten, mehr oder weniger mit freundlieben Augen, weil sie gleiche Neigungen mit ihnen fanden, und Zämil hatte keine Schwierigkeit zu erreichen, was er wollte, nämlich einen nicht durch Blutvergiessen befleckten Marsch, der mit einem zeitigen Frieden endigte. Aber obgleich 'Abd-Allah die Schlauheit, durch welche sein General der Politik von Riad entgegenarbeitete, fühlte und durchschaute, so war er doch nicht im Stande, ihm entgegenzuarbeiten oder ihn zu bestrafen, da im Fall der Noth neun Zehntheil des Heeres ihre Waffen zur Vertheidigung Zämils erhoben hätten. Indessen Zämils Haupt war am Hofe zu Riad bereits verfallen, und Fejsal. der von Allem, was in 'Oman vorging, gut un-II. 14 terrichtet war, erwartete nur die günstige Zeit, um seine Wutli an der ganzen Familie'Atijali auszulassen. Diese einzelnen Umstände erfuhr ich von meinem Begleiter Jusefebn-Khnmis und Anderen, die in diesem Feldzuge unter Zämils Führung die Wallen getragen hatten. Ohne auf grossen Widerstand zu treffen, zogen die Angreifer im Thale 'Obri aufwärts, nach Mokhanneth, einem grossen Dorfe, welches unmittelbar hinter der Beigkette von Akhdar liegt und wo sich die Strasse links nach Nezwah, rechts nach Bahilah tlieilt. Leber Mokhanneth liegen die, namentlich dir Angreifer, schwer zugänglichen Gebirgspässe von Akhdar, die jetzt von den zu ihrer Vertheidigung entschlossenen Gebirgsbewohnern besetzt waren. Zämil war in einer von der Khälids in der Bätinah durchaus verschiedenen Weise herangezogen; überall auf seinem Wege sicherte er den Einwohnern Friede und Sicherheit, mit der einzigen Bedingung, Thowejni als Sultan anzuerkennen; sonach behandelte er die Bewohner des Dorfes als Freunde und untersagte seinen Leuten Plünderung und jede Ausschweifung aufs Strengste. Als er in Mokhanneth ankam, bereiteten die 'Omäni, welche wohl wussten, mit wem sie es zu thun hatten, ihm und seinem Heere eine vollständig gastliche Aufnahme; die Häupter der Ja'aribah und and« re Vornehme aus dem Gebirge kamen ihm entgegen. Bei der Zusammenkunft, welche hierauf stattfand, versicherten die 'omanischen Anführer Zämil, dass sie sich auf gute Bedingungen Thowejni gern unterwerfen wollten, und daher weder von der einen noch von der andern Seite Feindseligkeiten nöthig seien; nur protestirten sie durchaus gegen fremde Einmischung und gaben Zämil und dessen Offizieren zu verstehen, dass, wenn er sich in die Pässe von Baliila wage, wenige von ihnen zurückkehren würden. Während Mars so im Weichen war, gewann Venus die Oberhand. Die grossen Augen und schlanken Gestalten, die einnehmenden Manieren und die Freundlichkeit der schönen Frauen in 'Oman trugen nicht weniger dazu bei, den kriegerischen Sinn der Negdäer zu mildern, als die Drohungen und diplomatischen Unterhandlangen der tapferen 283 Männer. Zämil selbst unterlag den Beizen einer Schönen des Landes, deren Vaterlandsliebe grösser war als ihre Tugend, und manche seiner Tapferen blieben von Hymens Banden gefesselt in den friedlichen Dörfern des Gebel-Akhdar. Kurz, die Expedition endigte, wie die meisten Romane, mit Hochzeiten und Ansiedelungen und die Sache ging so weit, dass Zämil Mühe hatte, sich den Cleopatren von Mokhanneth zu entreissen und sein Heer, so weit gute Worte und Gewalt noch etwas halfen, nach Berejmali zurückzufühien. Dieses eigentümliche Manöver einer verzeihlichen Verführung war auf Anordnung Thowejni's organisirt worden, der um diese Zeit die Gefahr, in welche sein törichter Ehrgeiz ihn und sein Reich gebracht hatte, vollkommen einsah und nun dieselbe abzuwenden oder wenigstens zu vermindern suchte, ehe es zu spät war. Als die Verhandlung, in der eben beschriebenen Weise, den gegen das Herz seines Reichs gerichteten Angriff abgewendet hatte, eilte er, den Verwüstungen Khälids in der Bätinah Einhalt zu thun. Aber Khälid und seine Truppen waren von einem ganz andern Geiste' beseelt als Zämil ; Plünderung und Blutvergiessen war ihr Zweck, nicht Pacification und Btindniss, und Thowejni war nicht stark genug, den Angreifern wirksamen Widerstand entgegenzusetzen. I'hra blieb nichts übrig, als die Intervention Abd-Allah:^ zu suchen. Thowejni rechnete so, und seine Berechnung war nicht schlecht, dass auf dem wahhabitischen Fürsten Oold dieselbe Wirkung üben werde, wie Schönheit und Zärtlichkeit auf seinen Feldherrn. Er nahm also ein gehöriges Quantum dieses Universalmittels mit sich und begab sich persönlich nach Berejmah, wo Abd-Allah im Hauptquartier zurückgeblieben war. Durch reiche Geschenke und noch grössere Versprechungen für die Zukunft überzeugte Thowejni den Erben von Neged, dass 'Oman vollständig wieder zum Gehorsam gegen seinen rechtmässigen Herrn zurückgekehrt und Krieg und Gewalt nicht mehr nöthig seien. Auf diesen Grund verlangte, er unmittelbare Zurückberufung Khälids. Der Sohn „Sakars" oder des Geiers (ein passender Name; liess seine 284 halb aufgefressene Beute im Stich, und kam, aber sehr ungern, nach Berejmah, sehr ungehalten darüber, dass er in seinem Fortschritt gehemmt wurde. Aber 'Abd-Allahs Befehl war positiv, und ein Argument derselben Art, welches bereits den Fürsten von Riad überzeugt hatte, half auch dessen Verbündeten Gowäsimah von der Zweckmässigkeit des Friedens überzeugen. Mittlerweile halten die Bewohner von 'Oman, von einem Ende des Reichs zum andern, ihre inneren Streitigkeiten beigelegt und sammelten sich nun zu einem furchtbaren Vertheidigungsheere; und 'Abd-Allah, wie wild und fanatisch er war, besass doch genug von der Klugheit seines Vaters, um vor einem Kampfe der Verzweiflung zurückzuweichen, bei dem er so weit von seinem eignen Gebiet entfernt, im Nachtheil war. Es wurde also Friede geschlossen, unter der Bedingung, dass die wahhabitische Armee aus dem Lande zurückgezogen würde, Khälid seine Truppen aus der Bätinah zöge und sich mit den Provinzen Schargah, Kaihat und den Gebirgen des Cap begnüge und an Thowejni, der jetzt der alleinige Oberherr über das ganze Gebiet seines Vaters in Arabien blieb, einen jährlichen Tribut zahlte. Der Monarch von 'Oman versprach dagegen, jährlich ein Geschenk nach Riad zu schicken, unter dem Namen eines Beitrags für den Scherif von Mekka, die Errichtung einer permanenten Negdäischen Besatzung in Berejmah zu gestatten, um die Menäsir und Aäl-Morrah, die während der letzten Unruhen übermüthig geworden, wieder zu demüthigen — welche unter unmittelbarem Befehle Thowejni's stehen solle; endlich willigte der König noch ein, eine Anzahl Negdäer (ich glaube etwa 300; in seinen persönlichen Dienst und Leibgarde aufzunehmen. Auf diese Bedingungen wurde der Vertrag von beiden Seiten ratiticirt und 'Abd-Allah räumte mit seinen Truppen das Land, eine aufgehäufte Schuld von Hass hinter sich zurücklassend, welche Generationen nicht bezahlen können. Dieses Alles fand etwa zehn Jahr vor meinem Besuche des Landes statt. Seitdem ist 'Oman noch nicht wieder durch innere Streitigkeiten erschüttert worden. Thowejni, ein Sybarit in seinem Privatleben, und im Öffentlichen ein sehr nachlässiger, obwohl keineswegs geistig unbegabter Fürst, hält «ein Reich mehr dadurch zusammen, dass er die untergeordneten Häuptlinge des Landes im vollen Besitz ihres erblichen Ansehens lässt und so durch diese herrscht, als durch seine eigene unmittelbare Thätig-keit. Seine besondere Aufmerksamkeit und Verwaltung ist hauptsächlich den Häfen und dem Handel zugewendet; aber die Gesellschaft abyssinischer Concubinen und lockerer Gesellen, Prachtaufzitge mit schönen Pferden und Lustpartien sind der eigentliche Zweck seines Lebens. Ich will hier nicht vergessen zu bemerken, dass der Titel „Imäm von Mascat" in 'Oman selbst nicht gebräuchlich und eine europäische , durchaus nicht, arabische Benennung ist. Thowejni ist weder ein Imäm in dem eigentlichen und mohammedanischen Sinne des Worts, noch ist Mascat seine Hauptstadt. Das Wort „Imäm" bezeichnet allerdings im Allgemeinen jeden, der den Vorrang hat, insbesondere im Kriege oder beim Gebet, zuweilen auch in Wissenschaft und Literatur. In Neged wird Fejsal zuweilen, aber sehr selten, von seinen Unterthanen Imäm genannt, und dasselbe Wort habe ich einige Male auch auf den Thronerben Abd-Allah anwenden gehört; aber selbst in Neged ist das Wort „Sultan" bei weitem gebräuchlicher, und in 'Oman wird Thowejni nie anders genannt. Sein richtiger Titel ist daher „Snltänö 'Aamän" d. i. „Sultan von 'Oman". Als officielle Hauptstadt hat er die Wahl zwischen Bahilah, Sohär und Nezwah; letzteres ist die gewöhnliche Residenz. Eine zweite Bemerkung über den eigenthümlichen Charakter seiner Regierung mag beinahe überflüssig erscheinen. Meine Leser werden bereits bemerkt haben, dass diese in der That eine eingeschränkte Monarchie ist, allerdings nicht durch verbriefte Urkunden, sondern durch eine mächtige Aristokratie mit erblichen Privilegien und durch verjährte Rechte des Volks. 'Oman ist weniger ein Königreich, als eine Vereinigung von Municipalitäten; jede Stadt, jedes Dorf hat seine besondere Existenz und Corporation; während Städte und Dörfer ihrerseits wieder einem oder dem andern erblichen Häuptlinge unterworfen sind, deren Ansehen und Macht in den Provinzen wieder von der einen Seite durch die traditionellen Gerechtsame ihrer Vasallen eingeschränkt ist, von der andern durch die Prärogative der Krone. Diese Prärogative bestehen in dem Rechte, die lokalen Statthalter zu ernennen oder auch abzusetzen, wenn Klage gegen sie erhoben wird, obwohl das Amt immer in derselben Familie bleibt; in dem Rechte, die Zölle und Abgaben in den Häfen zu bestimmen und zu erheben; in dem ausschliesslichen Befehl über die Flotte; dem Rechte, ein kleines stehendes Heer von etwa sechs bis siebenhundert Mann zu halten; endlich, der Führung aller auswärtigen Angelegenheiten betreffs Bündnisse, Krieg oder Frieden. Die Rechtspflege und Entscheidung über Criminalfälle gehört hier nicht, wie in Neged und Schomer, vor den Sultan, sondern bleiben den Kadis oder lokalen königlichen Richtern überlassen; kurz, der ganze Rechtslauf gilt als vollständig unabhängig von dem Souverain, ausser bei ganz besonderen Umständen. Ferner, die von Grund und Boden oder Vermögen (mit Ausnahme von überseeischem Handel) erhobenen Steuern, können nur durch die lokale oder muni-cipale Autorität abgeändert werden, der Sultan hat nur den Genuss derselben. Aus diesem Allen geht hervor, dass die Hauptstütze des Sultans von 'Oman auf dem Wohlwollen seines Volks und der Blüthe des Handels zur See beruht; während von der andern Seite, wenn er, wie Thowejni, ein nachlässiger Regent ist, die daraus folgenden Uebel-stände mehr indirekt als immediat sind, da die Nation im Ganzen und Grossen immer dieselbe bleibt, wer auch an ihrer Spitze stehen mag; man könnte beinahe sagen, sie regiert sich selbst. 'Oman kommt so dem, was wir eine gemischte oder constitutionelle Regierung nennen näher, als irgend eine andere in Arabien, vielleicht im ganzen Orient. Einige Woite muss ich noch sagen über die Stellung, welche jetzt die Wahhabiten in 'Oman einnehmen. Meine Leser werden wohl ver-muthen, dass eine feindliche Invasion, und namentlich die Kriegsführungen Khälids und ebenso des unter seinem Befehl stehenden Metejri, eines seines Herrn würdigen Räubers, nicht viel beigetragen hat, die Biadijah mit den Dogmen und Institutionen Ebn-Sa'uds zu versöhnen. Alba in den Niederlanden oder Cortez in Mexico waren kaum weniger verhasst. Der wahhabitische Einfluss, durch die Gowäsimah im Westen, die Besatzung Berejmahs und die übrigen Anhänger oder Soldaten, die in den wichtigsten Städten der Bätinah, wie in Sohär und Barka, zerstreut oder der Leibgarde Tliowejni's einverleibt sind, hat jedoch sehr abgenommen, und zu der Zeit, als ich das Land besuchte, fand ich die Partei der Wahhabiten ganz unbedeutend. Dazu mögen manche Ursachen beigetragen haben. So hat Ahmed-es-Sedejri, den Fejsal zum Statthalter von Berejmah ernannt und dort festgesetzt hatte, um ihn von seiner übrigen Familie zu trennen, nach und nach fast sein ganzes negedäisebes Gefolge entlassen und lebt jetzt mehr als 'Omäni, denn als wahhabitiscber Herrscher; umgeben von Eingebornen des Landes, deren Wohlwollen Ahmed auf Kosten der Politik seines Herrn, dessen Grundsätze und Tribut erworben bat, indem er den ersten vernachlässigte, die zweiten missachtete, den dritten einsteckte oder verschleuderte, anstatt ihn nach Riad in den Schatz zu senden. Während meines Aufenthalts in der Hauptstadt von 'Aared hörte ich von den Leuten am Hofe mehr als einen strengen und nicht ganz unverdienten Tadel über Abtrünnigkeit 287 des Sedejri, aber Entfernung und die Gefahr, mit einem mächtigen Unterthan zu brechent (denn Ahrned ist das Haupt seiner Familie, einer der angesehensten in Neged), abgesehen von der Wahrscheinlichkeit otfenen Ungehorsams, haben Fejsal bisher abgehalten, ihn zurückzurufen. Die übrigen Negdäpr in 'Oman haben ebenfalls häufig das arabische Sprichwort; „Vierzig Tage machen den Mann zu dem mit dem er umgeht" bewahrheitet. Manche dieser früheren Glaubenshelden ' haben den Wahhabäismus innerlich und äusserlieh abgethan, tragen bunte Kleider, rauchen wie Vulkane, führen freie Reden und scheinen die stereotypen frommen Redensarten vollständig vergessen zu haben; andere haben durch „ungläubige" Ehe mit irgend einer schönen, aber ehren-werthen Sirene des Landes noch eine andere Scheidewand zwischen ihrem frühern und jetzigen Selbst gezogen. Die in Mascat und den grösseren Hafenstädten angesiedelten Mohammedaner jedoch bewahren den äussern Anstand so ziemlich, theils wegen ihrer häufigen Verbindung mit ihrem Heimathlande, theils auch aus Achtung gegen sich selbst, welche ihnen ihre Anzahl einflösst. Die Sonnis von alten neg- • däischen Familien, die seit vielen Generationen über die ganze Bätinah verstreut sind, nebst den Gowäsimah des Ras Mesandem, halten mit ganzer Zähigkeit und Bigöterie an ihren eigenthümlichen Grundsätzen. Dies sind jedoch Anomalien, und 'Oman bat im Ganzen keine Neigung, irgend eine Form des orthodoxen Islam anzunehmen, am wenigsten den Wahhabäismus. An der andern Seite des persischen Meerbusens herrscht die iSecte der Schija'i vor. Auch hier lässt die Regierung von 'Oman den Unterthanen in dieser Beziehung volle Freiheit, wenigstens so lange keine besondere Störung oder Gefahr zu befürchten ist; das Gebet, die Khotbah u. s. w. werden nach persischer Form öffentlich ohne irgend eine Einmischung abgehalten. Andere Eigentümlichkeiten dieser Küste werde Ich bei meinem Aufenthalte in Linga beschreiben. Am Morgen des 11. Februar gingen wir in einem Boote ans Ufer. An dem mittlen Quai ist ein kleines Dock, mit gerade genug Wasser, um Schiffe von arabischem Kaliber zu tragen, und gross genug, um etwa sechzig bis achtzig derselben aufnehmen zu können; vorn durch eine hohe Schutzmauer von picht ungeschickter Bauart, zu beiden Seiten durch Hafendämme geschützt. Schiffe, die hier nicht Raum finden können, werfen in der weiten sandigen Bucht Anker; 2S8 als wir ankamen, zählte ich etwa hundert Segel. Der ganze Hafen ist gegen Westen durch das Cap Bostanah geschützt;, gegen Osten durch ein entsprechendes Vorgebirge und die Insel Giscbm, gegen Norden liegt das feste Land und die Gebirge Persiens; nur ein Sturm von Süden kann die Ruhe der Gewässer von Linga stören. Die Stadt selbst liegt dicht am Wasser, von dem sie nur durch einen schmalen, mit trockenem weissen Sande bedeckten Uferrand getrennt ist. Ueber diesen erbebt sich der Boden etwa zwanzig bis dreissig Fuss, so dass die Häuser ziemlich vor Feuchtigkeit sicher sind und eine freie Circulation der Luft von der breiten und offenen Ebene hinter der Stadt gemessen. Die alte Stadt, um sie so zu nennen — nämlich die, welche schon zur Zeit der persischen Herrschaft stand — ist klein und gedrängt und kann etwa vier bis fünf Tausend Einwohner haben; beinahe die halbe Stadt besteht aus Marktplätzen, kleinen, aber hübschen Kaffeehäusern und ähnlichen Etablissements, mit einer grossen Moschee am Ufer des Meeres. Die Häuser in der alten Stadt sind fest gebaut, theils von Stein, theils von Ziegeln und weiss bestrichen, und sie haben ein wohnliches und selbst stattliches Ansehen, wenigstens erscheinen sie so, wenn man eben aus Katar herkommt. Das Sehnitzwerk, wo sich solches über den Thüren findet, die Fenster und Balkons, der spitze und oft doppelte Bogen, das dichte Gitterwerk und die verschiedenartigen Verzierungen an Simsen und Ecken sind in persischem Geschmack. Dieses Quartier von Linga war ursprünglich mit niedrigen Mauern umgeben, die aber jetzt an manchen Stellen gänzlich verschwunden sind. Seit Sultan Sa'id die Stadt in Besitz genommen und zu einem Freihafen gemacht hat, wo keine andere Abgabe erhoben wird, als ein unbedeutender Hafenzoll, hat Linga schnell an Bedeutung gewonnen und ist im Laufe weniger Jahre fünfmal so gross geworden, als es unter der persischen schlechten Regierung und Erpressung war. Einp andere Quelle seines gegenwärtigen Wohl stand es ist die Toleranz, welche, in Uehereinstimninng mit den Grundsätzen der 'omanischen Verwaltung, an die Stelle der schütischen Engherzigkeit getreten ist und zahlreiche Einwanderer, nicht allein aus Bahrejn, Katif, Hasa und Basrah, sondern seihst aus Beludschistan, Ludianah und Indien hingezogen hat. Neue Häuser, deren leichtere Bauart den neuem Wohlstand anzeigt, ziehen sich östlich und westlich weit an der Bucht hin oder reichen hinterwärts in das feste Land hinein, so dass man von zs9 einem Ende zum andern eine gute Stunde zu gehen hat. Gegenüber dem Rock erhebt sich ein hervorragender Felsen, fast dpr einzige in der ganzen Gegend, auf dessen Spitz«' ein altes Castell und mittelalterlicher Thurm steht, der aber jetzt ohne Besatzung ist; denn Thowejni verlässt sich zur Vertheidigung seiner Hafenstädte mehr auf hölzerne, als auf steinerne Mauern. Der Palast des 'omanischen Statthalters, eines jungen Mensehen von etwa zwanzig Jahren, Namens Sejf und Eingeborner der Bätinah, liegt weiter nach Osten; er bildet ein grosses, vier Stockwerk hohes Viereck mit Spitzbogenfenstern lind vielen persischen Zierrathen und erinnerte mich im Ganzen sehr an manche alte Stadthäuser in den Städten des europäischen Continents, namentlich in Belgien und Flandern. Weiter hin sind mehrere Schiffswerften, wo eben jetzt viele Schiffe im Bau waren, unter denen einige ziemlich grosse, die, soweit ich die Rechnung diese« Landes auf englisches Mass zurückfuhren kann, etwa 150 bis 200 Tonnen Last haben konnten. Die Srhiffsbauer selbst sind oft aus Indien, von der Küste von Bombay. Zu beiden Spiten der Stadt und hinter derselben sind Gärten, viele aber mehr zur Schau, als des Ertrages wegen, denn der Boden ist schlecht, kalkhaltig und sandig und die Bewässerung wegen Mangel an Wasser schwierig. In Linga giebt es nicht eine einzige Quelle mit frischem Wasser oder nur einen leidlichen Brunnen; den lbiuptbedaif ai' Wasser liefern die grossen Cisternen, welche den Uetierflnss d< r Winterbäche, die von den fernen Gebirgen durch die Ebene der Küste zuströmen, in sich aufnehmen und das ganze Jahr hindurch- erhalten. Diese Cisternen sind in der Regel kreisrund, dieissig bis sechzig Fuss im Durchmesser und zwölf bis zwanzig Fuss tief, zuweilen noch tiefer, mit hohen steinernen Mauern umgeben und einer gewölbten Kuppel, um ihren Inhalt vor der austrocknenden Wirkung der Sonne und des Windes zu schützen. Um den innern Rand läuft eine breite steinerne Einfassung, die jedoch zuweilen fehlt, so dass das Wasser bis unmittelbar an die Mauer der Kuppel steigt und nur durch die Thür oder die Thüren zugänglich ist und durch Stufen, die von da hinab führen, wie die bedeckten Brunnen in Guzerat und überhaupt in Indien und dem «ranzen Osten. Jede Kuppel hat fünf Thore, zum Andenken an die fünf den Schija'i besonders heiligen Personen, — 'Ali, Mohammed (nicht der Prophet, sondern ein Sohn 'AIi's\ Fatimah, Hasan und Hosejn. — Die Benutzung dieser Wasser- 200 bellälter steht Jedermann frei, ohne die geringste Abgabe; sie sind eine im vollsten Sinne des Wortes öffentliche Wohlthat. Einige Cisternen sind von länglich runder Form und mit einem eylimlerför-migen Gewölbe bedeckt; diese haben nur eine Thür. Das Wasser ist 21 ß Oman. Kap. XV. besser, als ich erwartet hätte; die kalkhaltige Füttermauer der Grube unten mag etwas zu der Reinheit desselben beitragen. Linga ist eine sehr lebhafte Stadt. Im Hafen laufen beständig Schiffe ein, oder fahren ab. Man sieht deren von allen Grössen und Gestalten, Seefahrer von allen Küsten in den verschiedenartigsten Trachten, Waaren aus Schiräz und Ispaban, Khorassan und Herat, Sind und Bombay, 'Oman und Zangibar; Perser, Tataren, Indier, Beludschen, Araber, 'Omänis (denn letztere werden in der gewöhnlichen Sprachweise des Landes immer von den Arabern und ihr Land von Arabien unterschieden, so dass das ,,'Arab" in 'Oman immer die Bedeutung eines Fremden einschliesst, und man spricht von einer Reise nach Arabien, wie etwa in England von einer Reise nach Dänemark oder Irland), Neger in Menge, dann und wann ein Syrer, Armenier, Aegypter, ausser einer Colonie • von Juden, die hier besser fortkommen, als in Bahrejn, und einer Menge wirklicher Bahärinah, welche Thowejni's unmittelbare Herrschaft der des El-Khalifah vorziehen. Es ist ein gutes Speeimen einer Handelsstadt im Orient und ein vorzüglicher Platz, um die Menschen und Sitten von halb Asien zu studiren. Während Jusef in die Stadt ging, um sich nach einer Wohnung für uns umzusehen, blieb ich am Fusse des alten Thurmes sitzen, den ich schon oben nannte, um das Schauspiel ungestörten Wohlstandes zu betrachten, welches ich früher viele Jahre vor Augen hatte, und über die Vortheile einer Regierung nachzudenken, die sich begnügt, die Sicherheit ihrer Unterthanen zu schützen, ohne sich in deren gesellschaftliche und persönliche Angelegenheiten zu mischen. Die Manier, zu viel zu thun — von Verordnungen, Monopol, Centralisation, Staats religion, Staatserziehung, Staatscontrole und Staatsschutz, mit einem Worte, das „protective" System, geht in manchen Ländern, im Osteu und Westen, so weit, dass es die Lebenskraft der Nationen lähmt, 291 ihren Fortschritt hemmt und die eigene Existenz blossstellt. Davon haben wir in Neged ein merkwürdiges Beispiel gesehen, und die Geschichte mancher andern Nation, die höhere Ansprüche macht, als die arabische, bietet genug Analogien. Dort fanden wir, anstatt der unentfesselten Kraft und sich selbst entwickelnden Freiheit, mit der ganzen daraus folgenden Fülle von Segnungen, das grosse stehende Heer und die schwer besteuerte Bevölkerung, eine ungeheure Hauptstadt und verarmte Provinzen, viel Prunk mit einer Nation von Sklaven, oder die auf dem besten Wege ist, zu Sklaven zu werden, und endlich eine abnehmende und demoralisirte Bevölkerung, die unbemitleidet zu Grunde geht. Auf das Grab mancher Regierung könnte man das Mottosetzen: „Stava bene; ma per star raeglio, sta qui." Es ist natürlich genug, wenn Theoretiker von väterlichen Pflichten, göttlichen Rechten, dem tö Ttäv der Regierungen sprechen und sie mit Vätern, Vormündern, Göttern auf Erden und was sonst vergleichen. Möchten wir nicht viel einfacher sagen, dass die erste, oft einzige Pflicht der Regierungen die der Obrigkeiten ist; ihr wichtigstes Geschäft das, ihren l'nterthanen den ruhigen Genuss dessen zu sichern, was die Araber nicht unpassend „die drei kostbaren Dinge" nennen, nämlich Leben, häusliche Ehre und Eigenthum? Dafür sind sie ihren unterthanen verantwortlich: für das Uebrige lasse man Individuen, Corporationen, Dörfer, Städte, Landschaften und Provinzen ihre Angelegenheiten selber ordnen, wie sie können. „Der Dumme im eignen Haus weiss mehr, als der Kluge in dem seines Nachbars", sagt ein spanisches Sprichwort sehr richtig; und die Leute befinden sich in der Kegel am besten, je weniger man sich in ihre Angelegenheiten mischt. Könige, Kaiser, Parlamente, Staaten und was sonst die Namen und Formen sind, unter denen der Avatar der Herrschaft erscheint, sollten die Weisheit haben, selbst zu wissen, was sie sind — zuerst Obrigkeiten des Landes, und dieses allein; Förderung, nicht Einmischung, — Ordnung, nicht Schöpfung — sei ihre Losung, und alle Theile werden viel, sehr viel gewinnen. Dies ist jedenfalls (dachte ich), bis auf wenige vorübergehende Fälle, der uniforme Lauf der Verwaltung in 'Oman gewesen und hat die verdienten Folgen gehabt. Mit einem Gebiet, welches an Quadratmeilen kaum die Hälfte des von den Wahhabiten beherrschten hat, besitzt es eine mehr als doppelt so grosse Bevölkerung und das Zwauzigfache an Einkünften und Reichthum. Und wenn die Blätter 298 seiner Geschichte weniger von Heldenthaten kriegerischer Tapferkeit, weniger von vorzeitig auf dem Felde der Ehre Gefallenen und weniger glänzenden oder blutigen Ereignissen erzählen , welche die Geschichte der in einer Hand concentrirten Macht auszeichnen, so bieten sie dagegen Jahrhunderte ungestörter Wohlfahrt, blühende Städte, ein dicht bevölkertes Land, von den Unterthanen geliebte Fürsten und von ihren Fürsten beglückte Unterthanen — Thatsachen, die wir, je weiter oder näher wir dem Schlüsse dieser Erzählung kommen, immer mehr bestätigt finden; denn in der kurzen Recapitulation der 'omanischen Geschichte in diesem Kapitel muss ich das Buch der Richter nachahmen, wo von Zeiten, in denen nichts weiter zu erzählen ist, gesagt wird „das Land hatte Ruhe vierzig Jahre", da hingegen die Kämpfe Jephthahs und Ephraims oder die Einfälle Siseras und Midians involler Weitläufigkeit erzählt werden. Dieses und Aehnliches waren meine Gedanken bei Anblick des alten Thurms, der einst die Festung einer bewaffneten Besatzung war, jetzt aber dem Verfall überlassen ist. Ausgedehnte Vorbereitungen zu kriegerischer Vertheidigung sind ein ziemlicher Massstab für die vcrhältnissmässige Schwäche derer, welche sie machen, und Befestigungen verrathen die wirkliche und innere Schwäche der Regierungen, wie Krücken ein Beweis von schwachen Beinen sind. Wo Energie und nationale Gefühle fehlen, müssen materielle Mittel, Mauern und Wälle ihre Stelle einnehmen; die Löhnung des Soldaten ist oft ein Beweis von der Apathie des Bürgers und ein Zeichen, dass die Regierung selbst entweder nicht national ist oder wenigstens die Nation überwachsen und erstickt hat. Nicht dass solche Mittel ganz und gar vernachlässigt werden dürften; nicht dass sie, wenn sie in gehörigem Verhältniss bleiben, überflüssig, vielweniger ein Uebel genannt werden könnten. Aber ein Stock ist etwas Anderes, als ein hölzernes Bein; ein Reisender mag wohl ein Paar geladene Pistolen in seinem Gürtel tragen, was aber müsste man von einem Lande sagen, wo Jeder sie in seinem eignen Hause tragen müsste? Endlich kam Jusef wieder zurück und mit ihm ein untersetzter, 293 stülpnäsiger, gntmüthiger junger Mann, dessen schwielige Hände und russige Kleidung einen Schmied erkennen Hessen, üo'ejg, dies war sein Name (identisch mit Doeg. zu Davids Zeit, so wenig verändert sich der Orient), war ein Eingeborner von Hasa, aber seit langer Zeit hier etablirt. Er war bereit, uns in Wohnung und Kost zu nehmen und kam jetzt, mich persönlich zu begiiissen und in sein Haus zu fuhren. Dieses war ziemlich gut und enthielt mehrere Zimmer, die um einen offenen Hof gereiht lagen; nahe dem Haupteingange befand sich «die Schmiedewerkstätte und was dazu gehört, denn der Schiffsbau in den Docks gab ihm reichliche Beschäftigung. Hier lebten mit dem Herrn des Hauses dessen beide Brüder; die Wohnung wurde, übrigens viel von Bahärinah, 'Omänfs u. s. w. besucht, aber nicht von Persern, die sich selten unter die arabische Bevölkerung mischen. Hier blieben wir drei Tage, bis der Wind sich änderte, um uns nach Schargah zu bringen. Den Statthalter Sejf zu besuchen, war hier weder nothwendig, noch dachte Jemand daran. Linga ist eine Handelsstadt, ein Seehafen, e'n Theil und Stück der grossen Welt, wo Jeder seinen Weg geht und mit Andern nur Bekanntschaft sucht, wenn er Grund und Zweck dabei hat. In dem verzauberten Kreise Arabiens, wo sich Alles seit wenigstens vier Tausend Jahren in demselben magischen Ringe bewegt und nie über dessen Grenzen herauskommt, und der sich nie durch fremde Elemente erweitert, darf man nicht unterlassen, Häuptlingen, Sultanen, Statthaltern und den übrigen Grossen des Landes die Ehre einer Begrüssung zu erweisen und die prahlerischen Zeichen ihrer Grösse unter der Gestalt von Gastfreundschaft anzunehmen; ein sehr patriarchalisches, aber keineswegs geschäftliches Verfahren. Aber einmal ausser diesem magischen Kreise, folgten wir, eben so wie Andere, der allgemeinen Strömung der Welt, welche Jeden in seiner Richtung vorwärts treibt, gerade, oder krumm, unberührt von dem Zuge derer, die um ihn herum sind, ausser wo der Strudel des Vergnügens oder des Gewinnes sie für eine Stunde zusammenbringt. In der That, wenn in Linga ein Reisender ohne gewichtigen Grund und besondere Veranlassung dem Statthalter einen Besuch abstatten wollte, wäre es gerade so, als wollte man bei einem dreitägigen Aufenthalte in Fleet-street dem Lord-Mayor von London seine Aufwartung machen. 