^F>>^^'M Hundert Tage auf Reisen in dc» österreichischen Staaten von I. G. Kohl. F u nfter !5 hsil. Rcise in Etcil'rnmrf ilüd lm baicrischen Hochlalido. Prcsdcn und LciMi, in der Är no ld ischen Vnchh «nbl >l>ig. Hundert Tage anf Reisen in den österreichischen Staaten, von A G. Kohl. ,,Gesegnet werbe, wer d« lobt, „Oescgnet werbt, wer da zischt." """"""" Fünfter Theil. Reise in Steicrmark und im baierischen Hochlande. Mit rincm Titclkupfer. Dresden und Leipzig, in der Arnoldischen Buchhandlung. 18 4 2. Reise in S t e i e r m a r l und im baierischen Hochlande, von A W, Kohl, „3llch«s jll ,Wciß ich Süßeres wo, als Pat»la»d zu crlcmun. Mit einem Titelkupfer. Dresden und Leipzig, i»!)l»» ^uricu«. — ^ccn-o <1« Wlmiu. — Der landwirthschaftliche Musterhof. — Die deutsche Natio, nalbirnc.— Sttin'fche Geschichte.—Huldigung der Stände. —Reden bei der Huldigung Karl's VI.— Drang in die Ferne. Von Grätz nach Leobcn........66 Der hohe Schöckcl. —Ober- und Unter-Stciermark.— Die Trotteln. — Cretinismus. — Der Rochelstein. — Rekruten-Aushebung. Der Eisenberg bei Vordernberg und Ei- senärzt............76 Die Salzstraßc. — Die Giscnstraße. — Der Prcbühcl. — Die Taghaue —Die Sturzschachtc.—DicKober-Bubcn.— Der Bergsegen.—Der Jäger Volkel.— Das „Vertockern." Steirische Felsen und 's Landl ... - 97 Das Eistnmaterial.— Tempcvaturgrade in den Bergen.— VI Seit«. „Zwischen den Mäuern."— „Inder Noth." — „'s Ge-säuse." — Die Höhlen. — Land! Land! — Die Lebzelt, ner." — „Wie heißt der Berg da?" -^ Lichtcffecte in den Bergen. — Felfcn-Chaos. Stift Admont............113 ,,ä.— Salzquellen. — Fexen. — Ampeln. — Neue Zeit. ^ Seite. Inzel...............298 Der Ncssclgrabm und das Geschrei. — Die Brunnenhäuser. — Die Ndhrenkasten. — Der Neuweg und die Via ma!a. — Deutsche und Mcriramschc Sterne. — Parallelismus in der Entwickelung der Flußläufc. — Höflichkeit ber Bauern. — „Mit Verlaub!" — Die „Kästen." — Die schönen Zimmer in Augeburg. — „Hinaus," „hinein," „hinüber", „hintere." — Vaier'sche Hochgebirgsdörfer.....314 Roth?, schwarze und weiße Flüsse. — Eisenwerke in Bergen. — Die Moose und Filze. — Dorfreise. — Die Bauart der Häuser. — Dorfkirchhof. — Das Haferfeldtreiben. — Altes Gasthaus. Rosenheim ............329 Wohlhäbigkcit.— Holztrift derMangfaU.— Salwenwcrke. Schllcrsee..............333 Lauf der Mangfall. — Abfall der Blätter. — Dorf Au. — Obstgärten. — Baier'sche Scecn. — Die Fischer-liesel. — Nchteffect. — Der Kreuzberg. — Senner und Sennerinnen. — Glockenkuh-Gcfecht. — „Schürst." — Die Raufer. — Tessernsee.............346 Kirchengänger. — Hinten und vorn. — Herbstlandschaft. Abfahrt von den Bergen........350 Da^ Mtlagsgcbet in Baiern. — Butterbrotländer. — Baier'sche,,AuM-tigung." — Tolzcr Prügel. — Münchener Kindel. — W)lfrathshau'cr Krauttoffcl. — AugS-burgec Datsche. — Wcilheimer Stückeln. — Die Al. pen aus der Ferne. Von Flirstenfcld nach Grätz. 2>on der Türkcngrauze, aus Ungar» kommend, betrat ich nun wieder daö Land der Mitte, das man — wenigstens wenn man ein Deutscher ist, man mag kommen, von woher eS sei — so gern betritt, das Land der europäischen Mitte, wie wir Deutsche unser Vaterland mit weit größerem Rechte nennen können alö die Chinesen das ihre inVezug auf Asien. Welches Lebensvcrhaltms; wir auch immer nehmen mögen, in Deutschland gleicht sich Alles auö, und seien cs politische und moralische, oder physikalische und kosmische E,r-treme, in unserem Vaterlande finden wir das Centrum aller europäischen Linien. Wir Deutsche bewohnen den mittleren Hanptkörper Eu« ropas, an den sich seine Glieder nach allen Seiten hinanS erstrecken. Von Deutschland geht es nach Italien hinaus zu den heißen Gebieten der südlichen Zonen, und ihnen gegenüber rühmen wir, wenn wir anch seines schönen Himmels entbehren, die größere Frische, uud Kühle unserer Wälder und Quellen. Nach Norden in die Nachbarschaft der Polargegenden bunen sich Rußland und Skandinavien ^ 1 H hinaus, und wenn sie dort im Winter frieren und Vaum-stämme gegen die grimmige Kälte in ihren Oefen verlodern lassen, so erscheinen wir ihnen gegenüber als Südländer, spalten unser Holz in kleine zierliche Stückchen und preisen es, daß wir den Frühling vier Wochen früher haben. Freilich wendet der unwissende Provenzale und der Italiener sein Angesicht hinweg von unserem theueren Vaterlande und schilt es nebelicht und feucht — und der vorur-theilsvolle Spanier meint gar, nur in Frankreich allenfalls noch könne er es aushalten, was jenseits liege, sei Alles ein nordisches Land ohne Sonne und Sterne. Mit Recht aber können wir diese Leute auf England verweisen, zu dessen Nebeln die unsrigen sich verhalten wie zarte Schleier zu Sackleinwand, —- mit Gleichmuts) hüllen wir uns eine Zeit lang in unsere feinen Rhein- und Donau-Nebel und denken: „die Sonne sieht nachher wieder um so schöner auö." Ein stets blauer Himmel, eine ewig blitzende Sonne, wie in Spanien, kein Deutscher könnte sie ertragen. Wir haben durchaus die Poesie der Wolken nöthig, in welche sich unser Firmament Laid so, bald so alle Tage mit einem andern Co-stum vermummt, ohne doch wie im Lande der Hyperboräer, für immer in eine Nebelkappe gehüllt, gleich einem alten Greise dazusitzen. Der schroffe unzugängliche Engländer hat auf seiner rund vom Meere umwogten Insel außer sich selbst keinen einzigen Nachbar. Der Franzose hat nur zweierlei Nachbarn, romanische und deutsche. Wir Deutsche unserer Seits haben fast alle Europäer zu Nachbarn, germanische, romanische, slavische aller Art, ja sogar auch walachische und türkische. z Mit den Slaven im Osten, nut dm Nusscn, Polen, Böhmen, Serben, Kroaten, ja wer nennt diese Raccn alle, sind und waren wir in Frenndschaft und Feindschaft vermischt. Mit den Italienern verbrüdern wir uns im Süden, und denFranzofen nahern wir uns im Westen, wie wir uns im Norden an die Hollander und Normanen anschließen. Es ist keine dieser Nationen, deren Sprache und Sitten nicht entweder in ganz Deutschland oder doch in einem Theile desselben verstanden würde, und sie können alle zu uns kommen und irgend eine Gegend bei uns finden, in der sie sich fast wie zu Hause fühlen mögen. Wir haben daher Gelegenheit, alle europäische Nationen ganz aus der Nahe zu beobachten und das Gute von ihnen anzunehmen. Daher sympathisiren wir auch am Rhein mit den Franzosen, an der Donau mit den Türken, an der Nordsee mit den Engländern, —- an der Ostsee hie und da sogar noch etwas mit den Nüssen, — rühmen uns aber zugleich auch allen diesen Nationen gegenüber irgend einer guten Eigenschaft, die sie nicht haben. Dem englischen Stolze setzen wir Duldsamkeit entgegen, dem französischen Leichtsinn gegenüber rühmen wir uns der langsamen Bedächtigkeit, — der italienischen glühenden Räch- und Eifersucht gegenüber zeigen wir Versöhnlichkeit und Nuhe, und dem slavischen gewaltthatigen Despotismus Nechtssinn und Treue. Alle religiösen und politischen Systeme Europas ragen mit ihren äußersten Zipfeln und Ausläufern in Deutschland hinein, so das constitutionclle System Frankreichs und Englands, das bei uns viele Anhanger findet, s» die Unllmschranktheit des Ostens, die bis in's Herz von Deutschland vorgeht, obgleich sie hirr unendlich vielfach ge- 1* H mildert ist, ebenso wie die Freiheit des Westens bei uns etwas gemäßigt und gezügelt wird. Der poetische Katholicismus hat seine Basis in Italien und ragt bis tief nach Deutschland hinauf, so wie der kühle Protestantismus, der im Norden seiuc Quelle hat, bis tief iu Deutschland hinabgeht. Reist man von Nußland nach Deutschland, so glaubt man im Lande der Freiheit zu landen, geht man von Frankreich her über die Gränze, so freut man sich deö Landes der Ordnung und der guteu polizeilichen Aufsicht. Naht man sich von Belgien, so lobt man sich die Schulen und die Aufklarung des Volks. Verlaßt man Italien, so dankt man Gott, nun mit gutmüthigen uud ehrlichen Leuten zu thun zu haben, und hat man Ungarn im Rücken gelassen, so ist mau auch hier wiederum herzlich froh, das Land der Mitte zu erreichen, in dem auch so viele ungarische Steiue des Anstoßes sich wegpolireu, so viele Knoten ihre Auflösung findön. Wenn es nnr ein Angesicht gehabt hätte, so hatte ich es umarmen mögen, das kleine, wohnliche, gemüthliche, auf dem Verge liegende deutsche Granzstadtchen Fürstcnfeld, in dein ich Alles, die Hauser, die Straßen, die Bürger auf den Straßen, die Marktleute, das Wirthshaus, so ansprechend, so charmant uud liebenswürdig fand. Ich bildete mir fast ein, ich wäre zwischen lauter guten Freunden und alten Bekannten, und wunderte mich beinahe ein wenig, daß die Leute, als ich ihim, sagte, ich käme aus Ungarn herauf, mir nicht die Hand drückten und mich nicht herzlich willkommen Hiesien. Selbst der österreichische Wein, den ich sonst immer für ein Bißchen sauer hielt, gesiel mir nun sehr wohl; seine ö schöne goldgelbe Farbe kam mir im Schimmer des Soimen-schcinS und auf den mit grünem Wachstuch beschlagenen Tischen höchst anmnlhig vor, und ich fand nun, daß der österreichische Wein, wenn man ihn mit Wasser mische, ganz vortrefflich sei. Er ist recht gesund und stillt den Durst weit besser als der feurige Ungar-Wem. Auch erquickt seine Säuerlichkeit bei grosicr Hitze weit mehr. Das Wirthshaus glich fast einem Nonnenkloster; denn eine Wittwe mit ihren Töchtern und eineReihe von Stuben-madcln standen der Wirthschaft vor. Ich aß hier mit einigen österreichischen Offizieren zu Mittag, welche den Gränz-» Posten commandirtcn, der hier zur Assistenz für die grofte Fürstenfelder Tabacksfabrik aufgestellt ist. Diese kaiserliche Fabrik ist für Cigarren eine der bedeutendsten der ganzen, Monarchie. Es sollen hier taglich nicht weniger als 45,000 Cigarren fabricirt werde», die meistens für Steiermark, Karnthcn, Kram und die österreichischen Landschaften südlich von Trieft bestimmt sind. Nach Triest allein werden monatlich 6«0,«00 kaiserliche Cigarren von hier aus verschickt. Im ganzen Jahre verfertigt diese Fabrik allein etwa löMillioncn Cigarren (wenn wir für die Festtage etwas abrechnen). Vedenktman.dasi das lauter abscheuliche schlechteWaa-re ist, die zu genicsicn keinem Menschen Spaß machen kann, bei deren Genus; vielmehr jeder Rancher entweder eine leise Verwünschung durch die Zahne murmeln lasit oder doch sie kaum unterdrückt — bedenkt man ferner, daß die österreichische Regierung eine Masse von Beamten bei der Anfrecht-haltung ihres Tabackömonopols bezahlen und sogar auch bel jeder Fabrik ein Soldatenpiket auf deu Beinen halten « muß, bedenkt man, daß, wenn das Monopol wegfiele, eine unzählige Menge von Gränz- und Monopolwächtern er-spart und unzählige Aufforderungen zu Betrügereien wegfallen würden, daß aber an die Stelle der armen kümmerlich sich nährenden Tabacks - Trafikanten viele reiche Fabrikanten und Kaufleute treten würden, die nicht nur den Tabackshandel mit dem Auslande, sondern mittelbar dadurch auch manche andere Handelszweige heben und im Stande sein würden, den Netto-Profit, den die Negierung und einige von ihr beauftragte oligarchische Speculautm jetzt genießen, auf andere Weise durch eine bequemere Besteuerung zu ersetzen, so begreift man nicht, wie das österreichische Gouvernement nicht auf alle Weise dahin strebt, möglichst bald sich dieses Monopoles zu entledigen, d. h. Privatpersonen mit der Verfertigung uud Beschaffung von Taback und Cigarren zu beauftragen. Die Ungarn, scheint es, haben die Fichtenwälder nicht gemocht, denn, während man im westlichen Ungarn gar keine sieht, fangen sie hier auf der deutschen Ecitc hinter Fürstenfeld sogleich an und verlassen nun im Alpenlandc den Reisenden nirgends mehr bis zu den Laubwäldern Val' erns. Wie die Fichtenwälder so treten hier auch im Haushalte und Leben der Menschen viele kleine Verhältnisse auf, die sich den Nachbarn, nicht einmal den benachbarten Hinzen, die doch auch Deutsche sind, mittheilten. So sieht man gleich hier bei Fürstenfeld alle Leute mit Regenschirme» laufen, auch bei'm bcsiten Wetter. Dieß ist fast durchweg in allen Alpengegendcn bis nach Tirol und der Schweiz Sitte, in welchen Ländern niemand ohne Regenschirm über die K Verge geht. In Ungarn kennt das Volk dieses Hausgeräth gar nicht. Vei trockenem Wetter tragen sie ihre Vuntas mit der rauhen Seite nach innen. Wenn es regnet, so kehren sie die rauhe behaarte Seite nach außen und lassen den Regen so leicht von den fettigen Haarlocken der Wolle hinab--träufeln (trüge man das Leder nach außen, so würde es durch den Regen erweicht und bci'm Trocknen nachher wieder spröde werden). In Rußland ist der Regenschirm fast noch weniger bekannt als in Ungarn, denn dort bedienen sich desselben selbst die Wohlhabenden selten. Der Pelz ist dort Alles in Allem. Das größte Rcgenschirmland sind die Alpen, Deutschland und Frankreich, wie Italien und Spanien die Lander der Sonnenschirme, Fächer undStrohhüte. Auch der Buchweizen, der gleich bei Fürstenfeld von allen Bauern gebaut wird, ist eine Erscheinung, die man in dem ungarischen Weizenlande nicht findet, die aber hier in allen Alvcnthalern sich wieder zeigc; denn sie giebt den Stoff her zu den Hauptnahrungsmitteln der Bergbewohner, zu den Knödeln und dem „Sterz" (so nennen sie den Vuchwei-zenbrei). Die hohen Alpen verlaufen sich hier in diesem Strich von Steiermart zum Plattensee hinab mehr als anderswo. Durch den Vakonycr Wald, durch das westliche ungarische Hügelland, zu den höheren Bergen und Gebirgsdammcu dieses östlichen Theiles von Steiermark und dann bis zu den eigentlichen Alpen bei Graz hinauf ist eine ziemlich lange Stufenleiter, und Ungarn stößt hier mit seinen Ebenen nicht so wie Vaiern oder die Lombardei mit den ihrigen unmittelbar an den Fuß der Alftenkette. Daher werden denn auch 6 in Ungarn keine solche prächtige und riesenhafte Gebirqsbil-der gesehen, wie sie an dem Horizonte von Vaiern und der Lombardei erscheinen. Es läßt sich das östliche Stciermark etwa mit den Iurakctten im Westen der Alpen vergleichen. Trotz dem, daß unsere beiden kleinen schwarzen Sieben-bürger ihr Möglichstes thaten, so wurde eö doch Abend und Nacht, bevor wir alle diese östlichen Ketten durchschnitten hatten, und als wir endlich auf der letzten ankameil, welche das mittlere steirische Central-N)al der Mur und das eigentliche Herzland Steiermarks, das Grätzer Feld, im Osten um-dammcrt, hatte die Nacht ihre königliche Toilette langst vollständig beendigt. Die Straße führt mehre Stunden la»g auf dem hohen Kamm iener Ketle, wie auf einem platten Damm? hin, die ganz eigenthümlich gebildet sein und äußerst wenige Einschnitte haben muß. Links und rechts hatten wir immer eine Menge tiefer .Thaler und dunkler Gründe, die nur zum Theil mit Wald zum Theil mit Wiesen erfüllt zu sein schienen. Hinter und rund herum lagen überall dunkelbewaldete Gebirge, gleich schlafenden Rieselt. Nur in der Nähe unserer Straße, die sich wie ei» freundlich vom Monde beleuchteter Streifen durch diese dnntle Wildnis; zog, war es lichter. Hier waren Obstbaume und andere Laubhblzer gepflanzt, und allenthalben boten sich ungehinderte Durchblicke in das Reich der Finsterniß hinans. Kein Laut regte sich mehr in den Thalern zur Rechten und zur Linken, kein Wagen, fein Fußgänger begegnete uns mehr, und wir schienen allein im Besitz dieses Labyrinths, zu dem wir uns an der Straße wie an dem Faden der Ariadne hindurch fanden. Eö ist jammerschade, daß es so wenige sol- o cher hoch ans freiem Damme dahmschwcifeuder Alpen-Straßen giebt. Gewöhnlich schlangcllt sie ängstlich und vorsichtig in den Thälern hin, oder wenn sie es einmal nicht vermeiden können, sich zu den Vergen zu erheben, so gehen sie widerwillig lmd mühselig im Zickzack hinauf und schleichen und schlüpfen dann doch noch — selbst die Fußstege — durch enge Fclsenpässe oder durch tiefe Einsattelungen. Wie herrlich wäre es, wenn die Natur noch einige solcher oben platter, hoher, gangbarer Damme mitten durch das Labyrinth der Alpen gemacht hätte, auf denen man wie Jupiter auf seinem Wolkenwagcn, weit mit dem Auge gebietend, dahin rollen könnte. — Wir imißten uns leider nach einigen Stunden wieder in's Thal hinablassen, und uns that sich dann in stockfinsterer Mitternacht nach Mondcöuntcrgaug ein Thor alls, von dein man uns sagte, daß es das Thor einer großen Stadt sei, welche „Grätz" heiße und in einer schönen Gegend liege, welcl'e man „das Gräher sscld" nenne. Wir nahmen dann einen Menschen an Vord , der unö nach einiger Zeit wieder anhalten ließ, indem er uns sagte, daß wir nns nun vor der Stadt Trieft anf dem Iacomini« Platz befanden, dem größten Platz von Grätz, von dem ans die schönste Straße, die Herrengasse, gerade mitten durch die Stadt führe, und daß die genannte Stadt Trieft ein sehr gutes Wirthshaus sei. Wir beschlossen einstweilen einmal blos, diese letztere Angabe einer näheren Prüfung zu unterwerfe» und erst am anderen Morgen die Wahrheit der anderen Ne« hanptungen zu untersuchen. Grätz. Es ist ein Streit darüber, ob man „Grätz" oder„Graz"sagen und schreiben solle. Die Italiener und Slaven stehen in diesem Streite auf der einen Seite und entscheiden sich für Graz, die Deutschen auf der anderen und vertheidigen Grätz. Die Italiener halten das 2 für wohlklingender, und die Slaven halten eö für patriotischer, indem sie behaupten, die Stadt sei ein von Slaven gegründeter Ort und der Name komme von dem in so vielen slavischen Stadtenamen vorkommenden „Grad." Die Deutschen haben aNe slavischen Graz in Grätz umgewandelt, z.V.: Windisch-Glatz, König-Grätz. Doch kommt jetzt die Schreibart Graz mehr und mehr in Aufnahme, was wahrscheinlich mit der allgemeinen Hebung des Slaventhums, das auch in Steiermart seine zahlreichen Anhänger findet, zusammenhangt. Die Hälfte des Landes, der größte Theil von itntersteiermark, die schönsten und fruchtbarsten Ebenen Stciermarks, sind von Slaven bewohnt, namentlich die hügelige Gegend, welche nuin die „Windischen Vüchel" (d. h. Hügel) nennt. Diese Gegend ist eine der eigenthümlichst gestalteten Landschaften. Es sind lauter kleine Hügel, die einander vollkom- u men gleichen und ohne Zusammenhang in gleichen Entfern-ungen neben einander liegen. Zwischendurch führen die Wege. Die Ansichten gleichen sich überall so sehr unter einander, daß man Mühe hat, sich nicht zu verirren. Sonst war diese Gegend ebenfalls deutsch, wie das Obersteicrmark, und über das sechste Jahrhundert hinaus finden sich keine Spuren von Slaven in jenen Strichen. Der ProfessorMu? char, ein ausgezeichneter Gelehrter, der die Geschichte der windischen Slaven zu seinem besonderen Studium gemacht und namentlich jenen vielbestrittenen Punct des ersten Auftretens der Slaven in den Dran-, Sau- und Mur-Gegenden in einer trefflichen Abhandlung näher beleuchtet hat, sagte mir, er habe so viele steirische Urbarial-Vücher, als er nur habe einsehen können, dnrchstndirt, um das Verschwinden und Auftreten deutscher Orts-, Verg-und Flußbenennungen zu beobachten. In jenen Urbarialbüchern sei jedes Dorf, jedes Gut, jedes Haus, jeder Verg, jedes Thal, oft zuweilen jeder einzelne Vaum genau beschrieben. Diesen Büchern zufolge findet man, daß vor 300 Jahren noch viele Orte, die im slavischen Lande liegen, deutsche Namen hatten; auch findet man zu jener Zeit die deutschen und slavischen Familien-Namen gemischt. Erst spater erscheinen die deutschen Namen mehr und mehr verdrangt. Doch giebt's auch noch jetzt einige dentsche Namen mitten im slavischen Lande, selbst Namen von Bergen, z. V. die „Sulzbacher Berge." Die stcirischen Slaven werden von den Deutschen Winden genannt, sie selbst nennen sich „Slowenzi." Sie suchen jetzt die deutsche Sprache, ebenso wie die Tschechen und andere Slaven, aus ihren heimathlichen Feldern zu vertreiben, und die Kenntniß 12 des Deutschen macht entschiedene Rückschritte bei ihnen. Sie schreiben windische Grammatilen, lassen Aufsätze in windi-scher Sprache drucken und sprechen darin von allerleiDingcn, von denen sonst nie die Rede war. Neulich sogar, was bisher noch nie passirt war, trat in einer Versammlung stci-rischer Landwirthe ein Winde ans und brachle die Gesundheit des Kaisers in der slavischen Sprache ans. Es ist merkwürdig, daß, während man im Westen Europa's, in Frankreich und England, sich jetzt mehr Mühe als sonst giebt, Deutsch zu lernen, jetzt überall im Osten die Leute daS Deutsche wieder vergessen wollen. — U»d aus diesen Ursachen also, wie gesagt, mag es sich auch herschrciben, daß jetzt die Schreibart Graz mehr und mehr Anhanger sindet. In keiner Stadt der ganzen Alpcnkette von Frankreich bis Ungar» hallst sich so viele Bevölkerung wie in Gratz, das jetzt nicht weniger alö 4tt,000 Einwohner zahlt und mithin die grüßte Stadt der Alpen genannt werden kann. Sie liegt etwa in der Mitte zwischen Wie» nnd Triest, und dieß macht sie zu einem bedeutenden Speditionsortc zwischen die-' sen beiden Plätzen. Sie dient gewissermaßen als Vermittlerin zwischen Italien und Deutschland. Da der Ort eine schöne Lage hat, und das Leben daselbst angenehm und billig ist, so lassen sich auch viele Leute sowohl aus Triest als aus Wien hier nieder. Namentlich kommen hier von beiden Seiten her viele Veamte znsammen, welche den Dienst ausgaben und sich zur Nlihe setzten, ihre Pension in dieser schönen Alpcnstadt zu genießen. Es giebt mehr solcher, Dentsch-land und Italien vermittelnder Alpenstadte, so das durch seine deutsch'italienische Messen wichtige Vozen zwischen In-- sftruck und Verona. Wie nach Vozen werden auch nach Gratz viele junge Italiener geschickt, um dort Deutsch zu lernen, wie umgekehrt von hier aus die Deutschen nach Italien gesandt werden. Manche Leute kommen in der Sommerzeit aus dem heißen Küstenlande am Adriatischcn Meere hieher, um die Sommerfrische der Alpen zu genießen. So fand ich hier eine Familie aus Dalmatien, eine andere sogar von den ionischen Inseln. Allch schickten sonst die Italiener ihre Sühne nach Grätz auf die Universität, um die dentschcn und italienischen Sitten auszugleichen. Vis zum Jahre 1831, waren unter den 1000 Studenten nicht weniger als 200 Italiener, welche hier als angenehme, wohlgebildete »md seiche junge Leute wohlgcliltcn waren. Die Cholera vertrieb sie, und seitdem sind nie mehr so viele wiedergekommen. Jetzt hat man nur l2 Italiener. Auch Inspruck H.Ute noch jüngst eine sehr bedeutende Colonie italienischer Studenten. Jetzt haben sie sich aber mehr nach Wien gezogen. l^ratz ist eine grosic und schöne Stadt und bietet alle Annehmlichkeiten einer solchen, ohne jedoch durch irgend ein dominirendes Interesse irgend ein diesem entgegengesetztes Interesse zu verletzen. Es hat weder ein Kaiser oder König hier seine Residenz wie in Wien, noch waltet wie in Trieft der Handelsgeist vor. Wie daher pensionirtc Vcamte hier M->, ihren Aufenthalt Wahlen, so findet man auch solche hier Zurückgezogene, die einstmals selbst einer Krone sehr nahe slanden und dieß gem vergessen möchlcn, z. V. die Herzogin von Verry. Auch der Erzherzog Johann, der die Alpenlust mehr als die Hoflllft liebt, hat im Winter hier seine Residenz und mit ihm wohl mancher gleichgesinnt«: 14 Cavalier. An diese Elemente der Grätzer Gesellschaft schließen sich dann hie und da noch manche andere an, sogar einzelne Engländer und Franzosen. Ich traf hier sogar emen, der drei Mal die Welt umsegelt hatte, jetzt aber in diesen stillen Alpcnhafcn eingelaufen war und rnhig neben jener Herzogin vor Anker lag, deren Segel so oft mit conträrem Winde auf eine Krone hinlavirteu. Grätz ist ein Haftn für alle leck gewordene und von den Stürmen und Strudeln der Weltbeqebenhciten anf's Trockene geworfene Schiffe. Auch von den polnischen Wirren her liegen hier noch einige traurige und jetzt fast vergessene Wracks. So z. V. sah ich im Theater einen alten feurige» Graukopf sitzen, den alten Ostrowski,), der hier Tag für Tag im zweiten Sperrsitz rechts von der Bühne zu finden ist. Sonst sah auf der Bühne der Weltbegebenheiten so Mancher zu ihm auf, jetzt blicken sie alle von der Bühne der österreichischen Localposse über ihn hinweg, und kaum weiß noch hie und da Einer zu erzählen, welcher Kummer diese Locken bleichte. Uebrigens haben ihrer Zeit die Polen hlcr ebenso viele Theilnahme gefunden, wie bei uns, wie denn überhaupt Alles, was uns in Deutschland bewegt, erfreut und betrübt, auch hier einen großen Anklang findet, nur mit dein Unterschiede, daß von diesem Nachhall dann nicht so viel gesprochen wird, da die österreichische Regierung dieß nicht stark befördert. Unter Tausend war kaum Ciner in Oratz, der e3 mit den Russen gehalten hatte, und selbst bei diesem Vi-nen, sagte man mir, hätte man bei näherer Nachforschung weniger in seinem Herzen als in seiner Brieftasche, die etwa mit gewissen Staatspapicren wohl versehen war, die Ursache gefunden, warum er jener Partei angehöre. Unter den Advocaten, den Professoren, den Kaufleuten, überhaupt im ganzen gebildeten dritten Stande der österreichischen Monarchie findet mau gewiß jetzt mehr Liberale, als wir uns dieß in Deutschland vorstellen. Unsere Zeitungen haben seiner Zeit mehr davon geschrieben, mit welchem Jubel man Welcker in Berlin aufnahm, als davon, welchen Triumphzug unser anderer großer Liberale Rottcck hier in den österreichischen Provinzstadten feierte. Auch in Wien wurde Rotleck hoch aufgenommen, und in Grätz, wo Niemand wußte, daß cr kommen würde (es war dieß ein oder zwei Jahre vor seinem Tode, als er nach Italien reiste) und wo ihn die Advo-caten zuerst entdeckten, machten ihm viele Herren aus den gebildeten Standen ihre Aufwartung, und er fand sich beständig von solchen begleitet, die ihn durch ihre Stadt führten, ihm dieselbe zu zeigen. Selbst das schöne Gespenst der deutschen Einheit, das seit einiger Zeit wieder mehr als je in Deutschland umherflattert, wird hier verehrt, und es ist ihr, wie unser Gebet, daß jenes Gespenst einmal noch Fleisch und Bein gewinnen möge. Der Toast, der in Prag auf der Versammlung der Naturforscher auf die Einheit Deutschlands ausgebracht wurde, ist auch hier in Orätz mit Jubel und Beifall ausgenommen worden. — Die Slaven im Osten sind mit ihrem Pauslavismus verloren, wenn wir ihnen nur eiucn tüchtigen Pangermanismus entgegenstellen. Vielleicht ist die Zeit nahe, wo der Pangermamsmus geboren werden soll, und wo wir dann statt der Philhellenen einmal Philogermatten und statt der Gallo-Nomcmo-Anglo-manie eine Germanomanie erleben. 