T agebuch einer Reife a u f d e n bis dahin unerftiegenen Bcrg Grofs- Glokner an den Gr&nzen Carntens, Salzburgs und Tirols im Jahre 1799. Befonderer Abdruk aus des Freyherrn von Moll Jahtbiichern der Bcrg - und Hiittenkunde. Mit I. Kupfert, und i, Vignstte. Jamqne voians apicern et latera atriua cer nit Atlantis duri, coelum qui vertlce fulcit: Atlantis, cinctum affidue cui nubibus atris Pini Terom caput et vento pulfatur et imbrij Nix liumeros infufa teglt : tum flumina rnento praecipitant fetiis , et glade riget liorrida batba. Hit primum paribus nitens Cyllenins alis Conftitit. Vir g, /Eneida B. 4 , 246. : -Vi! erftiegenen Berg Grofs-Glokner Granzen Karntens, Salzburgs und Tirols im J a h r e 17 9 9* Unter den fur die Phyfik der Erde wichtigerr Begebenheiten des 211 Ende laufenden I 8 ten Jahr- A hun- hunderts verdient auch das Unternehmen, die Kup- pe des wegen feiner aasnehmenden Hohe und fel- tenen Form weit umher beriihmten' Berges Grofs- gloknsr zu erfteigen, feinen Plaz. Es waren bisber nicht nur von Naturfori- ■ fchern aus verfchiedenen Landern mehrere, je- desmal fruchtlofe, Verfuche gemacht worden. Selbft die Bewollner der Hohgebirge Karntent und Salzburgs , vermochten es bis jezt noch nicht, ihrea fanft des Kletterns gewohnten Fufs auf die Spize diefer machtigen Felspiramide zn fezem Muth und Krafte waren, immer fchon erfchopft, als man kaum noch die Haifte diefes furchtbaren Berges hinangeklimmt warj daher hielt man auch leine Befteigung zU al- len Zeiten fiir fchlechterdings unmoglich. Das Jahr 1799 losie auch diefen Knoten. Faft zu derfelben Zeit, als die fiir unbe- zvringbar gehaltene Fefte Mantua von den Oefterreichern wieder erobert ward , erklet- terte man auch den noch nie bezwungenen Grofs - Glokner, und befefligte auf der Spi¬ ze deffelben z um bleibenden Denkmale ein eifcrnes Creuz* Das Unternehmen war mit fchvveren Vor- bereitungen, mit grofler Anftrengung, und vie- len Koften verbuiiden, Vielleicht \vare es fiir immer unterblieben, hatte nicht des Fiirftbi- fchofes von Gurk (aus dem fiirftlichen Hau- fe von Salni - Reifferfcheid ) unternehmender Geift die Balin gebrochen. Schon lange hat¬ te diefes Felfen - Wunder die Aufmerkfamkeit des Fiirften, eines innigen Verehrers der Na* tur , Ufid ilirer groflen Werke rege gemacht. Die Gfiter diefes Ftir/len, feine Gewerke, feine Refideiiz zu C/agenfurt enthahen eine Fiiile VOn Denkmalen, die fiir feine Kennt- niffe, und fiir fein 'Wohlbehagen an Selten- heiten der Natur und der Kunft entfcheiden, Immer ward bei dem Anlaffe def bifchoflichen Vifitationsfeifen in jene Gebirgšgegenden auch eine Wanderung auf diefen Berg gemacht, obfchon er rings umher mit weitlauligen Eis* feldern und Gletfchern , die uberfezt WerdeiJ muisten, umgeben ift, Die Behauptung del* GebirgsbeWohner) dafs die vollige Befteigung des Berges umnoglich fey, fchien fich jedesmal zu beftiittigen. Doch nichts lahtnte den Feuereifer des Fiirften. Die Groffe der Sehwierigkeiten war ihm jedesmal A 3 ein etn neuer Sporn zu Unternehmungen, und allzeit kam er mit neuen Planen zuruk, die endlich mit dem erwiinfchteften Erfolge ge- kront wurden. Bevor wir der Vorbereitungs - Anftalten er- wahnen, wolIen wir von der Lage des Berges, und feiner Figur vorliiufige Kenntnifs geben. Der Grofsglokner liegt an dem aufierften Ende des MiiUthales, und begranzt zugleich Kdrn- Un , Tirol und Salzburga Wenn man ihn auf jener Seite, wo es allein moglich ift, ihn zn befteigen, gerade vor fich hat, fo nimmt man eine Kette von Felfengebirgen gewahr, welche die Provinz Karnten auf die natiir- lichfte Art zu umfaflen fcheinen. Am Schlufle diefer Felfenkette , dort, wo der Winkel am fpizigften ift, erhebt fie fich zu einer Erftaunen erregenden Hbhe. Hier fteht der berufene Berg, dem Anfcheine nsch frey, ohne Verbindung mit der langen Reihe min- der erhabener Felfengebirge. Aber nur fein gevvaitfames Emporfteigen erregt dieie Tau- fchung; denn er fchliefst fich mit fei.ier Bafis an dsefe an, und die niedrigern Bcrge bilden gleichfam lein FufsgejfielJ, Der Name Glokner, oder Grofsglokner ward ihm febr pafiend gegeben, Wirklich hat er die Geftalt einer Glolte, nur lauft er ungleich fpiziger zu. Auf feiner Kuppe ift er gefpal- ten. Zvfn r wird man diefe Kluft in der Entfernung nicht gewahr; in der Nahe aber eritdekt man zwei Spizen , wovon die hohe- re fiidvirarts liegt. Bisher hatte man ibn lmmer nur vort der Pafterze aus, einer Alpe, welcher fchon der beriihmte Botaniker B. von Wulftn erwahnt, zu erreichen gefucht. Aber immer legten fich zwei uniiberwindliche Hindernifle in den Weg. Ein mehr als 4 Stunden langes Eisfeld reicht faft bis zum Fuffe des Berges; aus ihm fteigt plozlich der ungeheure Jiahle Fels faft fenk- recht empor. Hatte man nun auch mit vie- ler Miihe den Weg iiber das lange Eisfeld zuriikgelegt, fo ftand man erft an der Ferfe des unerfteigbaren, Schauder ervvekcnden Fel- ies. Eine andere Schwierigkeit ■fcrar die all- zu grofic Entfernung von den lezten Woh- nungen, lelbft von den hochften Alpenhutten. Ware auch der Berg von diefer Seite, feiner Steilheit wegen , nicht uncrftcigbar, fo miifste dennoch die hochft befchwerlicbe Reife von 9 bis 9 bis io Sčunden iiber nakte Felswande, und grofstentheils uber Eis und Schnee oh n c Obdgch z«m Ausruhen, und bei dem faft be- fiandigen ^etter-Veehfel auf diefer Hohe ichon fiir Ceh allein noch vor Erreichung des Zieles die ruenfchlichen Krafte erfchopfen* Diefer Umftand bewog den Fiirften, einige dortige Gebirgsbewohner auszufchiken, um ei- nen minder befchwerlichen Zugang auf diefe Gebirgskuppe ausfodig zu machen, und —- wenn diefer gefunden \vare — etwa auf der Halfte des Weges eine Hiitte zu bauen, Ins- befondere hatte Herr Bergrath Dillinger zn Clagenfurt, ein feiner vieien dem Hofe gelet- fteten nfizlichen Bienfte wegen in allem Be- trachte verehrungswiirdiger Mann fehr Vie- les zn diefetp gluklichen Entfchinfle des Fiir- ften beigetragen* Der Anfchlag gelang volikommen. Unčer der Apleitung und Mitwirkung des Herrn Pfle- gers Jof. Kuffian in Grafskirckheim (gegenwar- tig Salzburgifchen Hofkamnierraths, und Re- ferenten bei der Deputation £uswarfiger Herr« fchaften) wurde wirklich ein, zv/ar immer noch fehr befchwer!icher, aber dennoch mog- licher 1 licher Zugang entdekt. Man hatte m diefer miihe - und gefahrvollen Unterneliraung ?wei beherzte Bauern aus der h. Blutsr Pfarrei ge- Beide heiflen von [nun an als erfte Bsfteiger des Berges die Glofaur. Beide fan- dcn denfelben, und wie man bis jezt uber- zeugt ift, einzig moglichen Zugang. Ben er- ! flen Verfuch macbten fie am 15. Jun. des lau- fenden Jahres 1799. Sie kamen diesmal fehon bis eine halbe Strnade vom Gipfel des Berges. Hier iiberfiel fie ein unerfrSglich - heftiger kalter Sturmwind mit Scbneegeftober, fo, dafs fie umkehren mufsten, Einem von ihnen er- I froren auf diefer Hohe die Zehen. Der J zweitc Verfuch WUrde von denfelben ritftigen Mannern im darauf folgenden Monate, am ; 23ten Jul. gemacht , -wobei fie infoferne ||j gliiklieher waren , dafs fie mit Beibilfe eines 74 Klafter langen Seiles, welches fie hie und da befeftigten, um eine Viertelftunde in die Hbhe Vorfchub gewannen. Sie fanden aber, dafs zur volligen Erfteigung des Gipfels eine etwa 7 bis g Klafter lange Leiter erforder- lich ware. Da ihnen, nun diefe fehlte , und fie iiberdiels wieder vom Sturm iiberfallen | vvurden, fo konnten fie auch diefsmal ihr I ffi I Ziel nicht ganzlich erreichen- In- Indeffen iiberzeugte man fich dennoch von der Maglichkeit, des Glokmrs hochfte Kuppe zu gewinnen. Und nun fchritt man auch fchleu- nig zur Erbauung der Hiitte. Wer immer diefe miihevolle, aber unaus- fpreclilich lohnende Bergreife machen follte, wird geftehen miifien, dafs man kaum einen bequc- mern Plaz fur die Hiitte ausfindig machen konnte. Sie fteht \veit iiber der Halfte des W eges; denn man reitet vom lezten Dorfe Heiligenblut aus beinahe 6 Stunden , ehe man fie erreicht. Von ihr weg kann man nur mehr 3 mafsige Stnnden bis zur lezten Hd- he des Berges rechnen. Bedenkt man aber, dafs jezt erft im eigent- lichen Sinneder halsbrecherfche Weg uher ftates Eis-und fchneidende Felfengrate beginnt, wo- zu erneuerte Krafte erfordert werden, fo mufs man bekennen, dafs fie da ungleich z\vek- mafsiger angebracht ift, als es auf abgecirkel- tem halben Wege gefchehen vrare. Es ift dielš ein Umftand, den die beiden Glok- ner in Anfchlag gebracht haben mochten , da fie anfanglich den Plaz zur Hiitte fogar noch ei- ne 9 ne gute Stunde hsher \vahlten; auch bereits die Baumaterialien an diefer erhabenen Stelle verbereiteten. Aber der Boden war hier mit undurchdringlichem Eife bedekt, und fle mufs- ten den Bau an einer Stelle aufgeben, wor- auf fie mit aller Anflrengung nicht bis an die Oberflache der Erde eindringen konnten. Zu Ende Julius ftand fie bis zur Bewohnung fertig da, diefe niedrige, aber hochft merkwiir- dige Hiitte, und nun bereitete fich der Furfi: mit feinem Gefolge zur Reife. Leider hatte man verfchiedener Hindernifle wegen die ein- zigen folch - einer Unternebmung giinftigen Tage des laufenden Jahres verfaumen miiflen. Es wurde daher erft am l6ten Augufl: von Clagenfurt aufgcbrochen. Dienothigen mathe- matifchen Inftrumente (fie wurden getragen), Gerathe , Fuhr - und Reitpferde waren einige Tage friiher vorausgegangen. Datrals kannte das ganze Gefolge keinen andern ’W r unfch, als nar den giinftigen Wetters. Alle Augen- blike \vard aus den TVagen nach den Gip- feln der Berge gefehen, um gute Anzeigen zn entdeken. Man hoffie —- minfehte — fiirchtete; aber kaum noth war die erfte Poft- IG PoMation zurhkgelegt, als fich fchon hefti* ger Regen emftellte. Mochte es (fagte jezt einer), fo lange wir au£ ebenem Lande rei- fen, fturmen, Was es nur kann, damit es dann heiter werde } wenn wir uns auf dem Berge befinaen ! Wir reisten 3 Tage, bis wir Heiligenblut, dielezte Pfarrei an den Granzen Tivols und Salz- hurgs, etwa um 7 Uhr Abends errekhten, Einen ganzen Tag waren wir in einfpanni- gcn kJeinen ofFnen Wagelchen gefahren; denn diefe find auf jenen engen fteinigten Holwe- gen , die fich groflentheils dicht an dem fehr reifienden Moliftufie hinziehn, und an man¬ eken Stellen durch das hereinhangende Ge- ftrauch noch mehr befchrankt werden, die ficherften. Unfer Weg fiihrte uns durch Do - lach , einen durch die von dem vorgedachten Bergrathe Dillinger auf Rechnung des 'Hofes angelegte Zinkfabrik neuerlich merkwiirdig ge« Vordenen Fleken * ) Da es von frfihem Morgen bis an den Abend faft ununterbrochen geregnet hatte, fb waren wir bei *} diefer gahrbiicbef 4. B. I, Lief. S, 174 — 175. dvim. d. H. II bel unferer Ankunft alle durch und durch traufend nafs, Ueberhaupt war das Wetter \vahrend diefer 3 Tage gerade fo, wie wir es wohl am wenigften wiinfchen konnten ; es gab uns die ungiinftigfte Ausficht, Zwar hatte es viel geregnet; aber immer noch zu wenig fiir unlere Abfichten ; denn noch im¬ mer erhob fich nicht jener ^^ind, vcelcher, wenn heiteres Wetter eintreten foll, vom fi> genannten HeiligenbluUr - Taitern herblafen mufs. Umfonft fehnte fich die Caravane nach j ihm, fo eindringend anch die Kalite ift, die j er gewohnlich mitbringt. Daher hiengen noch Immer die triiben und fchweren' Wolken am Horizonte, die uns unfer Schikfal nur zu deutlich vorherfagten , und uns nichls anders, als Schnee und Eis, und fiirchterlicije Sturme ? und erftarrende Kulte verkiindigten. Am 1 g ten Abends, als wir fchon zu Heili- genllut eingetroffeit waren , kentite man noch i keineSpurvon unferm Berge entdeken; da doch fonft bei helierem Wetter von dcr Gafie ne- j ben dem Pfarrhaufe weg fein Anblik fo fchon ift. Uebrigens ift er auf dem ganzen We ge hieher nirgends fichtbar; auch nicht bei dem j heiterften Himmel, auffer einer Stelle, eine I halbe halbe Stunde voti Heiligenllut , wo fich eine Heine Fl&che offnet, in der die Kirche Po¬ korn fteht, Doch wir haben ja eine Hiitte , die nns gegen alle Ungemache der Witterung fchiizt, und in welcher wir ruhig eines heifern Tages harrtn konnen—! So trofteten wir uns, und in diefer vertraulichen Stimmung machten wir noch ara nSmlichen Abende Anftalten zur Rei- fe auf den Berg. Jeder fuchte die von ihm mitgebrachtcn Gerathe zum Klettern , Fufs- und Knie - Eifen, den langen Stok mit der ei- fenen Spize etc. aus den Wagen hervor. Zu- gleich wurden Pak-und Reitpferde beftellt, deren wir 13 nothig