294 Linga, mit seinen weissen Häussern an dem offenen Ufer, seinen Palmen, gedrängt vollen Marktplätzen, den grossen glänzenden Kuppeln seiner Cisternen, belebten .Schiffswerften, seiner reinen Luft und glänzenden Sonne, ist ein allerliebster Ort. Wir brachten die Zeit damit zu, in der Stadt herumzustreifen, unterhielten uns mit Schiffsbauern und Kaufleuten, besuchten die Dörfer in der Nähe, oder vielmehr Vorstädte, denn die Ebene ist gut bevölkert, namentlich wenn man den Mangel an Quellen und permanenten Flüssen in Betracht zieht — ein Mangel, den ich mir kaum . u erklären weiss, da die hohen persischen Gebirge nur etwa eine Tagereise entfernt sind und zur Regenzeit es hier keineswegs au Regen fehlt. Vielleicht absorbirt der leichte Boden Alles, was von dem Hochlande herunter kommt. Vom Ufer aus konnten wir nach S. 0. zn die Höhen von Gischrn .sehen, und weiter hin das Vorgebirge Mesandem. Eine andere und Lieblingsbe- schäftiguug für uns war es, auf dem Markte auf und ab zu geben und die zum Verkauf ausgestellten Waaren zu prüfen: persische Teppiche von jeder möglichen Grösse, Gestalt und Farbe, wohlfeil und theuer, gewebte Röcke und Kleider von Khorassan, Waffen in Menge aus derselben Provinz, Glaswaaren, Steingut und drgl. aus Europa oder Amerika, über Indien eingeführt; vor Allem englisches Tuch und Leinwand mit Manufakturwaaren aus Tanna bei Bombay; arabische Kleidungsstücke aus 'Oman und Hasa, Kupferwaaren aus Bagdad, Gürtel aus Terabolus, Reis, Indigo, Gewürze, Kaffee, getrocknete Früchte u. s. w.; dazu ein Gedränge wie in einem Bienenschwarme. Jedoch Ordnung und Sicherheit herrschen in der Stadt und dem Lande; die Perser an der Küste, sich selbst überlassen, sind ein friedliches Volk, und die Regierung, obwohl fremd, so populär, wie sie verdient. Während unseres Aufenthalts in Linga kam eine Deputation aus Schiräz, um wegen Einrichtung persischer Zölle am Hafen zu unterhandeln. Die unmittelbare Veranlassung zu dieser unwillkommenen 295 Gesandtschaft war eigenthümlich genug. Vor etwa sechs Monaten hatte der Statthalter von Schiräz hieher geschickt, um gewisse Abgaben einzufordern, die ihm, wie er sagte, von den 'omanischen Behörden vorenthalten würden. Sejf erkannte weder die Ansprüche an, noch zahlte er Geld, und schickte die Gesandten mit leeren Händen zurück. Es folgten nun schreckliche Drohungen achämenidischer Rache von Schiräz. Da die Sache so stand, machten zwei reiche Kaufleute aus Linga, die in Sejfs Meglis, oder Rathssale, bei Ankunft der Gesandten zugegen gewesen waren, die übrigen Kaufleute in der Stadt und an der Küste auf die drohende Gefahr aufmerksam. Die vornehmsten Einwohner von Linga hielten eine Versammlung und kamen überein, die verlangte Summe aus ihren Mitteln zu zahlen. Das Geld wurde gesammelt und die Kaufleute baten ihre Geschäftsfreunde in Schiräz, den persischen Statthalter immer im Voraus zu benachrichtigen, dass seine Ansprüche erfüllt werden sollten, er sollte sie nur in Ruhe und Frieden lassen. Als aber Sejf von diesem Arrangement hörte, beschied er die Bürger vor sich und erklärte ihnen, dass er einen solchen Vergleich nicht erlauben könne , und dass die Summe, wenn sie überhaupt bezahlt würde, aus dem Schatze der Regierung, nicht aus Privatmitteln zu zahlen sei, und damit untersagte er die Uebersendung des Geldes. Die Perser wollten jedoch die Sache nicht so leicht aufgeben und verlangten nun, um der Sache einen andern Namen zu geben, die Wiedererrichtung des alten Zollsystems, zu Frommen des Schatzes von Schiräz. Aber auch darauf wollten Sejf und seine Räthe nicht eingehen, und ich weiss nicht, wie die Sache endigte, da wir Linga vor dem Schlüsse der Verhandlungen verliessen. Ich muss bemerken, dass, obwohl dieser Küstenstreifen seit beinahe dreissig Jahren unter der Herrschaft von 'Oman steht, der persische Hof doch noch immer eine Art Oberhoheit über das Land beansprucht, welches er nicht zu vertheidigen im Stande war, während die Regierung von 'Oman ihrerseits zu viel Interesse hat, in entern Vernehmen mit Teheran zu bleiben, als dass sie sich ein für alle mal jede Einmischung verbitten könnte. Es kommt daher bei 298 solchen Gelegenheiten oft zu einem Compromiss, welches auch gehalten wird — nämlich gerade so lange, als die persischen Gesandten zur Stelle sind. Derartige Ereignisse, Handel mit Indien und Khorassan, Ausfuhr und Einfuhr, Seefahrt und Seeabenteuer bildeten die Unterhaltung in Linga. Im Orient, wo die Verbindung zu Lande durch den langsamen Schritt der Kamele unterhalten wird, und die Nachrichten, welche man über See erhält, von der Laune des Windes abhängen, sind zehn Meilen so viel, wie in Europa hundert, und hundert mehr als tausend. Kein Wunder daher, wenn wir von Neged und Schomer so viel wie nichts mehr hörten. Denn Zeitungen giebt es hier nicht, und die Geschäfte des Tages, Kaufen und Verkaufen nehmen alle Gedanken in Anspruch und lassen keine Zeit, sich um fremde Länder zu bekümmern. Die Moschee, zwar gross und in ihrer Art recht hübsch, und die übrigen Gebäude der Stadt sind nicht besonders bemerkenswerth. Die Landschaft in der Umgegend der Stadt ist zum grössten Theile sehr einförmig, nur in der Ferne sieht man blaue Gebirge, die aber ein sehr dürres Ansehen haben. Es war mir daher gar nicht unlieb, als nach drei Tagen der Südwind nach Norden umschlug und sich ein Schiffskapitän bei uns einfand, der sich erbot, uns mit nach Schargah zu nehmen. Einer der wichtigsten Handelsartikel in Linga sind Schafe, die in grosser Menge aus Persien nach 'Oman übergeführt werden, wo es verhältnissmässig wenig Weideland giebt, welches hauptsächlich für die Zucht der Dromedare benutzt wird. Ein Händler aus Schargah, Namens 'Abbas, hatte soeben etwa zweihundert Stück Schafe eingeschifft. Er hatte noch einige Freunde bei sich, ebenfalls aus Schargah; er selbst war ein jovialer, offenherziger Mann, ein vollkommener 'Omäni, und nur mit Mühe konnten wir hindern, dass er dem Eigenthümer des Schiffes unsere Ueberfahrt bezahlte. Am löten, bald nach Mittag, lichteten wir die Anker. In unserer Gesellschaft befanden sich noch einige Insulaner ans Gischm, schweig same Leute, die in dicke persische Mäntel gehüllt waren; die Schiffsmannschaft bestand zum grössten Theil aus Negern; unter den Passa-297 gierern aus Schargah befand sich auch der Fleischer mit seinem Messer, um die Schafe sogleich abzuthun. Der Wind war ziemlich stark und bald hatten wir die Bucht im Rücken. In der Nacht drehte sich der Wind nach Osten und die See ging so hoch, dass von den Schafen, welche zu dicht beisammen standen, ungefähr zwanzig starben und über Bord geworfen werden mussten. Gegen Morgen kamen wir an die Insel Abu - Musa (auf manchen Karten Bomosa genannt, ein hübsches Beispiel, wie arabische Worte im Munde englischer Schiffskapitäne verstümmelt werden), hier beschloss unser Schiffer Anker zu werfen; die Wellen gingen hoch, und wenn wir weiter fuhren, so würde er die noch übrigen Schafe aufs Spiel gesetzt haben. Wir suchten eine kleine Bucht und warfen dort Anker, um ruhigeres Wetter zu erwarten. Die Schafe wurden ans Ufer gebracht, um die Segnung* n einer zeitweiligen Freiheit und die Weide, welche die Insel bietet, zu gemessen. Eine hohe konische Bergspitze von etwa sechshundert Fuss Höhe und vulkanischem Ansehen, einige Reihen von Basaltfelsen, das übrige der Insel, Höhen und Tiefen mit Gras und Sträuchern bedeckt — das ist Abu-Musa. Die ganze Insel ist etwa fünf engl. Meilen lang und etwas über zwei Meilen breit. An der südwestlichen Spitze finden sich einige Brunnen mit Brackwasser; — so ausgestattet, gewährt Abu Musa nicht selten Schiffen in ähnlicher Lage, wie jetzt die unsrige, Schutz und zeitweiligen Aufenthalt, obwohl die wirklichen Bewohner der Insel nur wildes Geflügel und Kaninchen sind. Im Winter dient sie auch den Pferden und Kamelen des Statthalters Khälid-ebn-Sakar von Schargah zur Weide, der einen Theil seiner Heerde zuweilen für zwei oder drei Monate hierher schickt. Gerade als wir ankamen, galoppirten einige zwanzig schöne Stuten über die Ebene am Fusse des Beiges, und einige Dromedare, die demselben Herrn gehörten, schlenderten an verschiedenen Stellen umher. Bei den Thieren waren etwa ein halbes Dutzend Treiber und Wächter. In einer andern Bucht lag ein kleines Fischerboot aus 'Oman, welches aus demselben Grunde wie wir hier angelegt hatte. Die Ostseite der Insel, wo wir Anker geworfen hatten, bietet mehrere solche Zufluchtstätten. Die westliche Seite ist hohes Felsenufer, an dem sich 2»s jetzt die Wellen zu weissem Schaume brachen. Nach Südwesten zu konnten wir in dunkler Ferne die Felsen der Insel Sir in der Perlenbucht erkennen. Die Einsamkeit des Ortes übte eine grosse Wirkung auf die Einbildungskraft meines Gefährten, der an eine solche Oede nicht gewohnt war, und er bemerkte mit einem melancholischen Lächeln: „Wenn alle unsere Freunde jetzt am üfer wären, um sich nach uns umzusehen, würde wohl Einer von ihnen auf Abu-Musa treffen?" Er sagte dieses am Ufer stehend, — denn da wir fanden, dass wir vielleicht ziemlich lange hier bleiben mussten, waren wir nach einer Berathung übereingekommen, an das Land zu schwimmen, denn unser Schiff lag in einiger Entfernung vom Ufer und wir hatten keine Jolle oder „Gä-libüt", wie die Araber das englische Wort jolly-boat aussprechen (welches sie in ihre Sprache aufgenommen haben). Ebenso wird das Gieksegel (jib) hier Gib genannt, der grosse Mast (main-mast) „Me-jänah", eine Brigg „Brik" u. s. w. Wir nahmen Jeder etwas auf den Kopf, Einer -einen Teppich, der Andere die Kaffeetöpfe, ein dritter die Kochgeräthe u. s. w., bis wir genug hatten, um ein vollständiges Lageram Lande einzurichten, hoch auf dem Ufer, gegenüber dem Schiffe. Wir: — d. i. ich und Jusef, die Neger und die 'Omäni's, welche meistens vorzügliche Schwimmer sind und gern einen Scherz treiben; die ver-driesslichen Kerle aus Gischm aber, welche nicht schwimmen konnten, oder nicht wollten, Hessen wir zurück, um das Schiff vor Tritonen und Meermenschen zu bewahren. Zwei Tage blieben wir auf Abu-Musa und warteten, bis der Wind sich etwas legte. Zum Zeitvertreib kletterten wir auf den Felsen herum, machten Bekanntschaft mit den Hirten und Fischern, denen es ebenso lieb war, Jemand zu finden, mit dem sie sprechen konnten, und durchforschten die Insel von einem Ende zum andern. Jusef, der nicht wusste, dass nicht Alles was glänzt, Gold ist, sammelte grosse Stücken Späth, dessen es hier in grosser Menge giebt, und meinte, dass er etwas ganz Kostbares habe. Obwohl wir nns in der Mitte des Februar befanden, war doch die Luft so mild, dass wir mehrmals in der See badeten und uns im Schwimmen iiht'n: wir ahnten nicht, dass wir einige Wochen später eine ungleich ernst» r<-Gelegenheit haben sollten, diese Kunst in Ausübung zu bringen. 299 Am Abend des 19ten war die See wieder so weit ruhig, dass wir unsere Reise fortsetzen konnten; Schate und Menschen schwammen wieder an Bord und noch ehe die Sonne unterging, verschwand Abu-Musa, vielleicht für immer, unseren Blicken. Sechszchntcs Kapitel. 300 Die Küsten von 'Oman. Ankunft in Schargah — der Khaur oder Hafen — allgemeine Ansicht der Küste und Stadt — der englische Agent Jakub — Retrachtungen — die' Stadt Schar-' gah — 'omanische Gebräuche — Moschee — Handel von Schargah — Metalle in 'Oman Gastfreundlichkeit— Khälid-ebn-Sakar und sein Hof — Kej-sarijah und Sük — die übrige Stadt — Kastell und Thurm - Ausflug in die Umgegend — Ansicht von Gebel-'Okdah — Dobej' — Einschiffung auf einem Schiffe aus Sowejk nach Sohär — Mannschaft und /feisende — die Küste und ihre Dörfer — Räs-el-Khejmah — Gebirgsküste und Ro'os-et-Gebäl — Scha'am — Khabb — Charakter der Einwohner — ein Sej'jid — Metitt — Cap Mesandem und die Felsen von Salutnah — ein Sturm — Lareg Ankunft in Ormuz — die Insel — Portugiesisches Fort — Leuchtthurm — Ursache des Wohlstandes und dessen Abnehmens in drnuiz — Weiteres über die Insel — Haifische. — Bedeutung des Wortes Auwäl - Sprachver»iischung — Fahrt bei Cap Mesandem vorbei — Rubah — Lejmah — ein Sturm — Hafen von Lejmah — Landschaft und Dorf — Befürchtungen der Einwohner — ein Tempel — Golf von Debl — Kaihat Kataa'-l-loha — die Bätinah — Fägirah — Schiräz — Folgen des Krieges — Farksah — Landung bei Sohär — der Statthalter Fakhar — unser Wirth Ejsa — sein Haus — Architektur in 'Oman — gegenwärtige Lage der Bätinah — Polizei — Kastel von 301 .. Sohär — Beludschische Besatzung — die Ke/sarijah und der Markt — Be- völkerung - Gärten — häusliche Sitten und Gastlichkeit — allgemeine Nei-■' gungen des Volks — Ma'wah — Hafen und Fischerei von Sohär — Einschiffung nach Mascat. Am Morgen des 20. Februar 1863 erblickten wir die 'omanische Küste zwischen Abu-Debt und Dobej', lang, niedrig und sandig, aber am ganzen glitzernden Ufer Palmenhaine mit Dörfern wechselnd. Weit in der Ferne erhoben sich, wie Wolken, die Höhen von Berejmah oder Gebel 'Okdah, und gegen Norden die blauen Spitzen von Ro'os-el-Gebäl und das Cap Mesandem. Nach einigen Windungen liefen wir in den Khaur oder Hafen von Schargah ein, eine enge Bucht, die sich im rechten Winkel nach der See öffnet, etwa vierzig Yard weit gerade läuft, dann eine jähe Biegung macht, und etwa eine Stunde Weges sich parallel der Meeresküste in das Land hineinzieht, ähnlich wie die Yare von Gorleston bis Yarmouth. Am Eingange des Hafens ist eine Reihe von Klippen, hinter dieser aber ist das Wasser vollkommen ruhig und gerade tief genug für Fischerboote und Küstenfahrer, ein grosses Schiff aber würde hier kein Fahrwasser linden. Schargah (d. i. „Scharkah" oder „die östliche", denn das „g" als schlechte Aussprache des „k" hat in diesem Namen ein solches Recht der Verjährung erhalten, dass ich mit meiner Orthographie keinen Einspruch dagegen erheben kann und mich begnügen muss, den Irrthum hier ein für allemal anzugeben) liegt hinter dem Khaur. Die Stadt ist an der Landspitze mit Mauern umgeben, aber nicht befestigt ; nach der See, oder vielmehr der Bucht zu, ist sie ganz offen. Ziemlich gegenüber der Klippenreihe, am Eingange des Hafens, steht eii» kleines festes Kastell, jetzt die Residenz Khälids. Die alte oder mittlere Stadt ist hauptsächlich aus Steinen oder Ziegeln erbant, am Ufer aber, namentlich nach Norden zu, ziehen sich endlose Reihen von Hütten, theils von Holz, theils von Palmblättern, die hauptsächlich von Fischern und Schiffern bewohnt sind und mit denen die Stadt um ein ganzes Drittheil grösser ist. als Linga. Die Gesammtzahl der Bevölkerung mag sich etwa auf zwanzig bis dreissig Tausend belaufen. Wir kamen glücklich über die Klippen, fuhren in den Khaur ein und landeten bald mit Hülfe eines Bootes, welches einer von 'Abbas' Bekannten, den wir vom Schiffe aus gesehen und zugewinkt hatten zu unserer Bequemlichkeit brachte. In demselben Augenblick kam 302 eine englische Yacht und tanzte über die Brandung an der Mündung des Hafens. Auf dem Verdeck sass ein rüstiger, schon bejahrter Mann, nach bagdadischer Weise gekleidet, in dessen Gesichtszügen ich im Vorbeifahren den bekannten armenischen Typus erkannte. Auf meine Fragen über diese von den übrigen so verschiedene Persönlichkeit erfuhr ich, es sei Jakub, der britische Agent für Schargah zur Unterdrückung des Sklavenhandels, der jetzt wahrscheinlich auf dem Wege sei, eine von seinen vielen Frauen in dem wenig Meilen entfernten Küstendorfe Mefraz zu besuchen; denn Jakub erfreute sich eines grossen und mannigfachen Schatzes häuslichen Glückes; eine Frau Jakubs war in Schargah, eine in Mefraz, und verschiedene andere noch an anderen Orten. „Wahrhaftig, meine Landsleute könnten ihr Oeld besser anwenden, als diesen Leuten die Taschen zu füllen", dachte ich; sehr froh übrigens, dass der Zufall ihn gerade bei meiner Ankunft von Schargah fortführte, denn ein so geübtes Auge, wie Jakubs, würde mich ohne Zweifel in den ersten zwei Tagen erkannt haben, und mir lag viel daran, die volle Freiheit meines Incognito zu behalten. In 'Oman würde mich allerdings eine solche Erkennung keiner ernstlichen Gefahr ausgesetzt haben, nur hätte ich mich nicht mehr so frei unter Leuten aller Stände bewegen können. Ueber Jakub hörte ich ziemlich viel; sein Name, Gesicht und ganze Lebensweise überzeugten mich, dass er von armenischem und folglich christlichen Ursprünge sein müsse, obwohl er hier für einen Mohammedaner gilt, und sicher im Punkte der Polygamie sich als solcher erweist; er soll aus Basrah gebürtig sein. Seine Hauptbeschäftigung besteht darin, die Einfuhr und den Verkauf von Sklaven zu verhindern. Aber Jakub, obwohl er das englische Geld, welches ihm zu philantropischen Zwecken angewiesen wird, in die Tasche steckt, hält es doch, aus verschiedenen Gründen, für das Klügste, es mit keiner Partei zu verderben, und giebt daher den Sklavenhändlern zu verstehen — nicht in zweideutigen Phrasen, sondern im deutlichsten Arabisch — wenn sie auf öffentlichein Markte Sklaven verkaufen oder einkaufen wollten, so müsse er nothwendig dagegen einschreiten. Wollten sie aber ihren Handel anderwärts betreiben in Privathäusern oder an Orten, die ausser dem Wege lägen und wo er nicht verpflichtet sei, über sie zu wachen, so könnten sie darauf rechnen, dass er nichts davon wisse und hätten nicht zu fürchten, dass er davon Notiz nähme. Eine so gefällige Nachsicht verdient natürlich Erkenntlichkeit, Jakub hat dabei doppelten Profit und die Händler betreiben ihr Geschäft so vortheilhaft wie je, trotz des zweideutigen Repräsentanten Grossbritanniens in Schargah. Hier betraten wir nun das eigentliche 'Oman, welches mich, sobald ich den Fuss ans Land setzte, in mehr als einer Beziehung an Indien erinnerte. Ein mildes Klima, ebenso verschieden von der scharfen Luft in Towejk oder Schomer, wie von der schwülen Atmo Sphäre in Hasa oder Katif; ein Baustyl der Häuser, dem in Baroda und Cambay nicht unähnlich; die Tracht der Eingebornen, ein breites weisses oder mit Fransen besetztes Tuch um die Lenden geschlungen, welches bis an die Knie bei abreicht; ein leichter Turban oder buntes indisches Tuch um den Kopf gewunden; die dunklen Gesichter, schlanken Gestalten, der leichte Gang, weniger stolz, aber geschmeidiger und anmuthiger, als der der Benu-Tä'i oder Benu-Tamim — dieses Alles und andere Eigenthümlichkeiten, die man mehr fühlen als beschreiben kann, erinnerte mich mehr an Gnzerat oder Kutsch als an Arabien und erklärte mir, mit welchem Reehto die 'Omäni zwischen ihrem Lande und der übrigen Halbinsel einen Unterschied machen. 'Abbas, der Schafhändler, liess sich nicht nehmen unser Wirth zu sein; sein Haus lag mitten in einem Labyrinth von Gassen und Gässchen und war, obwohl innerhalb der Stadtmauern, nur von Holz nnd Dachstroh gebaut, im Innern aber gut ausgestattet und wohnlieh und was etwa noch fehlte, wurde durch eine fast verschwenderische Gast lichkeit des Wirthes reichlich ersetzt. Wäre Niebuhr bei uns gewesen, so hätte er die Biadijah sicher nicht für ascetisehe Feinde des Tabaks und Kaffees erklärt, denn Pfeifen und Tassen waren während unseres dreitägigen Aufenthalts in Schargah beständig im Gange. Die wahhabitische Terminologie ist hier unbekannt oder wenigstens nicht im Gebrauch; statt des frommen „Semm" oder „sage im Namen Gottes", welches in Neged bei jeder Tasse Kaffee gesagt wird, ist hier das weniger bedeutungsvolle „Duk" eine familiäre Abkürzung von „Dünek", d. h. „zu Diensten" gebräuchlich, und wenn Jemand an die Thür klopft, wird geantwortet ,.Hod", welches soviel bedeutet, als „Tritt ein", die Ableitung des Wortes ist mir aber unbekannt. Der gegenwärtige Herrscher, Khalid-ebn-Sakar, bekennt sich jedoch zum orthodoxen Glauben und hat in der Nähe des Marktplatzes eine grosse Moschee erbauen lassen. Dieses Gebäude ist, wie ich bezeugen kann, ausserordentlich zu religiösen Meditationen geeignet, da die Stille und Einsamkeit desselben niemals gestört wird, weder zur Gebetszeit, noch ausser derselben. Mehr als einmal bin ich auf den Ruf des Muddin eingetreten, habe aber nie Jemand darin gefunden. Der Grund liegt auf der Hand: Khälid, sowie der ganze Stamm Go- 305 wäsimah, ist in Schargah bei der 'omanischen Bevölkerung der Stadt, d. i. bei mehr als neun Zehntheilen, im höchsten Grade verhasst, die sich mit Leib und Seele von dem Islam, seinen Gebäuden und Bekennen] abgewendet haben. Diese Stadt ist für das westliche 'Oman dasselbe, was Linga in den letzten Jahren für die gegenüberliegende persische Küste geworden ist — ein Centrum für Ausfuhr und Einfuhr, ein Punkt, wo mehrere Linien des Land und Seehandels zusammentreffen und von da wieder nach allen Richtungen auseinandergehen. Von Bedaa', bis Ras Mesandem, und selbst über dieses hinaus bis Dobej, giebt es weder einen andern bedeutenden Hafen noch Handelsplatz. Hierher werden alle Erzeugnisse des westlichen 'Oman zu Markte gebracht, wollene, baumwollene und metallene Waaren; hier ist der Haupthandel mit Dromedaren und Eseln und der grösste Sklavenmarkt im persischen Meerbusen. Ueber Schargah erhalten die Nachbarländer die persischen und indischen Waaren, die hier ausgeschifft und von hier aus über einen weiten Kreis vertheilt werden. Dieser beständige Handelsstrom giebt der Stadt ein Ansehen von Geschäftigkeit und Wohlstand, wie man nicht leicht an einem andern Hafenort der südlichen Seite Arabiens wiederfindet und zieht Fremde aus vielen Ländern und von den verschiedensten Rassen hierher, genug um für sieh eine Bevölkerung zu bilden, obwohl der 'omanische Charakter entschieden vorherrscht. Würde der Hafen ordentlich gereinigt und wäre das Regiment in anderen Händen, als Khälids, so würde Schargah sich noch bedeutend heben; so aber, wie die Sachen jetzt stehen, hat es in den letzten Jahren au Wohlstand mehr verloren als gewonnen. Die Einwohner von Schargah sind im Allgemeinen ein biederes, gut-müthiges, gastliches und glückliches Volk; der Dolch, welchen hier und in ganz 'Oman, bis Räs-el-Hadd, jeder freie Mann im Gürtel trägt, dient mehr zum Schmuck, als zum Gebrauche. In Schargah sah ich zum ersten Male gute Proben jener eigenthümlichen schönen Gold- und Silberfiligranarbeit, womit in 'Oman diese Waffen, aber auch friedlichere Gerätschaften, wie Tassen, Pfeifen, Gürtel u. s. w., oft verziert werden. Die Filigranarbeit hat in 'Oman einen Grad der Vollkommenheit erreicht, wie nur selten in andern Ländern, und ernährt unzählige Familien in den grösseren Städten. Das Gold, welches man verarbeitet, wird zum grössten Theil, wenn nicht alles, aus Indien, oder viel- 306 mehr über Indien eingeführt; doch soll sich dieses kostbare Metall auch im Innern des Landes selbst finden, nämlich in der Fortsetzung des Gebel-Akhdar hinter Bahilah; Niemand aber konnte, oder wollte vielleicht, mir genauer angeben, in welchei Gegend und in welcher Quantität es sich findet. Kupferminen giebt es in 'Oman, und diese werden regelmässig bearbeitet; Blei findet sich in der Nähe des Räs-el-Hadd; Spuren von Eisen habe ich selbst an mehreren Orten beobachtet; von anderen Metallen sah und hörte ich nichts. Salzminen aber giebt es viele und sie werden gut ausgebeutet, sowohl für den Verbrauch im Lande, als zur Ausfuhr; Bernstein endlich wirft II. 15 die See in solcher Menge aus, dass er einen Hauptartikel der königlichen Einkünfte bildet. Diese Substanz, nebst Perlen, Salz und Gold —i wenn letzteres sich wirklich findet — sind die einzigen Monopole der Regierung in 'Oman, wo die alte römische Staatswirthschaft wenig Fortschritte gemacht hat und vielleicht nicht bedauert zu werden braucht. Kehren wir aber nach Schargah zurück, von dem wir jetzt zu weit abgeschweift waren. Unsere Stunden vergingen hier in sehr angenehmer Weise mit freundschaftlichen Besuchen, Mittags- und Abendmahlzeiten, denn die Einwohner von Schargah wollten, wie es schien, uns ihre vielgerühmte Gastlichkeit durchaus mit der That beweisen. Die Gäste finden in dieser Stadt eine bei weitem vollständigere Speisekarte, als in dem eigentlichen Arabien. Fische, Fleisch, Garnaten, Eier, Nudeln, Reis, allerlei Süssigkeiten, Honig, Butter, Datteln, gutes gesäuertes Brod und andere Esswaaren werden vor ihnen hingesetzt — nicht nach negdäischer Weise in einem Haufen auf einer grossen Schüssel, sondern jedes auf einem besondern Teller, und das wiederholte dringende Nöthigen könnte selbst einem Halbverhungerten zu viel sein. Dazu ist in Schargah und ganz 'Oman keine besondere Einführung nöthig; überall ist offenes Haus und offene Tafel, Guethe's „Viel Gäste wünsch' ich heut'u ist hier die Losung und die geringste Veranlassung, ein Blick, ein Gruss, eine Frage nach dem Wege ist genug, einem eine Einladung zu verschaffen. Dies gilt von den 'Omäni's; von den Gowäsimah kann ich nichts sagen, da ich nur mit wenigen von ihnen oberflächlich bekannt wurde; mit Khälid-ebn Sakar hatteich gar nichts zu thun, ausser dass ich ihn einmal bei seiner Moigen-audienz am Thore des Kastells grüsste und er den Gruss erwiederte. 307 Ich habe schon oben seinen Zug in die Bätinah erzählt und wie er dort hauste. Aber nicht allein seinen Feinden ist er fürchterlich, sondern seine launenhafte Grausamkeit macht ihn auch seinen Freunden gefährlich. So soll es ihm ein besonderes Vergnügen machen, Leuten aus seiner Umgebung eine Citrone auf die ausgestreckte hand oder auf den Kopf zu legen und dann darnach zu schiessen. Als Vasall des Sultans Thowejni jedoch ist er manchen Beschränkungen unterworfen und kann an der allgemeinen Ordnung des Handels, an Zöllen oder Gerechtsamen der Provinz nichts ändern. Es sind viele Versuche gemacht worden, ihn zu beseitigen; aber seine Verbindungen in Neged machen ihm möglich, seinen Posten zu behaupten, trotzdem er fast allgemein verhasst ist. Gegen das südliche Ende der Stadt zu, liegt d er grosse Marktplatz, der, wie im Orient gewöhnlich, in getrennte Silks oder Quartiere eingetheilt ist. Ziemlich in der Mitte steht die Kejsarijah, ein langes, hochgewölbtes Gebäude, das fest gebaut und mit Eisen beschlagenen Thoren versehen ist, die bei einbrechender Nacht gehörig geschlossen werden. In einem Thurnie mit dicken Mauern, innerhalb des Umkreises der K.ejsarijah, wird der Schatz der Regierung aufbewahrt. Die Läden ringsherum sind hübsch und gut gebaut und das Ganze hat ein Ansehen von Solidität und Wohlstand. Anstatt der arabischen Waarenhäuser, wo der Kaufmann unter seinen Gütern auf dem Boden sitzt, finden wir hier ordentliche Läden, mit erhöhten Sitzen. Ladentischen und Pulten, beinahe wie in Bombay und Madras,, oft auch noch einen festen Geldkasten, eiq Zejchen, dass es nie.ht an Baarschaft fehlt, und Rechnungsbüchej von geschäftsmäßiger Grösse und Ge'^falt. In manchen Läden, namentlich der Hindus und Luthier (Eingeborne von Ludianah) sieht man schöne Kaschmirs^awls, bengalische Manufacturwaai en, persische Waffen und Juwelen aljer Art, weit melp- als ich in Arabien erwartet hätte; auph an Käufen} fehlt es nicht. Der Sklavenhandel wird ohne aufhören betrieben, aber, der kjugen Weisung Jakubs gemäss, hinter verschlossenen Thüren. Das nördliche Stadtviertel besitzt eine grpsse Anzahl von Weberwerkstätten, in denen die in 'Oman gewöhnlichen heilrotheu Röcke, lange baumwollene Kleider (an Schnitt etwas- von dem negdäischen Herade verschieden), Teppiche. Vorhänge u. B. w. gewebt werden. In einem Lande, wo es noch keine Fabriken und Dampfmaschinen giebt, ist dieses Geschäft nocji lohnend und beschäftigt viele Hände. Gold-und Silberschmiede betreiben ihr mühsames Gewerbe; Grobschmiede sieht man aji allen Ecken. Die Strassen sind reinlich, aber ohpe alle Symmetrie: wo die von Palmenblättern gebauten Wohnungen vorherrschen, sind die Gässchen eng und krumm. Der schmale Raum, welcher zwischen den Häusern und der Bucht oder dem Khaur als Quai gelassen isj, liegt natürlich voll von Schilfen und Booten, bei einigen der letzteren sieht man auch hier nocfy an den Seiten die Spuren von Taucherseilen. Hier ist allerdings die östlichste Grenze der Perlenküste, aber die Fischerei ist zwischen Abu-I)ebi und Schargah bei weitem weniger lohnend, als weiter hinten in der Bucht. Dicht an der innern Stadtmauer, an der Landseite, steht ein achteckiger, steinerner Thurm von einer zierlichen Form, wenn ich ihn nicht in meinem Gedächtniss mit einem anderen verwechsele, den ich später in 'Oman sah, mit hübschem Muster verziert, hie und da m;: Gucklöchern versehen, und etwa siebenzig Fuss hoch. Das danebenste-hende Kastell ist unregelmässig und sieht mehr aus wie eine Kaserne, ist aber ebenfalls von Stein gehaut und scheint von bedeutend jüngerem Datum, als der Thurm. Leber die Geschichte des einen wie des andern konnte mir Niemand etwas ifegen. Beide Gebäude dienen jetzt als Niederlage oder Arsenal und die Thülen werden sorgfältig-verschlossen gehalten, ich konnte daher das Innere nicht untersuchen. Die äusseren Stadtmauern sind von Stein — nicht Granit oder Kalkstein, sondern einem röthlich-gelben Sandstein, den man in der Umgegend findet — aber überall abgebrochen oder verfallen, die gelben Bastionen mit Sand gefüllt, die Curtraen durchlöchert, so dass Kinder und Vagabunden nach allen Richtungen aus- und einkriecben können. Jenseits der Mauerp ist eine grosse Sandfläche, die etwa eine halbe .englische Meile weit allmählig steigt. Der Abhang ist mit Palmbäumen besetzt und hie und da schliesst eine Hecke von Oactus oder 309 Dornen einen isolirten Garten oder Brunnen ein; der Boden ist aber zu sandig, um etwas zu tragen. Hie und da sieht man einen grünen Fleck dicht verwachsenen Gebüsches. Das Klima ist tropisch; hätte ich ein Thermometer bei mir gehabt, so würde es sicher, selbst jetzt im Februar. 80° Fahrenheit ira Schatten gefunden haben. Einige Beduinenzelte, die zn 'Aamir gehören, einem ruhigen und friedlichen Distrikte, beleben die Landschaft. Esel kann man hier in Menge miethen, und sie sind für kurze Entfernungen sehr zweckmässig. Mit einem Paare dieser Thiere — vielleicht nicht so gut wie die ägyptischen, aber ausserordentlich ausdauernd, machte ich mit Jusef am dritten Tage unsers Aufenthalts in Schargah einen Ausflug in die Umgegend. Ein junger Mann aus der Stadt, in gelbem Oberkleid, purpurrotem bengalischen Kopftuche, und mit Silber verzierten Dolch im Gürtel, begleitete uns. Wir schlu gen den Weg ein, welcher in südöstlicher Richtung, zwischen Hainen von wilden Zwergpalmen umzäunter Gärten und Gruppen von Bauernhütten, nach Berejmah führt, und machten auf einer Anhöhe Halt, auf der sich ein kleiner Wachtthurm erhebt, ähnlich dem oben in Katar beschriebenen, von wo wir eine weite Aussicht auf die Ebene hatten. In einiger Entfernung von hier, östlich, lag das Dorf Howtah, nach Süden zu ebenes Weideland, wo aus einem entfeinten Lager von Menäsir-Beduinen blaue Rauchwirbel zu dem hellstrahlenden Himmel emporstiegen. Hinter diesem zog sich eine Reihe niedriger Berge hin, zwischen denen, wie unser Begleiter versicherte, viele kleine Dörfer liegen sollen und die zu einem Gebiet gehören, welches Scha'äb oder „Schluchten" genannt wird; in der Ferne sieht man noch eine höhere Bergkette, die ersten Gebirge von 'Okdah, in deren Mitte Berejmah liegt. Ich hatte grosse Lust, diesen Weg weiter zu verfolgen und zu Lande quer durch 'Oman zu reisen ; allein ich hätte dazu längere Zeit gebraucht, als mir jetzt die Umstände gestatteten und würde in der That in einem Monate kaum nach Mascat gekommen sein, noch viel weniger bis Räs-el-Hadd. Ich verschob die Ausführung dieses Projekts auf eine künftige Gelegenheit, die vielleicht Anderen als mir und Jusef vorbehalten ist, und begnügte mich mit einer Fernsicht auf das Gebiet von Schargah. Als die Mittagshitze vorüber war, wendeten wir unsere Esel wieder der See zu und kamen kurz vor Sonnenuntergang an der Küste bei Doby' an. Eben so wie Schargah hat auch Dobej' seinen Khaur, und zwar einen sehr grossen, der einem Binnensee gleicht und von dem Meere durch einen breiten Gürtel weissen Sandes getrennt ist. Das Dorf selbst ist volkreich, aber unbefestigt und sehr weitläufig gebaut, mit vielen Gärten und Brunnen, und hat eine ganze Flotte von Booten, die weniger für die dürftige Perlenfischerei an dieser Küste bestimmt ist, als zu Fahrten in der südwestlichen Bucht jenseits Abu Debi. Wir stiegen unter einer Palmengruppe ab, welche einige Häuser am Eingange des Dorfes beschattete und gönnten uns und unseren Thieren einige Ruhe, während uns die Nachbarn mit mancherlei Geschichten von den Benu-Jass unterhielten. Wir waren schon einigen Banden derselben begegnet; hübsche Männer mit dunklen Gesichtern, denen man d e Seeräuber ansah, und mit Flinten, kurzen Speeren und Dolchen bis an die Zähne bewaffnet. Ihr langes schwarzes Haar, welches über die Schultern herabhing, gab ihnen ein romantisch wildes Ansehen. Von allen Feinden des Islam sollen diese Leute die erbittertsten sein, und ihren Raubzügen auf dem Golf lag oft nicht weniger Hass gegen die negdäischen Schiffsführer und ihre Schiffe zum Grunde, als Begierde nach Beute und Gewinn. Ich will hier ein Beispiel mittheilen, wie sie zu verbahren pflegten Sechs Negdäer, die in Handelsgeschäften an die Küste von Katar herabgekommen waren, wollten eine Fahrt nach Räs-elK^ejmah, nicht weit vom Vorgebirge Mesandem, machen. Eine mit Benu-Jass bemannte Schaluppe bot ihnen ihre Dienste an. Die Negdäer hatten nichts von Weith bei sieh und waren ziemlich gut bewaffnet; sie schifften sich ein und das Schiff segelte der östlichen Seite des Golfs zu. Aber die Benn Jass hatten sie nur an Bord genommen, um ihre Wuth gegen die Muslims zu befriedigen, und warteten dazu den Augenblick ab. Eines Mittags, als einige von den Passagieren auf dem Verdeck schliefen, und die übrigen sich nichts Schlimmes versahen, fielen sie über sie her. Fünf von den Wahhabiten waren vollständig erwachsene Männer, der sechste ein Knabe. Die fünf wurden an Händen und Füssen gebunden und in das Meer geworfen, wo sie natürlich bald untergingen; den Knaben, vielleicht weil sie glaubten, dass er nicht schwimmen könne, vielleicht auch aus einem Gefühl von Mitleid mit seiner zarten Jugend, und weil sie ihm eine Möglichkeit lassen wollten, das Leben zu retten, warfen sie ungebunden ins Wasser. Nachdem sie hierauf Alles, was den Negdäern gehörte, Waffen, Waaren, 311 Kleider über Bord geworfen, damit nichts übrig bliebe, was gegen sie zeugen könne, kehrten sie nach ihrer Heimath Sur zurück. Der Knabe schwamm so lange, als seine Kräfte aushielten, obwohl mehr aus Instinkt, als aus Hoffnung, denn weder Land noch ein Schiff war zu sehen, ausser das Piratenschiff selbst, welches sich immer mehr von ihm entfernte. Endlich konnte er nicht mehr, seine Kräfte waren zu Ende, und er sank. Aber Kinder sind leicht und er kam bald wieder in die Höhe, obwohl beinahe bewusstlos, und trieb so den ganzen Abend und Nacht und am nächsten Tage noch bis Mittag fort, denn die See war ruhig und die milde Temperatur machte einen so langen Aufenthalt im Wasser erträglicher, als wir uns in Europa vorstellen können. Endlich kam ein Schiff aus Schargah zufallig desselben Weges; die Leute sahen den Knaben und fischten ihn auf, es dauerte aber lange, ehe er den Gebrauch seiner Sinne und seiner Zunge wieder erhielt. Sie brachten ihn nach Schargah, wo er seine Geschichte erzählte; einige wohlhabende Bürger nahmen sich seiner an und er blieb in der Stadt. Ein eigener Zufall wollte, dass ich ihm an demselben Tage begegnete, als ich die Erzählung seines Abenteuers gehört hatte; er ist jetzt ein hübscher junger Mann von dreiundzwanzig bis vierundzwanzig Jahren; als die eben erzählte Begebenheit stattfand, war er etwa zwölf Jahre alt. Er sagte mir, dass er sich von dem ersten Augenblicke an, als er niedersank, bis man ihn wieder herausfischte, nur eines einzigen Gefühles erinnere — nämlich der Furcht, dass die See unruhig werden könne; von allem Uebrigen habe er nichts gewusst, weder wie er in diese gefährliche Lage gerathen, noch habe er eine Hoffnung oder einen Gedanken gehabt, wieder daraus befreit zu werden. Nach kurzer Rast setzten wir unsern Weg fort und kamen bald nach Sonnenuntergang in Schargah an. Hier fanden wir einen Schiffs- käpitän aus Öowejk in der Bätinah, der im Gespräch mit unserm Wirthe *Abbas in unserm Zimmer sass. Er wollte am nächsten Tage absegeln und wir kamen tiberein . uns mit ihr» einzuschiffen und auf seinem Schiffe — beinahe hätte ich gesägt, Boote, denn es war nicht grösser als eine mittelihässige Yacht — den Stürmen um Mesandem herum Trotz zu bieten und die Bätinah zu erreichen versuchen. Am nächsten Morgen fiihr'te uns der Kapitän an die Mündung 312 des Hafens, wo sefn Schiff lag. Es war mit fünf 'omanischen Matrosen bemannt und hatte ausser uns noch einen Passagier aii Bord, einen jungen Häuptling vom Stamme Fezärah, dessen Familie, obwohl ursprünglich Negdäer, sieh bei langem Aufenthalte in 'Oman zu vollständigen Biadijah umgewandelt hat und die kleine Küstenstadt Sohäm beherrscht. Zejd, um ihn mit seinem Namen zu nennen, oder Zowejd, verband mit guter Herkunft und Reichthum auch hübsche Kenntniss der Literatur. Mit einem vortrefflichen Gedächtniss ausgestattet, eine Eigenschaft, die in Ländern, wo es an Büchern fehlt, nicht ungewöhnlich ist, konnte er hunderte von Versen auswendig, die 'Amru-1 -Kejs und anderen ante- und anti-islamischen Dichtern zugeschrieben werden, unter anderen auch einige merkwürdige gereimte Parodien auf die Sufät „Es Sä'ah" oder die „Stunde" und die Surat „Hal-'ata" oder „Ist er gekommen", lächerliche aber sehr poetische Stücke, die mit erfinderischer viel burleske Phantasie verbinden, ähnlich manchen Go dichten der italienischen Schule. Ausserdem wusste Zejd viele Geschichten zu erzählen, von dem Lände und seinen Herrschern, und ihm habe ich manche Mittheilungen über Gebräuche und Geschichte zu danken, die ich zum Theil schon oben gegeben oder in der Folge noch geben werde, mag auch ihr Werth dahingestellt sein. Der junge Häuptling war sehr gesprächig und beantwortete jede discrete Frage sehr höflich. Er hatte zwei Leute seines Gefolges oder Diener bei sich, und damit nichts fehle, war auch noch ein feuereifriger Wahha-bite aus Räs-el-Khejmah an Bord, einem Dorfe, welches bis vor wenigen Jahren durch die Seeräuberei seiner Bewohner