16 Von allen den genannten EMrtm nimmt keiner ein größeres Interesse in Anspruch als die Herzogin von Verry. Ich fragte, wo sie wohne. — „Im Sack", war die Antwort. In der That, dachte ich, eine wunderbare Umwandlung des Schicksals, die Wohnung in den Tuilerieen in Paris mit der in einem Sacke inGrätz zu vertauschen. „Der Sack", „der erste" und „zweite Sack", ist nämlich eine Straße in Grätz, deren Name wahrscheinlich daher kommt, daß sie, von dem Hauptplatze der Stadt in einer imposanten Breite allsgehend, sich allmahlig zwischen der Mm und dem nahe zu dem Flnßlifer hinantrctenden Schloßselsen zu einem schmalen Gaßchen verläuft. Die Herzogin von Verry wohnt am breiten Ende, in dem Hause der alten Grasen von Herbertstein. Das HauS ist ziemlich altmodig gebaut. Die schönen Gegenstände aber, mit denen die Herzogin von Vcrry seine altfränkischen Naume gefüllt hat, bilden eine so interessante Hamm-lung, wie ma» sie im Osten deS Rheins in der Art nicht wiederfindet. Die Herzogin behielt bekanntlich n.ich ihrer Verbannnng ihr Privateigenlhum in Frankreich. Von den Mobilien hat ßc mm allmählig das leicht Transportable nach Steiermark hmanöschaffcn lassen, und mit dem ehemaligen Schmuck von mehr als einem französischen Lustschlosse hat sie nun ihr Halls im Sack verziert. Vieles darunter, sowohl unter den Gemälden, die meistens von den trefflichsten sranzösischen Malern der Neuzeit herrühren, als unter den übrigen Gegenständen, ist einzig in seiner Art, und die ganze Fülle von reizenden Dingen »lit einem Geschmack arrangirt, wie man etwas Aehnliches in keinem Palaste von Wien wiederfindet. Ein Degen 17 von Franz I., ein Schuh Heinrich's lV., ein Paar goldene Steigbügel Ludwig's XIV. und noch viele andere der Familie Vourbon theuere Reliquien werden hier wicHeiligthümer aufbewahrt. Ihre glorreichen Namen mögen noch oft hier im Stillen verehrt werden. Gewisi würde man sich sehr täuschen, wenn man meinte, daß alle Hoffnungen hier gänzlich erloschen wären. „Il« re-vei-cliront!" siebt man von kunstrcicherHand auf ein Divan« kissen gestickt, und ein Kranz weißer Lilien umrankt diese Worte. „Vaincre n«> mc>nrir z,o„r Henri!" erscheint in goldenen Zügen auf einem anderen Divan. — Auf einem Bilde kniet einChouan vor einem Muttergottesbilde mit derVitte: „Nario, d«nis nn8 arn,<:^,^ und ,,vive lei-ni!" rufen die Ehouans auf einem anderen Vilde, indem sie die siegreiche Li-lienfahne aufden Mauern einer eroberten Stadt aufpflanzen. Der Stolz derVourboncn, HenriIV., ist in unzähligen Por« traits hier zu finden. Ludwig XIV., dcr Große, von Rigaud in Lebensgröße gemalt, hängt mit mehren anderen Vourbo-nen in dem nicht eben sehr prachtvollen Prunksaale des Schlosses, dessen ehemalige Besitzer, die Herren von Eggen-berg, ebenfalls neben diesen Königen in lebensgroßen Gemälden sich zur Schau ausstellen. Könnten diese Könige und jene Cggeubergs, die Nachkommen eines Banquiers, einmal die Augen aufthun und sich in diesem Saale hängen sehen, wie sehr würden sie gegenseitig über die Gesellschaft . in die sie gerathen, und über den Wechsel der Dinge erstaunen. Außer Heinrich IV. und Ludwig XlV. ist hier aber auch v. 2 18 noch allen anderen Vourbonen ein kleiner Gedächtniß-Altar errichtet, selbst den spanischen und neapolitanischen Mitgliedern dieser Familie, die noch weit glänzender war als die englischen Stuarts und jetzt fast ebenso unglücklich ist. Sie beherrschte im vorigen Jahrhundert den ganzen romanischen Westen Europas, Italien, Spanien und Frankreich. Jetzt ist sie nur noch in dem einzigen Neapel beseeptert. Spanien aNein hat noch in diesen Tagen zwei Vourbonische Majestäten vertrieben, Don Carlos und die Königin Christine. Wie vieler Pölker Gebete riefen nicht noch vor Kurzem den Segen des Himmels auf Vourbonische Haupter herab, wie viele bewaffnete Arme erhoben sich noch vor nicht langer Zeit zu ihrem Schutze! Nnd jetzt hat sich das Alles auf ein Paar treue Hände beschrankt, die »lit fleißiger Nadel unermüdlich solche Redensarten wie die oben citirten mit goldenem Faden auf Divankissen sticken. Es liegt etwas machtig Rührendes in dem Unglücke der Könige, die größere Freuden und größere Leiden haben als andere Menschen. Was die ästhetischen Genüsse, welche die übrigen, nicht aber historischen und Vourbonischen Bilder, die man hier findet, gewähren, so sind sie unvergleichlich zu nennen. Denn es ist fast nichts Mittelmaßiges und Geschmackloses hier, und die Sammlung ist eine so interessante, da sie ausschließlich fast nur Werke von französischen Malern enthält. Namentlich sind die Porzellanbilder ans Sevres, die man hier sieht, ganz einzig in ihrer Art und stammen aus der Zeit der größten Blüthe dieser Fabrik. So sieht man z. P. von Robert eine Jagd auf Porzellan, — eine Ansicht von Arpino, der Heimalh Cicero's, — von z,9 Le Ccrf eine gothische Kirche, lamer Meisterstücke in ihrer Art. Es finden sich hier viele Original-Gemälde, dercn licho-graphirte Copieen in allen unseren Kunstläden ausgestellt sind, so z.V. der Vernet'sche Pudel, dem die Soldaten während der Schlacht seine Wunden verbinden, — der getödttte Trompeter mit seinem ihn erkennenden Pferde, ebenfalls von Horace Pernet, -— die mustcirenden Bettler von Ven-neford. Dann zeigen sich aber auch Copieen. die daS Original fast noch zu überbieten scheinen, so z. V. eme wundervolle Copie nach Titian, seine Geliebte, die Toilette macht. Ihr wunderschönes blondes Haar hängt in losen Locken herab. Ihr Hinterkopf spiegelt sich in einem Spiegel wieder. Der Gelieble steht im Schatten und schaut entzückt dem schonen Gemälde zu. Für diese Copic zahlte die Herzogin 22,000 Franken, und wahrlich, wer des todten Geldes genug hat, für den mag ein so herrliches Bild damit nicht zu theuer erkauft scheinen. Ganze Reihen der herrlichsten Miniatur - Gemälde von Malern aus Ludwig's XlV. Zeit zieren die Wände der weitläufigen Säle. Läßt schon das Leben von Paris selbst bei den Fremden, die es eine Zeit lang kosteten, eine Sehnsucht zurück, wie sehr mag dieß erst der Fall sein bei den Einheimischen, die daraus verbannt wurden, und zumal bei denen, die nnmit-telbar an den reichsten Quellen dieses Lebens saßen. Mit welchen Gefühlen mögen wohl sie in Eteiermark vor die Bilder hintreten, welche ihnen dieß reizende Leben wieder in's Gedächtniß zurückrufen, so z. V. vor ienes Bild, wo 2* 26 die Herzogin von Verry im reichsten Schmucke in elnen, Saale der Tuilerieen dasteht, um einem der unvergleichlichen Tuilerieen-Feste beizuwohnen, — oder vor jenes, wo der Herzog, von großem Gefolge umgeben, in die reizenden Gehölze von Rambouillet oder einem anderen Schlosse auf die Jagd reitet. Welches bitteren Undanks mögen sie wohl das französische Volk anklagen vor jenem Vilde, auf dem der Herzog von Verry in einem Vorsaale seines Pariser Schlosses den Bettlern eine Audienz giebt und sich mit Nach und That ihres Unglücks annimmt. In Deutschland giebt cS viele Leute, die noch nicht in Paris waren und die sich mit der Hoffnung trösten, .noch einmcil in ihrem Leben dahin zu kommen. Selbst diese, glaube ich, würden untröstlich sein, wenn man ihnen plötzlich alle Aussicht dazu benehmen wollte. Wic schmerzlich mag die Verbannung nun für jene sein. Sie scheinen jetzt selbst die Andenken der unbedeutendsten kleinen Pariser Scenen, die sie sonst wohl kaum beachteten, mit einer gewissen Liebe zu pflegen. Da sieht man auf dem einen Vilde, wic die Pariser vor dem Theater Bouilly O-ueue machen, — auf dem anderen, wie sie sich unter den Buden auf den Boulevards in bunten Gruppen drängen. Selbst die kleinen savoyischen Buben, vonBenneford gemalt, hat die Herzogin in ihre Sammlung aufgenommen. Einer von ihnen liegt auf Stroh an die Wand gelehnt, sein Mur-mellhier, auf den beiden Hinterbeinen erhoben, vor sich. Er läßt es ein Kunststückchen repetiren. Ein anderer hat das sei-ne im Kasten auf dem Arme und ist im Begriff, seine Wan» derung durch die Straße der großen Hauptstadt anzutreten. Die Scene spielt in einem derjenigen kleinen armseligen 21 Schlupfwinkel, die in Paris von Vettlern, Savoyarden und Murmelthieren bewohnt werden und welche die Herzogin nun im Bilde und in der Verbannung mit Interesse betrachtet. In der einen Ecke des Schlupfwinkels steht ein zcrbro» chener Suppentopf mit einem Löffel daneben, und die kleinen Mannequins, Mann und Frau, welche die Leute auf den Boulevards mit ihren Scherzen so lustig vergnügen, lie« gen mit ausgestreckten Beinen und Armen regungslos am Voden. Auf einem anderenVilde zeigt sich ein kleiner (^»min 6« pari», der einen Vogel gefangen hat. Die Mutter scheint ihn überreden zu wollen, er solle das schreiende Thierchen freigeben. Der Kleine aber, ein so großer Liebhaber der Freiheit er für sich selber ist, will nicht darauf eingehen. Die alte Großmutter sitzt fleißig arbeitend daneben und spricht als Schiedsrichteren begütigende Worte dazwischen, denen der Enkel vielleicht Gehör geben wird. Das Vild ist von Lavauden. — Ein anderes von Mlle. Gerard stellt eine junge Pariser Modistin dar, die mit Nähen ihr Leben fristet. Sie ist eben im Begriff, ihre Nähnadel wieder einzufädeln, und ihr hübsches Gesichtchcn nimmt dabei diejenigen eigenthümlichen, höchst ernsthaften Mienen an, welche die jungen Mädchen machen, wenn sie ihre ganze Aufmerksamkeit auf ein kleines Nahnadclloch richten, mu die feine Spitze des Fadchens durchspazieren zu lassen. Außer diesen reizenden Gemälden giebt es noch viele andere aus dem Pariser Lärm-und Stillleben. Dann aber erblickt man auch Darstellungen aus anderen Theilen Frankreichs, Ansichten französischer Schlösser, z. V> 22 eine von Chambord, das noch jetzt dem Herzoge von Vordecmr gehört und von dem er die Einkünfte bezieht, ohne doch je dieses sein Eigenthum betreten zu dürfen, wo aber die Dienerschaft noch die alte Vourbonische Livree trägt, — Scenen aus dem nördlichen Frankreich, z. V. eine Winterlandschaft von Le Prince, im Vordergründe eine ausgezeichnet tauschend gemalte CiSglitsche mit schurrenden Kindern. Wiederum erscheinen Scenen aus dem südlichen Frankreich, z. V. aus den Pyrenäen von Knip ein großer Stall voll Ziege» und Schafen. Ein zottiger Hirte tritt eben herein, um in dem 'Ameublcment seiner Pflegebefohlenen etwas in Ordnung zu bringe». — Die Herzogin von Verry hat Frankreich so vielfach und unter sonst bei Fürsten so ungewöhnlichen Umständen durchstreift, daß sich wohl an viele solche Scenen Erinnerungen auö ihrem Leben knüpfen mögen. Da ich den guten Geschmack der Herzogin in ihrem eigenen Hause kennen gelernt hatte, so überließ ich mich auch ihrer Führung auf der Gemäldesammlung der Stände in Orätz, wo ich blos diejenigen Bilder genauer mir ansah, welche sie dort einer Copirung gewürdigt hat. ES sind dieß 4 große Vilder von einem Italiener und ein fünftes ebenfalls großes Bild von einem Wiener Meister. Die Namen dcr Meister sind mir entfallen, die Bilder aber stehen mir desto lebhafter vor Augen. Das aus Wien stellt die Verlobung deö Kaisers Marimilinn mit der Nurgunderi» bar. Marimilian ist ein edler, junger, blondgelockter Prinz, der auf die Prinzessin zuschreitet und im Begriff scheint, sie cm sein Herz zu drücken. Da aber die Ceremonie im Veisein des Hofeö vor sich geht, dessen Blicke auf sie gerichtet sind, so ist der Ungestüm ihrer Liebe, der auö ihren zärtlichen blicken spricht, in enge Schranken gelegt. Solche Gemälde aus der alten deutschen Kaiserzcit lassen sich nirgends besser und historisch treuer malen als in Wien, wo dem Maler Sammlungen wie die Ambraser zur Seite stehen. Von jenen vier italienischen Gemälden stellt das eine die Auffindung des Moses im Nil dar, das andere den Moses unter den Hirten, das drille das Urtheil Salomo'ö und das vienc Sa-" I^ino, wie ihn die Königin aus Saba besucht. Diese Ge^ malde sind alle vortrefflich, und so oft man auch schon jene Gegenstände dargestellt sah, so bleiben sie uür doch so, wie sie hier aufgefaßt und behandelt sind, immer unvergeßlich. Mir wird dieß besonders der junge königliche Salomo sei», dessen Haupt Tugend und Weisheit mit so göttlicher Glorie umstrahlen, daß man ihn fast für einen Vorgänger deö Heilands halten möchte und wohl begreift, wie die Königinnen ans 'Afrika in Verehrung vor ihm sich beugen konnten. —-Ebenso schön sind auf dem Bilde des Moses-Fundeö die beiden Mädchen (die ägyptische Prinzessin und ihre Magd), welche sich zu dem Kinde im Schilfe hinabbeugen. Daü Kind lächelt ihuen freundlich und scherzend entgegen, nno auf ihren freudig überraschten Gesichtern spiegelt sich die Unschuld n>ld Heiterkeit des kleinen Wesens reizcnv wieder. Es giebt noch andere Gemäldesammlungen in Gray. Doch dliebm sie mir unbekannt, mit Auonahme derer, welche die Grafen uon Herbcrtstein und Eggenbcrg aus ihren» alieu »4 interessanten Majorats schlösse Vggenberg cm gesammelt haben. Dieses Schloß gehörte sonst den Gggcnbcrgs, ist aber durch Erbschaft jetzt in den Besitz der Herbertsteins übergegangen. Die Herbertsteins, so wie die Trautmannsdorfs, die Dietrichsteins und andere gehören zu den ältesten und berühmtesten steirischen Geschlechtern. Der Name Herbertstein ist aber in Rußland fast berühmter als in Deutschsand, denn ein Grafdiescö Nainens machte vor 200 Jahren eineGe-sandtschaftsreise nach Rußland und gab über dieses Land ein Buch heraus, das als eine der ältesten Berichte über Rußlands Zustande dort bei den Gelehrten so bekannt ist, daß Jeder sich gleich bei'm alten Herbertstein Rath's erholt, wenn er über irgend ein Verhältniß ini damaligen Rußland sich zu unterrichten wünscht. Ich habe oben eine österreichische Vauernwirthschaft be» schrieben, ich werde weiter unten noch die bairischen Vau-ernwirthschaftcn zu schildern suchen. Zwischen beiden Schilderungen mitten inne steht vielleicht nicht unpassend das Gemälde des stcirifthen Schlosses Gggenberg, das eins der immer seltener werdenden alten feudalistischen Dynasten-Sitze ist, wie man deren in dieser Art nur noch in den österreichisch-deutschen Provinzen sieht. Es liegt dieses Schloß etwa eine Stunde von Grätz, am Rande des ebenen Gratzer Feldes und am Fuße der Wein« berge, welche die unterste, niedrigste Stufe der Vergterrassen bilden, die sich am Rande dieses Feldes auftreppen. Eine angenehme Allee führt dahin, so wie zu jenen Weinbergen, in denen gerade jetzt Weinlese war, und in denen wir am Abend einem ländlichen Feste beiwohnen sollten. Wir rollten auf 25 diesem selben Wege, auf dem so mancher Fürst von Eggenberg und Graf von Hcrbertstein mit seinem Fideicommiß-Vierspanner gefahren war, zu jcnem Schlosse hinüber. Es bildet dasselbe ein großes Carre'c mit vier Hauptslügeln und rund umher von einem Park umgeben. DaS Interessante an demselben istdaS, daß es nicht wie so viele neue Schlös« ser als der Einsall eines Einzelnen dasteht, sondern als ein wahres Erb- und Familienstück, das unter den schützenden Gesetzen von Jahrhunderten so auf unsere Zeit gebracht wurde. Alles bis zu den Bettstellen und Stühlen in den Zimmern und bis zu den Vaumcn und Büschen im Garten herab steht unter der Obhut dieser Gesetze und kann nicht will« kürlich von einem einzelnen Besitzer geändert werden. Die Herbertsteins empfingen dieses Fidekomnnß vor 100 Jahren aus den Handen der Gggenbergs, und das alte Vett, in dem diese schliefen, steht noch jetzt mit denselben Vorhangen und Baldachinen so da, wic damals. Die jetzigen Besitzer, denen gcnug war, haben nichts weiter thun dürfen als sich selber in einem anderen Znnmer einstweilen eine andere Bettstelle errichten zu lassen. Die alte durften sie nicht von ihrem Platze rücken. Auf ble alten Fideicommiß-Decken haben sie auch nur Fideicom-miß,Flecken gesetzt. Ueber alle Kunstgegenstande, die sich in den weitläufigen Räumen dieses alten interessanten Schlosses befinden, »st ein großer Katalog in einem dicken Foliobande angefertigt, und wie derselbe besagte, so sind auf den Zimmerge-mäldeu „Historien von Merkwürdigkeiten aller Zeilen dar-" gestellt, sowohl geist. als weltlich, aus der Bibel, 26 „aus der Götterlehre, »md von Ovidius Naso, Kriegs-» „und Friedensbegebenheiten, C.)nvcrsationen, Harlekinadcn, „Vlnmen und Früchte." — Ich hätte diesen Katalog vor dem Anschauen der Sammlungen selbst gern etwas durchge-lesen, allein da ich anf der dritten Seite der Einleitung erst den Namen CadmnS Milesins nnd anf der zwölften den des Macrobius fand, so fürchtete ich, daß es «was zulange währen möchte, bis ich von diesen vor tausend Jahren lebenden Namen bis auf die der steirischen Fideicommiß-Ma-ler kommen würde, — und zog es vor, direct auf die eigene Besichtigung loszugehen. Die Plafonds aller Zimmer sind mtt Stuckatur-Arbeit verziert, und zwischen diesen Stnckaturcn sind eben jene verschiedenen Gemälde angebracht. Die Stuckaturen stellen in jedem Zimmer andere Embleme dar, als z. V. zertrümmerte Kronen, — von Dornen umrankte Herzen, — sich drückende Hände, — von Schlangen umwundene Weltkugeln :c., — und neben diesen Symbolen zeigt sich überall eine Fülle hübsch gewählter und dazu passender Sprüche, als z. V.: „Kein Herz ohne Leid." — „Glück hat Neid." — „Auch Kronen vergänglich." — „Veständlich bis endlich." — Ich habc wenige Schlösser gescheit, die so bedeutungsvoll verziert waren, und wenn die Kinder, die in diesen fideiconnnissanschen Räumen, an denen kein Spruch geändert werden darf, aufwachsen, nicht ein edleres Geschlecht bleiben, so liegt es wenigstens an diesen Wohnungen nicht. Die Namen der Zimmer sind noch ebenso altdeutsch, wie die Möbeln selbst, wie die alten, nach ihrer Art prächtigen und eleganten eichenen Tische, die großen alten Stühle, 27 deren Lehne so senkrecht, wie die Rücken der alten Vewoh-ner, in die Höhe gehen. Sie heißen „Eitzzimmer" (für Con-versationssalon) — „Arbeitszimmer" (für Cabinet) — „Vetzimmcr" (für Capellen). In dem letzteren befinden sich einige Bilder von Guido Reni. Auf dem einen ist ein Kind dargestellt, das auf einem Todtcnkopfe wie auf einem Kopfkissen ruhend schlummert. Der Maler sprach hier eine große Wahrheit ans; denn in der 'that schlummern wir wie Kinder dem Tode entgegen. — Ebenso altdeutsch wie die Namen der Zimmer klingt auch der Name des jetzigen Besitzers. W ist, wie man mir sagte, der alte Graf Gund acker von Herbertstein. W giebt mehre solcher alten deutschen Vornamen, die jetzt ganz untergegangen sind. Hinter Schloß Eggenberg nun fangen die reizenden stei-rischen Weinhügel an. Ich lernte sie in einer Gesellschaft, welche die Weinlese feierte, kennen. Es war eine Menge angenehmer und liebenswürdiger Damen und Herren beisammen, die eben mit einander eine tleine „Jause" einnahmen. Jause nennt man hier das Vesperbrot, und sie besteht gewöhnlich aus Früchten, Kuchen und einem Glaö-chen Wcin. Da bei unserer Jause, die einen etwas außerordentlichen und festlichen Charakter hatte, auch noch viele andere Sachen vorkamen, so nahm ich die Gelegenheit wahr, mich ein wenig über diese Gegenstände zu unterrichten. Die Weine, die man hier trinkt, sind meistens ^'an-desweine, ächte steiermarker, dann aber auch ungarische und italienische. Unter dcn stcirischen Weinen sind die'berühmtesten der Radkeroburger und der Lutterberger, und die Kvone von allen ist der „Ienisalemer." Man weiß hier 28 viel an diesen Weinen zu loben und zu tadeln, während sie im Auslande Niemand der Kritik würdigt. Vs giebt sogar auch süße steirische Weine, und es möchte daher die Steier-mark wohl die nördlichste deutsche Provinz sein, in der süße Weine vorkommen. Die süßen Weine, die man auch hie und da am Rhein verfertigt, verdienen kaum diesen Namen. Vis Trieft hin erscheinen sie dann häufiger. Aber im Norden der Stciermark und Oesterreich giebt es keinen mehr. Doch gehen diese steirischen Weine nicht so wie ein anderes Landesproduct, die steirischen Kapaunen, über die Gränze der Provinz hinaus. Diese steirischen Kapaunen sind in Wien ein so berühmtes Geflügel, wie die Valatoner Fokasch dort ein gepriesener Fisch sind. Auch werden sie noch weiter hinausgebracht, um auf den Tafeln der Reichen in Deutschland und in Ita« lien als delicate Gerichte zu erscheinen. Einige deutsche Fürsten sollen sogar ihre eigenen Kapaunen «Lieferanten iu Grätz haben, von denen sie diese Waare beziehen. In Steiermark selbst, sagte man mir, sei eö nicht ungewöhn« lich, sich solche Kapaunen zum Geschenk zu machen, indem man sie dann mit Vlumcn, Bändern und Goldpapier wie Puppen zierlich herausputze. Es giebt hier noch manche andere Jausen-Delicatesse, die in's Ausland verführt und stark gesucht wird, so z. V. die Grätzer Zucker-Zwiebacke. W sind kleine, äußerst dünne und gut gebackene Zwiebackschnittchen, die mit einer dicken Zuckerkruste belegt werden. Sie sind, glaube ich, eigens für die Jause erfunden worden. Da sie sich sehr lange halten, so gehen sie nicht nur nach Wien, sondern auch nach 29 Ungarn und der Türkei, und es giebt daher hier in Grätz einige Niederlagen oder Magazine dieser Waare, die wieder Fllial-Etablissements in anderen Orten haben sollen. Eine andere Erfindung der steirischm Kuchenbäcker ist die Vuditza, cin Vlattertuchen, der mit einem Gemengsel von zerhackten Wallnüssen und Honig gefüllt ist und ohne Zweifel, wie MancheS in der steirischm Küche, aus den slavischen Landschaften stammt. Auf die Jause folgte nach steirischer heiterer Weise ein Tänzchen, und dann schlössen Feuerwerke den angenehmen Abend. Da wir alle nichts weiter als bloße einfache Menschenkinder waren, ich meine, da wir alle in Bezug auf unser Erscheinen in der Welt keinen anderweitigen Stolz empfan» den als den, daß wir bei unserer Oeburt Menschen geworden, so tanzte Alles ganz ohne G«ne und vhne Vorurtheil bunt und fröhlich durch einander. Sonst ist dieß nicht in allen Gesellschaften in Grätz der FaN. Vielmehr giebt es in dieser Stadt ein Casino, in welchcö weder Schönheit, "och Liebenswürdigkeit, noch Geist, noch sonst irgend eine andere auf Erden geschätzte Qualität Gingang verschaffen kann, ausgenommen einzig und allein die vornehme Oeburt. ^s sollen hier etwa nur 24 Familien sein, die sich gegen« seitig als gleich guten Stammes betrachten, und die Gesetz« des Casino's, das sie bilden, sind so streng, daß ein Adel« Wr nicht einmal seine bürgerliche Frau dorthin mitnehmen d«rf. Man sagt bei uns, daß der österreichische Adel stch wehr als der norddeutsche mit den anderen Ständen mische. Es ist dieß indeß wohl nur in drn öffentlichen Häusern, in den Kaffeehäusern u. s. w. der Fall; in den Privnt°.Clrkeln 30 sondert er sich mehr ab als irgend einer. Solche strenge oder vielmehr absurde Gesetze, wie das Gratzer Casino sie hat, findet man weder bei dem Magnaten-Casino in Pesth, noch bei den adeligen Casinos in Dresden, Berlin, noch bei denen in Kurland, Livland oder anderen norddeutschen Provinzen. Es ist unbegreiflich, daß man so Gtwas zu unserer Zeit noch dulden kann. Einen Theil der Schuld tragen die Nichtadeligen freilich selbst, da sie noch immer hier so wenig Selbstständigkeit und so viele Verehrung für den Adel haben, daß sie sich immer freuen, mit einem von ihnen in Berühr» ung zu kommen. Ich begreife nicht, warum sie nicht längst selbst ein Casino gebildet haben, in welchem das erste Gesetz lautet, es solle kein Mitglied von Adel sein dürfen, und es müsse Jeder von vornherein beweisen, daß er nicht vom Adel sei. Ein solches Gesetz würde auf dem ganz vernünftigen Naisolmement basirt sein, daß der Adel leider eine so gefahrliche Klippe für die Humanität sei, daß durchaus zu prasumiren ware, ein Adeliger könne weder vorurtheilsfrei, noch auch anderen nicht adeligen Menschen aufrichtig zugethan sein. Damit soll nun teineswea.es gesagt sein, daß man dem Adelsstolz einen sogenannten Bürgerstolz entgegensetzen solle, wodurch das Uebel nur noch schlimmer werden würde. Nein, man könnte mit jenem Gesetze die größte humane Bescheidenheit verbinden und einem Adeligen, der um Aufnahme in eine bürgerliche Gesellschaft bäte, nur mit Bedauern auseinandersetzen, daß es gewiß allen Bürgern leid thäte, seiner Bitte nicht willfahren zu tonnen, da von seiner Geburt an ihm ein zu großes Hinderniß gegen vollkommene Unparteilichkeit anhange, von dem, wie alle Gr« 31 fcchrung diesi beweift, sich zu befreien ihm selbst bei'm beßten Willen talim möglich sein werde. Solche den Adel ,ils eine nicht gute Präsumtion annehmende Gesellschaften würden es vielleicht in der Welt dahin bringen, daß die Leute sich dann ebenso viele Mühe gäben, ihren Nichtadel zu beweisen, als sie jetzt aufwenden, ihren Adel zu erhärte,,. So lange wir nach den Gesellschaften der Adeligen geizen, so lange werden sie uns verboten bleiben. Gs wäre sehr überflüssig, eine Lobrede auf den Erzher» zog Johann halten zu wollen, denn theils verlangt er gar 'ucht nach einer solchen, theils hat bereitS jeder Reisende in ber Steiermark, unwillkürlich von dem edlen Geiste dieses Prinzen, dessen Lob in Aller Munde ist, hingerissen, sich zu seinem Panegyriker gemacht. Allein so weit das Lob dicseö hochherzigen Menschen auch erschallt, so sind doch die speciellen Schilderungen seiner Etablissements und Institute, mit denen er die Städte der Tiroler, besonders aber der steirischen Alpenthaler und vor allen Dingen die Stadt Grätz geschmückt hat, noch seltener als die Schilderungen von Besuchen bei dem gastfreien Prinzen selber auf seiner freundlichen Alpenwirthschaft, dem Vrandhofe, wie wir sie in mehren englischen Neisebeschrcibungen finden. Und doch leuchtet aus der Solidität jcner Werke selbst ebenso wohl der Geist jenes Fürsten hervor als aus seiner Persönlichkeit. Es war mir unmöglich, alle die Vereine, Schulen, Sammlungen, welche entweder unmittelbar von jenem Prinzen oder mittelbar auf seine Anregung gestiftet wurden, näher kennen zu lernen. Doch besuchte ich wenigstens die Haupt-fächlicheren. Es sind dieß folgende - I) DaS Johanne« m. Dieses Iohanneum ift das steier-markische National-Museum, welches verschiedene ausge» zeichnete naturhistorische und Kunst-Sammlungen enthält, so wie a»ch eine Bibliothek und einen Lese-Verein und end« lich eine Industrie- und Gewerbschule damit verbindet. — Die Sammlung der stelrischcn Mineralien ist ausgezeichnet schön geordnet und zwar nach einer doppelten Rücksicht, erstlich nach dem geographischen Vorkommen der Mineralien und dann zweitens nach ihrer systematischen Gruppirnng. In den Pflanzensammlungen sind alle diejenigen Pflanzen und Pflanzentheile, welche getrocknet sich nicht aufbewahren lassen, wie z. V. die Pilze, von dem geschickten Wachs-bossirer Stoll in Echönbrunn ausgezeichnet schön nachge» bildet. In der zoologischen Sammluug bedauert man nur die Vermischung der einheimischen und fremden Thiere. Sonst ist auch hier Alles auf das Trefflichste geordnet, und überall hat man mehr auf das Lehrreiche als auf das Vril» lirende der Sammlung Bedacht genommen. So sieht man neben den Hauten der Schlangen und den Fcdcrhüllen der Vögel überall auch ihr Gerippe, und neben den Schinet« terlingen zum T"heil ihre Gier, Raupen und Puppen. In der Sammlung der Vogelgerippe ist der Auatom auf den sonderbaren Ginfall gekommen, zwei Vogclgerippe mit ein-ander kämpfen zu lassen. DaS eine Gerippe hat daS andere besiegt und packt es in seinen kahlen Schädel. Es ist wun» derbar, daß ein Maler noch nicht auf den Ginfall gekom« men ist, eine Schlacht zwischen menschlichen Todtengerippen darzustellen, um den Leute» den Krieg zu verleiden. Zwei Schaarm von Gerippen, die auf einander losschlügen und 33 sich die Knochen zerbrächen, ein paar Gerippe als Trompeter, ein paar andere mit Federn geschmückte Gerippe als Feldherren und wieder ein paar mit Orden beheftete Ge< rippc zu Pferde als Adjutanten, durch die Ebene sprengend, einige zermalmte Gerippe als Gefallene müßten einen wunderlichen Effect machen und einen eben solchen Abscheu vor der Schlacht und vor Prügeleien hervorbringen, als die heroischen mit Muskeln bedeckten Kampfer, welche die Maler gewöhnlich darstellen, die Kampfeslust befördern. Es ist merkwürdig, wie die Verbreitungsgebiete gewisser Thierklassen mit den Verbreitungsgebieten der Nationen oft zusammentreffet!. So wie Untcrsteiermark und Obersteier-mark andere Menschen haben, jenes slavische, dieses deutsche, !v haben sie auch andere Thiere. Der Wolf und die Trappen streifen von Ungarn aus noch oft in Unterstciermark hinein, so wie die Ungarn und die Türken auch oft in diesen Theil des Landes einfielen. Die technische Schule des Iohanneums ist eine der drei vorzüglichsten der österreichischen Monarchie, die beiden an-deren sind in Wien und in Prag. In ihrem Hörsaale findet man eine Sammlung von Nachbildungen aller möglichen Ackergerathe und sämmtlicher europaischen Getreidkgattungen i" Blumentöpfen sorgfaltig aufgestellt. Es ist sonderbar, daß unsere technischen und Kunstschulen in vieler Hinsicht so sehr viel besser ausgestattet sind als unsere historischen, juridischen oder sonstigen wissenschaftlichen Schulen. Wählend man in den technischen Schulen durch Sammlungen von Maschinen aller Art, von Pflügen, Wiescnhobeln, englischen und belgischen Saemaschinen, „Maisabruppelmaschi-" 2 34 mn" und in der Handelsschule durch Flicken und Pröbchen von jeder Manufaktur nnd jeder Waare die Theorie mit der Prans zu verbinden und in der physikalischen Klaffe durch sofort ausgeführte Erperimcnte das theoretisch Gelehrte sogleich znr sinnlichen Anschauung zu bringen sucht, entbehrt man in den historischen, juridischen und geographischen Schi!< len noch ganz auch nur einen Versuch zu Sammlungen, welche einer solchen praktischen Belehrung dienen tonnten. Sollte nicht der Lehrer an den juridischen Schulen eine systematische Sammlung von Vertragen, von Processen, von Aufsätzen aller Art haben, um den Schülern sogleich Specimens von denselben vorzeigen zu können? Sollte er nicht, wie der Professor der Technologie mit seinen Schülern zu dm Fabriken und Manufacture» geht, ebenso auch mit den seinigen zu den öffentlichen Gerichten gehen und sogleich die praktische Belehrung mit der theoretischen verbinden ? Oder sollte nicht der Professor der Psychologie mit ihnen auf den Straßen herumgehen, die Hütten der Armen und die Palaste der Reichen, wo cö möglich Ware, mit ihnen besuchen, wieder Professor der Pflanzenkunde mit seinen Schülern in'sFeld zumVotamsirenhinauswandert? Warum fiel es noch keinem einzigen Psychologie Docirendcn ein, die Studenten selbst in die Irrenhäuser zu führen, wie die der Medicin Beflissenen von ihren Lehrern in die Kliniken und Hospitäler begleitet werden? Warum macht man jenen Herren dieß nicht zur Pflicht? Allerdings lassen alle physikalischen und chemischen Processe sich leichter in dem Hörsaale willkürlich hervorrufen als die psychischen, — freilich ist es unmöglich, ein Stück der Geschichte vor den Augen 35 der Zuhörer selber abspielen z« lassen, lim das matte Wort des Unterrichts einigermaßen zu beleben; auch kann mau im geographischen Unterricht kein Stück deS fremden Landes selber vorführen, aNein es ließen sich doch z. V. Portraits berühmter Männer, Darstellungen interessanter historischer Scenen und Ereignisse, Originalien und (5opieen von Vertragen, Thronreden, Krönungsacten, Aufrufen, Petitionen :<-. sammeln und nach einem gewissen Systeme ordnen, man könnte historische und ethnographische Ercursionen in die Nachbarschaft machen. Ebenso ließen sich die den Menschen nützlichen Dinge, die man in Rücksicht auf Naturgeschichte, als naturhistorisches Cabinet, schon in jeder Schule hat, auch in geographischer Beziehung sammeln und ordnen, man ronnto ethnographische Gegenstande zusammenbringen, Abbildungen von Nationen, Ansichten von Städten und Bändern und so Collectionm historischen, geographischen, Psychischen und juridischen Hülfsapparats bei'm Unterricht schaffen, die sehr nützlich sein würden und die man jetzt noch nirgends besitzt. Die Sammlungen und Schulen des Iohanneums befinden sich in dem ehemaligen sogenannten Rauberhofe, einem großen, geräumigen Gebäude, welches früher das Ve-Ntzthum der Freiherren von Rauber war. Mit ihnen verbunden ist i>: demselben Gebäude ein Lesevercin, der aus dem Iohanneum selber hervorging. Man hatte dort nämlich anfangs nur naturhistorische und technologische Zeitschriften in einem Zinnner ausgelegt, welche von den Lehrern und anderen Liebhabern gelesen wurden. Nei diesen entwickelte sich später der Wunsch, auch andere Journale daselbst 3* 36 auszuleben, und der Erzherzog Johann trat als der Beschützer und Fürsprecher dieses Wunsches an vie Spitze des sich so bildenden Lcsevereins, dem er durch seinen Einfluß die Erlaubniß zur Einführung verschiedener englischer, französischer und deutscher Iouruale verschaffte. Diese Erlaubniß wurde bis auf die neuesten Zeiten berab immer mehr ausgedehnt. und so ist denn jetzt dieser Grafische Leseuerein der bedeutendste in der ganzen österreichische» Monarchie. Denn er hat nicht weniger alö I?0 Journale politischen, juridischen, medicinischen, philosophischen, geographischen , naturhistorischen, belletristischen, genealogischen, hippologischen und allen möglichen anderen Inhalts ' Jagd-, Forst-, Mode- und Kleider-Journale, in kroatischer, ungarischer, deutscher, französischer, englischer und anderen Sprachen. Und in der That schienen mir alle diese Journale nicht müsiig zu liegen, denn bestandig fand ich bier von Lesebegicrigen ein lebendiges Treiben. Auch mehre Damen sind unter den Namen von Herren Mitglieder des Vereins, denen dann die Lecture in's Haus geschickt wird. In Folge der von diesem Verein ausgehenden Impulse haben sich dann seit einigen Jahren auch andere Privat-Lesevereine zur Anschaffung und Verbreitung von Romanen, von Historie schen Vüchern u. f. w. in Orätz gebildet. Man sagte mir, erst seit drei bis vier Jahren habe diese größere Leselust begonnen. Der aufgeklarte Erzherzog Johann hat jenen Lese-vereinen des IohcmnenmS selbst seine jetzige Organisation gegeben und eigenhändig seine Gesetze geschrieben. Sie sind äußerst verstandig, nnd wie mau mir sagte, so hat mau sich Abschriften davon nach anderen deutschen Städten, z. V. 37 nach Casstl, kommen lassen, um nach ihrem Muster ahnliche Vereine zu errichten. Solchen Privat-Vereinen wird natürlich immer weit mehr Freiheit in Auswahl nnd Anschaffung von Büchern gestattet al6 den öffentlichen Leihbibliotheken. Diese armseligen sind in Oesterreich überall in dem allerbctrüb-testen Zustande. In Grätz (einer Stadt von nahe an 50MU Einwohnern) befindet sich z. V. nur eine einzige tleiue und höchst kümmerliche Leihbibliothek, in der etwa ^00« Väude in ziemlicher Unordnung aufgestellt sind. Eö ist tine arme Wittwe, die sich hier mit dem gefahrlichen Gewerbe des Vücherverleihenö abgiebt. Alö ich sie bat, sie möchte mir einmal etwas