hatten. Proviant aller Art, auch eine Handapotheke, und das fo unentbehrliche Fafschen Wein wurden dabei nicht vergefien. Des andern Tages mit dem fruheften Morgen gieng es ans Aufladen. Es war da ein Treiben 'und Eilen , wie in ei- nern Hafen, \vo fich eine Flotte in See zu gihen anfchikt. Bis alle Pfcrde, deren e nige erft von den hochften Alpen herabgebraeht MVerden mufsten, und die nothigen Trager alle verfammelt, bis fie dann beladen waren , vergieng der Morgen. Endlich um 10 Uhr rnach- i3 machten wir uns insgeiammt auf, und be- gannen unter Segensvviinfchen der zuriikge- bliebcnen guten EinWohner von Heiligenblut, die ihre Sorgfalt fiir uns auf eiue fur jeden unvergefsliche , theilnehroende Art zu erken- nen gaben , den Zug. ' V '' # Nebft dem Fiirften machten noch 9 Perfo- nen den Weg bergan zu Pferde, und dieganze Caravane beftand in 30 Kopfen, worunter 19 Bauern waren. Jeder derftlben, welcher ein Pferd zu der Reife vermiethet hatte, trat ihm vor , oder begleitete es; die iibrigen wurde» als Trager gebraucht. Froher Muth herrfch- te durchaus; auch der Tag war fehon, und bald fah fich die Gefellfchaft genothigt, der 1 brennenden Hize wegen die Oberkleider ab- aulegen. Unter denen zu Pferde befand fich keiner, der nicht fehon dfter fo einen Rite auf Berge ge- macht hatte. Es war alfo auch keinem un bekannt, dafs man fich nur der Pferde aus der Gegend, die diefer Weg® gevrohnt find, mit Sicherheit bedienen konne. Wir mfiften hier diefe vielfaltig befižtttigte Wahrheit fi-r jene, die et\ya nach uns den Glokuer beftei- gen gen wollen, gelegentlich in Eriniierung brin- gen. Dais es ja keiner wage • mit eigenem* oder was immer fiir dnem andern Rofle, das nicht aus diefer Gegend ift, hier bergan zu rei- ten! Schreklich ift der iiber welchen da der Reiter hinan mufs* Niemand wiirde es glauben, der es nicht mit eigenen Augen fieht, wie man da iiber beinahe blanken Fels, und noch dazu bergan und bergab auf diefen traulichen Thieren dahin wallt; obfchoii hier felbft fiir Fufsgeher, wenn fie nicht geiibte Bergfteiger find, faft gewifle Todesgefahr ift/ der auflerft fchmalen Steige, die das Aug, ■\yenn man gerade vor fich blikt, oft nicht einmal zu unterfcheiden vermag , und der gewohnlich nur mit einigen fchwankenden Baumehen belegten Hoiwege gar nicht zu ge- denkeu. Dennoch find wir mit diefen Pfer- den gut fortgekommen, Nur ein einziger aus der Gefellfchaft hatte ein kleines Abentheuer. Er ritt eines der ftarkern Rofle, und wolk’ es verfuchen , daflelbe nach Regeln der Knnft zu behandeln. Diefes mislang ihm aber fo fehr 5 dafs er fiir diefsmal feiner Reiige- lehrfamkeit gertie entfagte* Jedem ift es zu rathen, fein Pferd grdfstentlleils nur fich felbft ruhig zu iiberlaflen, und fich aufler einer tnanch- manchfflal nSthigen Lcitung links und rechts, odef eines naehdriiklichen Zurufs , wenn ein befonders gehihrlicher Poften zn uberfezen ift, nieht weiter darum zn bekiimmern. Leute, die ofter der Schwindel befillt, dfir- fen es durchaus nicht wagen, diefen Weg, auch nicht einmal eine Stunde weit von H. Blut aus , zu Pferde*zu macheti, Sie waren in der hochften Gefahr, durch hundertfache To- desangft gequalt, endlich unwillkiirlich , viel- leicht wohl gar in unermefsliche Tiefen von ihren Satteln herabzuftiirzen. Diefer furchtbarenVorftellung \yegen Ward auch bei diefer Gelegenheit mit Aufwand ein an- derer Weg, und zwar iiber die Gosnizalve, WO in alten Zeiten ein fehr reiches Goldberg- werk beftanden hat> zubereitet* Aber diefe neu angelegte Bahn war volle zwei Stunden langer , und unfefe Fiihrer fahen , dafs wir nicht kopffcheu waren. So nennen die Ein- gebohrnen das Sch\vindlichtfeyn, und glauben, es miifle hier wohl ftberhaupt al!en Stadtern fchwindeln 4 Sie hatten fich bis dahin uber- zeugt, dafs wir auch fiir die ubrigen gefahr- ljchern Strcken Muth genug hatten. Ais Als wir nun an die Stelle geriethen, wo fich die 'W'ege fcheiden, und wo wir in den neuen Pfad tiber die Gojsniz einleiten follten, fragten fie uns, ob wir wohi nicht denfe.ben Weg noch weiter fortfezen \Vollten? Andiefe Wegfcheidung kommt man, nach- dem man fchon mehr denn eine Stunde, und zwar immer fehr fleil bergan geritten hat, Da wir fchon einige der gefahrvolleren Streken gliiklich zuriikgelegt hatten , und izt in Er- fahrung brachten, dafs der neue Weg fo be- traehtlich weiter fey, fo entfchloflen wir oh- ntf* Vide Ueberlegung, auf dem alten Pfade zU bleiben. Es ift wohi zu bemerken, dafe hier immer noch von dem Wege bis zur Hiitte die Rede ift. Grofe find hier die Gefahren; aber fie find gegen diejenigen fiir nichts zu rechnen, die man erft von der Hiitte weg gegen die Spi- ze des Rerges befteht. Indeflen findet dar Freund der Natur fchon auf dem Wege bis zur Hiitte feine Muhe taufendfaeh belohnt. Es gibt da eine herrliehe Augenweide, ein? Manchfaltigkeit dei; Gegenftande, die den auf- merkfamen Forfcher in ftater Befchaftigung er- halt. Falt. Hier ein prachtiger Waflerfall, dort e in Felfengcbaude, als war 1 es durch Kunft, \vie Mofaik , zufamrriengefiigt, bald wieder auf der einfamften Hohe cine Gr ;ppe von Men- fchen, die d as kleine, kaum liber dre Erde auf* fchieflende, aber zur Futterung uniibertrefliche Gras forgfaltig fsrrsmeln. Die Alpe n felbft mit Biumen und Pflanzen von den fchor.flen Farben, und den lieblichften Woblgeriichen gleichfam bedekt. Finem Naturforfcher, der auf diefem Pfade zu Fufs dahin fchlenderte, miifste ein Tag, wie wenige Augenhlike, verfchwinden. Auch wir, fo felir wir jezt Eile hatten, konnten doch Florens Reizen nicht widerftehn. Wir lieflen uns durch die den Pferden ftachfolgenden Bauern Biumen pfiuken , unter denen uns vorziiglich das be- fcheidene Satyrium nigrum durch fein Viele von der Gefdlfchaft I konnten es zu Pferde nicht mehr ausdauern ; j fie marfchirten wechfelweife. zu Fufš. Jch j leide noch jezt wenn ich daran denke, was || \vir hier ertragen mufsten, und vvie ewig lang uns der Reft des Weges diinkte, Dazu half floch der Umftand, dafs man von der I Hikte II •aa i Hiitte nichts, durchaus nichts fehen konnfe, bis m*n ihr auf 30 Schritte nahe gekommen War, Plozlich erfdballte cin freudiger Aus- ruf. Er kam vom Fiirften, der immer vor- aus war. Rafch blikten wir auf, und fan- den uns jezt an der Hiitte. Es war aber auch fchon Schlag 4 Uhr Nachtnittags. Wir folglich von H. Blut bis zur Hiitte 6 Stunden geritten, ohne wegen des fchrek* lichen Gewitters, das uns iiberfiel , nur eine Minute lang ausgefezt zu haben. Unfere Freu¬ de war unbefchreiblich, als wir bei diefem Alpen Pallafte eintrafen. Es war aber auch die hochfte Zeit, irgend ein Ziel zu errei- chen , wo wir uns von dem ausgeftandenen Ungemache erholen konnten. Hatte der VVecli- fei von Hize und Kaite und Regen und II a- gel und vo’m Gewafier auf allen Seiten noch langer gedauert, gewifs, wir hatten den bit- tern Marfch nicht ohne Invaliden gemacht. Bei dem erften Eintritte in die Hiitte liber- reiehte Hohenivart dem Fiirften einen Straufs aus den artigen und wohlriechenden Blurnen einer Primula. Er dank^g ihni dabei in einer Jiurzen, aber zierlichen lateinifehen Anrede iti feinem und aller Naturforfcher Namen dafiir, dafs nun durch feinen Muth und' Freigebig- > keit 23 keit das virohlthatige Obdach £ur Alpenberei- fer auf diefern erhabetjen Puncte der Erde ftehe. „Tibi, qui prirnus viaiu aperis, finf primulae!“ Diefe offcntlicbe Dankrede fchikte fich audi fiir nicmanden beiTer, als fiir Hrn* v. Hohemvart. Fiir ihn mufste diefe Reife vorn grofsten Intereffc feyn ; denn er ift im wah- ren Verilande Naturforfcher, und wiedrnet feine Nebenftunden einzig diefer Tchonen Be- fchaftigung. Von jelier geniigfam an feinem Tifche, brachte er ein anfehnliches phyficali- fches Cabinet, eine reichhaltige Sammiung von j Mineralien und Pfianzen zufammen. Aber nicht wenig waren wir dnrch das Gebaude felbft iiberrafcht. Wir trdilen es zur t Ehre derjenigen iagen, die an dem Balte Theil hatten. Es iibertraf alle unfere Ervrartung* 1 Wenn man bedenkt, dafs jeder Baum, !| jedes Brett, kurz alle Baumaterialien G Stun-1 dcn weit hinaufgetragen , oder auf Pferden 1 gefaumt werden mufsten, fo ifl: diefe Kiitte JI gewifs ein auflerordentliches Werk. Man I kann auf die Koflen defielben fchlieften, wenn 1 man man z. B. in dem Bauanfchlage liest: “5 Bun¬ de Stroh zu 5 H r > bis zur Hiitte 1 fl.“ Das Gehaude ift nicht, wie eine gevvohnli- che Alphutte-, nur nachlafsig geblankt. Es fteht feft, iiberall gut gefcblofien, 4 0 lang, 2 q breit, 1° hoh, mit ordentlicbem Dachituhle , und gezimmerteni Oberboden da. Sein Inncres be« fteht aus 3 Abtheilungen, die mit Thiiren ver- feben find. Es bat etne eigends angebaute Kii- cbe, und an jener Auffenfeite die der Spize des Glokners zu liegt, und wo der Anfall des Windes arn heftigften ift, dekt es bis iiber das Dach ein unzerftorbarer Wall von Stei- nen und Schutt. An der Vorderfeite liegt ein fehr geraumiger, beinahe ebener Plaz, auf dem fich nur fparfame Steine und Felfentrum- mer zeigen, Mit einigen Pfunden Pulvers wa- ren auch diefe fortgefchafFt, und man hatte die fchonfte Terraffe, auf der man in war- men Somtnernachten febr angenehm campiren konnte. Die Ausficht von dielem Plaze in einem ziemlich geraumigen Kcflel ift offen ge- nug. Man fteht nur defshalb die Hiitte nicht fruher, weil fie uber einem Abhange hinter der obenervtrahnten Terrafle liegt. Abwarts hat man gerade vor fich das Gebirg Zinkiz- kopf , zur Linken den Karlkopf , iiber wel- ehen 25 chcn hin die Pajlerze , zur Rechten den !an- gen IVandkopf 0 hinter welchem Tirol liegt, Unfere erften Blike flogen auf den Glok * ner hin, den wir auch aus einem Fenfter der Hiitte fehen konnten, Aber diefer war jezt ganz in Wolken gehiillt. Unfer angele- genrtes Gefchaft \var daher, Feuer zu ma- chen. Wer nur konnte, wechfelte Kleidung; doch die Wenigften hatten trokene Kleidung bei fich. Zum Ungliike war durch ein Ver- fehcri auch des Strohes zu wenig, und felbft diefes wenige nafs. Das Flolz zum Feuern muiste aus dem Schnee hervorgezogen wer- den, und es rauchte mehr, als es hizte* Un¬ fer Zuftand war daher lehr bitter. Heine an- dere Wahl, als entweder in dem durchnafs- tcn Gev/ande auszuruhen , oder bei dem Feuer- herde durch den von Sturm vnnd in VVirbel getriebenen Rauch fich Strome von Thranen aus den Augen prefien zu laflen. Es war in der That ein rtihrender Anblik, den ehrwiir- digen 72jiihrigen Greis Baron v, IVulfen in feiner gewohnlichen Toga , von wdcher das Waffer abtraufte, auf einem Hutvoll Hobel- fpane, die noch vom Hiittenbaue zurukgehlie- ben waren, ausruhen zu fehn. Hiitte fich die¬ fer fer fromme Weife nicht von Jugend auf ab- gehiirtet, er wiirde diefen Zuftand nicht ertra- gen haben. Es gieng, Gott Lob! dem unge, achtet noch alles fo ziemlich gut. Keiner er- krankte. Der Koch des Fiirften, der goldne Koch, jfofeph Karg, ihn miiflen wir nennen — ihm gebiihrt diefe offentliche Huldigung der Dankbarkeit; — denn er weinte fiir uns in feincr rauchenden Kuche, und bewirthete uns unter Stromen von Zahren fo koftlich, als fpeifeten wir in des Fiirften Pallafte zu Clagenfurt. Karg bereitefe fchnell ein trefli- ches Abendmal, das uns auch auf dem har- ten Boden, auf welchem wir uns neben dem Fafschen hinlagerten, herrlich fchmekte. Auch in der Folge unfers Aufenthalts, afs man da fo koftlich, als man vielleicht noch nie auf einer Alpenhiitte gefpeift haben mag. Mit unfern Vorrathen aller Art vom Brode bis zur Ananas befanden wir uns fo gut, dafs wir uns nicht zvvifchen den Gletfchern des Moll- thalSf fondern in die iippigen Gefilde Cala- hriens verfezt zu feyn fchienen, Obfchon wir fehr ermudet waren, fo wurde dennoch der Reft des Abends bis Mit- ternacht am Feuerherde unter Gefangen und Scher- 27 Scherzen z]jgebracht. Wir thaten diefes mit Vorfazj denn da uns fiir die erfte Naeht nichts anders bavorftand, als auf dem harten Boden za fchlafen, fo befchloflen wir einmiithig, fo lange auszuharren, als wir die Augen offen halten konnten. Wir hatten daran wirklich fehr gut gethan, Denn gerade um Mitter- nacht entwolkte der GLokner fdn ehrwiirdi- ges Haupt, nnd liefs uns feine vollige fferr- lichkeit bei hellem Mondlichtc das erftemal auf unferm Wege dahin befehauen. Auf diejenigen, die ihn jezrt das erfte=» mal^jfahen , machte diefer Anblik einen fon- derbaren, fiir unfern damaligen Zufiand, wo der Korper fo fehr der Ruhe bedurftc, gar nicht erwiinfchten Eindruk. Seine unerwar- tefe Hohe wirkte machtig auf fie. Keiner aus der Gefellfchaft hatte jetnals etwas gele- hen , das er mit diefern Bilde, vergleichen konnte. Im Mondlichte riikte uns die ge~ waltfame Felienmafie lo nahe, dafs man fie mit einem Schritte erreichen, und oline viele Miihe erfteigen zu konnen fchien. Diefe Tau- fchung erfullte die Phantafie vieler aus der J Caravane einzig mit Bildern vom Glohner, ! welche die ganze Naeht hindurch ihr lebhaf- tes 28 . tes Spiel trieben. Beim Erv*achen bekannten fie 5 iie waren wie die Engel auf Jacobs Lei¬ ler unaufhorlich auf - und niedergeftiegen , und fiihlcen fich davon fogar ziemlich ermii- det, Uebrigens hatte eben diefe Ermiidung ei- nen fo ziemlich erquikenden Schlaf iiber uns ausgegoffen. Des andern Tages, am 2oten machten Wir uns fehr fruh auf, um den Berg zu befteigen. Allein auch die kiihnften unter den Bauern zauderten jezi; denn es blies cin durehdringender Wind, der, \vie fie behaup- teten, auf der Spize des Berges fchkfhterdings nicht auszuhalten feyn wiirde. Wir blieben daher, und harrten auf beflere Witterung; aber der Tag endete, wie er angefangen har¬ fe. Inzwifchen hatten wir, fobald es den Anfchein ge\vann, dafs unfer Aufenthalt hier langer •dauern wiirde, die Vorlicht gebraucht, fchon friihe Morgens einige Bauern mit ihren Pferden uin trokenes Stroh und einige Eettde- , ken in das Dorf H BLut hinab zu fchiken. Sie kehrten auch noeh vor der Nacht wieder, und brachten uns, was uns fehlte 5 im Ue- berflufs, Zugleich hatten \vir unfere Baro¬ meter , deren wir noch 2 unverlezte bei uns hatten, nebft dem Thermpmeter ausgehangen. 