sehr übel be rüchtigt war, die jetzt nur auf Gelegenheit warten, ihr früheres Gewerbe wieder von Neuem zu beginnen, wenn es die Rothkreuzflagge erlaubte. Dieser Ehrenmann liess keine Gelegenheit zu theologischen Discussionen vorübergehen und erinnerte mich sehr an Gifted GÜ-fillon's Expectorationen in „Waverley". Hätte nicht Furcht vor Khälid und den Gowäsimah unsere Mannschaft gehindert, so wäre er sicher in das Meer geworfen worden, um sich abzukühlen, wie es schon manchen seiner Secte ergangen ist, die biadischen Matrosen in die Hände fielen. Wir nahmen freundschaftlich Abschied von 'Abbas und den übrigen, welche uns bis an das Ufer geleiteten, und schifften uns ein. Die. Stunden der Abfahrt hängen hier von der Fluth ab, denn bei niedrigem Wasser ist es unmöglich, auch nur ein kleines arabisches Fahrzeug über die Klippen am Eingange des Hafens zu bringen. Es war jetzt ziemlich Mittag, die Fluth war hoch und ein frischer Südwind brachte 313 uns hinaus auf die grüne Fläche. Wir fuhren ziemlich nahe am Lande ihn, denn das Wasser ist hier bis mehrere Yard von der Küste sehr tief, und konnten alle, die am Ufer hin- iirid hergingen, deutlich erkennen. Bald kamen wir nach Mefraz, einem ziemlich grossen Dorfe, drei bis vier englische Meilen hördlich von Schargah, wo einige Glieder der Familie Ebn-Sakar in einem hübschen vierstöckigen Palaste wohnen; die Pflanzungen um das Dorf sind ausgedehnter und fruchtbarer als bei Schargah. Am Nachmittag wurde der Wind schwächer und gegen Abend ankerten wir vor Agmän, welches auch oft Ajman ausgesprochen und geschrieben wird; es ist ein kleines, von Gowäsimah bewohntes Dorf. Hier ging unser Wahhabi an das Land, um zu übernachten, von der übrigen Gesellschaft aber folgte Niemand seinem Beispiele, denn die Bewohner dieser Gegend sind als Fanatiker bekannt. Atn nächsten Tage war der Wind sehr schwach und wir kamen nur langsam vorwärts, und vorbei Homejrijah, Omm-el-Ghowejn (ich vermuthe eine Verstümmelung von Omm-el-Akhowejn, d. i. Mutter der beiden Brüder"), Howärah (ein Wort, welches etwas Weisses bedeutet, wie Homejrijah etwas Rothes), und einem halben Dutzend anderer kleiner Dörfer am Ufer; manche derselben haben einen Khaur oder Hafen, andere blosse Rheden. Das Land zwischen und hinter den Dörfern ist nicht ganz so kahl wie Katar, aber auch nicht fruchtbar; die Einwohner leben jetzt, da ihnen das Seeräuberhandwerk gelegt ist, hauptsächlich vom Fischfang. Hier und da erhebt sich ein altes Fort oder Thurm auf einer Anhöhe oder einem isolirteh Felsen. Allmäbg kam die unter dem Namen Ro'os-el gebäl bekannte Bergkette, welche den Rückgrat des Vorgebirges bildet, in ihrer ganzen Grossartigkeit zum Vorschein, und streckte ihre Granitfelsen und Basaltmassen immer weiter vor, so dass endlich die Dörfer der Gowäsimah kaum mehr zwischen dem Gebirge und der See Raum finden. Am zweiten Morgen ankerten wir unter Räs-el-Khejmah, der grössten und übelberüchtigtsten, zum Glück aber letzten Wahhabiren-kolonie an dieser Küste. An einer geborgenen Bucht gelegen, die hinsichtlich ihrer beinahe kreisrunden Gestalt einige Aehnlichkeit mit der Bucht von Messina hat. bietet es dem Auge eine Masse von Palmenhütten, ohne Ordnung und Schönheit; auf deV nahen Felsenspitze sind einige schwache Veisuche von Befestigungen; die Bevölkerung soll etwa fünf Tausend Köpfe betragen, wafc ihnen aber an Zahl abgeht, das ersfetzen sie durch eine zu wirklicher Wildheit gesteigerte Tapferkeit. Hier verliess uns unser wahhabitischer Predigter, zu grosser Zufriedenheit unsers Kapitäns Und seiner Leute, die ihm eine Ladung Flüche nachsendeten, die ein Kriegsschiff hätte Zum Sinken bringen können. Von dieser unangenehmen Gesellschaft befreit, segelten wir lustig weiter, das Wetter war «köstlich, der Himmel ohne Wolken, der Wind gelind, aber günstig, und die Küste ausserordentlich grossartig, nicht weniger, alfc die von Calabrien und den Abrnzzen. Bald reichten die granitenen Wände bis in das blaue Meer hinab; bald spalteten sie sich zu Klüften, in denen Wasserfälle herabstürzten und kleine Dörfer, wie Adlershorste, an den Felsen hingen, in deren Nähe grüne Flecke an den Rändern der Berge zeigten, wie die Bewohner einen Theil ihres Lebensunterhalts gewinnen, während zahlreiche Böte und Kähne, von ähnlicher Bauart wie die Kautimarons an der mala-bärischen Küste, eifrig mit Fischfang beschäftigt waren. An diesem 232 Die Küsten von Om~n. Kap XVI. Nachmittage erreichten wir Seha'am, ein ziemlich grosses Dorf, welches sich an dem mit Schiefer bedeckten Ufer unter den Felsen, welche es von der Landseite schlitzen, in langer Reihe hinzieht. Hier Messen wir unser Boot hinab und gingen ans Ufer, wobei die Matrosen in vollem Chore sangen. Wir mussten ziemlich lange rudern, ehe wir an das Land kamen, und ich hörte hier zum ersten Male, was mir von nun an an der Küste täglich vorkam, eine arabische „Tarantella" oder extemporirten Spottgesang, ähnlich denen der italienischen Improvisatori und insbesondere der Trasteverini. Unsere Matrosen gaben den westlichen Reimschmieden an Phantasie und Witz nichts nach; das Versmass richtete sich nach dem Takte der Ruderschläge und zwischen jedem Verse wiederholte ein Chor „Ja Sabäh-al-Khejri dä'im", oder ,,o bleibender Morgen des Glückes". Die ersten Stanzen enthielten nichts als Ausdrücke der Fröhlichkeit und Ermunterung zum Rudern; dann folgte eine scherzhafte Satyre auf alle an Bord Befindlichen, die mit dem Kapitän begann, der den Spass gut aufnahm, und dann auf sämmt-liche Mannschaft und Passagiere überging. Auch ich wurde mit einigen Stanzen beehrt, wobei der Singende mich angrinste und der Matrose, der auf einer Bank an meiner Seite sass, noch anstiess, um meine Aufmerksamkeit zu erwecken, jedoch dazu setzte: „es ist nicht böse gemeint, Ihr seht, wir bekommen Jeder unsern Theil." Später hörte ich ähnliche Recitationen von Leuten aus Sohär und anderen Städten der Bätinah: sie sind in der That in ganz 'Oman gewöhnlich, aber auch nur hier; in Neged und Schomer wenigstens ist mir nichts dergleichen vorgekommen. 315 Die Bewohner von Seha'am und Ro'os-el-Gebäl überhaupt sind ein merkwürdiges Volk. Kahtäni und Jemani von Abkunft, haben sie seit vielen Menschenaltern in diesen Gebirgen und an dieser Felsenküste gewohnt, die sie selten oder nie verlassen, um andere Länder zu besuchen. Ihre Sprache ist allerdings ein arabischer Dialekt, aber die Isolirung hat ihn so barbarisch gemacht, dass ein Fremder aus 'Oman selbst, von Neged oder Hasa gar nicht zu sprechen, ohne Dolmetscher kaum nach Ro'os-el-Gebäl gehen kann. „Lisän-ot-tej'jür" — „Vogelsprache" nannte Jusef diese Sprache, und sagte, dass er von zehn Worten kaum eins verstehe. Alle sind hier gute Biadijah und haben nichts mehr von ihren gefährlichen Nachbarn, den wahhabitischen Gowäsimah, zu fürchten, vor denen sie einerseits durch ihre festen Gebirge, andererseits, vielleicht nicht weniger wirksam, durch ihre Arrauth geschützt sind. Dieser Theil des Vorgebirges Mesandem bildet die Provinz Ro'os-el-Gebäl und ist die wildeste und unfruchtbarste Gegend in ganz 'Oman; die Leute gelten für Halbwilde, sind es jedoch von Charakter nicht; sie stellen der Centrairegierung gute Matrosen und haben in Seekriegen oft schätzbare Dienste geleistet. Jedes Dorf hat seinen Häuptling, und Niemand scheint eine besondere Macht über die Uebrigen zu beanspruchen: in der That. der Mangel an leichter Verbindung in diesen steilen Gebirgen reicht allein hin, eine wirksame Organisation zu erschweren. Nach einem Aufenthalt von einigen Stunden in Seha'am kehrten wir zurück, um die Nacht an Bord zuzubringen, denn die ehrenwerthen Fischer des Dorfes hatten nichts, was sie uns anbieten konnten. Am nächsten Morgen fuhren wir weiter, um Vorsprünge und Klippenränder, bald über die grüne Tiefe gleitend, im dunkeln Schatten hoher Felsenwände, bald in hellem Sonnenschein auf glitzernden Wellen, während fern und nahe leichte Fischerboote, auf der Fluth schaukelnd, dahin glitten oder an einer Stelle ruhig liegend ihre Netze auswarfen. Hie und da sahen wir in der Ferne grössere Segel in der Richtung von Linga oder Bahrejn, und über unseren Köpfen zur Rechten gähnten die Riesenfelsen empor, welche den persischen Meerbusen von dem indischen Meere trennen. Vor Mittag karneu wir in eine liebliche, tief zwischen hohen Bergen zu beiden Seiten versteckte Bucht, mit einer einzigen schmalen Einfahrt zu der breiten ruhigen Fläche, deren wie Glas durchsichtige Gewässer uns tief unten das steinige Bett sehen Hessen. Weder Sturm noch Wellen finden hier Eingang. Am hintern Ende der Bucht war eine kleine Ebene, von Bergwässern bewässert, wo Palmen und Gärten von dem Fleisse der Einwohner von Khabb — dies ist der unharmonische Name dieses feenartig gelegenen Dörfchens — Zeugniss ablegten. Hier landeten wir und brachten einige Stunden am Ufer zu; im Dorfe selbst ist ausser kleinen Hütten und halbbekleideten oder halbnackten Fischern wenig zu sehen. Moscheen — die auch in dem kleinsten wahhabitischen Orte niemals fehlen — sind natürlich inRo'os-el Gebäl in keinem Dorfe zu finden, oft aber bildet, anstatt des Mesgid, eine kleine, sorgfältig eingehegte, und von einem hübschen Haine umgebene Kuppel, den Gegenstand einer örtlichen Verehrung. Die Einwohner nennen ein solches Gebäude „Mezär" oder „Besucheort", zuweilen „Sej'jid" oder „Herr", während die Negdäer, welche darin eine Art Götzendienst erblicken, es „Sanam" oder „Götzenbild" nennen. Diese Gebäude, wie die entsprechenden „Mezärs" der Metäwelah und Ansejrijah in Syrien, sind oft zu Ehren des Begräbnissplatzes oder wenigstens zum Gedächtniss irgend eines apokryphen Schutzheiligen, der der mohammedanischen Tradition unbekannt ist, errichtet worden. Dies war auch der Fall mit dem „Sej'jid" oder „Sanam" von Khabb, einer hübschen kleinen Kuppel auf einem viereckigen Unterbau; der Name des Heiligen, ob wirklich oder eingebildet, war 'Abbas, von dem mir eine lange Geschichte erzählt wurde, aus der ich aber nicht klug werden konnte, nur schien sie mir persischen Ursprungs zu sein. An der ganzen Küste wird bedeutende Fischerei betrieben, namentlich fängt man hier eine Art kleiner Fische, Metut genannt, die an Farbe und Gestalt grosse Aehnlichkeit mit dem Breitling oder kleinen Anchovis haben, an Geschmack aber weniger zart sind. Sie werden roh gegessen, nachdem man sie einfach gesalzen und in der Sonne getrocknet hat, ohne jede weitere Bereitung. Unser Kapitän wollte eine Ladung Metut nach Sowejk mitnehmen, wo sie sehr gesucht sind, aber nach einem langen Min- und Herreden konnte er sich mit den Leuten aus dem Dorfe nicht um den Preis einigen, und bald nach Mittag schifften wir uns wieder ein, ohne die beabsichtigte Fracht, und hofften noch am Abend dieses Tages das Kap Mesandem zu umsegeln. Es war schon ziemlich spät am Nachmittage, als wir das Vorgebirge erreichten und die enge Durchfahrt zwischen dem äusser-sten Felsen von Mesandem und dem festen Lande des Vorgebirges erblickten. Diese Meerenge wird „Bäb" oder „Thor" genannt, und Die Küsten von 'Oman. Kap. XVI. gewährt einen grossartigen Anblick. Zu beiden Seiten steigen hohe 317, und steile Felsen aus dem tiefen schwarzen Wasser empor. Schiffe, die das Unglück haben, liier zu seheitern, sind unrettbar verloren. Der Name „Mesandem" oder „Ambos", wie man diese Stelle von dem unaufhörlichen Anschlagen der dunkeln Wellen genannt hat, kann nicht bezeichnender sein. Noch gefährlicher aber ist eine ungeheure viereckige Basaltmasse, die sich in einer geringen Entfernung von hier mehr als hundert Fuss hoch über da& Wasser erhebt, und den Namen „Salämah" oder „Sicherheit" führt, ein Euphemismus für „Gefahr", ähnlich wie der Name der „Eumeniden" in der griechischen Mythologie. Dieser Felsen hat manchen Schiffbruch gesehen und verursacht — so viele in der That, dass arabische Schiffer in der Regel behaupten, er sei vom Teufel selbst absichtlich hierher gesetzt und, wie der Inchcape-Felsen, von unsichtbaren dämonischen Stranddieben bewohnt. Mehrere kleine zackige Spitzen, die eben nur über die Oberfläche des Wassers ragen, stehen gruppenweise um ihn herum; diese haben den verführerischen Namen ..Benät - Salämah", oder „Töchter der Salämah." Kurz Alles, was zwischen den Felsen des Vorgebirges selbst, die schrecklichen Klippen von Mesandem, die ominöse Salämah und ihre verrätherische Familie, in jeder Weise einer solchen Mutter würdig, dazu die felsigen Inseln Lareg und Ormuz in geringer Entfernung, macht die Fahrt, namentlich für arabische Schiffer, im höchsten Grade unsicher; dazu kommen noch die gewaltigen und eigensinnigen Strömungen, welche durch den engen Kanal gehen, und die häufigen Stürme aus dem Gebirge von Ro'Ö&elGebäl und 'Oman, oder von der hohen persischen Bergkette hinter Bander 'Abbas an der entgegengesetzten Seite der Meerenge, welche die Stelle doppelt gefährlich machen. Kürz vor Sonhenuritergang, eben als wir dem oben genannten „Bäb" nahe kamen, legte sich der Wind Und es trat eine vollständige Windstille ein, die etwa eine Stunde anhielt, während welcher uns die Strömung weit westlich trieb; dann folgte plötzlich ein heftiger Sturm aus Südwest; die See, welche hier selbst nahe dem Ufer sehr tief ist, hob sich in grossen Wellen, und wir trieben gerade auf die Salämah zu, wo nur wenige Yard fehlten, dass wir nicht mit der Mutter und ihren Töchtern eine sehr unerwünschte Bekanntschaft machten. Der Kapitän und seine Leute wussten sich nicht mehr zu räthen und zu helfen; Jusef weinte wie ein Kind, Sejf machte ein sehr ernstes Gesicht; ich selbst stemmte mich zwischen den Balken, um nicht hin 318 und her geworfen zu Werden, und legte mich dann, wie Jonas, wenigstens in einer Beziehung, in Mangel einer bessern Beschäftigung zum Schlafen nieder. Die ganze Nacht trieben wir hin und her, wie der Sturm• wollte, unter einem mond- und sternenlosen Himmel, während die grosseh Wogen um uns her schäumten und brachen. Der Morgen graute durch Wolken, Nebel und Stürm; wir waren jetzt dicht vor Lareg. einer von Felsen umgürteten, Fast unbewohnten Insel. Weder ein Landungsplatz noch sicherer Ankergrühd war hier zu finden, und die Matrosen arbeiteten, um das Schiff wenigstens um Lareg herumzubringen, und nun ging es vor dem Winde gerades Weg^'s auf 'Ormuz zu. Die Le:nV entwickelten übrigens, bei Handhabung 'der wte- nigeu Segel, welche wir führen konnten, mehr Geschick, als ich ihnen zügetraut hatte. Mir war es übrigens durchaus nicht unangenehm, bei dieser Gelegenheit eine Insel zu besuchen, die einst durch ihren Handel so berühmt, war, Und von der ihre portugiesischen Besitzer zu sagen pflegten, wäre die Welt ein goldener Ring, so tnüsste 'Ormuz das diamantene Siegel darin seih. Die Insel hat ganz das Ansehen eines erloschenen Vulkahs, was sie auch wahrscheinlich ist; der äussere Rand besteht aus einer weiten ovalen Wand von steilen, ausgebrannten und zackigen Klippen, die ein in der Mitte gelegenes Becken umschliessen, in wel-ehehi Gesträuche und Gras wachsen. Die Basaltabhänge der äussern Schutzwand ziehen sich an manchen Stellen bis in, die See hinab, zwischen splitterähnlichen Spitzthürmen und phantastisch gestalteten Klippen von verschiedenen Farben, wie die verkühlende Lava oft annimmt. Zwischen West und Nord streckt sich ein langes dreieckiges Vorgebirge, niedrig und flach, ziemlich weit hinaus, welches sich zu einer Landzunge verengt. Auf dem Felsen, am äussersten Ende desselben haben die Portugiesen eine Festung erbaut, welche verdient, einen Rang unter römischen Ruinen einzunehmen, so fest sind die Mauern, so compact die Mäuerarbeit und gut cementirt das Ziegelwerk, gegeh welche die Stürme und Wellen drei langer Jahrhunderte sich vergeblich gebrochen haben. Der grössere Theil des Vorgebirges selbst ist iflit Ruinen bedeckt; hier stand einst eine wohlhabende Stadt, jetzt ein öder Haufen yön Trümmern, unter denen man noch Spuren mancher schönen Wohnhäuser, Bäder und einer Kirche findet. Ein einsamer ächteckiger Leuchtthurm, wie der bei Schargah, aber von zierlicherer Bauart, steht etwa hundert Yard vom Ufer; er ist von Ziegeln und Steinen gebaut, die ein viereckiges Muster bilden; im Innern führt eine Wendeltreppe hinauf, deren Stufen aber etwa zwölf bis fünfzehn Fuss vom Fussboden aus abgebrochen sind, so dass man den obern ^ Theil nicht ohne Leiter erreichen kann, die jetzt auf der ganzen Insel 319 schwer aufzutreiben sein möchte. Nach dem, was ich von ähnlichen Bauwerken anderwärts gesehen habe, namentlich zwischen Bagdad und Kerkuk, möchte ich diesen Thurm für das Minaret einer persischen Moschee halten, welches später von den Portugiesen als Leuchtthurm benutzt würde. Dicht um das Fort liegen etwa hundert mehr oder wehiger verfallene Erdhütten, die Wohnungen von Fischern und Hirten, deren Heelden in dem Krater weiden. Ein einziger Schuppen, wo getrocknete Dattein, Trauben und Tabak zum Verkauf ausgestellt *ind, ist Alles, was noch von dem Handel von Ormuz übrig ist. Sic tran-sit gloria kam mir unwillkürlich in den Sinn, als ich diesen schrecklichen Verfall sah. Ich habe Tyrus. Surät und Goa gesehen, aber in keinem dieser gesunkenen Seehäfen ist etwas, das der äussersten Verödung von Ormuz gleichkommt. Der Grund dieses Verfalls leuchtet von selbst ein. Der Handel von Ormuz hing theils von seiner Verbindung mit Indien ab, theils von der temporären Bedeutung, die es als portugiesische Station hatte, zu einer Zeit, als die Portugiesen zu den ersten Schifffahrern und Kanf-leuten der Welt zählten. Der Weg, welcher sich über das rothe Meer und Aegypten öffnete, gab dem indischen Handel eine andere Rieh- tung, und mit dem portugiesischen Unternehmungsgeist und der portugiesischen Macht gerietii auch der Handel, welcher noch im sechszehnten Jahrhundert hier getrieben wurde, in gänzlichen Verfall. Die Bedeutung von Ormuz hing weit mehr von europäischer Thätigkeit ab, und der Nothwendigkeit europäischer Stationen im Orient, als von unveränderlichen und deshalb dauernden Ursachen. Stark zur See, aber unfähig, sich zu Lande mit den einheimischen Regierungen zu messen, zogen die Portugiesen immer vor, anstatt auf dem festen Lande, auf Inseln feste Stationen zu gründen, die ihnen und ihren Waaren grössere Sicherheit boten, und der an und für "sich nicht schlechte Hafen von Ormuz schien ihnen daher geeigneter, als die Küstenhäfen von Linga, Bander-'Abbas, Sohär und die übrigen, ja selbst besse;- als Mascat, wo ihre Existenz gefährdet und ihre Thätigkeit in verschiedener Weise gehemmt war. Auch in militärischer und politischer Beziehung hatte diese Insel, so nahe am Eingange des persischen Meerbusens gelegen, und so leicht gegen einen feindlichen Angriff zu befestigen, einen besondern Werth. Aber in unseren Tagen, wo beide Küsten, die per-320 sische und die arabische, einer und derselben einheimischen Macht gehorchen — während Mascat, Sohär, Linga und zwanzig andere Häfen Vortheile für Schifffahrt und Handel mit dem Binnenlande bieten, die denen von Ormuz gleich oder grösser sind — ist die Insel natürlich zu einer Verhältnissmässigen Unbedeutendheit gesunken, und wären •nicht die Salzminen an der nordöstlichen Seite, aus denen Jeder, gegen Entrichtung einer kleinen Summe an den Schatz von 'Oman, soviel nehmen und fortführen kann, als er will, so würde Ormuz beinahe oder ganz verlassen sein. Ein untergeordneter 'omanischer Statthalter mit einigen Untergebenen wohnt jetzt in dem Fort, damit es nicht ganz verfällt; und Schiffe, die wie das unsrige, vom Sturme verschlagen sind, suchen hier Schutz gegen das Wetter; einige Fischerboote lagen an der Küste. Es giebt keine perennirenden Quellen auf der Insel, aber die starken Winterregen speisen die gewölbten Cisternen, die hier nach demselben Muster gebaut sind, wie die zu Linga, hinlänglich mit Wasser für eine so geringe Bevölkerung. Ein tiefer Graben umgiebt das Fort vou der Landseite; die Thore haben noch ihre mit Eisenplatten beschlagenen Thürflügel aus der Zeit der Portugiesen; die Mauern sind noch leidlich erhalten, die Gewölbe wenig beschädigt, und das Innere wenig anders, als es in alter Zeit war. Das gegenwärtige K'häwah oder Empfangszimmer des Gouverneurs scheint ehemals eine Hauskapelle für die Garnison gewesen zu sein ; es kann gegen dreihundert Menschen fassen. Der grössere Theil des Kastells ist jetzt unbewohnt, und der gegenwärtige Gouverneur, mit seinem ganzen Gefolge hat so zn sagen nur einen Winkel davon inne; das Uebrigc, Zimmer, Gallerien, Vorrathskammer und Munitionsgewölbe stehen leer und verlassen. Der Hafen selbst besteht aus zwei Buchten, beide in Gestalt eines Halbmondes — die eine östlich, die andere westlich am Vorgebirge. Der Ankergrund ist ziemlich sicher, und wenn die eine Seite dem Sturme ausgesetzt ist, so bleibt die andere beschützt; überdies haben über diesen Winkel der Meerenge, der gleichsam in die persische Küste eingesenkt ist, die gewöhnlichen Stürme weniger Macht, als etwas weiter hinaus der Fall ist. Gegenüber dem nordwestlichen Hafen erhebt sich das hohe Gebirge und unter diesem die Stadt Bander-'Abbas. Die Entfernung zwischen Ormuz und dem Festlande beträgt kaum zehn Seemeilen; gegen Westen hat man die volle Ansicht der Insel Gischm, gegen Süden die Insel Lareg; am Horizont sieht 321 man das Vorgebirge Mesandem und die Bergkette von Ro'os-el-Gebäl. Der Sturm, welcher uns nach Ormuz getrieben hatte, hielt drei Tage an. Jusef und ich brachten die Zeit meist am Ufer zu; da aber neun Zehntheile der Einwohner nur Persisch sprechen, konnte ich mich nicht sehr mit ihnen unterhalten. Der Gouverneur war sehr höflich, aber keineswegs gesprächig; er erwies uns alle Gastfreundschaft, die bei der Armuth der Insel möglich war, und ein Gericht Schaffleisch au seinem Tische schien beinahe ein Luxus nach dem Haifischfleische, mit dem wir an Bord unsere Mahlzeit zu halten pflegten. Haifische giebt es im ganzen Meerbusen sehr viele, und sie werden allgemein gegessen. Sie s«id sehr nahrhaft, schmecken aber ziemlich fade. Man nennt sie hier ruft dem indischen Namen „Awwäl", der eigentliche arabische Name ist ,Kelb-ol-Bahr" oder „Seehund." Ich musste lachen, als ich fand. da;s selbst Niebuhr mit anderen Reisenden das Wort „Awwäl" fiir den Namen eines Ortes gehalten die die Insel Bahrejn mit dem Namen deses Fisches getauft haben, der allerdings an dem Ufer sich sehr häul^ findet, aber doch nicht die Insel selbst ist. Bahrejn hat daher aut manchen Karten und in manchen Büchern den Namen Awwäl oder Haifisch erhalten, was eben so ist, als ob ein Fremder, der die Ostk^te Englands besuchte und seine Bemerkungen schrieb, diese Heering -.der Makrele nennen wollte. Im ganzen Meerbusen giebt es keine Inse gr08S 0der klein, die den Namen Awwäl führt. Es ist beinahe selbstverständlich, darf aber doc njcht ganz mit Stillschweigen übergangen werden, dass der Dialekt, 0der vielmehr das Kauderwälsch der Schiffer von 'Oman und Barr Fär, em Gemisch von Arabisch, Persisch, Hindustanisch und gelegentlich auc. Afrikanisch oder der Negersprache ist, mit einem guten Zusätze von schrecklich verstümmelten englischen Wörtern. Diese Leute kommen 1uf ihren Reisen bald an Küsten, wo Persisch gesprochen wird, bald nnj, j^ar. rätseln, Bombay, Mongalore, Cannamore und anderen indischei.fjäfen bald nach Zangibar und Sowähil. Die Matrosen auf den Schiffe sjncj 322 ebenfalls in der Regel aus allerlei Volk zusammengelesen und bi,nren ihre Sprachen mit an Bord. Wie die englischen Wörter hierher kom,en ist ebenfalls leicht zu begreifen. Ein Reisender, der nicht sehr ,xf seiner Hut ist und nicht genug von den verschiedenen Sprachen ve steht, um eine von der andern zu unterscheiden und die verdrehtei Anwendungen dieser Bastard-Nomenclatur richtig zu würdigen, ist daher vielen Missverständnissen ausgesetzt, sowohl beim Hören, als bei Wiedergabe des Gehörten. An der' nördlichen und östlichen Küste von Ormuz finden sich viele Ruinen kleiner Forts aus den Zeiten der Portugiesen; gegen Süden waren solche Befestigungen Uberflüssig, da hier die Natur selbst Mehr zum Schutze des Ufers gethan hat, als Menschenhänden möglich gewesen wäre. Ich ging um die ganze Insel, untersuchte die einge- stürzten Bauwerke, kletterte auf die Wände des Kraters, besah die Salzgruben, versuchte (mit wen,ig Erfolg,, mich der) Person: verständ-lich zu machen, versuchte den Goincrnuir ges>präehig zij machen, aber unmöglich, denn sein Wahlspruch schien zu sein „Frage mich nicht, dann will ich' dir keim; Lüge sagen-. ui|d seufzte nach gutem Wetter und einem. Winde aus Norden, der uns wieder weiter brächte. Dieser kam endlich, und am Morgen des ?7sten waren wjr wieder auf der See und fuhren südwärts bei Salämah und ihren Töchtern vorbei — diesmal ohne Furcht und an der östlichen Seite - und kamen gegenüber dem äussern Eingange des „Fäb" oder Thores von Mesandem an, welches wir jetzt nicht mehr zu passiren brauchten. Wir fuhren langsam unter den pfeilerähnlichen Fejsen hin und legten früh am nächsten Morgen in einer geschützten Bucht an, einem Binnensee, der nur durch einen sehr schmalen Kanal mit dem Meere in Verbindung steht. An dem innern Ende desselben lag difs Dorf Rubah. welches zu der wjldeu Provinz Ro'js-el-Gebäl oder „Bergspitzen" ge hört — ein sehr passender Name Der Zweck unseres Besuch? war noch immer derselbe, nämlich eine Ladung Metut; es waren »bei keine zu haben, wir fuhren also weiter nach Lejmah, dem volKeichsten und bedeutendsten unter allen 323 diesen Dörfchen von Ro'os-e-'-Gebäl, von dem eine hübsche Bucht den Namen hat, und welches der Östlichen Grenze dieser Provinz am nächsten liegt. Jenseits derselben beginnt der Distrikt Kaihat, öfter noch Kalhüt gelaunt, ei* Name, der auf den meisten Karten südöstlich von Mascat in die Näte des Räs-el-Hadd gesetzt wird. Bis» in diese letztere Gegend dehrPn s'cb meine Forschungen nicht aus, doch ver-mutbe ich, dass injener Gegend irgend eine Stadt oder Dorf dieses Namens liegen u"£i aber das einzige Kaihat, von welchem ich in 'Oman hörte, w» die Provinz, deren nördliche Grenze das Vorgebirge von Lejmah ur4 deren südliche Grenze die Bätinah ist. Wir fuhr" ifl die Bucht, aber die Na/'rjt brach ein und es war zu spät, in Geschäften ans Ufer zu gehen. Wir ankerten also dicht unter einer an der Küste hervorspringenden Felsen und beschlossen, hier den morgen zu erwarten. Kurz vor Mitternacht aber erhob sich plötzlich^" heftiger Sturm, wie- an diesen Küsten nur zu häufig, der aus de Gebirge kam, so dass unser Schiff vor Anker trieb, gerade auf d-' Felsen zu, und ehe noch unsere Matrosen, die aus dem Schlafe aufsranSeTb es verhindern konnten, war unser Bugspriet zersplittert; noc-ein Augenblick upd es war um uns geschehen. Doch den ausser-orentlichen und nicht ungeschickten Anstrengungen der Mannschaft piang es, das Schiff noch herumzubringen und im Mondenschcjne fuh en wir nun in die innere Bucht, wo der Anker^rund besser und mehr Schutz vor dem Winde war. Die aufgehende Sonne beleuchtete eine herrliche Scene. Ein langes, mit Kieseln bedecktes Ufer, hinter diesem ein bewaldetes Thal, das weit hinten in tiefe, ebenfalls mit Bäumen bewachsene Schluchten ausläuft, zwischen denen die rauhen Granitfelsen hervorschauten. Zu unserer Rechten lag das Dorf Lejmah, eine Reihe von Häusern über der andern, am Abhänge des Berges, wie ich in meiner glücklichen Kindheit in Schwyz und Tessin oder später — in weniger rosigen Tagen — an den Abhängen des Libanon gesehen hatte. Die Hütten in Lejmah sind von Stein gebaut, mit Terrassen und Gartenmauern an den Seiten und sahen sauber und wohnlich aus. Nach der Zahl der Wohnungen zu urtheilen, mag das Dorf etwa zwei Tausend Einwohner haben. Weiter hinauf kletterten Heelden von Ziegen an den Berg- 324 wänden hinan, zwischen denen die Hirten hinschlenderten; unten im Thale zogen blaugekleidete Frauen, um Wasser aus dem Brunnen zu holen; am Ufer lagen Boote, gross und klein, auf dem Trockenen, oder bereit zum Fischtang auszufahren; und endlich — eine gute Aussicht für unsern Kapitän und seine Leute — lagen ganze Haufen frischer Metüt schimmernd auf dem steinigen Ufer, während andere, auf den Felsen ausgebreitet, in der Sonne trockneten. Wir stiegen Alle ans Land; der Kapitän und seine Leute fingen sogleich an, um die orientalischen Anchovis zu handeln, während Zejd, Jusef und ich einige Stunden in dem Thale spazieren gingen, wo eine üppige Vegetation von Eichen, Palmen, Lotosbäumen, Akazias und namentlich ein Baum mit glatten, glänzenden Blättern, der zu der Species gehört, welche hier Moksah genannt wird, und mit runden Beeren beladen, die eine Art Schleim geben, dessen sich häufig die Vogelfänger bedienen, sehr angenehm von der kahlen Dürre abstach, die wir erst kürzlich auf ßäs-el-Khejmah und Ormuz gesehen hatten. Die Einwohner, denen wir begegneten, zum grössten Theil Hirten oder Fischer, waren ziemlich freundlich: ich fing mit einigen von ihnen ein Gespräch über die Engländer an, deren Schiffe und Dampfer sie von ihrem Gebirgsneste aus in weiter Ferne sehen können. Aber Frager und Horcher hören oft von sich selbst nicnt das Beste, und so war auch hier der Fall. Alle Vortheile des Handels, der Civilisation, des Schutzes u. s. w. können nicht die nationale Antipathie aufwiegen, welche noch durch eine Furcht vor territorialen Eingriffen erhöht wird — eine Furcht, die bis zu einem gewissen Grade durch die Eroberungen in dem nahen Indien, die Erwerbungen in Birmah, die Einfälle in Pendschab, die Kriege in China und manche andere weltbekannte Beispiele gerechtfertigt scheint, die früher oder später immer eintreten müssen, wenn Eisen mit Thon — Europa mit Asien. — in Berührung kommt. Die Ereignisse, welche ich eben nannte, geschahen nicht im Verborgenen und sind iii 'Oman kein Geheimniss; sie haben dazu beigetragen, eine heilsame Furcht einzuflössen, aber wenig um Liebe zu erwerben. Ich fürchte daher, dass unsere Landsleute, wenigstens in der gegenwärtigen Generation sich in Lejmah mit dem „oderint dum metuant" des Tacitus begnügen müssen — Worte, welche die Lage ziemlich genau zusammenfassen. Die Fischer schienen sehr zu fürchten, dass die Engländer, wenn sie die Vorzüge von Ro'os-el Gebäl, und insbesondere Lejmahs kennen lernten, ihre eigene meer-umgürtete Insel verlassen und sammt und sonders, König und Königin (ein Mann sagte mir dies in vollem Ernste) herüberkommen und sich 325 auf dem Vorgebirge Mesandem niederlassen würden. Ich hielt mich nicht für verbunden, solchen Befürchtungen zu widersprechen, zumal eine hellere Gesichtsfarbe ui.d der Umstand, dass ich ein Fremder war, mich leicht in den Verdacht bringen konnten, die Engländer ver-theidigeu zu wollen. Icj,) seufzte, als ob ich Gleiches fürchte; und 240 Die Küsten vou 'Oman. Kap. XVI. bis heute noch zittern ohne Zweifel die Herzen der Männer von Lejmah bei dem Gedanken, Buckingham - Pahiee und Westminster-Hall einmal plötzlieh nach Ro'os-el-Gebäl versetzt zu sehen. Auf der Rückkehr von unserm Spaziergange besuchten wir das Dorf. Aber vergeblich klopften wir an die Thülen, in der Hoffnung, eine gastfreundliche Einladung zu Mittag zu erhalten; Niemand war zu finden, Alle waren „nicht zu Hause" — keine höfliche Lüge, sondern die reine Wahrheit, denn Alles war bei der Arbeit, Fische fangen, Schafe weiden, Metüt trocknen und verkaufen u. s. w. Eine gutmüthige Frau, die zu Hause geblieben war. bot uns ein Stück Brod und einen Trunk Wasser an, und das war Alles, was uns Lejmah bieten konnte; an Kaffee war kein Gedanke. Nahe dem materischen Bette eines Bergbachs unter dem Dorfe stand eine kleine Kuppel, der Gegenstand grosser Verehrung; und mit dieser hing eine lange Geschichte zusammen, die mir von einem alten Manne erzählt wurde, aber in einem so schrecklichen Vogelgezwitscher von Arabisch, dass ich von der ganzen Erzählung nichts weiter verstand, als dass einmal ein heiliges Feuer hier gebrannt hatte, aber seit langer Zeit verlöscht sei. Als ich dies hörte, zündete ich meine Pfeife an, und bat den Alten , sich derselben als Ersatz des verlöschten Feuers der „Kub-bah" zu bedienen, worüber er sehr lachte und die Einladung annahm. Am Nachmittag gingen wir wieder an Bord und fuhren an diesem Abend noch an der Küste von Kaihat oder Kalhüt hin, die noch immer, aber doch weniger felsig ist, als die des Ro'os-el-Gebäl. Am nächsten Morgen befanden wir uns vor der Bucht von Debf, einem prächtigen Golf, der an Schönheit dem von Neapel nicht nachsteht. Eine Menge kleiner Dörfer liegen an dem Ufer umhergestreut und hinter demselben erhebt sich ein Panorama von Gebirgen, das in Sicilien nicht schöner sein kann. Ich hatte grosse Lust. Halt zu machen und ans Ufer zu eben, aber der Kapitän war mit seiner Ladung Metüt, die er in Lejmah eingenommen, vollständig befriedigt, und weder er noch seine Leute sahen einen hinreichenden Grund, um in Den! Anker zu werfen. Wir fuhren also schnell an der Küste weiter, die hier fruchtbar und dicht bewaldet ist, während die Gebirge immer weiter 326 zurücktreten, um sich mit der grossen Bergkette von Gebel-Akhdar hinter der Bätinah zu vereinigen. Seit dem letzten Kriege gehört dieses ganze Gebiet gewissermassen Khälid-ebn-Sakar, der die Einkünfte bezieht, sonst aber nichts mit der Verwaltung zu thun hat. Die Einwohner sind ohne Ausnahme Biadijah. Der Haupttheil der Bevölkerung wohnt an der Küste, wo der ebene Boden leichter zu bebauen ist und das Meer zu Fischfang und Handel einladet, die den Leuten von 'Oman am besten zusagen. Debi ist der bedeutendste Ort von Kaihat, hier wohnt auch der Gouverneur; die inneren Grenzen der Provinz bildet die Bergkette, welche Kaihat von der Provinz Schargah trennt. Gegen Mittag kamen wir