GuteS und Neues zur Abend-lectürc und zum Schlaftrunk geben, reichte sie mir Lauren's Romane. Ich verlangte etwas von Victor Hugi>, allein seine Werke waren ganz verboten — von James — aber dessen Schriften warcn auch verboten, — vonVulwer, der nur zum Theil erlaubt war. — Mehre schlüpfrige Schriftsteller, nach denen ich nicht verlangte, waren dagegen vorhanden. „In den Sitten," sagte die Alte, „ist man nicht so streng wie in den Meinungen." Gewöhnlich haben indeß solche Bibliotheken noch einen klei-"en verborgenen Winkel, in welchem sie dergleichen verbo« tene Waare für gute und discrete Freuude aufbewahren, ^n ganz Wien giebt eö nur zwei ordentliche einigermaßen bedeutende Leihbibliotheken und außerdem vier Wintel-^ihbibliothekcn, die der Gratzer gleichen. In Ollmntz in Mahren ist ebenfalls nur cine solche Leihbibliothek. I" Innsbruck, dcr Hauptstadt von Tirol, war noch vor wenigen 3s Jahren eine. Jetzt giebt es dc>rt keine, denn der Mann, welcher sie biöher leitete, hat sie aufgegeben, nnd es ist keine nenc errichtet worden, wahrscheinlich, sagte man mir, weil die Jesuiten es verhinderten. In München dagegen giebt es beinahe ein halbes Dutzend recht gute Leihbibliotheken, nnd außerdem noch mehre kleine. Und den 80,000 Einwohner» Dresdens liefern nicht weniger als 20 größere und kleinere Leihbibliotheken das ihnen nöthige Lese-Futter. Fremde wurden indesi das ^esebedürfniß der gebildeten Welt in den österreichischen Städten zn gering anschlagen/ wenn sie dabei nur die Anzahl und den Zustand dieser Leihbibliotheken als Maßstab anlegen wollten. Die Besitzer von Privat-Bibliotheken sind eben in Folge jener Armseligkeit der öffentlichen Leih-Büchersammlungen sehr liberal mit dem Verleihen ihrer Werke. Es wurden mir in Gratz mehre Herren citirt, deren Bücher fast ebenso beständig von Hand zu Hand cursirten, wie die einer Leihbibliothek. Auch giebt cs eine Menge Privatsammlungen, von denen die Fremden in der Negcl keine Notiz nehmen. Die bedeutendste öffentliche Bibliothek ist natürlich die der Universität, welche circa 40,000 Bande hat. Diese Vibliochct hat in dem letzten Jahre (1840) 8000 Leser gehabt, d. h. K000 Mal ist ein Vuch verlangt worden. Da Grätz etwa 1000 Studenten hat, so hatte demnach jeder Etu» dent im voriqcu Jahre ungefähr 8 Mal etwas in der Bibliothek nachgeschlagen, und auf jeden Tag, die Festtage abgerechnet , kämen für die 40,000 Bücher etwa 25 bis 30 Leser. Dieß erscheint ziemlich unbedeutend, um so mehr, da den Studenten keine Vücher in's Hauo gegeben werden. Doch »9 ist es erfreulich, daß wenigstens ein Steigen in dem Stu-direifer zu bemerken ist. Denn im vorigen Jahre hatte die Bibliothek nur 7000 Leser. Wir besahen hier mehre ausgezeichnete und seltene altdeutsche Prachtwerkc. Die Grätzer Bibliothek ist überhaupt für altdeutsche Werke und namentlich für solche aus der Zeit des Kaisers Maximilian sehr wichtig. Eine hier befindliche Prachtausgabe des Thcuerdant mit schönen und höchst interessanten Holzschnitten ist ebenfalls einzig in ihrer Art. Bekanntlich ging auch die Auffindung und Herausgabe des „Weiß--Kumgs," der von ihm selbst verfaßten Lebensbeschreibung des Kaisers Maximilian, von dieser Bibliothek aus. Mehre Manuscripts altdeutscher Werke, z. V. des schönen alten frommen Buchs: „die deutsche Litanei," der „Psalmen Mar-zelino" und anderer sind hier. Auch in den steiermarkischen Klöstern mag noch mehrcü Aehnlichcö stecken. So z. V. ward noch jetzt im Kloster Vorau von der von Maßmann nur im Bruchstück herausgegebenen ^.lexanclreis ein vollständiges Oremvlar aufgefunden. Nichts interessirte mich unter diesen alten, ehrwürdigen Arbeiten der Vorzeit mehr als ein Kalender vom Jahr 1373. Er war auf Pergament ungemei» zierlich und brillant geschrieben und mit ausgezeichnet hübschell Bildern versehen. Vs waren darin bereits alle Sonnen- und Mondfinsternisse, die vom Jahre 1373 bis 13^6 kommen würden, im Voraus berechnet und ganz deutlich und genau daö Eintreten und die Lange der Finsterniß angegeben. Auch war darin eine Tafel, auf der die Lange jedes Tages oder, wie stch der Verfasser ausdrückte, „die Weil, welche die tage täglich haben/' 40 genau angemerkt war. An« Ende des Werks stand der Name des Schreibers mit den Worten: „das ist der Kalender von Wurmprecht beschrieben zu Wyenn nach Christi Gcpurt im 1373 Jar am Sankt Gregurgen Abend in ter Fasten, ve» t^atias!" — Wahrlich man begreift ein solches Dankgebet bei der Beendigung eines so schwierigen Werkes. In der Negcl wurden sonst solche vorzügliche und seltene Sachen nach'Wicn geschickt und dort aufgehäuft. Die Pro-vinzial-Vibliotheken, welche dieß natürlich nicht wünschen, find daher auch mit ihren Seltenheiten etwas zurückhaltend, und wahrscheinlich sahen wir auch nur das, was man Allen zu zeigen Pflegt. Durch dieses Anhäufen in LHien soll dort, nach der Behauptung der Provinzialen, schon oft ein der Ordnung sehr hinderlicher Ueberfluß von Gegenständen und ein Mangel an Beamten fühlbar geworden sein. Die Kataloge mehrer österreichischer Provinzialbibliotheken, z.B. der Ollmützer, fangen daher auch mit einem unterdrückten und etwas versteckten Seufzer so an: „Nach dem, was wir nach Wien abgeliefert, besitzen wir noch: u. s. w."— Ich glaube, in neuerer Zeit laßt man von diesem Centralisi-rungs- System etwas ab. Ein zweites, besonders vom Erzherzog Johann zum Wohle des Landes begründetes Institut ist der „ inn erösterreichisch c Gewerbe- und Industrie-Verein," der bemüht ist, auf alle mögliche Weise durch Industrieausstellungen, durch Unterstützung von Künstlern und Handwerkern, durch Aufstellung von Fragen und Aufgaben, durch Unterstützung von technischen Schulen und Vorlesungen und durch Unterhaltung einer sogenannten Mnstcrsamm-, 4l lung und einer Bibliothek die Industrie und Gewerbe von Steiermark, Kärnthen und Krain zu befördern. Es tst dieß einer der größten Vereine, welche in der österreichischen Monarchie eMiren, und seit seiner ersten Versammlung im Jahre 183« jetzt (i«4l) auf 1218 Mitglieder, lauter Fabrikanten, Gewcrkebesitzer, Kaufleute, Gutsbesitzer, Tischler-, Maurermeister :c. aus Steiermark, Kärnthen, Krain und driest, das den Schlußstein deö Ganzen bildet, angewachsen. Auch in diesen Landern „verdrängt jetzt eine neue Zeit die alte", wie es in der Eröffnungsrede des Vereinöstifters, des Erzherzogs Johann, heisit, „erstere fordert ein immer zunehmendes Wissen, ein unermüdliches Vcsstrn, ein rastloses Denken, Forschen und Handeln, um sich mit anderen in gleicher Höhe zu erhalten, welche einem ähnlichen Triebe folgen, und setzt dieses als Vedingniß des Bestehens, keinen Mittelstand zwischen verderblichem Nückbleiben und fruchtbringenderem Fortschreiten zulassend. Blicken wir daher nicht mehr zurück und lahmen wir nicht durch das Festhalten an alten Erinnerungen unseren Muth, sondern sehen wir vielmehr auf Jenes, was uns hinführo zu thun frommt. Dazu gehören aber fester Wille. Eintracht, kluges Nebcrlegm und Prüfen, Thätigkeit und Beharrlichkeit." „Diese Ueberzeugung ist cs, welche den Oedankm dieseS Vereines hervorbrachte, den wir an dem heutigen Tage begründen, und der, ich glaube, ohne Ausnahme alle Gewerbe ""d Industriezweige umfassen soll, sie mögen noch so groß und bedeutend, oder noch so klein sein. Denn da es aus die-!er Welt nichts giebt, was nicht fortschreitet, so trifft dieses 43 Alle, und Alle wie jeder Einzelne sind zum Verbände nothwendig. " „Ueberspannte Erwartungen sind bei dem Anfange jeder Unternehmung gewöhnlich ihr Grab. Jene, welche sich diesen hingeben, lassen den Muth sinken und erschlaffen in ihrem Vifer, wenn sie nicht gleich Alles erfüllt sehen. Täuschen wir uns daher nicht. Wir beginnen jetzt, wo schon gar Viele geraume Zeit vor uns begannen, folglich uns weit vorangegangen sind. Gs bedarf einer großen Thätigkeit, um nachzukommen. Auf der Bahn, welche wir durchschreiten müssen, werden Schwierigkeiten genug uns aufstoßen. Die Erfolge können nur langsam sich entwickeln. Es bedarf Zeit, daß Jenes, was wir wollen, werde, daß es wurzle und gute Blüthen und Früchte trage. Aber wenn wir wollen, und einträchtig und beharrlich wollen, dann wird es werden, und lvir müssen es wollen. Wir müssen unsere Blicke auf die benachbarten deutschen Staaten werfen, welche dermalen in raschem Fortschritt begriffen sind, und felbst auf eine Provinz des österreichischen Kaistrstaates, das Königreich Böhmen, welches uns mit einem trefflichen Beispiele vorangeht." „Die Zeiten haben uns gewarnt, daß es Noth thue, uns zu erheben, thatig zu sein und . nicht zurückzubleiben. Solche Mahnungen darf man nicht unbeachtet laßen!" Wahrlich, wenn die unerforschlichen Rathschlüsse des Himmels nicht überall eine Menge tresslicher Männer ohne Kronen licsic, möchte man es lief bedauern, daß einem Erzherzoge Johann nichl ein großes Neich zum Herrschen zu 43 Theil wurde. Denn Alles, was ich nur von diesem Fürsten hörte und sah, athmete den schönsten Freimuth, die verständigste Vorsicht, die solideste Bildung und den wohlwol« lendsten Geist. Jene Rede, die ich nur im Auszüge gab, bezog sich nur aus die Eröffnung eines Industrie-Vereins. Aber man lese diese Rede noch ein Mal und denke sich, der Fürst habe sie etwa bei der Eröffnung seiner Kammer an wie herrlich! wie wahr und treffend Alles! und gewiß hätte der Erzherzog Johann, wenn ihm oder vielmehr der Menschheit das Glück zu Theil geworden wäre, eine solche Reichskammer zu eröffnen, diese seine Principien auch für anderweitige Fortschritte gelten lassen. Dic Provinzen Karlithen, Kram und Steiermark bilden in vieler Beziehung einen mehrfach verbundenen Lau-dercompler, namentlich aber auch in Hinsicht auf ihre Industrie. Viele Industriezweige siud auf gleiche Weise durch diese drei Lander verkettet, an denen weder Vöhmen, das ein ganz für sich gesondertes Gewerb- uud Industrie-Gebiet Oesterreichs, noch das Land unter der Ens, dessen Industrie hauptsächlich sich nach der Hauptstadt Wien richtet, noch Ungarn, das hier garnicht in Vctracht kommt, noch auch Tirol Antheil haben. Der Hauptkern der inneren österreichischen Industrie bildet das Eisen und zwar in so hohem Maße, daß eigentlich alles Andere dagegen nicht »n bedeutenden Betracht kommt — Gußstahlgewerke, — Sensenqewerke, — Pfaimengewerke, — Nagelfalmken, — Drahtfadriten,— Zan'cnfeuer, — Hammergcwerke, — Stahlhammergewerke, — Zirkelschmiede, —Feilhauer,— 44 Streckhammer, — Grobschläge, — Hülfsseuer, — Hochöfen, — Blechwalzwerke, -— Stabeisenwerke,— Pudlingsöfen, — Nadlermeister, — Weißblechfabriken, -^-Ger st-zeugschmiede und andere solche verschiedene Werkstätten Vulcan's ziehen sich in langen Reihen durch alle Thäler Steier-marts und eines Theiles von Karnthen und Kram. Es wäre unmöglich gewesen, diesen ganzen, weit in jenen Gebirge« verbreiteten Industriezweig kräftig zu fördern, ohne das ganze Terrain in den Bereich des Vereins zu ziehen. Und aus demselben Grunde hat sich daher auch noch das Städtchen Steher, das Birmingham Oesterreichs, mit seiner Umgebung angeschlossen, weil es, als steinsches Eisen verarbeitend, mit zu dem bezeichneten innerösterrcichlschen Industrie-Reviere gehört. Mich interessirte besonders die Mustersammlung des Vereins, weil sie einen Ucberblick aller Gegenstande der gan-zen inneröstcrreichischen Industrie gewahrt. Man findet hier z. V. Proben von allen in Steiermark, Kärnlhen und Kram producirten Sensen, und zwar aus den meisten Haupt-Oewerken. Mit diesem Artikel versieht Steiermarr alle benachbarten und auch viele entfernte Länder. Man sieht hier die ungarische, die russische, die polnische Sense, die Morast-Sense für Oberilalien, die Sense, welche dem ^chmtler in Bulgarien, die, welche dem Arbeiter in Vosnien bequem ist. Die meisten dieser Werkzeuge habe!» uralte, von den Vätern überlieferte Formen. Aber auch alle neue Ersindungcn beobachtet man und sucht sich Pruben davon zu verschaffen, welche in dieser Mustersammlung niedergelegt und solchen Industriellen verliehen werden, dic sie nachzuahmen wün- 45 scl'en. Die Direttorcn des Vereins sind beständig bcnmht, auch von solchen alten, doch bisher nicht beachteten UtensMen und Werkzeugen Modelle zu erhalten, die man in Steier-mark nachahmen kann, um das Handelsgebiet seiner Indu« strie auszudehnen. Wenn der Ruhm irgend eines Dinges unangefochten ist, so ist es der des stemschen Stahls. Denn wo man auch nur nach ihm sich erkundigt, da hört man die Menschen ein-Itimmig sein Lob erheben. Sein Ruhm geht viel weiter, als die Meisten selbst in Steiermark ahnen, die ihn nur nach Tnsst senden und dann nicht wissen, was die Triester Kaufleute mit ihm machen. Durch sie wird er auf der einen Seite nach Negypten und dem ganzen Orient und auf der anderen nach dem Occident und Amerika spedirt. Ebenso wenig, wie die steirischen Stahlarbeiter wissen, wohin ihre Waare geht, ebenso wenig wissen die Leute in jenen entfernten Landern oft, woher er kommt. In Meiico, Cuba, Venezuela z. V., in ganz Mittel-Amerika, Chili und Peru nennt man den steirischen Stahl „^cero „Moslovina," und sie sei wie der ganze Weinbau der Steier» mark aus den muselmännischen und kroatischen Landern an der Dräu und Sau herausgerückt. Jene merkwürdige Hügel-gegend in Untersteiermark, dte wir schon oben bezeichneten, ist der Hauptsitz des stcirischen Weinbaues. Es soll dieselbe zu der Nömcr Zeiten „inter cnli^" genannt worden sein, und davon soll sie ihren jetzigen Namen: „die Kales" erhalten haben. Wie die Römer sagten, dieser oder jener steirische Ort läge „inter co!Ie8," so spricht man jetzt so: „in der Kales." Das beßte Obst in dem ganzen österreichischen Alpen« lande bringt das Etsch-Thal «nd zwar besonders die Um» gegend von Meran hervor. Dieß in seiner Entwickelung von der Natur so sehr begünstigte Obst wild bekanntlich weit und breit versandt. Es kommt nach München und Wien und geht sogar in sehr'entfernte Länder, man sagte mir, bis nach Odessa. Von Meran aus gehen die Trauben, in Sand verpackt, und die Aepfel, jeder einzeln sorgfältig verhüllt oder auch an Fäden aufgehängt, auf dem Rücken der Menschen über die Verge bis zum Inn, wo sie dann verschifft und zu Wasser weiter transportirt werden. Viel anziehender noch als diese Ausstellung und diese Wett« streite in Lieferung schöner Blumen und Früchte müssen die Musik -, 3anz - und Gesangfeste sein, welche auch hier tn Grätz — ebenfalls meistens auf Veranlassung des Erzherzogs Johann -— zu Zeiten veranstaltet werden, und zu denen die Sennerinnen von den Alpen und die Mullker aus den Gebirgsthälern zur Hauptstadt des Landeg herabfiel- 5t gen, um sich die ausgestellten Preise und Lobsprüchc zu erringen. Zu der besagten Frucht- und Vlumencmsstcllung hatte man den Rittersaal des steirischen Landhauses benutzt. Es liegt dieses alle und ehrwürdige Gebäude an der Hauptstraße der Stadt, der auch durch viele andere interessante Hauser ausgezeichneten H e rr c n g a ss e. Das Gebäude umschließt zwei große und zwei kleine Höfe und außer dem genannten mehre andere schöne Säle, von denen einer „die grüne Stube" genannt wird. Die Landtags-Versammlungen, welche jetzt hier gehallen werden, haben i» Bezug auf das Wohl und Weh« des Bandes wenig Einfluß. Früher aber waren sie bedeutend und einflußreich genug, und wie die Stände von Barcelona ließen sie keinen Fürsten zur Gewalt kommen, bevor er nicht den altherkömmlichen Eid geleistet und gewisse Zugeständnisse gemacht hatte. Dieser Eid mußte vor der Stadt abgelegt werden, und dcr Regent durste nicht einmal in seine Burg in die Stadt einziehen, bevor er nicht den Anforderungen der Gesetze genügt halle, und die steirischen Stände zeigten sich bei solchen Gelegenheiten oft weit weniger nachgiebig als unsere neueren konstitutionellen Kanunern. — Ueberhaupt, so sehr auch die Habsburger sich der Liebe, Anhänglichkeit und Tapferkeit ihrer treuen Steiermärker rühmen, so fehlt es doch in der steirischen Geschichte keineswegeK an mannlichem Widerstreben gegen willkürliche Eingriffe, vielmehr ist dieselbe reich an Aufständen und Empörungen, deren wiederholte Bewältigung das Land zu feinem jetzigen Zustande politischer Unbedeutendheit gebracht hat. Die Steiermark war einstmals weit größer und wich" 4* 52 tiger als jetzt und hatte eine glänzende Periode ihrer Blüthe. Auch ihre Nachbarprovinz Körnchen wurde früher weit häufiger in der deutschen Geschichte genannt und hatte eben» fallö eine Zeit, in der sie sich, wenn auch nicht eine europäische, so doch eine deutsche Macht nennen konnte. Jetzt sind diese Länder alle außerordentlich schweigsam geworden. Sie reden nicht, und man redet von ihnen nicht. Es sind kleine Gewichte, welche die große Schwere der österreichischen Monarchie vermehren helfen. Es fthlt noch außerordentlich viel, daß die Geschichte der Stcicrmark schon so gründlich eruirt und so freimüthig dargestellt wäre, wie sie dieß ihreS nicht geringen Interesses wegen verdiente. An gelehrten und tüchtigen Männern, welche Hand an dieß Werk legen könn» ten, fehlt eS dem Lande wohl nicht; aber sie dürfen nicht so sprechen, wie es die Wahrheit, die Würde der Nissenschaft und das Interesse deö Vaterlandes wünschcnswerth machen. Ebenso interessant ist die Geschichte der Stände des Erzher-zogthums Oesterreich und dieses Erzherzogthums selber, wie noch mancher anderen Provinz des österreichischen StaateS, aber auch sie konnte bisher nur mit einer so subtilen Vorsicht behandelt werden, daß die nackte schöne Wahrheit unter allen den Umhüllungen, welche die Provincial-Geschichtschreiber ihr geben mußlcn, kaum zu erkennen ist. Dle letzte Huldigung, welche die stemschen Stande einem ihrer Fürsten nach altherkömmlicher Weise leisteten, und bei welcher auch noch dieser Fürst unter einem vor der Stadt errichteten Zelte den alten Eid leistete, war die vom Jahre 1728, in welchem Karl Vl. sich in Grätz huldigen ließ. Mit Maria Theresia und Joseph hört diese Ceremonie auf, und 5s Man kann diese Zeit als diejenige bezeichnen, in welcher die Steiermark ihre gesetzlichen Schuhdämme gegen Regierungs« Willkür verlor. Jetzt ist sie, wie viele andere Provinzen der österreichischen Monarchie ohne solchen gesetzlichen Schlitz, obgleich es keineswegs an der Sehnsucht und dem Vedürf. mß zu einem solchen fehlt. Es ist nun zu erwarten, was in Zukunft diese Sehnsucht und dieses Bedürfniß gebären werde. Ueber jene letzte Erbhuldigung ist ein großes Prachtwerk mit Kupfern erschienen, mit Ansichten der Umgegend der Stadt Grätz, mit einer Darstellung der Eidesleistung und des Einzuges des Pracht liebenden Kaisers Karl's VI. und mit Beidruckimg der bei dieser Gelegenheit gehaltenen Reden. Ich studine dieses merkwürdige Puch auf dem Standehause in Gratz, welches, mehr als alles Andere, was nur je darüber zu Gesichte kam, die Rede- und Denkweise der damaligen Zeit bezeichnete. In der Vorrede zn diesem Buche hieß es folgendermaßen: „Die Abwccbftlung der fließenden Zeit und die wie. derholte Einrückuug altfürgewestcr sowohl freudiger Ve< gebenheiten als trauervoller Verhängnisse hat das heidnische Alterthum einer göttlichen Anordnung unterwürsig zu sein befunden, darum ihren zur Gottheit der Zeits - Muffen erhobener IanuS in dem zu Rom erbauten Ehrentempel mit zweien Antlitzen, eines voraus das andere rückwärts sehend, um dessen Erkenntniß sowohl des Verflossenen, als Hin-künftigen anzudeuten, uebst in der rechten Hand habendcn ''lnqel mit darauf stehenden, m Feuerflammen brennenden Vhünir zu Auzeige des ihm untergebenen llmlansss derer 54 sich stets erneuernden Weltzeiten, und in der linken Hand mit dem beigcgebcnen Schlüssel zu allbcglücktcm Schicksal vorgestellt, damit die alten unter diesem ehehin gewesten italienischen König Iana angeschunenen goldnc Zeiten und Begebenheiten neuerlicher Wechselweise einzuführen selber solcher ihm beigelegter Gottheit von jedermann verehret und erbitten werden solle. Dieses Herzogthum Steyer aber hat bei der allerhöchsten wahren Gottheit und deren unendlichen Fürsichtigkeit um dcn freudigen Zcitswechsel zu gcdeilicher Landcswohlfahrt ohnabläßlich bittlicher angehalten, anmit des erfreulichsten Glückes Geschenk erlangdet, daß der aller-« durchlauchtigste Weltmonarch Carl der Sechste" — (dieser Name erhebt sich in dem besagtenPrachtwerke zu unleserlichen Schnörkeln) „seinen kaiserlichen und landesfürstlichcnVeehr-ungsthron, mit denen zweien Gnmdsaulcn 5'<,ltitullini» et t)<,n«tclntl3<^) begnadigt, in dieses getreuste Erbland Stcyer zn übersetzen, und sich huldigen zu lassen." Nach der Vorrede folgt eine Einleitung, und diese spricht so- „Alle Weltgeschöpft haben von der einstießenden ersten Vewegungskraft den nachruckenden Fortgang und ebenso auch die Zeit selbsten mit ihrem aneinander gebundenen Lauf. Und es hat kein Ding auf der ganzen Wcltnmde mit seinem ursprünglichen Anfang die gänzliche Vollkommenheit zugleich überkommen." „Dahero auch jede Völkerschaft in diesem Weltbezirk keinen Tag, bei dessen Eintritt sogleich den vollkommenen «) „f'orAucjo rt Constantm ' war dcr Wahlspruch Carl's VI. M MittagSglanz z>, genießen hat. Bei jedem ruckt «rstenS aus denen düstern Nachtstunden die freudige Morgenröthe hervor, bis das entfernte helle Sonnenlicht mit näherer An» lunft auch den mehreren Glanz und endlich vollkommnen Mittags-Anschein von sich giebt." „In solcher Gleichheit ist die aNerdurchlauchtigste Welt-Sonne diesem Herzogthum Steyer aufgegangen, und be-strahlet selbiges nun erfreulichst mit eingetretner voller Glanzesgegenwart. Es war chchin dieses Herzogthum Nlit schwarzer Finster des schmerzlichsten Trauergeschicks befallen, da es nach dem betribnußvollen Hinsclieiden Ihro Kaiserl. und Königl. Vlajest. ^nsepni ?rilni mildherrlichsten Andenkens den Durchlauchtigst rechtmäßigen Erbfolger und Landsherrn mit großer Kriegsflotte um die Krone Spaniens zu streiten den gefährlichsten Meeressluthen ausgesetzt und von allen getreuestcn Grblanden äußerst entfernt wissen mußte, auch damalen gegen Selben, daö von auswärtigen Königreichen vorgebrochene Kriegöfeuer annoch den vollen Brand hervorzeiM, bis endlich mit dessm beglückter Nück-kunft jene traueruollen Verhängnusse entwichen scynd und die erfreulichsten Morgensröthe diesem Herzogthum Steyer aufgegangen und immerhin seines Landesfürstlichen Glanzes Anscheins freudigst ancheilig worden ist." Darauf kam eine Landtags - Propositions-Rebe des Inner-Oesterreicher Herrn Hof« Vice-Kanzlers, die mit folgenden Worten ansing: „Himmel und Crde waren in ihrer Urerschaffung Zwillinge, ob sie schon unter sich so weit unterschiede», "ls entfernt seynd." 56 „Die Erde ist gegen selner unmaßlichen Weite nur ein Tupf, und vermag nimmermehr einen kenntlichen Theil des Tag vorstehenden Gestirns zu erreichen, obwohlen dieses wegen desselben seine erste Wesenheit erlangt hat. -^- Neide liegen Abänderungen unterworfen. Allborten an Abwechslung der Gestalt, da am Platz des entblaßten Winters Blüthe und Früchte einstoßen. Allhier allein am Lauf, damit es die Welt nach seiner innerliche» Eigenschaft desto vollkoimnncr bediene." „Dieses allzeit getreuste Grbland änderte sich nicht weniger äußerlich, aber nur stets zur eigenen Ehre. Das angesuchte und erlangte Markgrafthnm war nur eiu ange-wunschcner Edelstein, die kaiserliche Krone damit zierlicher zu beschmücken, und die Erhebung zum Herzogthum ein klarer Vewcis, Erzherzogen allein eigen zu seyn: Veides erlangten dic treiisschorsamsteu Landt-2tände, als eine würdige Vergeltung ihres reinen Wunsches." „Sie waren für das Allcrdurchlauchtigste ErzHaus Oesterreich auserkoren, um ihre Glückseligkeit vollkommen zu sehen, und der Himmel hat auch die kaiserliche Krone nur für Allerhöchstdasselbe aufbehalten; damit an dieses ge-treueste Land mehr Glanz und Schutz davon abthaue. Dieses Band der reinsten Treue ist schon in der ersten Regung ihres Gebiets so unauflöslich, als die Natur, und unaufhörlich in den Faden der fortkommenden Erbfolge so versicherlich gespnnnrn, daß es keine Nachwelt zu entzweien vermag. Es ist zwar die anbeginnliche schon bei dem ersten Wellwescn mit sich hergebrachte Huldigungspsticht ohne dieß eine ewige Verpfandung. Je dennoch die Er- 9? neuerung derselben vergrößerte diesen treugehorfamsten Stän. den ihre Glückseligkeiten um ein Mehreres, als dem kaida ^>ie Vorbedeutung seines künstigen Kayserthumbs." „So thauer Glücks- und Freudetag war aus Vorbruch höherer Reichsgeschäfte zwar einige Jahre gehemmt, doch nicht gehoben. Anjezo hat aber der Merdurchlauchtigste, Großmächtigste und Unüberwindlichste Fürst lind Herr Carl VI. ic. sich entschlossen, die Huldigung anzunehmen." „Nun eröffnen sich die wahren goldenen Zeiten, da gegenwärtige versammelte treiigehorsamste Landstände die langgewunschenen Glücks--Tage unter sich wohnen sehen. Das gesammte Land ruhet in Frieden, das Volk umgürtet sich mit Freuden, und bci ihren getreusten Standen übersteigen die Gefühle des Vergnügens den Damm ihrer Herzen. Es ist demnach die höchstbcglückte Stunde auf deu 6. nächstkommenden Monats Juli allergnädigst vorgesetzet, da in Allerhöchst Dero Vurg asshier Sie getreuestc Landstande mit erneuernder Huldigung an Jenen sich nochmalen zu verknüpfen haben, von welchen selben sie abgesondert niemals leben wollen, wissend, daß jene, die unter der Oesterreichischen Sonne leben, keinen besseren Himmel haben mögen." „Solche Sonnen seynd allen Vergrößerungen überlegen, die kein Erweiternngsgias unmaßiger vorbilden mag. Von ihren Strahlen wird der theure Unterthans - Schweiß nicht vertrocknet, sondern in reichen C^rquickungsthan verwandelt. Dererselben Einfluß in die Völkerschaften ist nachdrücklicher als die Vereinbarung guter Sterne über der Welt, und der Zug menschlich?,-Herzen mächtiger als der Nordstern, der den Magnet an sich locket." Ü5 „Solche Beherrscher seynd Himmclsgaben, um welche die Vorwelt geseufzet, die Nachwelt aber nußer diesen durchlauchtigsten ErzHaus nicht finden wird. Merhochstverselben kostbarer Sorgcnschweiß benetzet die dürren Pflanzen deö allgemeinen Wohls. Dero Helden Armb, die die stärkste Macht gebrochen, imd Feindcsschild in's Feuer geworfen, wird dieses getreue Erbland und Unterthanen noch kräftiger beschützen." Daraufkommt eine nicht minder originelle und fthanta-siereiche Gegenrede desObrist - Grz - Lan d-M arschalls: „Die Menge jederzeit genossener kaiserlich königlicher, auch landesfürstlicher Hnld und Gnade, wie möchten zahlreich versammelte Landstande dieses HerzogthumH dieselbe zu preisen eiuen genügsamen Redner finden? Da schon Alexander der Große in dem klmstbluhendm Griechenland über den Abgang seines Homer scuzte." „Die Große derselben lähmt die Zunge, und die Gefühle überschwemmen das Gedächtniß. Das weite Meer erblaßt, der ersten Vollkommenheit keilten größeren Raum geben zu können, und die Erde beschämt sich, nicht weiter zu seyn. Es entbleicht die Sonne selbst, daß sie zur genügsamen Vor« leuchtung ihre Pferde zu zwingen nicht vermöchte, und doch ist dieses getreue Vaterland anjetzo erhoben worden, jene Größe umzugranzen, der eine Sonne nicht genugsam dienen mag. Dieses ist das wahre Erblicht, welches unter anderen weiten Gebieten auch diesen Aerg-Vezirk durch Viele Jahr« Hunderte bestrahlet, nunmehr aber vollkommlich anstainmet." „Alles, was naturrcchtsfähig ist, hat schon vom Anbeginn das Band dcr allergehorsamsten,Treue anercrbet, welches N keiner Pflicht nachstehet. Es soll Ihre feierlich zu betheuernde Unterwürfigkeit, meine Herren, das kräftige Unterpfand dessen sein, welches bis in Ihren letzten Blutstropfen ohnedieß gc-ätzet ist. Rom mag an Vespasian die Liebe und Treue des menschlichen Geschlechts sich eingebildet haben, weil sie die süße Veherrschungs-Art des Oesterreichischen Hauses nicmalen verkostet, ansonstcn aber bekennet hatte, es wäre jene ein Schatten gewesen, diese aber die Wirklichkeit aller Glückseligkeit. Andere Länder gehen diesem an der Größe vor, nicht aber cm Treues „Corinth, Rhodos und Athen haben unzählige Ehrensau» len und steinerne Völker errichtet, davon doch jetzt keine mehr in ihrer Wesenheit, sondern allein in der betrübte^ Feder derer Gelehrten zu finden ist. Für jede kaiserliche Huld und Gnade mit mchrern Rechte eine aufzuthürmen, würde diesem Vaterland Platz und dem Schooß der Erde Erzt und Marmorstein ermangeln. Diese getreuesten Stande haben aber schon eine von Pur-«treuen Herzen landweitf Spitzsaule aufgesetzet, die von keinem Zahn der Nachwelt zernaget, sondern von Geburt zu Geburt verkündigt und von aller Jugend bis nach ihrem Ende gelallet wird." Für den Psychologen wie für den Geschichtsforscher sind solche Bücher gleich interessante Documente. Jener mag untersuchen, wie es möglich ist, daß der Mensch sich so weit vergessen konnte, daß er einen seiner Mitmenschen, der Staub ist, wie er selber, eiuer Verehrung würdigte, wie sie nur der Gottheit zukommt. Dieser erkennt darin den Geist und die Weise jener Zeit, in der man auch in Frankreich Götter auf dem Throne sah. Auch jetzt, es ist nichc zu laugnen, haben jme Reden und Ausdrücke noch immer nicht völlig ihre praktische Bedeutsamkeit verloren. In den Reden, die man bei öffentlichen Acten in Oesterreich vernimmt, und in den Schreiben, die man an hohe Personen richtet, ist noch immer ein Styl, der hic und da ein wenig an den in jenen Proben herrschenden Styl erinnert. So achtbar der Charakter der Bewohner der deutsch - österreichischen Provinzen ist, so liebenswürdige und verehrungswerthe Manner man unter ihnen findet, — nicht im Geringsten weniger als bei irgend einem anderen deutschen Stamm, so kann man doch nicht umhin, hie und da im Namen dieser Männer zu erröthen, wenn man Kenntniß von dem bei solcher Gelegenheit herrschenden Geiste nimmt. In Gratz hörte ich unter anderen die dortigen Vür» gergardisten einen Cid lelsten und die dabei figurirenden Personen sich mit Reden bewillkommnen, welche ich von den Mannern, die dem Alter der Bevormundung entwachsen waren, lieber gar nicht vernommen hatte. Mich führte ein alter Mann in dem Landhause herum, der seit 77 Jahren bereitö VieleS in der Welt mitgemacht hatte, und dessen Figur dennoch eine so gerade Haltung hatte wie die einer Tanne. Er war jetzt Portier oder Oeko-nom des HauseS, welches er mir zeigte, und er lud mich ein, in seinem Zimmer ein wenig auszuruhen. Dieses Zimmer war mit vielen mich intcressirenden Dingen ausgeschmückt wle ein Museum. Schon unter Maria Theresia hatte mein Mann zu dienen angefangen und dann unter Io« seph II., unter Leopold, Franz und Ferdinand weiter gedient. Er sagte mir, daß er alle diese Kaiser