1 29 Der am vorigen Tage gefaliene Hagel, und we»ige Schnee war indefs wieder zerflof- fen. Zum Theile hatte der Wind ihn zer- ftaubt. So ward es uns moglich, fo lange es Kaltc und VVind erlaubten, dss Stcin - und Pfianzenreich diefer Hohe zu unterfuchen. Einiger unferer Erfahrungen, deren Mittheilurig fiir jene, die nach uns diefe Reife zu machen Luft haben diirften, ron Wichtigkeit feyn mochten , z* B. liber Diat, Kleidung , Waf- fer, Beurtheilung des Wetters aus dem Gan- ge derWol 3 ien erwahnen wir am Ende die¬ fer Erzahlung. Jezt wo!len wir nur unfere Reife - Gefchiehte verfolgen. Am 21 ten blieben wir tief in unferem Strohgelage auf dem Boden der Hiitte begra- beji. Die ganze Nacht hindnrch hatte ein heftiger Wind laut und fchreklich um unfere Hiitte geheult, und uns ofter aus dem Schla- fe gewekf. Manchmal fiirchteten wir durch {eine Gewalt famt der Hiitte liber die Gipfel der Berge in den Abgrund gefchleudert zu werden. Alies didfs hatte uns fchon im voraus ei- nen harten Tag verkundigt. Troz allem dem folg- folgte ein redit munterer Morgen. Anf gu- tem trokenen Stroh, das wir in der erften Nacht ganzlich entbehrt, jezt aber im Ueber- fiufs hatten, war es uns fehr behaglich, Wir fariden uns insgefammt zu frdhSichen Gefpra- chen, und felbft zum Scherze geftimmt, Zwar brauste auffen noch immer der Wind; aber wir aehteten feiner njcht mehr, und beforgten von ihm niehts weiters fur uns febft, und fiir 'unfere Hiitte. Denn wir erkannten nun diefe 211 gul befeftigt, als dafs ein Wmdftofs fie aus ihren Angeln heben konnte. Im Ge- gentheile fiihlten wir, je mehr es ftiirmte, nur um fo inniger unfer Gliik, unter Dache, und noch dazu fo ,gut verforgt zu feyn. Zufalliger Weife gefchah es, dafs einer von dem Gefolge auf den freien Plaz .vor der Hiitte heraustraf. Hier bemerkte er denn ein herrliches Wolkenfpiel mit dem Winde. Wir werden des Wofkenganges am Ende noch weitliiu%er ervvahnen. Elier nur fo viel. Wir fahen bei diefer Gelegenheit, was getvifs nur wenigen ■ Menfchen zu fehen befchert war — einen der lebhafteften Kanipfe zwifchen Wol- ken und Winden. Man kann fich kaum čt¬ iv as fcbnelleres denken, als diefs Treiben und Fliehen der Wolken in ewigen Kr e; fen. 31 Diefes Spiel \var gerade am Glokner ara reg- ften. Voil Vervvunderung ftand der Beobach« ter hier , und ‘heftete lange in demiitbiger Stille feinen Blik auf diefes feltene Schaufpiel der Natur, Endlich nahra er vvahr, dalš der Sieg fich auf die Seite des al!gewaitigen Win- des lenke ; dafs diefer das fchvvere Wolken- heer aus dem Felde des Glokners fchlagen vviirde; und nun erhob er ein Zettergefchrey: „Heraus! Gefchwinde ! Alle heraus!“ Alle ftiirzten und taumelten nun aus der Hutte; viele hatten in der Eile vergefien, die Bettde- ken von ihren Schultern zu werfen; die Grup- pe vvar comifeh genug. Aber welch ein Trinmph! Der Giohier zeigte fich jezt in volliger Klar- heit. In dielem Kampfe der Nebel mit den fliichtigen Winden ward erbis liber feine auf- ferlte Spize von Wolken entkleidet. Es dauer« te eben nicht lange, fo nahm das Wk>lkenheer wieder fein voriges Feld ein. Da jedoch der Krieg zwifchen den beiden luftigen Maehteei noch langer mit abvvechfelndem Gliike fort- gefuhrt vvard, fo ward uns der hehre Berg in bfteren Zvvifchenraumen und immer deutlichcr fichtbar. Schon hofften wir, dafs das Spriich- wort, tra due litiganti il terzo gode, bei uns eintreffen \viirde , und macbten nun Anftalt, den den Glokner georaetrifch zu meffen« Uns , die wir fchon lange einem fchikiidhen Zeitpuncte enfgegen fahen , hiitte diefs einen der froheften Tage gemacht. Ailein kamn batte Hokemvart feinen Appar;;t hiezu aufgefteiit, als der Berg fich \vieder verbarg. Und fo wurden wir heut durch fcbeinbar giinflige Augenbltke in beftandiger unge*duldiger Taufchung erhahen. Anch fonft war nichts zu unternehmen; denn den ganzen iibrigen Tag hindurch blieb das Wetter gleich fturroifch , und unfer Be g mit feinem undurchdringlichem Wolkentnan- tel bedekt. Der 22ts war noch fiiirmifcher, als es die 3 vorigen Tage vvaren. Jezt fieng die Langmuth an von uns zu vveichen. So viele Gefahren hatten wir gliiklich befiegt — fo vieles Ungemach ertragen, und dennoch foll- ten wir unfer Ziel nicht erreichen ! Diefe Be- trachtung inachte uns in der That traurig, Unfere Klagen fiengen an Jaut zu werden. Mehrere, die fich aus dortiger Gegend an uns angefchloflen batten, waren icbora am vO' rigen Ahende entfchloflen , nach Haufe zu kehren. Sie \vollten Gch beute vvirltlich von uns trennen. Auch diefer Uiuftand, obfchon 33 er uns in unferra Vorhaben nicht wanken ma- chen konnte, war uns doch nicht gleichgiltig. Denn wer vveis es nicht, wie viel es zu Er- haltung frohen Muthes beitrage, wenn fich auf einer fo abgefchiedeneh Hohe, als wir uns be- fanden, recht viele, und darunter auch einige Menfchen Von frohiicher Laune zufaiumenfin- den? In diefer Lage ift jed r abgehenae Kop£ ein unerfezbarer Verlurft. "Dem Fiirften ver- fchwieg maii diefe beVorftehende Trennung — denn noch ihimet hatte tnan HofFnung, fie zu hindern. Auch ihn wiirde diefer Entfchlufs gekrankt habeh; doch hatte er feinen Gaften nie einen Zvvang angeiegtj, obfchon an Nah- rungsmitteitt noch Ueberflufš war. Wir tvuiš* teh uns auch in deh leztern Ta^en da gut zu helfen; detin , nachdem das Fleifch aufgezehrt war, lieflen vvir uns Von der nachfteh Alpe Schaafe zutreiben, die bei der Hi;tte gefchlach- tet \vurdem Von diefen erhielten wir die fchmakhsfteften Bcaten, die dem Fleifche von frifchen Gatnfen nichts nachgaben, Doch, die fich trennen uollten, tvaren wa- kere H/ISnner, die zu diefem Entfchlufle nur durch die Betrachtung gebracht werden konn« ten f dafs vielleicht noch mehrere Tage verftrei- C shea _ . . _ I chen diirften, ehe befleres Wetter eintrate, u n d fo lange erlaubte ihnen ihr Beruf nicht, abwefend zu feyn. Die Bauern, von denen man fagen kann, dafs fie eine Leidenfchaft haben , das Wetter vorherzufagen, fpracben jezt fehr entfcheidend, Abcr der Wind wechfelt auf diefer Hohe im- mer fehr fchnell, Und fo nahmen fie denn ih" re Meinung bald wieder zuriik* Einer aus ih- nen bebauptete zuverfkhtlich genug, um il Uiir wiirde der Sturm am flarkften wiithen; eber darauf gutes Wetter erfolgen. Wirk- lich brauste um diefe Zeit der Sturm am hef- tigften. Es warf zugleich haufigen Schnee, fo, dafs in kurzer Zeit die ganze Gegend, fo weit man fehen konnte, damit bedekt war. Was war nun zu tbun? Solite der Bauer Wohl richtig gevveiffagt haben? Moglieh ware es 5 dachten wir; deirn man hat auf dem platten I.unde die ziemlich zuverlafsige Erfahrung ge- macht, dafs Schnee auf hohen Bergen nacb lange anhaltender Nafle ein gewifTes Vorzei- chen heiteren Hiromels fey. Von nun an fafs- ten wir dsn Entfchlufs , den Berg noch heute zu befteigen, Wer weis, ob es uns morgert nicht nicht noch fclnverer wird, hiefs es, und wir j! konnen ja doch nicht immer hier harren. Wirk- lich horte es bald nach 12 Uhr auf zu fchneicn; doch wurde es um nichts heller, als es vordem war. Wir vertrauten darauf, dafs fich das Vetter wahrend der Zeit unfers Marfches auf- heitern wiirde. Wir berechneten , dafe es, wenn die Prophezeihung dcs Bauers eintreffen follte, geraae zur Zeit, da wir auf der Spi« ze des Berges ankommen \viirden , helle und klar, und uns von allen Seiten die Ausficht of- fen feyn komite, Nachdem wir nun ein miifsiges Mitfag- mahl eingenommen hatten, machten wir uns auf dcn Weg. Es war bereits 2 Uhr voriiber. In einer gefchlofihen Coldhne riikten wir aus. Voran 2 Baueru mit einer langen Stange, um den Weg zu fondiren; denn der neue Scbnee,' der nur kurz vorher auf den alten gefallen war, hatce unfern Marfch um ein nambaftes gefahr-1 licher geniacht. Er bedekte an vielen Stellen die Eiskliifte wieder, die vorher forgfaltig un- terfucht worden waren, Nebft diefen machti- gen Sonden \varen noch viele andere Gerathe. mit im Transporte, als Barometer, eine 7 bis 8 Kiafter hohe Leiter von Holz, ein grofler C a Tu- Tubus, mehrere Kleine Fernrohre, daš eifernc Kreuz, Strike von 60 bis 70 Ivlaftern, Wein, Fleifch und Brod, woran aber keiner Beha- gen fand , weil man faft fiir Kalte erftarrte. Etwa einen Flintenfchufs weit von der Hiitte ftofst man auf einen betrachtlichen Flau- fen von Steinen , die fich von den hoheren Fel- fenfpizen lofen, und auf diefem Plaze fammeln, Auf ihm konnte der Scbnee fich nicht fo lan- ge halten; aber dicht hinter ihm fangt fchon das ewige Eis an, und fo dauert es fort, bis an die lezte fenkrechte Felfenfpiz.e des Berges, Auch der Boden erheht fich hinter diefem Haufwerke fehr fchnell. Auf diefem fteilen mit Eis, und iiber diefem mit tiefem jungen Schnee beklei&eten Abhange konnte jeder Tritt nicht anders, als auflerfl: befchwerlich feyn. — Wdr wendeten uns von da weg rechts, ob- fchon der Berg links ffeht; denn geradezu kann man ihn nicht befteigen; man mufs ihn in die Seite nehmen. Die Bauern nannten es den Riiken. Auf einem folchen fchmalen Gra- te mufsten \vir aufwarts, Es dauerte ziemlich lange, bis \yir zum erftan Abfaze diefes Riikens kamen. Man nennt 5 ? aennt ihn die Scharte, weil hier der Fels ei- ne kleine Kluft hat, welche man iiberfezen mufs. Hier ift der Abhang auflerft fteil. Man fieht fich genothigt, auf allen Viercn zu krie>- chen. Zurn Ueberfiufs hatten fich kurz vor- her einige Felsklumpen abgelofet, die im tie- fen Schnee, der oft liber den halben Leib her- anreichte, liegen geblieben waren. Trat nun einer auf diefe Bruchftiike von Fels , fo glei- teten fie unter feinen Fiiflen hinweg, weilj unterhalb helles Eis war. Oder hatten wir! fie in Bewegung gebracht, fo, dafs fie fort- j rollten, fo kamen die unterften in Gefahr,l! zerfchmettert zu werden, oder auf’s wenigfte! ein Bein zu verlieren. Es war da in der That eine harte La- ge. Die Bauern , die fchon vorher Leiter und Creuz abgeworfen, aber dennoch auf herzhaftes Zufprechen beides wieder aufgela- den hatten, raunten fich untereinander in die Ohren, es vviirde gewifs von ihnen, oder! den Herrn einer todt bleiben. Zwei der lez- tern mufste man auch von hier weg heim-1 warts begleitcn lafien. Sie waren fchon zu fehr ermiidet; hatten fich aber auch zu einer folchen Reife nicht mit angemeffener Kleidung ver- 38 verfehen« Wir iibrige fezten unfern Weg weiter fort, und erreichten unter dem aller- heftigften Stiirmwinde, der uns den Sehnee von allen Seiten in die Augen warf, Hut und Kappen nahm, und dabei fo kah war, dafs der in der Luft herumgetriebene Sehnee zu formlichen Eiskiigelchen \vard — unter diefem fiirchterlichen Winde, bei dem wir kaum die Augen aufzufchlagen vermochten, etwa um 5 Uhr den Knopf, die lezte kahle Spize des Berges, Diefe konnte man nicht anders, als mit Hilfe eines Seiles befteigen. Schon einige Wochen vorher