bei Zabara vorbei, einer kleinen, zwischen fruchtbaren Gärten gelegenen Stadt; andere kleinere Ortschaften ziehen sich in ununterbrochener Reihe am Ufer hin, denn Kaihat ist bei weitem dichter bevölkert als Ro'os-el-Gebäl. und die Einwohner haben ein durchaus eivilisirteres, Ansehen. Gegen Abend kamen wir gegenüber einem hohen, steilen Spitzberg der etwa zehn bis zwölf engl. Meilen von der Küste liegt; er bildet die äusserste südliche Grenze der Bergkette von Ro'os el Gebäl und führt den Namen „Kataa-l-Lohä" oder „Abschneidung der Barte"; woher er aber diesen Namen erhalten bat, konnte ich nicht erfahren. Unter demselben zieht sich das Thal Hamm hin und hier führt ein Weg direkt über das Vorgebirge nach Schargah, welches diesem Punkte an der andern Seite gerade? gegenüber liegt. Von dem Kataa -1 - Loha südlich beginnt die Bätinah, welche sich an der Küste abwärts bis Barka und landeinwärts bis Gebel-Akhdar erstreckt. Die Bätinah ist die bei weitem reichste, obwohl nicht die bedeutendste Provinz von 'Oman. Sie liegt zwischen dem Meere und dem hohen Gebirge „Gebel-Akhdar" oder „das grüne Gebirge" und ist besser bewässert als irgend ein anderer Theil Arabiens; der Boden ist von Quellen feucht, in den Wintermonaten von starkem Regen bewässert und in allen Richtungen mit Bergbächen durchschnitten, von denen freilich keiner gross und dauernd genug ist, um den Namen eines Flusses zu verdienen oder als solcher auf der Karte Platz zu finden. Diese Gegend ist eine grosse, beinahe hundert und fünzig Meilen lange und dreissig bis vierzig Meilen breite Ebene, die sich landeinwärts stufenweise mit Abhängen und grünen Bergen erbebt, während sie mich der See zu hoch genug über der Meeresfläche liegt, und daher eine ungleich gesundere Lage hat, als Katif und ähnliche niedrige Küsten. Die Vege-327 tation kann sich an Ueppigkeit mit der von Concan in Indien messen. Mango, Cocosnuss, Betelpalme und andere Bäume, die ich besser mit ihrem indischen, als dem arabischen Namen kenne, der sich weitausdehnende Aälej'mit glatter Rinde, Kathol oder Jacabaum, derJamblu, hier Khowkh genannt, der bei Bombay so häufige Melonenbaum (Papaya); nicht zu gedenken vieler kleineren Sträucher und Gewächse der tropischen Flora, sind mit Dattelpalmen und lthel gemischt, die hier noch gleichsam als Zeugen der Identität des arabischen Bodens wachsen. Eben so man-nichfach sind die Producte des Ackerbaues, Baumwolle, -- weisse und rothe — letztere ist hier in der That die gewöhnlichere und mehr gesucht; Kaffee, obwohl an Qualität mehr dem indischen ähnlich, als dem von Jemen; Indigo, Zuckerrohr, Yamswurzel, Roggen, Mais, Hirse, allerlei Gemüsepflanzen, Aprikosen, Pfirsichen (Khowkh Färisi), Nüsse, ich glaube sogar Aepfel — obwohl ich nicht sicher bin, ob letztere nicht aus Persien eingeführt werden, wenigstens haben sie hier den persischen Namen „Sib" anstatt des arabischen „Tuffäh''. Fruchtbare Weingärten bekleiden die Seiten des Gebel-Akhdar und liefern vortreffliche Trauben. Die Einwohner sind zum Glück Karmathier und nicht Mohammedaner, die beste Gabe der Natur würde sonst weggeworfen werden. Endlich geben noch Eichen, Platanen, Nabak, die hier sehr hoch wachsen, Bauholz für Schiffe und Häuser; Thekabaum wird aus Indien eingeführt. Die Zahl der Städte und Dörfer in der Bätinah soll sich auf mehr als hundert belaufen, und nach dem, was ich sah, will ich es gern glauben. Die Küste wenigstens ist eine ununterbrochene Reihe von Gärten und Wohnungen, von dem Vorgebirge Komah, wo die Provinz anfängt, bis Barka hinab, wo sie endigt. So weit das Auge reicht, sieht mau II. IG nichts als bebautes Land und Häuser, mit einem fernen Hintergrund von Grün und Laub. Sohar ist die Hauptstadt; Barka die zweite Stadt an Bedeutung; Low'wa, Sowejk, Fgäirah, Sohäm und Mesnaa1 sind bedeutende Centren der Bevölkerung. Mit der Nacht trat Windstille ein und wir warfen dicht am Ufer Anker. Bei dem hellen Glänze des Morgensterns, von unseren Matrosen mit dem oft bestrittenen Namen Farkad begrüsst, erhob sich ein Landwind und wir glitten nun an der Küste weiter, während der Kapitain und Zejd mir ein Dorf und eine Stadt nach der andern zeigten. Fä-girah, einer der blutigsten Schauplätze von Khälids Verwüstungen; Schinäz., wo ebenfalls ein grosses Blutbad stattfand, wurde mir nicht ohne Commentar gezeigt; von der See aus gesehen scheinen sie noch gross und blühend. Krieg, ebenso wie Pestilenz, lassen selten bleibende Spuren auf der lebenden Welt zurück, aber eine systematische schlechte Regierung kann ein Land mehr entvölkern, als Attila oder der schwarze Tod, und in fast eben so kurzer Zeit. In Schiräz sahen wir eines jener hübschen Gebäude, halb Burg, halb Lustschloss, die eine Eigenthüm-lichkeit 'Omans bilden, mit symmetrischer, weisser Vorderseite, Thürm-chen an den Seiten und mit Zinnen gekrönt, einem hohen Thor in der Mitte und hinten ein hoher Thurm. Das Ganze hatte ein süd-gothisches Gepräge und war offenbar mehr zum Schmuck, als zur Vertheidigung erbaut. In der That, ein Hauch des Friedens und gewohnter Sicherheit ruht auf dem ganzen Lande 'Oman. Zejd und seine Landsleute sprachen daher von der letzten wahhabitischen Invasion in Ausdrücken von Abscheu, Entsetzen und Entrüstung, welche man gebraucht, wenn man von etwas ganz Unerhörtem spricht. Krieg ist in 'Oman nicht weniger abnorm, als er in Neged und dem westlichen Arabien normal ist. Am Abend ankerten wir bei Farksah, unmittelbar vor einer langen Reihe von Häusern, zwischen dichten Hainen, die sich bis an das Lfer herabziehen — ein acht arabischer Badeort, einigen Seebädern an der Südküste Englands nicht unähnlich, aber schöner. Eine Stunde nach Sonnenuntergang hörten wir den Kanonenschuss von Sohär über das Wasser herübertönen. Früh am nächsten Morgen, vor Sonnenaufgang, hatten wir die Rhede von Sohär erreicht, wo ich mit Jusef ans Land gehen wollte, um dann unsere Reise weiter zu Lande fortzusetzen; Schade, dass wir unserm ersten Vorsatze nicht treu blieben, — meine Leser werden bald sehen, warum. Aber der Mensch denkt und Gott lenkt; und auf dem Spielbrett des Lebens entscheiden Zufall und Umstände nicht weniger als Vorsicht und Geschicklichkeit. Wir nahmen Abschied von Zejd und seinen Gefährten, nach vielen Einladungen von ihrer und Versprechen von unsrer Seite, sie in Soham zu besuchen , und gingen in dem Boote, von den 'Omänis „Galibüt" genannt, ans Ufer. Der Capitän begleitete uns und bewog, durch ein zur rechten Zeit angebrachtes Wort, die Zollbeamten, unser Gepäck frei passiren zu lassen. Ich muss bemerken, dass wir noch den grössern Theil unserer Geschenke bei uns hatten, die in der That für Thowejni und den Gouverneur von Sur bestimmt waren. Zuerst erkundigten wir uns nach dem Häuptling, Fakhar mit Namen, der ein sehr angesehener Mann war. Leider aber befand er sich mit dem grössten Theile seiner Familie auf einem Besuch bei dem Sultan, und Niemand war da, der uns au seiner Stelle aufnehmen konnte. Wir warteten einen Augenblick, unentschlossen, wohin wir gehen sollten, als ein junger Mann, der unsere Verlegenheit bemerkte, zu uns trat und fragte, wo wir unsere Wohnung zu nehmen gedächten. Ebn Khamis erinnerte sich eines alten Bekannten, dessen Gast er vor einigen Jahren gewesen war, als er mit Abu 'Ejsa diese Gegend in Handelsgeschäften bereiste, und fragte nach diesem. Der jungt1 Mensch sagte, dass er ihn kenne, und erbot sich, uns nach seinem Hause zu führen, welches etwas weiter in der Stadt lag. Wir gingen nun alle drei dorthin. Es war noch früh am Tage und 'Ejsa, dies war sein Name, pflegte noch seines Morgenschläfchens; sein Reitpferd, ein hübsches kleines Thier, stand nahe an der Thür angebunden und wieherte uns entgegen, als wir klopften. Zunächst erschien ein Nachbar und wir weckten nun den Herrn des Hauses, der uns herzlich aufnahm, sich entschuldigte, dass er.so lange geschlafen und sogleich ging, ein Frühstück zu bereiten, nachdem er sehr richtig bemerkt hatte, dass wir ohne Zweifel, da wir von der See kämen, sehr guten Appetit haben würden. 'Ejsa's Haus war von Ziegeln gebaut, mit hölzernen und bedeckten Nebengebäuden; eine sehr hübsche Einrichtung, um die heissen Stunden lies Tages angenehm zuzubringen, und in 'Oman allgemein üblich, wo selbst in dieser Jahreszeit das Wetter sehr warm ist. Ueberhaupt ist das Klima ganz das von Bombay, und obgleich einige Grade nördlicher, ist doch die Temperatur, aus localen Ursachen, nicht um das Geringste niedriger. Die Banart in der Bätinah ist solid, dabei aber ist man sehr 380 darauf bedacht, der Luft freie Circulation zu gestatten; die Thüren sind daher in der Regel breit, die Zimmer hoch, mit viele«, obwohl vergitterten Fenstern. Die Wände sind weiss getüncht, nicht bx-aun, wie in Neged, der Fussboden entweder Estrich oder mit feinem Sand bestreut. Eine Eigentümlichkeit der Architektur in 'Oman, und die sehr bezeichnend ist, ist die, dass es durchaus keine geheimen Gemächer giebt, ich meine geheime Gemächer des Harem. In Neged, selbst in Hasa, Schomer und dem Gauf sahen wir immer einen Unterschied zwischen den Gemächern der Männer und denen der Frauen, — allerdings nicht so streng wie in Syrien und Aegypten, jedoch genug, um einen Grad von Eifersucht anzudeuten, wenigstens, dass man den Gast nicht gern in die Familie anfniramt oder ihm einen Blick in das innere Leben des Hauses gestattet. Die Araber sind von Natur eifersüchtig, und der Mohammedanismus giebt dieser unedlen Leidenschaft die Sanctiou einer religiösen Pflicht. In 'Oman aber ist das gegenseitige Verhältniss der beide« Geschlechter beinahe europäisch und das Harem steht den Besuchern fast eben so offen wie das übrige Haus, während im täglichen Leben die Frauen der Familie frei ausgehen, sich zeigen und sprechen, wie vernünftige Wesen, ganz verschieden von den schweigenden uud verhüllten Statuen in Neged und Riad. Daraus folgt, dass der Grund-riss eines Wohnhauses in 'Ornän wesentlich von dem einer mohammedanischen und selbst gewöhnlichen arabischen Wohnung verschieden ist, da die Zimmer oft alle in einer Linie liegen und miteinander in V erbindnng stehen, nicht in besonderen Höfen abgeschlossen sind, wäh rend das K'häwah oder Wohnzimmer, anstatt nahe dem Thor, seine Stelle im Innern hat, oder selbst in dem eigentlichen Herzen der Wohnung. Unser Wirth 'Ejsa, vertraulicher 'Owejsa genannt, war eigentlich ein Kaufmann, bekleidete aber nebenbei einen Posten im Dienste des Häuptlings und war daher wohl im Stande, uns im Gespräch Manches über dessen Regierung mitzutheilen. Die herrschende Familie, zu welcher Fakhar gehört, ist sehr alt, von echt 'oniänisohem Ursprünge und rühmt sich der Abkunft von den Ja'aribah des Gebel Akhdar. Das gegenwärtige Oberhaupt war jedoch nicht eben sehr belebt. Von Seiten des Meglis oder des Raths der Stadt Sohär waren verschiedene Klagen Uber ihn bei Thowejni eingegangen und er hatte seine jetzige Reise unternehmen müssen, um sich vor seinem Oberherrn zu rechtfertigen. 331 Gegen seine Dienerschaft soll Fakhar ziemlich freigebig sein, aber auf Kosten der Bürger und Kaufleute; kurz, 'Ejsa meinte, es würde ihm bei Thowejni schlecht ergehen, wenn er nicht etwa mit Bestechungen durchkäme, was allerdings möglich sei. Letzterer Umstand gab Gelegenheit zu verschiedenen Klagen über die Nachlässigkeit des Sultans, wo es sich um Beschwerden des Landes handle, und wie es in den glücklichen Tagen Sa'ids und unter dessen kräftiger Regierung ganz anders gewesen sei. Obgleich aber die Verwaltung im Allgemeinen sich einigermassen verschlechtert hat, so scheint doch die Polizei, welche seit alter Zeit in 'Oman besteht, noch sehr gut zu sein. Ganz anders als die „Zeloten" in Neged wenden die hiesigen „Hurras" oder „Schutzmänner" ihre Thätigkeit einfach auf Aufrechthaltung der öffentlichen Ordnung, indem sie Raufereien verhindern, Verbrecher festnehmen u. s. w. Spionage aber, sowohl officielle als nicht offizielle, giebt es nicht, und Vergehen, welche nicht die öffentliche Ordnung stören, werden gar nicht beachtet. Bei Tage trifft man die Hurras hauptsächlich auf dem Marktplatze. Ihre Kleidung hat einen etwas mehr militärischen Schnitt, als die der Bürger; sie tragen reicher verzierte Dolche, zuweilen auch eine Flinte. Bei Nacht gehen sie in den Strassen auf und ab und rufen im Namen des Sultans Alle an, die anders aussehen als ehrliche Leute. Raub, Einbruch oder Mord kommen in der Bätinah selten vor und die Menge der einzeln und unbewaffnet Reisenden im ganzen Lande zeigt, dass die Strassen vollkommen sicher sind. Zwischen dem Gebel Akhdar und dem Meere giebt es keine Beduinenstämme; die verhältnissmässig wenigen Nomaden, welche zu 'Oman gehören, finden sich an der südlichen Seite des Gebirges in dem Distrikte Dähirah und dem östlichen Ende der Bergkette, nach der Provinz Gajlän zu. Letztere Provinz liefert die ausgesuchtesten Dromedare von 'Oman und folglich der ganzen arabischen Halbinsel: in der Bätinah werden Esel sehr gewöhnlich als Lastthiere gebraucht, oft auch zum Reiten; der Pferde, welche kleiner sind als in Neged, denen sie auch in anderer Beziehung nachstehen, bedienen sich nur die reicheren Klassen. 332 Nach dem Frühstück machte uns 'Ejsa den Vorschlag, die Stadt zu besehen, die, wie meine Leser bereits wissen, eine der bedeutendsten in 'Oman ist. Das Anerbieten wurde mit Vergnügen angenommen, und wir besuchten nun zuerst den Palast des Häuptlings, ein schönes Schloss, mit dreifachen Ringmauern und vielen Verzierungen, in dem Stile, welchen diejenigen meiner Leser kennen, die die grosse Kassab-Moschee in Bombay gesehen haben — ein Stil der sich besonders durch Spitzbögen, runde und schlanke Säulen, Kreuzgewölbe, hervorragende Balkons und Thürmchen auszeichnet, dabei aber an einer Ueberladung mit kleinen Zierrathen von Gips leidet. Das Schloss in Sohär steht auf einer kleinen Anhöhe innerhalb der Stadt; eine Brücke führt über den Schlossgraben zu dem innern Thore; auf den Mauern stehen einige kleine Geschütze, sogenannte Feldschlangen, und vier grosse Kanonen sind vor dem Ein gange aufgepflanzt. Das Schloss wird von Beludschen bewacht, die auch in anderen grossen Städten 'Omans, namentlich in Mascat, als Besatzung dienen und wegen der Treue gegen ihre Herren bekannt sind, während sie als Sonnis aus religiöser Antipathie wenig mit dem Biadijah des Landes verkehren, woran sie schon die Verschiedenheit der Sprache und Sitten hindert Zugleich aber ist auch keine Gefahr, dass sie mit den Wahhabiten fraternisiren, obgleich diese auch Sonnis sind, denn eine nationale Antipathie trennt die Beludschen und den ächten Nord-Araber oder Negdäer. Während der ersten wahhabitischen Invasion wurde Sohär belagert und eingenommen; als aber die Stadt schon verloren war, hielt sich das Schloss mit der beludschischen Besatzung noch immer, bis alle Vorräthe erschöpft waren und der 'omanische Häuptling mit einigen seines Gefolges bei Nacht über die Burgmauern entkam. Am nächsten Morgen, da weder Hoffnung auf Hilfe, noch Widerstand möglich war, öffneten die Beludschen die Thore der Festung und stürzten mit dem Schwerte in der Hand heraus, um zu sterben, aber nicht eher, als bis sie ihren Tod durch ein furchtbares Blutbad unter den Belagerern gerächt hatten. Der gegenwärtige Gouverneur ist reich, und die innere Feste, in die wir aber während seiner Abwesenheit keinen Zutritt erhalten konnten, soll grosse Schätze enthalten. Eben so wie in Neged und Hasa findet man auch hier an den 333 Thoren oder Wänden keine Inschriften zum Andenken der Erbauer, der Zeit der Erbauung ii. s. w. Dies kommt nicht etwa daher, weil es an passendem Material oder an Arbeitern fehlte, denn ein hellgelber Stein, der sich leicht bearbeiten lässt, wird bei dem Baue häufig angewendet und die Verzierungen der Häuser zeigen keinen Mangel an Bildhauerkunst. Man kann dies als einen neuen Beweis dafür nehmen, dass die Himjariten, die, wie es scheint, eine besondere Vorliebe für Inschriften hatten, diesen Theil Arabiens niemals besessen haben; vielleicht findet man etwas Derartiges hinter dem Gebel Akhdar und in Gajlän. Vor dem Kastell ist ein offener, mit Bäumen bepflanzter Platz, der bis an die Mauern an der Seeseite reicht; die Wälle der Stadt sind gut erhalten und auf dieser Seite mit einigen Geschützen versehen. Wäre der Umfang nicht zu gross für eine wirksame Vertheidigung, so könnte Sohär wohl eine arabische Belagerung aushalten. Von dem Kastell begaben wir uns auf den Marktplatz. Dieser ist sehr gross und bedeutend regelmässiger als in Schargah; die Laien und deren Inhalt gleichen im Ganzen sehr denen in Linga, aber die Menge der Reisenden , welche zu Lande und zur See nach Sohär kommen, giebt den Gemüse- und Fleischmärkten eine ungewöhnliche Bedeutung. Die Kejsarijah, wie. gewöhnlich gewölbt und mit grossen FlUgelthüron ver-sehen, ist geräumig und lang und hinsichtlich der Grösse und Bauart ganz einem Silk in Bagdad gleich; aber siele, Läden standen leer. Man sagte mir, dies sei erst so, seit der Besetzung des Landes durch Sakar, die, obwohl von kurzer Dauer, dem Handel grossen Schaden gethan und viele friedliche Banianen, verscheucht hatte. Zum Ersatz erbauten die Wahhabiten eine Moschee, nicht weit vom Kastell, die aber jetzt vollständig verlassen ist und in einsamer Hässlichkeit dasteht. Der übrige Silk oder Marktplatz ist gedrängt voll von Handwerkern und Händlern; die Gänge zwischen den Buden sind durch ein Dach gegen die Strahlen der Sonne geschützt. Die meisten Handwerker sind Schmiede und Weber, Gold- und Silberarbeiter, Kupferschmiede, und hinsichtlich der Industrie und Geschicklichkeit stehen die Handwerker von 'Oman eben so hoch Uber denen von Hasa, wie diese Uber denen von Neged. Unter dem Volke auf den Strassen bemerkte ich einige braune, untersetzte Kerle, die eine Art kurzen Rock und weisse Kopfbedeckung trugen; sie hatten kurze Wurfspiesse in den Händen und jeder führte neben dem gewöhnlichen Dolche noch ein Messer in seinem Gürtel. Auf meine 334 Frage erfuhr ich, es seien Leute von Akhdar aus der Gegend von 'Obri und gehörten zu den adligen Ja'aribah des Gebirges. Hinter der Kejsarijah kamen wir in einen viereckigen, von hohen Häusern umgebenen Hof, in welchem einige Bäume und ein Paar Kühe standen, die einigen Banianen gehörten. Juden, so viel ich erfahren konnte, wohnen in Sohär nicht; von Parsis hörte ich, habe aber keine gesehen. Von dem Marktplatze setzten wir unsern Spaziergang zwischen zwei- und dreistöckigen Häusern und unter verschiedenen Schwibbogen fort, die in, verschiedenen Zwischenräumen quer über die Hauptstrasse gespannt sind, bis wir das nördliche Stadtthor erreichten. Von hier gingen wir Uber einen kleinen sandigen Raum, der um die Mauern frei gelassen ist und kamen dann in die Gärten, wo wir uns niedersetzten und im Schatten der Bäume an fliessenden Gewässern ausruhten. Alles war hier tropisch — Sonne, Bäume, Sträucher, Blumen und Menschen; selbst die Brunnen und Wasserleitungen von „Tschunäm" — um noch einmal ein indisches Wort zu entlehnen — schienen aus Guzerat hierher versetzt zu sein; nur eine gewisse Lebhaftigkeit im Aussehen und vielmehr ein kräftigerer Bau und lebendigerer Blick der in den Gärten arbeitenden Bauern liess mich erkennen, dass ich mich nicht in dem Hindustanischen Dampfbade, sondern auf arabischem Boden befand. Aus den Gärten kehrten wir nach der Stadt zurück und gingen auf einem Wege ausserhalb des Grabens um die Mauern, etwa eine Viertelmeile weit, und dann Uber eine schmale Brücke zum östlichen Thor hinein und wieder nach Hause. Der ganze Umkreis der Stadt mag etwa zwei englische Meilen betragen, die Befestigungen laufen rings um die ganze Stadt, der Graben aber nur an der Landseite. Jusef und ich hatten die Absicht, noch an demselben Abende, oder spätestens am nächsten Morgen aufzubrechen, um zu Lande nach Mascat zu gehen, welches wir so in acht bis zehn Tagen erreichen konnten. Zu unserm grossen Glück, wie wir meinten, in der That aber zu unserm Unglück, kam gerade, als wir bei Tische mit 'Ejsa über unsern Weg sprachen, ein Schiffskapitän, der nach Mascat wollte und versprach, uns mitzunehmen; in zwei Tagen, sagte er, könnten wir dort sein, der Wind sei günstig und Alles verspräche eine angenehme und schnelle Ueberfahrt. Wir hatten bei der Fahrt um Mesandem und nach Ormuz bereits so viel Zeit verloren, dass wir jetzt eilen mussten und glaubten daher, eine so gute Gelegenheit nicht von der Hand weisen zu dürfen, um so 835 mehr, da der Landweg an der Küste von Sohär nach Mascat nur wenig besonders Interessantes versprach, und ich hoffte Gebel Akhdar, welches ich hauptsächlich zu sehen wünschte, nach einer Zusammenkunft mit Thowejni, der damals in Mascat sein sollte, mit mehr Freiheit besuchen zu können. 'Ejsa war derselben Ansicht und so nahmen wir das Anerbieten des Kapitäns an. Wir blieben nun noch zwrei Tage in Sohär. Während dieser Zeit besuchten wir verschiedene von den guten Leuten dieser Stadt und brachten manche angenehme Stunde in Gesellschaften zu, die nicht allein mehr Abwechselung boten, sondern auch von ungleich eleganterem Stile waren, als ich bis jetzt selbst in Schargah und Bahrejn gesehen hatte. Die Narghilah hat hier ganz die Pfeife verdrängt; und bei Abendgesellschaften wurden von Zeit zu Zeit Kuchen und Pistazien herumgereicht, fast ganz wie es in England nach dem Diner Sitte ist. Meine Leser mögen sich erinnern, dass in Schomer und Neged das Abtragen der Schüsseln nach den Mittags- oder Abendmahlzeiten zugleich für die Gäste ein Signal zum Aufbruch ist, eine sehr praktische Art, den Leuten zu verstehen zu geben, dass sie nur zum Essen kamen. In 'Oman hingegen ist es Regel, dass nach dem Essen die Gesellschaft noch bis Mitternacht, und länger, im Gespräch beisammen bleibt und es ist wirklich nicht leicht, sich von diesen gastlichen Wirthen zu trennen. Auch Gesang fehlt bei einer Gesellschaft in 'Oman selten; die Stimmen sind in der Regel gut, doch nicht von grossem Umfang und die leichten Melodien, die denen der persischen Musik nicht unähnlich sind, eignen sich wohl zu dem hier durchaus vorherrschenden Nabti-Versmass, aber durchaus nicht zur Recitation arabischer Poesien. Die Einwohner von Sohär rühmen sich ihrer Kunst in Bereitung süsser Speisen und bei solchen Gelegenheiten sind die Schüsseln mit diesen Delicatessen in beständiger Circulation, als ob man fürchtete, dass die Genüsse für das Ohr noch nicht hinreichend seien. Das Gespräch drehte sich meist um den Zustand des Landes und mir fiel besonders zweierlei auf: erstens, die grosse Zuneigung des Volks zu der regierenden Familie und dem Adel im Allgemeinen, und sodann der ausserordentliche Hass gegen die Wahhabiten und, merkwürdiger Weise, die Türken. Letztere kennt sie wenig aus eigener Erfahrung, was man aber von ihnen erfahren hat, ist genug, um gründliche Aversion gegen die Ottomanen, als Herrscher, wie als einzelne Individuen zu erzeugen. Viele Kaufleute in Sohär waren in Indien gewesen und nicht 338 ganz unbekannt mit englischen Verhältnissen. Es war mir sehr spass-haft, einem Sohäri sngen zu hören, „wenn es einmal so weit käme, dass entweder die Muslims oder die Engländer Herren in unserm Lande sein sollten, so möchten wir sicher lieber die Letzteren, oder sogar den Leibhaftigen über uns herrschen lassen, als die ersteren." Die Zusammenstellung war nicht eben schmeichelhaft, aber die Aeusserung drückt ein Gefühl aus, welches beinahe in ganz Oman herrscht. Die Nachlässigkeit Thowejni's hat die Anhänglichkeit an die Familie Sa'id nicht abgeschwächt, obwohl neun Zehntheile lieber Amged als Sultan sehen möchten. Ausserhalb der Stadt reichen Gärten und Felder ohne Unterbrechung bis an die Dörfer, deren ich zwei besuchte, das eine mit Namen Ma'wah, etwa zwei englische Meilen weiter landeinwärts, den Namen des andern habe ich vergessen. Ma'wah hat fünf bis sechs Tausend Einwohner, die meisten Wohnungen aber sind blosse Schuppen — die bei dem milden Klima genügen. Nur der Häuptling und einige wohlhabende Leute haben Wohnungen von Ziegeln. Die gemeinen Leute, wo ich deren traf, waren höflich und zuvorkommend: der Fremde fühlt sich hier heimisch. Der Dialekt, welcher hier gesprochen wird, ist das reine unvermischte Arabisch, aber mit den oben angegebenen Kahtänischen Eigentümlichkeiten $ die Aussprache ist weniger guttural und emphatisch als in Neged, aber correkter in Betreff des viel gemiss-handelten Kai", welches hier als wirkliches k, nicht g oder g gesprochen wird. Geher Ma'wah hinaus ist das ganze Land, bis Gebel Akhdar, eben so bebaut und bewohnt; Wüste oder Wildniss giebt es hier nicht. Die Bergkette hindert die Aussicht in die Feme und hat an Bildung, Charakter und Höhe grosse Aehnlichkeit mit den Apenninen in Mittel-Italien. Eine breite Strasse führt von Sohär nach Berejmah und Dä-hirah, eine andere an der Küste hin nach Mascat, eine dritte nördlich nach Debi. Bevor ich Sohär verlasse, muss ich noch hinzufügen, dass sich die Anzahl der Einwohner, wie ich glaube, nicht Uber vierundzwanzig Tausend beläuft, da seit dem letzten Kriege viele Häuser leer stehen oder als Ruinen liegen geblieben sind. Auch der Handel hat sich theil-337 weise von hier fort und in die Nähe von Mascat gezogen und der Wohlstand, dessen sich Sohär als Residenz des Vicekönigs Amged erfreute, ist mit diesem davongegangen, so dass die Stadt jetzt nur noch die Hälfte von dem ist, was sie früher, war; doch zählt sie noch viele reiche Handelsherren und kann in Zukunft leicht wieder gewinnen, was durch die letzten Unglücksfälle verloren gegangen ist. Der Mangel an einem Khanr oder geschützten Hafen ist allerdings ein grosser Uobel-stand, aber die Rhede und der Ankergrund sind gut und gegen Norden und Westen durch das Vorgebirge Farksah, gegen Süden durch das von Sowärah ziemlich geschützt. Während meines Aufenthalts in Sobär sah ich nie weniger als zwanzig ziemlich grosse Schiffe auf der Rhede liegen, zuweilen noch mehr. Die Fischerei an der Küste ist vortrefflich; das Ufer ist mit Booten bedeckt und der Fischmarkt gedrängt voll. Am dritten Tage kam unser Capitän, der gleich nach der ersten Verabredung unser Gepäck hatte an Bord bringen lassen (ein Umstand, der uns hinderte, unser Uebereinkommen mit ihm wieder zu lösen, wie wir mehr als einmal im Sinne hatten), und sagte uns, dass es Zeit sei, abzusegeln. Es war am 6. März und wir schifften uns ein. Ein dunkles Vorgefühl von einem Unglück, obwohl noch kein besonderer Grund dazu war, bemächtigte sich meiner, als ich Sohär und die Freunde verliess, welche uns bis an das Ufer geleiteten; merkwürdiger Weise war auch bei 'Ejsa dieses der Fall, und er bat mich wiederholt, ihm von Mascat aus zu schreiben, sobald wir dort glücklich angelangt wären. Noch schien kein Grund zur Furcht vorhanden; der Wind war günstig, die See ruhig, das Schiff gross — in der That so gross, dass es weit vom Lande ankern musste und wir eine halbe Stunde zu rudern hatten, um es zu erreichen. Küste der Bätinah — Schiffsmannschaft und Passagiere — Genaueres über die Dähirah, Gebel-Akhdar und dessen Bewohner — Barka — dessen Schloss — Sowädah-Inseln — 'plötzlicher Sturm — das Schiff geht unter — Rettung in dem Boote — Untergang des Bootes — Rettung durch Schwimmen — trauriger Morgen — Palast des Sultans in der Bathah — Farzah — Thowejni und sein Hof — gute Aufnahme — der Metejri — zwei Albanesen — Aufbruch aus der Bathah — Khabb — Ri'än - Bewässerung in 'Oman — Portugiesische Festungswerke — Vorstädte von Matrah — Nachtquartier — Matrah — Hafen, Markt, Handel, Bevölkerung — ein 'omanisches Canoe — Ankunft in Mascat — unser Wirth — ein Freund in der Noth — Beschreibung von Mascat und seiner Bewohner — Religion — der englische Consul — Klima — Aehn-lichkeit zwischen Mascat und 'Aden — Polizei. — Glückswechsel — Hindus — Unterredung eines Negdäers und eines Banianen — hübsche Aussenseite der Stadt — Spaziergang südwärts — Zusammentreffen mit Leuten von Zaki — Ausflug — die Gegend süd-östlich von Mascat — Bergkette Akhdar — Töpfer-waare — das Dorf Beschejr — Aufnahme — ein Abend beim Häuptling — Verwaltung des Dorfes — ein Tanz — Rückkehr über Kamli — Hitze — Weiteres über das Königrich 'Oman — dessen Provinzen, Bevölkerung, Heeresstärke .— Einkihifte — gegenwärtige Regierung . Schiff von Kowejt — Kowejt ■ Abreise von Mascat — Sternbilder — Rückkehr nach dem persischen Meerbusen — Bander-'Abbas - Tschiro — Typhusartiges Fieber — Ankunft in Abu Sch ahr Basrah — freundliche Auf nähme auf einem englischen Dampfschiff — Ankunft in Bagdad — Zusammentreffen mit Barakät — Rückkehr nach Syrien — Schluss. Unser Weg ging nun an dem noch übrigen Theile der Küste der Bätinah, von Sohär nach Barka hin. Es war mir lieb, dass unser Steuermann, wie die meisten asiatischen Schiffer, immer nahe am Ufer hielt, so dass wir, obgleich auf der See, leicht Alles beobachten konnten, 339 was die Küste Merkwürdiges bietet; ja, die Strasse am Ufer, mit Menschen. Eseln, Reitern auf Pferden und Dromedaren, und Fussgängern aller Art, war in der Regel deutlich zu sehen, ausser etwa, wo die Palm bäume, die sich bis an den Raud des Wassers hinabziehen, eine Strecke weit die Aussicht hemmten, oder ein Dorf mit weissen Häusern und unter Laub versteckten Hütten zwischen uns und die Landstrasse trat. Die Mannschaft unseres Schiffes war sehr interessant. Der Kapitän, sein Neffe und seine Leute, im Ganzen neun Personen, waren theils Eingeborne von Sowejk an der Küste, theils aus benach- Ein Schiffbruch. — Mascat. barten Dörfern — natürlich Biadijah. Ausger uns waren noch einige andere Passagiere an Bord: zwei aus Gebel-'Okdah, Sonni, aber keine Wahhabi; sie gehörten zu einem jener alten negedäischen Stämme, die, wie ich schon bemerkt habe, in verschiedenen Gegenden 'Omans zerstreut leben, am zahlreichsten in der Dähirah. Beides waren sehr liebe Leute und in arabischen Wissenschaften wohl bewandert. Sie wollten nach Mekka und beabsichtigten zur See bis Gidda zu gehen und so zwei volle Drittheile der Halbinsel zu umschiffen. Das Schicksal hatte für einen von ihnen eine andere Ueberfahrt beschlossen. Der dritte Passagier war ein Negdäer aus Manfuhah (meine Leser erinnern sich der Stadt, nahe bei Riad) in Aared; ein ungerathener Bursche, der sich mit seinem Vater überworfen hatte, aus dem väterlichen Hause geflohen war und jetzt sein Glück in der Welt suchte. Die übrigen Sieben waren Leute aus der Bätinah, Alle den niederen Ständen angehörig, aber heiter und gesprächig, wie die meisten ihrer Landsleute. Der Negdäer allein war mürrisch und hässlich; ich glaube kaum, dass seine Familie viel Thränen über seine Entfernung vergossen hat. Das Schiff war gross und geräumig, ein Zweimaster; an Vorräthen und Narghilahs war kein Mangel, und wir hofften, eine angenehme und schnelle Reise zu haben. Von den Leuten aus 'Okdah erfuhr ich jetzt Manches über Berejmah und die Dähirah, was ich hier mittheilen will. Von Berejmah selbst sagten sie, die Stadt liege hoch oben zwischen den Pässen des 340 Gebel-'Okdah und sei von verschiedenen Dörfern umgeben, in denen sowohl Sonni als Biadi wohnten; sie sagten, Ahmed-es-Sedejri, der negdäische Gouverneur, habe schon längst, in jeder Beziehung, die Sitten des Landes angenommen, und sei gar nicht geneigt, dasselbe zu verlassen, trotz aller Befehle von Riad. Gebel-'Okdah sei ein hohes Gebirge, eben so hoch wie Ro'os-el-Gebäl, der Boden sei leicht, und die Vegetation weniger üppig als in der Bätinah. Hinter Gebel-'Okdah ziehe sich östlich und südlich eine lange Bergkette, parallel mit Gebel-Akhdah; zwischen diesen beiden Bergketten, sagten sie, liege die Dähirah, die mehr Weideland als Ackerboden besitze, aber bevölkert sei. Diq Einwohner der Dähirah, setzten sie hinzu, seien der Regierung von 'Oman weniger zugethan, als die der übrigen Provinzen : wenigstens die Hälfte von ihnen seien Sonniten, die übrigen Beduinen, und die religiösen Neigungen jener, nicht weniger als die räuberischen Sitten der anderen machten, dass sie mehr mit den Negdäern sympathisirten, als mit den Biadijah und ihren Beherrschern. Daher sei es gekommen, dass während des wahhabitischen Raubzuges viele Stämme der Dähirah sich auf Seite der Angreifer stellten und gegen ihre Landsleute in den Ebenen kämpften. Die Dromedare der Dähirah sind schnell und dauerhaft. Die Schafe der Provinz stehen den negdäischen nicht nach. Oestlich von Mokhanneth beginnt ein Labyrinth dicht bewaldeter Felsenschluchten, zwischen denen die Städte Nezwah und Bahilah liegen; letztere beschrieb man mir als einen stark befestigten Ort, mit einer doppelten Reihe von Wällen, hohen Thoren und zwei bis drei Stockwerk hohen Häusern. Wenn die Angaben der Eingebornen richtig sind, so muss Bahilah bedeutend grösser sein, als Riad und Hofhüf und wohl einen Besuch verdienen. Sie erzählten uns noch Manches über die Morrah-Beduinen, welche oft in die Dähirah kommen; über Berghasch, den gegenwärtigen Häuptling von Bahilah, und mancherlei Geschichten von Zauberern und Hexen. Die Biadijah, welche Matrosen waren, hatten auch viel zu erzählen; einige von ihnen hatten an Sa'id's Unternehmungen zur See theilge-nommen. Die 'omanische Regierung ist nirgends beliebter und besser bedient, als bei der Flotte, und trotz des Schreckens, welchen englische Fregatten und Kanonen einflössen, zweifle ich doch, dass die Seeleute iu Debi und Barka ihre maritime Suprematie an diesen Küsten ohne 341 Kampf aufgeben würden. In dem unglücklichen Jahre, als Khälid die Bätinah verwüstete, waren die Ersten, welche ihm Widerstand leisteten, die Eingebornen von Kaihat und Ro'os-el-Gebäl, Matrosen von Gewerbe, aber damals Landsoldaten, zur Vertheidigung ihres