persönlich gekannt und oft mit ihnen gesprochen habe. Sie seien ihm m alle besonders gnädig und günstig gewesen, und er verdanle ihrer Freundschaft und Gnade diesen ruhigen Portier-Pusten, den er jetzt bekleidet. Sein Vater hatte unter Ludwig XV. und XVI. gedient und ihm wieder Vieles von diesen ihm persönlich gewogenen Herren erzählt. Die Portraits aller dieser Fürsten hingen nebst denen ihrer Gemahlinnen und sonstigen Anverwandten an den Wänden. Mich intercs-sirte am meisten Joseph II., der seine rechte Hand in der Hosentasche hielt und oben nur einen Knopf seines Rockes zugeknöpft hatte. So soll er es immer gehabt haben, wie mir mein Portier versicherte, welcher Tambour-Major bei einem seiner bcßtm Regimenter gewesen war und als solcher alle Feldzüge dieses Kaisers mitgemacht hatte. Als solcher, sagte er mir, habe er wohl einige Tausend Tamboure für die österreichische Armee ausgebildet. Zu seiner Zeit sei es noch der Mühe werth gewesen, diese Kunst zu lernen. Jetzt sei sie wie auch viele andere Künste vollkommen in Verfall gerathen. Man gebe nicht viel mehr um gute Tambours bei den jetzigen europaischen Armeen, und in der österreichischen seien jetzt niOt weniger als 10 Trommelstreiche abgeschafft und auch selbst die bestehenden so einfach gemacht worden, daß fast gar keine Kunst mehr daran sei. Jetzt hätte man nur noch die einfache Reveille, sonst hatte man auch eine doppelte und eine dreifache Reveille gehabt. Der „Fahnenstreich/' den man bei'm Abholen der Fahne getrommelt, sei viel brillanter gewesen, als er jetzt sei. Den „Wasserstreich" (bei'm Uebergange über einen Fluß auf Schiffen) kenne man gar nicht mehr; auch sei der „Brücken^ streich" (bei'm Uebergange auf einer Brücke) nicht mehr ver- «2 schieden vom gewöhnlichen Marschstrelch. Er sei sonst, ohne Eitelkeit könne er dieß behaupten, der beßte Tambour in der Armee Joseph's II. gewesen. Die Türken am Allion bei Orsowa, das sie nm Ende der achtziger Jahre bombar-dirt, waren oft hervorgekommen und hätten sich herangemacht, um ihm zuzuhören, wenn er sich an solchen Abenden, wo das Bombardement nicht so stark gegangen, im Trommeln geübt. Auch die Franzosen in Italien, gegen die er noch unter Franz getrommelt, hätttn wohl, wenn sie sich in feindlichen Lagern gegenüber gelegen, mit ihrem Trommeln aufgehört, um ihm zuzuhorchen, wären dann herbeigekommen und hätten ihm Vorschläge gemacht, zu ihnen überzugehen und bei ihnen zu dienen. Jetzt ist es nun mit dieser schönen Trommclzeit vorbei, und statt den Türken und Franzosen mit jener kriegerischen Kunst wechselweise Freude oder Schrecken einzuflößen, füllt nun mein Tambour-Major die Mußestunden, die ihm sein Amt laßt, mit friedlicheren Geschäften aus. Unter Anderem pappt er kleine Kästchen, die er an selne vielen Geschäftsfreunde absetzt, und außerdem fängt er die Kreuz» spinnen aus dem alte» Landschaftöhause zusammen und verkauft sie an Besitzer von Amseln und anderen Vögeln, für welche diese Spinnen ein Heilmittel sind. Er hatte eine dieser Spinnen gezähmt, ihr clus Kartenpapler ein kleines, vielfach durchlöchertes Häuschen gebaut und sie so an sich gewohnt, daß, wenn sich seine Hand mit einer gefangenen Fliege zum Futter näherte, sie ihm schon von Weitem ent-gegengehüpft kam. Er hatte unter selnen übrigen Merkwürdigkeiten auch noch elnen prachtvoll geschmückten Kaien« 63 der, wie ihn sonst'der Crzbifchof von Salzburg und die stei-rischen Richter zum Lobe und Ruhme jedes neuen Jahres anfertigen ließen. Zwei Cavaliere, die kürzlich, nach der Türkei reisend, hier durchgekommen seien, hätten ihm ein hohes Geld für diesen Kalender versprochen und würden ihn dafür bei ihrer Zurückkunft mitnehmen. Dann besitzt er noch eine von Jesuiten verfertigte Uhr in Gestalt eines Erd« globus, der sich binnen 24 Stunden einmal um seine Achse dreht und bei dem auf einem ihn umgebenden metallenen Ringe die Stunden gezahlt werden. <3m gekrümmter Se« cundrnzeiger hüpft wie ein loser Schmetterling rund um den Globus herum. Auch diese Uhr wollte er für einen gewissen Preis wohl verkaufen; jene seine zahme Spinne aber Ware ihm um keinen Preis feil, sagte er. Manche hatten ihm schon viel für sie geboten, aber er verkaufe sie nicht, weil er sie lieb habe und em Theil seines Selbst an ihr hinge. Auf ein Lob der Stadt Grätz, ihrer malerischen Bauart, ihrer reizenden Umgebungen, ihrer heiteren und freundlichen Vewohner will ich mich gar nicht einlassen, weil ich mich zu ungeschickt dazu fühle, und weil dieß Alles sich in der Wirklichkeit so unendlich viel schöner ausnimmt als auf dem matten Papiere. Stillschweigend grüße ich alle die schonen Plätze, die ich dort betrat, und mit Dankbarkeit gedenke ich der tresslichen Männer, die dort einen Theil ihrer kostbaren Zeit einem Fremdlinge großmüthig opferten, auch dessen, der mir zum Abschiede, zum Andenken eins seiner Gedichte mitgab, das ich hier, als eine ganz allerliebste Composition, nuch meinen Lesern mittheilen will. S4 Drang in die Ferne. Vater, du glaubst cs nicht, Wic mir's zum Hcrzcn spricht, Wenn ich die Wolken seh Oder am Strome steh. Wolkengold, Wellcngrün, Iiehcn so leicht dahin, Wandern von Ort zu Ort Weit in die Ferne fort. Weilen und rasten nie, Eilen, als wüßten sie Irgend ein schönes Land, Das noch kein Schiffer fand. Ach von Gewölk und Fluth Hat auch mein junges Blut Heimlich geerbt den Drang. Stürmisch die Welt entlang. Vaterland's Fclscnthal Wird mir zu eng und schmal, Ahnungen, Wunsch und Traum Finden darin nicht Raum. Laßt mich, ich muß, ich muß Nehmen den Scheidekuß, Vater und Mutter mein, Müsset nicht böse sein. Gorget nicht, welch' Geheg Einsam durchwirrt mein Weg, Monden- und Sonnenschein Leuchten auch dort hinein. G5 Ucbcr ein jed' Gesild Nüldt sich der blaue Schild, Den um die ganze Wclt Schirmend der Vatcr hält. Ach und wenn nimmermehr Ich zu euch Wiederkehr', Lieben, so denkt: er fand Glücklich das schünr'e Land. V. Von Gräh nach Lcoben. Am 11. October früh Morgens setzte ich meine Neise fort und zwar natürlich im Mnrthale. Denn von Gratz aus giebt es in dem überall mit Gebirgen vermauerten Stcier-- die Mur anbahnt. Dieser Fluß ist so sehr der Hauptfluß des Lcmdeö, das; man Stciermark sehr passend das Mur-iiaild nennen könnte, sowie Karnthcn das Land der Dräu nnd Kram das Land der Sau. Die Mnr fließt rasch aus den Bergen herab, und unser kleiner Wagen rollte ihr rasch entgegen. Der hoheScliöckel ist für die jHratzer der Wetterprophet. Meiu Kutscher Franz betrachtete diesen Propheten heute leider kopfschüttelnd, denn er meinte zu bemerken, daß die Nebel an ihm hinaufstiegen, und daß sie daher gewiß noch gegen Mittag als Negen auf uns wieder herabsteigen würden. Wie der Schöckcl, so waren auch die Berge im Süden, Osten und Westen von Grätz mit Nebel behängen, über dem ganzen Gräber Felde zog sich eine graue Wolkendecke bedrohlich zusammen, und die Prophezeiung Negen war «7 deutlich genug an allen Himmelswinkeln geschrieben. Auf dem Grätzer Felde pflegen die Wolken lmmer sehr reichlich ihr Herz auszuschütten, und ich bat daher meinen Franz, Ermunterungen an sein Gespann nicht zu sparen, weil wir vielleicht oben besseres Wetter treffen möchten. Gleich dicht hinter Grätz schließt sich die liebliche Gbene, in welcher diese hübsche Stadt sich ansiedelte, und man tritt bei Gösting durch einen Engpaß in ein im Ganzen schmales Thal, welches 6 Meilen weit bis Vrnck sich hinzieht. Nur zuweilen erweitert sich hie und da die Gegend zu einem reizenden Becken, in welchem dann ein Marktflecken sich lagert und Kirchen nnd Schlösser an» Rande sich aufstellen. Diese kleinen Weitungen oder Felder, die das Gratzer Feld »achahmen, haben wieder ihre eigenen Namen. So heißt das eine „auf dem Tratten", das andere „das Zeckenseld." Ohne Zweifel ist diese Verengung dcö Murthales zwischen Vruck und Grätz, der Umstand, auf welchem die Ein-theiluug des Landes inOber - und Unter - Steiermark gegründet ist. Das Volk freilich hat kaum eine bestimmte scharfe Gränzlinie für diese beiden Abtheilungen. Denn fast an jedem beliebigen Orte im Murthalc nennt es die ganze Gegend unterhalb dieses Ortes „Untersteiermark" und die oberhalb desselben „Obersteiermark", und man kann daher ein ziemlich großes Stück durch die ganze Mitte des Landes reisen, ohne je die Gränze jener Abtheilungen zu finden. Allein die Geographen ziehen eine Linie über den höchsten Kamm derjenigen Alpenkette, welche die Mur auf der bezeichneten Strecke durchbricht, und nehmen sie als Gränze von Ober- und Untersteiermark an, und daß dieß rich- 5* es tig sei, ergiebt sich auch aus der Natur der Verhältnisse. Da5 obere Murthal ist von Westen nach Osten gerichtet, daS untere von Norden nach Süden. In dem Charakter der Bewohner sowohl als in den Physikalischen Verhältnissen beider Thaler werden dadurch große Verschiedenheiten herbeigeführt, und innerhalb jenes oben bezeichneten Engpaffcö zwischen Grätz und Vruck eben geht nnn jene Krümmung und Veränderung des Thales vor sich. Mehre Marktflecken — Gradwm:, Peggau und Fronleiten — liegen in diesem 3Halstücke. In dem letzteren machten wir Mittag. Der Ort ist so reizend gelegen, wie fast alle Ortschaften in diesen schonen Älpengegenden, und man möchte sich gern den herrlichen Genüssen der Natur ganz hingeben, wenn nicht daS furchtbare geistige und physische Elend, in welchem hier so viele Menschen leben, Einem fast überall den Genuß irübte. Es fängt hier oberhalb Gratz nämlich das Land der Cretins a>!, die hicr„Troddetn" odcr„Trotteln" und in Karnthen „Kockcr'^ genannt werden. In Untersteiermark, einem weinreichen Hügellande, in welchem die Menschen ein weniger mühseliges Leben führen, giebt es deren wenige und am Ende, wo die Mur in das Land der Kroaten eintritt, gar keine mehr. Hier aber, wo die Thaler enger, die Natur rauher, die Nahrungsmittel kümmerlicher und ungesunder werden, erblickt man fast in jedem Dorfe einige dieser Schreckgestalten. Mit blöden Mienen, mit stieren Augen, mit krummen Beinen, mit kropfreichcm Halse (manche haben drei, vier dicke Anschwellungen an der Kehle) schleppen sich diese Mißgestalten in den Dürfern herum. Sie sind die schrecklichste Ver» klüppelung, welche sich irgendwo und irgendwie am Menschen offenbart; denn ihr Körper ist so entstellt wie ihr Geist entartet und ihr Verstand ft verblendet wie ihr Gefühl verschro» ben. Sie sind in der Regel in hohem Grade grausam, bös« artig und rachsüchtig. Sie verzehren AlleS mit thierischem Appetite, wie denn überhaupt alle ihre sinnlichen Triebe und Begierden sich auf das Widerlichste offenbaren. Wie bei den Thieren ist ihr Geruch in der Regel fein, ihr Gehör aber, wie einer ihrer Beobachter mir sagte, selten gut. Ihr Wachsthum ist wenig energisch, und sie bleiben in der Regel klein. Es ist dieß noch eine kleine Wohlthat, welche die Natur zur Linderung dieses Nebels beifügte. Denn würden diese Unglückseligen gar noch groß, so würde ihr Anblick vollends unerträglich sein. Ihre Lebenskraft ist dagegen zuweilen zähe und ausdauernd. Es ist schade, daß die Natur ihnen nicht die Wohlthat einer kurzen LebenSfrist gewährt hat. Sie werden ost recht alt, und viele schleppen 70 Jahre lang und langer ihr Elend zur Schau, Andcvcu noch mehr als sich selber zur Last. Obersteiermark ist ein Hauptsitz des CretinismuZ. Wie er sich gegen Nntcrsteiermark verliert, so verliert er sich auch gegen die Donau und gegen Salzburg hin und hört endlich in Vaiern ganz auf. In Linz sieht man keine Cretins mebr, in Salzburg giebt es noch manche. Jenseits Salzburg aber ln Vaiern zeigen sich nur noch die letzten Spuren. Merkwürdig ist es, daß es oft Dörfer, ja ganze Striche und Thäler giebt, welche vom Crctinismus ganz frei bleiben, während wieder andere Gegenden besonders an dieser imse- 70 Ngen Pest leiben. So ist nicht weit von Fronleiten ein Strich, der „in der Gams" genannt wird. Hier soll fast jedes Haus 2 bis 3 Troddeln in seinem Vcwohnertreise haben. Viele sind der Meinung, daß sich diesi nur ans Bodeneinftüsftn erklären lasse. Auch hier, wie anderer Orten glaubt man bemerkt zn haben, daß überall, wo Thonschiefergebirge seien, die Bevölkerung weit mehr zum Trod» delthum geneigt sei, in der Nähe von Kalkgebirgen diese Er» scheinung sich aber weit seltener zeige. Das Volk hat viele Gründe für die Erklärung dieses widerlichen Wunders. Die meisten geben dem Wasser die Schuld, und manche Quellen werden geradezu als solcke bezeichnet, aus denen man sich Dummheit, Kröpfe imd Kretinismus antrinken könne. So giebt es drei Stunden von Fronleiten auf der sogenannten „langen Wiese" eine Quelle, die ein krystallreines, köstlich schmeckendes Wasser giebt, die aber sehr im Verrüfe ist und „Kropfquclle" genannt wird. Das Vieh trinkt aus dieser Quelle, ohne irgend einen Nachtheil zu empfinden. Die Menschen aber, welche öfen, in denen jährlich 300,000 Ctr. reines Eisen gewonnen werden. Ich besah mir einige dieser Hochöfen und dann die nuf Veranlassung des Erzherzogs Johann neu errichtete Verg« schule und fand hier die vollständigsten Suiten von Eisenerzen, die ich noch irgendwo gesehen. Sie waren doppelt geordnet, sowohl nach den Fundorten und Ländern, als nach dem System. Die Schule empfangt ihre Zöglinge von den Polytechnischen Lehranstalten in Wien, Prag und Grätz gehörig vorbereitet und bildet sie dann hier an der O-uelle aller bergmannischen Arbeiten auf praktischem Wege weiter auö. 73 Von Vordernberg geht es mm immer höher in der Fich-tenregion hinauf. Je höher wir kamen, desto heuer wurde es, und endlich auf dem Passe selbst, den man den „Preh-bühel"ne,mt, war es das schönste Wetter von der Welt. Einzelne Sennhütten, die man hier „Schwaigen" oder „Schwoagen" nennt, lagen, von ihren Bewohnerinnen bereits verlassen, hie u»d da auf den Vergabsätzen zerstreut. Diese Sennerinnen heißen hier „Schwoagerinnen" oder in einigen Gegenden auch „Vreutlerinncn" von „Vrentl," womit sie das Faß bezeichnen, welches mit Schmalz gefüllt wird. Wo man die höchste Höhe des Paffes erreicht hat, sind große Halden oder Magazine errichtet, in denen die in kleine Stücke geschlagenen Visenerze angehäuft werden, denn eben innerhalb dieses Passes befindet sich die berühmte Eiscn-steinanhaufung, die so reichhaltig an Erz und Metall ist, wie außer im Ural keine zweite auf dem europaischen Conti» nente. EZ hat sich die eisenhaltige Masse hier wie ein dicker Mantel besonders auf dem nördlichen AbHange deS Passes angelegt, und außerdem steht sie noch in einer großen Kuppe innerhalb des Passes selbst massiv in die Höhe. Auf der Spitze dieser Kuppe hat man ein großeö eisernes Krcuz errichtet, und von hier hinab geht nun der Eisen- oder Erz-berg wie ein ziemlich regelmäßiger halber Kegel in's Münch« thal nach Eisenarzt hinab. Die Spitze und überhaupt die ganze obere Hälfte des Verges gehört den Vordcrnbergern, der untere Theil des Eisen-mantelS von einer horizontal rund um den Verg herumlaufenden 5!lnie wird von den Gisenarztern ausgebeutet. Jene sind eine Gesellschaft von Privatleuten, diese kaiserlicheVcamte. 70 Von der Hohe des Passes führt cine Eisenbahn in den Gisenbcrg hinein. Auf dieser Eisenbahn werden die Erze für Vordernberg hinausgeschafft zu jenen Halden, die ich erwähnte. Von da werden sie dann mit gewöhnlichen Wagen in die Hochöfen weiter transports. Von Leoben her hatte die Reihe dieser mit Eisenerz belabenen Wagen fast gar kein Ende genommen. Man nennt daher auch mit Necht diese Straße die „Eisenstraße," wie jene nach Salzburg die „Salz-straße" heisit. Ich ließ hier meine» Franz die Poststraße nach Eisenärzt allein weiter fahren und fnhr selber auf der Eisenbahn in den Berg ein. Diese Vahn schlangelt sich zuerst cm den Bergen, welche die eine Seite des Paßthorcs bilden, hin, und dann tritt sie durch einen Tunnel auf die andere Seite des Verges hinaus. Ich machte die Fahrt mit einem rück-kchrenden Zuge der Erzwagen. W waren 9 bis lO Wagen , die ein Pferd ans der Stelle brachte. Auf dem letzten dieser Reihe saßen ein Schichtmeister, einige Arbeiter und ich. So kalt es hier oben war, so schön war cs auch, besonders die Aussicht nach der nördlichen Seite des Passes hinaus, wo der hoheS ch wab mit seinen Vorbergen das wundervollste Panorama von Felswänden und Abgründen ftr-mirt. Der Grzberg selbst ist beinahe 3000 Fuß hoch, die zu den Seiten liegenden Massen steigen aber bis zu 7000 Fuß hinauf. Auf der Vordernberger Seite des Verges angelangt, begannen wir die Besichtigung der merkwürdigen Arbeiten, welche man hier seit vielen Jahrhunderten zur Her-culsschaffnng des Krzes vorgenommen hat. Es ist sehr wahrscheinlich, daß schon die Römer diesen 80 Eisenberg kannten, obgleich behauptet wird, daß erst im Jahr 712 die Bebauung des Berges begonnen habe. Bedenkt man, daß die Römer hier rund umher alles Land im Besitz halten,— daß überall in den hiesigen Alpenthälern ihre Colonicen verstreut waren, — daß das Visen hier nicht tief im Verge verborgen liegt, sondern sich außen am Berge am offenbaren Tage zeigt, — und daß endlich auch dicse Ciscnmasse in der Nähe eines Gebirgspasses liegt, den. ohne allen Zweifel die Römer schon passirten (sie müßten es denn vorgezogen haben, über unwegsame Berggipfel zu klettern, statt die natürlichen bequemen Thore zu passiren). so müßten die Römer blind gewesen sein, wenn sie nicht dieses, so zu sagen, am Wege aufgestapelte Visen hatten sehen woNen. Wenn uns daher auch kein einziges schriftliche Document die Gewißheit giebt, daß sie hier schon vor unS arbeiteten, so giebt uns doch die LagedcrUmstande die größte Wahrscheinlichkeit, daß dieß so sei. Dazu kommt, daß wir den,,norischen Stahl" häufig genug bel den Römern citirt finden, und daß, wenn anch feine Fundorte nicht bezeichne» werden, es doch wohl nicht zweifelhaft ist, daß der brdeu-tendste von allen der von Gisenarzt und Vordernberg sich auch darunter befunden haben wird. Die Masse Uon Eisen, welche die Natur hier angehäuft hat, ist wirklich außerordentlich, und dabei macht Verhältniß' mäßig die Gewinnung des Materials im Vergleich mit an-> deren Bergwerken wenig Mühe, weil das Erz nicht tief vm> borgen liegt. Den Umfang des Erzgebirges schätzt man zu 6000 Klaftern und die Höhe, wie gesagt, zu 3000 Fuß. Die ganze Kuppe und die ganze Seitendecke des Berges ist Eisenerz, 81 und zwar so reichhaltiges, daß im Durchschnitt fast die Hälfte reines Nistn und nur die andere Hälfte Schlacken ist. Nehmen wir daher jene Decke auch nur zu 20« Fuß Dicke an, so läßt sich leicht daraus berechnen, dasi hier noch so viele Milliarden Centner von Metall liegen, dasi die ganze Welt noch lange genug von hier ans mit Nähnadeln, Schwertern und Hämmern versehen werden kann. Ich habe mehre Male von dem Eisenmantcl des Vergeb gesprochen. Es ist vieß natürlich nicht so buchstäblich zu nehmen, daß das Erz blos in einer Schicht von einer gebissen Dicke an dem Kegel des Verges wie eine Schale oder ein Mantel anläge. Hie und da verschwindet die Eisen« decke völlig, hie und da hingegen setzt sie tief in den Kern des Berges, der aus Grauwacke besteht, hinein in mehr oder minder machtigen Gängen. Auch ist, wenn ich sagte, daß das Erz zu Tage läge, dieß natürlich nicht buchstäblich zu nehmen. Es ist vielmehr der ganze Vcrg von oben bis unten mit einer mehr oder minder starken Pflanzenerde bedeckt, auf welcher Fichten und andere Vaume gedeihen. Dem Gesagten zufolge war nun die gewöhnliche, sehr einfache Weise der Gewinnung des Erzes diese, dasi man nach Wegschaffung der Pflanzenerde in den Voden hineingearbeitet und das Erz weggebrochcn hat. Dadurch sind große Höhlen oder mächtige, weitläufige Grotten entstanden, ähnlich denen, die man auch wohl bei Steinbrüchen sieht. Man nennt diese Eiscngrotten „Tagbaue", und es giebt deren 50 am Verge herum. Da, wo daö Erz in mächtigen Gängen in den Kern des Berges hinein setzt, hat man es auch hic und da mit Twllenausgrabungen verfolgt. " 6 82 Hier ist denn die Arbeit etwas unbequemer. In den Tagbauen aber wird immer vom Tage weggesprengt. Die größeren und alteren unter diesen Tagbauen, in denen schon seit mehr als einem Jahrtausend Erz ausgebrochen wird, gewahren einen sehr interessanten Anblick. In der Regel sehen sie aus wie große, unregelmäßige, aus rothem Spalheisensteiu gebaute Hallen oder Rotunden, deren Boden und Wände sehr uneben sind. Denn natürlich sind viele kleine und große Blöcke liegen geblieben, entweder weil man sie minder reichhaltig fand oder weil man sich noch nicht an ihre Bearbeitung machte. Pfeiler, Vögen, Vorsprünge und Absätze aus Eisenstein sieht man in jeder dieser Hallen herumliegen, zwischendurch kleine Fußwege und hie und da zwischen dem Getrünuner an den Wänden der Rotunde die hämmernden Arbeiter klebend. Von einem Eisenbruche zum anderen führen Wege, und hie und da liegen neben ihnen die kleinen Häuschen der Bergleute, in denen sie zu 10 bis 20 die Nächte zubringen, so lange ihre Arbeitswoche dauert, denn ihre Wohnhäuser haben sie meistens unten. Nur einige Wohnhäuser der Aufseher finden sich am Verge selber zerstreut. Der ganze Berg ist, wie gesagt, in zwei Hälften ge« theilt, von denen die obere dm Vordernbergern, die untere den Eisenärztern angehört. In den Gruben selbst, an der äußeren Seite und im Inneren des Verges ist diese Gränze überall durch eiserne Kreuze und andere Granzzeichen angegeben. Die schwierigsten Veranstaltungen, die man treffen mußte, waren nur die, das Erz zu den Hochofen jener beiden Orte zu schaffen. 83 Die Gsenärzter, deren Hochöfen sehr tief in» Thale liegen, hatten dazu mir absteigende Wege nöthig, die Vor-dcrnberger aber, deren Gruben znm Theil noch tiefer liegen als jene Eisenbahn über den Prehbühel, mußten auch Maschinen zum Heben der Erze errichten. Diese letzteren bestehen in großen „Auszügen", wo auf einer steilen hölzernen Bahn ein Eimer mit Erz auf der einen Seite durch einen anderen Eimer, den man auf der anderen Seite mit Wasser füllt, heraufgezogen wird. Der ganze Berg steigt etwa unter einem Winkel von 45 Graden an. Unten an seinem Fnß ill Eisenarzt besin^ den sich die Hochöfen in einer Reihe dicht hinter einander. Um nun zu ihnen die Erze auf die zweckmäßigste Weise hin-abzuschaffcn, hat man nur von den einzelnen Halden oder Stollen aus kleine Gänge gemacht bis zn einem Absturz des Berges, wo man dann auf langen Bretgestcllen das Erz hinabgleite» läßt. Wo ein solcher Absturz nicht zu gewin, nen war, hat man einen senkrechten Schacht eine Strecke in den Verg hinunter gearbeitet, in welchen man das Erz hinabstürzt. Ein solcher Sturzschacht führt indeß das Erz natürlich nicht gleich bis ganz unten hin, sondern nur bis auf eine. andere Stufe des Verges. Gin horizontaler Stollen führt es wieder zum Verge hinaus zu dem AbHange eines andercn Sturzes oder Schachtes. Zu gleicher Zeit fördern von den Seiten her horizontale, um den Verg herumlaufende Wege das Erz aus den anderen Nauen herbei. Die Schachte werden nach unten daher größer und weiter, und endlich stießen am Fuße des Verges diese mit Erzstufen gefüllten 84 Canäle „nd Adern alle in eine. Sie vereinigen sich in clnem einzigen Schachte oder Vrunnen, von dem aus dann die Stufen durch einen mit einem schönen Thore mündenden Stollen hinausgeführt werden. Man kann sich dem Gesagten zufolge den Weg, den das C'rz von der Höhe des Verges henmterspaziert, etwa so vorstellen: 1) Grotte /oder Grube, in der die Stufen'gebrochen werden. 2) Offene Wege, auf welchen man es zu den Schachten führt. 3) Horizontale Stollen, durch die es auf die Nege geführt wird. 4) Senkrechte Schachte, durch welche man das Erz hinabstürzt. 5) Thore der Stollen. Die Schachte (4) sind in der Regel unten durch hölzerne Thüren oder Schleusen geschlossen. Oben sind sie aber mit einem Vrelerdach bedeckt, und man süllt bestandig das 85 Erz in sie hinein, sü daß sie in der Negel halb oder auch ganz voll sind. Erst wenn sie unten in den Hochöfen Ve-dürfniß nach Grz fühlen, werden die Schleusen der Schachte geöffnet, nnd dann poltern die kleinen rochen Stufen ihre bunten Wege hinab. So einfach die ganze Aufgabe, Crz-stufen den Berg hinunter zu schaffen, zu sein scheint, so ist es doch sehr schwierig, diese Manipulation so zu bewerkstelligen, daß Alles auf die möglichst rationelle und zweckmäßige Weise geschehe, daß nirgends sich die Stufen unnütz häufen, daß nirgends auch eine Lücke oder Leere sei, und es ist noch nicht gar lange, daß man zur Ausbildung jenes oben beschriebenen neuesten nnd zweckmäßigsten Verfahrens gekommen ist. Der Berg ist rund umher mit solchen Vorrichtungen, Maschinen, Bruchstellen, Sammelplatzen des Erzes, horizontalen und senkrechten Wegen, Stollen, Thore» und Schachtöffnungen versehen, und das Ganze ist also gewissermaßen wie ein nach außen gekehrtes Bergwerk anzusehen, das um so interessanter zu betrachten ist, da es sich überall sehr bequem überschauen laßt. Die ganze große Oberfläche des Verges hat man bearbeiten und gewissermaßen künstlich zu den angegebenen Zwecken zurichten müssen. Hie und da hat man z. V. auch große Malierwerke zur Verfestigung des Berges aufführen nnd bedeutende Sprengungen zur Ap^ Planirung vornehmen müssen. Da nicht schmuzige, feuchte und gefährliche Treppen, sondern anuluthige und bequeme, von der Sonne beschienene und mit Bäumen besetzte Fußpfade durch dieses Vergwerks-Labyriuth hinführen, so spaziert man auf sehr vergnügliche Weise den Verg von Werk 86 zu Werk, von Stollen zu Stollen, von Grube zu Grube hinab. Oben auf dem Verge neben der Stelle, wo es gebrochen wird, wird das Vrz auch sogleich zerpocht. Sie nennen das hier aber nicht „pochen", sondern „kobern", und die Stellen, wo das geschieht, heißen daher auch „Koberplatze". Es soll 200 solcher Koterplätze geben. Die kleinen Burschen, die „Kobcre-Vubcn", würden wohl Manche um die schöne malerische Situation ihres KobrrplatzeZ beneiden, gewiß aber Wenige um ihre mühselige und dürftig sie nährende Arbeit. Für einen ganzen Centner zerpochten Erzes, den sie liefern, erhalten sie 32 Pfennig (4 Pfennige sind 1 Kreuzer Münze), d. h. wenn das Grz hart ist. Ist es weich, so sinkt der Lohn der Arbeit auf 3, 2^ und 2 Pfennige herab. Das Erz wird hier nicht wie in anderen Bergwerken vor dem Zerpochen geröstet. Ich wollte mir einen von diesen „Koberebuben" zum Führer durch das Wege-Labyrinth nach Eisenarzt nehmen, aber statt eines bekam ich ihrer sechs, indem sich noch fünf andere, die Feierabend machen wollten, an uns anschlössen. Ich nahm daher von meinem Schichtmeister, der mich in den oberen Regionen herum geführt hatte, Abschied und setzte meine Reise mit diesen Buben fort. Wir kamen zunächst zu einem Koberplatz und einer Zeche. Es war die „Varenzeche", in deren Nähe sich auf einem Vorsprunge des Verges der Kaisertisch befindet und daneben eine Säule, die im vorigen Jahrhunderte errichtet wurde und die Inschrift tragt: „Alö man zahlte nach Christi 87 Geburt 712, hat man diesen edlen Crzberg zu bauen angefangen." Die Aussicht von diesem Vorsprunge in das Münchthal und auf Eisenärzt hinab ist einzig in ihrer Art. Rund umher und ziemlich nahe sind die schroffen Wände und die ge< waltigen Steinmassen des Pfaffenbergö, der Seemauer nnd d?s Neichenstcins aufgestellt, von denen letzterer der höchste ist. Das ganze Gemäuer dieser Verge bildet ein colossales Gebäude sonder Gleichen. Es geht Einem in solchen Bauwerken der Natur ähnlich wie in großen Gebäuden der Men« schen. In der Regel schlägt man die Größen und Entfernungen zn gering an. Mir schienen die Wände umher ziemlich gleichförmig gebildet, und doch versicherten mir meine Begleiter, daß eS dort noch Vorspränge, Absätze, Pfeiler und Schlnnde gäbe, bei deren speciellerer Untersuchung einem die Haare sträubten. Da sie mir viel von Gemsen in jenen Felsenpartieen erzählten, und da ich sie darauf fragte, ob sie vielleicht auf irgend einer Wand einige erkennten, singen sie an zu lachen und sagten, wenn auch Hunderte da wären, so würden wir sie kaum mit dem Perspective erkennen, und mir schien Alles so nahe, als müßte ich die Nachtigallen in den Büschen sehen. Es ist ein Glück für die ägyptischen Pyramiden, daß sie in einem so ebenen Lande stehen, wie es das Nildelta ist. Hier würde Niemand von ihrer imposanten Größe reden. Alle diese Verge hatten schon ihre neuesten Schneeschleier übergezogen. Tief unten, zwischen diesen Riesen eingeengt, lag das kleine Münchthal mit freundlichem Anbau und mit den rauchenden Häuserchen des Marktfleckens Eisenärzt. 