hatten die B mern die eine der hdchften Felfenfpizen zu diefem Ende mit einem Seile umwunden ; aber fie konnten damals die zweite etwas hohere Kup- pe nicht vollends erreichetn Wir iiberlegten hier , was zu thun feyn taochte. Zvvei grofle Hindernifie legten lich unferm ferneren Vorhaben in den Weg. Eines derfelben avar, dafs wir an allen Glie- dern des Leibes lo heftigen Froft fiihlten, dafs kaum eines derfelben noch aveiter feine natiirliche Bewegung machte, Die Kleider, die wir auf dem Leibe hatten , waren durchaus mit einer Eisdeke iiberzogen, die uns nicht we- a*Ksas«Mi 39 wenig Hindernifte im Gehen verurfachte. Wie follten wir in diefem Zuftande faft ohne Ge- fuhlj. ohne Empfindung , did doch zum An- fafien des Seiies, zum Klet tern langft deflel- ben fo nothweridig waren, diefen lezten, entfcheidenden Verfuch wagen ? Das zweite war die Beforgnifs, von der Nacht iiberfalien 2U \verden ; denn mehr, denn eine Stunde wurden wir, wenn cs auch gliiklich gegan- gen \vare , zugcbracht haben, bis wir an dem erften Seile hinan geklimmt waren ; dann mufsten \vir erft iiber die holzerne Leiter in die Tiefe der Spake hinab, und von da wie- der mittelft eines andern Seiies, das man erft j hatte befeftigen miiflen , die andere etv/as ho« bere Spize hinan« Hatte uns die Nacht hier iiberfalien, fo ware es um unfere Riikkehr in die Hiitte gefchehen gewefen. Denn wir fahen fchon jezt, dafs der Wind den alten und neuenl Schnee fortwehte, und uns fiir die Halfte der Riikkehr einen glatten Eisboden fchufF. Ue-m ber diefe aaflerft abfchiifsige Eisdeke voli Kliif- te — in deren eine fchon beim Heraufklettern , 1 Ilsrr von Hohenmart gefallen war, und nur; durch die Behandigkeit der Bauern geret;et wer- Vrerden fconnte — liber diefe Eisdeke den Riikweg zu nehmen, war fchon fiir fich ei- ne Sache, die wohl erwogen zu werden ver- diente. Ueber diefs alles hatte fich der Hitn- mel nicht im mindeften aufgeheitert, Wfr vvaren alfo auch des Vergniigens beraubt, das uns die Ausficht auf der Spize hatte gewah- ren follen. So muišten wir denn in dem Augenblike, wo wir uns fchon am Ziele un- ferer Leiden glauben honnten, der Gewalt der Umftande nachgeben. Unerbittfich \var unfer Verhangnifs, Gewollt, oder nicht, vvir mufsten die uniiberfteiglichen Schranken er- kennen, die uns fiir di.fsmal gefezt waren, Mit dem Entfchluffe, morgen friih den Berg aufs nejte zu befteigen, traten wir die Riik- kehr zu unferer Hiitte an. Doch \vollten wir vorher wenigftens den Barometerftand auf der erreichten Hohe wi(fen. Wir lieffen das Creuz und die holzerne Leiter an diefer Stelle nie’-« derlegen, und fchlugen einen Pfahl in das Ejs, um den Barometer aufzuhan r en, der hier auf 18" () //7 fhnd. In Clagenfurt vvar er an die- fem Tage 5 iV" Der Riikweg war, vvie alle einftimmig bekannten, weit befchvverlicher noch, als un¬ fer fer Klettern aufwarts. Denn der Wind hatte inzwifchen unfere Bahn ganzlich venveht. Je¬ der mufste bei jedem Tritte, den er maehte, zvveifeln, und fiirchten, ob er nicht der lezte in feinem Leben feyn werde. An der einen Stelle war der durch den Wind umhergetrie- bene Schnee hoh aufgethiirmt, an der andern glattes Eis. Beides verurfachte uns um fo mehr Schwierigkeiten , als uns die erftarrende Kalte alle jene Hilfsmittel von Haltung, Behandig- keit, Gleichgewicht, die ein fefter gefunder Mann aus lich felbft fchopft, geraubt hatte* Dazu mufste auch das haufige ftarkem Don- nerknalle ahnliche Krachen unter dem Eife, welches wir wahrend der Reife aufwarts fchon ofters gehort hatten, felbft den Kuhnften in einige Furcht fezen. Was konnten nns end- ljch auch die Fufseifen, womit wir verfehen \varen » niizen > auf einem Eife, das fo feft, wie Kiefel, war? So lange wir noch in Cla- genfurt waren, glaubten wir freilich , wir konnten nichts befTeres, nichts bequcmeres ha- ben. Aber wir kannten damals noch nicht die "Wege am Glokner, und brachten bei Anfchaf- fung unferer Eifen mehr die Becjuemlichkeit, als die Zwekmafsigkeit in Anfchlag, ^ir irr- ten (gerne bekennen wir es ); aber wer kann kann es wagen, uns defswegen zu tacleln? Wer das konnte , miilšte vor uns da gewe- fen feyn, wo wir jezt waren, und uns aus feiner Erfahrung Vorfichtsregeln fiir folche Bergreifen lehren. AVir werden in der Fol- ge noch Gelegenheit baben, hieruber zu fpre- chen. Hier fey nur fo vieles zur Steuer der ■Wahrheit gefagt, Wir wiirden entvveder gar uicht, oder wenigftens nicht ohne groffe Ver- ungliikung dcs Einen, oder des Andern vom Berge herabgekominen feyn, waren nicbtunfere Begleiter befler, als wir, mit ihren Fufseifen gegen Gefahren bewaffnet gewefen, Diefe mufsten uns wenigftens an den gefahrlichften Stel- len unterftiizen, wenn wir nieht felbft unfern Muth mit dem Leben bezahlen \yolIten. Auf diefem ganzen fur jeden von uns unvergefsli- chen Marfche war aufler dem Gebeule des Windes, und dem Knallen des Eifes kein Laut irgend eines Gefchopfes zu horen. Auch fa- hen wir rund um uns her kein Iebendes We- fen aufler uns felbft. Nur ein Schmetterling, den der Wind dahin verfchlagen haben moch- te, ftiefs uns auf, und wurde gefangen. Wir felbft vom GefiiHle der iiberftandenen, und noch gegen \vartigen Befchwerden niedergedriifa, fpra ehen unter uns nur fo viel, als das Bediirfni fs der 43 der Zeit, unfere Sicherheit erforderte. Nur in den kurzen Zvvifchenraumeg , wo uns felbft die Befchwerlichkeit des Athinens ftille zu fte- hen nothigte — fie fieng fchon bei der Hiit> te an, und ward immer grofier, je hoher wir kamen, — nur in diefen Zwifchenraumen konn- ten wir’s wagen , den Blik von dem eigenen Fufstritte auf eine kurze Weile abzuwenden* Da entdekten wir denn aufler dera fchon von jeher bekannten Pafterzen - Gletfcher mehrere *■ andere, obfchon nicht von der Grdfle, wie jener, doch mit auffallend - feltenen Formen. Nur ein einzigesmal, als wir noch nicht ganz am Knopfe waren, theilte fich auf der Seite gegen Tirol das Gevvolk, und es fchienen al- le Gebirge von jener Seite, wie zu nnfern Fiiffen zu licgen. Doch konnte man nicht tiefer hinausfehen, weil fich nur ein kleiner Theil des Horizonts, und felbft diefer nur auf eine fehr kurze Zeit offen und helle zeigte. "VFie oft erinnerten wir uns hier deflen, was unfer Reifegefahrte Baron v. Wulfm einft an einen feiner gelehrten Freunde von dem Pajl- erzen - Gletfcher aus gefchrieben hatte.- ,,Hic non ultra nifi non habitabile frigus“. Um halb 8 Uhr Abends fanden wir uns wieder bei der Hiitte. Wie fchmekte da nach einer Stun- Stunde Ruhe au£ unferm Strohlager das Abend- nial, das der Filrft vor dem Aufbruche fchon feinem Koche zuzubereiten befohlen hatte. Ohngeachtet fich noch das lebendige Ge- fiihl der unbefchreiblichen Befchwerlichkeiten diefes Weges in uns regte, fo fafsten wir doch den unabanderlichen Entfchlufs, Ge *m folgenden Tage mit dem friiheften Morgen aufs neue zu beftehen, wenn anders die Witterung nur etwas gelinder feyn wurde. Allein wir fanden bei unferm Erwachen auch nicht die ge- ringfte Hoffnung. Der 23te Auguft, und der 4te Tag unfers Aufenthalts bei der Hiitte kiin- digte fich faft noch fturmifcher, als einer der vorhergegangenen an, Nicht ohne Beklemmung daruber, dafs man das Ziel nicht fo vollkommen erreicht hatte, als man es wiinfchte — verliefs jezi die ganze Gefellfchaft die Hiitte, und zog nach Haufe. Um i Uhr traff fie fammtlich zu H, Blut ein. Jezt zeigte fichs erft, dafs heute der hef- tigfte, aber auch der lezte Sturm war. Dene gegen Abend beffcrte fich das Wetter. Die Or- 45 Orcane fchvviegen,* der Himtnel wurde rein; eine herrliche Nacht, fternreich und heiter* und ein noch herrlicherer Morgen wehten von neuem unfern Muth. Wir entfchloflen alle noch iibrigen Augenblike zufammen zu raffen, um die Befteigung des Berges zu vollenden, Aber die Bauern hatten fchon durch die gan- ze Woche ihre immer dringender gewordenen Feldarbeiten hindangefezt. Sie konnten fie oh* ne offenbaren Nachtheil nicht langer verfchie- ben; denn hier fieng fo eben das Kora au zum Schnitte zu reifen. Es wurden daher nur 4 Zimmerleute zu diefer Probe beordert. Diefe 4 Manner, worunter fich auch die beiden Glokner befanden, hatten bei dem Baue der Hiitte gearbeitet, und waren bei jedem Ver- fuche, unfern beriihmten Berg zu befteigen , gegenwartig ge\vefen. Sie giengen am * 24ten noch vor Tages-i anbruch zur Hftttc voraus. Zum Gltike va¬ ren das Creuz, und die fchwere Leiter fchon bei unferer Reife unferne des Knopfs liegen geblieben, Sie konnten daher um fo unbs- lchwerter ihren Weg dabin machea. Die Die Reifegefellfchaft blieb noch zu H. Blut zuriik. Unzahiigemal eilte jeder Einzelne zum Fenfter, um von 9 Uhr friih an durch die aufgeftellten fehr gr,ten Fernrohre nach dem fchonen jezt ganz enthiillten Gtokner zu fehen , und die abgefchikten Zimmerieute zu entdeken. Endlich erblikte man fie, und nahm deut- lich wahr, \vie fie von 10 Uhr an bis halb 12 Uhr immer aufwarts ftiegen ; wie fie aus- ruhten, und dann wieder einige Schritte vor- wiirts machten , — wie e ner aus ihnen die andern weit zuriikliefs —, wie fie, als fie zur Stelle kamen, wo die hčlzerne Leiter lag, fich darauf fiezten — dann wieder aufftanden, und fich aufs neue beeiferten , die fich ihnen entgegenftemmenden Hindernifie zu befiegen. Doch ein Wind , fchon in der Fiache rnerk- lich , oben gewifs’wieder ein Sturm, zwang fie auch diefsmal umzukehren. Plozlich fah man fie von der bereits errungenen anfehnii- chen Hčhe wieder zuriik der Tiefe zu ein- lenken , und endlich ganz verfchwinden. Fiir die erwertungs - und fehnfuchtsvolle Gefellfchaft in H. Biut war diefs freylich kein ver- 47 vergniigender Anblik. Aber wir lieflen dea Muth auch jezt noch nicht vollends finken* Die Erklimmung des Berges follte noch ein- mal gewagt werden. Die Vorzeichen der ^it- terung waren auch jezt entfcheidend giinftig. Noch am namlichen Tage nach dem Mit- tagseflen wurde aufs neue zur Hiitte aufgebro- chen. Am Leiterbach kamen uns fchon die 4 Zimmerleute entgegen. Sie verficherten, dafs es mnen der Heftigkeit des Sturmwindes we- gen unmoglich gewefen fey, langer auf dem Berge auszuhalten ; daher fie jede HofFnung zur ganzlichen Befteigung, wenigftens fur diefes Jahr, aufgaben. Dem ungeachtet mufsten fie wieder mit uns zur Hiitte zuriikkehren , um am folgenden Tage noch den lezten Vtrfuch mitzumachen. Dazu waren fie auch ohne alle ■Widerrede bereit. Man befand fich nun wieder bei der Hiit- te. Den Zimmerleuten und Tragern rieth man, fich fobald moglich zur Ruhe zu begeben, um fich von den Ungemachen der vorherge^ange- nen Tage zu erhoien. Herr v. Hohenmart un. terhielt fich mit Ausftopfung eines Vogels, den die Bauern auf fehr betrachtlicher Hohe, etwa aoO 200 Klafter unter der hochfien Spize, im Schnee crfroren getrofen hatten. Es war eine Art Gu- kuk mit blutfarbiger Wachshaut. Herr v. Ho- hemvart wird ihn bel befferer Muffe befchreiben, vielleicht auch eine Zeichnung davon liefern, Nachdem die Anftalten zur Erklimmung des Berges ftir den folgendcn Morgen verabredet \varen , begab fich auch der Reft der Gefell- fchaft zur Ruhe» Die Nacht \srat, fo wenig man %s vermm thet hatte, mehrtnal ftiitmifch. Der Wind ftiefs manchmal fo hart auf die Hiitte, dafs mah Urfa- che hatte, aufs neue an einem gliikiichen Er- folge des Unternehmens zu žweifeln. Doch legte er fich mit anbrechendem Tage, und det fchone heitere Morgen des usten Augufts beleb' te uns wieder mit neuer Hoffnung* Man wolite daher nichts verfaumen , um das grofle Ziel zti crreichen, Mit dem friiheften Morgen wurden zwei Zimmerleute mit dem Auftrage voratisge- fchikt, das Sefi, welches auf einer der hdchften Spizen befeftiget war, und jezt unter dem neu gefallenen vom Winde angehauften tiefen Schnee begraben lag, loszumachen, und an Tag zu bringen« In einer Stunde folgten wir ihnen nach. Der ====== 42 Der Weg war derfelbe, den wir fčjhori oben bei dem erften Verfuche vom 22ten ken* nen gelernt haben, Heute kuppelten ficb einige von der Gefellfchaft mit Striken zuiamnien, eine Vorficht, wclche in iblchen Fallen wegen der Gefahr des Einftiirze.is in die Eiskliifte of;er ge- braucht V"’rd. Das Wetter war vortreflich; kein Liiftchen v/ehte, kein Wolkchen triibte den Himmel. Um io Uhr Morgens langten \vir an der vorlezten H O h e des Berges an, wo wir ein we- nig ausrubten. Die Hize \Vard izt fo unert*?.g- lich, dafs man fich, umgeben von Schnee und Eis, genothigt fah, den Rok abzuwerfen, Die