Landes; und obwohl zu schwach, der Wuth des wahhabitischen Angriffs gegenüber, konnten sie doch eine Zeitlang Stand halten, und rühmen sich, eine grosse Anzahl der Angreifer erschlagen zu haben. Mit solcher Unterhaltung verging die Zeit, während unser Schiff bei Sohäm, Sowejk und Mesnaa' vorbeiglitt, und am 8ten des Monats schon befanden wir uns nahe bei Barka. Bis hieher war die Küste einförmig und eben gewesen, mit Palmen und Kokosnussbäumen besäumt und von Dörfern mit weissgeputzten Häusern schimmernd, zwischen denen hübsche Schlösser der lokalen Häuptlinge in der Sonne glänzten. Näher bei Barka aber kam eine Reihe kahler, eisenrother Felsen zum Vorschein, die erst niedrig, aber bald sich zu bedeutender Höhe erhebend, sich bis Mascat am Ufer hinzieht. Barka erschien, von der See aus gesehen, als eine ziemlich grc/sse Stadt, nicht kleiner als Sohär; es besitzt ein Kastell von ungewöhnlich grossen Proportionen und, aus der Ferne zu urtheilen, bedeutender Festigkeit. Eine lieblichere Küste habe ich selten gesehen; im Vordergrund das frische Grün des Frühlings, hinten die kühnen Gebirge von Akhdar, die sich sechstausend Fuss über die Meeresfläche erheben, und auf denen, nach Capt. Welsted, zuweilen Schnee fällt, von dem aber jetzt keine Spur sichtbar war. Ein Zweig des Akhdar kommt quer bis an die Küste herab und bildet die Grenze zwischen der Bätinah und der heutigen Provinz von Mascat, die weniger fruchtbar, aber dicht bevölkert ist. In dem Kastell in Barka residirte, wie mir gesagt wurde, ein Halbbruder Thowejni's, ein Sohn des Sultan Sa'id und einer abyssinischen Sklavin, der seitdem gestorben ist. Ein Landwind, der sich an diesem Tage erhob, trieb uns iu die.See hinaus, bis wir am Nachmittag zwischen die Sowädah-Inseln kamen — niedrige, kahle Riffe, etwa drei Seemeilen vom Lande; hier blieben wir einige Stunden bei einer Unheil verkündenden Windstille. Gegen Abend erhob sich ein gelinder SUdwestwind, und wir spannten die Segel, in der Hoffnung, obwohl der Wind nicht ganz von der rechten Seite kam, in den Hafen von Mascat laviren zu können. Bald aber steigerte sich der Wind zu einem heftigen Sturme, und noch ehe eine halbe Stunde verging, war das eine unserer Segel zerrissen 342 die anderen kaum mehr zu halten und, als die Nacht einbrach, trieben wir mit kahlen Masten vor einem fürchterlichen Südweststurme auf der tobenden See, während der Himmel, obwohl unbewölkt, durch einen dichten Nebel verhüllt war, wie bei starkem Sturm oft der Fall ist. Die Passagiere waren in Furcht, die Matrosen und ich aber freueten uns Uber das Abenteuer, weil wir wussten, dass wir weit von der Küste entfernt waren und von Felsen nichts zu fürchten hatten, und meinten im schlimmsten Falle einen (»der zwei Tage später nach Mascat zu kommen. Der Mond ging auf; er war im dritten .Viertheil und beleuchtete die wogende Wasserfläche, auf der wir vollständig allein schaukelten; einige andere Schifte, die wir noch bei Sonnenuntergang gesehen hatten, waren verschwunden. Die Passagiere, unter ihnen Jusef-ebn-Khamis, waren erschrocken über das tolle Wälzen des Schiffes, das jetzt durch keinen Fetzen eines Segels mehr gehalten wurde, und die ganze Verwirrung eines Sturmes, und verkrochen sich in die hinterste Kajüte. Der Steuermann, Kapitän und ich hielten uns an die Seile des Quarterdecks fest; die beiden Sonni und der Negdäer recitirten Verse aus dem Koran, die 'omanischen Matrosen lachten, oder versuchten zu lachen, denn einige von ihnen fingen nun auch an, die Sache ernst zu nehmen; Niemand aber dachte, dass die Katastrophe so nahe sei. Es mochte etwa zehn Uhr sein, so weit man nach dem Stande des Mondes über dem Horizont urtheilen konnte, als ich bemerkte, dass das Schiff, anstatt, wie vorher, über die Wellen zu hüpfen, anfing tief im Wasser zu gehen, und auf eine eigenthümliehe Weise schwer wälzte. Ein Matrose, trat zu dem Kapitän und sagte ihm etwas ins Ohr, worauf dieser ihm befahl, im Schiffsräume nachzusehen. Zwei Leute gingen hin und fanden den untern Theil des Schiffes mit Wasser angefüllt. Schnell nahmen sie einige Seitenbretter weg und gewahrten, dass ein starker Wasserstrom gerade von hintenher in das Schiff drang. Ein Brett war losgesprungen. Der Kapitän sprang in voller Verzweiflung auf und rief „irmü" „werft über Bord", in der Hoffnung, das Schiff noch zu retten, wenn er die Ladung opferte. Im Augenblick waren alle Hände beschäftigt, seinem Befehle nachzukommen und das letzte verzweifelte Mittel der Kettling zu versuchen; aber nicht mehr als drei Ballen waren in die 343 Tiefe geworfen, als eine von blauem phosphorischen Lichte leuchtende Welle Uber das Hauptdeck spülte; die See war bereits über Bord. Jetzt blieb nichts mehr übrig. „Ikkamfi", „springt über Bord", rief der Kapitän und sprang zuerst in die Wellen. Alle folgten seinem Beispiele iu weniger als einer Minute; zu Ueberlegung oder Versuch, etwas zu retten, war keine Zeit mehr. Mein erster Gedanke war, wie ich aus dem Strudel kommen könnte, der dem Untersinken des Schiffes nothwendig folgen musste. Ich kletterte sogleich auf das Quarterdeck, welches noch einige Fuss Uber die peitschenden Wellen hervorragte, rief den an, der auf dem Meere wie auf dem Lande allein retten kann, und stürzte mich, mit dem Kopfe voran, so weit mir möglich war, vorwärts. Nach einigen kräftigen Stössen sah ich mich nach dem Schiffe um; ein Schrei der Verzweiflung war das Letzte, was ich von diesem gehört hatte. Hier sah ich zwischen den wüthenden Wellen die Spitze des Hauptmastes gerade noch, ehe sie mit einer drehenden Bewegung unten verschwand. Sechs Menschen — fünf Passagiere und ein Matrose — waren mit dein Schiffe untergegangen. Eine Minute später flutheten Bretter, Masten und Sparren zwischen den brandenden Wogen, Uber denen die Köpfe der Überlebenden Schwimmenden bald im Mondlicht sichtbar waren, bald wieder im Schatten verschwanden. Alles war so schnell vor sich gegangen, dass mir nicht so viel Zeit blieb, nur ein einziges Stück meiner Kleidung abzuwerfen, doch machten mich die Stösse der Wellen bald um Turban und Gürtel leichter. Auch hatte ich nicht so viel Zeit, einen Gedanken an Furcht zu fassen; doch gestehe ich, dass ein unbeschreiblicher Schauder, der mich Uberkam, als der blaue Schimmer von Seewasser zuerst über das Verdeck rieselte, obwohl damals kaum beachtet, mich nachher noch Monate lang heimsuchte. Ich schwamm sogleich einem Balken zu, der nicht weit vor mir trieb, bemerkte aber, als ich mich sorgfältig umsah, in einiger Entfernung das Schiffsboot, welches nach arabischer Weise an einem langen Taue hinter dem Schiffe gehangen hatte — wir haben nie entdecken können, wer das Tau, ehe das Schiff sank, abgehauen hatte — und jetzt etwa sechszig Yard von mir trieb und wie eine leere Nusssehale auf dem Ocean tanzte. Sogleich schwamm ich diesem zu und erreichte 344 es bald; drei von unserer Mannschaft hatten bereits vor mir davon Besitz genommen. Sie reichten mir die Hand, ich kletterte hinauf, bald kamen auch noch Andere und es währte nicht lange, so waren neun Männer nebst dem kleinen Neffen des Kapitäns darin. Jetzt erst dachte ich an Jusef, den ich seit dem Augenblicke des Schiffbruchs noch nicht wieder gesehen hatte. Er war nicht mit bei uns, als ich aber, kaum noch hoffend, seinen Namen Uber die Wellen rief, um ihm ein Zeichen zu geben, antwortete ein triefender Kopf „Hier bin ich, Herr, Gott sei gelobt!" Wir zogen auch ihn noch hinauf. Wir waren jetzt Zwölf — nämlich der Kapitän, dessen Neffe, der Steuermann und vier Matrosen; einer von den Passagieren von 'Okdah — der andere war mit dem Schiffe versunken — der fortgelaufene Taugenichts aus Manfuhah, ein Eingeborner von Sowejk, Jusef und ich. In diesem Augenblicke schwammen noch drei Andere heran und wollten in das Boot, dieses aber war nur auf acht oder höchstens neun Personen berechnet und daher schon überladen, namentlich für eine so wüthende See, dass es unmöglich war, sie aufzunehmen. Die armen Kerle aber hatten ein Stück von einer Raa erfasst, das von dem versunkenen Schiffe wieder heraufgekommen war; dieses befestigten wir mit einem Stricke am Hintertheile des Bootes und nahmen so die drei, — zwei Passagiere und einen Matrosen — ins Schlepptau. Vier Ruder und das losgehängte Steuer lagen in dem Boote nebst einem kleinen eisernen Anker und einigen Brettern. Anker und Bretter wurden als unnütze Last sogleich von mir und dem Steuermann Uber Bord geworfen. Einige von den Matro en machten den Vorschlag, dasselbe auch mit den Passagieren zu thun, und bemerkten, nicht ohne einigen Schein des Rechts auf ihrer Seite, dass mit so Vielen an Bord sehr wenig Hoffnung sei, das Ufer zu erreichen, die Matrosen aber hätteu das erste Recht an das Boot, die übrigen möchten sehen, wie sie sich an den Balken hinten halten könnten. Zum Glück war ich während der Reise mit dem Capitän und Steuermann sehr gut Freund geworden und hatte mir ausserdem die Zuneigung eines stämmigen jungen Matrosen erworben, der sich mit in dem Boote befand. Ich wendete mich also zuerst an diesen und dann an die übrigen Matrosen und erklärte den Vorsehlag im höchsten Grade ungerecht und verwerflich, worüber sich gar nicht 345 sprechen Hesse, namentlich in einem Augenblicke, wo wir Alle so sehr der Hülfe und Gnade Gottes bedürftig seien und dann, um'jede Entgegnung abzuschneiden, fing ich an, mit dem Steuermann, der mich bei der ganzen Sache unterstützte, die Ruder unter die Matrosen zu vertheilen. Es war in der That hohe Zeit, an die Leitung des Bootes zu denken, über dem sich die Wellen brachen, wenn es nicht das Schicksal des Schiffes theilen sollte. Der Kapitän trat an das Steuer, während der Steuermann und ich uns daran machten das Wasser auszuschöpfen, theils mit einem ledernen Eimer, den einer von den Matrosen Geistesgegenwart genug gehabt hatte, von dem Schiffe mitzunehmen (indem er den Henkel zwischen den Zähnen hielt), theils mit einer grossen Schaufel , die zu dem Boote gehörte; beide Geräthe waren in beständiger Bewegung, da jeder Eimer oder Schaufel voll Wasser, der herausgeworfen wurde, im nächsten Augenblicke mit Wucherzinsen wieder zurück kam. Der Sonni vom Gebel-'Okdah sass in dem Boote, sagte Verse aus dem'Koran auf, stiess bald eine Ausrufung aus, um die göttliche Hülfe anzurufen, bald wieder recitirte er den gewöhnlichen Debetsruf oder Adhän, dem die Mohammedaner eine beinahe magische Wirkung zuschreiben. Der Neffe des Kapitäns zeigte ausserordentlichen Muth für einen Knaben seines Alters, die Mafiosen führten die Ruder mit viel Geschick und hielten uns sorgfältig über dem Rollen der See; die uebrigen, und leider muss ich sngen, auch Jusof-ebn-Klmmis, hatten vollständig den Verstand verloren, und lagen wie todt im Wasser auf dem Boden des Bootes ohne den Kopf zu erheben oder ein Wort zu sprechen. Unsere Lage schien in der That, wenn auch nicht ganz öhüe einen Schimmer von Hoffnung, doch beinahe verzweifelt. Wir waren in einem offenen überladenen Boote, dessen Bewegungen noch durch einen Balken im Schlepptau gehindert wurden, auf offenerSee, so weit vom Lande entfernt, dass wir die Küste nicht mehr sehen konnten, obwohl das hohe Ufer in dieser Gegend selbst beim Mondenschein auf eine weite Entfernung sichtbar ist; der Wind heulte und wurde jeden Augenblick stärker, und wüthende Wogen wälzten sich heran wie fürchterliche Ungeheuer und drohten, uns zu verschlingen. Jetzt hing Alles davon ab, dass wir richtig steuerten und das Boot durch die Ruder im Gleichgewicht hielten; noch mehr aber von der Vorsehung dessen, der die Tiefe gemacht bat; und ich konnte, in der That nicht denken, dass Er, 346 der mich so weit geführt, mich am Ende meiner Reise verlassen würde — so dass ich mich beinahe sicher fühlte, auf irgend eine Weise das Ufer zu erreichen, obwohl ich nicht wusste, wie. Die Mohammedaner an Bord (es waren ihrer zwei), beteten wie Leute ohne alle Hoffnung, und als ob sie völlig Uberzeugt wären, dass ihre Gebete nicht den geringsten Eindruck auf den unerbittlichen Willen dessen ausüben würden, den sie unter den Namen Gottes verehren. Die Biadijah schwiegen oder wechselten nur einige Worte Uber die Führung des Bootes, müder junge Matrose, den ich schon oben nannte, machte Scherze mit solchem Gleichmuth, als ob er in seiner Hütte am Ufer wäre, so dass er die Uebrigen zum Lachen brachte, sie mochten wollen oder nicht. und so ihren Muth aufrecht erhielt — das Beste was er thun konnte; denn hätten sie den Muth verloren, so war Alles verloren. Als ein gelehrter Mann, wofür sie mich hielten, musste ich auch be8ser mit der Landkarte vertraut sein, als alle Uebrigen, — vielleicht auch, weil sie sahen, dass ich mehr als die Andern meine Geistesgegenwart bewahrt hatte, wollten Alle von mir wissen, welche Richtung wir einzuschlagen hätten. Nach den Sternen, von denen einige durch den Nebel und bei dem Mondenlichte schwach schimmerten, rieth ich, in welcher Gegend die Küste sein müsse. Sie lag fast gerade gegen Süden, der Sturm aber kam jetzt aus Nordwesten; wir mussten daher südöstlich steuern, um den Wellen nicht die breite Seite zu bieten, weil wir dann unrettbar verloren waren. Einmal darüber sicher, liess ich das Boot immer in dieser Richtung halten und so trieben wir eine lange Stunde fort, wobei wir jeden Augenblick das Wasser ausschöpfen mussten, und einander damit trösteten, dass das Land nicht mehr fern sein könne. Endlich erblickte ich im Mondenlichte einen Felsen, den ich mich erinnerte am Vormittage gesehen zu haben; es war der Felsen Gejn, eine abgerissene Spitze der Sowädah-Gruppe, der jetzt in einiger Entfernung zu unserer Rechten lag. „Muth", rief ich aus, „hier ist der Gejn!" — -,Sag' es noch einmal, sag' es noch einmal; Gott segne dich!" riefen Alle, als ob die Wiederholung einer guten Nachricht diese noch mehr bestätige. Ich bemerkte aber, dass keiner seiner Sinne 347 mächtig genug war, um die schwarze Spitze erkennen zu können, die jetzt deutlich aus der See hervorragte. „Ist er nahe?" fragte der Mann von Gebel-'Okdah. „Ganz nahe", erwiderte ich, „nur vorwärts; wir werden bald vorbei sein." Im Innern aber zweifelte ich sehr, dass wir vorbei kommen könnten, so schnell wurde das Boot von dem rings aufspritzenden Schaum angefüllt, und ein einziger Augenblick falscher Steuerung hätte uns Alle zu Grunde gerichtet. Noch eine Stunde ging es so fort im Kampfe mit den Wellen. Mitternacht war vorüber, und der Sturm, anstatt nachzulassen, wurde immer stärker und heftiger. Einer von den Passagieren hinten an dem Balken fühlte sich zu erstarrt und ermüdet, um sich noch länger halten zu können; mit verzweifelter Anstrengung schwamm er an das Boot, und bat um Gottes Willen ihn hereinzunehmen. Einige wollten, andere nicht, endlich erbarmten sich zwei Matrosen und reichten ihm die Hand, um ihn in das Boot .zu helfen. Jetzt waren wir Dreizehn und das Boot ging noch tiefer; es war buchstäblich nur noch eine Handbreit zwischen Leben und Tod. Bald darauf machte noch ein Anderer, Namens Ibrahim, einen ähnlichen Versuch. Aber diesen noch herein zu nehmen, wäre eine Tollheit gewesen; der arme Kerl klammerte sich an den Rand, bis endlich einer von den Matrosen, der ihm umsonst zuredete, wieder an den Balken zurückzukehren, weil dies das einzige Mittel sei, sich zu retten, ihn mit Gewalt losriss und in die See schleuderte, wo er für immer verschwand. „Hat dich Ibrahim erreicht?" rief der Kapitän dem Matrosen zu, der nun noch allein an dem Balken hielt. „Ibrahim ist versunken4', kam die Antwort über die Wellen zurück. „Versunken!" wiederholten Alle mit dumpfer Stimme, „wir werden bald Alle versinken", und es schien allerdings, als ob dies das Ende aller unserer Anstrengungen sein würde, denn der Sturm uahm iminer zu und wir konnten jetzt nicht mehr so viel ausschöpfen, als jeden Augenblick Wasser in das Boot geworfen wurde — das Boot sank und wir waren noch weit in der offnen See. „Ikhamü," rief der Kapitän zum zweiten Male. „Springe ins Wasser, wer da will", dachte ich, „ich bleibe bei dem Boote, so lange 348 es bei mir bleibt", und blieb an meinem Platze. Jusef iag zu seinem Glücke wie eine Leiche da; aber vier von unserer Gesellschaft, ein Matrose und drei Passagiere, welche glaubten, dass alle Hoffnung auf das Boot nun vorüber sei und ihnen nichts mehr übrig bliebe, als der Balken, oder der Himmel weiss was, sprangen in das Meer. Dadurch wurden die Uebrigen gerettet, das Boot wurde leichter und hob sich einen Augenblick; der Steuermann und ich schöpften mit Verzweiflung, und noch einmal erhob es sich über das Wasser. Jetzt waren wir im Ganzen noch neun'Personen darin — acht Männer und ein Knabe, der Neffe des Kapitäns. Mittlerweile war das Tau gerissen, an weichem der Balken hinten befestigt war, an dem sich nur noch ein Mann hielt. Noch eine Minute lang sahen wir im Mondenlicht die Köpfe der fünf Schwimmer, welche das Boot wieder zu erreichen suchten. Wäre es ihnen geglückt, so wareu wir Alle verloren ; da auf einmal wurden sie durch eine ungeheure Welle von uns getrennt. „Gott sei den armen Ertrunkenen gnädig," rief der Kapitän: — Ihre Leichname wurden drei Ta.^e später bei Sib ans Land geworfen. Unsere Leute ruderten, was sie konnten, und die Nacht verging; endlich konnten wir die Küste sehen. Vor uns erhob sich ein hoher schwarzer Felsen, der in die schäumende See hinausragte, aus der er wie die Mauer einer Festung aufstieg; in einiger Entfernung zur Linken erkannte ich an einem eigentümlichen Schimmer und einem langen weissen Streifen der Brandung, dass ein ebenes und sandiges Ufer da sei. Die drei Matrosen an den Rudern und der Manu von 'Okdah, der die Stelle des vierten eingenommen hatte, durch die lange Arbeit, unter beständiger Erwartung des Todes, ermattet, und nach einem Ende dieses langen Elendes verlangend, trieben das Boot gerade auf die Felsen zu, als das nächste Land. Dies war sicheres Verderben. Der Kapitän und Steuermann, obwohl über das, was Jene thaten, erstaunt, Hessen es geschehen. Ich sali, dass hier kräftiges Handeln noth that, rüttelte die Beiden, um sie aufmerksam zu machen und sagte, es sei reiner Selbstmord, doppelt strafbar, bei Leuten die Gott bis dahin erhalten hätte, wir mussten durchaus die sandige Bucht zu erreichen suchen, welche ich ihnen in der Feme zeigte. 349 So aus ihrer Lethargie aufgeweckt, sprangen sie auf und halfen mir die Matrosen zur Vernunft bringen. Die Leute aber antworteten, sie könnten nicht weiter, sie mussten das nächste Land zu erreichen suchen, möge kommen, was da wolle, und ruderten gerade auf den Felsen zu. Da drückte der Kapitän schnell dem Steuermann ein Ruder in die Hand, stiess einen der Matrosen von der Bank und entriss ihm das Ruder, während ich mit dem auf der andern Seite dasselbe that, und wir brachten nun die Spitze des Bootes herum, nach der Bucht zu. Die widerspen- Kap. XVn. Rettang. 257 stigen Matrosen, die sich jetzt ihrer Schwachherzigkeit schämten, baten um Verzeihung und versprachen, nach unseren Befehlen zu handeln. Wir gaben ihnen die Ruder wieder, sehr zufrieden, dass der in einem solchen Augenblicke so gefährliche Streit so bald beigelegt wrar, und die Leute ruderten mm links, obwrohl noch eine volle halbe Stunde Arbeit zwischen uns und der Brandung übrig blieb, und die Richtung, welche wir nun halten mussten, noch gefährlicher war als zuvor, weil das Boot beinahe parallel mit dem Strich der Wellen ging, aber eine halbe Stunde; — ich glaubte nicht, dass wir die ersehnte Stelle noch erreichen würden. Endlich kamen wir dem Ufer nahe; hier aber zeigte sich eine neue Gefahr. Die erste Reihe der Brandung, die wie ein Katarakt herabstürzte, war wenigstens hundert Yard von der Küste und zwischen ihr und dem Ufer erschien ein weisser Schaum der tobenden Gewässer, die augenscheinlich zehn bis zwölf Fuss tief wareu, und ich zweifelte sehr, dass es uns, müde wie wir waren und vor Kälte und Nässe beinahe steif, möglich sein würde, den Kampf mit diesen aufzunehmen. Er war aber nicht zu vermeiden; und als wir an der langen weissen Linie hinfuhren, rief ich Jusef und dem Knaben, die beide wie todt dalagen, aufzustehen und sich bereit zu halten, zu schwimmen, was jetzt nicht mehr zu vermeiden sei. Sie standen auf, die Matrosen legten ihr Ruder bei Seite und einen Augenblick später stürzte eine riickschlagende Welle das Boot um; jetzt blieb uns nichts mehr übrig, als in der See um unser Leben zu kämpfen. Auf meine Kraft im Schwimmen konnte ich mich verlassen, wusste aber nicht, wie es mit Jusef stand; ich sah mich nach ihm um und da ich ihn dicht an meiner Seite im Wasser erblickte, reichte ich ihm die 350 Hand und sagte, er solle sich fest halten, ich wollte ihm ans Land helfen. Mit grosser Geistesgegenwart jedoch schob er meine Hand zurück und rief: „Rettet euch, ich bin ein guter Schwimmer, fürchtet nichts für mich." Der Kapitän und der junge Matrose fassten den Knaben, jeder an einer Seite und schwammen mit ihm dem Ufer zu., Es war eine verzweifelte Anstrengung, jede sich brechende Welle überschüttete uns und riss uns wieder in ihre Strömung zurück. Nach einigen wie Stunden langen Minuten endlich, fühlte ich Grund und kletterte an dem sandigen Ufer hinan. Einer nach dein Andern kam nun heran — Einige ganz nackt, da sie in den drehenden Strömungen ihre noch übrigen Kleider abgeworfen oder verloren hatten. Jeder sah sich um, ob seine Gefährten da wären: und als alle Neun am Ufer standen, warfen wir uns auf den Sand nieder, um Gott zu danken für ein neues Leben nach so grosser Gefahr und nachdem so viele Kameraden verloren waren. Dann standen wir auf, umarmten uns, Einige, lachten, Andere schrieen, stöhnten, tanzten. Ich habe nie so vollständig ausser aller Fassung gebrachte Menschen gesehen, wie diese im ersten Augenblick nach ihrer Rettung. Einer griff den Boden mit den Händen und rief: „Ist es wirklich Land, wo wir sind?" ein Andrer sagte: „und wo sind unsere Gefährten?" ein Dritter: „Gott sei den Todten gnädig, danken wh- ihm für unser Leben", ein Vierter stand in dumpfer Betäubung da. U. 17 Jusef hatte den letzten Fetzen von seiner Kleidung verloren. Zum Glück hatte ich zwei lange Hemden (das eine davon besitze ich noch), die bis auf die Füsse reichten, nach arabischer Weise. Eins derselben gab ich meinem Gefährten, das andere behielt ich für mich; mein rothes Käppchen hatte auch fest auf dem Kopfe gesessen, so dass ich noch besser daran war, als irgend ein Andrer. „Wir können diesen Tag für den Tag unserer Geburt rechnen; es ist ein neues Leben nach dem Tode", sagte der junge 'omanische Matrose. „Andere haben zu Hause für uns gebetet, und Gott hat uns um ihretwillen errettet", setzte der Steuermann hinzu, an seine Familie und Kinder denkend. „Wahr, und vielleicht mehr als ihr meint", sagte ich und dachte an meine noch entfernteren Angehörigen. Während wir so miteinander sprachen und anfingen uns umzusehen , um zu erkennen, an welchem Theile der Küste wir gelandet *i wären, hörten wir zu unserer Rechten einen Kanonenschuss. „Das ist die Kanone von Sib", sagte der Kapitän. Sib, als befestigte Stadt und oft königliche Residenz, hat eine Garnison und Artillerie. Nach dem Orte unseres Schiffbruchs, gegenüber von Sowädah zu urtheilen, konnten wir nicht weit von dort sein. Während wir noch darüber sprachen, hörten wir noch eine Kanone vom Lande her. „Das muss vom Palaste bei Bathat-Farzah (Thal von Farzah) sein", sagte ein Anderer. „Sicher ist Thowejni dort, denn es wird nur geschossen, wenn der Sultan mit dem Hofe dort ist." Koch war es nicht Tag, der Sturm wüthete noch immer, wir waren durch und durch nass und bedurften vor allen Dingen eines Schutzes gegen Wind und Wetter. Wir krochen daher unter ein Gebüsch, machten dort Jeder eine Grube in den Sand, jeder so lang wie er selbst, legten uns hinein und deckten den ausgescharrten Sand Uber uns; so erwarteten wir den Morgen. Endlich ging die Sonne auf, aber ihre Strahlen erreichten uns nicht so bald, als wir wünschten, denn die Bucht war zu beiden Seiten von hohen Bergen eingeschlossen, die nach der See zu sich steil hinabsenkten. Zur Linken war der Felsen, an welchem uns die Verzweiflung der Matrosen in der Nacht beinahe zu Grunde gerichtet hätte; er sah fürchterlich aus. Der Wind blies noch immer und wir zitterten vor Kälte in unserer dürftigen Kleidung. Diejenigen, welche wie ich etwas mehr mit an das Ufer gebracht hatten, als was durchaus nöthig war, die Blosse zu bedecken, hatten mit denen, welchen gar nichts übrig geblieben war, getheilt. Als endlich die Strahlen der Sonne über die Berge zu unserer Rechten fielen, eilten wir, uns zu wärmen und unsere wenigen Kleidungsstücke zu trocknen. Nun recog-noscirten wir die Stelle, an der wir uns befanden, die einigen der Matrosen nicht ganz unbekannt war Wir befanden uns östlich von Sib, aber zwischen uns und der Stadt lag eine hohe und breite Felsenreihe, über die wir uns mit unseren nackten Füssen nicht wagen wollten* gegen Westen war eine ähnliche Felsenreihe, aber landeinwärts zo°" sich ein sandiges Thal zwischen den Bergen hin und in dieser Richtung war der Weg leichter und musste, wie die Matrosen behaupteten dem Landschlosse des Sultans zu führen — demselben, dessen Kanone wir in der Nacht gehört hatten — und welches nicht sehr weit 1» sein konnte. Waren wir erst dort, so rechneten Alle auf die Freigebig- keit Thowejni's. Dorthin beschlossen wir also zu gehen, nachdem wir noch einen Blick auf die tobende See geworfen. Keine Spur von unserm Boote war zu sehen; nicht ein Segel war in Sicht, obwohl an dem vorhergehenden Tage viele da gewesen waren. Zehn grosse Schiffe, theils von der persischen, theils von der 'omanischen Küste, waren mit unserm Schiffe in der letzten Nacht bei dem Sowädahfelsen untergegangen; drei derselben, wie ich später hörte, mit Manu und Maus; von einem einzigen nur war die ganze Mannschaft gerettet, die übrigen alle verloren einige mehr, andere weniger; jedenfalls fehlte es uns nicht an Unglücksgefährten. Wir wanderten nun südwärts durch Sand und über Bergabhänge dem Palaste des Sultans zu. „Eine traurige Sache" , sagte ich zu Jusef, „uns in solchem Zustande Seiner Majestät vorstellen zu müssen; hätten wir die Geschenke noch, so würde der Besuch mehr zu unseren Zwecken passen." Jusef seufzte, dieser Theil unseres Missgeschicks fiel allerdings schwer auf ihn. Ich selbst hatte natürlich alles verloren, was ich bei der Trennung von Abu-'Ejsa in Menämah noch bei mir behalten hatte, nebst einigen Curiositäten, die ich unterwegs gekauft hatte, darunter ein hübscher Dolch, ein fein gewebter Ueberrock, zwei schöne persische Teppiche und andere Andenken von Lingah und Schargah. Am schmerzlichsten war mir der Verlust aller meiner Aufzeichnungen seit dem 23. Januar bis zu diesem Tage, den 10. März. Der Verlust meines baaren Geldes schmerzte mich weniger, obwohl es in der That gerade keine Scherz ist, sich halbnackt und ohne einen Pfennig in der Hand mit einem eben so armen Gefährten in einem fremden Lande und fern von Freunden und von allen Hilfsmitteln zu finden. Dies Alles aber war eine Kleinigkeit in Vergleich zu dem Unglücke des Kapitäns, der Schiff, Ladung uud Alles verloren hatte, bis auf das Hemd, das er auf dem Leibe trug; die übrige Mannschaft war in Verhältniss nicht besser daran. Und doch, Viele hatten noch mehr verloren, ihr Leben, und in Vergleich mit diesen konnten wir uns noch glücklich preisen. 35s So trösteten wir uns, dankten Gott gemeinschaftlich für unsere Rettung und ermunterten uns gegenseitig, die Zukunft ihm zu vertrauen. Ich konnte nicht umhin, während dieser Ereignisse, was ich allerdings schon oft bemerkt, was jetzt aber in noch hellerem Lichte erschien, den grossen Unterschied zwischen Mohammedanern und Nicht-Mohammedaner zu beobachten, hinsichtlich der Weise, wie sie das höchste Wesen betrachten, welches sie Alle unter demselben Namen verehren. Unsere Biadijah Sprachen von Gott mehr wie vernünftige Christen, als von einem Alles regierenden, Alles leitenden Herrscher, dessen Herrschaft aber zum Besten der Menschen ist, und der nicht Tod sondern Leben will, nicht Dulden und Leiden, sondern Erlösung und Erbarmen; mit diesen Gedanken gingen sie fröhlich und vertrauensvoll an das, was sie zu thun hatten und Uberliessen das Uebrige den Händen dessen, der Alles führt und mit bester Hoffnung auf den Erfolg. Die Mohammedaner, welche alle, bis auf einen, ertrunken waren, hatten eine bei weitem weniger heitere Anschauung und schienen vollständig überzeugt, dass sie in den Händen einer absoluten und willkürlichen Macht seien, dass sie retten könnte, wenn sie wollte, oder ertrinken lassen, wenn sie wollte, auf die aber ihre Gebete und ihre Xoth wenig oder keine Einwirkung übe. Ich will nicht sagen, dass dies bei allen Mohammedanern der Fall ist. Ich selbst habe viele Fälle einer ganz entgegengesetzten Anschauung gesehen, die Folge jener glücklichen Incon-sequenz, nach welcher die Menschen nicht immer ihren theoretischen Principien gemäss denken und handeln. In den gemischten Ländern, wie der Türkei, Syrien und Aegypten entlehnt der Muslin oft, selbst unbewusst, von den verschiedenen Religionen und Systemen, die ihn umgeben. Aber die Negdäer, von fremdem Einfluss isolirt, und consequen-ter in der Idee nach der ihr ganzes Leben und Denken gebildet ist, haben ganz die trostlose Vorstellung von dem höchsten Wesen, welche ich im achten Kapitel dieses Werkes auseinandergesetzt habe, und so erwarteten unsere unglücklichen Gefährten in dem Schiffe ihr Schicksal, wie Thiere, die zur Schlachtbank geführt werden und vor denen der Fleischer schon mit dem Messer in der Hand steht. Ich hoffe, meine Leser werden mir diese kleine Abschweifung verzeihen, sie ist (so weit ich mir selbst trauen kann) weder durch theologische, noch durch nationale oder persönliche Abneigung herbeigeführt, sondern durch eine Ueberzeugung, die sich bei mir, nach dem, was ich in vielen Ländern und unter verschiedenen Rassen von dem natürlichen Wirken des Islam gesehen habe, gebildet hat. Wir gingen weiter, halb heiter, halb traurig, aber Alle sehr schwach, bis etwa eine Stunde vor Mittag. Endlich kamen wir über 354 einen Bergrücken, wo zwischen dem niedrigen Gesträuch der Küste Bäume zum Vorschein kamen und auf einmal hatten wir die volle Ansicht der Bathah. Es war ein hübsches bewaldetes Thal, zwischen hohen spitzen Granitbergen 5 unten war Alles grün, bis auf eine Stelle im Thale, wo eine ziemlich grosse Fläche mit reinem Sande bestreut war. Hier stand der Palast, der die grösste Aehnlichkeit mit einem chäteau aus der Zeit Ludwigs XIII. hatte, wie ich im mittlem Frankreich viele gesehen. Er besteht aus einem mittlem Pavillon mit symmetrischen Seitenflügeln und offenen Balkons um das ganze erste Stockwerk; zu dem Haupteingange fuhren Stufen hinauf; kurz, ich habe in ganz Arabien kein anderes Gebäude gesehen, welches so sehr ein europäisches Ansehen hatte. Der Palast wurde vom Sultan Sa'id und, wenn ich nicht irre, von europäischen Baumeistern erbjiut. Ringsherum stan den lange Reihen von Ställen und Nebengebäuden. Hier, unter einem Flügel des Gebäudes und dicht an einem Nebeneingange, sass Thowejni mitten unter seinem Hofe und erfreute sich der Morgenluft im Schatten; vor ihm führten etwa dreihundert Reiter ein Scheingefecht aus. Unter den Bäumen waren an verschiedenen Stellen Zelte aufgeschlagen ; Alles athmete Leben, Heiterkeit und Sicherheit; ein ganz andrer Anblick als das, was wir noch vor wenigen Stunden gesehen. Wir blieben eine Weile hinter einem Gebüsch stehen, wo wir selbst ungesehen den König und seine Umgebung beobachten konnten. Die Parade war bald vorüber, die Reiter salutirten vor dem Sultan und ritten in ihre Quartiere, die nicht weit von der Stelle entfernt waren. Wir traten nun vor, und kaum hatten wir einige Schritt gethan, als uns einige der Anwesenden bemerkten und auf uns zu kamen. „Ohne Zweifel gehört ihr zu einem in der Nacht gescheiterten Schiffe", sagten sie, „wir sprachen eben davon, dass in der letzten Nacht wohl manches Schiff zu Grunde gegangen sein mag." Nach diesem Grusse führten sie uns ohne Weiteres zu Thowejni. Ich konnte mich kaum des Lachens enthalten, über die Figur, welche ich spielte- vielleicht aber war es gut für mein Incognito bei Thowejni, der viele Europäer aller Kategorien gesehen hatte und unter einer bessern Verkleidung und besseren Umständen leicht den Engländer erkannt hätte; aber unter unserer halbnackten Bande einen Engländer herauszufinden, war nur einem Hexenmeister möglich, und Thowejni, 355 was auch seine Mutter gewesen sein mag, war selbst noch keiner. Wir standen nun vor ihm. Er war hübsch, selbst prächtig gekleidet, sein weisses Oberkleid war mit einem blumigen Muster leicht gestickt, auf dem Kopfe trug er einen grossen Kaschmir-Turban, oben mit einem Diamant, und in dem mit Juwelen besetzten Gürtel einen prächtigen goldnen Dolch. Er ist ziemlich untersetzt, der Ausdruck seines hübschen Gesichts ist munter, aber zerstreut; er sieht aus wie ein ächter Jünger Epikurs, was er auch ist, aber wie Einer, der etwas Besseres sein könnte, wenn er gewollt hätte. Schlauheit, Gutmüthigkeit und Genuss-sucht sind in seinem Gesicht und allen seinen Manieren ausgeprägt. Ihm zur Seite sass ein Knabe mit dunkler gefärbtem Gesicht, aber glänzend gekleidet, und einer mit kostbaren Steinen besetzten Mütze, sein ältester Sohn von einer abyssinischen Concubine. Neben dem König war der erste Minister, dessen Name mir entfallen ist, und mehrere Andere von hohem Rang und vornehmer Geburt, Alle in Weiss mit Gold gekleidet, und ein zahlreiches Gefolge, mit Schwertern und Dolchen bewaffnet, stand oder sass herum. Unser