88 Auf jeder Stufe und jedem Vorsprunge des Verges wiederholte sich uns dieses reizende Schauspiel, jedes Mal jedoch etwas verändert, und bei jedem Schritt rückte der Frieden des Thales etwas näher nnd die Nildniß der hohen Berggipfel etwas weiter. Auf der Spitze des Eisenbergs bei den» dort erncbtcten elserne« Kreuze wird jahrlich cm Dankfest gefeiert für den Segen, den Gott im verflossenen Jahre spendete, oder für den ,.Vergscgen," wie die ^ente sich ausdrücken, und aus der Mitte des Verges steht die Varbarakapelle, iu welcher am Namcnsfeste der heiligen Barbara, der Schuhgöttin des Verges, das sogenannte „Marianische Wunder" aufgestellt wird. Es ist dieß eine Erzstnft, auf weicher sich ein Marienbild, durch ein Spiel der Natur nachgeahmt, finden soll. Viel interessantere Naturspielc aber als dieses Marien-« bild sind die berühmten Msenblüthen von Eisenarzt. Es sind dieß Kalkgebilde von schneeweißer Farbe, die sich an den Wände» der Höhlen und Spalten i« dem Eisenberge ansetzen. Sie führlen mich zn einer solchen Spalte, wo mehre dieser weißen Vlüche» ansaßen, deren Formationen indeß nicht besonders hübsch ansgebildet waren. Mitunter aber spinnen sich unzählige, ansierst zarte und feine Faden an, di>, etwas lockerer als die Haare einer Perrücke over die Strohhalme eines Vogelnestes, sich in einander schlingen und verweben. Die verschieden gekrümmten nnd gewundenen Kall'faden sind zuweilen von einem halben Fuß Lange ausgesponnen. Tie schönen Ercmplare dieser zarten und zerbrechlichen Visen-blüthe werden dann von den Grubenarbeltern vorsichtig und sehr mühsam abgelöst. In den scnchten Gruben sclbfl ha« 89 ben diese Gebilde nicht immer die schöne weiße Farbe. Doch wissen die Arbeiter dieselbe herzustellen, ich glaube, durch Schwefeldamvfe. Aus ihrem Verkauf machen sie sich dann einen kleinen Verdienst. Auch werden mit sehr schönen Weinplarm zuweilen vornehme Personen von Seiten der Gewerkschaft beschenkt, und man findet in fast allen steilischen Sammlungen auf uielen Schlössern und in den Klöstern solche delicate Eisenblüthe aus Eisenärzt als sehr-geschätzte Cabinets stücke. Ich habe Niemanden gefunden, der mir einen so deutlichen Begriff von der Entstehung und -Vildungsweise dieser kleinen Naturwunder geben konnte, daß ich daraus gesehen hatte, er habe ihr Wachsthum belauscht. Wir stiegen von einer Zeche zur anderen, von Tagbau zu Tagbau, von Halde zu Halde, von Fallschacht zu Fall-schacht, von Füllbank zu Füllbank auf manchfaltigcn Wegen zwischen Gebüsch und Wald, über verschiedene Berg-stufen, auf denen sich die schöne Aussicht in's Münchthal immer wieder darbot, bei den kleinen Häusern der Arbeiter, die daneben saßen und hölzerne Waaren schnitzten, vorbei, in's Thal hinab. Unterwegs schlössen sich immer mehr Ko-« berbubcn an uns an, und als wir unten bei dem großen Sibold'schen Hauvtstollen, in den alle Schachte des Verges MÜndeNh — „fulling (»mu»8 l» moilte »ito» putcn« cul-lissan8,^ heißt es in der Inschrift,— ankamen, war auch unsere Gesellschaft so angewachsen, wie die Gesellschaft der hier den Verg herabrollenden Grzstufen. Der On,Mssnarzt" heisit auch „Iimernberg," und wit sahen im Obigen, mit wie vollem Rechte er beide Namen «0 führt. Seine ganze Eristenz ist auf Eisenerz basirt, und dabei liegt er so recht im innersten Herzen der norischen Verge. Da der Vergrath und Director der Eisenwerke, welcher sich meiner gütig annehmen wollte, noch auf seinem Bureau beschäftigt war, so machte ich meinen ersten Spaziergang im Orte mit dem „Völtel," einem in diesen Gegenden sehr bekannten Jägersmann, der mich von seinen Jagden und insbesondere von dem Hauptgegenstande derselben, den Gemsen, unterhielt. Die Gemse ist ein so flüchtiges, gewandtes, zierliches, wohlgefälliges und kluges Thier, und dazu bieten die Reviere, welche sie bewohnt, so unendlich große Mmichfaltigleit der Iagdereignisse und Situationen, so verschiedenartige zu überwindende Schwierigkeiten und so viele immer neue kleine Triumphe dar, daß die Lust, ihrnachzu» stellen, zur höchsten Leidenschaft wird. Lebte die Gemse in den Ebenen, so würde diese Leidenschaft nicht so glühend werden, denn da würde nicht wie jetzt jede Gemsjagd in den Alpengründen ihre ganz besonderen und noch nie erlebten kleinen Vorfalle uud Zustande herbeiführen, und wären die Gemsen Faulthiere, so würde kein Mensch ihnen mit Begierde nachjagen, wie kein Iägerbursch einem Mädchen Jahre lang nachschmachten würde, wenn sie sich ihm schnell ergäbe. Dieser ganze Strich der norischen Alpen bis nach Mariazell und zum Schnecbcr^ ist außerordentlich reich an Gemsen. „Aber aus der nächsten Umgebung von Eisen-ärzt haben sie sich schon ein wenig weggezogen," sagte mir Völkel, „denn der Erzherzog Johann, der am Fuße der Hochalpcn seinen Vrandhof hat, thut ihnen schöne, und daher ;iehcn sie sich deun gern in'ö Ercherzogische hinüber." M Der Vrandhof ist bekanntlich das Vcmerngut, welches jener Erzherzog ankaufte, und das er zu seiner Alpcnhütte einrichtete. An dieser Hochalpe und am hohen Schwaben werden vom Erzherzog Johann, wie es scheint, fast ebenso große Oemsjagden gemacht, wie vom Könige von Baiern am Königssee bei Verchtesgaden. Man soll hier zuweilen Trupps von 200 Thieren sehen, und es sind Jagden vorge« kommen, auf denen man l.00 und drüber erlegte. Der Erz-herzog Johann ist ein vollkommener Steirer geworden. Er trug auch sonst gewöhnlich die steirische Volkstracht. Bei den Volksfesten, die er zu Zeiten auf seinem Prandhofe gegeben hat, tanzt er mit den „steirischen Mädeln," wie die anderen Jäger, und die Leute nennen ihn hier fast durchweg — nur schlicht weg „den Johann." „Ah der Johann," sagte mir mein Jäger, „das ist ein Mann, bei dem noch viel, sehr viel übrig bleibt, wenn man seiner Person auch alle Vorzüge nimmt, die der Zufall und das Glück damit ver« bunden haben!" Die österreichischen Beamten habe ich überall bei näherer Bekanntschaft so äußerst dienstfertig, gefällig und dabei so bereitwillig zu Aufschlüssen und Mittheilungen aller Art und, wie es mir schien, ohne alle Reserve gefunden, daß ich nur Ursache fand, freudig darüber zu erstaunen. Auch der gütige Vergrath machte mich mit so vielen Verhältnissen bekannt, daß, wenn ich nur im Stande gewesen ware, seine Belehrungen richtig zn benutzen, ich gewiß manches Interessante über die hiesigen Eisenwerke mitzutheilen wüßte. Es war schon Abend geworden, und wir zündeten Laternen an, um die Hochöfen und die Erzstufenfammlung in dem Gc- 92 bäude, welches über dem Sibold'schen Stollen gebaut ist, zu besichtigen. Ich sich hier einige prachtvolle Eisenblüthen, mit feinen Kalffaden, die zu einer Länge von ? bis 8 Zoll ausgesponncn waren. Jeder der drei Hochöfen von Eisenarzt liefert jährlich 60,000 bis 64,000 Centner Roheisen, alle zusammen dchcr 200M0 Centner. Von den dreizehn Hochöfen in Vordernberg liefert jeder 20,000 bis 30,000 Centner, die Vordcrnberger können im Winter keine Zufnhr von Erz ans dem Verge beschaffen, weil ihre Eisenbahn sehr hoch liegt, und hier dann Alles vereist und verschneit ist. Sie bedienen sich dann der Schlitten, um das Erz von den Reservoiren zu den Hochofen zu führen. Das gcringhaltigstl,- Erz des Verges liefert 40 Procent Metall. Es kommt noch geringeres uor. Doch wird dieses nicht mehr des Ausschmelzens für würdig gehalten. Das schönste Erz liefert 70 Procent. Die Regel ist also 50 bis 6« Procent. Man schlagt die Revenue eines Vordernberger Hochofens im Durchschnitt zu »0,000 Gulden an. Alle diese Dinge mit Ausnahme der Angabe über die Reichhaltigkeit der Erze llingen in Vergleich mit dem, was m England geschieht, sehr unbedentend. Denn dort giebt es einzelne Hochöfen, die so viel liefern und leisten als alle Eisenarzter zufammen genommen. Nir speisten in unserem Wirchühause zu Abend, und um Gisen, Gemsen und dann um Troddeln und Kröpfe, die ge< wohnlichen Gegenstände der obcrsteirischen Conversation, drehten sich unsere Gespräche. Ich legte diesem Conseil von Kundigen die Frage vor, ob sie wohl glaubten, daß die Angabc, die mir der Offizier von Vruck über die Nerruteu- W Auswahl gemacht habe, richtig sei. Sie meinten, daß es hier in der Gegend von Gisenärzt schon ein seltener Fall wäre, wenn unter 60 Rekruten 20 tauglich, gut und ohne Fehl gefunden würden., Kröpfe, Bruche und Krampfadern sind allgemein. Letztere, dieKrampfadern, bestehen in einer großen abnormen Erweiterung, ich weiß nicht welcher Adern an den Beinen, die wohl durch das Bergsteigen veranlaßt wird und die eine allgemeine Schwächung des Körpers mit sich bringt. Der Kröpfe giebt es auch sehr verschiedene Arten. Man unterscheidet hier den eigentlichen „Kröpf" und dann den sogenannten „Vlähhals." Einen „Vlähhals" haben sie fast alle und ein ganz „reiner Hals/' wie sie sich ausdrückten , ist bei den Weibern beinahe selten zu nennen. Nicht weit von Eisenarzt im Westen liegt ein Thal, welches „die Radmer" heißt. Dort giebt es die meisten Cretins, besonders in der „Hinter-Radmer," die ganz uoll von Troddelnist, obgleich eS ein sehr hoch gelegenes Alpenthal ist. Schon Eiscnarzt liegt 350 Klaftern über dem Meere und die Hinter-Radmer noch viel höher. Es wurde mir hier ein junger Mensch genannt, der bis in sein achtes Jahr ein ganz verständiger Knabe gewesen war. Er war in die Schule gegangen und hatte so gut gelernt wie die anderen Schüler, auch schon viele hübsche Fortschritte gemacht, als Plötzlich sein Auge anfing, blöde zu werden. (Das Erblöden des Allges und der Verlust seines Glanzes ist in der Regel das erste Kennzeichen, durch welches sich das nahende Unglück verkündet, und die Kundigen wissen schon bei den kleinen Kindern in der Wiege an dem Glänze ihres Auges zu erkennen, ob sie sich den von Gott mit dem Lichte der 94 Vernunft begnadigten oder den armseligen Finsterlingen beigesellen werden.) Das Auge also wurde bei dem armen Knaben blöde, es verlor sein Feuer und gewann statt dessen einen matten oberflächlichen Glanz. Seine Gesichtözüge wurden starr und dumm, seine Beine knickten ein uud krümmten sich, sein Gang wurde langsam und träge, sein Gedächtniß und seine Lernbegierde verloren sich, sein Geist stumpfte nach aNcn Seiten ab, und die armen Aeltern sahen ihr unglückseliges Kind unrettbar in die Finsterniß des Cre-tinismus zu einem fühllosen, gedankenlosen und doch lebenden Wesen hinabsinken. Auch hier in Stcicrmark wie in der Schweiz werden die armen Troddeln von den Leuten als eine Art geheiligter Personen angesehen, und eine Beleidigung des Troddels eines Hauses wird von der ganzcu Familie sehr übel aufgenommen. Es ist wohl nichts natürlicher als dieß, theils weil diese hülfloscn Geschöpfe des besonderen mitleidigen Schutzes Anderer bedürfen, theils weil sie bei dieser oft so unerklärlichen und zuweilen scheinbar unverdienten, stets aber schrecklichen Strafe den Finger des Himmels zu erkennen glauben, und weil sich daher bei ihnen die Meinung festge« setzt hat, der arme Cretin erdulde für die Sünde aller übrigen Familienmitglieder die Strafe des Himmels. Nebn-gens sind ja auch fast bei allen Völkern der Welt die Geisteskranken mehr oder weniger mit einem gewissen Heiligenschein umgeben, weil die Menschen sich diese Krankheiten noch weniger erklären können als die somatischen Leiden, und weil die Krankheiten des Geistes oft inehr als sein gesunder normaler Zustand unö die Enstenz einer überirdischen, 95 anderen Gesetzen unterworfenen Geisterwelt nahe treten lassen. Das Schlimmste ist, daß man nicht immer dieEhen unter den Cretins vermeiden kann. So wurde mir hier ein Bauernhof citirt, der auf eine Cretine vererbt war. Einige Leute waren dabei intcrcssirt, daß die Erbschaft nicht in andere Hände fiel, und sie suchten diese Cretine zu verhel-rathen. Man konnte nur einen ebenfalls etwas cretinar-tigen Burschen zu dieser Hcirath willig machen, und so mag sich denn hier ein widerliches Geschlecht fortpflanzen. Zwei andere Bauernhöfe sollen sich in einem Thale, ich glaube, in der Hinter-Nadmer befinden, die wegen des auf ihnen herrschenden Cretinismus so verrufen sind, daß sie völlig werth-los geworden sind. Schon mehre Mal wurden diese Gehöfte mit neuen Einwohnern und Besitzern verschen, aber jedes Mal „vertockertm" sie, wie die Leute sich ausdrückten. Die Gesunden haben nun natürlich vor diesem „Verwckcrn" eine solche Angst, daß sich keine Käufer mehr zu jenen Höfen finden „Vcrtockern" scheint mir der gewöhnliche Ausdruck für das Cretinwerden zu sein. Die Cretins selbst nennt man aber in einigen Thälern der Alpen auch „Tosten", ich weiß nicht anzugeben, in welchen. Doch ist es dann sonderbar, daß blos der Mann „Tost" heißt, während die weibliche Cretine eine „Trappe" genannt wird. — Da die Grade der geistigen und körperlichen Verkümmerung so äußerst verschieden sind, so sind natürlich auch die Worte zur Bezeichnung dieser Grade sehr verschieden, und es ware gewiß interessant, diese Terminologie naher zu studircn. stecht häufig Hort man z. V. hier auch von „Gacken" 96 (Gecken) sprechen, womit sie einen geringeren Grad von Cretiniömus bezeichnen. Ein kleines Glück für Obersteiermark ist es wieder, daß seine Thäler ganz frei von den Fiebern sind, die in Ungarn herrschen und die schon in Untersteicrmark an der Mur beginnen und von da cr an vcr Mur, Dräu, Sau und Donau hinabgehen. Die Nntersteicrmarker kommen oft in die oberen Gegenden ihres Bandes, um sich von der Plage der Fieber zu curiren. Steirische Felsen und 's Landl. Nm anderen Morgen setzten Franz und ich unsere Reise fort, indem wir allem im Berge des Prehbühl schlummern» den Gisenmateriale unseren Segen gaben. Möge der Segen des Himmels ruhen anf der Arbeit jener unzähligen kleinen Nahnadeln, die dort einstweilen noch im Verge stecken, die man aber dereinst vielleicht nach Iahrhimdeneu erst herausfördern wird, um sie fleißigen deutschen Hausfrauen und Mädchen zu überliefern. Möchten die Pflug« schare und Sensen, die noch im Eiscnberge schlummern, wenn sie dereinst erstehen, stets sorgsam ihrer friedlichen Pflicht obliegen und sich nie in kriegerisches Werkzeug umwandeln. Möchten es doch lauter deutsche Wehr und Waffen, verwendet nur zur Vertheidigung des deutschen Vaterlandes, sein, die, obgleich sie noch unter der schmucke» Decke des Rasens schlummern, auö den Höhlen, Zechen und Halben, aus den Pforten und Quellöffnungen des LebenS erstehen werden, obgleich sie noch keine sichtbare Form gewonnen haben. Zu den Waffen wie zu den Nadeln liegt das Material langst fertig unter dem Boden der Gegenwart, welcher zu vergleichen ist der Hülle jenes Verges. Freund-" 7 98 licher Frieden belächelt den Pfad, den wir sorglos und müßig betreten. Unter uns, ganz nahe unter dem Rasen liegt der Stoff zu zahllosen Werkzeugen des feindlichen Haders, und selbst aus der tiefsten Tiefe, wohin noch kein mu-thenderDcickcr mit der prophetischen Arbeit seiner Schachte spürte, werden blutige Schwerter, hinmordende Spieße und unerbittlich daherfahrendc Kugeln in Fülle hervorbrechen. Vorerst indeß haben wir freilich noch vom Glück zu sagen, daß wir es zunächst unter unseren Füßen noch mehr von Radern, Dampfmaschinen, Spinnereien, Eisenbahnschienen arbeiten und wimmeln fühlen als von Kugeln und Kanonen. Aber an diesen friedlichen Maschinen hangt manches Instrument des Krieges, das ihnen auf dem Fuße nachfolgen muß, wenn man erst so viele Maschinen aus dem Verge hcrvorgrföldcn haben wird, als das Schicksal bestimmte. Wir liefen nun im Norden von Prehbühel (so schreiben die Geographen, die Leute schienen mir aber immer ,,Vrah-bichel" zu sprechen) mit den Gewässern des Arz-Vaches zur Enns hinab. Alle die Gewässer, die im Süden jener mittleren norischen Alpenkette hinablaufcn, haben durch die Mur und Dräu einen weiteren Weg zur Donau zu machen, wahrend die im Norden abfließenden sich durch die Cnns bald dem Hauptflusse vermahlen. Erst nach hundert Meilen langen Wanderungen treffen beide im Lande der Serben und Slavonier wieder zusammen. Es war ziemlich frisch in diesen Thalern, waß hier natürlich im Anfange October« nicht mehr Wunder nehmen konnte, denn es ist hier das ganze Jahr über mehr Kalte 99 als Hitze zu spüre». Indeß gehen die Extreme der größten Hitze und Kalte in diesen Bergthälern nicht so weit auseinander als wie in dem weiten Donauthalc. In der Ne-gel sinkt die Temperatur im Winter nicht tiefer als aus — 3 bis — 4" Reaumur. Sehr selten haben sie — 10". Im vorigen Winter, der sehr kalt war, fiel das Thermo,-ineter einmal an einemMorge.n auf — 11^", wahrend man in Wie» mehre Tage hindurch -^- 15 oder 16^ hatte. Dies? Angabe, die mir mein gütiger Freund, der Oberbergrath in Eiseuarzt, em aufmerksamer WeUerbeobachter, mlttheilte, bezieht sich dazu noch auf em Thal, welches viel hoh^r fliegt als Wien und auch noch gegen Norden geöffnet ist. Unsere Straße führte uns immer zwischen den höchsten und wildesten himinelanstrcbenden Felsemnaucrn hin. So schön, so unerschöpflich manchfaltig und stets neu und an« ders sie sich auch gruppiren, so sind sie doch für eine Menschliche Seele fast zu großartig und zu wild. W schelm, als habe der kleine Mensch sich hier wie Odysseus in die für Cyklopen und Niesen bestimmten Wohnplatze v?rlrrt und als sei es Kühnheit, hier zu hausen. Zn einigen Dörfern sah ich Sonnenuhren an den Hausern, die nur die Stunden von 7 Uhr Morgens bis 4 Uhr Abends auf dem Zifferblatte zeigten, weil die Sonne früher oder spater zu keiner Jahreszeit einen einzigen Strahl in diese Dörfer wirft. ES scheint in solchen Dörfern die Sonne selbst an dem längsten Hage daher nur 9 Stunden. Eine Felöpartie auf der linken Seite, durch welche ein Paß zu dem genannten Nadmer Thale hinaufführt, heißt: „zwischen den Mäxern", — ,uud eine andere, zur rechten 7* 100 Seite in nicht großer Entfernung liegend, heißt- „in der Noch", — zwei für diese Gegenden sehr bezeichnende Namen; denn man glaubt hier stets „zwischen Mauern" und m der hellsten „Noth" zu stecken. Die Seele des Menschen schreit hier ans tiefen Grnben zum Himmel auf, nnd selbst ohne das Detail der Mühseligkeit dieses Verglebens zu kennen, ohne es selbst erfahren zu haben, wie betrübt es sein mag, den sieben Monate langen Winter mitzumachen, im saueren Schweiße seines Angesichts trockenes, mageres Haferbrot zu verdienen, mit Anstrengung tagelang den schweren Pflug ln die dünne Erdrinde des steinigen Vodens an steilen Bergabhangen einzustemmen und dabei unter zehn Erntejahren sechs Mißwachse zu erleben und schon dem Himmel danlen zu müssen für die Grzielung der doppelten Aussaat, alsdann durch klaftertiefe Schneepfade im eis» kalten Hauche des Nordwindes, umbrauset von einem bis zum Erblinden heftigen Schneegestöber, Hand anzulegen an die gefahrlichen Holzarbeiten, um mit großer Anstrengung im Winter dadurch daS zu ersetzen, waS im Herbste das mit Schweiß gedüngte Ackerfeld verweigert hatte, — ohne dieß Alles und noch vielen anderen Jammer in den Bergen an eigener Person erfahren zu haben, begreift der Reisende vollkommen die Sehnsucht nach der Gbene, welche den Bergbewohnern inne-wohnt, und wanun sie unter einem schönen Lande ein ebeneS verstehen, in welchem das Leben wie die Flüsse ruhiger auf gemächlicheren und minder rauhen Pfaden hin» strömt. Ich sage, auch der flüchtig Reisende begreift dieß voll- 101 kommen, wenn er nur einige Tage mitten zwischen diesem titanischen Gemäuer gesteckt hat, und nichts als Fclökolosse und immer wieder Felskolosse und Felökolosse sich in langen Neihen und zahllosen Verzweigungen vor seinen Allgen entwickelten. Auch mein Franz, obwohl ein geborener Steier-märker, war von dem Eindrucke, den die hiesigen Felsen-Labyrinthe ans ihn machten, ergriffen und sagte: „Ah hier möcht' i nit wohna, 'sisch a grausliche Gegend!" Vor einiger Zeit war hier der österreichische Kaiser durch's Land gezogen, und hie und da fanden wir noch Ehrenpforten in den Felsenpässen ihm zu Ehren errichtet, mit Inschriften, welche von der Einfalt, Naivität und Gutmüthigkeit der armen Bergbewohner zeugten. „Gut ist unser Wille; doch arm ist unser Land, „Nur Stein, Holz und Giftn in ihm bekannt." „Zum Abschiede wir allczcit qctrmm „vielunterthänigcn Hiflauer." Diese Worte waren an eine Ehrenpforte geschrieben, die neben einer Brücke an einem wilden Gewässer stand, und umher natürlich hohe wilde Felsenstumpfe. Mir schien in diesem kunstlosen Monumente und seiner noch kunstloseren Inschrift etwas sehr Rührendes zu liegen. Ich war der Felsen vollkommen satt, und als ich in Hiflau an der Enno ankam und hier hörte, dasi es zum Kloster Admont zwei Wege gäbe, einen kürzeren durch eine sechs Stunden lange Fesschlucht, welche die Enno durchbricht, und einen zweiten, drei Meilen längeren Weg, der über eine kleine paradiesische Ebene hinführte, da überwog meine Sehnsucht nach der Ebene so sehr, daß ich den 10« Umweg vorzog. Ich gab mich leider dem Eindruck des Augenblicks hm nnd hätte jedenfalls besser gethan, die Fuß-partieen durchjene Felsschlucht zu nehmen, die an großartiger Wildheit und malerischer Anhäufung der Felsen selbst in Stciermarl nicht mehr ihres Gleichen haben soll. Die Alpenbcwohner, welche fast für die meisten Erscheinungen in ihrer großartigen Natur die bezeichnendsten Namen erfunden haben, nennen jene sechs Stunde» lange Felsenkluft das „Gesause", wahrscheinlich weil die Gewässer wie die Lüfte, in der Regel heftig bewegt, durch diesen Spalt hinziehen. Ich kehrte also diesem Gesaust den Rücken nnd suchte die kleine Ebene ans, welche man mir genannt hatte, um dann über sie, «ber St. Gallen und den Buchauer Verg meine Reist nach Admont fortzusetzen. Noch einige nackte Felskolossen ließ der bequemliche Trab unseres Pferdes vor meinem Auge langsam und gemüthlich uorübertanzen, noch einige nnd noch einige. Es ist zum Erstaunen, wie oft die Natur ihr Füllhorn über gewisse Gegenden so verschwenderisch ausgeschüttet hat, daß der Reichthum dem Menschen zur Last wird. So hat sie Aegypten, so hat sie Theile von llngarn und andere Lander so reich mit fetter Erde gesegnet, daß die Leute in diesem Fette er« sticken. So hat sie über die p-Mißischen Ebenen eine Fülle von Prosa und ftachm Sandwellen ausgeströmt, daß Sanddünen hier alS malerische Naturwunder gepriesen werden. So hat sie wiederum auö ihrem allmachtigen Rlesenfüllhorn hierher nach Steiennark cinc solche gewaltige Masse von pit« toreskem Fels- und Stelnmaterial herabträuftln lassen, daß 10s die Menschen mitten in dieser Ueberfülle des Schönen an dem größten Mangel des Nöthigen leiden. Auf einer Quadratmeile liegt hier von dem genannten Stoffe so viel, als nöthig wäre, um alleParkö der Welt mit Felsenpartieen, zu versehen. Ja könnte man n»r einen einzigen, ich will nicht einmal sagen, der hochthronendcn, herrschenden und gebietenden Verge nnd Alpengipfel mit allem Nebenapparate, welches daran liegt, sondern nur einen einzigen der verlorenen und vergessenen, an seinem Fuße liegenden Vasallen oder Aftcrvasallen aus der Masse herauslösen und ihn z.V. in die Ebene von Norddeutschland versetzen, die ganze Ve« völkerung würde andächtig auf den Knieen zn ihm hin pilgern. Ich versuchte oben dem Leser eine Idee von der Einförmigkeit der ungarischen Ebenen zn gebe», indem ich sagte, er müsse sich vorstellen, baß er durch eine lange Galerie von Bildern wandere, auf denen allen nichts dargestellt wäre, als Wolken, Grasebene, ein Storch und ein Vrnnnen. Nun hicr ist cS gerade umgekehrt. Hier muß man sich denken , daß die Bilder alle von oben bis unten mit den male-» rischesten Gegenständen angefüllt sind, mit Felsen, Mauern,Ge-hängen, Firsten, Schluchten, Teufelsbrücken, Gems- und Herenstegen. Hoch umstiegen die Wolken wie nebelige Geister-schaaren die Gipfel der Gebirge, die mit gähnenden Höhlen klaffen. Die Mutter Gäa hat ihre Stirn überall so hoch aufgebäumt, daß vom Himmel nur uoch kleine Fetzen sichtbar bleiben , und eben solche und noch kleinere Fetzen für Menschen und Pflanzen nutzbaren Bodens haben sich hier und da zwischen den unwirthlichen Steinen eingekeilt. Wie die Bäume 104 mlt ihren Wurzeln die Felsen umranken und ihre Nahrung mühselig hier und da in den Winkeln und Verstecken finden, so wurzelt und wachst auch der Mensch hier nur kümmerlich in Mühsal und Noth und umklammert ein kleines nutzbares Fleckchen, das er irgendwo auffand. Mit solchen Gemälden, sage ich, mit dem kraftvollen Pinsel eines Salvator Nosa gemalt, muß man sich uicht nur die Hauptsäle der Galerie, sondern auch alle die Nebenzimmer, die Vorplätze, Treppen^ Corndoreund das ganze Haus bis in die kleinsten Winkel hinein behängen denken. Es ist ein Anblick zum Erschrecken! Es ist, als äße man lauter Pfeffer oder als tönten von allen Seiten her Po saunen stoße, unter denen die sanften Klänge der Flöten und Violinen völlig verstummen. Einige der interessantesten Gegenstände sind ohne Zweifel die Höhlen , welche sich auch in diesen Theilen der nori-schen Alpen befinden. Es wurden mir hier hinter Hiflau wieder mehre genannt. Auch sie sind noch kemeswegcö zur Genüge untersucht. Einige findet man in der „steicrmärki-scheu Zeitschrift" beschrieben, doch in der großen wissenschaftlichen Welt sind sie noch nicht so bekannt, wie sie es wohl verdienen. Die meisten werden nur von den Holzknechten besucht, die bei Unwetter in ihnen Schutz zu suchen Pflegen, auch wohl darin übernachten. Einige diefer Höhlen sind sehr schwer zuganglich und liegen sehr hoch über der Meeresfläche. Vei Histau wurde mir eine genannt, die „Har-telshöhle," die 4000 Fuß über dem Meere liege. Sie geht wie die meisten anderen schräg in den Verg hinein in die Tiefe hinab. Sie soll viele Verstrinerungen und Knochen von Thieren enthalten. Doch ist es im Sommer schwer, 105 die Höhlen zu untersuchen, weil der Boden dann elleuhoch mit Eis bedeckt ist, und weil es natürlich unmöglich ist, diese Eisdecke überall hiinvegzuschaffen. Im Winter aber sind die Zugänge zu ihnen äußerst schwierig, und das Wasser, welches mau zu dieser Zeit in den Höhlen findet, stellt dann oft ebenso viele Hindernisse entgegen, wie im Sommer das Eis. Durch einige von ihnen sollen wilde Gewässer strömen. Ondlich, endlich erreichten wir das „Landl;" so hei sit nämlich jene kleine, völlig ebene, bequeme Oase, die man uns in Hislau wie das gelobte Land verheißen hatte. Wir jubelten ihr laut entgegen und riefen wie Columbus nach Ve» fahrung des wilden Wasseroceanö (bei uns war es ein Felsenocean): „Land! Land!" — Die Alpenbewohner, wenn sie mit ihrem Alpenvieh im Herbst glücklich herabkommen, oder wenn sie nach einer Gems-, Wolf- oder Bärenjagd, von den letzten Felsen herabspringend, diese Ebene betreten, oder wenn sie im Winter auf den gefahrlichen Triftwegen mit großen Holzschlitteuherniederrutschm auf den im Gleichgewicht stehenden Boden, mögen auch mit einem dankenden Vlick zum Himmel rufen: „Land! Land!"— daher haben sie es auch so bezeichnend und treffend „'s Landl" genannt. Die steiermartischen Dichter nennen eSdaS „norische Tempe." Dieß ist nun ein Bißchen zu viel. Denn in Tempe lagen doch mehre Städte, hier im Landl giebt eö aber nur zwei reizende Dörfchen, eins, welches auch „Landl" heißt, und ein anderes Namens Reifling am Ausgange des Salzathalcs, 5as hier mündet und von hier aus zu dem berühmten Wallfahrtsorte Mariazell hinaufsteigt. Ich wage nicht, die 1W Größe des Landl anzugeben, weil die Felsmassen und Gebirge, die sogleich schroff auf allen Seiten seines platten Grundes himmelan steigen, riesengroß sind und leicht mich getäuscht haben »lögen. Aber es schien mir ein äußerst kleines, zierliches und appetitliches Herzogthumchcu, über dessen grüne Wiesen unsere Blicke, die in den letzten Tassen wie arme Gefangene, vergebens nach Freiheit ringend, an den cyklopischen Gemäuern emporklommen, mit Entzücken dahin schweiften, gleich freigelassenen Vögeln. Nir verließen hier das kaum erreichteEnnsthal, um über St. Gallen und die Vuchauer Verge in den oberen Theil dieses Thales zurückzukehren. Vei St. Gallen traten wir schon in die Kreise der Wirksamkeit und der weitgehenden Herrschaft deS berühmten Stiftes Admont, das hier in der Gegend weit und breit seine Eisenhammer, Schlösser, Pfarreien und zehentpflichtigen Dörfer zerstreut hat. Der Marktflecken St. Gatten wurde von jenem Kloster aus gestiftet, und jetzt liegt daneben auf einem Verge das alte Schloß Gallenstein, daö die Aebte von Admont erbauten und in welchem sie ihre Beamten und Verwalter wohnen ließen. Jetzt sind diese letzteren in den Ort selbst hinabgc« zogen, und das alte leere Schloß, das eine Zeit lang die Werkstatte von Schatzgräbern geworden war, ist mm um 400 Gulden an einen Nagelschmied verkauft worden, der es abbricht uud sich das Material beßtens zu Nutze macht. Indeß bricht und brockt er schon zwei Jahre lang daran herum, „nd doch scheint seine Arbeit noch wenig fortgeschritten zu sein. Ich möchte wohl einmal ein Verzeichnis) aller alten Schlösser, Thürme, Mauern, Ruinen, Stadtthore und Pe« 107 festigungrn sehen, die man in diesem Jahrhunderte an Na« gelfchmicde, Steinmetzen oder Baumeister um wenige hundert Gulden verkauft hat. Ich glaube, cs würde sich eine gewaltige Menge zeigen und unS daraus mancher Vorwurf der Impietät gemacht werden können, den Oesterreichcrn jedoch im Allgemeinen weniger als anderen Völkern. Denn bei ihnen schließt sich das Neue immer mähliger an daS Alte an. Mr machten in St. Gallen bei einem Lebzeltner Mittag. M Pflegt hier häufig Lebzelterei mit der Wirthschaft verbunden zu sein. Diese Lebzcllucr spielen überall m Steiermark elne große Rolle, theils weil die Leute viel Ho» nigkuchen essen, theils weil sie bci ihrem Gottesdienst und ihren Wallfahrten viele Wachskerzen brauchen und auch die Sitte haben, sich untereinander Wachskerzen und Wachsstöcke zum Präsente zu Machen.' Der Wachsstock ist ein sehr gewöhnliches Tauf«, Paihen- und Hochzeitsgeschenk. Er wird dazu in allerlei zierlichen Formen, welche die Lebzeltner erfinden, zusammengelegt und mit Versen und Bildern aus Gratz, oder noch zierlicher mit kleinen aus Wachs bossirten Blümchen geschmückt. Die Lebzeltner aus Gratz selbst sind in diesen Arbeiten äußerst geschickt und geschmackvoll. Man kann diese Sitte, sick) mit Wachsstöcken zu beschenken, durch die ganzen norischen Alpen und auch bis in das bairische Hochgebirge hinein verfolgen. In allen Norrathtztammern und Vrautschatzschränkcn der Vauern findet man hier solche aufgeputzte Wachsgcbilde. Mein Lebzeltner hatte meistens polnischen Honig, über 108 dessen Unreinheit er sich beklagte. Hier in dem rauhen Hochlande wird wenig, aber ganz vortrefflicher Honig gewonnen. Er zeigte mir seinen Vorrath von Wachs, den er von den Bauern der Umgegend zusammengekauft hatte. <3s waren lauter ganz kleine und etwas größere runde Kugeln, von zwei, drei Loth bis zu einem Pfunde. Die hübschen Töchter des Lebzeltners bemalten die Honigkuchen nüt Weiß und Cochenillroth und versahen sie mit einfachen frommen Sprüchen, wie die Steirer sie gern verzuckert ihren Kindern schenken. Wir hatten von St. Gassen aus viel zu steigen. Ich ließ meinen Kutscher mit dem Wagen nachschleppen und ging zu Fuß voran. Man trifft ohne Zweifel in Steier-mark-recht zweckmäßige, brauchbare und gewandte Leute, aber im Ganzen scheint mir das steirische Volk mehr Ehrlichkeit als Pfiffigkeit zu besitzen, und im Allgemeinen muß man gestehen, daß schon der benachbarte Oestcrreicher in den Erzherzogthümern den Eindruck eines weit selbstständigeren, bedachtsameren und scharssinnigeren Mannes macht. Ich traf dießmal auf meiner Fußpartie mit einem zusammen, der entschieden nicht zu den scharfsinnigen gehörte. Meine erste Frage, die ich an ihn richtete, war die, wie ein gewisser Vcrg heiße, dxn ich ihm bezeichnete. „Was schoff'n 'ö?" fragte er mich, weil er mich nicht verstanden hatte. — „Wie heißt der Verg da?" — „Ah, i versteh' kei Walsch" (kein Welsch). — „Ich frage Dich, wie jener Verg dort heißt." — „Ja so der Verg, wie der heißt? Aha! verzeig'n's, i hab's halt nit verstanden?" — „Nun wie 109 heißt er denn?" — „Wo denn? welcher Berg?" — „Nun der, der!" — „Aha seller do, der mit Schnee bedeckt ist?" — „Nun ja der!" — „Der das Horn do auf d' Scit'n hat, und wo der andere do rechts davon liegt?" — „Io das is a grauslich hoher Verg!" — „Ja schon gut, lch frage aber, wie er heißt!" — „Nie er heißt? mit Nomen?" — „Jawohl!" schrie lch aus vollem Halse.