Ausficbt war ufcerrafehend — uber alle Befchrei- bung herrlich. Selbfr Hr. v, Hokenvaart verfi- cherte, dafs feb ihm auf allen feinen Alpenreifen, deren er doch fcbon fo viele gemacht hatte, noch nie ein herrlicheres Gemalde dargeftellt habe. Wis roufste es erft die ubrigen aus der Caravane entziiken, von einer folchen Habe herabzufchau- en. Mehr als taufend Alpenfirften uberfieht man hier. Der Glokner ift der hochfte aus allen — fe wie unter feinen kleiuen Kindern der Vater. F!a, ches Land aber konnteman wegen der viden den Glokner fo nake umgebenden Berge n;cht fchen, D Nur 5 © Nur liber das Salzlurger Gebirg hin offneten fich die Flachen von Baiern. Nur an diefer Seite fchaut man in eine betrachtliche Ebene, und er- blikt mehrere grofle Gebaude. Allein die Gegen- ftande konnte man der zu groflen Entfernung \yegen nicht unterfcheiden. Hr. v, Hohmivart, deden Bliken nichts entgieng, faud auf diefer Anhohe einige halberfrorne Infecten im Schnee, die, als er fie in die Warme brachte, wieder zum Leben kamen. Mehrere Schmetterlinge flo- gen um die Mittagszeit, \vo die Sorne ihre Stra- len fenkrecht auf uns herabwarf, fchnell iiber den Schneeboden hin; unter diefen auch der Papilio Cafsioides, den Hr. v. Hohenviart vor einigen Jahren auf der Pafterze fieng, und an Profefior Efper lchiktc. Der durch die vorige Kalte criftallifirte Sehnee war fehr beladigend fiir die Augen, unge- achtet man die Vorficht gebrauchthatte, diefelben hinter fehivarzem Fiore zu venvahren. Der An- blik des Himmels war au(Terft auffallend — die Farbe —tief franzofifch blau. Dcrverdiinn- ten Luft wegen war das Athemholeu iiberaus fchv/er, und die Brufl: fo beklemmt , dafš man bei jedem gten oder 9ten Schritte immer wiedcr ausruhen mufste. End- Endlich erldetterte man den lezten Abfaz des Gipfels. Mittels der bereits vorfindigen Sei- le und Leiter ward auch diefer lezte und ent- fcheidende Verfuch gliiklich vollendet. Die Kuppe war mit ziemlich tiefem Schnee bedekt; denn es war dicfen Sommer iiber des fortvvahrenden, ftiirmifchen, kalten und in den Tiefen ewigcnRegen bringendenWetters wegen nur 1'ehr wenig Schnee auf diefen Hdhen ge- fchmolzen. An den Wanden der Kuppe ragte hie und da ein einzelnes Felsftiikaus der weifien Deke hervor. Um ein folches Felsftiik ward nun das Seil gewunden, Bei Erklimmung der Kuppe roufste man den einige Schuhe tiefen Schnee durchwaden, der fie urogab. Man fafs- te alfo das Seil mit der Hand, hielt fich fefl an demfdben, und grub fich dann Schritt fiir Schritt in dem anfgethiirmten Schnee haltbare Fufstritte ein. Unfer erftes Gcfchuft war hier das Creuz aufzupfianzen. Hierzu waren fchon eigends ver- fertigte Werkzenge bei Handen, und da hierbei der vielleicht erft in den lezten Tagen gefallene Schnee, der auch die Oberflache der Kuppe ganz- lich bedckte, WeggefchafFt, und derScheiteldes Glokners durchbohrt werden mufste, fo war die Operaron einer Trepanirung vollkommen ahnlich* D i Als Als das Creuz fland, Wurden im Dorfe H. Blat, \vo man mit Fernrohren die ganze Operation und ihre Vollendung fehr gnt be- raerken konnte , PoISer abgefchofien. Sonder- bar fchien es uns dafs wir den Knall, un- geachtet der weiten Entfernung, fo deutlich horten, Dann wurckn unter frohem Jubel Toafts ausgebracht, Sie betrafen den Fiirflen, und lin. v, Hokenmart; dann trank diefer auf feiner gelehrten Freunde Baron Zois, Ba¬ ron von 1'Vulfen, der Profefforen Efper ? van Manira , Schreber , aller Naturhiftoriker , Ge- fundhcit. Der lezte Toaft \yar — von allen ah aile, deren Angedenken ihnen werth ift, Wie wir bereits b^merket haben, fo hal der Gipfd des Glokners in der Mit te eine in der Ferne nicht fichtbare Spalte. Daher fcbeint der Berg tnehr in der Nahe z\yei Gipfel zu baben. \Venigft fchien es uns fo von der FI lit te a us , wo \yir den gegen Suden zuge- kehrten Theil merkbar hoher glaubten, Als wir aber auf dem Gipfel des Berges felbft fiatulen , und von dem Puncte aus, wo das Crguz gepflanzt wurde, auf die andere Spize viiir,ten } zeigte iich kaum ein Unterfchied. Bei- de Gipfd haben eine kleine Ebene, und zv, r ar der der erfte von deta Umfange, dafs Lis xo Menfchcn Kalim darauf finden. Es war aber hier nicht rathlam , von dem Plaze \veg, wo man einmal ftadd , viele Bev/egursg zu ma- chen , weil fich rund herutn viel Schnee aa- gehangen batte. Das einzige Plazcfien in der Mitte der Spize, wo nun das Creuz fieht> \var jezt frey vom Schnee, Niclit der lezte, fondcrn der vorlezte RiiJcen der Kuppe , der et\va 20 Klafter Plohe hat, ifl: der befcfnver- lichfte zu befteigen. Auf jenem hatten die Bauern SchneeftufFcn gemacht, ein gliiklicber Einfall ‘ y denn es ftieg fich auf diefen fo ziein- lich bequem, Dennoch wiire obne die Seile die Erreichung des Gipfels nicht wohl moglich gevvefen. Er ift nun erftiegen , der bis dahin von keinem menfchlichen FufTe bctrettene 210^ Klafter hohe, fo oft fruchtlos beJtletterte Glok- ner, diefe Zierde des Norifchen Gebirges«. Auf feiner hochften Spize erhebt fich nun ein ei- fcrnes Creuz gegen den Himmel. Die in Stein gehaute Infchrift Eia nune rara Moles Exple finem Crucera e.valta Cul- Cnltum promove Pofuit Francifcus Antifres Gurcenfis 25 Augufti 1799. wird fiir alle nachfolgende Zeiten diefes Un- »ernehmen im Angedenken erhalten. > Man wird fie auf demfelben Steine auf« fer der lateinifchen auch in deutfcher, franze- fifcher, und italianifcher Sprache lefen. Barometer, Hohe des Berges . t)ie Gefellfchaft hatte auf diefe Reife 3 felir gut eonditionirte Barometer tDitgenora- tnen, und fie nebft andern Infirumenten der mehreren Sicberheit wegen den ganzen langen Weg von Clagsnfurt' aus bis an den Gipfel des Berges tragen laffen. Durch eine ungliik- liebe Erfchiitterung gefchah es, dafs 2 derfel- ben einiges Quekfilber verloren. Allcin , da Hr. v, Hokemzart die Vorficht gebraucht hatte, einen guten Vorrath an Quekfilber in einer bc- fondern Glasfiafche mitzunehmen , fo wurden fie bald wieder reparirt. Zwei derfelben blie- ben inimer bei der Hutte aufgehangen. Ilir Stand war 20^ mit einer unbedeuten- den 5 S den Veranderung an Linien. Hieraus crgiebt fich dann die Hohe der Hiitte I407 0 iiber die Meeresflaiche. Ferner bat fich gezeigt, daf* diefer Plaz 767° hoher als H. Blut , und hoher, als die Paflerze fey. Auf dem Glokner felbft war der Barometer- Stand 17'' S'“, welches dem Glokner 2105° Plohe iiber die Meeresflache giebt* In Clagenfurt ftand das Barometer an diefem Tage, namlich den 25teit Auguft, um die namliche Mittagszeit auf 26'' iO 7 V"» Das Thermometer zeigte bei der Hutte p 8 , in Clagenfurt + 13. Strin - und Pflanzenreich. Das Geftein, welches theils in Trum- mern umherliegt, theils in feften Felsftuken im Riiken des Berges , wo man gegen die lez- te Hohe zu fteigen anfangt , aus dem Schnee hervorragt, ift Glimmerfchiefer, graulichgrunj fehr innig mit vielen Quarzkornchen gemengt, auch dunkelberggriin mit auflerft fein einge- mengten Quarzkornchen , in Porphirfchiefer iibergehend; auf der Spize felbft, wo das Creuz fteht, Glimmerfchiefer mit vielem hell- weiflsn Quarz, und filberweifiem Glimtner, He- Ueberhaupt gehort das Geftein von H. Blut tin bis zlir hochftea Spize zum Granitgebirge. Ueber die Hutte hinaus ift uns keine Vege- tation aufgeftoflen * auflereinem einzigen Exem- plare der Saxifraga oppofitifolia an einer-Fe$§v, wand, auf einem der obern Boden, Die klei-. ne niedliche Pflanze ward vor einigen Jahren, fo trie Sphinx exulans der fich auch liier fand, in Reiner's und Hohznivaris Reifen ab- gebildet* Allein von H. Blut bis znr Hutte, Und um die Hiitte herarn trift der Botanifter sinen Schaz der ieltenften Pflanzen. Wir wollen hier nur die merkwiirdig- fien anfiihren: Veronica Bellardi, faxatilis und bellidioides, Aretia alpina, Primula glutinofa und minima, Phyteuma pauciflorum , Campa- nula pulla und pusilla, Gentiana nivalis und pumila, Laferpitium simplex, Sibbaldia pro- cumbens, Junctis Jacjuini, trigluinis, und fpa- diceus , Rhododendron chamaeeiftus, Saxifra- ga brvoides und oppositifolia, Dianthus alpi- nus, Arenaria ciliata, Geum reptans , Ciftus oelandicus, Aconitum taurieum, Ranunculus glacialis und pironaeus , Aftragalus alpinus , und pilofus, Phaca frigida und auftralis, Pe- dicularis roftrata, Arabis pumila, Cardamine refe- 57 refedifolk, Hieracium alpeftre und Allioni, Senecio incanus, Arniča glacialis, Artemisia fpicata, und glacialis, Filago Leontopodium, Erigeron uniflorutn, Achillea atrata und Gla- vennae, Satyrium nigrum , Salix herbacea, und reticulata, Juniperus Sabina, Cladonia taurica, Stereocaulon pafchale, Ufnea ocbro- leuca, Lobaria rigida, islandica, ni vališ, und fahlunensis« D i a t. Die Lebensdiat auf dem Berge betrefend, fezen wir voraus, dafs wir hier nicht im Kunfttone fprechen. Es war kein Arzt unter uns, der uns iiber alle unfere hieher gehori- gen Erfahrungen hatte als Sachverftandiger 'die gehorige Weifung geben Ifonnen. Trefen dann die Aerzte hier eine Behauptung, welche ge- gen die eine oder andere medicinifche "VV^ahr- heit anftofst, fo \vollen wir nicht verantvvort- lich feyn. Wahrend der ganzen Zeir, die -vvir in der Hiitte zubrachten, waren wir ftiits voh gutem Appetite. Auch in jenen Zeitraumen, die fich befonders friih und abends einftellten, und in we!chen einige aus der Gefellfchaft ei- / __J einen k aken Schauer, wio bei einem Fieber, uber den ganzen Leib empfanden, giengen fie dennoch mit der grofsten Efsluft zum Tifche, Man fiihlte fich nach dem Eflen weniger mit diefer Fieber - Kake behaftet, als ver dcmfel- ben. Faft follte man glauben , dic verdiitinte Luft, die das Athmen To fehr erfchwerte, •ls wir es fchon bei der Hiitte bemerkten, ffiiifste die Efsluft vermindern, Aber wir er- fuhren das Gegentheil. Auch die Bauern, die vvir Lei uns hatten, aflen ihre namhaften Stii- ke Brod, und ihr Hammelfleifch mit einem Heifshunger, tranken dazu nichts als Brannt- wein, und fiirwahr nicht felten , fondern zu •vviederholtenmalen des Tages hindureh. Wir haben uns alle dabei immer wohl befunden, und wir glauben daher allen jenen, die diefe Reife machen wollen, \vohimeinend rathen zu muften, dafs fie ficli ja mit Lebensmitteln hin- langlich verfeben. Man zahle hier nicht auf die gewohnli- chen Lekerbiften der Alpen, Butter , Sahne, K&s, Milch etc. ; denn die Hiitte ift fehr ent- fernt von den Alpenvveiden. Nur erft nach guten 3 Stunden abvviirts findet man etwas von diefen Artikeln. Wir hatten nur ein ein- ziges- 59 zigesmal Sthne und Milclv, und es fchmerzt uns noch jezt, dafs wir nicht vorher den klugen Einfall hatten, eine Melkkuh., oder ein Paar Ziegen mit zur Hiitte zu nehmen, die auch dort hinlangliche Weide gefunden hatten, k • W 'a f f -e r. WaJJer findet man wahrend der Reife bis zur Hiitte das allarkoftlichfte, und aus den reinften Quellen; aber bei der Hiitte felbft, und weiter aufwarts ift von keiner flielTenden Quelle mehr die Rede. Da id: »ur das triibe, erdefiirbige, mehr als eislcalte Wafler, das unter dem Eife herausfchlammt. Mag man, wie immer, auch diefem Wafler feine guten Eigenfchaften beilegen , fo getrauen wir uns dennoch zu fagen, dafs wir es nicht nur nicht fchmakhaft fanden, fondern dafs es, wenn es auch fond keine fchadlichen Reftandtheile fiihrt, fchon feiner iibermalšigeii Kalte cvegen auf der S tel le Colicfchmerzen verurfachen konne. Dafs diefes Getranke ftarkes Abv/eichen mache, ift in dortigen Gegenden allgemein bekannt. Diefe Wirkung diirfte aber wohl fiir jeden, der auf dem Wege zum Glohier ift, zur Unzeit kom- men. men* Es ift vrahrhaft eine bittere Pfličht, am heftigften Sturmwinde im Freien der Na¬ tur ihren Zoll bringen zu mtifien. Mebrere von der Reifegefellfchaft fandcn das Waffer feiner Kalte wegen im Munde ib unertraglich, dafs fie es nach dem erften Male nicht ofter verfachten, Wir. trar.ken es nur mit Wein vermifcht, den wir immer in Menge, und nach Durft zu uns nahmen. Gerade dem Um- ftande, dafs wir viel Wein tranken, verdan- ken wir es, dafs wir, ungeachtet aller nur denkbaren Unbilden der \Vitterung , dennoch ftiits bei guter Gefundheit blieben. Freyherr v. JVulfen hatte uns aus feiner langen Erfah- rung auf Alpenreifen gerathen, Wein zu Ge- niige mitzupaken. K l e i d u n g. In der Gefchichte unferer Reife trift iich mehrmal die Bemerkung, dafs man fich auf diefem Berge der beiden auflerften Grade vo» Luft - Temperatur zu verfehen habe , — erftar- render Kalte, wenn