Kapitän führte natürlich für uns das Wort. Der König empfing uns mit einem Ausdruck von Mitleiden, fragte zu welchem Hafen unser Schiff gehörte, welche Ladung es hatte, wohin es bestimmt war, wie es zu Grunde gegangen, wie viele umgekommen, wie wir uns gerettet, versprach dann dem unglücklichen Eigenthümer Ersatz für seinen Verlust und gab Befehl uns im Palast unterzubringen und zu versorgen. Ich wünschte, dass Jusef nun das Wort ergreifen und etwas von den Geschenken sagen sollte, die ihm und von wem sie ihm anvertraut waren. Er hatte aber nicht den Muth hervorzutreten und fürchtete, dass er unter den gegenwärtigen Umständen für einen Betrüger gehalten werden könnte, und ich, für meinen Theil, hielt auch nicht für klug, grosse Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen, namentlich da ich unter dem Gefolge einige Gesichter bemerkt hatte, denen man die nördliche Abkunft ansah. Ich hielt mich also im Hintergrunde und erwartete das Resultat. Jetzt trat einer von den Garden zu mir und Jusef und erbot sich, unser Wirth zu sein; die Matrosen wurden einer nach dem andern auf dieselbe gastfreundliche Weise in Anspruch genommen. Wir folgten unserm Führer nach seiner Wohnung, in einem . der Nebengebäude des Palastes, ein grosses Gemach, in dem etwa ein Dutzend von den königlichen Garden wohnten. Hier that Jeder, was 358 in seinen Kräften stand, uns behülflich zu sein. Ich erhielt bald ein Paar leichte Hosen und einen Turban; ein Feuer wurde angezündet, Pfeifen und Kaffee bereitet und bald war auch etwas zu essen fertig. Wir mussten unsere Geschichte wieder und immer wieder erzählen; Jeder bedauerte uns, sprach uns Trost zu und was sonst bei solchen Gelegen- hciten gewöhnlich ist. Wir hielten eine gute Mahlzeit von Fleisch. Reis mit Saffran, Weintrauben, Datteln und was sonst zur Hand war, legten uns dann nieder und schliefen — zum ersten Mal seit unserm Schiff-bruch, denn am Morgen, am Ufer, hatten wir vor Kälte die Augen nicht zuthun können. Als ich erwachte, war es schon spät am Nachmittage. Jusef war bereits auf und machte den Vorschlag, den Palast und dessen Umgebung zu besehen. Dicht neben dem Palaste sprudelt eine heisse Quelle hervor, die den Monarchen in seiner ländlichen Residenz mit einem von Natur warmen Bade versorgt: dieselbe Quelle bewässert, nachdem sie sich in offenen Gypsröhren abgekühlt, einen grossen Küchen-garten, der sich im Thale weit und breit ausdehnt, und hinter diesem Pflanzungen von Dattelpalmen und Kokosnussbäumen. Das ganze Thal schwärmte am Abend von »Spaziergängern, unter denen besonders Kavallerie - und Artillerie - Offiziere in einer halb europäischen Uniform in die Augen fielen; von den beludschischen Garden .war jedoch keiner in der Bathah. Kurz vor Sonnenuntergang sahen wir einen grossen Trupp Reiter im Thale heraufkommen und am Thor des Palastes halten. Ihr Führer war ein breitschultriger dicker Mann mit grossem Kopf und einem Nacken wie ein Stier, der in einen rothen Rock gekleidet war und ein prächtiges Pferd ritt, eins der schönsten, das ich in Arabien gesehen habe und an dem man schon erkennen konnte, dass der Reiter ein Mann von Bedeutung sei. Dieser war kein anderer als der berühmte, oder vielmehr berüchtigte Metejri, die rechte Hand des Khälid-ebn-Sakar bei allen dessen Grausamkeiten, und bekannt als der grösste Räuber seiner Zeit. Er blickte finster um sich, als er abstieg, und die Palastdiener beeilten sich, ihn die Stufen hinauf zu geleiten, während die, welche etwas entfernter bei uns standen Flüche und Verwünschungen murmelten. Thowejni selbst, so sagt man, und ich glaube es gern, hätte seinen gefährlichen Alliirten lieber etwas weniger nah gesehen, aber die Politik gebietet ihm Geduld; und der Metejri blieb drei volle Tage Gast des Sultans, bevor er zu seinem unmittelbaren Herrn, 387 Khälid in Schargah, zurückkehrte. Welches besondere Geschäft ihn hierher führte, konnte ich nicht erfahren: vielleicht war es nur eine Vergnügungsreise. Zwei von unseren Matrosen gingen, von einer nicht unnatürlichen Neugierde getrieben, gegen Abend an das Ufer zurück, wo sie die zerbrochenen Breter unseres Bootes fanden, welches die Brandung in Stücke zerrissen hatte. Von dem Schiffe hörten und sahen wir nichts wieder — es lag nicht sieben, sondern sH»enzig bis achtzig Faden tief, wenn die Sondirungen am Sowädahfelsen richtig sind. Jusef und ich schlenderten noch gegen Sonnenuntergang im Thale herum, als ein Diener aus dem Palaste kam und uns und unseren Kameraden eine kleine Summe für unsere unmittelbaren Bedürfnisse einhändigte und mehr versprach, wenn wir einen oder zwei Tage beim Sultan bleiben wollten. Ebn-Kliamis und ich erhielten jeder einen Gold-Tomän, im Werth etwa 10 Schilling englisch; damit konnten wir allerdings nicht weit kommen, wenn wir unsere Reise landeinwärts fortsetzen wollten, wir gedachten daher zu warten und Ebn-Sa'ids Freigebigkeit weiter zu versuchen, als ein Umstand eintrat, der mich bestimmte, die Nähe des Palastes und die Bathah sogleich zu verlassen. Wir waren eben mit unserm Abendessen fertig und sassen, Gäste und Wirthe, um das Feuer beim Kaffee, als ein gut gekleideter Neger eintrat und mir, nach schuldiger Begrüssung, Complimente von seinem Herrn und eine Einladung brachte, diesen mit meiner Gesellschaft zu beehren. Ich stand auf und folgte meinem schwarzen Führer zu einem hübschen Zelte in der Nähe des Palastes. Hier fand ich zwei ehemalige türkische Offiziere, die aus ihnen allein bekannten Gründen für gut befunden hatten, Heer und Land des ottomanischen Herrschers zu verlassen oder, einfach gesagt, zu desertircn. Der eine war gerades Wegs nach 'Oman gekommen; der andere hatte sich erst die Welt angesehen und war in Bombay, Calcutta, Singapore und Malacca gewesen und hatte auf seinen Wanderungen viele Engländer, Indier, Malayen und allerlei Volk kennen gelernt. Obwohl er in der ottomanischen Armee eine Stelle bekleidet hatte, war er doch nicht von türkischer, sondern von albanischer Abkunft. „Wir bemerkten euch", sagte er zu mir in gebrochenem Arabisch, welches dieser Klasse Menschen eigenthümlich ist und woran man sie leicht erkennt, „und schlössen aus eurem Ansehen, dass ihr nicht, wie eure Gefährten, aus diesem Lande seid." 358 Dies sprach er mit grosser Höflichkeit und bot mir zugleich eine mit Silber gefasste Narghilah, mit Beobachtung aller Regeln orientalischer Höflichkeit, so dass ich mich ganz heimisch fühlte, obwohl mir nicht entging, dass dies nur der Prolog zu einer weitern Ausforschung sei. Wir kamen nun in eine lange und lebhafte Unterhaltung, in welcher ich ihm erzählte, was ich zu sagen für gut hielt, und mein neuer Bekannter, durch Libationen etwas besserer Art als Kaffe animirt, nämlich guten Cognac aus einer schwarzen Flasche, dem er und sein Freund fleissig zusprachen, und den auch ich, wie ich gern gestehe, unter den obwaltenden Umständen nicht verschmähte, erzählte seine Geschichte, seine Abenteuer zu Land und Meer, wie er in Thowejni's Dienst gekommen u. s. w., vielleicht mit etwas mehr Beredtsamkeit als Genauigkeit. „In vino veritas", — zuweilen auch das Gegentheil. Nach seiner Angabe hat der gegenwärtige Sultan von 'Oman eine Leibgarde von sechshundert Mann zu Pferde und eine leidliche Artillerie, auf die er viel Vertrauen setzt; im Falle eines Krieges, sagte der Offizier, könne er sicher auf Hülfe von Seiten der Häuptlinge von Belad Sur, Gailän und Gebel Akhdar rechnen, selbst von den meisten Häuptlingen der Bätinah, obwohl einige Städte noch gegen ihn seien; er habe etwa dreissig Schiffe von englischer Bauart, einige mit nicht weniger als fünfzig Kanonen; kurz, er könne an Macht und Hülfsquellen für eben so stark gelten, als sein Vater, wenn er nur etwas mehr Zeit auf die Geschäfte und etwas weniger auf Liebeständelei wenden wolle. Als Entgegnung seiner Mittheilungen wünschte er nun mehr über meine Geschäfte zu wissen, und war sehr geneigt zu meinen, dass meine Reise hieher einen andern Zweck habe, als Kräuter su suchen. Aber die späte Stunde und meine Müdigkeit gaben mir jetzt einen schicklichen Vorwand, mich zurückzuziehen, und ich empfahl mich, während mein Wirth mir versicherte, er würde nicht verfehlen mir am nächsten Tage seinen Gegenbesuch zu machen und weiter mit mir zu sprechen. Ich war jedoch durchaus nicht begierig nach dieser Ehre. Mir konnte es allerdings jetzt ziemlich gleich sein, ob Thowejni, sein Minister (der, wie ich Später erfuhr, wirklich Verdacht in Betreff meiner Geschichte hatte und den Albanesen wahrscheinlich angestellt hatte, mich >° auszuforschen i und -ganz 'Oman, vom Kap Mesandem bis Räs-el-Hadd, wussten wer und was ich war, da ich nach Allem, was ich bisher gesehen und gehört hatte, nicht zu fürchten brauchte, dass eine solche Kenntniös mir unmittelbar schädlich oder hinderlich sein würde. Aber der Metejri und seine Negdäer waren noch bei Hofe und ich fürchtete, wenn die Neuigkeit, mit den arabischen Zusätzen und Erweiterungen, ihren Weg nach Berejmah und von da nach Neged fände, üble Folgen, wenigstens für Abu'Ejsa, da es den Anschein haben konnte, als sei er und seine Leute Helfershelfer und Mitschuldige eines so gefürchteten Ungeheuersj eines Spions. Dazu hatte ich mit Abu 'Ejsa verabredet an der persischen Küste wieder mit ihm zusammenzutreffen; Barakät war noch bei ihm, und die Folgen einer vorzeitigen Entdeckung konnten sehr unangenehm sein. Ohne also Jusef Dinge mitzutheilen, die ihm nichts angingen, liess ich ihn wissen, dass es mein hoher Wille und Belieben sei, den Sultan und seinen Hof sich selbst zu überlassen und am nächsten Morgen nach Mascat aufzubrechen, wo sich ohne Zweifel die Dinge zu unseren Gunsten wenden würden; ich sagte dazu Manches über die Thorheit, sich auf Fürsten zu verlassen und dergleichen. Jusef liess sich leicht überreden; er war in der That durch die vorhergehende Nacht so aus der Fassung gebracht, dass es nicht schwer hielt, ihn so oder so zu führen, wie ein Kind. Am nächsten Morgen suchten wir also ein Paar Schuhe, denn meinen Füssen traute ich nicht zu, die eckigen Kiesel, mit denen der Boden, im Gebiet von Mascat bedeckt ist, tiberschreiten zu können. Schuhe waren aber nirgends zu finden; wir brachen also barfuss auf, während unsere Wirthe bei der Morgenparade und Thowejni wahrscheinlich noch im Bette war. Ein Bauer aus dem nahen Dorfe Far-zali zeigte uns einen Weg, der von der Bathah dorthin führt. Wir gingen Uber den Bergrand an der südlichen Seite und folgten dann einem schmalen Fusspfade zwischen röthlichen Felsen hin, wo immergrüne Eichen und Akazien aus den Spalten herauswachsen, bis wir auf einen breiten Weg gelangten, der sich theilte und rechts nach Farzah, links nach Mascat führt. Alles rings herum war ein Labyrinth von wilden Bergen, meist Granit, und zwischen diesen hübsche grüne Thäler, hie und da Gruppen von Häusern, Gärten, Feldern, auf denen das Getreide schon fast brusthoch stand, denn die Ernte fällt in diesem Lande in den April. Im Thale von Farzah strömt im Winter ein ziemlich breiter Fluss, er war aber jetzt schon beinahe trocken und muss im Sommer ganz vertrocknet sein. 360 Nach einer kurzen Rast schlugen wir die Richtung naeh Mascat ein und schritten muthig üher Kiesel und Felsensplitter, bis wir noch vor Mittag bei dem weissen Kastell von Khabb vorbeikamen, welches aber mehr ein Lustschloss oder eine Villa ist als eine Festung. Das Dorf liegt dicht dabei in einem tiefen Thale und ist gut mit Wasser versorgt und mit Feldern und Gärten umgeben. Wir wollten aber hier nicht verweilen und setzten unsern Weg ohne Aufenthalt fort, bis etwa drei bis vier Stunden weiter nach Ri'än, einem Dörfchen, das kleiner ist, als Khabb, wo Müdigkeit und aufgeriebene Füsse uns nöthigten, eine Weile zu ruhen. Hier brachten uns die Leute aus dem Dorfe eine für Hungerige sehr annehmbare Labung — nämlich einige Stück Zuckerrohr, nebst einem Schoss voll Nabak, die hier häufig und so gross wie Holzäpfel sind. Diese Delicatessen assen wir mit einigen Stück trocknen Brotes, das wir als Reisevorrath aus der Bathah mitgenommen hatten. Während wir hier am Brunnen lagern, mögen mir meine Leser einige Bemerkungen Uber das Bewässerungssystem gestatten, welches hier und in manchen Gegenden 'Omans von dem in Centraiarabien gewöhnlichen verschieden ist. Das Wasser wird dort überall durch Kanäle oder Esel heraufgezogen und oft aus beträchtlicher Tiefe, nament-in Gebel Schomer. In Hasa, wo es viele Quellen giebt und die Brunnen oft bis zum Ueberlaufen voll sind, geniigen oft menschliche Kräfte. In 'Oman sind Kamele und Esel noch weniger zu dieser Art Arbeit erforderlich ; Wasser ist in Fülle da, und nahe an der Oberfläche. Auch hier finden wir zuweilen lange Ziehstangen, gewöhnlich aber mit Seilen und Eimern, wie wir auch in Europa oft anstatt der Pumpen sehen. Kein Theil Arabiens ist besser bewässert als 'Oman, nirgends giebt es so viele Brunnen und Springbrunnen — was sich theils aus der Nähe der hohen Akhdarkette erklärt, theils durch den jährlichen Monsun des indischen Oceans entlang der Küsten. Aber auch hier ist die ausserordentlich poröse Beschaffenheit des Bodens der Bildung von Flüssen hinderlich; die von dem Akhdar-Gebirge herabströmenden Bäche verlieren sich in den Schluchten bald im Boden und kommen am Fusse des Gebirges wieder als Springbrunnen hervor, fliessen eine kleine Strecke, verlieren sich dann wieder im Boden, um vielleicht näher der Küste noch einmal hervorzubrechen, nirgends aber bleiben sie beständig über dem Boden. Noch muss hier bemerkt werden, dass die Brunnen in der Regel gut gebaut und mit Mauerwerk geschützt sind und gut im baulichen Stande gehalten werden. Bei diesem Dörfchen theilt sich der Weg. Der Hauptweg führt 861 nach Mascat, das noch etwa fünfzehn englische Meilen von hier entfernt ist; aber er führt Uber rauhen und steinigen Boden, auf den ich mich, un-beschuht wie ich war, nicht wagen wollte, namentlich da meine Küsse durch den bereits zurückgelegten Weg nicht besser geworden waren. Der andere Weg zur Linken führt nach Matrah, einem Hafen westlich von Mascat, theilweise über ebenes und sandiges Land. Wir entschlossen uns, diesen zu versuchen, lehnten also die wiederholten Einladungen der Dorfbewohner, Uber Nacht bei ihnen zu bleiben, ab und gingen weiter, obwohl sehr ermüdet, bis wir zu einer kleinen Gruppe von Häusern gelangten, die schon innerhalb der Linie von Befestigungen liegt, welche sich etwa fünfzehn Meilen von Osten nach Westen zieht und die unmittelbare Umgebung von Mascat von der Landseite her schützt. Von Höhe zu Höhe, von Felsen zu Felsen laufen Mauern und stehen runde ThUrme, festgebaut und im Stande, schwere Kanonen auf ihren Zinnen zu tragen; sie sind das Werk der Portugiesen, die während ihrer Herrschaft Uber diesen Theil tler Küste, diese in einer ähnlichen Weise befestigten, wie die Engländer in neuerer Zeit Aden befestigt haben; obwohl die Werke von Mascat zwar malerischer sind, aber weniger den Principien der neuem militärischen Vertheidigungskunst entsprechen. Die Thürme und Festungsmauern, welche bald weiss auf den Höhen zum Vorschein kommen, bald halb verborgen zwischen schwarzen Schluchten und phantastisch gestalteten Felsenspitzen liegen, haben ein phantastisches Ansehen, welches aber meine Müdigkeit mich nicht hindern konnte zu bewundern. Von der Landseite, von wo die Portugiesen gänzlich ausgeschlossen waren, hat das Land einen freundlichem Charakter. Der Boden ist mit Vegetation bedeckt, aber nach der Küste zu sind die Felsen an der Oberfläche kahl und haben ein ausserordentlich wildes Ansehen. Ein enger Pass führte uns innerhalb der Schussweite der Festungswerke; der Zugang würde schwer sein, wenn die verlassenen Thürme zu beiden Seiten gut besetzt wären. Die Sonne war bereits am Rande der Felsen, ehe wir die Häuser erreichten, eine lange Vorstadt von Matra^, oder eigentlich Matrah selbst; denn die Thäler und Schluchten sind so dicht bevölkert, dass es schwer sein möchte, zwischen den einzelnen Ortschaften eine bestimmte Grenze zu ziehen. Reihen von Hütten strecken sich von einer Ortschaft zur andern, sehr unähnlich den compakten und fest begrenzten Dörfern in Schomer und Neged.- Hier machten wir noch einmal Halt und da wir ein schönes von Stein gebautes, zwei Stockwerk hohes Wohnhaus mit einem grossen Eingange 862 vor uns sahen, nahmen wir uns die Freiheit, uns als zwei Schiffbrüchige auf dem Wege nach Mascat vorzustellen. Der Herr des Hauses, ein reicher Kaufmann, sah an unserem Anzüge eine hinreichende Bestätigung unserer Aussage, gab uns gern ein Obdach, um welches wir baten und noch ein gutes Abendessen dazu, nach welchem wir uns über den Handel des Platzes und seine gegenwärtigen Verhältnisse unterhielten. Der Negerhandel ist hier im vollen Schwünge und neben diesem halb unerlaubten, obwohl allgemeinen Importgeschäft werden Rhinoceroshörner und Häute, Elfenbein und wohlriechendes Holz von der afrikanischen Küste her gebracht, während Indien die Artikel liefert, welche schon oben bei Beschreibung des Handels von Hasa und Bahrejn genannt wurden, aber in ungleich grösserer Menge. Ausgeführt dagegen werden Pferde, Esel, Kamele, Datteln, Waffen, Röcke, Teppiche, Leckereien, Kupfer- und Bleierz. Unser Wirth hatte grosse Sorge um ein Schiff, dessen Ankunft von Bombay er täglich erwartete und fürchtete sehr, dass der Sturm, der so vielen Schiffen im Golf von 'Oman Untergang gebracht hatte, auch auf dem indischen Ocean gewüthet hätte. In der That hörten wir später von vielen Unglücksfällen, die in dieser Nacht stattgefunden hatten. Am nächsten Morgen nahmen wir Abschied von unserm Wirthe und wanderten weiter, dem eigentlichen Matrah zu. Niebuhr beschreibt dieses noch als ein kleines schmutziges Dorf, jetzt aber hat es viele regelmässige Strassen mit schönen Häusern, die denen der anglo-indi-schen Hafenstädte nicht nachstehen ; der Marktplatz ist gross und noch mehr mit Waaren und Menschen angefüllt als Schargah und Lingah, und die Wohnungen der Kaufleute, Schiffskapitäne und wohlhabenden Bürger liegen, ähnlich wie die Bastides bei Marseille, auf Anhöben oder tiefer unten am Rande des Wassers, zwischen den Hütten der Matrosen^ Fischer, Neger u. s. w. um die ganze Bucht herum und weit iu das Land hinein. Die gegenwärtige Bevölkerung von Matrah schätze ich auf mindestens fünfundzwanzig Tausend Seelen und mehr. Der Hafen ist sicher, aber etwas seicht, und rechts und links von hohen Felsen begrenzt, die vulkanischen Ursprungs zu sein scheinen und auf denen AVachtthürme stehen. Von hier führt kein Weg zu Lande direkt nach Mascat, was für die zahllosen Bootsführcr, welche das östliche Kap umschiffen, das die beiden Höhen trennt, sehr vorteilhaft ist. Als ich 383 mit Jusef über den Markt ging und einige Lebensmittel und Kleidungsstücke kaufte (denn zu dem königlichen Geschenk in der Bathah hatte uns unser Wirth in der letzten Nacht noch ein kleines Almosen gegeben), begegneten wir dem Gouverneur der Stadt, einem noch sehr jungen Häuptlinge, der die weisse Kleidung des Landes trug und ein ziemliches Gefolge hatte, aber zu Fuss. Er gehört nicht zu der Familie Ghaferi, oder dem Zweige Ebn-Said, der nicht sehr zahlreich ist, sondern zu den Jeleks der Bätinah, einem sehr alten Stamme Kathanischen Ursprungs. Matrah ist, selbst mehr noch als Mascat, ein Markt für inländische Manufakturen, und wer irgend einen Rock von 'omanischem Gewebe, einen Dolch von 'omanischer Arbeit, einen Teppich von 'omanischer Stickerei haben will, findet hier ohne Schwierigkeit Alles, was er wünscht. Jeden Montag wird ein Markt gehalten und die Bauern aus der Umgegend bringen Früchte, Gemüse, Bataten, Badiugan, Melonen, Kürbisse, Aprikosen, Weintrauben, Pfirsiche, Mangofeigen, oder was sonst gerade die Jahreszeit bietet. Die letztgenannte Frucht ist von der Art, welche man in Indien unter dem Namen „Junglee" kennt. Ein sehr gewöhnlicher Handelsartikel sind eine Art grosse Nüsse, zwei bis drei Zoll lang, dreieckig und von brauner Farbe; ich weiss nicht, zu welcher Species sie gehören. Datteln nehmen in 'Oman auf der Liste der Nahrungsmittel eine ziemlich niedrige Stufe ein und stehen hinsichtlich der Qualität denen in Neged bedeutend nach, von denen in Hasa gar nicht zu Sprechern Eine bedeutende Einfuhr von Khaläs aus der letzgenannten Provinz versorgt die Tafeln der Reichen in 'Oman mit dieser sonst im Lande wenig bekannten Leckerei. Indische Waaren, wie Tücher und Reis, findet man in Matrah weniger als in Mascat. Nachdem wir die Merkwürdigkeiten in Augenschein genommen und unsere Einkäufe gemacht hatten, gingen wir an das Ufer, wo beständig eine Menge Kähne bereit liegen, um diejenigen, welche Geschäfte in Mascat haben, hinüber zu führen. Diese Kähne sind aus einem einzigen Baumstämme gemacht, der hübsch zugehauen und ausgehöhlt wird; sie haben zwei Schnäbel, so dass man vorwärts und rückwärts damit rudern kann, und sind im Innern reinlich und mit leichten Matten von Gras ausgelegt, die auch in Indien gewöhnlich sind und dort „Tatties" genannt werden. Wir schifften uns in einem derselben ein, mit einem Perser, zwei Banianen, die jeder einen ächten „Chatti" oder Bombayischen Sonnenschirm hatten, und vier oder fünf anderen Passagieren; zwei Neger ruderten. Ich muss gestehen. dasR ich mich jetzt nur mit Widerstreben noch einmal der See anvertraute, wenn auch nur für eine kurze Strecke und Jusef-ebn-Khamis schien dasselbe zu fühlen wie ich. 304 Wir hatten aber keinen andern Weg, um Mascat zu erreichen; so stie- gen wir denn in das Boot und unsere stämmigen Schwarzen brachten uns bald um das lange Vorgebirge gegen Osten. Hinter diesem erschien zunächst eine kleine felsige Bucht, an der oben auf dem Felsen einige Häuser standen, dann kam ein noch grösseres Vorgebirge von Granit, das sich weit in die See hinaus erstreckte, und als wir um dieses lenkten, fuhren wir in den Hafen von Mascat ein, der von Schiffen, Booten und Matrosen wimmelte. Vier grosse Fregatten, mit Kanonen und vollständig europäischer Ausstattung, konnten Einen glauben lassen, dass eine europäische Flotte hier ankere, aber die rothe Flagge Thowejnis, das alte Banner von Jemen, welche' auf den Masten flatterten, zeigte, dass die Schilfe Eigenthum der 'omanischen Regierung waren. Wir ruderten im Hafen hinauf und landeten an einer Felsenspitze in der Nähe des Zollhauses: da wir aber kein Gepäck hatten, wurden wir hier nicht weiter belästigt, denn nach einem Passe fragt hier zu Lande Niemand. Mascat, oder wenigstens dessen Hafen, Forts und Gebäude sind oft und hinlänglich beschrieben worden. Niebuhr, Welsted und verschiedene Andere haben sich hier längere oder kürzere Zeit aufgehalten; nicht zu erwähnen, dass englische Dampfschiffe auf ihrem Wege zwischen Basrah und Bombay regelmässig zwei Mal in jedem Monat wenigstens für einige Stunden hier anlegen. Ich will daher nur das Leben und Treiben in der Stadt beschreiben, nicht diese selbst und was mir etwa hier begegnete (freilich wenig besonders Interessantes), nebst einem kleinen Ausflug in die Umgegend. Ein gastfreundlicher Kaufmann aus Hasa, Namens Astar, der seit langen Jahren in Mascat ansässig war, gab mir und Jusef Wohnung, Kost und Kleidung. In den ersten drei Tagen war ich zu sehr ermüdet, um ausgehen zu können, und die Geschäfte unseres Wirths und der Freunde, welche sein Haus besuchten, Hessen ihm weniger Zeit zur Unterhaltung übrig, als an einem andern Orte der Fall gewesen wäre. Uebrigens war Astar ein Mohammedaner, obwohl zum Glück kein Wahhabit, und wir waren jetzt im Monat Ramadhan, wo alle guten Mohammedaner fasten und verdriesslich sind, oder wenigstens schweigsam. Am vierten 365 Tage nach unserer Ankunft, nachdem wir uns mit einem anständigen Oberkleide von rotHfem Kattun versehen, nach 'omanischer Mode, nebst einem breiten weissen Gürtel, Turban, Schuhen und dem Spazierstock von Nebaa', der für einen anständigen Mann unumgänglich nöthig ist, begann ich meine Besuche in den Bazars und besichtigte den Hafen und andere Sehenswürdigkeiten der Stadt. Bei meinem ersten Ausgange traf ich einen alten Bekannten aus Bombay, der mir während meines Aufenthaltes hier manchen Dienst leistete, obwohl die Klugheit nöthig machte, dass wir unsere Bekanntschaft einigermassen geheim hielten. Die Bevölkerung von Mascat ist vollständig ein orientalisches Babel, in welchem die Banianen aus Vorder-lndien hinsichtlich ihrer Zahl, ihrer Handelsgeschäfte und ihres Reichthums die erste Rolle spielen. Auch unter den 'Omänt findet man reiche und unternehmende Kaufleute, die mit denen aus Bombay und Mangalore ziemlich auf gleicher Stufe stellen. Der reichste Eingeborne in der Stadt ist, wie ich glaube, ein gewisser Sejf, der mich während meines Aufenthaltes mit seiner Bekanntschaft beehrte. Sein Haus, in der Nähe des Ufers, würde selbst bei Breach-Candy oder Malabar Point noch für schön gelten und seine vortreffliche und reich besetzte Tafel entspricht dem Stile seiner Wohnung. Hier, selbst mehr noch als an der übrigen Küste, ist das Innere der Häuser in den meisten Beziehungen nach persischem Geschrnacke eingerichtet, obwohl die Perser selbst als Fremde angesehen werden und sogar wenig beliebt sind, wie ja auch der echte John Bull, bei aller Abneigung gegen fremde Rassen und Länder, die fremden Moden, fremden Opern und fremde Kochkunst sehr wohl zu schätzen weiss. Hinsichtlich höflicher Manieren und allgemeiner Civilisation, Eleganz der Möbeln und Kleidung, stehen die Bewohner von Mascat hoch über denen aller übrigen arabischen Hafenstädte, die ich gesehen habe; dabei fehlt aber auch nicht die arabische Freimüthigkeit und herzliche Gastlichkeit. Doch findet man hier eine gewisse Zurückhaltung, welche sehr erklärlich ist, bei Leuten, die zu sehr an den Anblick Fremder gewöhnt sind, als dass sie an jedem neu angekommenen ein so lebhaftes Interesse nehmen könnten, wie in Hä'jel und Riad. Eine auffallende Erscheinung ist, dass die verschiedenen Klassen der Bevölkerung — 'Omänis, Araber, Ludianer, Perser, Juden und Hindus — jede eine besondere Gemeinde bilden, in welche Andere nur selten zugelassen 386 werden, und obwohl sie in Geschäften aligemein unter einander verkehren, haben sie zu Hause nur selten mit einander Umgang. Nur die Leute aus Bahrejn, die hier sehr zahlreich sind, scheinen das Privilegium zu besitzen, sich unter alle zu mischen, weil ihre Fügsamkeit und Mangel an bestimmt ausgeprägter Nationalität ihnen leicht Zutritt verschafft, wo persische Engherzigkeit, indische Wunderlichkeit, negdäische Bigotterie und jüdische Abgeschlossenheit nicht eben so leicht Aufnahme finden: — Malteser des Ostens, doch liebenswürdiger und weniger heissköpfig, vielleicht auch ehrlicher. Die Neger und Mulatten bilden ein Fünftheil der städtischen Bevölkerung, nehmen aber auch nur die niedrigsten Stufen der Gesellschaft ein; nicht etwa weil ein besonderes Vorurtheil oder Stolz der Uebrigen sie von Rang oder Reichthum ausschliesst, sondern ihre eigene Trägheit, Unfähigkeit und Liederlichkeit. Dies gilt von den freien Negern; diejenigen unter ihnen, welche den Vortheil haben, einem Herrn anzugehören, stehen in jeder Beziehung über ihren unabhängigen Brüdern, wie ein wohlgezogener Schulknabe Uber einem zerlumpten Gassenbuben. Religion giebt es hier von aller Art und jedem Namen; aber das goldne Kalb zählt, wie ich meine, mehr aufrichtige Verehrer in Mascat, als jede andere Gottheit. Seit der wahhabitischen Occupation sind etwa drei oder vier Moscheen hier erbaut worden, in denen die, welche Zeit und Neigung haben, fünf Mal täglich zu beten, ihre Andacht verrichten können. Die Schlupfwinkel islamitischer Frömmigkeit stehen mehr oder weniger unter dem Schutze mohammedanischer Kaufleute aus verschiedenen Theilen des persischen Meerbusens, aus Basrah, Jemen und Neged selbst, die sich hier niedergelassen haben, aber niemals sah ich einen wirklichen 'Omäni in ihren Mauern. Die Sonnitische Bevölkerung von Mascat mag, alles zusammengenommen, etwa ein Zehntheil der ganzen Bevölkerung umfassen ; die vorherrschende Sekte ist die des Schaßt, obwohl einige strenge Wahhabiten die Eigentümlichkeiten des Haubelitischen Ritus beobachten. Die Perser und Bahärinah halten an ihren schija'isehen Gebräuchen, aber die sogenannte ..Takijah", d. i. eine äusserliohe Gleichförmigkeit mit Andersgläubigen, hei grösster Meinungsverschiedenheit im Innern, die von allen Schija'i, Drusen, Ismai-lijah und Anderen, nicht allein für recht, sondern für empfehlenswerth gehalten wird, lässt viele derselben als Sonniten erscheinen, oft auch halten sie es, wenigstens äusserlich, mit der Biadijah. Zu den Sonniten müssen wir noch die Eingebornen von Beludschistan, Bokhara, Balkh und den benachbarten Provinzen zählen : Hauchten in ihrem Lande, sind sie hier Sehafe'iten, aus Höflichkeit gegen die reicheren Mo-3ö7 hammedaner aus Basrah und dem Westen. So kann das mohammedanische Element in Mascat, Sonniten und Schija'i zusammen, nicht weniger als ein Fünftheil angeschlagen werden; ein anderes Fünftheil bilden die Hindus, Ludianer, Sikhs nebst einigen Juden und Parsis; die übrigen sind Biadijah und Neger. Hieraus werden meine Leser begreifen, dass, um 'Oman kennen zu leinen, kein Ort weniger geeignet ist als Mascat, welches eine hall» ausländische und täglich ab und zuströmende Bevölkerung hat. Kein vernünftiger Mensch wird nach Boulogne sur mer ein Gemälde von Frankreich, nach Southampton ein Gemälde von England oder nach dem Hafen von Bombay ein Gemälde von Indien machen wollen. Aber Mascat ist selbst noch weniger als die oben genannten Städte ein Beispiel des Continents zu dem es gehört; und wer nur diesen Hafen und dessen unmittelbare Umgebung kennt, der steht noch ausserhalb der Thore 'Omans und kann sich nur eine sehr unvollkommene Vorstellung von dem machen, was dahinter liegt, seien es Menschen oder Dinge. Der hier residirende englische Gonsul scheint ein sehr isolirtes und wenig angenehmes Leben zu führen; auch ein anderer Europäer, ein Agent der Dampfschiffe, scheint sich nicht sehr wohl zu befinden. 