— „Ja sellen weiß i nit zu nennen", brummte er ganz phlegmatisch vor sich hin. Ich war außer mir und verabschie-dete ihn auf der Stelle, indem ich meinen Weg allein fortsetzte. — Wir Norddeutschen zeigen uns in der Regel, so viel ich an mir und Anderen bemerkt habe, sehr ungeduldig gegen diese gutmüthigen Alpenbewohner und halten sie gleich von vornherein fur dnmm, wenn wir sie etwas langsam von Begriffen finden, was oft ebenso sehr an unserem fremdartigen Dialekt liegt, der sie etwas verdutzt macht, und an den sie sich erst nach einiger Zeit gewöhnen. Je« des Land hat seine aparte Art von Dummheit und seine besondere Klugheit. Unter ihren Landsleuten verstehen sich die Steiennärker so gut wie Diplomaten, und unser eins muß etwas Geduld mit ihnen üben. Ich übte, wie gesagt, diese GedulddießMal indessen doch nicht und setzte meinen Weg allein fort. Der Abend war herrlich. Mir zur Seite lag eine Reihe hoher Verge, lau» ter kahler, mit Schnee bedeckter, wilder Gesellen, eben die Kette, durch welche auf der anderen Seite das Gesaust („'s G'saus"sagtman hier) hindurch führt. Von unten aus scheinen Einem alle Verge in diesen Hochgebirgsgegenden gewal" no tig, und es kommt Einem nicht darauf an, ob der eine einige tausend Fuß höher ist als der andere, wie der gemeine Mann alle über ihm Stehende für „vornehme Leute" hält. Erst wenn man höher steigt, dann erkennt man wieder die Koryphäen und Gebieter unter den Gewaltigen. Die Llchteffecte und Farbenspiele an diesen Bergen waren wundervoll und äußerst mancbfaltig. So z. V. wechselten bei einer dieser mächtigen Pyramiden drei Mal Schatten und Licht mit einander ab. Seine Spitze schimmerte im hellsten Lichte, dann kam eine Schattenregion, von der eine Wolke die Sonne abhielt, dann folgte ein von der Sonne beschienener Ring, und der Fuß lag wieder in dunkeln Schatten. Cinen dieser Kolosse hatte ich bestan< dig vor mir und verfolgte alle Nuancen seiner Färbung, die er, indem Apollo an der Himmelsleiter herabstieg, der Reihe nach durchspielte. Seinen Fuß tauchte er in schwarzen Tannenwald. Danach kam lichteres Gebüsch und dann weißer Schnee. Seine Spitze war gelb, und über der Spitze schwebte ein geröthetes Gewölk. Dieß Gewölk wurde immer röther. Das Gelb der Spitze verwandelte sich auch in Roth, das Weiß des Schnees in Gelb-Orange, und endlich glimmte der ganze Koloß in einem dunkeln schönen, purpurnen Feuer-Noth, als hatte ihn ein Gott mit Gluth erfüllt. AlS eben diestS prachtvolle Schauspiel >m seiner höchsten Wollendung dastand,, kam ich auf der Höhe des Vuchauer VeraMeberganges an und blickte in das schöne Ill obere Cnnsthal hinab. Es durchzieht hier der Fluß einen weiten, bequemen Kessel, den er früher vielleicht als See anssüllte, bis er stinm Weg durch das Gesaust fand. Jetzt ist dieser weite, von mächtigen Gebirgen und pittoresken Felsmasstn umstellte Kessel ein lachendes, schönes Thal, in dessen Mitte man die reiche Abtei Admont (»— immer schöne Vergl', überall reizende Fluren, stets wundervolle Alpen lind Schnecgipfel, in allen Winkeln und Ecken meisterhafte Gemälde, schattige Thäler, liebliche Matten. Nun Gott, wer kann das Alles fassen und begreifen? und wer wagt es nun crst, eS zu schildern oder zu malen? Genug das Ober-Enns-Thal ist überreich an interessante« Naturschönheiten. M ist in sclner ganz flachen, völlig ebenen, mit grünen Wiesen bedeckten Thalsuhle etwas über eine halbe Stunde breit, gewahrt überall, weil es stch sehr in die Lange streckt, eine weitc Fernsicht und laßt doch dabei auch, weil es sich hier und da anders als das einförmige Pinzgau etwas hin- und herschlangelt, die Verge in verschiedene Gruppen zerfallen. Der Thalbodcn mufi sehr feucht sein, weil man fast nur Wiesen und GraSwuchs erblickt, und weil alle Dörfer ohne Ausnahme sich an dem Fuße der Verge hinaufziehen. Kein einziger menschlicher Wohnort liegt im Thalc am Flusse selbst, es ist ein ununterbrochen grüner Tcppich, der sich in einem breiten Streifen — mitten zwischen den Vergen und den Dörfern, die auf beiden Selten liegen, hinzieht. Von Admont hinauf, soweit man sieht, 12 Meilen weit, ist dieser grüne Streifen nur mit den sogenannten „Hapfen" punctirt. Es werden so die großen Heuhaufen genannt, in denen die Leute hier ihr Vichfutter für den Winter bewahren, und die zuweilen so dicht wie die Häuser der Dörfer zusammenstehen. So viele dieser Hapfen auch zu sein scheinen, so haben die 13<) Leute doch noch nicht Heu genug, und ich sah sie überall noch in den Vaumen stecken, um sie zu entlauben und die Blätter ebenfalls als Vichfutter aufzustapeln. Zuweilen hatte ich die Höhen von drei bis vier Verg-reihen in verschiedenen Entfernungen vor mir liegen, jede durch die Dünste des Thales in verschiedene Farben getaucht, die nächste dunkelgrün, die zweite kastanienbraun, die dritte rothgelb. Sie spielten gegen Sonnenuntergang ihre gewöhnliche prachtvolle Farbcnscala durch, bis sie am Ende, als Helios den Antipoden über dem Kopfe brannte, in grauem Dunste verschwanden, und Franz erklärte, daß wir in dem kleinen Orte Lietzen zu Nacht bleiben müßten. Ich gab ihm um so lieber «ach, da ich Musik aus dem Wirthshause erschallen hörte und eine Menge steirischer „runder Buben" und „saubrer Mädeln" bei'm Tanz beschäftigt fand. Ich hatte schon ein Mal in Gratz in einer anmuthigen Gesellschaft Gelegenheit gehabt, den Charakter der steirischen Tänze zu studiren oder besser, um nicht zu viel zu sagen, zu buchstabiren und ihre Anmuth und Zierlichkeit zu bewundern, und hier fand ich nun Gelegenheit, meine Lection zu repetiren. Ich muß sagen, daß ich schon mehre Volkstänze gesehen habe, die mir wohl gefielen, z. V. den Husarentanz der Ungarn, die kraftige Masurka der Polen, die poetische Ko-sakka der Russen, den originellen Djoko der Walachen »c. Auch habe ich wohl den reizenden und üppigen Fandango der Spanier, den (leider.') nichtssagenden Walzer der Deutschen, sowie die stürmischen Galoppade», der Franzosen gesehen, aber ich muß gestehen, daß, was Anmuth, Anstand 137 und Gemüthlichkeit betrifft, mir mchtS den steirischen Na< tionaltanz zu übertreffen scheint. Er ist der nächste Bruder des Tiroler Nationaltanzes und des österreichischen Vändlrr's, doch ist er noch anmuthiger als jener und manch-faltiger, bedeutungsvoller und reicher als dieser. Die Bewegungen sind so langsam, wie sie, um schön genannt zu werden, sein müssen. Die Figuren und Stellungen sind lauter zarte und sinnige Anspielungen auf die süßen Gefühle der Liebe. Dabei wird eine bedeutungsvolle Mimik aufgewandt, welche den Charakter gemüthvoller Fröhlichkeit athmet und die beweist, daß die Steirer den Tanz nicht als eine bloße Motion der Füße, sondern als den höchsten und schönsten Ausdruck der Seelenempfindungen in dem ganzen entzückten Spiele der Glieder aufgefaßt haben. Ich finde allerdings auch viele der anderen genannten Nationallanze sehr schön, wenn sie schön getanzt werden. Allein der spanische Fandango wird leicht zu üppig, der ungarische Nationaltanz klirrt zu viel mit den Sporen, der polnische artet leicht zu Wildheit aus, und der russische ist mit vielen bizarren, mehr komischen als schönen Muskel- und Gliederverzerrungen untermischt. Allein zu welcher Ausartung der steirische geneigt wäre, weiß ich nicht. Vielmehr scheint es mir, daß er so weit von dem Uepplgen, Wollüstigen, Wilden und Bizarren entfernt ift, daß ich ihn geradezu den Tanz der Grazien nennen möchte. Ich gestehe, ich bin auf der einen Seite stolz darauf, daß es ein deutscher Stamm ist, der diesen Ausdruck des Schönen erfand, — begreife aber zu-» ssleich a„f der anderen Seite auch gar nicht. daß nicht alle 138 andere» deutschen Vruderstamme diesen Steirischen erlernen und sich anzueignen suchen. Freilich zu unseren Eisenbahnen, zu unseren großen Gesellschaften, zn unsere» stm-mischen Freuden paßt er nicht so gut wie unsere Walzer und Oa-loppadeu, die Jedem ein Gräuel sein müssen, wenn er etwas Besseres, wie z. V. den steirischcn Tanz, gesehen hat. — SoNte ich, wie aus der Hand die ganze Statue, ft aus diesem Tanze die Steiermarker beurtheilen, so müßte ich sagen, daß sie ein sehr sinniges, gemüthliches und für das wahrhaft Schöne im höchsten Grade empfangliches Volk seien. So eigenthümlich und schön die Formen des Tanzes sind, so originell, zart und rührend ist auch die Musik, und etwas Besonderes ist noch dieß dabei, daß sie den Tanz, wenn die Fröhlichkeit und Lust den höchsten Gipset erreicht, auch mit Gesang begleiten, wie dieß die Polen und andere Völker ebenfalls thuu. Solche kleine Gesänge und Lieder, die oft improvisirt werden, nennen sie „Vas-scln," und es bestehen dieselben in der Regel nur in einer Strophe mit zwei Reimen. Sehr, sehr schwer wurde es mir, mich von dem Anblick dieser schönen Tänze zu trennen. Allein die guten Leute jubelten mir doch zu lange, und indem ich ihnen meinen Segen gab und ihnen im Stillen wünschte, daß der Himmel sie noch lange bei diesen lieblichen Ausdrücken unverfälschter Freude lassen möge — sollte es möglich sein, daß unsere verflachende Zeit auch diese alten natlonellen steiri-fchcn Tänze auf die Seite schieben werde? — o die Alpen sind eine gute Schutzwehr! — ging ich zu Vette. 137 „V'hut Ihnc Gott, Herr Vetter!" diesen gewöhnlichen steinschen Abschiedögrnß rief am anderen Morgen unsere Wirthin meinem Kutscher zu , und wir fuhren dann, das Ennsthal verlassend, in eine» anderen Theil von Steiennart hinein, in den westlichsten Winkel des Landes, das sogenannte steirische Salzkammcrgnt. Wir gelangten dahin dnrch einen für die Pferde mühseligen Engpaß. In der ganzen Steiermark, wie im Leben, gelangt man überall nur durch Engpasse znm Schönen. Unterwegs begegnete uns an» ganzen Morgen nichts Ausierge-wöhnliches, nur daö gewöhnliche Außerordentliche, was hier alltäglich ist, und was ich schon oft erwähnte. Ich hatte die schönen Verge alle besteigen sollen. Aber mein Gott! wer giebt sich die Muhe, wenn man's so nahe und alle Augenblicke haben kann; — jetzt, da ich fern bin, sehe ich'ö wohl ein, daß ich einen Fehler beging. In Mitterndorf war ich bei einem Nagelschmied, der eine bedeutende Werkstatt hatte, für große Pludernägcl, die sie bei den Hausern brauchen, für „Schaarnagel," mit denen sie ihre Schindeln auf den Dachern befestigen, und für Stiefel- und Schnhnagcl, wie die Alpensteiger sie unter den Füßen nöthig haben, und außerdem für andere Nägel , die in den Handel kommen. Die Nagelschmiede stehen in der zweiten Klasse hinter den reichen Sensenschmieden, von denen mehre mit 40 und mehr Knechten arbeiten. Dieß war wahrscheinlich schon vor Christi Geburt der Fall, denn bei der Anlegung von Aquileja (lttO v. Chr. Geb.) wird schon des bedeutend sich vermehrenden nnd vergrößernden EiseichandelS mit Noricmn Erwähnung ^- 140 than. Es waren ohne Zweifel auch Nägel darunter, und noch jetzt, nach 2000 Jahren, gehen diese Nägel auf denselben Wegen in eben diese italienischen Gegenden bei Aqul-leja. In Kärnthen soll man noch größere Nagelschmiede-Werkstätten finden. Das steirische Salzkammergut. hinter Mitterndorf ist es mit der Bühne der norischen Schmiedewerkstätten so ziemlich zu Ende, und die Leute leben nun weiterhin nicht mehr vom Eisen, sondern vom Salze, von dessen Gewinnung aus dem Berge, von seinn Ginkochung und Verführung. Äussre ist der erste Ort dieses weit verbreiteten Ve-tricbs und Erwerbszwelgeö. DaS westliche Steiermark, das österreichische Salzkammergut, daö östliche Tirol biö nach Hall im Innthale nicht weit von Innsbruck, daS südöstliche Vaicrn über Hallein und Verchtcögaden Liö nach Neichenhall und noch weiter hinaus sind lauter Salzlander, ein weitläufiges Gebiet, das von der Natur mit diesem so wichtigen Producte reichlich begabt wurde, und in dessen Centrum dasjenige kiand liegt, daö wahrscheinlich mit Ve-zugnahme auf diese Lage seinen Namen bekam, nämlich — Salzburg. Nach allen Seiten hin werden Kon diesem großen Ealzterrain aus, von dem jedes der Nachbarländer ein Stückchen zu gewinnen suchte, andere Länder, welche die Natur bei der Salzvertheilung vernachlässigte oder völlig "ergaß, damit versehen, daö übrige Oesterreich, Steier- 142 mark, das südliche Tirol, zum Theil die Schweiz, das westliche und nördliche Naiern und Vöhmcn. In der Geographie und der Geschichte, in der Nationalökonomie und Ethnographie, in den Kriegen, den Handels- und Friedensverträgen, in der Bestimmung der Lebensweise, der Sitten und Beschäftigungen der Bewohner des ganzen bezeichneten Länderstncheö hat das Salz eine so merkwürdige Rolle gespielt, daß es sich wohl der Muhe lohnen möchte, dieß Alles einmal überschaulich zusammenzustellen und die ganze Landeskunde dieser Gegenden aus jenem angedeuteten Gesichtspuncte zu betrachten. Von allen Seiten her führen große Handelsstraßen in diefeö Gebiet hinein, die zum Theil nach der Hauptwaare, die auf ihnen «erführt wird, den Namen „Salzstraßen" haben. Eine dieser Salzstraßen lernten wir in der Bud-weiser Eisenbahn kennen, eine zweite, die durch das Inn-Ihal geht, bcfuhr ich schon früher, eine dritte über Nci-chenhall nach München werden wir später betrachten, uud auf einer vierten, der ste irischen Salzstraße, rollen wir jetzt in den lieblichen Thalkesscl von Aussee hinein. Die Natur und Bildung der Berge und Thäler müssen hier wohl eine ganz andere sein als in dem übrigen Steier-mark. Denn wahrend sich in dem ganzen übrigen Steier-mark keine Seen befinden, erblickt man hier auf einmal mehre, die von allen Seiten ihre Gewässer in den Kessel Von Aussce zusammenschütten. Der einzige kleine Kamcr-Sec läßt sein Wasser in den Töplitzer See, dieser das seine in den Grundl - See fallen. Der Odensce schickt ein Wässerchen aus Süden und der Alt-AuSseeer-See ein anderes 143 aus Norden. Daraus bildet sich bei AuSsee die Traun, die dann in den Hallstadter See durch einen Enqpasi durchbricht. Der Hallstädtcr See ist ein Riese gegen die vorhin genannten. Aber weiterhin findet anch er wieder seine Riesen undUeberwinder am Traun- und Atter-See. Welche Veränderung in der Hebungsweise der Gebirge mag Schuld daran sein, daß man hier auf einmal so reichlich sieht, watz man zuvor gar nicht fand? Ich beschloß hier, meinen Franz nach Gofsern jenseits der Verge im Oesterreichischen allein weiter fahren zu lassen und den Weg dahin auf einigen Umwegen zu Fuß zn machen, theils um den reizenden Thalkesscl von Aussee von der Höhe herab zu übersehen, theils um einer stcirischen Sennerin meinen Besuch zn machen. Ich fand im Orte einige gütige Herren, denen ich von Grätz ans empfohlen war, und die mich ihrerseits wieder an einen Alpenjäger zur Begleitung empfohlen, der mich seinerseits bei einer Sennerin oder, wie sie hier sagen, „Sendin" introduciren sollte. Die Sennerin, auf welche es abgesehen war, wohnte ans der Flinschberger^) Alpe, und sie hieß die „Külml Miedl" oder auch die „Külml Tochter vom Grundl-Sce." Viele steirische Räthsel in wenig Worten. Ich fange bei der Entzifferung von Miedl an. Es ist dasselbe eine Verdrehung und Abkürzung des Namens „Maria," von dem in „Miedl" nichts weiter alö„m" geblieben ist. „Külml" hieß der Vater *) Eigentlich schreibt man das Wort: „Pstindsw'a", aber d,r Leute sprechen immer „Flinschbng." 144 ober vielmehr der Bauernhof des Vaters der Marin, darum helßt sic die „Külml Tochter", und am Gruudl-See lag diese Besitzung ihres Vaters. Gs giebt Sennerinnen, die noch viel längere Titel haben als unsere Grafen. Diese „Külml Tochter" hat ihre „Schwaig" oder ,,Sennhütte" an dein AbHange eines zur Uebcrblickung deö Aussee'r Panoramas trefflich gelegenen Verges oberhalb der alten Ruine Pftindsbcrg. Daher wird sie häufig besucht, und sie hat deßhalb mit ihren „Haltern" — so heißen die Vuben, welche der Sennerin in ihrem Geschäfte zur Hand gehen — ein paar Tische und Bänke unter den Bäumen, welche bei ihrer Alpe stehen, zusammengenagelt und ist aus Besuch immer vorbereitet, der ihr um so mehr zu Theil wird, da sie ein gutmüthiges, heiteres Mädchen ist und dabei noch eine ausgezeichnete Sängerin. Sie ist schon über die Jahre der ersten Jugend hinaus, und solche Mädchen sind eben die beßtm Sängerinnen. Zwischen dem 25. und 35. Jahre singen die Sennerinnen am stärksten und schönsten. Ich kann mir das erklar«». Für eine ganz junge Stimme ist der Alpengesang nicht gemacht. Es gehört eine starke Brust und viel Uebung dazu, in den Bergen die Stimme richtig zu gebrauchen. Sie haben dreierlei Arten von Gesang, erstlich das gewöhnliche „Jodeln", dann das „Iohezen" und endlich die „Jauchzer." Das Jodeln ist jetzt allgemein auch in allen Ebenen Europas durch die herumreisenden Alpensänger bekannt geworden,das „Iohezen" und dic„Ianchzer" aber ka»n man nur in den Bergen selbst kennen lernen; denn es ist auf d^e 14H Natur der Verge begründet u»d hat ohne diese Bühne keine Bedeutung. Das „Iohezen" — ich hörte es früher, wo ich einmal mehre Monate lang in den Alpen mitten unter den Hirten lebte, oft genug, um es hier genau zu beschreiben, — ist eine Art melodischen Recitativs, das sie bei ihren inusi» kaiischen Alpengesprächen anwenden, unddie„Iauchzer" sind cadenzirte Nufe, mit denen sie wie mit einem Gruße oder mit einer Aufforderung jene Gespräche eröffnen oder auch schließen. Gewöhnlich geht es dabei so her, wie eS ei» einheimischer Schriftsteller schildert: „Ein Jauchzen giebt zu erkennen, daß die Sendin eine ihrer Freundinnen oder Nachbarinnen zu einem solchen Wechselgesange auffordert. Hierauf folgt sodann in gedehnten und scharfen melodischen Tönen und vernehmlichen Worten ein Recitativ, das bald ein Gruß, bald ein Aor-wurf, eine Einladung, eine Erzählung, oder eine allgemeine Schilderung der Leiden und Freuden der Alpenzcic enthält. — Sobald die eine Sängerin pausirt, fallt die andere ein, und so wechseln sie oft an heiteren Tagen stundenlang ihre Empfindungen und Meinungen über breite Klüfte hin, welche ihre einsamen Alpentriften trennen." Zuweilen wün» schen sie sich blos mit dem Recitativ einen guten Morgen, erkundigen sich bei der Nachbarin, ob sie nicht etwas Neues erzählen könne, — ob sie ihren Geliebten kürzlich gesehen, — ob sie ihr Vieh alles zusammen habe. Mitunter machen sie ihre Freunde auch aufmerksam, daß sich einiges von lhrem Vieh zu versteigen drohe, — oder daß ei« Gewitter zu nahen scheine, und dergleichen. Oft sprechen sie 146 so mit einander, ohne sich gegenseitig sehen zu können, zuweilen, indem sie sich in ihren kleinen Beschäftigungen in der Hütte herum dadurch nicht unterbrechen lassen. Sie behaupten, daß man den melodischen Gesang in der Ferne deutlicher vernehmen könne als das bloße Geschrei, und sie „johezen" daher auch ihren Haltern die Befehle, die sie ihnen zu gebe» haben, melodisch zu. statt sie ihnen einfach zuzurufen. Wenn sie mit der Unterhaltung fertig sind und sich in ihre Hütten zurückziehen, schließen sie mit einem lauten, wett durch die Gebirge hin schallenden Jauchzer, den das Echo in unzahligen Wiederholungen repetirt. Die „Küliul-Tochter vom Grundl-Sce" war nun nicht nur eine ausgezeichnete Alpensmigerin und Iauchzerin, sondern, wle die Leute sagten, geradezu die ausgezeichnetste und beßte im ganzen „Stcicr" („im Steier" oder im „Slcirer-Lande", sagte man hier wohl auch statt: in der Stekrmark.) Ich fragte sie, wie sie dieß wissen konnten. Sie antworteten mir, sie wüßten es so: Vor einigen Jahren habe der Johann (nämlich der Erzherzog Johann), wie er das oft thue, in Grätz große und schöne Wettspiele veranstaltet, erst» lich für die steirischen Musiker, besonders die Violinisten (jene steirischen Tänze, die ich oben beschrieb, werden gewöhnlich mit der Violine begleitet, und diese Violmspie-ler sind oft in ihrer Art sehr ausgezeichnete und ganz originelle Componisten und Virtuosen) und dann für die Sängerinnen. Auch für die „Schwefelpfeifer", d. h. die O-uer-pfeiserbläser, waren Preise ausgesetzt. Diesen letzten Preis 14? gewann cin Ennslhaler, und den Preis für die Violine der Bruder dcö Waldmeisters in Auösee. Für die Sängerinnen waren Preise von 40 — 50 Gulden ausgesetzt, und cs kamen nun viele Sendinnen von ihren Alpen heruuter, um sich hervorzuthun und diese Preise zu gewinnen. Auch zwei Schwestern der Mied! kamen und wurden öffentlich als die teßten Iodlerinnen anerkannt und ihnen die höchsten Preise zugetheilt. Die Miedl seller wollte auch hin, aber sie konnte dazu nicht die Erlaubniß von ihrem Herrn, bei den» sie in Dienst ist, erlangen. Da sie nun, »vie aNe in Auösee herum wissen, noch viel besser singt als ihre Schwestern, und da diese alö die beßten von allen übrigen anerkannt wurden, so muß sie denn wohl die beßte in der ganzen Steier sein. Wie begierig war ich nun, diese Nachtigall in ihrem Vusche selber zu belauschen. Man hatte uns gesagt, sie sei noch nicht von der Alpe abgefahren, aber sie würde entwe» der heute oder morgen kommen, uud wir, mein Jäger und ich, beeilten uns daher um so mehr, ihre Hütte zu erreichen, in der Hoffnung, sie dort noch zu treffen. Wir gingen in seine kleine Wohnung, wo c3 von Waffen und Alpeubesteig« ungs-Instrumenten aller Art wimmelte. Da unsere Fahrt nicht hoch gmg, so versahen wir unö bloö mit einem „Grieß» beil", so wird hier der gewöhnliche lange Alpenspazierstock genannt, der unten eine eiserne Spitze mit einem Haken hat. Man kann keine besseren Führer in den norischcn Alpen haben als die Nevierförstcr, die nicht nur ihre benachbarten Gebiete, sondern auch, weil sie als Jäger oder Revierförster-Gehülfen gewöhnlich anch schon in anderen Alpenaegen- 10* 148 den dienten, auch andere KebirMheile en <nde des Eisen befinde sich ein kleiner See, der milchfarbenes, etwas grünliches Wasser habe. Auf diesem See sei ein ewi«> ger Sturm. Noch nie sei die Oberfläche dieses kleinen Sees anders befunden worden als von den, Winde gepeitscht und mit schäumenden Wogen. — Wie manche arme Menschensccle gleicht wohl diesem Gletschers« und gelangt so wenig zu spiegelglatter Nuhe wie er! — Der Mondsee, der Atter-See und der Aber-See unter unS schienen heut Abend alle spiegelglatt zu sein. Es ist nicht sehr häufig, daß die Seern sich in diesem Zu« stände befinden, und bei der leicht beweglichen Menschenseele, die keinen, Elemente ähnlicher ist als dem Wasser, ist es ebenso selten. Wir fanden dann, indem wir auf der Kante einer Schneide — so heißt in der Alpensprache ein cmf beiden Seiten abfallender Damm, der zwei Berge verbindet, — hinüber balancirten, in unseren nächsten Wal- 12* 196 dern und auf unserer Höhe selbst noch cine solche kleine zwischen den Bergen ,md Waldern wie in einen Kör-' per eingefaßte Wasscrscelc. Sie war ziemlich ruhig, in dem Augenblicke, wo wir sie sahen, nur von der unmuthigen Leidenschaft eines sanften Abendwindes bewegt und anmuthig schaukelnde Wellen schlagend. Es war dieß der kleine Eibeu-Sce, im Vergleich mit welchem alle die anderen genannten Secen große Oceane sind. Alle Sennhütten des Gebirges waren scholl öde und verlassen und standen verschlossen und verriegelt auf den entvölkerten Orasrückcn, wie die der Külml-Miedl bei Ausfec. Wir hatten überall vergebens angepocht. Auf einmal aber, als wir bei'm Eibensee vorüber zu einer Alpe kamen, welche die „Hüllkar-Alpe" hieß, rief mein Begleiter: „Nun die Alpe ist noch bewohnt. Wenn da keine Sendrin drin ist, so sind die Sacremcnts-Wildschützen da!" Er hatte bereits ans weiter Ferne einen kleinen Wasserkübel bemerkt, der nntcr dem Brunnen stand, und der ihn erkennen ließ, daß »och Menschen hier weilen mußten, und nach seinen veränderten und ernster gewordenen Mienen zu schließen, schien er in der That eher Wildschützen als Eendrin-nen zu erwarten, nm so mehr, da wir auch nicht ein elnzigeö Stück Vieh in der Nachbarschaft bemerkten. Die Wildschützen, die der Jäger hier auf Schritt und Tritt ebenso fürchtet und verfolgt, wie er die Gemsen hofft und verfolgt, pflegen wohl zuweilen die verlassenen Hütten der Smdinnen als ihre Standquartiere zu benutzen, und zwar um so mehr, da die Sen- 107 uennnen ihnen oft holder sind al« dc>t Jägern. „Dic Sendjnneu," sagte mir mein Begleiter, „machen immer Partei gegen uns." Mit finsterer Stirn, mit raschem Schritt, beinahe hatte ich gesagt, mit gespitzten Ohren, wie ein Löwe, der da zu merken glaubt, daß in seinem Gebiete etwas unrichtig sei, ging oder lief vielmehr melu Jäger ubcr die Vergschncide zu der Sennhütte hin, welche etwas im Verstecke lag. Ich konnte ihm auf den: schlüpfrigen Wege kaum rasch genug folgen. Wir pochten an die Thür. Niemand machte uns auf. Auf einmal hörten wir drinnen Geräusch. Es öffnete sich die Pforte, und einen Milchkübel in der Hand trat ei» junges Mädchen von höchstens 19 Jahren daraus hervor, die uns freundlich willkommen hieß und uns Vorwürfe darüber machte, daß wir gar so ungeduldig lärmten. Die Falten auf der Stirn meines Jägers schlichteten sich, und scherzend erklärte er ihr seine Vermuthung, der er sich noch um so mehr hingegeben hübe, da die Thür nicht sogleich geöffnet worden sei. „Ich hab' Eng zuvor durch's Fenster a Vißl angelugt," sagte die Sennerin, „bevor ich Eng öffnete. Doch nun kommt nur eini, ihr seid ja ehrliche Leut'!" — Das Mädchen erzählte uns, sie habe das Vieh heute nicht ausgelassen, weil es bis zum Mittag gar so grausig gewettert, und sie habe es daher im Stalle gemolken. Sie sagte, außer ihr wohne jetzt auf diesen Bergen zwischen dem Mond-und dem Aber-Ecc nur noch eine einzige Sendrin. Alle anderen seien schon abgefahren. Das käme daher, weil ihre Alm so gelegen sei, daß sie noch langer benutzt werden 193 könnte als die übrigen. Es ist bei uns wohl etwas Seltenes und Vewundernswerthes, daß zwei junge, kaum ^wan-zigjahrige Madchen mitten in einer unbewohnten und unbewachten Einöde — sie haben nicht einmal cincn Hund als Wächter — ihre Wohnung aufzuschlagen gar kein Bedenken tragen. Und daß sich immer eine solche Sitte halten kann, ist wohl lm Ganzen ein sehr gültiger Beweis für die Glit-müthigkeit der Alpcnbcwohner. Es war indeß finster geworden, und unsere Scndin that sogleich ihr Möglichstes, «ns zu erquicken. Sie machte eln großes Feuer an und schleppte Milch, Schotten und Käse herbei. Das Vrot dazu hatten wir mitgebracht. So unbefangen, freundlich und heiter wie sie uns entgegengetreten war, blieb sie auch den ganzen Abend, den sie uns mit den launigsten Scherzen und dm hübschesten Gesängen verkürzte. Die Scherze sind gleich den Fischen, sie schwimmen nur lustig in dem Elemente der Conversation selbst und sterben, wenn sie aus ihrem Wasser in die tödtende Luft der Schriftstellern hinüber gehoben werden sollen. Aber von den Liedern schrieb ich mir eins auf, und wenn ich's dem Leser auch nicht so vorsingen kann wie die Sendrin, so schreibe ich es ihm doch uor, weil ich glaube, daß er einige hübsche Ideeen darin finden wird. Es hieß: Das Säuscrl im Donnauiaid. I hab' schon drei Summa mir's Hmngch'n vorgenumma. I hab' schon drci Summa mem Diandl nit g'schn. Auf mi wart's „och imma, sie glaubt, i komme nimma. Auf mi wart's noch imma, wie muß ihr dmn g'schehn? Die Nacht ist so finsta, man sieht hcut nir mehr. Doch muß i's hoamsucha, wann's noch so weit war,'. 19!) Im Donnawalb hinten, da wir i's schon finden, dort is sie dahoam. Kohlfinster is's freili, im Wald hint abscheuli, das machen dic Vam. I sich schon von Weitem den Mondschein aufgehn. Die Sterndl am Himmel, die leuchten so schön. Vor'm Haus steht a Donna, wo's Diandl thut wohna, — die fthet i gern. Er leuchtet noch immer mit so feinem Schimmer der Himmel voll Stern. I sieh schon die Donna, — i sich schon das Haus — Da schaut mein licbs Diandl beim Fenster heraus. Kaum bin i hing'loffcn, war's Fcnsterl schon offen, — so sag i zu ihr: „Gott grüß' Di, lieb's Engerl, geh' aussi a wrngerl, geh' aussi zu mir." „I trau' mi nit aussi so spat bei dcr Nacht. Geh', sag', mci lieb's Buberl, was hast ma denn bracht?" „Was soll i Dir bringa, a Ringerl auf's Fingerl? a rosen« farb's Band? I will Di erlösen, wcil'st treu bist g'wcsm, vom ledigen Stand!" Da drückt's mi an's Hcrzcrl, uerweiß sich nit mehr — Du himmlischer Vater, da schau a Mal her! Pas Hiiuschcn im Tannenwald. Ich habe schon drei Sommer mir's Heimgchn vorgenommen. Ich habe schon drei Sommer mein Liebchen nicht gesehen. Auf mich wartet sie noch immer, sie glaubt, ich komme nimmer. Auf mich wartet sie noch immcr, wie mag ihr wohl geschehen? Die Nacht ist so finster, man sieht heut nichts mehr, Doch muß ich sie heimsuchen, wenn's auch noch so weit wär'. Im Tannenwald hinten, da werd' ich sie schon finden, da ist sie zu Haus. Kohlfinster ist's freilich, im Wald hinten abscheulich, das kommt van den Baum' Ich sch schon von Weitem den Mondschein aufgehn. Die Sternlein am Himmel, die leuchten so schon. 