die hier beinahe einheimi- fchen ,Nordwinde blafen, und glnhender Hize im Sonnenfcheinet Der erfte Fali ift der ge- wohn- 6l .Wdbnlichere; doch haben wir auch den zwei- ten erfahren. Kleider, in- welchen der Wind einen Spielraum findet, z. B. Capot, Mantel, Hut taugen hier nichts. Alles diefs bindert im Gehen. Ein Paar kurzer Wamfe, wovon das cine, wie einc Bettdeke, -warm gefiittert va¬ re — eine Casque, die feft auf detn Kopfe ftiinde — und ein Oberkleid, das aber nicht bis an die Knie reichte - und nicht gefchlofier* ware, weil man fonft bei ofters nothigen, un- gewohnlich langen Schritten gehemmt wiirde — mit einer Jagdtafche iiber die Schultern diirften •die beftenDienftethun. Die Fufseifen miiflen, foll man anders auf ihre Hilfe vertrauen diir. fen, fehlechterdings die niimlichen feyn, wie fie die Banern in der dortigen Gebirgs- Gegend gebrauchen* Sie find langbch mit 6 Spi zen, und -aufierft ftark und fchwer von Eifen. Diefs ift aber auch nothwendig; denn das Eis, auf welchem man fchreitet, ift fo feft, wie Stein. Wir haben felbft gefehen, dafs kleine oberflii- chige Splitter davon ausfprangen, Gegen die mit einem folchen Vorfalle verbundenc Gefabr kann nichts ficberer verwahren, als ein folches langlichtcs Fufseifen mit 6 Spizen , weil man dann, \vahrend das Eis fich fchiefert, doch im- mer mit einer oder der andern Spizc wieder feft- % feMeht. Freilich Collte man fich, um fich diefer Eifen bedier.en zu konnen, zugleich auch Schuhe, wie fie die Bauern trajen, an- fchafFen; fonfl: wiirdsn auch die Eifen nicht anwendbar feyn, JVolkmzug als Forztichm der fFitterung. Die Wolken miiflen ihren Zug vom Tauern gegen Tirol nehmen, wenn gutes Wetter foi- gen foll. Aber man lafle fich ja durch den Stricb der Wolken nicht irre machen. Denn oft bat fich der Wind aus einer Gegend kaum erhoben, als fchon ein anderer fich dem er- ften entgegen fezt, wo denn des Streites lan- ge kein Ende ift. Am befien ift es, wenn man zu einer Zeit kommt, wo es vorher ei- nigc Tage geftiirmt hat, und neuer Schnee auf hohen Bergen zu fehen ift. Trift es fich fo, fo mufs man keine Zeit verfilumen; denn da» heitere Wetter hiilt hier nie fo lange an, als auf dem flachen Lande. Im laufenclen J hre waren die lezten Tage des Julins , und jene des Augufts bis beinahe zur Halfte immer fchon und heiter. Dennoch erfuhren wir in der Folge , dafs am Glokner nur 3, hoch. fttns 4 von allen dieien Tagen hell w»ren. Ue- 63 Ueberhaupt hat man in diefer Gebirgs - Ge- gend die Beobachtung gemacht, dafs nach St. Laurenz die Witterung zur Befieigung des Glokners nieht leicht mehr giinftig fey. Auf der Riikreife fchikte Freyherr von Schlangenburg aus Vtllach , ein Mann von be- kanntem ansgezeichneten Gcifte dem Fiirften folgendes kleine Gedicht an den Glckmr , we!» cher auf feinen Reifen in die Thaler des Molim flufjes immer feine Bevrunderung erregt hatte, entgegen. Mein Glokner ! haft du’s je geglaubt! Erklommen lil dein Riefen-IIaupt In ew’ger SilbermiiZe! Hohragend ans der Wo1ben Rannt, Errelehbar nnd erflogen kaum Dem Adler und dem Bliže' Ha! wie deln gSIdnes We»del-Creaz, Das FiGrnmigkeit gepflanzt — bereits Auf uns hernleder blinket: Dem triiben Forfcber - Aug, enilang Deu zweifelhaften Spurengang, 2u deinen Wundern wink»t! O! blOh- O! bluhten doch aus delnem Schooft Dem edlen Stifter, weis’ and grofs, Verdiente Lorberkranze > Sein Ruhm bat — wle du Telber haft In deinem blauen Luftpallaft — Den ilimmel nur sur Granze ! ] % Das Gedicht war in einen Umfchlag mit der Auffchrift des Glokners, als Noricorum al- tifsimi, Tirolensium, Saiisburgensium, ac Ca- rinthiae confinium furnim termini, cunctorum o auftriacae ditionis m oni i um vix non Principu celsifiimi gehullt, und diefer Umfchlag, wie er dem Fiirften iiberreicht wurde , fo ausge- fchmtten, dafs nur die Worte ad manus Priti' eipis celsifsimi ibi ubi fichtbar waren. 65 Z u f a z V ' y d e s Herausgebet& — i —_— Mit walii'em Vergniigen iiabe ich das Tagebtich die* Sfer Bergreife in die Jahrbiidier aufgenommen. Jft es auch an geognoftlfcfreii und phyfifchen Beohachtungen nicht To freichhaltig, ali z. B. Saujfurds £chreiben an Hopfner liber Jeine Reife auf den Col du Geant , fo verdient doch die jnerkiviirdige Unternehmung, wovon es uns Nachricht jgibt-, der edlen Freigebigkeit vvegen, vvomit fie ausge* fiiiirt v/ur d e , und Im Betracht der freudigen AusficJllen, die fie den Phyfikern fiir klinftige Beobachtungen auf det erhabetien Kuppe des Grojiglokners offnet , den vvarrnften Dank aller Freunde dfer Natur, Leid tbut es mir noch Jn dem gegenvniirtigen Augenblike , dafs meine Berufs* pfllchten micli durchaus binderten, voil der giitigen Ein* ladung des Fiirften zu diefer Reife Gebrauch zu machen> Die machtigen Reize, die eine folcbe Wanderfchaft in das Gebiet der Woiken fchoti an fich fiir meinen Geift baben mufste j, vvaren noch dnrcb feine, nnd der tviirdi- gen Geiebrten Wulfm und Huhtmvart Gefellfchaft eriioht Worden; die Riikerinnerung an meifle Alpenreifeu in deti K jah* 66 Jaliren meiner Jngend vviirde diete lehrreichen Tage audi zu den angenehmften meines Lebens gem2cht haben. Iti dem Augenblike, in vvelchem ich den ehriviirdigen Schei- tel des Groflglokners mit meiner Ferfe beiiihrt hitte, Vli¬ te mein Geiiihl fo hoh , als er felbft geurefen, Entfernt vom eiteln Tand der miihfamen Gefchafto Wehnt hšer die Seelen»Ruh, und flielit der Stadte Ranci), Haller. Mit felrenem Muthe, und einer eben fo' feltenen Un- eigenniizigkeit bat der Fiirft zu einem der erliabenften Punete der Erde die Bahn gebrochen. Auf die liebens- Udirdigfte Art theilt er feine Freuden liber den giiiklichen Erfolg feiner Bemiihungen mit jedem, der nun die geoff- nete Bahn betreten will; — denn jedem hat er ein fchii- zendes Obdaeh bereitet, eine Pflanzfchule von Fithrern fiir jeden gegriindet, der die reine Luft diefer Alpenfirfte athmen, und einem Adler gleijpli mit einem Blike eine halbe Weit umfaffen urili. Delach und GroJSkirchheim etc. Werden bald, wie Chamouni und Sarvt, ihre Balmats, Cachats, und Mejfafs haben; fchon riilimt das Dorf heil. Blat feine Glokritr, wie Chamoani felnen Mmtblanc; und bald wird ein Gafthof von diefem Berge fich nennen, wie derjenige, We!ctier Salenche gegenliber Zum Vortheile der Reifenden nacii den Savoifchsn Alpen angelegt ward, Die boben Preife der Fiihrer und Gaiiwirthe auf der Reife nacii dem Moiublcmc diit-ften in der Folge manchen Natur« forfcher, der keine erigiifche Eo/fe zu feinem Gebote hat, be- ------- 67 beftimmen, feine orodiporifchen Abentheuer in dem min« der verfdnerten Mollthale, und auf den fchmalen Graten des Glokners za beftehen. Ohnehin haben nur vvenlge Menfchen nach SauJJure und Bourrit des Montbtam's A 1 -« lerhdchfleS erftiegen. Es ifl bekanntj wie ungiinftig ein jn dem gegenivartigen Jahrzehende von vier Britten ge- ivagter Verfuch ablief. Aus ihren Zvvanzig Fiihrern ward jeder Zehnte ein Opfer diefer ungliiklichen Reife. Wohl- feiler, geni;icbl.icber, und eines gliiklicben Erfolges ficile- ter wird man den Gloltitv erfleigen, und bliebe man audi auf feinem Knopfe nocb uber 1000 Fufs niearlger, als auf der Spize des Montblcmc, fo wird man doch iinmer hoh genug Uber den Spiegel der See gewefen feyn, um fagen Zu konnen , man fey bei lebendigem Leibe den Gotterrt fo nabe gekpmmen, dafs man , blies der Wind , gerade »om 01 ymp her, demlich Altctrt/ons Hahnengekri he gehort baben miifste, Wirklich befdiaftigt fich der Fiirft fehr lebbaft mit Anftalten zu einer zweiten Reife auf diefen Berg. Er hat den Auguflmonat des kUnftigen Jahres dazu beflimmt. Sie foll an phyficalifchen Refultaten frucbtbar genug vi/er« den. Mindeftens ifl: iiber eine Reihe ivicbtiger Verfucbe, und die Art der dazu nothige^ inflrumente mit verftandi- geu Mannern Riikiprache gepflogen wocden. Die Zalil der Hiitten foll vermehrt—die Cngemache der Reife nach aller MSglichkeit erUlchtert vverden. Die Gefellfchaft foll fo Zahireich und ausgefuciit (eyn, dafs jede Abtbeilung der Naturgefcbichte, und Fhyfik ihren Mann dabel findet Solite es eines lauten Aufrufes an die Freunde der Phy« • E 2 fik, fik, der Mineraiogie , der Geognofie bediirfen , um lie zur fchieunigen Beniizung diefer wohlthatigen Anftalten ZU We!lea ? '• Auf der beigefiigten Kupfertafel ( 2/e Taf ) bezeicli- net das Creuz den Gro/jglokner; a die Stelle, auf \velcher jenfeits des Berges die Hiitte fteht, b. die PaJIerze , c, den untern , d. den obern PaRerzengletfcher, e, den Leitevbevg, f den Kaiferbggkopf Der obere FafierzengUtJchtr hafc an 3 Stunden Lange , und x Stunde Breite. Die iibrigen uniherliegenden Berge wufsten die Bauern, vvelche die Gefellfehaft begleiteten , felbft nicht zu liennen. Unter den entferntern glaube ich in den rvahricheinlich etwas entfleilten Namen den Erennkoget, den Somsenblik, und das JVisbachhorn zu finden, Schivertek heifst ein gegen die Gisniz gelegener Berg. Nun ein Paar Worte iiber die geographifche Lage und ‘Hflhe des G lekners ! In den Grinzbefchreibungen der beiden fatzburgifchen Pfleggerichte 'Capruti und Mitterfill fucht man diefen Berg nmfonft. Nach der Ausfage der Jager, und anderer mit dierer Alpfenkette bekannter Einwohner von Finzgau, gc- hajrte der hohe Glokmr dem tholifchtn Gerichtc Katls zu, Die Nachrichten , welche ich befonders fiber feine Lage in Bezug auf das falzburgifehe Gebiet eingezogen babe, lauten dahin, dafs das Slubachlhal ficb zum nacbften an ihn hinziebe, und das Fu/chtrfhor nebfl der Gmisgrttbe ihn vom Stubachtr - nni Capruner - Thaie trennen. Ucbri* £sns gens fey er von keinem bekannten Puncte des Pinzgauer- Thales fichtbar, Weil ihn fehr hobe Berge bedeken , hin- ter denen er etwas zu vveit riikvvarts ftehe. Dagegen (bil er, wie mir der Kunftmeifter Gaifchnigg berichtet, von I der Ferleit • Alpe in der htfch aus mehrern Punclen fehr gut zu fehen feyn, und nach Anzeige des Berg-Compaf- fes ungefalir z ifz St. gegen Abend von dem Jalzbur.gifcken Gebirge Weg flehen. Die dem Glokuer zunaehfi: gelegenen anfehnlichern Berge Salzburgs felen der Fu/chkarrkap/, der hohe Dok, das IPisbachhorn, der žo/i{ Theun; und von der Seite der Thaler Stubach und Capntn, der IVaJJhfallkarr- kopf das Kizjieinhorn, die hohe Catmner., der Bokkarrhopf ete. Die verfchiedenen komamiJchen, JeuttefJchen und lotter'- fchen Cliarten der Frovitizen Salzburg, Curnten und Ti¬ čal vviderfprechen f;ch liier auf eine hochft feltfame Weife. Auf der von Homan, Lotter und Seutter verlegten Gat- mtherfchen Charte des Erzftiftes Salzburg vermifst man den Glokuer ganzlich, wie denn uberhaupt nur wenige einzelne Berge aaf diefer Charte verzeichnet find; dagegen j find die carntenfchen Ortfchaften Kbchheim, Dvlach, und h. Jllut fehr unfchiklich ins ftdzburrgifcbe Gebiet hereingefezt Worden. Ungefalir derfelbe Fehlcr findet fich auf eine r j 1743 zu Parts von dem Ingenieur le Rouge herausgegebenen Charte des Erzftifts ( diefe Charte fcheint auch in der I Hauptfache blofs von der Gutratherfcken eopirt zu feyn; L nur find vieie Kamen und Auffchriften vveggeblleben ) , |j und auf derjenigen , welche die I56te des kleinen IVie - | mr Atlaifes ift, [I In 7 * i lil den homanrifctien, feuttev' jchen, und lolttt'fchen Cii a r - ten von Carnlen find der Glokner, die Pajtcrze , nnd ein Theil des Mollthales ins Salzburg!fcKe hereingefezt; a n eh die Stelking der Berge Glokner , Leiler , Gosniz gegenein- ander und ihre Entfernungen voneinander , wie man aus obigem lagbuche fieht, vollig verfehlt, ( Man mufs auf diefen Charten fiir Pockern, Pokorn, fflr Jrhaim, Iiirch- heim, fflr hohen Ohren M., Hochhorn lefen). In der Char* te von ObercSrnten, welche der ltlelne IViener Atlas un- ter n. 139. enthalt, fehlt der Glokner ganzlick; oagegen fin d aber die Gosniz , das Mollthal e/c, dem Bezirhe von Carnlen vvideer riikgeftellt worden. In der von Homanu verlegten tirolifchen Charte von Spergs ifk die Gegend des Glokners nicht aufgetragen. denn diefe Charte befchriinket lich vorziiglich auf die wel' fchen Confinen. Die Ubrigen tiroler Charten von Homanu, Seutler und Lolter vereinigen aber alie obigen Fenler der tarntnifchen und fatzhurgifchen, und vermehren lie fogar noch , indem fie das Mollthal, Pokorn , Doleteli, und den Glokner tief herein in das Salzburgifche riiken. Nicht viel teffer ift die d 11%h Homanu verlegte Tobias Maiepfche Char" te des ofterreith'fchen Krei/es, und eine tirolijche Charte in SlridbePs curinftm Staats-imi Kriegstheatrum, v/o eben« falls Dolach im Salzburg!fchen fteht. Die in der Merianifchen Topographie der oflerreicliifehen Provinzen befindlichen Charten von Carnlen und Tirol ent- halten den Glokner nicht, und find iiberhaupt fehr mangel- haft. Nicht viel befriedigender lil die Charte von Carn¬ len bel Valvafor , Dafs man in der im Theatrmn des Ortelius ( 1573 ) und in des Ctllarius fpeculum orbis terrarum befindlichen Charten von Salzburg imd Tirol, deren erfte von Marcus Secznagel herriihrt, Iteinen Befcheid uber den Glokner fin- de , dariiber wird fich wohl niemand vvundern (wiewob‘ in diefer Charte die Orlfchaften Kirchhtim und Dolach ricb- tiger eingetragen iind, als feibft in der nenen Gutrather’- fclten ). In Gerard Mercator’s Charte von Salzburg und C&vnten (auf einem Blatte) findet man ztvar die Gosniz, aber noch nici.t den Glokner, Nach diefer Charte fcheint ein anderes fehr feltenes Blatt, Archiepifcopatus Sclisbur- gtnfis cum 1doniš epifcopatibus metropolitom falisburgenfi !