'Aden ist zu nahe, als dass die Regierung in Mascat nicht eine gewisse Furcht vor der Möglichkeit europäischer Absichten auf diese Küste haben sollte; und von allen europäischen Staaten ist gerade England der, welcher in diesen Gegenden die meiste Beunruhigung verursachen kann. Engländer werden daher in Mascat mit einem gewissen Verdacht beobachtet, der sich kaum hinter höflichen Formen versteckt, auf geschäftliche Verhältnisse jedoch keinen Einfluss übt. Auch das Klima von Mascat sagt den Europäern nicht zu. Obgleich die Stadt erst am äussersten Rande der Tropen liegt, so ist sie doch heisser, als manche der Linie weit nähern Orte. Der Sommer soll geradezu unerträglich sein und ich selbst kann bezeugen, dass in Mascat der März an Hitze dem April oder selbst Mai in Bombay nichts nachgiebt. Die eingeborne Bevölkerung selbst, wen nicht dringende Geschäfte oder Armuth abhalten , die Neger ausgenommen, die hier eine köstliche Aehnlichkeit mit ihrem brennenden Afrika finden, verlässt im Sommer die von Felsen eingeschlossene Stadt, Anfang Mai übergiebt der Kaufmann sein Oom-tor einein banianischen Schreiber, der Grosshändler betreibt seine Geschäfte durch Oorrespondenz, und die ganze Schaar von Beamteten 3«8 und Vornehmen, nebst zahlreichen Krämern und Handwerkern eilt nach ihren ländlichen Wohnungen auf den Höhen von Sama'il, Nezwah und Gebel-Akhdar, und Mascat bleibt halb verlassen, bis der October wieder Kühlung und Leben bringt. Mau kann sich eine Vorstellung von der Hitze im Juli und August machen, wenn gegen Ende des März schon reife Aprikosen verkauft werden, und meine 'omanischen Freunde baten mich, nur noch einen Monat länger zu bleiben, um auch die Trauben kosten zu können, welche hier in der letzten Hälfte des April reif sind. Die beiden äussersten Ecken Arabiens, Mascat und 'Aden haben ausserordentliche Aehnlichkeit miteinander. Beide sind offenbar Gruppen vulkanischer Felsen, die durch eine unterirdische Kraft emporgetrieben wurden; beide gleichen ungeheuren, mit schwarzrothen Felsenspitzen, gespaltenen Klüften und senkrechten Felswänden umgebenen Kratern; bei beiden möchte man meinen, dass der unterirdische Brand, dem sie ihre Entstehung verdanken, noch fortdauere und in die obere Luft heraufgerückt sei: beide bieten, von der See aus gesehen, einen ausserordentlich kahlen und abstossenden Anblick. Aber in 'Aden ist die Kahlheit wirklich; in Mascat ist sie nur scheinbar; denn dicht hinter diesen Felsen sind die besten und fruchtbarsten Landstriche Arabiens — Haine, fliessende Bäche, volkreiche Ortschaften und grüne Gärten. Die Stadt selbst ist keineswegs gesund; ja während ich hier war, hauste ein typhöses Fieber unter den Einwohnern, dem ich selbst beinahe zum Opfer fiel, und man sagte mir, dass ähnliche Epidemien häufig seien. Der Handel allein führt Menschen nach Mascat und sein vortrefflicher Hafen macht es zu einem volkreichen und bedeutenden Orte; in jeder andern Beziehung verdient es das kleinste unter den kleinen Fischerdörfern der Küste zu sein. Einen guten Eindruck macht, in moralischer Beziehung die grosse Sicherheit der Strassen und die vortreffliche Polizei in der Stadt. Bei Tag und Macht kann man Gässchen und Durchgänge ohne jegliche Begleitung und ohne die geringste Gefahr durchschreiten, obwohl die Ruinen, welche der weite Umkreis der Stadtmauern umschliesst für Räuber und Diebe sehr gute Schlupfwinkel wären. Solche Galgenvögel sind jedoch in Mascat sehr selten, und die allgemeine Sitte, einen Dolch zu tragen, scheint keinen andern Grund zu haben, als den, sich zu putzen. Wenn indessen die Bürger von Mascat nur selten Beutelschneider sind, so verstehen sie doch sehr wohl, einem den Beutel zu leeren, denn im Handel sind sie ausserordentlich schlau. Wenige Städte in Arabien zeigen mehr Spuren von einem Wechsel des Glücks als Mascat. Die Ueberreste einer grossen Kirche, jetzt innerhalb des Umkreises des Palastes, zeugen Von den Tagen der Portugiesen, und aus derselben Zeit sollen sich die meisten Befestigungen auf den umliegenden Höhen herschreiben, welche den Hafen schützen. Lange Reihen wirklich schöner Häuser, von denen viele verfallen, sind aus der Zeit der persischen Occupation und Taki-ed-Dins, während mehrere Khans und grosse klosterähnliche Gebäude, die jetzt ebenfalls vernachlässigt sind und verfallen, die früheren Wohnungen von Banianen, Ludianern und anderen Kaufleuten hindustanischen oder quasi hiu-dustanischen Ursprungs anzeigen, die einst durch die dem Handel günstige Regierung des Sultan Sa'id angezogen, durch den unheilvollen Einfluss der Wahhabiten und später durch Thowejni's Nachlässigkeit oder die Ungerechtigkeit einiger untergeordneten Blutsauger allmälig wieder vertrieben wurden. Die goldene Zeit Mascats mag vor etwa dreissig Jahren gewesen sein und die Zahl der Einwohner kann damals, mit Einschlags der Neger, sechzig Tausend und darüber betragen haben. Zur Zeit meines Besuchs konnten sich im Ganzen etwa vierzigtausend Einwohner innerhalb der Mauern befinden und noch einige Tausend in den mit Palm-blättern bedeckten Hütten der Vorstädte. Die grosse Kejsarijah, ein merkwürdig schöner und gewölbter Bau, mit mehreren Arkaden und Läden, die man in Bombay und Madras nicht schöner flndet, steht jetzt beinahe zu einern^ Drittheil leer, obwohl die Silks oder Marktplätze um dieselbe herum, wo der gewöhnliche Kleinhandel betrieben wird, noch gedrängt voll sind. Sa'id begriff, dass, wie gross auch die Energie und der Unternehmungsgeist seiner geborenen Unterthanen sein mochten, ihre Handelsgeschäfte nur durch Mitwirkung und unter Anleitung indischer Kaufleute zu einer wirklichen Bedeutung gelangen könnten: er wandte daher alle Mittel an, die in seiner Macht standen, um Banianen aus Kutsch, Guzerat und Concan nach Mascat zu ziehen und machte durch absolute Toleranz und besondere Privilegien den Hafen zu einer halb indischen Kolonie, und niemals hat eine Regierung nützlichere, arbeitsamere und ruhigere Schützlinge gehabt, als die Banianen sich in 'Oman erwiesen: sie traten Niemand in den Weg, kümmerten sich um nichts, als um 370 ihre Geschäfte, waren bescheiden, höflich und vor Allem bessere Rechner, als die Araber je gewesen sind (»der jemals sein werden, und waren so ein wahres Glück für Mascat. Während der negdäischen Tyrannei, unter den wahhabitischen Fürsten 'Abd-el-'Aziz und Abd-Allah verbannt, erschienen sie, sobald das yerhasste Joch abgeworfen war, wieder und erhoben sich bald wieder zu einem noch höhern Wohlstande als vorher. Aber seit der Thronbesteigung Thowejni's, namentlich seit dem von 'Abd-Allah-ebn-Fejsal hieher unternommenen Kriegszuge, ist der Baum ihres Wohlstandes — um in einem orientalischen Gleichnisse zu sprechen — zu einem grossen Theile verwelkt, und mit ihm ist die ganze Stadt Mascat vertrocknet, obwohl mit ein wenig Pflege und Weisheit er noch immer wieder von Neuem wachsen und seine ganze frühere Frische und Kraft wieder erlangen könnte. Ich hoffe, meine Leser wrerden uichts dagegen haben, wenn ich hier eine kleine Erzählung von einem Banianen in Mascat einschiebe, die mir von einem ehrlichen Biadi, der in der Kejsarijah einen Laden hielt, mitgetheilt wurde, bei dem ich einmal ein Stück Tannatuch kaufte. Bälih, so hiess mein Bekannter, erzählte, zur Zeit der negdäischen Herrschaft, bald nach 'Abd-Allah's Einfall in das Land, sei er einmal mit einigen Bekannten, unter diesen auch ein eifriger Wahhabit, der eben erst aus dem Neged angekommen, durch die Kejsarijah gegangen. Sic kamen bei einem Laden vorbei, in welchem ein ältlicher Baniane, dessen Wohlbeleibtheit, wie gewöhnlich bei den Hindus, seinen Reich-thum erkennen liess, emsig rechnend bei seinem Buche sass. Der Negdäer, dem ein dicker Mann ein eben so ungewohnter Anblick war, wie ein Indier, blieb stehen, um die stattliche Figur anzugaffen und sagte ziemlich laut zu seinen Begleitern: „Was für ein Klotz für das Höllenfeuer!" Der Baniane hatte lange genug in Mascat gewohnt, um Arabisch zu verstehen und auch zu sprechen, obwohl er es nur gebrochen sprach, wie gewöhnlich die Hindus, welche, wie es scheint, der Sprache niemals ganz Meister werden können. Er blickte aut, sah den Wahhabi- ten an und sagte: „Und warum ein Klotz für das Höllenfeuer?* — „Weil ihr ein Ungläubiger seid", antwortete der Negdäer. „Wahrhaftig!" entgegnete der Baniane, „so sind wohl nach Eurer Meinung Alle, ausser ihr selbst, Klötze für das Höllenfeuer?" „Allerdings", sagte der Wahhabit. „Das ist nach eurem Koran", sagte der Hindu, ohne die 371 Winke Bälhis und der Biadijah zu beachten, welche fürchteten, das Gespräch könnte eine üble Wendung nehmen, — „das ist nach eurem Koran; aber wartet ein wenig, ich will euch sagen, wie es bei dem letzten Gericht wirklich zugehen wird und wer die Klötze für das Höllenfeuer sind. — Wollt ihr ruhig zuhören?" setzte er hinzu, denn der Negdäer hatte bereits das Heft seines Schwertes gefasst. Die Umstehenden traten dazwischen, um Gewalt zu verhindern und der Baniane fuhr in gebrochenem Arabisch fort, aber so, dass es alle verstehen konnten. „Ich will Euch sagen, wie es am jüngsten Gericht sein wird. Gott wird auf seinem Throne sitzen und dann werden alle Menschen vor ihn gebracht werden, nach Stämmen und Nationen. „Wer sind diese?" wird er sagen, wenn ein Trupp Wahhabiten ankommt. „Muslims", wird die Antwort sein. Darauf wird der Richter sagen, „Seht, einige von ihnen haben gemordet, andere geraubt, andere ihren Nachbarn beleidigt, dieser da ist ein Dieb, dieser ein Ehebrecher, in die Hölle mit den Schuldigen unter ihnen; wenn ein Unschuldiger dabei ist, mag er in das Paradies gehen." — Auf dieselbe Weise werden Juden, Christen, Parsisund alle Anderen gesichtet werden; Einige werden in die Hölle, Andere in das Paradies geschickt werden. Mittlerweile werden wir Banianen auf einem kleinen Hügel seitwärts in einem Häuflein beisammen sitzen, ohne uns um die Sache der Anderen weiter zu bekümmern. Endlich wird uns Gott gewahr werden und zu denen, die bei ihm sind, sagen : „Wer sind die ruhigen Leute, die dort seitwärts sitzen?" „Es sind Banianen", wird die Antwort sein. „Ach gut", wird der Richter sagen, „arme, harmlose Banianen! die haben nie gemordet, niemals geraubt, niemals ihren Nächsten beleidigt, lasst sie Alle in das Paradies — alle herein!" Dann werden wir alle, und ich mit den Uebrigen in den Himmel eintreten. Ihr aber und Eures Gleichen gebt Acht, was ihr an jenem Tage antworten werdet." Der Negdäer tobte und fluchte, die Biadi lachten und riefen Beifall und der Baniane rechnete ruhig weiter. Ein Oheim Thowejni's, Namens Hasan, ist in der Stadt als eine Art Gouverneur. Ich begegnete ihm einmal in der Strasse — ein ehrwürdiger alter Mann mit weissem Barte und weissen Kleidern, schmäch tig und mit etwas gebeugter Haltung. Der reich verzierte Dolch mit goldenem Hefte allein zeigte seinen hohen Rang an. Er war zu Fuss von einigen Dienern begleitet. Alles machte ihm Platz und grüsste ihn mit Hochachtung, fast Verehrung, denn er hat unter den Biadijah des Landes ein besonderes religiöses Ansehen. Thowejni kommt nur zuweilen nach Mascat, gewöhnlich hält er sich in Sib, Barka oder Nezwah 373 auf. Der hier stationirte englische Consul soll, wie man sagt, hauptsächlich den Sklavenhandel verhindern, die philantropischen Bemühungen unserer Landsleute haben jedoch in dieser Beziehung bisher noch wenig Erfolg erzielt, doch ist der öffentliche Negerraarkt, höflicher Weise, II. 18 von Mascat nach Matrah verlegt worden, welches sich eben so gut dazu eignet. Vor dem südlichen Thore wird, ausserhalb der Stadt, täglich ein öffentlicher Markt gehalten, wo ich neben Erzeugnissen 'omanischer und persischer Manufaktur viele Ebenholzkästchen und andere acht indische Waaren zum Verkauf ausgestellt fand. Als ich eines Abends auf dem Markte umherging, um einen etwas elegantern Dolch zu kaufen, als der war, welcher bisher meinen Gürtel schmückte, traf ich unsern Capitän mit zweien seiner Leute, jetzt gut gekleidet und frohen Muthes, denn die Freigebigkeit des Sultans hatte ihr Unglück beinahe vortheil-haft für sie gemacht; sie wollten eben nach Sowejk zurückkehren und das Glück des Seelebens noch einmal versuchen. Nachdem ich etwa eine Woche in Mascat zugebracht hatte, ting ich an mit Jusef ernstlich zu überlegen, was nun zunächst zu thun sei. Mein Gefährte aber hatte nur Einen Gedanken, nämlich, wie er unverzüglich zu seinem Beschützer nach Abu-Schahr zurückkehren könnte; die Reise hatte keine Reize mehr für ihn, weder des Vortheils noch des Vergnügens wegen; die Schrecken des Schiffbruchs und die darauf folgenden Beschwerden hatten ihn binnen vierzehn Tagen um zehn Jahre älter gemacht. Ich selbst dachte auch, wir hätten nun für dieses Mal genug gethan und könnten das Weitere getrost für eine spätere Gelegenheit lassen, um so mehr, da meine Rückkehr von Mascat nach Bagdad und von da nach Syrien noch ein gutes Stück Arbeit war und der Sommer immer näher rückte. Dazu kam ein unbeschreibliches Gefühl von Müdigkeit und Niedergeschlagenheit, welches ich mir damals noch nicht erklären konnte, das aber nichts Anderes wrar, als der Vorbote eines typhösen Fiebers, und welches mir alle Lust zu noch mehr Anstrengungen benahm. Endlich, auf alle meine Vorschläge zu einem Ausfluge nach Bahilah oder nur nach Sur, hatte Ebn Khamis nur Eine 373 Antwort, ein entschiedenes Nein, und weigerte sich, auch nur einen Schritt aus der Stadt zu thun, suchte dagegen unaufhörlich nach einem Schiffe, welches nach Abu Schahr gehen sollte. Es war aber ein beständiger starker Nordwind und nicht wahrscheinlich, dass er vor dem Neumonde, d. i. den 21sten oder 22sten des Monats, ändern würde. So blieb denn für den Augenblick nichts übrig als geduldig zu warten, wie sehr ich mich auch in Mascat langweilte. Die Stadt ist ebenso wie 'Aden eine Art von Gefängniss, sowohl physisch als moralisch. Vorn von der See, zu beiden Seiten und hinten von hohen Felsen umschlossen, unter einer erstickenden Atmosphäre und einer Bevölkerung, die zu viel Fremdes aufgenommen, um etwas Eigentümliches zu besitzen, kann ein Fremder, der nicht besondere Geschäfte und bestimmte Zwecke hat, nach zehn Tagen wohl des Aufenthalts satt sein. Um die Zeit zu vertreiben, unternahm ich täglich kleine Spaziergänge in die nächste Umgebung, besuchte die Vorstädte und zwischen den Felsen versteckte Dörfer, bis mich der Zufall einmal weiter in das Land führte, als ich bei zunehmendem Unwohlsein und fieberischer Verdrossenheit selbst gedacht hatte. Am 22. März machte ich einen Morgenspaziergang zum südlichen' Thor hinaus und schlenderte zwischen den Gärten und den Brunnen am Wege hin, wo hohe Felsen die Aussicht nach Rechts und Links hemmen, als ich auf drei Männer stiess, die man in ihren kurzen Röcken mit ledernen Gürteln und kleinen runden, über den Rücken herabhängenden Schildern beinahe für Bewohner der schottischen Gebirge halten konnte, [hätten sie nicht um den Kopf weisse Tücher getragen, unter denen zu beiden Seiten lange schwarze Locken Uber sehr dunkle, aber hübsche Gesichter herabhingen. Die Griffe ihrer Dolche waren mit hübscher silberner Filigran überzogen, der Eine hatte sogar einen bernsteingelben Giraffenhuf mit goldenen Verzierungen als Griff an seinem Dolche. Wir grüssten einander; der, welcher den schönsten Dolch trug, sali mich scharf, aber freundlich an, und fragte, woher ich käme und wohin ich gehe. Auf meine Antwort, ich käme aus der Stadt und wolle nur einen Morgenspaziergang machen, fing er ein Gespräch an, und ich erfuhr, dass alle Drei im Dienste eines Ja'aribah-Iläuptlings standen, der in Zaki in Gebel-Akhdar wohnte. Sie waren in Geschäften ihres Herrn in Mascat gewresen und kehrten jetzt nach Hause zurück. Der, welcher mich zuerst angeredet hatte, Zohäm mit Namen, forderte mich auf, sie 374 zu begleiten. Der Weg, sagte er, sei hübsch und führe bei vielen Dörfern vorbei, wo man ruhen könne. Ich nahm den Vorschlag an, obwohl ich mir vornahm, nicht weiter als bis zu dem nächsten Dörfchen mitzugehen, denn ich hatte schon längst den Gedanken aufgegeben, das Innere des Landes zu besuchen. Meine neuen Bekannten waren eben so wie ich zu Fusse; der Morgen war zwar heiss, die Hitze wurde jedoch durch einen frischen Nordwind gemildert. Etwa zwei Stunden lang führte unser Weg durch die rauhen Berge, welche Mascat von der Landseite einschliessen, bis wir die letzten iso-lirten Forts auf ihren Höhen hinter uns hatten und nun durch eine enge Schlucht auf das ebene Land südwärts, hinabzusteigen begaunen. Vordergrund und Landschaft waren eines Malers ersten Ranges würdig. Vom, ganz nahe, dunkle und gespaltene Felsen, mit weissen Zinnen und Mauern gekrönt, das Bild des Trotzes und der Unfruchtbarkeit; zwischen diesen eine Schlucht, die sich auf eine weite und grünende Ebene öffnet, mit Hainen, Häusern, Hütten von Palmblättern, gruppenweise umhergestreut, wie in 'Oman gewöhnlich, ohne Mauern oder andern Schutz. Weiterhin, nach Norden, «Westen und Süden, die gewaltige Bergkette Gebel-Akhdar — dunkelgrün, ins Blaue schimmernd; die ersten und niedrigen Reihen schienen ganz nahe, meine Begleiter aber versicherten, dass von Mascat nach Zaki, einem Dorfe im höchsten Theile des Gebirges, gute drei Tagereisen seien; die Entfernung beträgt in gerader Linie etwa vierzig englische Meilen. Etwas zu unsrer Linken, etwa eine halbe Stunde entfernt, lagBeschejr, eine Gruppe dunkler Dächer, von einer niedrigen Ringmauer umgeben, aber ohne ein Fort oder Kastell. Da die in einiger Entfernung gerade gegenüberliegenden Bergspitzen denen entsprechen, Welche auf den Karten zuweilen „Gebel-Huther" und „Gebel-Fellah" genannt werden, so fragte ich nach diesen Namen, aber Niemand kannte sie. Der allgemeine Name des Gebirges ist Akhdar oder „Grün", besondere Theile der Bergkette werden nach der ihnen am nächsten liegenden Stadt benannt, wie z.B. „Gebel-Nez-wah" oder „ Gebel-Samed." Wir setzten unsern Weg fort, zwischen Akazias und Mangobäu- me»; Bauern mit Ese!n, Reiter auf Dromedaren, Gruppen von Reisen- 375 den zu Fuss, wie wir selbst, begegneten oder überholten uns in jeder Minute. Die meisten waren unbewaffnet, manche trugen den kurzen, einem Wurfspiess ähnlichen Speer, nicht länger als die in Neged übliche Lanze und einem runden Schild oder „Jeleb", der aus einem Stück auf einen hölzernen Rahmen gespannten Leder besteht und mit metallenen Zwecken besetzt ist. Feuerwaffen sah ich in 'Oman verhältnissmässig wenige, ausser denen, welche die Beludschen, Hurras und ähnliche führten; Krieg ist hier ein Ereigniss, nicht ein Geschäft; und die Bewohner des Innern kommen selten mit anderen Stämmen und Leuten in Berührung, als friedlich und im Wege des Handels. Unser Weg ging zuweilen quer durch kleine Flussbetten, die jetzt noch Wasser hatten, das aber augenscheinlich wenige Wochen später vertrocknet war. Brunnen gab es in Menge, und hie und da war ein kleiner Teich, mit Stein oder Pflaster eingefasst und voll Wasser. Meine Leser werden sich erinnern, dass wir uns am Ende der Regenzeit befanden und gerade in der Zeit, wo die Feuchtigkeit in diesem Lande ihren höchsten Stand erreicht hat; im Sommer und Herbst ist der Boden ziemlich trocken. Die Felder um uns herum wrogten von Getreide, das einen Monat später zur Ernte reif ist, und Badingans, Kürbisse, Melonen und andere Früchte waren schon weit vorgerückt, viel weiter als zu einer entsprechenden Jahreszeit selbst in Hasa. Doch ist der Distrikt von Mascat im Ganzen weniger fruchtbar, als die Bätinah; ein verhältnissmässiger Theil des Bodens ist Weideland für Schafe, Kühe und Kamele und der Feldbau beschränkt sich auf bestimmte Stellen, meist in der Nähe der Dörfer. Die Luft ist scharf, das Klima gesund; der vorherrschende Typus der Einwohner ist männlicher, offener und weniger civilisirt, als in der Bätinah ; ihre Gesichtsfarbe dunkel, ihr Wuchs von mittler Grösse, ihre Glieder wohl proportionirt; im Ganzen können sie mit den schöneren Leuten der mahrattischen Rasse verglichen werden, doch sind die 'Omäni immer mit mehr physischer Kraft und Ausdauer begabt, als die Indier. Am Nachmittage kamen wir nach Beschejr; dieses ist ein grosses Doi'f, die Häuser sind aber raeist von Holz und mit Stroh gedeckt; die Strassen breit, reinlich und unregelmässig; das ganze Dorf ist mit einem Erdwall umgeben, der die Häuser von den Gärten trennt. Auf einem freien Platze ausserhalb des Walles, zwischen Pflanzungen, wird 376 ein Wochenmarkt gehalten. Einige Meilen weiter südwärts ist einer von den Töpfereibezirken 'Omans. Die Thonwaare, welche hier verfertigt wird, ist in der Regel weisslich und hat einige Aehnlichkeit mit dem, was wir bei Krügen und Schüsseln „Stein" nennen; sie ist sehr hart und wasserdicht und zuweilen glasirt. Zwischen Gauf und 'Oman giebt es in ganz Arabien keine Töpfereien; weder Schomer, noch Neged und Hasa besitzen das für diesen Zweig der Manufaktur nöthige Material, daher sind dort alle Küchen- und Hausgeräthe entweder von Holz oder von Metall. In 'Oman allein finden wir Thongeschirr im täglichen Gebrauch, obwohl auch Metall nicht ungewöhnlich ist, vielleicht weil bei der Sorglosigkeit eines arabischen Haushalts zuviel zerschlagen wird, als dass durch Gebrauch der Töpferwaare eine Erspar-niss erzielt werden könnte. In Beschejr suchten meine Reisegefährten einen Bekannten auf und nahmen mich mit dorthin. Das Haus unseres Wirthes, Namens 'Okejl-el-Ga'aferi, stand nahe dem Walle des Dorfs; neben dem Hause war ein Garten, wo am Rande eines kleinen Teiches im Schatten eini ger Jujubenbäume Matten und Teppiche ausgebreitet wurden. Hier brachten wir die heissen Stunden des Nachmittags recht heiter zu; ein jüngerer Bruder und einige Verwandte oder Bekannte kamen, um ihren Antheil an dem Kaffee und Narghilahs zu erhalten, imd ehe es zur Abendmahlzeit ging, wurden uns die schönsten Aprikosen, nebst Gurken, Nabak und Leckereien aus Nezwah vorgesetzt. Wäre ich damals ordentlich gesund gewesen, so hätte mich die Gesellschaft sehr befriedigen können; aber ich war von dem Wege bis hieher ermüdet und mehr geneigt zu schlafen, als zu schwatzen; nachdem ich also einige Narghilahs (hier gross und von Thon) geraucht hatte, bot mir 'Okejl einen rothen 'omanischen Teppich und ein Kissen an, auf dem ich mich niederlegte und bis Sonnenuntergang schlief, während die Uebrigen so höflich waren, sich weiter in den Garten zurückzuziehen, um mich nicht zu stören. Als Zeit zum Abendessen war, kam einer von den Jüngeren zu mir und weckte mich. Es wurden viele Schüsseln aufgetragen, auch Fadennudeln und ein Gericht, welches meinen Lesern, die in Syrien gewesen sind, bekannt sein wird, nämlich „Kisehk", eine Art Creme mit Rosenwasser gewürzt, Krug und Becken, um die Hände zu waschen, und andere Kupfergeräthe waren ausserordentlich zierlich. Vor dem Mahle wurde weder ein Bismillah gesagt, noch vorher oder nach der Mahlzeit 377 Gebete aufgesagt, sämmtliche Anwesende waren Biadijah; und in der That, es war weder ein Mesgid noch Musalla im Dorfe. Als es dunkel wurde, sagten meine Gefährten aus Zaki, dass sie dem Häuptling des Orts eine Aufwartung machen wollten, und die Uebrigen waren sogleich bereit, sie zu begleiten. Wir wuschen also unsere Hände und begaben uns in corpore nach der Wohnung seiner Excellenz, einem steinernen und geräumigen Gebäude, das aber mehr Wohnhaus als Kastell ist. In einem K'häwah, wo wenigstens sechzig Personen Raum finden konnten, sass der Häuptling (ich bedauere, dass ich seinen Namen vergessen habe), ein ältlicher Mann, mit dem landesüblichen rothen Rocke bekleidet, Uber dem er noch einen leichten Ueberwurf trug; sein Haupt war mit einem bengalischen Turban geschmückt, im Gürtel trug er einen Dolch mit goldenem Griffe, Um ihn herum Bassen die angesehensten Männer von Beschejr und einige Neger; einige der Anwesenden gehörten zu seinem Haushalt, andere waren als Gäste da. Der Häuptling empfing uns mit würdevoller Höflichkeit und erwies meinen Freunden aus Zaki grosse Aufmerksamkeit, ohne Zweifel aus Rücksicht für ihren Herrn. Meine Eigenschaft als Doctor, obwohl ohne Arzneien, Lanzette und Diplom, verschaffte mir einen Sitz an der Seite des grossen Mannes, wo ich ernsthaft seinen Pius befühlte und ihm Rath gab zur Linderung seines „GallenUbels", wie er es nannte, womit er aber einen chronischen Rheumatismus meinte. Anstatt des Kaffee's wurde ein gewürzter Aufguss von Ziramet herumgereicht, und das Gespräch wurde mit der Leichtigkeit und dem Anstand geführt, die der guten Gesellschaft im Orient charakteristisch sind, ohne die Geschwätzigkeit und Aufregung, welche in manchen Ländern die Unterhaltung eben so verdirbt, wie in anderen allzugrosse Schweigsamkeit. Nach meiner Ansicht versteht man im Orient die Kunst der Unterhaltung weit besser als in Europa, vielleicht weil man genöthigt ist, sie besser auszubilden, als das einzige Mittel des Verkehrs, wo Zeitungen und Flugschriften unbekannt sind. Der Häuptling und das Dorf Beschejr sind von Mascat abhängig, als der Hauptstadt dieser Provinz; eigentlich aber ist er, ebenso wie jeder andre Häuptling, von Niemand abhängig als von sich selbst, und wenn ich horte, wie so ganz von der Leber weg über den Sultan, dessen Beamteten und Verordnungen gesprochen wurde, und sah, wie wenig sich die Centralregierung in die Angelegenheiten mischt, dachte ich beinahe an die Zeit als „kein König war in Israel" u. s. w. Macht 378 über Leben und Tod haben allerdings die Dorf-Häuptlinge nicht, in allem übrigen aber sind sie beinahe Autokraten, obwohl sie nicht ohne Uebereinstimmuug mit dem Ortsvorstande oder Meglis handeln. Die an den Staat zu zahlenden Steuern sogar werden nach ihrer Schätzung erhoben und eingesendet und man fragt in Mascat selten danach, ob und warum mehr oder weniger einkommt. Dagegen aber sind Alle Thowejni aufrichtig ergeben und bereit, für ihn, wenn es sein muss, die Waffen zu ergreifen; kurz, es ist ein gemüthliches Volk, unter gemüth-lichen Häuptlingen und einem gemüthlichen König, zufrieden in dieser Welt, und ohne Sorge für die zukünftige, wenigstens im Vergleich mit ihren wahhabitischen Nachbarn. Als die Nacht anbrach, wurde eine grosse Lampe von Bronze, mit fünf Dochten, angezündet und in die Mitte des K'häwahs gestellt und eine kleinere in eine Nische am hintern Ende des Zimmers. Besonders interessant war mir bei dieser Gelegenheit die Aufführung eines Tanzes, von dem ich in 'Oman schon viel gehört, den ich aber bis jetzt noch nicht gesehen hatte. Während süsse Kuchen, Pistazien u. dgl. herumgereicht wurden, erschienen zwanzig Männer in saffran-gelben Anzügen, das Haar in langen Flechten herabhängend, jeder mit einem Schwerte und Schild in der Hand. Als sie in das K'häwah traten, theilten sie sich in zwrei Reihen zu je zehn Mann und führten nun recht hübsche Evolutionen auf, halb Scheingefecht, halb Contre-tanz, wobei sie an ihre Schilder schlugen. Dann folgten nabathäische Gesänge, nach denen wir aufbrachen und nach Hause gingen. Am nächsten Morgen in früher Stunde setzten meine Gefährten ihren Weg nach Zaki fort und hätten mich gern mitgenommen, ich fühlte mich aber zu schwach zu einer weitem Reise. Unser Wirth 'Okejl, welcher sah, dass ich müde und unwohl war, erbot sich, mir einen Esel zu verschaffen, bis Kamli, einem Dorfe nahe vor Mascat, den ich gern annahm, während Zohäm und seine Kameraden mir herzlich Lebewohl sagten und baldiges Wiedersehen wünschten; dann bestieg ich mein edles Thier und schlug den Weg nördlich nach Kamli ein, von einem jungen Burschen aus Beschejr begleitet. Der Weg ging über eine wellenförmige Ebene, mit kleinen Gebüschen, die grosse Aehn-lichkeit mit manchen Gegenden in Deccan hatte, z. B. in der Nähe von Punah. Nach etwa drei Stunden erreichten wir die niedrigen 379 Felsenberge der Küste und zogen unter einer Sonne, die, obwohl im März, einem syrischen Juli Ehre gemacht hätte, so brennend waren ihre Strahlen, die noch dazu von den nackten Felsen ringsherum zurückgeworfen wurden, durch die Thäler weiter; mein Unwohlsein, welches ich vergeblich mir selbst zu verhehlen suchte, machte die Hitze für mich noch drückender. Oben, ringsherum, waren die phantastischen Formen der Felsen, scharf wie Messer und spitz wie Lanzen, eine eigenthümliche Einfassung für das ruhige, fruchtbare Land unten. Endlich kamen wir durch die kraterähnliche Vertiefung nach der See zu, und erreichten etwa gegen Mittag das kleine Dorf, denn Kamli ist nichts Anderes — ein blosser Fischerhafen vor Mascat, obwohl durch ein langes Vorgebirge, welches das östliche Horn des grossen Hafens bildet, von diesem getrennt. In Kamli konnte ich beinahe nicht mehr weiter, und da ich sah, wie zwei Neger aus einem nahe bei dem Dorfe befindlichen Brunnen Wasser heraufzogen, verschaffte ich mir ein extemporirtes Regenbad, indem ich einige Eimer über mich schütten liess; dies erfrischte mich für den Augenblick sehr, obwohl ich zweifle, dass es zweckmässig war. Ich nahm dann von dem jungen Bauer Abschied, der mich auf dem ganzen Wege mit munterem Gespräch miterhalten hatte, und setzte meinen Weg allem weiter fort, bald dicht an dem steinigen Ufer, bald hinter Felsen und über kleine Vorgebirge, bis ich nach etwa einer Stunde wieder in Astars Hause in Mascat ankam. Jusef hatte während meiner Abwesenheit einen Schiffskapitän aus Kowejt gefunden, dessen Schiff mit dem nächsten guten Winde absegeln sollte, und der uns ganz umsonst nach Abu-Schahr mitnehmen wollte, denn, sagte er, es wäre eine Sünde, sich von Leuten bezahlen zu lassen, die eben erst 8011100111011 gelitten hätten. Ehe wir uns aber an Bord des gastlichen Kutters begeben, will ich meine Leser noch mit den inneren Verhältnissen imd der Bevölkerung von 'Oman bekannt machen — theils nach Mittheilungen, die mir von den obengenannten Leuten aus Zaki gemacht wurden, theils nach anderen Quellen. Ich gebe sie, ohne überall für genaue Richtigkeit einstehen zu können; jedoch der rullige, jeder Uebertreibung fremde Charakter der Erzähler, Eingeborenen des Landes, welches sie beschrieben, nebst dem, was ich während meiner Küstenfahrt von Räs-Mesan-dem bis Barka oder auf dem Lande in Sohär und dem Gebiete von Mascat selbst beobachten konnte, lässt mich glauben, dass die nachstehenden Angaben der Wahrheit ziemlich nahe kommen. Gern hätte ich Alles nach eigener Anschauung berichtigt; aber die Umstände und das 330 bereits erzählte Missgeschick hinderte meine Forschungen und kürzte meinen Aufenthalt und ich hoffe, man wird diese Entschuldigung gelten lassen, wenn ich mich hier etwas kurz fasse. Die arabischen und persischen Besitzungen 'Omans, die jetzt unter dem Scepter Thowejni's vereinigt sind, sind in dreizehn verschiedene Administrationen getheilt, von denen einige mehr, andere weniger unmittelbar von der Centrairegierung abhängig sind. Zu der letztem Klasse gehören die fünf: Bahrejn, welches zur Zeit meines Besuchs beinahe ganz unabhängig von dem Sultan von 'Oman war, bis auf einen kleineu Tribut und eine zweifelhafte Allianz, Katar und das Gebiet der Benu-Jass, die etwas enger mit ihm zusammenhängen als Bahrejn, und die drei Provinzen Schargah, Ro'os-el-Gebäl und Kalhut, die aller- dings dem Sultan gehorchen, aber direkt unter Khalid-ebn-Sakar stehen, namentlich die Provinz Schargah. Acht Provinzen stehen unter einer absolutem Abhängigkeit und unter strafferer Herrschaft. Zuerst die persische Küste vom Vorgebirge ßastanah bis Gask, mit den benachbarten Inseln Gischm, Lareg und Ormuz. Diese Region ist beinahe zweihundert englische Meilen lang und zwischen zehn und dreissig Meilen breit; eine lange Reihe von Häfen und nur wegen dieser werthvoll. Zweitens die Bätinah, oder die ganze Ebene zwischen Kataa'-l-Loha im Norden, Barka und den Bergen von Mascat im Süden, und der Bergkette Gebel-Akhdar im Westen. Diese Provinz ist fast ebenso lang wie die an der persischen Küste, aber vierzig bis fünfzig Meileu breit und die fruchtbarste und am dichtesten bevölkerte des ganzen Königreichs. Drittens, Gebel-Akhdar; diese Provinz fängt bei Kataa'l-Loha an, reicht bis Samad und ist gegen Nordost von der Bätinah, gegen Südost von der Dähirah begrenzt. Der ganze Distrikt ist gebirgig, aber gut bewohnt; hier ruht die politische und kriegerische Stärke des Reichs. Viertens die Dähirah, von welcher bereits genug gesagt worden ist. Fünftens, die Provinz Mascat von Barka bis Ras Hejrän; auch von dieser ist genug erzählt, um sich eine leidliche Vorstellung zu machen. Sechstens, Beläd Sur, von Ras Hejrän bis Räs-el-Hadd. Siebentes, Gailan, unmittelbar hinter dem vorgenannten. 381 Achtens, der Landstrich von Räs-el-Hadd bis Dofär — dünn bevölkert und hauptsächlich nur von Beduinen-Negern und afrikanischen Stämmen bewohnt. In dieselbe Kategorie gehören auch Akhäf zwischen Katar und Harik. Diese acht Provinzen, mit Ausnahme der letztem, bilden 'Oman in dem strikten geographischen und politischen Sinne des Wortes. Die Bevölkerung und Streitkräfte der verschiedenen Distrikte wurde mir angegeben, wie folgt: Ortschaften. Bevölkerung. Streitkräfte ... 60 70,000 3,000 II. Katar .... ... 40 135,000 6,000 IV. Ro'os-el-Gebäl ... 35 85,000 3,500 ... 20 10,000 500 V. Kaihat .... ... 40 60,000 2,000 VI. Bätinah .... ... . 80 700,000 30,000 VII. Gebel-Akhdar , . ... 70 600,000 80,000 35,000 VIII. Dähirah .... ... 40 20,000 IX. Belad-Sür . . • ... 35 100,000 4,000 ... 