200 Vor'm Haus steht eine Tanne, wo's Liebchen thut wohnen, — die erblickte ich gern. Er leuchtet noch immer mit so feinem Schimmer, der Himmel voll Stern. Ich seh' schon die Tanne, — ich sehe das Haus, — Da schaut mein liebes Mädchen zum Fenster heraus. Kaum bin ich hingelaufen, so war's Fenster schon offen, — so sag' ich zu ihr: „Gott grüß' Dich, liebes Gngelchcn, komm' heraus doch ein wenig, tonnn heraus zu mir." „Ich trau' mich nicht hinaus so spät bei der Nacht. Geh', sag' mir, mein Lieber, was hast Du mir denn gebracht?" „Was sollt' ich Dir bringen, cm Ringlein auf den Finger? — ein rosenfarbiges Band? Ich will Dich erlösen, weil Du mir treu bist gewesen, vom ledigen Stand i" Da drückt sie mich an's Herze, weiß nicht, wie ihr geschieht. Du himmlischer Vater, da schau einmal her! Ich gedachte hierbei des Liedes von dem ungarischen Liebhaber am Balaton, das in der Anlage und dem Gegenstande diesem Alpenliede so ähnlich nnd doch in der Ausführung so verschieden ist. Als für die verschiedenen Lander besonders charakteristisch ist es auch, daß der Aelpler auf finsteren Wald- und Vergwegen zn seiner Geliebten schleicht, während der Ungar zu ihr hinrcitet nnd unterwegs beständig mit seinem Pferde spricht. Die Sennerin gestattete uns ohne Bedenken Nachtquartier. Sie blieb in dem hinteren Raume ihrer Wohnung bei ihren Kühen, und wir bereiteten uns im vorderen Zim-> mer bei',» Feuer unser Lager. Am anderen Morgen früh weckte uns ihr Gesang, mit dem sie an ihre Geschäfte ging. Wir fanden sie vor der Sennhütte singend die Kühe melken. Ich fragte sie, ob sie 201 auch sänge, wenn sie ganz allein wäre. „Ei freilich," sagte sie, „das ist meine einzige Kurzweil. Ich singe den ganzen Tag, Wenn's die Arbeit nur zulaßt." — Ich muß sagen, ein in der Einsamkeit des Waldes seine Leiden und Freuden in Melodieen besingender Mensch ist mir noch viel rührender als eine einsame Nachtigall im Gebüsch. — Wir verzehrten unsere Brotrinden, die vom Abend übrig geblieben waren, dazu die frische Milch der Sennerin und empfingen ihr „V'hnt Eng Gott" zur Weiterreise, indem wir ihr wünschten, Gott möge sie immer bei fröhlichem Gesänge erhalten. Der Morgen war herrlich und die Aussicht auf Schritt und Tritt über alle Beschreibung schön. Wir gingen noch über einige „Niegel" und „Schneiden," — kletterten über inanches „Stieg'l" und viele „Almenhage" — (Almenhage heißen die aus Balken zusammengesetzten rohen Einhegungen, Umzäunungen und Gränzabthcilungen dcr Alpcnwlesen, und Stieg'l nennt man die kleinen Durchlasse zum Uebersteigen über diese Almenhage) , — bewandelten verschiedene „Kuhwege," die „gestapft" waren, — (man nennt so die Fußwege, welche das Vieh sich auf den Alpen selber aus-tritt; weil nämlich das nachfolgende Vieh gewöhnlich in die Fußstapfcn der Vordermänner tritt, so entstehen dadurch Staffeln auf diesen Wegen, was die Leute hier „gestapft" nennen) — und stiegen endlich auf reizenden Um-, Kreuz-und Querwcgen Morgens um 9 Uhr zum Fuschel-See hinab. Hier überlieferte mich der Obeuauer wieder meinem Franz, dessen Freude bei'm Wiedersehen mich eini- 2U2 germaßen für die Trauer des Abschiedes von meinem hübschen Jäger entschädigte. Franz erzählte mir, sie hatten hier gestern Abend dm „Almentanz" gefeiert, und das Haus ware voll Diandl'n und Vub'n gewesen. Ich hatte selbst schon früher hier solche Almentänze mit angesehen. Es ist ein Fest, welches nach glücklich beendigter Alpenzeit den Sennerinnen gegeben wird. Sie tanzen dabei hier zn Lande Salzburglsch, Ländlerisch, Steirisch und Deutsch. „Deutscht nennen sie den Walzer. Auf diesen Almentänzen werden viele Heirathe» geschlossen oder angeknüpft. Auch machen sie in der Negel bei dieser Gelegenheit ihre Streitigkeiten durch Raufereien aus. Im Salzbnrgischen fällt der Almentanz in der Negel auf den dntten oder auch wohl auf den zweiten der drei „goldenen Samstage." Dieß sind drei Feste, die man zu Ehren der heiligen Maria feiert, und das erste fallt auf den 29. September. Warum man ste „goldene Samstage" oder „SamStags-Nachte" nennt, erklärte mir ein Salzburger so: „weil die Tage znr Feier der Tugenden der heiligen Marie angesetzt seien, und weil die Tugend so gut wie Gold und »och besser sci, darum nenne man sie goldene Tage." Der Gaisberg. Tehr viele Landabtheilungen im Salzburglschen haben den Namen „Gauen," so z. V. daö „Pinzgau," das „Lungau," ,,Pongau." Man versteht darunter nicht einzelne Thäler, sondern gewöhnlich große Ensembles von Thälern. Der Theil des Bandes, durch den wir bisher gereist waren, heißt der „Thalgau" oder, wie gewöhnlich gesagt wird, „Im Thalgau." — ES geht dieser Strich bis nach Salzburg, wo er mit seiner äußersten Spitze mit dem Gais-berge ganz in der 3iähe der Stadt endet. So einförmig und wenig interessant dieser Verg an und für sich selbst ist, so herrlich ist das Panorama, das ihn umgiebt. Ich ließ meinen Franz wieder aNein fahren und machte mich, da ich in Ebenau trefflich empfohlen war, in Begleitung eines alien Alpensteigers, der mir als Führer diente, auf den Weg. Mein Führer war ein alter, erfahrener Mann, der schon als Sennhirt, Jäger, Fremdenführer lind in der übermüthigen Zeit seiner Jugend auch vielleicht als Wildschütz in sehr verschiedenen Gegenden der Alpen gewohnt hatte. Ein solcher Mann ist für den lernbegierigen Fremden ein wahrer Schatz; denn man findet bei dergleichen Leuten oft 204 weit mehr lebendige und interessante Kenntniß der Natur, der Thiere und der Menschen niedergelegt als in einem Vuche, und eine Empfehlung an diesen Alten war mir lieber als eine an den Fürsten von Salzburg selbst. Da es ei» wenig heist war, so kam mir der Weg auf den Gaiöberg schon sehr mühselig vor. Ich trank aus jeder Quelle und klagte viel, daß der Gipfel so lange zaudere, und doch war der ganze Weg gegen andere Wege, die es in den Alpen giebt, für nichts zu rechnen, verhaltniß-maßig äußerst bequem und schön. So geht es halt auch den Reichen, die schon jammern und klagen, wnm sie den Lebensweg nicht überall völlig eben und bequem finden, und über unbedeutende Hindernisse unmuthig werden. Was würden sie erst sagen, wenn sie die schwindelnden Fusistcge und Felsenwege der Armuth kennten? — Je höher wir indeß kamen, desto leichter wurde mein Gang, weil daS Panorama umher immer schöner und prachtvoller hervorwuchs. ,,Nu, nu, oben wird's am Ende noch gar in den Himmel steigen," tief mir mein Alter, mir einen leisen Vorwurf über meine Schnelligkeit machend, zu. In ihren Hauptzügen ist die Aussicht vom Gaisberge bei Salzburg in Halbeuropa bekannt, oder doch wenigstens in ganz Deutschland. Denn es giebt wenige gebildete Deutsche, die hier nicht entweder einmal selber standcu und dies« schönen Gaue überschauten oder sich doch wenigstens einmal von den Ihrigen erzählen ließen, welche Augen- und Seelenkost hier sich darbietet. Indeß ist hier ein so schönes Lapitel des LebcnöbucheS aufgeschlagen, daß man, glaube ich, immerhin es sich gefallen laßt, es noch einmal 205 durchznlcscn, zumal da viele Hieroglyphen darin vorkommen, zu deren Deutung noch mancher Reisende snn Scherf« lein beitragen kann. Die Blicke dessen, der den GaiSberg betritt, fallen zu« erst auf die reizende Stadt Salzburg, die in der <5bene nahe an dem Fuße des Verges liegt. Weil man daS Nächste, den Gipfel des Verges, natürlich so groß und gewaltig vor sich hat, und weil nach unten hin die Verhaltnisse immer kleiner werden, so glaubt man gewissermaßen, über dem Haupte der Stadt zu schweben und senkrecht in ihre Gassen hinabzusehen. Kommt man spater in die Ebene hinab, wo dieselbe so nahe und groß herantritt und die Verge und ihre Gipfel klein in die Ferne sich zurückziehen, da ist es umgekehrt, und man begreift oft nicht mehr, wie man die Dinge-auf jenen unbedeutenden Höhen so weit überschauen konnte. Salzburg hat eine so eigenthümliche Situation wie keine zweite Stadt Deutschlands, sss liegt mitten in einer breiten bequemen Thalebenc. Aus dieser Ebene aber erhebt sich ein kleines schroffes Nagelflnegcbirge ganz nahe am Flusse und schließt hier einen Halbkreis, der die Stadt so ausfüllt, daß sie darin wie in einem kleinen Amphitheater liegt. Das Nagclsluegebirge oder vielmehr der kleine Na-gelfluedamm umzingelt die Stadt nicht anders als eine große hohe Stadtmauer, und wie durch eine Stadtmauer führen auch Thorwege durch jenen Damn» hindurch, wieder in die Ebene hinaus. Der Stadttheil auf der anderen Seite des Flustes ist zwischen der Salza und dem Kapuzinerberge eingeengt. Die Ebene von Salzburg ist von schönem An- 20k bau, reizenden Dörfern, Gärten und Schlössern rund umher umgebe», und es muß an heiteren Tagen für den Helios eine Wonne scin, so hundertäugig, wie er es kann, in dieses Land und zu seinen Bewohnern hinabzuschauen. Heute war es ein solcher heiterer Tag. Denn die Luft war weder „koarig" (trübe), noch gab's „Ploweiß" (?) am Himmel, wie es wohl manchmal nach der Aussage meines Mm wäre, sondern es war blau und hell, dabei aber ein „fester, starker Wind," von dem ich bedauerte, daß er hier auf diesen Höhen so nichtsnutzig sich herumtummelte, nnd daß ich ihn nicht einigen Ostindienfahrern unter der windstillen Linie in die Segel schicken konnte. Wir übersahen daher heute das Fernste, was überhaupt das Auge auf dem Gaisberge zu erreiche» im Stande ist, «nd da der Wind oben so günstig der Neihc nach aus allen Richtungen der Windrose blies, so holten wir unser Perspectiv hervor, spannten die Segel unserer Beobachtung auf und steuerten an allen Küsten des Horizontes herum. Dieser Horizont hat zwei Hälften, eine nach Nordwesten «nd eine nach Südostcn. Jenes ist die cbcne, dieses die ge-birgische Hälfte, und eben darin besteht der Hauptreiz und der vornehmste Ruhm dieser Salzburger Gegenden, daß Ebene und Gebirge sich hier so nahe treten. Man schaut weit an der durch das Flachland sich hmschlangelnden Ealza hinab. Man verfolgt sie viele Meilen weit und ,giebt sie schon verloren, während sie dann doch immer noch einige Male mit einem leisen Lichtblinken aus der Ferne winkt und endlich im Nebel verschwindet. Der Hinblick auf die baic-rische Ebene ist für ein Auge, das seit einiger Zeit keine 207 Ebene sah und beständig auf Bergesgipfeln wie ein Schifflein auf hohen Meercswellen schaukelte, besonders wohlthuend. Man sieht die dem Ackerbau gewidmeten, gesegneten Fluren Vaicrnö überall mit Gehölzen und kleinen Waldfticken bunt durchwebt und mit schönen Dörfern geschmückt. Nach Nordostcn ist die Aussicht in's Calzkammergut ähnlich der vom Griesberge. Doch repetirte ich sie gern noch einmal. Als ich an den Mondsee kam, erzählte mir mem Alter, seit zwei Monaten würde hier in der Gegend von einer Secjungfer gesprochen, die sich auf diesem See gezeigt habe. Die Jäger hatten sie schon mehre Male gesehen, aber sie hätten sich nicht getraut, nach ihr zu schießen. Es gehen hier oft solche abergläubische Sagen von den Seeen des Salzkannnerguts herum, und den Glauben an die Seejungfcrn hat man uoch nie ganz vernichte» können. Man begreift es anfangs vielleicht nicht, wie die Leute auf solche Einfalle kommen, wenn man den See im Hessen Son< nenschein so natürlich und so gespenstcrlos vor sich liegen sieht. Man muß aber bedenken, daß diese Menschen, die auch Nachts in den Schluchten und an den schroffen Abhängen der Seeen herumklettern, dieselben oft in ganz fremdartigem Lichte und in ganz anderen Zustanden erblicken als wir TageSfalter. Bei Sturm und Wetter, aus der Mitte der Walder, von den Felsenabhängen herab mag ein Ausblick auf diese Seeen wohl dazu geeignet sein, die Seele mit . allerlei Ausgeburten der Phantasie und mit Hirngespinnsten zu ängstigen. Man muß die Alpen, ihre Reize und Schrecknisse ganz in der Nähe gesehen haben, um zu begreifen, daß 208 abergläubische Meinungen hier bei'm Volke weit natürlicher sind als in unseren prosaischen Ebene», wo sich nie so viele außerordentliche, oft unerklärliche und die Seele beängstigende Naturereignisse zutragen. Viele Alpenbewohner haben mir gesagt, daß es selbst für den Gebildeten, der etwa als Jäger hausig mit den Alpenbewohnern umgehe und ihre Verge besteige, schwer sei, sich vom Aberglauben frei zu halten, und daß sie selbst unter den höchsten Ständen manche kennten, die diesen Aberglauben theilten. Sehr verbreitet, besonders in Steiermark, ist z. V. der Aberglaube an den sogenannten „Vergstutzen." Dieser Stutzen soll eine Art Drache sein mit vier Füßen, mit einem Katzenkopf, nüt einem langen dicken Schweif und mit giftigen gähnen. Er greift die Menschen nicht von sreicn Stücken an; kommt man aber auf ihn zu, so beißt er, und der Gebissene muß sterben. Der Erzherzog Johann, der in allen Richtungen hin wohlthätig auf seine Aelpler einzuwirken sucht, hat einen Preis von 30 Ducaten auf die Erlegung und Einbringung eines solchen Stutzen ausgesetzt. Auch auf die Erlegung einer furchtbar großen Schlange, die in einem hohen Gebirgssee leben soll, hat er einen Preis gesetzt. Ich muß indeß sagen, ich glaube nicht, daß diese Preisaussetzlmg einen Einfluß auf die Veränderung des Aberglaubens haben wird. Denn selbst, wenn das Gespenst nicht erlegt wird, bleibt die Sache ganz unentschieden, und das Versprechen einer Belohnung scheint sogar schon die Möglichkeit der Gristenz jener Unthiere vorauszusetzen und bei'm Volke von oben herab gewissermaßen zu bestätiget!, um so mehr, da der Preis sehr klein ist. Ja hätte man 209 1,000,000 Düsate» oder ein Königreich ansgeboten, so h^te die Sache einigen Vinfluß haben mögen. Der Aberglaube von dem „Vergstutzen" soll auf die wirkliche Existenz einer in den Alpen vorkommenden Natter? basirt sein. Sie liegt, wenn die Menschen die Verge erklettern, oft am Nande der Felsen, springt ihnen in's Gesicht und erschreckt sie dadurch oft so sehr, daß sie „abstürzen" (Kunstausdruck). „Sicht man denn den Zeller-See nicht?" „Nein, den mögen wir von hier nit ausnehmen", sagte mein Alter, „aber dort, wo es so blau aufgeht, da ist der viel entfernte Chiemste". — (Ich glaube, bei uns sieht man das Wort „viel" für „sehr" nur bei den Troubadours in Gebrauch. Hier Hort man noch oft so sprechen: „ein viel schlechter Weg", „ein viel schönes Mädchen".) — „Wir haben hier halt eine andere Redensart als bei Ihnen. Die Redensart hier in Salzburg ist schon gleich ganz anders als dort in Vaiern". Der Wind drehte sich, wir kehrten um, und unsere Augen landeten nun mitten zwischen den gewaltigen Verg-massen, die sich im Süden, Südwesten und Südosten unseres Standpunktes gleich einer Schaar von Titanen gelagert befanden. Gs ragt hier ein Gipfel nber den anderen hinaus, und selbst aus unglaublicher Ferne, vielleicht gar vom Groß-glockiier her, blinken noch Pyramiden, Dämme, Eisfelder, Vergschciden und Felscnstirnen in den Zwischenräumen hervor. Es ist wie eine Einschachtelung ohne Ende, denn unter« 210 sucht man mit demPerspectiu auch diese entlegenen Zwischen« räume genau, so lockt eine dämmerige Spitze oft in noch entferntere Thäler und Länder. Der Tag war aber auch einzig, die Luft so krystallen klar, daß selbst die hintersten Linien sich mit mathematischer Genauigkeit abschatteten. Vei dem Allen lassen sich aber doch einige Hauptmassen nm Horizonte erlennen, die so groß da liegen, daß alle anderen dagegen in den Hintergrund treten. Es sind dieß der Wazmann mit dem „steinernen Meere" — das Tan« nengebirge — die Radstädter Tauern — die Thorstelncr Gletscher und das todte Gebirge. Der Wazmann gewährt wohl gewiß die malerischeste Anficht. Er gehört überhaupt, wie mir es scheint, ohne Zweifel z» den Pittoreskesten Hochgebirgen, die es giebt. Vs ist schwer zu sagen, auf wie mancherlei Verhältnissen seiner Nachbarschaft diese seine Eigenschaft beruht. Zum Theil aber liegt es «lit in seiner eigenen Gestalt begründet, die sich, von einem Kranze niedrigerer Verge umgeben, immer recht schön wie ein Kern aus dem Ganzen herausschält. Es hat den Anschein, als sei dieser Verg früher ein sehr vollständiger schöner Kegel gewesen, dessen mittlere Spitze eingefallen, odcr in dessen Mitte eine gewaltige Bresche geschossen worden wäre, deren Trümmer nun in der entstandenen Oeffnung zusammenliegen. Durch die Bresche entstanden dann zwei Spitzen, eine sehr hohe und eine niedrigere, und die Umriß-Linien des Ganzen, auf denen daö Malerische des Bildes beruht, nehmen sich ungefähr so aus! 211 Durch die tieft Schlucht des Vartholomaus-Sees, durch das Thal „Im Wimbach" und durch die Verchtesgadener Welt-ung ist der Vcrg von fast allen Seiten ft isolirt, daß er sich als ein gesondertes, völlig abgeschlossenes Ganz-Gemälde darstellt. Ich ließ meine Blicke auf den Flügeln des Fernrohrs in die Bresche fliegen, aus der mir wie aus einer zerstörten Festung ein gewaltiges Oraus von Felsspitzen und Blöcken cnlgsgenstarrte. Das Oanze nahm sich aus, wie eine riesige Burgruine mitten unter den Hügeln eines großen Waldgebirges. „Hinter jenen Felsen, die Sie da schauen, sitzt mau oft ganz warm in der Sonnen", sagte mein Alter, „und dann auf ein Mal, wenn man sich um die Ecke dreht, weht ei» eisig kalter Wind einem daraus entgegen". Hinter dem Wazmann, etwas zur Linken erhebt sich „das steinerne Meer", ein höchst großartiges und merkwürdiges Felögcl'irge mit schroffem Abfall, das schon im Salzl'urgischen liegt. Der östliche Theil des „steinernen Meeres" heißt „die übcrgossene Alpe", dasselbe, was bei'm Thorsteiner die „verwunschene Alpe" und was in eiuem anderen Theile von Steiermarl die „versteinerte Alpe" und bei 14* 212 Neichenhall im baicrischen Hochgebirge „die steinerne Sennerin" heißt, — an allen drei Orten dieselben Sagen. Das steinerne Meer und die übergosscne Alpe liegen so hoch, daß man hinter ihnen nichts mehr aufsteigen sieht. „Dort in jenen Bergen sind hier zu Lande noch die meisten Gamsen. Dort giebt es auch zuweilen ganz schneeweiße Gamsen, jedoch allerdings nur sehr selten. Im Winter ziehen sie sich etwas weiter nach unten hinab und weiden dann oft in der Nähe der Sennhütten, welche die Kuhheer-den und Sennerinnen verließen". „Was fressen denn die Gemsen im Winter?" „Nun es giebt am Rande des Schnees doch immer irgend etwas Grünendes. Je tiefer die Schneeregio» herabkommt, desto tiefer kommen auch die Gamsen. Hier nnd da befinden sich auch warme Quellen im Gebirge, an denen immer etwas gedeiht. Ganz todt wird es doch nie auf den Bergen? Auch in den „Lahn-Schürfen", in denen die Lawinen oder Lahnen herunter gehen, giebt es immer etwas Leben und kleine Gewächse und Graser, die sie sich zusammenlesen. So z. V. giebt's überall unter dem losen und dünn allfliegenden Schnee, den die Gamsen wegscharren, die sogenannten „Oeisestraubeln") diese Geisestraubeln fressen die Gamsen wie die Ziegen. Im Nothfall auch begnügen sie sich mit den Knospen der „Latschen". Die Geisestraubeln sind unser licken isiarilllcus, das man viel in den Hochgebirgen findet. „Latschen" nennt man im Salzburgifchen jene Zwergföhren, die wir schon „nter dem Namen „Lücken" in Steiennark bei Aussee an der Trisselwand kennen lernte,:. Diese Zwergsöhren be- 213 decken cms dem Hochgebirge oft welle Felswände und Stcin-strecken. Sie haben wie die sibirischen Pflanzeukrüppel keinen Stamm, dagegen aber viele dünne zähe Zweige nnd Aeste, mit denen sie sich im Winker über den Voden hin verbreiten. Auf diese Aeste legt sich der Schnee nnd bildet mit ihnen und auf ihnen ein Dach, nnter welchem sich die Gemsen zuweilen bei'm Unwetter verkriechen. „Vist Du wohl zuweilen auf der Gem'jagd gewesen?" „O Jesus Maria! wie oft! Ja ja, wie manche Gams habe ich wohl bei'm „Stutzen" erschossen?" „Was heißt das : bei'm Stutzen?" „Schaun's, Vu'r Gnoadn, das will ich Ihnen saqeu. Wenn die Gemsen gejagt werden nnd wenn sie sich dann erst einmal auf der Flucht befinden, so stauben sie wie die Fcderu, wenn der Sturm sie treibt, über die Verge und Felseu dahin. Wahrend dieser Flucht aber halten sic doch zuweilen ein wenig an, blicken zur Scit'n und recognoöci-ren das Gebiet. Dieß nennen wir das „Stutzen". Den Äugenblick muß der Jäger abpassen nud sie sicher nehmen. Es ist aber nnr ein Moment. Versäumt man ihn, so gehen sie wie ciu Vlitz weiter. — Ach liebe Zeit, wie viel Gemsen habe ich dort an dem steinernen Meere geschossen!" „Gehst Du denn noch zuweilen in jene schroffen Verge?" „Nein, nun nit mehr! D?r Kopf thut's halt nimmer mehr!" „Der Kopf thut's halt nimmer mehr". dieß ist eine sehr gewöhnliche Antwort, die man von alten Aelplern empfangt, wenn sie sagen wollen, dasi sie nicht mehr in die schroffen Verge gehen können. Sie deuteu damit auf den Schwindel 214 hin, der sie im Alter mehr ergveift a!^ ill der Jugend. Ihre Füße sind oft noch stark und geschickt genug, nnd über schwache Veine oder Zittern der Hände beklagen sie sich selten, stets aber über den schwachen Kopf, über die sie anwandelnde Furcht, über den sie mit unwiderstehlicher Zaubergewalt hmabzlehenden Schwindel. Der Schwindel ist die für den Alpcnsteiger schlimmste Gefahr; weder unsere Dachdecker, noch unsere Thurmbauer kennen ihn in dem Grade wie die Aelpler, weil die Abgrunde, welche sie unter sich haben, noch immer unbedeutend sind gegen die furchtbaren Schlünde und Tiefen, die in den Alpen eine» angähnen. Freilich kommt man von einem hohen Thurme herab ebenso gut nm's Leben, wie wenn man vom Dawalaghiri stürzte. Allein der Schwindel bleibt sich keineswegs da überall gleich, wo der Tod gleich gewiß ist, sondern seine Gewalt wächst mit der Idee der Gefahr. Schwindellosigkeit und Muth sind daher dem Alpenstei-ger ebenso nöthig wie Gewandtheit und ein sicherer Gang. Daher wird auch bei einem Bergsteiger immer weit mehr die Schwindellosigkeit mit dem Worte muthig gelobt als seine Gesckicklichkeit. „Der ist ein muthiger Bergsteiger", hört man oft sagen. „Ja aber, der ist noch ein viel kühnerer". „Ja ach und der, das warder toNste und kühnste Bursche, den ich je in den Alpen gesehen habe!" In der That sind die Gebirgswege mitunter haarsträubend, und erst wenn man die Leute zuweilen den Schrecken schildern hört, der sie hier und da ergriff, bekommt man eine rechte Idee uon der Beschwerlichkeit des Lebens in diesen Erdgegenden, woes schon als eine überflüssige und luru- 215 rwse Breite der Fußstege gepriesen wird, wenn sie so breit sind, daß die ganze Sohle des Fußes darauf Platz hat. Gewöhnlich klagt der Alpensteigcr schon nicht, wenn er überall für die Hälfte seiner Fußsohle Raum gewinnen kann. Alles, wcis ich mit dem Perspective besah, begleitete mein Alter mit Anmerkungen ans dem Schatzkastlcin seiner Lebenserfahrungen. „In jenem Eise dort auf der-Mergossenm Alpe," sagte er, „giebt es eine Menge tiefer Spalten, Grotten und Schluchten. Vor längsten Jahren (vor sehr langer Zeit) habe ich mich einmal an Stricken iu cinen solchen Spalt hinabgelassen, weil uns ein Gams'l hineingefallen war. Meine Freunde hielten dcn Strick, nnd ich fano das Gams'l richtig in der Tiefe, wo die Spalte in einer ganz anögewa« scheuen Untcrhöhlung endigte. Es ging hier »men ein sehr siarker Wind unter dem Vise weg. Ja ein Wind war es nicht, sondern ein Sturm, ein furchtbar heulender Sturm, der durch alle Eislöcher hindurch pfiff. Sehr kalt schien er mir aber nicht zu sein. Ich packte das Gams'l, und meine Freunde zogen mich wieder hinauf!" Wahrscheinlich, so dacht' ich bei dieser Erzählung mei« nes Alten, schmelzen diese Stürme das Eis unter den Gletschern noch mehr weg als die Erdwarme. Von dem steinernen Meere aus machten wir einen tüchtigen Satz über einen tiefen Abgrund zum Tmniengebirge. Der Abgrund war der berühmte Paß Lug und das Salza-Thal bis Werfen hinauf. Als Springstecken diente uns wieder dasPcrspettiv, und wir waren nun auf einmal oben auf jenem interessanten Bergstöcke. So wie der Wazmann der pittoreskeste Verg in den« 2N Salzburgischen Panorama ist, so ist das Tannengebirge die entschieden auffallendste, großartigste und imposanteste Masse, die das Auge erreicht. Gs ist dasselbe ein ähnliches, plateauartiges, wüstes Hochgebirgsstück, wie das oben von uns genannte todte Gebirge, wie die Dachsteincr Masse, wie das steinerne Meer, die alle so ziemlich von einer und derselben Formation sind. Auch hat es ungefähr dieselbe Ausdehnung. (5H ist eine vollkommen wüste und unbewohnte, steinige und eisige Hochgebirgsmasse von vier Stunden ^änge und zwei Stunden Breite. In dieser Ausdehnung «st es alls allen Seiten von Flüssen und Thälern rund umher um-flössen, und gegen diese Thäler fällt es überall hin mit furchtbar steilen Wanden ab. Von dem Gaisberge aus stellt sich das Tänncngebirge als eilt imponirmdcs, fast durchweg 7500 Fuß h?h^, viercckigcs Gemäuer dar. Wenn wir den Wazmann mit einer in ihrer Mitte zusammengestürzten Pyramide verglichen, so hat das Tannengebirge etwa die Gestalt einer hohen Königöbnrg, eines alten storentinischcn Fürstcnpalastcö. Nimmt man an, daß der Boden der umliegenden Thäler etwa löooFusi über dem Meere liege (was nicht viel unter der Wahrheit bleibt), so hebe» sich also dic Gemäuer jenes gewaltigen Gebäudes mit einer relativen Höhe von md wenn er sie mir so nannte und mir von ihren Eigenheiten und ihrem wilden Charakter erzählte, so glaubte ich oft, er spräche von wilden „Kampeln" (diesen Ausdruck brauchte er auch oft von den Berggipfeln) und unbändigen Niesen, die im Kampfe mit den Menschen und mit einander gemischt uns umlagerten. 219 Die schönen nutzbaren Alpenwiesen gehen in diesen Alpen bis anf 6N00 Fuß Höhe hinauf. Anch jene Wiese auf dem >'oser, deren ich in Stciermark ge« dachte, mochte so hoch sein. Wie es verwunschene „nd versteinerte Alpen giebt, so giebt es auch hoch gepriesene , sehr berühmte und schön?. So wurde mir z. V. hier in der Gegend die Alpe zwischen St. Johann und dem Gollinger Wasserfall im Salza-Thale (leider habe ich ihren Namen vergessen) oft als sehr schön, gelobt. An der Gränze von Karnthen ist die Kor-Alpe sowohl ihrer schönen krauterreichen Wiesen, als ihrer herrlichen Lage und des heiteren Lebens, welches die Heerdcn und ihre Sennerinnen ans ihr führen, sehr berühmt. Obgleich sie hoch liegt, so ist sie doch gegen Norden durch noch höhere Verge geschützt, und sie blickt hinab tN das reizende Lavant-Thal. Auch im Mur-Winkrl in Sieiermark ist eine Alpe, welche die „Ochsen-Kor-Alpe" heißt und wundcrmzend sein soll. Die Ochsen branchen auf ihr nur ein paar Handvoll Gras zu fressen, um satt zu werden, so saftuoll und kraftig sind die dortigen Kranter. Das Vieh dieser Alpe soll besonders stark und groß sein. Je höher die Alpen liegen, desto schöner und kräftiger ist in der Regel das Gras, zugleich aber auch feiner und kürzer. Das feinste uud schönste Gras wird in der Negcl den Ziegen zu Theil, welche auf die gefährlichsten Felsen gehen. Indeß sind auch die Alpenkühe und Alpenochsen natürlich viel geschickter im Klettern als das Vieh in der Gbene, wie denn überhaupt alle Alpenthiere 220 ganz besondere Eigenschaften haben. So z. V. sagten mir die Alpenjäger oft, daß sie die Hunde der Ebene, so trefflich sie auch sonst sein mögen, gar nicht brauchen können, aus vielen Gründen, besonders aber auch deßwegen, weil die Haut ihrer Fußsohlen zu zart sei und auf den Felsen gleich blutig werde. Alle Alpenhunde hatten eine besonders vcvh.ntete Sohle. Die Kühe und Ochse« haben sich oft an äußerst steilen Wänden seit alten Zeiten Wege ausgetreten, die sie mit Sicherheit bewan-deln, oft mit größerer Sicherheit als der Mensch, da sie nicht so sehr am Schwindel leiden. Ich sage: nicht so sehr, denn die Aelpler behaupten, daß doch auch das Vieh nicht ganz frei von einer Anwandlung von Schwindel sei. Sie furchten sich oft bei gefährlichen Stellen und „gerathen mitunter in's Zittern." Am dümmsten sind die Schafe bei'm Besteigen der Verge und in manchen Gegenden gar nicht zu halten. Man findet sie meistens nur in den Vorbergen der Alpen. In felsigen Gegenden ist es vorgekommen, daß, wenn der anführende Widder das Unglück hatte, „abzustürzen", die ganze dumme Heerde sich ihm freiwillig nachstürzte. Auch wissen sie sich sonst in vielen Verlegenheiten nicht zu helfen. Die interessanteste Bemerkung aber, die ich an dem Al> penvieh, namentlich im Gegensatz zu dem Niehe, das ich in den Sümpfen, Steppen und Waldern Ungarns gesehen hatte, gemacht habe, ist die seiner großen Gutmüthigkeit und Friedfertigkeit. Wahrend es in Ungarn auf andere lebende Wesen eingehetzte Büffel und Schwemeheerden giebt, wahrend auch die Rindviehhccrden besonders schcu und wild sind, erscheinen 221 die Alpenrinder nicht nur ganz unschädlich, sondern bei der sorgsamen Pflege und Erziehung, die sie empfangen, haben sie, wie eS scheint, anch einige gnle psychische Eigenschaften von dem gutmüthigen Volke der Aelpler angenommen. Ich will hier das Wenige, was ich entweder selbst in dieser Hinsicht gesehen habe, oder was mir über dcn Charakter des Viehes von den Aelplern mitgetheilt wurde, in Kürze zusammenstellen. Vor allen Dingen fallt jedem Fremden der Mangel an Scheu, ja, ich möchte sagen, eine gewisse zuthätige Menschenfreundlichkeit bei den 'Alpenkühen auf. Ohne Furcht kann i»an in der Negcl zu ihnen hmtrcten, — in der Negcl sage ich, denn natürlich giebt's auch Böse unter ihnen. Streichelt man sie, so lassen sie es ganz ruhig gewahren, hören auf zu fressen »nd blicken sich langsam und mit einem entschieden sanften Ausdruck nach dem Fremdling um. Dieß habe ich selber oft erfahren. Der Professor Schotky aber, ein großer Kenner der Alpen, geht noch weiter. Er sagt? „ Wenn Fremdlinge auf selten betmene Wcidetriften kommen, so eilt das gutmüthige Vieh, gleichsam wie begrüßend, auf sie los, schmiegt sich ihnen im buchstäblichsten Sinnv ucugierig und schmeichelud au und ist oft menschenfreundlicher als der Gast selbst, so daß man in Versuchung geralh, manche schlanke, zarte Kuh für die Hülle einer verzauberten Prinzessin zu halten." Die milderen Sitten des Menschen gehen hier, wie überall, auf die Thiere, welche er in seine Schule genommen hat, über. So ist vielleicht auch, wie ich oben schon andeutete, die Gesangliebe der Sennerinnen nicht ohne Ginfluß 222 auf ihr Viel) geblieben, das dem Gesänge gern zuhorcht, wie dieß mit Gewißheit daher angenommen werden kann, daß es während des Gesanges bei'm Melken ruhig steht. Den Muth ihres Viehes bei Erkletterung schwieriger Gebirgswege, bei heftigem Unwetter, bei Bedrohungen von Seiten wilder Thiere loben die Sennhirtm oft. — Doch nehmen sic an den Tugenden des Menschen Antheil, so ist es natürlich, daß sie auch einigen menschlichen Schwachen unterworfen sind. Sind sie des Muthes fähig, so ergreift sie auch oft die Entmuthigung, die Furcht und Feigheit und der daraus herzuleitende Schwindel. Sü wie die Sennerinnen ihr Vieh durch den steten Gesang «nd durch die wohlklingenden Glocken und Schellen, die sie ihnen umhängen, mnsikUebend gemacht haben, so haben sie es auch durch ihr beständiges „Krankn" zur Eitelkeit verführt, die bei den Abfahrten von der Alm, bei welchen die Kühe in ihrem brillanten Blumen- und Vanderschmuck stolz einherschreiten, besonders sichtbar wird. Daß es die giftigen und schädlichen Krauter bei'm Weiden vermeidet, ist ein natürlicher ihm nicht dxrch den Menschen gewordener Instinct, den eö selbst mit dem barbarischesten und uncultivirtesten Vieh der Steppen theilt. Dagegen ist seine Sehnsucht nach den Bergen, die es im Frühlinge selbst in den Stallungen, wcnn es hört, daß die Sennerin lhre Gerathschaften zur Alvcnauffahrt ordnet und die Heerdenglocken hervorstecht, schon einige Tage vor der wirklichen Abreise so deutlich zu erkennen giebt, wieder etwas Anerzogenes, den jungen Kühen geben die Sennerinnen zuweilen Mädchennamen; „Liesel, Gusti, Miedl" stnd solche, und 223 den Stier nennt man in einigen Alpengegenden den „Kuh-bnben" (Kuhbua), worin sick zeigt, daß auch von den Hirten das in die Psyche des Viehes eingedrnngene menschliche Element anerkannt wird. Nördlich vom Thorsteiner Gletscher erblickte man wieder das todte Gebirge, und endlich schloß sich dann hier der prachtvolle Gesichtskreis an das österreichische Alpenvorland an, auf dem wir nnsere Augen ein wenig ausruhen ließen, um dann unsere Hinabführt anzutreten. „Wenn's Ihna gleich sieht," sagte mein Alter, „so gehen wir hier diesen Weg herab, der freilich elwas unbequem, aber kürzer ist."