| /ubieclis , von Rupert Marcth, einem Salzburger 1675 her- j attsgegeben, bearbeitet zu feyn. Wir kommen nun zu derjenigen Charte , welche in Anfidit des Fleiffes, mit vvelchem iie verfertigt, und des anfehnlichen Maafsftabes, der dabei gebraucht worden, die meifte Ausltunft iiber des Gtokners geographifche Lage ver- fpricht. Es ift der Anich - und Huberfche Atlas von Tirol , auf deffen Iotem Blatte der Glokner, und auf feiner Splze die znfammentrefende Granze von Salzburg, Tirol und Cdrntm angezeigt ift. Ich habe einen genauen Auszug atts diefer Charte, nach unverandertem Maafsftabe, in die vorflehende Vignette bringen laffen. Damit ftimrnt auch die von dem k, k. Hofbuchhalterei - Railofficier im Baude- partement zu Wien , von IVenzetij, gezeichncte, und voti S chrdmbl verlegte tirolifcht Charte vollkommen iiberein. Der Auszug enthait 3 Minuten der Breite , und etwas tiber 7 Minuten der Lange, Der Spizs de* Glokners ift 30 0 30° l6' 6(Iliche Lange von Fevro, and 47° S 1 / 2 ' N. B. gegeben. Ob Freyherr von Sckiangenburg fein Pr.idicat des Glokners, auf diele Charte, oder andere Urkunden ge- griindet babe, ift mir unbekannt, Indeffen wird man vor der Hana diefen Anich- Hubir * und IVemehjfdun Charten nebft der Ausfage des Kreisbeamten den meiften Glauben beizumeffen haben, Um die Hohe des Gtokners en meffen, wurden 3 Ba« rometers gebraucht. Die Reireaden gaben den Stand des Quekfilbers auf der hochften Spize des Berges zur MittagS' Zeit — 17" an , vvahrend dem er in Clagen/art zu derlelben Zelt — 26" io 4/10'" gewefenj feyn fol 1. Am Fuffe der lezten kahlen Bergfpize fanden fi'e ilin Ig" 6"V VVahrend dem er zu. Clagenfart an diefsm Tage, wi« (ie fa-- gen (am 22. Aug. 26" 5 S/lo"' vvar: bel der Hiitte War er auf 2 Barometern 20" 3'" mit einer trnbedeutcnden Verdnderung an Linhn ; alfo, wie es fcheint, Mitrelftand nach Annahme der Reifenden, Daš Thermometer zeigte bei der Hiitte -J' 8 , zu Clagenfiivt f 13. Darans befiim- fnen fie die Hdlie des Bergs auf 2105 0 iiber die Mceres-. fliiclie, und zwar 76?° iiber H, Blat, und 360° Uber die Fafterze » Es gehoren vieie bekannte Data dazu, um iiber Mef- fungen v®n Bergliohen mit Barometern griindlich und be- ftimmt urtheilen zu honnen. Wenn auch der Ban der dazu gebrauchten Inftrumente bebannt ift , fo mufs man dennoch uberhin von der genauen Uebeieinrtimmung, »oder unveranderlich gleichen Abvveichung derfelben vollkom- men meri uiiterrichtet Teyn. Diefe Bedingung delmt fich auch auf diejenigen Inftrumente aus, urelche zu den correfpon- direnden Beobachtungen an einc-m dazu ge\yahlten Orte , wie z. B. zu Clmgenfurt gebraucht vvurdeu. Man follta fich an bei.den Stellen vollkommen gieichartige.r und ganZ gleicbftimmiger Barometers bedienen. Immer miifien die Thermometer - Beobachtungen mit denen des Barometers genau verbunden werden. Audi bei der geiviffenhafteften Reobachtung diefer unabiaffigen Vorfichten bleiben [dem flrengen Phyfiker immer noch ifcveifel geung iiber die SchSrfe einer Hohemeffung d ure h den Barometer iibrig, Es ift dabei die Dichte der Luft, die Scluvere der in iitr aufgelosten , und der meclianifch mit ihr gemengten Be- ftandtheiie noch nicht ausgemittelt, und in Berechuntig gezegen. Es gibt immer noch fo manche Zu berichtigende Kebenumiiande, dsren Schazung mit den bisher bekanntea Gerathlchaften fchvver oder gar nicht zu erreichen iff. Wir vvollen nun fehen, in wie ferne die wichtigften Be- dingungen beidenobigen Beobachtungen eintrefen, um dem Refuhate derfelben einen vorziiglichen Werth beilegea zu kfiimen. Ich werde aus den mir durch die Giite des Fiir- ften felbii zugekommenen Eriauterungen des Hm. v. Ho- hemvavt dasjenige zufammenftellen, was zur naliern Be- Je ur h tu ng der im Tagebucbe enihaltanen Angaben dienea mag. Enter den 3 Baromeiern ivaren 2 gemeine Reberba- rometer mit beweg!icher Scaie mi c h franzofifebem MaaTs- ftabe von Tu oni; der dritte ein gewokolicher brander'fihex Rei- Reifebarometer mit der elfenbeinernen Schraube. Alie 3 vvaren mit reaumur'fchea Thermometern verfehen. Einer diefer Barometer gerieth auf der Reife in Uuordnung, und lionnte nicht melir zurecht gebracht tverden. So fcbreibt Hr. f. Hohemuart, und man wird alfo nicht melir befor- gen durfen, dafs er mit einem Barometer, defien Quekfil- ber nicht gekocht war , beobacbtet babe, vvie man etwa auil S. 54. fcklieffen mocbte ; denn er hielt diefen Baro¬ meter felbft nicht mehr fiir brauchbar, Die Beobachtungen an der Hiitte fcheinen mit den Heberbarometern , jene am Bcrge mit dem branclef/chtn Reifebarometer geniacht zn feyn. Ob in diefem Falie bei der Beobachtung auf der Spize des Berges , vvo das Quek- fiiber fatl um ig" bel, der Nullpuuct berichtigt worden fey, Wird nicht angemerkt, Zu den Beobachtungen zu Clagtnfurt vvnrden Inftru« menic gebraucht, die, wie Hr. v. Hohenmart veriichert , vollkommen mit denen harmonirten, vtielchc die Reife mit« machten. Ein Barometer liieng immer bei der Hiitte; vvahrend der Tage, weiche die Gefelifchaft des utigiinftigen Him- mels wegen in diefer Woi!£enwolinung hinbriiten mufe- te, vvaren aile Barometers unbetveglich ; der Unterfchied war kanm von i"'; nur am Tage, da fich das Wetter ausheiterte, fliegen Cie l“‘ bis 2"'. Die Die Angaben der Hohe des Berges iibcr //. Blut und Pafterze laflen fich nicht vvolil bettrtheilen, tveil die Ba- rometerftitnde an diefen Puncten nicht angegeben find. Den Barometerftand 2o"3"' bei der Hutte diirfte man iiach den obigen Erklarungen beilich fiir den Mittelftand vom I9ten, šoten und 21ten Ang. annehmen. Das Baro¬ meter ftand im Scbatten am Berge (ich vermuthe, bei der Hutte) i to — f 12. So nfdchte man denn vor der Band Bar. 20" 8'", und Therm. f It a U gegebene Saze z„ Berechnung der Hohe der Hutte iiber die Meeresfidche an - nehmen. Am 22ten ftand das Barometer am Fuffe der lezten kahlen Kuppe — 18" 6'"; das Tliermometer ift nicht an¬ gegeben, Am 25ten war der Barometerftand anf der hochften Spize um Mittag = 17" 2"' ; das Thermometer ift vvie- der nicht beftimmt angegeben: vielleicht gehdrt die ZahI f 8 hieher ? Die correfpondirenden Beobachtungen zn C\agenfurt wurden nach der vor mir liegenden Original - Kote um 7 Uiir friih und um Mittag gemacht. Vom ipten bis 2Iten War der mittlere Barometerftand aus 6 Beobachtun- gen = 26" 7 3/to"'; der Thermometerftand ift nur vier- mal aufgezeichnet, ohne dafs man tveis, ob die beiden leztern Beobachtungen Morgen-oder Mittags. Beobachtun¬ gen feien. Der Mittelftand urare ■{■ 15 3\J\. Alfo verhiei« ten ten fich die Hohe der Hiitte, und |dle von dagtnfurt ; vvie 20" 3"' B. f II Th. zu 26, 7 3/10"' + 15 3/4, Die Refultate der correfpondirenden Beohaclitungen {[ir die Hohe des Fuffes der lezten Itahlen Kuppe befte- hen in 26" 9 6/io 111 fiir das Barometer, und nach dem Mittel ans 2 Beobacbtungen + 13172 fiir das Thermometer. Aber die Beobacbtung am Fuffe der lezten kahlen A’uppe \rard ungefahr zvvifchen 4 und 5 U. Abends gemacht ; denn die Gefellfchaft brach erft um 2 Lihr. Nm. von der Hiitte auf j von dort vveg bis an die Spize find ungefahr 3 Stunden Weges, und man kehrte wieder znriik, um liielit von der Nacht iiberrafciit zu tverden. Hier kanu man alfo nach der Strenge keine clagenfurtifche Beobach- tung als eine correfpondirende anfehen. Auch ift der Ba- rometerfland za Clagtnfurt im Tagebuche irrig auf 26'* 5 ?/lo"' angegeben, Nach dem Original - Verzeichniffe , das icll vor mir babe , urar diefs der Barometerftand am Siten um Mittag; die Gefellfcbaft war aber am 22ten am Fuffe der lezten kahlen Kuppe des Glokntrs , Der correfpondirende Earotr.eterltand Zu Clagenfurt fiir die hdchfte Spize des Glakners, genaii zu der.felben Stunde , \vird in dem Tagebuche auf 25“ 10 4/10'" ange- geben. Aber diefe Angabe riibrt melirmal von einem chronologifchen Verftoffe ber. Das Barometer zeigte Zli Clagenfurt am 2+ten Mittags diefe Hohe; vorn 2J, Mittags finde ich keine Beobaclitung mehr auf dem Verzeichniffe. Wir V/ir Iiaben alfo fiir den Fufs der hčchften Kuppe und ffir den Gipfel felbft keine correfpondirende Beobadt- tung zu Clagenfurt . Wie nothwendig aber folche Beob- achtungen feyen , um auf den \vahren Werth diefer H6- hemeffung des Glokners durcb den Barometer zu fchlieffen, ergiebt fich daraus, dafs zu Clagenfurt das Quekfilber vom 24ten friih bis 25ten friib faft um 3 Linisn gefallen \var,‘ aauerte uun diefes Fallen bis Mittag des 25ten fort, fo i/f es mčglich, dafs der auf der Spize des Glokners gefundena Barometerftand gcrade damals zufaMiger Weife fthr nie- drig war. Dadurch vvEirde alfo die Angabe der Kobe ura fo mehr liber die Gebtihr vergroffert, als auf einem fo er- habenen Puncte wahrfcbeinlich I Linie Unterfchied im Quekfilberftande fchon iiber 20 0 Hone geben diirfte. Bei diefem Mangel an Zahl und Art der correfpondi- renden Beobaclitungen zu Clagenfurt babe ich, um dia wahre Hohe des Ghhners fo viei moglich auszumitteln, bei dem Hm. Prof. Schiegg Hilfe gefuclit. Ich befchlofs die Hohe von Salzburg , das Kefultat einer langen Reihe von Beobachtungen , zum Grunde zu legen, und die Be- rechnungen der Hohe des Gloiutis fovvobl, als j?n*r der Stadt Clagenfurt auf diefes zimlich genaue Datum Zuriik- zufiihren. Nacli Schiegg ift der mittlere Baromeierfiand Zu Salzburg =x 26" 9 '"> 35 . bel *iner Temperatur des Mercurs im Barometer — I I4 0 reaum.; mittlere Tem¬ peratur der freien Luft — + 8°, 6 . VVird nun die Tem¬ peratur der Luft am Meere = 8 0 , und der miltiere Barometerftand dafelbft nach Fleuriau de EelUvue * ) 28" ___ 2"' a/6 *) Grm’s und Gilberfs Aniialeit der PhyfL 2. B,- 3. _ St. ( i ’ 99 ) S. 3 SQ> „ . . . 78 2,'“ 5/6 1 ’ei einer Temperatur des Mercurs — F io° ge- fezt, fo ift nach der trembleyfchen Formel Salzburg iiber die Meeresftache erhaben 230 Klafter parif, M. Die correfpondirenden Beobachtungen geben mlttleren Barometerftand in Salzburg fiir den I9ten, šoten nnd siten Auguft — 26" 2, mittlere Lufttemperatur — f 15°, 96 ; fiir den 22ten Aug, mittlere« Barometerftand aus 3 Beobachtungen um 8 U. friih , 2 U. Nachmittags, und 9 U. Abends — 27", — 96; mittlere Lufttemperatur — 14 °,97; fiir den 25ten Auguft Barometerftand um Mittag 9 //; ,5 Temperatur des Mercurs, . — f 16, 0 — Lufttemperatur .......... = F 15, 0 5 Nadi diefen gegebeneil talilen ware die Hiitte auf der Salmshoht anl Glokner, ( fo werde ich in .Žukunft diefen Pnnct nennen) j erhaben iiber Salzburg . . I2I0 — KI, der Fufs der lezten kahlen Kuppe, wentl die Lufttemperatur dafelbft — f 8° ange« Itommen wird , . , , . , ( 1 , 1 a 1652, 6 Ki. die hochfte Spize deS Glohurs ..... 1932 , I KI, lomit iiber die Meeresflfche d’e Salmskdhe » 1440 —KI. det Fufs der lezten Kuppe *.,»*. 1882, 6 KI. die hochfte Spize ......... 2162, I KI. Zu Clagenfurt Vt/ar der mittlere Barometerftand vom I9ten bis 25ten Aii^, aus 13 Beobachtungen — 26"%"' S; dts mittlere Lufttemperatur aus lo Beobachtungen —d- '5 0 i 2u Salzburg arf eben diefen Tagen hilttlefer Barometerftand ~ 3,9" >9“'>91 \ mittlere Luftremperatur — i I 5 °, 5 ; f° m 't wa- w 2 re Clagmfurt iiber Salzburg . . . « 29, 5 KI. und liber die Meeresflache ...... 