50 140,000 8,000 XI. Persische Küste u. s. w. — 300,000 — Summa — 2,280,000 112,000. Dazu kommen noch die Bewohner der anstossenden Wüste und der südöstlichen arabischen Küste, deren Zahl jedoch nicht bedeutend ist. Meine Leser werden bemerken, dass die Provinz Mascat auf der obigen Liste fehlt; diese wurde von meinen Berichterstattern theils zur Bätinah, theils zu Gebel-Akhdar gerechnet. Uebrigens finden auch andere Bemerkungen, die ich oben bei Aufzeichnung der negdäischen Dörfer gab, hier Anwendung. Die Einkünfte des Königreichs sind bedeutend und sicher. Als ich die Summen nach einer möglichst genauen Schätzung von den verschiedenen Quellen des Einkommens zusammenrechnete, glaubte ich beinahe, ich müsste mich verrechnet, oder bei den Angaben müsste eine gewaltige Uebertreibung stattgefunden haben. Als ich aber die Angaben anderer Reisenden über einige beso dere Oertlichkeiten 'Omans verglich, und die Hilfsmittel, die dort der Regierung zu Gebote stehen, nebst der Berichtigung, die mir in 'Oman selbst gegeben wurde , fand ich dass meine Berechnung noch bedeutend weniger ergab, als die Anderer innerhalb engerer Grenzen; ich zweifle daher nicht, dass im Ganzen meine Zahlenangaben der Wahrheit ziemlich nahe kommen. Sollte sich jedoch hierin und in der oben gegebenen Liste der Bevölkerung ein Irrthum vorfinden, so glaube ich, eher hinter der Wahrheit zurückgeblieben zu sein, als übertrieben zu haben. Das Königreich 'Oman besitzt vier Quellen des öffentlichen Einkommens: die Perlenfischerei; Handelszölle; Landessteuern und Monopole der Regierung. Wir wollen dieselben zuerst einzeln betrachten und dann die Einkünfte zusammenzählen, und beginnen mit der Perlenfischerei, als der am wenigsten bedeutenden Quelle des Einkommens. Wie viele Boote jährlich zwischen Katif und Schargah Perlenfischerei betreiben, lässt sich schwer mit Genauigkeit angeben, und ich glaube nicht, dass die Centrairegierung selbst über diesen Punkt vollständig genau unterrichtet ist. Doch werden in jedem Dorfe der Küste mehr oder weniger genaue Register geführt, und wenn sich Jemand die Mühe geben wollte, diese an den einzelnen Stellen nachzusehen, so könnte man der Sache ziemlich nahe kommen. Die Ge-sammtzahl der Städte, Dörfer und kleinen Ortschaften, welche Boote auf Perlenfischerei aussenden, beträgt etwa einhundertundvierzig, mit Einschluss derer in Baln-ejn; die Zahl der Boote kann man, im Durchschnitt, von jedem Orte etwa vierzig annehmen, wenn man diejenigen als Massstab nehmen will, welche ich selbst besuchte und die Boote zählte. Wir würden also 5600 Fischerboote erhalten. Jeder Bootseigner bezahlt für ein Boot, welches er für die Zeit der Perlenfischerei ausrüstet, eine Summe von etwa 30 Schilling (engl.), ausser kleinen Procenten von dem Gewinn, selten mehr als anderthalb Rial oder etwa 8 Schilling, im Durchschnitt; dies zur Abgabe für das Boot gerechnet, giebt 38 Schilling. Multiplicirt man diese Summe mit der Summe der Boote, so erhalten wir 212,800 Schilling oder 10,640 Pfund Sterling als jährliches Einkommen, welches ausschliesslich der Cen-tralregierung zufliesst. Die lokalen Häuptlinge erheben neben dieser Abgabe zuweilen noch eine specielle und willkürliche Steuer, wenig-nigstens in Bahrejn; in Katar hörte ich in dieser Beziehung keine Klagen. Die zweite Quelle der Staatseinkünfte sind die Hafenzölle. Niebuhr sagt, dass Christen 5 Procent, Mohammedaner 6 Procent des Werthes der Ladung bezahlen; dies mag vor hundert und zwanzig Jahren so gewesen sein , seitdem aber hat sich die Sache geändert. Hier kann ich mich auf meine persönliche Erfahrung berufen, denn von dem Augenblicke an, als ich Menämah verliess, bis zu meinem Schiffbruche bei Sowädah, führte ich und mein Gefährte immer verzollbares Gepäck und Waaren bei uns und gingen in nicht weniger als zehn verschiedenen Häfen ans Land und wieder zu Schiffe. Die allgemeine Regel, welche für alle Zollstätten an der ganzen Küste von Bahrejn bis Sur gilt — nämlich Menämah, Moharrek, Bedaa', Wokrah, Linga, Bander-'Abbas, Abu-Debt, Dobej', Schargah u. s. w., im Ganzen dreis-sig Häfen von wirklicher Bedeutung — ist die, dass für jeden Ballen, der ausgeschifft wird, gleichviel, was er enthält, ein Rial, d. i. fünf Schilling engl, bezahlt werden; ein Ballen wiegt im Durchschnitt sechzig bis siebzig Pfund Averdupois. Diese Methode hat ohne Zweifel den Vortheil, die Mühe der Beamteten zu erleichtern, steht aber sehr wenig im Verhältniss zu dem Werthe der Waaren; denn auf diese Weise werden z. B. für Datteln vierzehn bis fünfzehn Procent des Werthes erhoben, während auf Tuch kaum ein Procent kommt, auf Reis zwischen vier bis fünf Procent. Im Ganzen freilich wiegt Eines das Andere auf. Dieser Zoll erstreckt sich nur auf die Einfuhr, denn für ausgeführte Waaren erhebt die 'Omanische Regierung keine Zölle. So weit ich selbst die Sache beobachten konnte, kann man annehmen, dass in jedem Hafen täglich wenigstens sechs Ausschiffungen stattfinden ; in den grossen Häfen Linga, Sohär, Matrah, Mascat u. a. bedeutend mehr, in einigen unbedeutenden Häfen weniger. Auf eine Ladung kann man im Durchschnitt sechzig Ballen rechnen; die kleinste Barke bringt etwa zehn oder zwölf, ein grosses Schiff sechshundert und mehr Ballen. Multiplicirt man diese verschiedenen Zahlen mit einander und reducirt die Zahl der Tage eines Jahres auf dreihundert , anstatt 365, um auch schlechtes Wetter und andere Um-3S4 stände in Anschlag zu bringen, so erhalten wir 16,200,000 Schilling oder 810,000 Pfund Sterling jährliches Einkommen aus dieser Quelle. Für die dritte Quelle des Staatseinkommens, die Landessteuern, mit Einschluss der Abgaben auf Vieh, Produkte u. d. gl., haben wir folgende Angaben. Die Steuer, welche in 'Oman, wie bier bemerkt werden muss, nicht mehr den islamischen Namen „Zekah" führt, sondern einfach „Kharg" oder „Produkt" genannt wird, ist um etwa ein Drittheil geringer als in wahhabitischen Ländern, und ich hörte nichts von ausserordentlichen Auflagen für Krieg oder andere Zwecke. Wir müssen zunächst in Betracht ziehen, dass die Bevölkerung, vor allem die angesessene Bevölkerung, bei weitem dichter ist und beinahe das Doppelte der Bevölkerung von Neged — iu politischem Sinne genommen — beträgt; drittens ist der Boden im Allgemeinen entschieden fruchtbarer. Daher kommt es, dass die bessere Kleidung, Wohnung und Lebensart in 'Oman auf einen höheren Stand örtlichen Wohlstandes schliessen lässt, als in Centrai-Arabien. Nach diesem Verhältnisse müssen die Landessteuern im Königreich 'Oman das Doppelte von dem bringen, was auf gleiche Weise in den Schatz von Riad fliesst, und mögen sich jährlich auf 180,000 bis 200,000 Pfund Sterling belaufen. Alle, welche ich darüber befragte, sagten mir, dass diese Quelle des Einkommens von einer Seite weit geringer ist, als was durch den Handel einkommt, von der andern Seite bedeutend höher, als was andere arabische Staaten mit der grössten Härte eintreiben können. Ich muss noch hinzufügen, dass eigentliche Grundsteuer hier unbekannt ist; die direkten Gegenstände der Besteuerung sind, unter gewissen Umständen, Produkte, Vieh und Metall. Viertens endlich kommt dazu der Handel, welchen Thowejni selbst, seine Familie und andere persönlich von ihm abhängige Personen in ihrem Namen betreiben, wozu wir noch manche Monopole rechnen müssen, die schon oben erwähnt wurden, wie Salz, einige andere Produkte des Bergbaus, und Bernstein. Hierüber habe ich freilich nichts weiter erfahren können, als was das allgemeine Gerücht sagt, nach welchem Thowejni ein jährliches Privateinkommen von etwa 200,000 Rial oder 50,000 Pfund Sterling haben soll. Zu bemerken ist noch, dass ich den Sklavenhandel zu dem zweiten Punkte dieser Liste rechne; jeder Neger, der ans Land gebracht wird, zahlt zwei Rial, — etwa 10 Schilling — keine grosse Summe. 385 Obgleich daher die Furcht vor fremder Einmischung den armen Schwarzen zuweilen einige Unbequemlichkeit verursachen mag, indem man sie unter Schloss und Riegel in Versteck hält u. dgl., so hörte ich doch nie , dass arabische Schiffskapitäne ähnliche Massregeln ergriffen, um ihr lebendigs Cargo durch die Hafenzölle zu schmuggeln. Addiren wir nun die oben angegebenen Summen, so erhalten wir eine Totalsumme von 1,065,640 Pfund Sterling jährlich, kein unbedeutendes Einkommen für eine einheimische orientalische Regierung, obwohl es unter einer bessern Herrschaft und angemessenen Umständen noch bedeutend erhöht werden könnte. Nimmt man es aber so, wie es unter dem gegenwärtigen System ist, so kann es nicht als eine Last für Land und Volk angesehen werden; und wenn wir bedenken, dass das Gedeihen und die Wohlfahrt einer Nation, der Vornehmen und Geringen, Handwerker und Kaufleute, Bauern und Grundbesitzer, der einzige Zweck ist, für welchen Regierungen eingerichtet sind und Steuern erhoben werden, so können wir im Ganzen dem Sultan von 'Oman nur Glück wünschen , da er für alle notwendigen und ehren-werthen Zwecke genug hat, ohne sein Volk überladen oder Handel und Gewerbfleiss drücken zu müssen. Ueber die Einkünfte von den afrikanischen Besitzungen Socotra und Zangebar kann ich nichts Genaues sagen. Die Gerüchte von Reichthümern, die dorther kommen sollen oder dort zurückgehalten werden: — „Gold, Silber, Elfenbein; Affen und Pfauen1' — nicht weniger unbestimmt als im Alterthum, sind wahrscheinlich eben sowenig geeignet, die Probe statistischer und mathematischer Berechnung zu bestehen. Man kann vielleicht fragen, welche Ausgaben die Regierung mit diesen Einnahmen bestreitet. Diese sind folgende: Erstens müssen die zahlreichen Forts erhalten werden, namentlich an der Seeküste, mit ihren beludschischen Besatzungen, Artillerie, Munition und was sonst nöthig ist. Zweitens, die Leibgarde des Königs, iwelche aus der schon beschriebenen Reiterei und einer kleinern Anzahl Söldner zu Fuss besteht. Drittens, sämmtliche Zollhäuser und Zollbeamteten, Steuereinnehmer, Polizei und dergleichen. Viertens, die Flotte, die, wie wir gesehen, ziemlich bedeutend ist und beständige Ausgaben nöthig macht, die alle übrigen bei Weitem übersteigen. Fünftens , die Gehalte der Minister, Unterhalt der königlichen Familie 386 und offizieller Aufwand. Endlich Thowejni? persönlicher Aufwand und Verschwendung, in welcher Beziehung er seinen königlichen kahtanischen Vorgängern nacheifert, wie die Geschichte sie schildert , sowohl in Jemen als in 'Oman. „Niemand kann getadelt w-erden, weil er seinem Vater gleicht" , sagt das arabische Sprichwort, und dies mag für Thowejni als Entschuldigung dienen, wenn er in die Fussstapfen des DüVRiasch und der Tobaa' tritt. Es ist Zeit, unsere Erzählung wieder aufzunehmen, die nun ihrem Ende zueilt. Bei meiner Rückkehr zu Astar stellte mir Jusef seinen neuen Bekannten, den Kapitän vor, der auch mir sein Anerbieten wiederholte, uns freie Ueberfahrt nach Abu-Schahr zu geben. In den beiden folgenden Tagen war er ein beständiger Gast in Astars Divan, wohin er auch seinen Steuermann und andere Söhne Neptuns mitbrachte. Unter allen Seeleuten, welche den persischen Meerbusen befahren, gelten die von Kowejt für die unerschrockensten, geschicktetsten und zuverlässigsten. Vor fünfzig Jahren war dieser Hafen mit seiner kleinen Stadt — ich selbst besuchte ihn nicht, hörte ihn aber oft von Leuten beschreiben, die dort gewesen waren — so viel wie nichts; jetzt ist er der thätigste und wichtigste Hafen des nördlichen Meerbusens, Abu-Schahr selbst beinahe nicht ausgenommen. Der Häuptling des Ortes, 'Ejsa mit Namen, steht zu Hause und auswärts in grossem Ansehen, Dank seiner guten Verwaltung und klugen Politik; die Eingangszölle sind gering, das Klima gesund, die Einwohner freundlich, und diese Umstände, nebst einer leidlichen Rhede und besserem Ankergrunde, als an den meisten benachbarten Häfen, ziehen Hunderte kleinerer Schiffe nach Kowejt, die sonst nach Abu-Schahr und Basrah gehen würden. Die Einwohner sind Mohammedaner, nach arabischer Weise, d. i. tolerant gegen Andere und nicht übermässig streng gegen sich selbst; Wah-habäismus wird sorgfältig fern gehalten und allen Anstrengungen von Sei ten Negeds ist es nicht gelungen, in Kowejt nur einen einzigen Proselyten zu machen. In merkantiler und politischer Hinsicht bildet diese Stadt einen Ausgang zur See, den einzigen in der That, für Gebel Schomer, für welches es beinahe dasselbe ist, was Triest für Oesterreich. Kowejt ist nur etwa fünfzehn Tagereisen von Hä'jel entfernt, die Beherrscher aus dem Hause Eon-Raschid haben daher immer gesucht, im besten Einvernehmen mit den Häuptlingen von Kowejt zu stehen, und dieses Verhältniss ist unter der gegenwärtigen Regierung Teläls noch freund- 387 schaftlicher geworden. Vielleicht hat auch die Vewandtschaft des Bluts etwas dazu beigetragen, die politische Allianz fester zu knüpfen, denn die Häuptlinge von Kowejt rühmen sich der Abkunft von dem Stamme Ga'afer, demselben, dem Teläl selbst angehört. Aber ganz abgesehen davon, würden die grossen Vortheile, welche dieser Hafen für Gebel Schomer hat, sowohl für die leichtere Zufuhr von Reis, Tuch und anderer Waa- ren, als auch für die Ausfuhr von Pferden, Schafen, Wolle und anderer Produkte des Berglandes, allein genügen, Teläl's Weisheit in dieser Hinsicht zu beweisen. Endlich ist das Bündniss mit Kowejt für Teläl eine Hülfe, das Gleichgewicht zwischen ihm selbst und den immer weiter greifenden Wahhabi's im Süden aufrecht zu erhalten; während 'Ejsa und seine Bürger, durch ihre Vereinigung mit Schomer gestärkt, den Muth haben, die Ansprüche an Tribut und Unterwerfung, welche der Mutasallim von Basrah und der Pascha von Bagdad an sie stellen , zurückzuweisen und so dem Verfalle und der Verödung zu entgehen, denen fast alle Häfen unter der ottomanischen Verwaltung verfallen. Am Nachmittag des 22sten wandte sich der Wind und unser Schiffer kündigte uns an, dass er am nächsten Morgen absegeln wolle; aber die Araber sind auf der See eben so grosse Zauderer wie auf dem Lande; und als der Morgen kam, sahen wir, dass wir nicht nöthig hätten, vor Sonnenuntergang an Bord zu sein. Das Schiff hatte sich einstweilen aus dem Hafen von Mascat bewegt und lag bei Matrah, nahe am Eingange dieses Hafens, gegenüber einem grossen Felsen, welcher „Fahl" oder „Hengst" genannt wird, bei den Arabern eine allgemeine Bezeichnung für alles Stämmige. Der Fahl von Matrah ist eine Masse schwarzer Steine, die sich steil aus der See erheben, wie die Salämah bei dem Vorgebirge Mesandem, die wir schon oben kennen lernten. Endlich, am 23. März, gegen Abend, nahmen wir Abschied von unserm Wirthe Astar und den übrigen Freunden, und als ich mit Jusef und vier anderen Bekannten nach dem Hafen herabging, fühlte ich, dass meine Schritte nun wirklich der Heimath zugewendet waren; und doch war dieses Gefühl nicht ohne eine Beimischung von Bedauern und nicht ohne einige, wenn auch nur geringe Hoffnung, diese merkwürdigen Länder noch einmal wieder zu sehen. Wir bestiegen einen von Negern geführten Kahn und ruderten etwa zwei Stunden um das Vorgebirge, bis wir die Laterne des Schiffes erblickten. Es war schon längst Nacht, als wir an den schwarzen Seiten unseres Schiffes hinankletterten. Als wir aus dem Hafen in die offene See kamen, sah ich das Sternbild des südlichen Kreuzes, dessen unterer Rand hier vier bis fünf Grad über den Horizont steigt, aber selbst, wenn es sich kaum 388 Uber den Rand des Wasser erhoben hätte, würde bei der reinen Atmosphäre jeder Stern deutlich sichtbar gewesen sein. Es war ein alter Bekannter, den ich hier nach langer Trennung für kurze Zeit wiedersah und der bald meinen Blicken wieder entschwand. Von unserer übrigen Reise will ich sehr wenig sagen. Wir fuhren quer über den Golf nach Bandar-'Abbas, wo wir einen Tag liegen blieben ; von t da gingen wir nach der kleinen Insel Hingäm oder Hinjäm oberhalb Gischm, eine vortreffliche Station; von da nach dem ruhigen Hafen Tschiro, oberhalb Tscharak, und von da nach Abu-Schahr, bei heftigem Sturme und widrigem Winde, der unsere Ankunft bis zum G. April verzögerte. Der Kapitän und seine Leute blieben von Anfang bis zu Ende ebenso freundlich gegen uns, wie sie sich in Mascat gezeigt hatten, auch über unsere zahlreichen Reisegefährten, meistens Indier aus Luck-now und den Nachbarländern, hatten wir uns nicht zu beschweren. Das Schiff war gross, reinlich und, damals wenigstens, wasserdicht; gut für uns, dass es bo war, denn etwa in der Mitte des Weges hatten wir einen Sturm, der vielleicht noch heftiger war, als der, welcher unser 'omanisches Schilf in den Grund gesenkt hatte. Ich aber nahm von Allem, was um mich herum vorging, wenig Notiz, denn das Fieber, welches ich mir in Mascat zugezogen hatte, war jetzt zu vollem Ausbruch gekommen. Ich war aber nicht der einzige Kranke in dem Schiffe; einer von den Indiern hatte sich ebenfalls am Ufer das Fieber zugezogen und starb, ehe wir an dem Orte unserer Bestimmung ankamen. Matrosen und der Hauptmann thaten ihr Bestes, mich zu pflegen; aber ausser mitleidigen Gesichtern und freundlichen Worten hat ein arabisches Schiff wrenig für die Bedürfnisse eines Kranken. Endlich ankerten wir vor Abu-Schahr. Unter Jusefs Führung trugen mich einige Matrosen unseres Schiffes auf ihren Schultern in die Wohnung Abu-'Ejsas, der uns seit der Nacht des 9. März schon verloren gegeben hatte. Barakät war bereits nach Basrah abgegangen und von dort nach Bagdad, wo er auf mich wartete. Abu 'Ejsa blieb mit seinem Zuge persischer Pilger, etwa einhundertundzwanzig an Zahl, noch einige Tage in Abu-Schahr und ging dann über Bahrejn nach Hasa. Hier in Abu-Schahr erhielt ich die letzten Nachrichten über den Fall 'Onejzahs und den Sieg der Wahhabiten im Westen. Aber das 389 Fieber, welches jetzt den höchsten Grad erreicht hatte, gestattete mir wenig Theilnahme an den Ereignissen der Nähe wie der Ferne; ich lag in der That beständig in einem halben Delirium, welches bei typhösen Krankheiten so aufreibend ist. Am 10. April kam das indische Dampfboot und nahm mich mit nach Basrah, wo mich einige Matrosen an Bord eines Dampfbootes brachten, welches vom Kapitän Selby von der indischen Flotte geführt wurde. Hier fand ich freundschaftlichen und ärztlichen Beistand aller Art, ohne den meine Reise wahrscheinlich ein gleiches Ende genommen hätte, wie die mancher Anderer, welche die Welt für immer verliessen. Unsere Fahrt den Tigris aufwärts, der jetzt durch die Ueberschwemmungen des Frühlings angeschwollen war, währte sieben Tage; am achten Tage landeten wir in Bagdad, wo ich mich unter der gastfreundlichen Pflege des Kapitäns Selby und anderer Freunde, Engländer, Schweizer und Franzosen, bald so weit erholte, dass vollständige Genesung vorauszusehen war. Hier fand ich nach einigen Tagen meinen alten treuen Gefährten Barakät wieder. Seine Freude, als er mich nach so vielen unglücklichen Berichten und nachdem er so lange zwischen Furcht und Hoffnung geschwebt hatte, wiedersah, kann man sich leichter denken als beschreiben. Ich muss bemerken, dass die Nachricht von dem Märzsturme auch nach Bagdad gekommen war, wo ich nach dem Schicksale manches Schiffes gefragt wurde, an welchem Kaufleute dieser Stadt ein besonderes Interesse h atten. Unser Rückweg ging nun Uber Kerkuk, Mosul, Mardtn, Diarbekir, Orfah und von da nach Aleppo und Syrien. Der Weg war für mich neu und voller Reize, möchte deren aber weniger für meine Leser ha- ben, die, wie ich nicht zweifle, diesen Theil der Welt bereits aus zahlreichen Erzählungen kennen, die besser geschrieben sind, als die meinige. In der That, nur die Neuheit und das reiche Interesse, welches Arabien bietet, kann die Mängel meiner Beschreibung entschuldigen, die, wie ich selbst fühle, nur eine dürftige Skizze des mittlen und östlichen Arabien, von Ma'än bis Mascat ist. Vieles, wie vieles! ist noch unerzählt; und bleibt noch, wie ich hoffe, für andere Reisende aufbewahrt, die das Glück mehr begünstigt, als den, welcher jetzt seinen Lesern ein herzliches Lebewohl sagt. Register. (Die Zahlen beziehen sich auf die am Rande angegebene Seitenzahl des Originals.; 'Aared. wahhabitische Provinz, I. 463: n. 75. 'Aasir, Lage und Bewohner, TL. 49. 'Abbas Pascha, seine Politik, 1.189. ' Abd-Allah-ebn-Raschid, Beherrscher von Gebel Schomer, 1.125; Vater Teläls, 128. 'Abd-Allah (Sohn Fejsals), seine Ver-rätherei, I. 169 ; seine Eigenschaften und Feldzüge, II. 71, 109; Zusammenkunft mit ihm, 89; er verlangt Strichnin, 112, 116. 'Abd-el-Kerim, einwahhabitischerPatient in Riad, II. 3; seine Auseinandersetzung der wahhabitischen Lehre, 10; versucht ohne Bezahlung davon zu kommen, 16. Abu-'Ejsa, seine Geschichte I. 288; unser Uebereinkommen mit ihm, 296; sei?i Beistand in Riad, 416, 420; sein Baus in Hofhüf, II. 141. Abyssinien, Kaffee aus A. I. 426; die Himjariten, Colonie aus A., TL. 240. Aegypten. Einfluss auf Arabien, I. 246; Ansichten über Aegup. in Neded, n. loo. Aegypter, erobern Neg"ed, II. 47. Aflag, Provinz, II. 79; Handel mit Jemen, 81. 'Akabah. I. 346. Araber, keine kräftige Rasse, II. 35.; als Matrosen, TL. 199; als Soldaten auf dem Marsche, TL. 128. Arabien, Zweck der Reise des Vfs nach A., I. 1; Bevölkerung, 117,193; Civilisation, 75,166; Ethnologie, 352, 453; Sitten und Gebräuche, 51, 73, 183, 268; Handelsgebräuche, 69,263; nationale Unterschiede, 24, 35, 70,175; Neid, II. 135; Stellung der Frauen, I. 271; Vaterlandsliebe] 194; Historische Bemerkungen, 117, 239; religiöse Gefühle, 68; frühere Religion, 249; Ueberreste des Sabäismus, 250; Spuren des früheren Christenthums, 88; die Wahhabiten, 363; Kriegsführung, 306; äusseres Ansehen von Centrai-Arabien 230 — 235; keine Flüsse, 339; Was- servorrath, II. 176; urbares Land, I. 91; Christenthum, kein Hinderniss für den Reisenden in A., 264; Beduinenstämme, 30, 441; europäische Berichte, TL. 162; Rechtspflege, I. 134, 228; Unsicherheit der Chronologie, TL. 40; Musik, arabische Stimmen, I. 309; Verschiedenheit der Rassen in A.y 453; Städtenamen und Ortsnamen, II. 127; Krankheiten, 27; keine Insekten und Schlangen in A.y 355; (s. Architektur, Sprache.) Architektur: Beschreibung eines arabisches Hauses 1.49 ; allgemeiner Charakter 283; Mangel an Inschriften und Bildhauerei in Central - Arabien, 301; Thurm und Burg im Gauf, 75; der Cyclopische Bogen, 176; alte Mo -scheen, 444; Haus und Burg in Be-rejdah, 280, 282; Palast u. s. w. in Riad, 396; in Hofhüf, II. 149; des südlichen Arabien. 151, 167; der Palast in Katif, 191; Gewölbe im Palaste Kannxds, 192; in Bahrejn, 209; i Thurm bei Schargah, 308; A. in \ 'Oman, 330. j Arzneikunde in Arabien, I. 145. ; 'Asr, Bestimmung der Zeit, I. 178. I Awwäl (Haifisch) als Nahrungsmittel j gebraucht, TL. 321; der Name fälschlich auf Bahrejn angewendet, 321. ! Bahrejn, die Inseln, TL. 203; Spuren j des Christenthums, 146; Beherrscher von B., 201; die Hauptstadt, 204: j Bevölkerung und Regierung, 211; Geld, 207; Handwerker u. s. w., 214; Charakter der Bevölkerung, 366; Reise I von B. nach Katar, 229. I Banianen in 'Oman, TL. 369; Anekdote von einem Banianen und einem I Negdäer, 370. Barr-Färis, arabische Kolonie an der Küste des persischen Meerbusens, TL. 244; Ursprung von B.-F., 245; Beschreibung , 246 ; bedeutendster Ort, 251. Bathah - Farzah, Palast des Königs von'Oman, Ankunft daselbst nachdem Schiffbruche, II. 351; unsere Aufnahme, 355; Unterhaltung mit Offizieren, Deserteure der türkischen Armee, 357; Abreise nach Mascat, 359. Bätinah, reichste Provinz von 'Oman, II. 326; Produkte u. s. w., 327. Baumwolle , wächst in Kasim I. 254. Bedaa', Hauptort von Katar, II 235; Jagdpartie 238; Abreise nach 'Oman, 243. Beduinen, in der Wüste, I. 9, 22. II. 133; Probe ihrer Unterhaltung, I. 25; ihre Religion und Sittlichkeit, 8, 32; geringer Einfluss des Mohammedanis-mus auf sie, 9; Charakterschilderungen, 3, 33; Vorsicht, wenn man sie als Führer gebraucht, 41; wie mit ihnen zu handeln, 93; Sitten, Nahrung u. s w , 23 —30; ihre Stellung in Centrai-Arabien, 31,193; Stamm von christlichem Ursprung, 150; Raubzüge im niederen Neged, 223; die B. unter den Wahhabi, iL 78, 84; B. in der grossen Wüste. II. 133, 234; Anzahl der B. in Ha?a> 185; Seeräuber-B. auf dem pers. Meerbusen, 234; Agmän-B. von den Wahhabiten unterdrückt, 71; Beduinenmädchen als Führerin im Kampfe, 71. Benu-Kahtän, s Kahtan. Berejdah, Eroberung durch Fejsal, I. 168; erster Anblick, I. 270; Beschreibung, 280; Wohnung in, 281: Schwierigkeit, weiter zu kommen, 284; Stras-senscenen, 299; gesellschaftliches Leben, 309, 314; Kriegszug, 306; Reise von B. nachRiad, 323-388; Zusammentreffen mit dem persischen Gesandten, 346. Biadij ah, der Name von den 'Omänis angenommen, II 262; Form ihrer Religion, 263; Niebuhrs Erzählung, 265 Botanische Bemerkungen über die Coloquiute, I. 12; Samh, 29; Mesaa', 30; Ghada. 38; narkotische Pflanzen. 254: andere Pflanzen, 232; Baumwolle, 254; Themäm, 332. Brod; Gestalt des B. in Arabien. I. 73; in dem südöstlichen Theile, 355. Brunnen, in der Wüste, II. 135. Buschir, eigentlich Abu-Schahr, I. 275. Christenthum; Spuren desselben in Arabien, I. 61, 88; unter den Beduinen, 119 150; an der Küste des persischen Meerbusens und auf den Inseln, II. 146; kein Hinderniss in Arabien zu reisen, 1. 264. Cisternen s Bewässerung. Dähirah, Provinz. II. 340. Dahnä, I. 329 II 130. Datteln, als Nahrungsmittel, I. 60; | verschiedene Arten, 58; Bau der D., i 253. Khaläs-D., II. 173 II. Derb-el-Hafj§, s. Pilgerstraste. Derej'ijah, Ruinen von, I. 386; Fanatismus der Einwohner, 387; frühere Grawe, II 38; Belagerung von D., 56. Derwische, 1.257; Verkleidung als Ü., 258—260; Schicksal eines englischen Reisenden in dieser Verkleidung, 261; II. 263; bei den Wahhabiten nicht in Ansehen, I. 263. Dromedare, vor Heuschrecken erschrocken, II. 137; (S. auch Kamel.) El-Mukhzi, „der Schändliche11 wahhabitischer Name des Tabaks, I. 350. Europäer auf Reisen in Arabien, I. 264; (S. auch Derwische) 'Ejn Negm, Schwefelquellen in, II. 139- 'Ejün, Dmkmal des sabäischen Cultus u. s. w., I. 250. Falkner ei. II 238. Fejsal, Fürst son Neged, I. 122; unterwirft Kasim, 168; lässt sich von persischen Pilgern bezahlen, 275; sein Palast, 393, 396; Wirkung unseres Besuchs auf ihn, 402; sein Rath, 417; sein Charakter, II. 64; seine frühere Geschichte 65; sein Alter, 73; öffentliches Erscheinen, 109; seine Familie, 74, 110. Flüsse, keine in Arabien, I. 339-Gauhar, Fejsal's Schatzmeister, II. 2, 194. Gebirge, von Hasa, II 136; bei Hof -hilf, 165; Gebel Schomer, I. 95; Towejk, I. 336; Ri'os el Gebäl, 315; Gebel-'Okdah, 339 Gebel Schomer, I 95, 100: Geschichte, 117, 161; Bevölkerung u. s w. II 86. Gebel, Jowejk, 1.336,352,358; II. 128 Getägil, I. 351, 352 Gerischah, Hauptnahrungsmittel in Gauf, I. 73 Gauf, Ankunf in, I 46; Grenzen, 56; Hauptstadt, 57; Dörfer und Bevölkerung, 60; Geschichte, 61; Regierung, 65; der Palast, 75; Sitten «. s. w , 67; Leben in G., 72; Abreise, 85; kein Thtdl von Neged, 102. Geld, II. 178. G'hawah oder Khawah, I 49, 50. Ghat, I 269, 341 Gold, in 'Oman gefunden, II. 306. Hadi'jah, ein Beduinenmädchen als Führer in im Kampfe, II. 71. Hamud, Statthalter des Gauf, I. 64,74. Handel, in Arabien, I. 67, 71; Einfluss der mohammedanischen Religion auf den Handel, 435; Märkte in Hasa, II 170 Ha r ik , von den Wahhabiten verheert, II 46; Ansicht von H 128 Hasa, Gebirge von II, 11. 136; Ein-wuhner, 142; kahtaniscke Abkunft, 144; 19 wahhabitische Eroberung, 147; Bund mit Egypten , ibid ; heisse Quellen und vulkanische Symptome, 154; Produkte, 155; Literatur, 158; Dialekt, 164; Bildung der Frauen, 177; Ansichten über Aunexation, 277; Ackerbau, 178; Auswanderung, 1£5; Ansehen des Landes, 184: Unzufriedenheit mit der wa/ihab,tischen l'egierung, 217 Hasenf /eiseh, 211 essen erlaubt, I 360. Hat im-Tu' ij mythisches Muster arabischer Gastlichkeit, I. 224. Anekdote, 226 Hu'jel, Ankunft in, 103; unangenehme Erkennung, lOf), 1:V2; Erhebung zur Ilaupstadt von Gebel Schomer, 120; Verbesserungen durch Teläl, 128; /.e-Jen /« 141; Strassenscenen, 162; Pilgerstrasse durch II , 196; unsere Gefahr in H-, 201; Abreiße, 214 Haifisch, s Auwäl, als Nahrungsmittel, II 321. Heg dz, Einwohner, I 242 Heuschrecken, II 137 « / Hinijariten, ihr Ursprung, II. 240. Hofhüf, die Stadt, II. 149; Umgebung, 153; Gesellschaft, 166; 6 esinmmg gegen die Wahhabiten, 168; Wo'ch'en-märkte, 170; Ausflüge, 171, 176; ^16-reise, 180 Horejmelah , Geburtsort Wahhäb's, ' I 362 Ibrahim Pascha, seine Festungen in Neged, I 362,386; Versuche, 'Ejuna wieder aufzubauen , 381; nn r/er Spitze der ägyptischen Expedition gegen Neged, II. 48—60. Imäm. Bedeutung dieses Titels, IL 62, 285. Indische Sprache, I. 341. Islam, s Mohammedanismus. Ismaelitisch e Hasse, verglichen mit der kanonischen, I. 454; Abstammung Muhammeds von I., 455. ZMe/, «aww?, I 153. Joktan, s. kahtanische Basse. Jusef-ebn- Khnmis, mein Begleiter nach 'Oman, II 222 Käderi, Sekte, ihre Lehren, II. 226; Poesie, 227. Kadi, 1. 228. Kaffee, Bereitung, 1.51; il/oMa,424; andere Arten, 426. Kahtanische Basse, ihre Verschie-denheit der Sprache, I. 312, 465; Beschreibung, 453 Kamel, I 39; MVcA, 29; Preis. 85, 451; Unterschied zwischen Kamel und Dromedar, 324; das zweihökerige, 325; ?>? iWf/erf, 450. Karmathen, Sekte, I 245; II. 145; hassen die Mohammedaner, 203; ihre gegenwärtige Stellung, 148: Kolonie auf wahhabitischem Gebiet, 82 Kasim, Stadt, Aufstand gegen die wahhabitische Herrschaft, I 129; Provinz, ein Theil von Über-Neged. 166; Einwohner und Politik, 167. 256; Boden von Ober-Kasim, 222, 252; Ortschaften und Aussehen des Landes, 230; Wasservorrafh, 253: Dattelbäume und andere Pflanzen, 253; Handel, ibid.; Moscheen, 256; rffrt südliche Kusim, 238; ron den Aegypten) geleert, II 68. Katar, 11.231, 235; Perlenjischeiei, 232- Katif, Einu ohner, 11.187: Fejsals Flotte, 188; unsere Aufnahme, 189; die S'adt, 198; Abreise nach Bahrejn, 199—202. Ä" pj« ff r f/>/ /*, Name überwölbter Markt-' platze. II. 150. K ha las- Datteln (Frucht), II 173 Ä'//f? /irf, UeberwinderMosejlemahs, 1.383. K'häwah, 1 49, 50 Khodejr ijah , Mulatten in Afläg, II SO. Khowarig, Freigeister, II. 187. Koxcejt, Schiffer von, 11.386; Emporkommen de>' Stadt und ihre Wichtigkeit für Gebel Schomer, 387 Krankheiten in Arabien, I 27, 30. Kuhpocken-Impfung, t. 28. Kupfer, in 'Oman, II 306. Linga, Hafen und Stadt, 11.288, 289; Schiffswerften, 289, Cisternen, ibd.Handel. 290. Ma'an, Aufbruch von M., I. 2; die Stadt, 7. Mohammed, von ismaelitischer Basse, I 454; in Damaskus, II 19 Mohammedanische Religion, ihr geringer Einfluss auf die Beduinen, I. 9, 243; auf die Einwohner von Gauf, 68; in Ilä'jel und Gebel-Schomer, 1,9; über Arabien, 194; Wiederbelebung durch Wahhab, 364; Lehre ron Gott, 365: Prädestination, 367 ; Einfluss auf Arzneikunde, 147; Ursache des Sinkens , 176 ; Verbot des ]\'eines, 427; der Glocken und der Musik, 429 , 430; des Handels, 430; Antagonismus gegen Heidenthum vnd Chrisfenthum, 430; Zwecke und Erfolge der mohammedanischen Religion, 432; Reaction gegen d. M.. 436; wie von den wahhabitischen Zeloten aufgezwungen, 408; Stellung der Christen unter den Mohammedanern, 264; mohammedanische Eintheilung der Sünden, II. 7—15; künftige Strafen, 8. Mär id. der Thurm, i. 60, 75. Mascat, portugiesische Befestigungen, II 361; Hafen, 364; Bevölkerung, 365; Klima, 367; Polizei, 368; die Stadt, 369; Umgebung, 373; Ausflüge, 376; arabischer Tanz, 378. Matrah, Vorstadt von Mascat, 11.361; | Neger- und anderer Handel, 362; Be- | völkerung, ibid. Mebarraz, Dorf und Markt, II. 172. Mekka, Stitenlosigkeit, I. 257- M edd ej'j t oder wahhabitische Zeloten, I. 407. Menämah, II. 204; Wohmtng, 208; die Stadt, 208; Bevölkerung, 211; Politik, 217; Abreise, 224. Mesandem, Vorgebirge, II 317- Mesch ari, der Mörder Türkis, I. 123. Meta'ab, Bruder Teläls, se/n Charakter, I 132, 188; Gespräch mit ihm, 189- Metow'waa', wahhabitische Geistliche, I 79: n/s Spione, 201; erheben Steuern, 317. il/f uchelm o rd, von den Schija'ts gebilligt, II 41. Mohammed - 'Ali-es eh - Sehiräzi, der persische Gesandte nach Riad, I. 275, 320; unsere gemeinschaftliche Reise, 303; seine Auf nähme in Riad 400. Mohanna-el - 'Anezi, der wahhabitische Statthalter in Berejdah, 1. 277; se/'n Verruth gegen eine persische Karawane, 278; wir kommen mit ihm zusammen, 284 Moharrek, II. 204 Mosejlemah, der Lügner , Mohammeds Nebenbuhler, I. 240; seine Geschichte, 382. Mu s i k, von Mohammed verboten, I. 430; in Arabien, 309 Nabathäer, II 158. Nefud, oder Sandpässe in der Wüste, I. 90; in Kasim, 329; bei Nacht, 330. Neger, ihre Lage in Arabien, I. 452. Kolonien, II 242; «1 'Oman, 272; (s auch Sklavenhandel)- Neged, das arabische Hochland, I 91; Ober- und Nieder-N , 102, 230; Gefahr für Reisende, 284; der Zephyr von N, 231; Kriegsführung, 306; Mittelpunkt, 326; Charakter, 241; Gastlichkeit u s. w., 343; Provinzen, 361; Schafe und Rindvieh, 450; aVVer tu 7/. Meerbusen, seicht bei Katif, II. 188; Sprache der Schiffer im p. M, 11.321; Ä'üsfe, 338; Schiffbruch, 341. Pf er de, nach Indien ausgeführt, I. 221; in Central-Arabien, Riad, II 92; Zucht, Farbe, Ausfuhr, 93, 94,95; in'Oman geringer, 97. Pilgerstrasse durch Centrai-Arabien, I. 102, 196; gefährlich beiMedinah,208. Planetendienst s. Sabäer. Pocken, II. 28- Rechtspflege in Arabien, I. 79, 181, 229, 135, 181; ('s aucA Todesstrafe.) Räucherun g, II. 6. Ätna*, Geschichtliches, I. 123 , 384; ersfe Ansicht von, 390; i/wser Leben in R., 393, 437; Aufnahme bei Fejsals Ministern, 404, 416; Beschreibung der Stadt, 442; Stowe/ t/er Sittlichkeit, II. 24; Patienten, 26; unsere Stellung bei Hofe, 36, 89; Strassen von R. aus, 82; Besuch von Zeloten, 104; Schwierigkeit, R. zu verlassen, 113; unsere Stellung zu 'Abd-Allah, 115; F/ucAf ron 122. Ro' os-el-Gebäl, Provinz von 'Oman, II. 315; Sprache und Einwohner, 315. Sabäer, ihr Cultus, I. 250, 251; II. 258, 262; Zusammenhang mit den ägyptischen Pyramiden, 264. Sa/z, in Öe&e/ Towejk, I 340; in 'Oman, II. 306, Sa'üd. Geschichte der Familie, I. 376; unterstützt d. Wahhabiten, 377; unterwirft Neged, 378. Schargah, Hafen, II. 301; S/aaV, 304; #«n«W, 305 ; 7'/*tmn, 308; v. Sch. nach 'Ormuz, 312. Schegah, die Prophetin, mitMosejlemah verheirathet, I 383. Schij'di, Secte und Lehren, I. 163, 360. Schiffbruch im persischen Meerbusen, II. 343. Sedejr, Provinz von Neged, I. 338; Einwohner, 340. Selim Abu-Mahmiid-el-'Ejs, Name des Verfassers in HüVjel, I. 152. Semum, I. 17. Sklavenhandel in 'Oman, II. 302; (s. auch Neger.) Sohar, Hauptort der Bätinah, II. 329; gesellschaftliches Leben und Regierung, 330; die Stadt, 332; Handel und Gewerbe, 333; Ackerbau, 336; Sprache, 336; Bevölkerung, 336; Schiffe, 337. Solibah-Beduinen, I. 150. Sonni, Sekte, I. 360. Sowadah-Inseln, II. 341. Sonnenkultus der Beduinen, I. 8. Sprache, arabische, der Beduinen, I. 24; des Koran, 311; in Arabien gesprochen, 310; grösste Reinkeit, 311; in 'Oman, 312; in Riad, 463; Gebrauch der Diminutive, 337; Einfluss der verschiedenen Rassen, 459; Kahtanische Dialekte, 464; in Jemen, 465; indische Sprache, 341; Fremdwörter, II 298. Stramonium, Datura, I. 255. Tabak, II. 10, 12-15, 21. Tahir, Haupt der Karmathen, I. 245. Tag-Gehän auf der Reise durch Arabien, I. 274, 276; von Mohanna geplündert, 284. Tä'i, Geschichte des Stammes, I 117; Nachkommen, 61. Tarn im, Name in Neged, I. 459. 7tym aA, I. 97. Teläl-ebn-Raschid, sein Gebiet und Charakter, I. 14, 98, 126; gelangt auf den Thron, 128; seine Familie, 135; Regierung, 142; Politik, 130, 228, 132, 195; seine Eroberungen, 63, 129; Zusammenkunft mit ihm, 110,136; der Verf. theilt ihm den Zweck seiner Reise mit, 200; Pass von ihm ausgestellt, 211. Todesstrafe, 11.25; in Arabien selten, I. 134. Töpfereien in 'Oman, II. 375 Turki-ebn - Sa'üd, II. 57; seine Ermordung, 64. Türken, ihre religiösen Grundsätze, I. 69; Einfluss auf die Cultur, 175. Wadi Faruk, II. 136. Wadi Serhän, I. 14. Wahhabiten, Sekte, Grundsätze ihrer Regierung, I. 316; Stifter der Sekte, 363, 371; seine Familie, 379; Zeloten, 407 ; Eigentümlichkeiten , 445; tAr Einfluss auf die arabische Sprache, 463; Aetne strengen Beobachtet mohammedanischer Gebr'äuche,225; in Hä'jel, 176,202; hassen die Europäer, 113; die Derwische, 263; die Christen, 264; Bauart der Moscheen, 265; lÄr Reich und Regierung, 83, 284; 11.75; i'Are Verbündeten, 78; aVe Beduinen, 78, 84; Bevölkerung und Contingente, 84 ; Reaction gegen d. W. in 'Oman, 170. ir«sser, Brunnen in der Wüste, I. 28; Schekik, 87; Qi/eiVen, 233; fleu-nfsse-rungskunst 304; schlechtes Wasser, 340; Aei« Mangel in Neged, 450; heisse Quellen in Hasa, 11.154,176; bei Hofhüf, 174; Cisternen in Ling'a, 289; Bewässerung in 'Oman, 360. IFastr, I. 330. Wein, warum verboten, I. 427. JFüsfe, I. 94; II. 133; .fteise t'n der W., 1.12, 91; Wüstengürtel Arabiens, 19; Pflanzen in der Wüste, Samh., 29; Ghada, 38; Brunnen in der Wüste, 11 , 28, 135; (s. aucA Dahna und Nefud) Zamil, Teläls Schatzmeister ,1.111,198. Zawoer'ei, II 271, 267. Zeloten, s. Meddejji. Zodiakallicht, 1. 314. Zoologie, Straussen, 1.43; Skorpione, 44; ./Vene, 334; Hasen, 3.0; Insekten, wenig in Arabien, 355; Schlangen, Lamartine's Erzählung, ibid ; Schafe in Neged, 450; Rindvieh, 451', Wild, iöl; (s. auch Kameele, Pferd.) IN / di'Ji oder/l'sln////. /.' Iteläls Jlesidatz. 2. U-r/hfi. J. freier J1afc. '/. Iic/senj/ii/i. ,UJ. OiiartierJtc/g'ifa/t. l>0M.ä ftui/'/irr AI/ 'dl/t er. /.' Jfose7iee. 6'. Jfat'ifsa 's. Baas. - ~- —— & SSd-17t0r,lK#jiadi Myed.'' • {/ ÄlJivdJ7/iv; Uly nae/t J/eAir/u.: .(Um/// J&bäa ' ' \ II.II.IIJ/. J7n>/;: /SjeJZJXJestiutysynifr// znjttljieil //dl ffäka. 12. A'o/ttWJier Hügel und alles dort. -Ii. Fort'di'/io/e/r/i. U.A'üizel/isle/tender Hügel und Far>t.: V /' c 13 Of 7