259, 5 KI. Diefs find die Refultate der ScMeggfchen Berechnungen. Die Reifenden haben dabei die de Lucfche Forme! ge- braucht, Der Glokner bat allerdings eine anfehniicise Hohe, und gehort gewifs unter die erften der beftiegenen, und gemeffenen europaifchen Berge. Orlam fert ( ZacKe allg. geogr. Ephemerid, Sun, 1798. S. 643 — 649.) den Mont Ro/e, ais den hdchften Bcrg der altcn Welt nach dem Moniblmt (vvelchen ich in einem Durchfchnitt* aus Sauf- Jure's, de Luc's, Violet’s, Senebier’s, und Schitikburgh's An- gaben auf 2422 0 annebme) auf 2390, den Schrekhbrn auf 2195 Toifen an. Der Glokner ware nach obiger Berech- nung nnr um 32 0 , 9 niedriger, ais das Sckrekhom, und unter den bekannten gemeffenen Bergen in Europa der4te. In diefer Hinficht hat er auch von jeher die Anfmerkfatn- keit der Eingebohrnen foivohl, ais der Fremden an flcfi gezogeh, Dr. Hoppe kam auf feiner im Jahre 179S nach den falzburgifchen, ciirntnifchen und tirolifch^n Aipen un- ternommenen botanifchen Reife am I7ten Jul. in Gefsll- fchaft des falzburgifchen VerWesfchreibers Mielichhofer ei-> nes gefchikten Mineralogen und Botanikers, nach /n Btut, beftieg mit ihm am folgenden Tage, und dann am 6ten Augoft noch einmal ailein die Pa/lerze . Obfchort er den Glokner nur von diefem feinem Vbrgebirge aus befehen bat- te, (o fiigte ef dennoch S. 144 des bot. Tafchenb, /Ur das Satir 1799 folgende Knisteiverfs boi : _ _\V«tr Wer vora Glokner hommt ohne Fieber, Vom Taueiii ohne lahrne Glieder, Und vom {Jntersberg mit gefundem Magen, Der kann von groffem Gliike fagetl! Hacquet , tvelcher den GU.kner irrig ins Tirolifchi fežt s bereiste diefe Gegenden in den Jahren 1779 — 17SI. Sei- iie Bemerkungen auf diefer Wanderlmg wurden zuerft 3 n die Schriften der Berliner Gefrllfchaft -naiitrforfrhevtieV Freunde aufgenommen ; fottach 17S9 Zu Wim bei Kraus in einem befondern Abdriske lierausgegeben. Kr kam aber ebelifalls nur bis auf die Paftevze > von wo aus der Berg nacii allen bisherigen Nachrichten nicht befteigbar iil. Indeffen hat er ohne eine Meffung feine Hi»he fehr glUklich Cber 2000 Lachter gcfcliaztj und eben fo richtig vermuthet, dafs man ibn , uin feine bochfte Spize zu ge* Winnen, am beflen von der Seite der Gosttiz nekmeti Wiirde. Er erwalint ganz beftimmt des Knopfes als der Geftalt der hdcbften Kuppe, und der ausgekerbten Grate, Welche von ihr herunterlaufen. Man erinnere iich, dafs unfere Reifegefelirchaft auf einem diefer Grate die bbch- ■fte Spize des Glokmrs erftleg, Die Ausficlit auf ditfen Berg* we!che er feiner Reife beigefiigt hat, nimmt ihti von SO. gegen NW. Es kommt alfo dort die Pafterze, weicbe auf der bei gegeiivvartigem Tagebucbe befindlichen Tafel im Vordergrunde fteht, rechts , dagegen der Lti/trberg, wel- clien er Gvsniz nennt, faft gerade vor ihm , nur etwas gegen die linke geriikt, zu fiehen. Iclt vermuthe > dafs der mit dem Namen V & fr okopf bezeichnete Berg der Kai- ftrroggiopf, und der Namen nur dtirclt undeutliehe Aus- fpra* —-~ 8i fprache derjenigen, die ihn Hacquet’en nannten, oder dnrch den Kupferftecher fo entftellt worden fey. Was er aber aus dem Anich - und Huber’fchm Atlas von Ti¬ ral iu Bezug auf dieren Berg meldet, mufs nach obi- gen und den folgeuden Nachrichten verbeifert werden. . • ''"'ji ^ ' ' ".‘J' Anich und Huher haben nicht den grofsten Theil des Glokmrs ins S alzburgifche gefezt, noch viel minder denfelben nach dem Orteles fiir den hochften in Tiral angegeben. Der getreue Auszug aus ihrer Charte ( in der Vignette ) zeigt, dafs fie die Granzlinien von Ciirn- ten, Tiral und Salzburg piinctiich auf der Spize verei- nigen, Die H 6 be betrefend , fo haben fie die lifichften Berge mit Sternchen bezeichnet. Das Sternchen, wel- ches man auf der Vignette bemerkt, gehdrt nicbt, wie viellelcht Hacquet glaubte , dem Gtokner. Der Berg , welcher daifelbe tragt, liegt fcbon ganzlich im Salzbur- gifchen, feine Spize 1/2 Minute vveiter ndrdllch, etwas nach O. Diefer Berg ift nun ganz getvifs das Sahbur - gifche IVisbachhorn. Die gvographifche Lage deutet vol- lig auf daffelbe. Miinner , die mit diefer Gebirgskette geuau bekanatfind, verficherten mir, dafs diefer Berg den Gtokner an Hdhe zuverlafsig tiberlrefe. Er fleht zwifchen dem Fu/cher - und Capninerthale, lil ganzlich mit Scbnee bedekt, aber bereils von mehrern Einvroh- nem der benachbarten Gegenden erftiegen worden. Drey F _ . _ Br li- Brflder aus dem Thaie von Fufch vereinten fich unter andern zu diefer Rcife. Jeder von ihnen hatte lich mit 3 Paar Fufseifen verfehen, um die auf dem Eife ftumpf geivordenen immer tvleder gegefr frifche ausvvechfeln zn ltdnnen. Um 3 Uhr Morgens verlieffen fie eine Al¬ pe am Fuffe des Berges, und erlt um 9 Uhr Abends * kamen fie tvleder dahin zuriik, obwohl fie fich nur fehr wenige Ruhepuncte gegOnnt liatten. Ich Iloffe in der Freundfchaft, den Kenntniffen, und der Forfchbegier- de des Hm. ProfelTors Sthiegg Mittel gefunden zu ba¬ ten, um im kunftigen Jahre elne trigonometrifche Mef* fung dlefes Berges veranftalten zu konnen, Die Orts- lage foll nach der Ausfage eines veritšndigen jungen Bergmanns Gelegenheit zu einer hinlSnglichen Stand- linie darbieten Ueberhaupt lafst fich hoffen, dafs man von der norifchen Alpenkette in Kurzem durch baro* metrifche und trigonometrifche Meffungen mehrerer ihrer anfehnlichften Erhebungen Notizen erhalten werde, Wodurch die von Dr, Lentin dem GZttiagfchen Tafchin- luske fiir Freunde der Gebirgskunde ("1798. 8. ) beigefiig- te Tafel eine fehr veranderte Geftalt erhalten diirfte. Bit izt vermifst man in derfelben die gefammten Ber- ge diefer merktviirdigen Kette, \viewohl es 'nicht an Quel!en gefehlt hdtte, um fie in diefer Hihficht minder armlich und nakt in die Welt zu fenden. Der Anich- und ti natri' cht Atlas von Tiral zeigt nur allein auf dem 9ten Blatte in der Kette von Zillerthal weg bis Battris 4 ausgezeichnet hohe Alpenfirften , die ganz in das; .Salzburgijche fallen, und von denen, tvie ich der Lage nach vermuthe, eine am rothen Kopft in der Zem, eine andere am LSffhr in der Stiluppe, beide im Zillerthalt zn fnchen find. Diefe ehrsviirdige , der alieralteften Formation zugehorige Bergparallele bietet noch ein wei- tes Feld fur BergmeiTungen dar, Nie werde ieb des unbefchreiblich groflen, hinrelf- fenden , erfchiitternden Schaufpieles vergeflen, deffen An- blik ich einft auf der Hohe des GuggMerges im Zitler - ihati genofs, Die Jagd auf SchildhShne ( Tetrao tetrix ) hatte mich im Fruhlinge 1783 anf diefe in der Schiefer- kette liegende Gebifgskuppe gebracht. Bald nach der Mitteroachtsftunde waren der Jager und ich aus der kleinen Scheune einer Voralpe, wo wir tins in altes Heu gegraben, und einige Stunden geruhet hatten, auf- gebrochen , um den Gipfel des Berges zu gewinnen. Eine freundliche Kuppel fizt auf dem Riiken einer fruchtbaren , von SW, in NO, laufenden , in Aeker, Wiefen, Weiden nnd Geholze gekleideten Bergreihe; majeftatifeh und lieblich zugleich in ihren Verhaltniffen erhebt fie fich »iber den fchmiichtigen Scheitel des iich in mehrere Meilen der Lange hin dehnenden Rafenge- birges. Noch waren kaum ztvei Stunden nach Mltter- F 2 nacht 84 nacht in das unertnefslicbe Meer der .Zelten hinabge- floffen, als wir fchon von der Zinne dlefer Kuppel Be- fiz genommen hatten. Gleich dem undurchdringlichen Schleier liber dec .Zukunft dekle ein in das Schwarz der tiefften Nacht getauchter Flor das im Abgrunde zn uniern Fuflen Iiegende Thal. Die ganze Natur fchien noch im Todenfchlafe zu liegen. Schauerliche Stille lierr- fchte iiber die Erde, Nur das ferne Raufcben dem Welt- meere Zueilender VVaffer verkiindigte noch die evvig tlia- tigen Krafte der Schopfung. Ein ungeheuerer Arm de* ungeheuern Granitaquators von Siideuropa iag izt mit allen feinen ReiZen und Schreken vor meinen Augen. In der tiefgrauen Tinte aus den lezten Stralen der nie- dergegangenen, und den erften der neuen Sonne des hommenden Tages war diefs vveite Meer von Urfeis und Eis iiber den fiidlicb vor mir ausgebreiteten uner- mefslichen Teller der Erde von Morgen in Abend hin- gegoffen, Das Ganze diefes diiflern Gemaldes war mehr dazu gemacbt, den menfchlicben Geift tief in fich felbit zuriikzufcheuen, als ihn an (ich zu ziehen, Bevvun- dern mufste man es; aber envarmend war es fo U’e- nig, als die Luftichichien , die micli umgaben. Izt ge- rieth pldziicb die hociifle miter den taufend und abtr- mal taufiend der vuolkenberiihrenden Spizen diefer im Mittelpuncte der Erde umrzelnden Aipenkette in helle Glut, Namenios fcl.6n erhob fich die vom ewigen Feuer der der Sonne liber and iiber gerdfhere Schneeiiuppe aus dem Dunkel oes Grundes, von dem fie heraustrat, in die heller grauende Luft. Sie, die umibertreflichfte Mahlerin. ftand noch tief unter meinem Gefichtskreife. Keine Wolke triible den Himmel. Wo nahme ich Worte, um mein Erftaunen , meine Eniziikung, mein Dahinftarren zu fchildern , da nun baid im O. eine zureite gliihende Felspyramide, eine dritte in S., izt in W. eine vierte, und dann, wie ein feuriger Bliz , eine ftinfte in SO. , fo wie die Schopfung in ihrer ehr- wiirdigen Hierarcbie fie, die Hanpter der Erde , ge- reiht bat, heraushoben ihre Purpurgewander ans der Todesftille der Thaler! Wo fande ich Farben fiir diefe einzigfte Landfcbaft , wo die ubermenfchHcbe Kunft, auch der gliihendflen Einbildungskraft diefe bezaubern- de Erfcheinmig mitzutheilen! Unziihligemal fchivebt das entztikende Gemalde vor mir, Es vvird micb begleiten durcb jeddn Irrgang meines Lebens. Immer wird diele Riikerinnerung wie ein electrifcher Schlag auf mich wirken , wenn auch Alter, und die Befchurerden einer miihevollen Reife durch diefe Welt die Nerven abge* fhimpft, die Gefiihle erkiiiiet haben werden. An allen Eken fchien das ganze vveite Weltgebaude in Brand geftekt zu werden. Die Natur hatte auf diere groffen Augenblike , in denen mir die Zeit fo endlich, und fo unendlich der Rausn Ward, alie Pracht ihrer Farben vertlfendet. Nie ward Apollo feit feinem erften Befuche in folchem Schmuke von der vielbriiftigen Gbttin em- empfangen, Allzeit hieng mein Blik mit Wolluft an deiner Aurora, o Guido Meni! Aber was ift alle menfcbliche Kunft gegen die Wundervverke der Scho- pfung! Noch in diefem Augenblike kann ich das Nach- bild kaum begreifen, das mir die Rukerinnerung vor- ftellt, fo fchvvach es auch ift im Vergleiche des Urbil- des, das mich aaffer mich felbft bob. Hatte ich diefs ganze Meer von etvigen Felfen und Eis io genau ge- Jtannt, als jener Weltumfegler unter jeder Breite und Liafe die Tiefe des Oceans; — ware ich auch fonft mit der gefammten Topographie der Berge fo vertraut gewefen , dafs ich jedes Horn, jeden Kopf, jeden Pic, und jede Aigullie mit derfelben Beftimmtheit hatte wie- derfinden, benennen honnen , als jener kultne Seefah- rer auf jeder Iiifel die feichtefte Bucht , und die fiiffe- fte Quelle in jeder Bay, jede Brandung auf jeder Aiifte, jede Klippe und jedes Corallrjff in jeder Durchfahrt — ich wiirde dennoch zu tvonuetrunkeii gewefen fein, um um aus der Reihe der feierlichen Begriiflungen den Rang zu beftimmen, welchen die Schdpfung diefen Ur- seugen der Welt auf ihres ewlgen Tbrones Stufen an- gevviefen hatte, Aber konnte ich je von dem, was mir an Erdengenufs \vard, etwas zuriikrufen , • fo wtirde ich die Vorfehung bitten, mich noch einmal diete Al- lerhdchfte der irdifchen Fefte fehen zu lafien. Ware ich dann meiner Sinne roachtiger, a!s ich es damais war, fo wiirde ich die Zeitraume meffen, und ziihien, in Wel- chen die fehonften der je von mir gefehenen Feuer fich folgten, und dann die Berge fo aneinander reihen, wie fie Fhobus mit feinen Rofenfingern beriihrte. Da dierer gtilkliche Augenblifc fur mich fchwerlich Wiederkehren wlrd, fo bitte ich junge, kraft-und ge- fUhlvolle Naturforfcher, iich durch die Befteigung zwek- mafsig dazu ausgeivaiiiter Berge jener Gallerien zu be- meiftern, aus welchen (ie diefs bezaubernde Schaufpiel iiberfehen itdnnen. Aber nicht nur genieffen, wie icb, — auch beniizen miifsten fie es, um die Runde der Berghdhen auf einem V^ege zu vermehren , wel- cher gewifs der allerreizendfte ift. Nur dtirfen fie nicht mehr als eine Stunde nach Mitternacht verfaumen, um auf der Spize des Berges das Aufziehn der Courtine zu mvarten. Den Standpunct dazu iverden (ie am beden auf einer erhabenen Kuppe der Kalkhette , oder der zwi- Cehe n . fchen ihr und dem Granitaquator die Scheldetvand bll- denden Thonfcliieferltette wihlen, um die machtige Rei- he der Urgebirge nach ihrer ganzen Ausdelmung im Hintergrnnde za haben. Dankber fiir dlefe Kinladatsg vverden fie das unnennbare Vergniigen iiber dieTeu groi- fen Anblik mit mir theiien, Dir Herausgiier,