----------Ich war gern damit zufrieden lind merkte mir die Gebirgsredensart: „Wenn's Ihnen gleich sieht," die ich hier schon mehre Male gehört hatte und die so viel bedeuten soll als „wenn es Ihnen gefallt." Gs giebt eine Menge solcher besonderen Redensarten in den Bergen, und man nennt sie deßwegen „Gebirgsredens-arten," weil sie oft nur rin sehr geringes Verbreitungsgebiet haben, oft nur in einem Thale zn Hause sind. Jene salzburgische Gebirgsredensart könnte oft wunderliche Qui-proquos hervorbringen; z. V. aus einem Viehmarkte könnte Jemand den Anderen, ohne eiwas Arges zusagen, anreden: „Nun, kaufen Sie mein Vieh, wenn's Ihnen gleich sieht." Auch sprechen sie wirklich so. Der Gipse! deö Gaiobcrgcs ist völlig kahl und nn fast von allen Seiten ziemlich schroff ansteigender Kegel. A» den Füßen dieses Kegels, da, wo er auf dem hohe» Bergrücken anfsitzt, liegt eine große Sennwirthschaft, und hier fängt die Bewaldung an, die aber auf anderen Stellen auch M4 noch welter hinaufgeht. Weiter unten lichten sich die Vaumgruppen mehr, und auf einige» bequemen Terrassen des Verges trifft man schöne Vaucrnhöse uud Ackcr-wirthschaften. Es giebt dann wieder einige waldige Absätze, deren Väume sich allmählig zu hübschen und mit künstlicher Berechnung zusammengestellten Gruppen formiren. Die wilden Gewässer sind hier und da künstlich geleitet zu Wasserfallen und Cascaden, von Fels zu Fels führen Brücken und bequeme, gebahnte Wege, die am Ende sich verbreiten, vermehren und zu schönen Blumenbeeten führen. Kurz die ganze wilde Naturscenerie zieht sich zusammen und ordnet sich zu einem schönen Garten, in dessen Mitte die Quelle des Verges in einer eleganten Fontaine emporspritzt, deren Wasser trotz der> vielen staubigen und schnulzigen Wege, die es vom Verge herabwandclte, wunderbar ungetrübt und krystallhell ist, ebenso wie man auch mitten in der Kunst und Künstelei unseres geselligen Zustandes und trotz der schnulzigen nnd staubigen Wege des Lebens die Tugend oft so krystallrein lind ungetrübt emporsprudeln sieht. Es war der Park Aigen, der dem regierenden Fürsten von Schwarzenberg gehört, dessen Bruder Erzbischof von Salzburg ist. Mein alter Aelpler trennte sich hier in der Ebene von mir und ging in seine Berge zurück. Ich erholte, mich noch etwas bei einem Glaschen Limonade in dem schönen, dem Publicum geöffneten Parke und sah dem Spiele der Fontaine zu, die aNe Grashalme umher die Priesnitz'-sche Vadecur brauchen ließ. Diese Grashalme müssen sich wundervoll gesund fühlen; denn kaum stud sie trocken geworden, so dreht sich der Wind wieder ein Bißchen und 225 überschüttet sie von Neuem wieder mit einem Regenbade trefflichster Wassertropfell. Non Aigen führt mm noch ein bequemer, anmuthiger Weg nach Salzburg selbst, uicht weit vom rechten Ufer der Salzach. Dieser Fluß war hoch angeschwollen und brauste wild in seinen Usern. Es war eine große Wirkung vieler kleiner Ursachen. Alle die kleinen Regentropfen, die ich oben in den Gebirgen herabfallen sah, alle die vielen kleinen Nasftrkügelchen, die durch die Höhlen trauselten, oder im Moose und Grase von einem Grashälmchen zum anderen überschlichcn, waren es, die hier zu einem so tobenden Strome vereinigt waren. In dem Theile von Salzburg, in den man von Aigcn aus gelangt, giebt es wunderliche Situationen von Hausern, die sich hier an einer äußerst schmalen Straße zwischen der schroffen Wand deö Kapuzinerberges und dem Flusse zusammendrängen. Die meisten dieser Häuser benutzen die Felsmauern als Hinterwand, und mancheS Etubenfcnster hat hier keine andere Aussicht als die in eine sich halb um das Haus herum wölbende Felsenhöhle oder Nische. Ich hatte oben auf den Vergen so viel mit dem lieben Vieh verkehrt, daß ich mich unwillkürlich zum goldenen Ochsen hingezogen fühlte. Doch hatte ich, wie ich welter unten erzählen werde, auch uoch eine andere Ursache, in diesem Wirthshüuse mein Domicil zu nehmen. V. lö Salzburg. Ich glaube, baß schwerlich irgend cln deutsches Land in dem ersten Iahrzehend dieses Jahrhunderts, wo die deutschen Länder so oft zerstückt, durcheinander geworfen, zusammengesetzt und anders und wieder anders zurecht geschnitten wurden, in so «ieler Herren Hände gerathen ist als Salzburg. Von 1800 bis i»02 gehörte es noch einem unabhängigen geistlichen Neichsfn r st e n. Von 1802, wo dieser — ein Colloredo — resignirte, bis 18«» wurde es dem Erzherzog Ferdinand für Toscana als Her« zogthlim gegeben, von 1805 bis 1809 war es öster» reich isch, 1809 wurde eine provisorische französische Regierung hier errichtet, 1810 wurde es Vaiern tncorporlrt, 1815 aber wieder an Oesterreich abgetreten. Binnen 15 Jahren hatte dieses Ländchen mithin nicht weniger als sieben, zum Theil sehr von einander verschiedene Regierungen. Je liefer man in den jetzigen schönen, einförmigen Frieden hinein kommt, desto wunderbarer erscheint einem jene rauhe Zeit, in der die Lander und Völker so wild durcheinander geworfen wurden. Salzburgs goldene Zeit, die Zeit seines Glanzes, sei-» neö Reichthums, an welche die Alten unter seinen Cinwoh- 2Z7 nern noch mit großer Vorliebe und Zärtlichkeit zurückdenken, ist die alle Reichszeit, wo die Erzbischöslichen Liebden über das Land noch milde (mit A»snahme ge.M die Protestanten, die sie vertrieben) regierten, diese berühmten Salzbur-gischen Grzbischöfe, die sich drn deutschen Kurfürsten an die Seite stellten und in manchen klciücn Puncten sogar noch über diesen standen. Sie walteten über diesem reizenden Gebirqslandchen vom Jahre 798 (in welchem VilchofÄrno erster Erzbischof wurde) bis 1802 gerade ein ganzes Jahr« tausend. Während dieser Zeit gab es 64 Fürsten. Aus das Regiment eines jeden kommen also durchschnittlich il Jahre. Wenn man bedenkt, daß die Erzbischöfe doch immer im spä« ten Lebensalter zur Regierung kamen, so erscheint diese durchschnittliche N^ierungsveriode ziemlich lang und spricht wohl für das Glück »nd den Frieden des Regiments. Unter diesen Erzbischöfen waren Mitglieder aus den ersten baier'schen und österreichischen Familien, Wittelöbacher. Volkerödorfer, Schaumberge, Starhemberge, Kuenburge, Thune, Harrache, Lichtensteine:c. —> dann aber auch bcü-er'sche und österreichische Prinzen, sogar Herzöge von Schlesien, Prinzen von Böhmen, Markgrafen von Meißen, Herzöge von Karnthen?c. Noch jetzt ist der Erzbischof von Salzburg einer der ersten Geistlichen der ganzen österreichischen Monarchie, wo nicht geradezu der allererste (neben ihm der Primas von Ungarn, der Grzbischof von Ollmütz :c.). — Er hat noch jetzt den Titel Primas von Deutschland (ich mochte wift sen, wie viele Deutsche wohl den PnmaS von Deutschland glelch, ohne sich zu besinnen, nennen können?) und ist ,5* 228 !, Treppen, bei den 23t Ctraßenkegeln ,c. angewandt, und wahrlich kein Mensch wird ihn für eine architektonische Zierde der sonst allerdings so hübsch gebauten Stadt halten. Es ist überhaupt keineswegs Alles schön in dem schönen Salzburg. Die für Naturschönheiten begeisterten Leute, welche hier im Sommer von allen Seiten Deutschlands zusammenströmen, sehen in Salzburg und seiner schönen Umgebung im Ganzen weiter nichts als eine prachtvolle Decoration, die sie an der Hand eines Cicerone's beschauen und bewundern. Daß aber auch Menschen in diesen Dccoratio-mn wohnen, und wie sie darin wohnen, leben, sich freuen und leiden, fällt den Wenigsten ein, einmal in Ueberlegung zu ziehen. Man kommt nach Salzburg, um seine wollüstigen Neisctriebe, seine Schalllust und Neugierde zu büßen. Ob diese Stadt auch ihre Sorgen, ihre Noth, ihre eigene Lust und Freude habe, danach fragt Niemand. Eö ist Alles nur ein Schauspiel. Einen Theil dieser wollüstigen Neugierde hatte ich schon auf einer früheren Ncisc in Salzburg abgebüßt, und ich bekümmerte mich daher dieß Mal weniger um die vielfach besuchten großen Merkwürdigkeiten diefer Stadt als um manche Kleinigkeiten, die sich ans Sitte und Leben ihrer Bewohner bezogen und die man gewöhnlich übersieht. Natürlich konnte auch ich mich nur auf Einzelnheitcn beschranken, wie ich denn überhaupt auf meiner ganzen Neise nirgends den Plan hatte, das Ganze erschöpfend kennen zu lernen und darzustellen. Ich sage, keineswegs ist Alles schön in dem schönen Salz< bürg; vielmehr siel mir daselbst außer jenem häßlichen Bau» 232 steine noch manches andere Unangenehme auf, freilich auch außer jenem schönen Marmor auch noch manches ander? Schöne. Von beiden hatte ich gleich an dem ersten Tage meiner Anwesenheit ein Probchen. Ich sah etwas Trauriges und etwas Erfreuliches, jenes in dem Hause der Freude, im Theater, dieses in dem Garten der Trauer, auf dem Kirchhofe. In's Theater gmg ich gleich den ersten Abend. Es wurde die „Entführung vom Maskenball" gegeben. Das Haus war sehr voll, und das Vergnügen, welches das gebildete Publicum einer so berühmten deutschen Stadt an die« sem schlecht «erfaßten und noch schlechter aufgeführten Stücke nahm, machte mir Schmerz. Die Witze und Anspielungen, welche sich dic Schauspieler erlaubten, waren oft zum Erröthen plump und gemein, und ich mochte zuweilen nicht einmal auf die Vühne blicken, so erbärmlich war die ganze Action. Sogar ,,das Slubenmadl" wurde ganz unglaublich schlecht gegeben, obgleich doch diese Nolle jedes österreichische Mädchen in der Negel gut zu spielen weiß. Nichtsdestoweniger fand das Publicum AlleS zum Vcklalschcn. Nur zwei zürnende Gesichter fand ich noch neben mir, die sich zuweilen mit Verachtung umblickten und über den herrschenden Ton mit Mienen und Geflüster zu scandalisin'n schienen. Sie gehörten zweien Damen aus dem Gefolge einer gerade im Orte anwesenden norddeutschen Prinzessin. Dürfte ich den Geschmack des Salzburger Publicums nach dieser Vorstellung beurtheilen, so müfjte ich ihu für äußerst schlecht erklären. Ich denke mir, daß hinter dem Publicum, welches ich hier versammelt sah, noch ein anderes in Salzburg lebt, welches an solchen Vorstellungen keinen Antheil nimmt und 233 darüber zürnt, wie wir es thaten. Die Naume des Theaters waren außerordentlich klein, und ich nahm mein Perspectiv verkehrt mit dem Objectiv-Glase vor die Äugen, um mir die Personen und Schauspielerin gehöriger Entfernung zu halten. Am anderen Morgen aber, wo ich auf den Kirchhof der Stadt Salzburg ging, kehrte ich daö Ocular-Glas wieder dem Auge zu. Denn ich muß gestehen, daß dieser Salz-burgische Kirchhof einer der interessantesten ist, welche Deutschland besitzt, und zwar ist er in ft hohem Grade schön und malerisch, daß ich es nicht ehrenvoll für unsere Maler halte, daß sie uns nicht längst einen Pracht-kupferstich oder ein Preisgemälde von diesem Kirchhofe gegeben haben, deren sich hier mehr als eines gewinnen ließe. Es befindet sich derselbe neben der Petri-Kirche und breitet sich, wie auch wohl andere deutsche Stadtkirch-höft an der Stadtmauer hin, die sich um ihn herum schlingt. Hier ist diese Stadtmauer aber die 400 Fuß hohe schroffe Wand des VergdammS, der in engerem Halbkreise die Stadt umzingelt. In der Mitte des Kirchhofes, dessen Voden nicht vöNig eben ist, liegt die älteste Kirche Salzburgs, die Margarethen-Kapelle, ein uraltes festes Gebäude in gothischem Style mit spitzein Dache. Die italienischen Dächer muffen erst später in Salzburg eingeführt worden sein. — An der Felswand führt aus Treppen ein Höhlenweg zu verschiedenen Felsgrotten hinauf, in denen der heilige Marimus gelebt haben soll. Odoaccr, der König der Nmhenen, die Ungarn, die Gothen, Gepidcn, Heruler stürzten den Marimus und seine 50 Genossen, die von ihnen ermordet wurden, von dem Felsen hinab, sagt die Inschrift: Olloacer rex Uxtlic-. 234 norum, Ungari, Gothi, Gepuli, Hcruli Maximum et 50 socios trucidatos praecipitaverunt. Auch diese ganz nahen Höhlen-Kapellen gehören mit zum Kirchhofe. Den Fuß der Felswand bekränzt rund umher eine Neihe von Kapellen, in welchen die Todten beigesetzt werden. Außerdem begräbt man sie in der Margarethen-Kirche und dann unter freiem Himmel überall auf dem Voden des engen Gottesackers. Jede deutsche Stadt hat andere Gebräuche und Sitten in der Beisetzung ihrer gestorbenen Bürger. Hier hat sich die Sache auf eine Weife gemacht, die so malerisch ist, als möglich. Die Todten-Kapellen sind voll mit Inschriften, Tafeln und Monumenten, denen auch noch gewöhnlich blühende Blumen und Pflanzen ln Töpfe» beigefügt sind, so wie kleine zierliche, schwarz umflorte Kreuchen aus Holz. Beide, dle Kreuze wie die Blumen, werden von den from« men Hinterlassenen der Verblichenen ;u Zeiten (vielleicht an den Todestagen?) in dankbarer Erinnerung erneuert. Im Hintergrunde der Todten-Kapelle ist eine Art von Altar errichtet. Vor diesem Altare ist in einigm Kapellen eine Reihe von kleinen viereckigen, schwarz angestrichenen Kapseln befestigt, in denen Todtenköpfe liegen. An den Kasten sind die Namen Derer geschrieben, dene» die Köpfe gehörten. Nenn die Todten nach langer Zeit wieder allsgegraben worden waren, um anderen Leichnamen Platz zu machen, so stellte man ihreKöpfe in den Kapellen zum Andenken und zur Verehrung auf. Von der Kapelle gehen (hänge rings herum, und einige Stufen, auf denen gewöhnlich Veteude liegen, führen zu den eisernen Gittern, mit denen der Eingang verwahrt ist, jedoch so, daß nichts von dem Inneren verdeckt 235 wird. „O daß Ihr weise wäret und verstandet, was Euch hernach begegnen wird!" las ich unter einem dieser Todtenköpfe, dessen bleiche Knochen sehr eindringlich das Verständniß dieses Spruches eröffneten und an dasuiclnento mori erinnerten. Auf dem Kirchhofe selbst werden die Gräber nach Salzburger Weise mit schwarzen hölzernen hohen Kasten bedeckt, die mit Erde gefüllt sind. Man pflanzt Blumen hinein, oder belegt auch wohl die Oberfläche der Grde mit einer Art von Stein-Mosaik. Auf der einen Seite des Kastens steht ein Kreuz, auf der anderen ein Schild mit dem Namen des T odten und daneben ein marmornes Necken mit Weihwasser. So früh es auch noch am Tage war, so fand ich doch schon einen Greis auf dem Kilchhofe. Er war ärmlich, aber sauber gekleidet. Mit ernster, frommer Miene stand er betend da, indem er seine Mütze zwischen den gefaltete,, Händen hielt und ste an den Mund drückte. Ich fragte ihn, ob es seine Ver-lvandtcn wären, an deren Grabe er bete. Er verstand mich nicht, weil er harthörig war, und hielt mir das Ohr nahe heran. Ich schrie ihm die Frage noch einmal zu. „Ach nein, Herr! nein, meine Wohlthäter sind's! Wohlthäter, Herr? Sie haben mir viel Gutes gethan, und nun bete ich für sie/' Ich las die Grabeöinschrm des edlen Mannes, für den die frommen Leute beten. Sie lautete: „Da ruht in lieben Fricbcn „In (Aott selig verschicdcn „Dcr cdle fcstc Hnr „Vom innern Bürgerrath „Wohlwciü' in Rath und That. „Fragst, Lcscr, wcr er sei, „Scin Name war Christian, 239 „Der Zuname Paurnfcind, „Gewcstcr Handelsmann, „Die Waaren abcr scin „Gcwescn Spcccrein." Es dauerte nicht lange, so kam auch eine alte Frau hcr-> angehumpelt und machte sich auf den Gräbern zu schaffen. Es war ein sehr kühler Octobermorgen. Nichtsdestoweniger aber streckte sie ihre alte zitternde magere Hand hervor, schöpfte das kalte Weihwasser mit ihr, trug es zu der Margarethen-Kapelle und spritzte es durch das eiserne Gitter derselben auf die Gräber, die darin in großer Menge standen; dann trug sie vorsichtig auch etwas Wasser auf ein Grab links von der Kapelle und bespritzte eö, so wie auch ein anderes rechts von der Kirchenthür, indem sie dabei betete. Sie machte dieß Alles ft leise und still, und ohne sich um mich zu bekümmern, daß ich wohl sah, es sei ihr Ernst. Ich trat zu ihr hin und fragte sie, warum sic gerade diese Graber aussuche, ob ihre Verwandten da ruhten. „Nein, Herr," antwortete sie wie der Alte, „Wohlthäter sind's! Wohlthater, Herr. Vergelt's ihnen Gott, was sie an mir gethan haben. Jener war ein Domherr, und diese in der Kapelle eine Grafin, die mich immer unterstützt haben. Der Domherr war reich. Er hatte sein Grab auch wohl in der Kapelle haben können. Aber er hat lieber zwischen all den Anderen liegen wollen. Sie haben nur vicl Gutes gethan, und ich komme alle Woche» einmal her und besprenge ihre Graber mit Weihwasser, von dem man sagt, daß es ihnen Linderung im Fegefeuer schaffe. O ich sprengte alle den Anderen umher auch recht gern. Aber für anen Jeden ertra zu sprengen, cö thut's halt nit. Da snchc ich denn mir meine 237 Wohlthater heraus. Sonst kam ich jede Woche zweimal. Aber es thut'S halt nit mehr. Ich werde alle Tage älter, und seit einigen Jahren, seitdem ich mich mit dem schweren Eisen so start uerletzt habe, fühle ich mich b'snnders schwach." „Mit welchem Eisen habt Ihr Euch denn verletzt?" „Ja schaun's, i backe nämlich hohle Hippen. Werden's ja wohl kennen. Es ist halt an gustiöses Gebäck. Man ißt's hier in Salzburg gern zur Sülze und zur g'faumten Milch. Kennen's die nit, die hohlen Hippen? Nu, schaun'ö. Dazn hat man a schweres Eisen nöthig, und das siel mir vor einigen Jahren von einem Schrank auf die eine Hand und auf d' Ficß'. Seitdem bin i schwach. I thue mich wohl immer noch a Visu abmartern, aber i kann nir mehr Sonderliches z' Wege bringen. Ich muß alle Augenblicke rasten, bis ich wieder backen kann. Seitdem Haben's mir auch aus der Armenkasse 2« Kreuzer Zulage die Woche 'geben, und damit kann ich denn wohl bestehen." „O ich könnte sehr gut b'stchcn, wenn ich die Erbschaft meines Bruders in Seewalchen kriegt hatte. Der starb vor einiger Zeit und hinterließ mir 500 Gulden. Ich war selber hlnaus, aber ich habe nichts kriegt, i weiß halt nit, warum. Mein Reisegeld hatte ich verzehrt und hatte weiter nir als drei Sechser. Damit habe ich ham reisen müssen. Und doch ist Scewalchen sehr weit von hier. Es liegt nahe bei Feglebruck, noch über Hainichenpriem hinaus, nicht weit von —Na, wenn Sie schon so weit g'rcist sind, werden's ja wohl wissen, wo Smvalchen liegt. DaS hieße wohl Wasser in die Salza gießen, wenn ich Sie noch darüber belehren wollte. — Na lebeu'S wohl, man Herr. Ich muß bald 238 meine hohle Hippen zu backen anfangen, und ich habe dort noch ein Grab zu begießen. V'hüt Ihne Gott." Meine Alte hinkte still davon und legte sich bei einem anderen Grabe nicderzumVete». Ich dachte, daß, wenn mich gestern der schlechte Geschmack des TheateV>ublicnms von Salzburg betrübt hatte, ich mich heule durch den frommen Sinn seines Gottesacker-Publicums als entschädigt ansehen könnte. Dieser beschriebene Gottesacker heißt derPelri - Kir ch-h o f. Ein anderer nicht weniger interessanter Salzburgischer Kirchhof ist der von St. Sebastian. Ich sah hier das kürzeste Epitaphium, welches ich noch in meinem Leben gelesen habe. Es hieß: ,M ist genug!" (8ut e«t!) Es stand auf dem Grabmale eines alten achtzigjährigen Mannes und noch dazu eines vom Schicksal ans seinem Vaterlande Vertriebenen, des ,,D. ^mlirolim« cle ?lux»olt» (^rolo V. lli-s^amlirum I^Fl » secretls l'l-inci^x?« Hi^^lln» ^asuorunt. 0 ci-ilx ave, 8^e« nnica!" Diese spanischen Prinzen lebten nämlich hier in Salzburg, wo sie jetzt ihre Erziehung beendigt haben, unter der Führung jenes Greises. Ein anderer noch berühmterer Fremdling und Erilirter, der hier in Salzburg vor langen Zeiten iu einem Gasthanse starb, liegt gleichfalls auf diesem Kirchhofe begraben, nämlich kküippuZ ^.ure0lu8"lIl6ti^l,lN8tn8 ?ilr!t<:e!8U8 Üomda8tu8 !lr38t„3 ?cll-Icl?i8!!8, der einen so außerordentlichen Welmchm dnrch sein chemisches Gold erlangte, bis er wiederum mit seiner 239 Haut umgeben werden wird." (pkili^i l'IieoplirÄstl ?»ra-cels!, c>ui tantain nil^iz fnincliu ox 2uru cliimicn alleritn« o»t, efü^lez et «88», lionoc i-ursu» circumllabitur pelle 8l>a.") Nach diesem Angenehmen begegnete mir wieder eine Salzburgische Unannehmlichkeit, nämlich ein „Fere," klein, krüp« pelhaft, kropfig, krummbeinig, schwächlich und alt. Man hatte ihn vor einen kleinen Wagen gespannt, auf dem er einige leere Fässer, ich weiß nicht, wohin transportirte. Einige Knaben waren um ihn herum und nccklen ihn. Er machte ihnen drohende Mienen und knurrte sie an. Ich trieb die Knaben weg uno schalt sie. Dafür machte er wieder Mienen und knurrte mir Dank zu. Sprechen konnte er nichts. Hinterher nahm er seinen Hut ab, hielt mit seinem Wagen stlll und machte Bewegungen, ans dciien ich verstand, daß er wünschte, ich sollte die Knaben auch noch prügeln. Ein Salzblirger Freund, der mich begleitete, erwählte mir, im vorigen Jahr? habe dieser Fere einen Knaben niedergeschlagen und mit Schlagen nicht eher aufgehört, als bis er ihn für todt gehalten. Mit Mühe habe man den Knaben wieder in'S Leben gerufen. So schwach sie scheinen, so sind die Feren doch oft riesenstark, besonders wenn sie in Zorn gerathen. In der Regel sind sie klein, doch als Ausnahmen giebt es auch sehr große. Hier in Salzburg war sonst einer von 5 Fuß und 9 ZoN Lange. Meistens sind sie häßlich, aber als Ausnahmen giebt eö auch hübsche. So war hier sonst einer, der einen wahren Nömcrkopf hatte; nur besaß er auch den blöden geistlosen Blick, der alle Feren auszeichnet. Uebrigcnö hat fast jeder Fere seine besondere Physiognomie , wie es denn überhaupt fast ebenso viele 240 Stufen, Grade und Ejgenthümlichlcitm dieses Uebels als Individualitäten giebt, die damit behaftet sind. Die mit dem höchsten Grade von Cretinismus behafteten sind keiner (wncipirung und keiner Fortpflanzung fähig. Die geringsten Grade sind es, doch kommen ihre Kinder unter allerlei üblen Umständen zur Welt und werden meistens todt oder doch so schwächlich geboren, dasi sie bald hinsterben. Die Fenn vom höchsten Grade sind in der Regel auch stumm und weniger Affcttc fähig. Man kaun bei ihnen die Aeußerungen der Freude und des Schmerzendes Weinens und des Lachens nicht mehr unterscheiden, und viele sind so» gar kaum einer natürlichen Bewegung ihrer Glieder fähig. Sonst qab cS mehre „Pracht-ssremplare von Fenn," wie mein sehr für die Sache cingeuommcuer Freund sich ausdrückte, in Salzburg. Dieselben hatten alle lange brillante Namen. Glücklicherweise sind sie jetzt verschwunden. Jeder hatte sein Eigenthümliches, und es ist allerdings Schade, daß sie verschwunden sind, ohne in einem deutlichen und ähnlichen Portrait der Nachwelt überliefert worden zu sein. Mem Freund hatte viel übcr sie gesammelt, allein Bescheidenheit hielt ihn zurück, mit der Publication des Gesammelten hervorzutreten, weil er meinte, noch nicht AllcS gehörig begründet und genau genug erörtert zu haben. Ich sagte ihm, gewiß würde man ihm auch für weniges Licht, das er über diese noch immcr complicirte und dunkle Materie verbreiten könnte, danken. Auch hier in der Nähe von Salzburg wurde mir ein Bauerngut cinrt, auf dem die Leute in der drillen Genera- 241 tion zu Fenn werden sollten. Die ersteren werden stumps, ihre Kinder blöde, und ihre Gukel verferen vollkommen. In Tirol werden bic Fercn auch „Lappell" (sprich Loappen) genannt. Das Masculiuum heißt „ein 5!appc," das Femininum „eine Lappin." Auch „Tappen" hört mai, sie zuweilen uenueit, und in Kamthen ist auch das Wort „Tosten" gebräuchlich. Auch mehre „Halbertc Fexen" (Halbcretins) sah ich in Salzburg. Sie haben alle besondere Eigenheiten und gewöhnlich irgend einen Tick. So z. V. kann der eine nicht leiden, daß man den Namen Napoleon's nenne, weil er ihn glüheud haßt und beständig auf ihn schimpft. Einem anderen darf mau nicht das Zeichen des Kreuzes vormache», wenn man ihn nicht außer sich bringen will. Diese „halberte Feren" sind zuweilen sehr gesprachig, und manche halten einem mitunter lange Reden, freilich mit so wunderlicher, verdorbener und unarticulirter Aussprache, daß man keln Wort davon versteht. Einer erzählte mir lange von einem schönen „gelben Sande," den er sehr pries. Es kam mir vor, alö meinte er Goldsand. Manche von ihnen haben ein sehr zähes, abcr immer einseitiges Gedächtniß. So gab es sonst einen in Salzburg, der den ganzen Kalender und alle seine Heiligen auswendig wußte. Man konnte ihn so fragen: „Was für ein Heiliger wird sein in ^Monaten 2 Wochen und5,Tagen? Welche»Heiligen hatten wir vor,1?Wochen uud 3 Tagen?" Er beantwortete diese Fragen sogleich. Sonst wußte und verstand er aber nichts. Mein Cretin fuhr mit seinen Wasscrfafsern vor die Reitschule, zu der auch ich gerade eilte, um hier wieder ^ 16 242 etwas Erfreuliches zu beobachten. Diese Reitschule nebst ihren Stassungen besteht aus großen schönen Gebäuden, die von einem der früheren Erzbischöfe errichtet wurden und die ich hier nicht schildere, weil sie ihrer Großartigkeit wegen berühmt und genugsam bekannt sind. Ich meines Theils besuchte sie der ungarischen Husaren wegen, welche hier ihre Pferde stehen haben, ihreNeitübungen halten und vor allen Dingen ihre Thiere schulen und erziehen. Die meisten dieser Pferde erhalten sie so roh und wild, wie sie in den Steppen laufen, und man muß die Geduld, Liebe uud Aufmerksamkeit bewundern, mit der sie diese unbändigen Thiere behandeln. „Diese wilde» Pferde," sagte mir ein ungarischer Unteroffizier, „sind wie die Kinder, und sie müssen mit der größten Gelindigkeit und Liebe behandelt werden, wenn man ihren Charakter nicht ganz störrisch machen und verderben will. Ja sie sind noch deli-cater und empfindlicher als die Kinder, denn man kann sie nie strafen, wie man das doch mit einiger Consequenz bei diesen thun kann. Unsere Leute müssen sich Alles von den Pferden gefallen lassen, die oft sehr böse, bissig und schlaglustig sind. Und sie dürfen sie nicht nur nicht wiederschlagen, sondern es ist sogar cmf's Strengste verboten, ihnen nur ein böses nnd barsches Wort zu sagen. Selbst auf ein solches Scheltwort steht für den Soldaten Etockstrase." Es war erst vor Kurzem ein Transport von 65 frischen Pferden angekommen und zwar aus der Bukowina. Sie waren meistens russischer und walachischer Race, rauhhaarige, magere und unschöne Thiere. Da sie auf den Steppen aufgewachsen sind, wie die Vanme im Walde, und da sie 24j selbst ihre Reise dllrch das österreichisch? Kaiserlhum, wie eine Heerde Schaft getrieben, ohne Zaum und Zügel gemacht haben, so müssen sie natürlich erst an Alles gewöhnt werden, an das Stehen im Stall, an die Halfter, an den Zügel, cm den Sattel, an den Menschen, an das geregelte Gehen und tausend andere Dinge, von denen unsere Füllen schon gleich im Stalle einigermaßen einen Vegriss bekommen. Sie sind in dem engen Käfig ihres Stalls so unbeholfen und bäurisch dumm, daß sie nicht einmal auf die Seile zu gehen wissen, wenn der Stallknecht herantritt, um etwas bei ihnen zu verrichten; entweder schlagen sie nach ihm, oder, sie bleiben wie die Bildsäulen unbeweglich. Es ist feine Sache, zu sehen, wie er sie mit Güte ein wenig auf die Scitc schieben könne. In der That, es ist merkwürdig, diesen ungarischen Stallknechten bei ihrem Verfahren zuzusehen. Ich beobachtete einen, der einem dieser Thiere die Füße waschen und ihm zugleich das ruhige Hinhalten des Veins zum Zweck des späteren Hufbeschlages beibringen wollte. Vei'm Kopse finger an, kraute ihm hinter den Ohren, klopfte ihm schmeichelnd auf den Hals, streichelte ihm die Vrust, das Vein hinunter und lam so bei dem Fuße an, den er dann ein wenig leise vom Voden aufzuheben und zurückzubringen versuchte. So wie daS Pferd dieß übel nahm und mit den» Beine zuckte, ließ er es wieder los und stellte den Fuß vorsichtig wieder an seine Stelle, indem er es beruhigte und ihm schmeichelte. Dann versuchte er es mit dem anderen Fuße, indem er wieder bci'm Kopfe anfing, und dieß wiederholte er mehre Male, indem er dabei auch die Hufen mit kaltem Wasser wusch. Wenn das Pferd ärgerlich nach ihm l'lsi, 16 * 244 so wich er auö und schmeichelte und streichelte ihm dafür wieder den Kopf. Alle Tage wird die Behandlung etwaS rascher nnd etwas weniger dclirat und rücksichtsvoll, je mehr sich jene zarte und empfindliche Wildheit verliert. Auf dem Nucken sind diese wilden Thiere ebenso reizbar wie an den Füßen. Man legt ihnen daher erst eine lose Decke auf, nnd so leicht diese Last ist, so nehmen sie es doch sehr übel und werden dadurch oft zur Verzweiflung gebracht. Von der losen Decke zur festgeschnallten, alsdann zum Sattel und endlich zum Reiter giebt's noch mehre Grade, und ebensolcher Grade undStufen giebt's vom ungezügelten Maule zu Zaum und Gebiß. Ebenso müssen sie an das Bürsten allmählig gewöhnt und überhaupt muß stufenweise ihre ganze Steppen-Toilette geändert und geordnet werden. Erst nach mchml Wochen kann man sie striegeln und dann auch ihre zottigen Mähnen etwas einlegen und stechten, damit sie sich etwas daran gewöhnen, auf der einen Seite schlicht anzuliegen. Je wilder sie sind, desto milder werden sie behandelt. Erst später, wenn sie wissen, warum sie gezüchtigt werden, wendet man auch einige Strafe an. Die Schule dauert beinahe zwei Jahre, und wahrend dieser Zeit sind d.ie Thiere durchaus unnütz und zu gar nichts zu gebrauchen, dann aber find sie oft um so vortrefflicher. Auch wenn sie sich unter einander schlagen, mischt sich der ungarische Stallknecht nur mit Güte und mit beruhigenden Worten in ihren Streit, indem er ihnen Futter bietet, oder sie eine Weile von einander wegführt, oder die Streiten- 245 dcn ganz separirt. Um solche Streitigkeiten zu vermeiden, stellt man gewöhnlich zwischen zwei »«geschulte Nemonte-Pferde ein geschultes und gezähmtes. Manche sind so wild, daß sie nicht einmal einen Menschen in ihre Nähe lasse». Dann müssen jenem Waschen und Fußaufheben noch mehre andere Versuche vorausgehen. Die Stallknechte nähern sich ihnen dann nur von Seiten des zahme» Schulpferdes, sprechen mit ihnen und bieten ihnen Futter, bis sie eö endlich probiren, ihnen dcn Hals zu streicheln, wobei sie zuerst oft außer sich gerathen. Es wurde mir eine abscheuliche Stute gezeigt, zu der bisher noch Niemand hatte kommen können und der noch nicht einmal der Stcppenstaub auö dem Pelze gewaschen worden Ware. Sie halte noch vor zwei Tagen einem Knechte einen Finger von der Hand rnnd weggcbissen und natürlich für diese Unthat nicht die geringste Strafe empfangen. Dabei sah sie ganz erbärmlich, elend und mager anö. Eie werden alle im Stalle noch magerer, alö sie es schon aufderReise wurden, weil sie die Lebensweise, daS Futter, selbst den Hafer nicht gewohnt sind. Ihre wilde Constitution kann daS zahme Futter nicht vertragen. Nach 4 oder 5 Monaten, wenn sie, wie die Leute sich ausdrücken, daS wilde Fleisch ganz verloren haben, nehmen sie wieder zu und bekommen eine ganz andere Figur. In der Bukowina und zwar in Radauz werden, wie gesagt, die meisten dicscr Pferde „gefaßt." Ungarn hat keinen so qro-ßen Ueberflust daran. Der Ankaufspreis und die Reisekosten betragen für jedes Pftrb 100 bis l20 Gulden, und um dcn 246 billigen Preis von 160 Gulden werden sie den Infmmrie-ofsizieren geschult und zugeritten abgetreten. Man hat hier eine neue und etne alte, eine Sommer- und eine Winterreitschule, die nichts zu wünschen übrig lassen. In der Sommerreitschule, die unter freiem Himmel und ebenso wie der Kirchhof von den schroffen Felswänden des Schloßbcrges umzingelt ist, werben die wilden Pferde eingefangen. Die Salzburger sehen diesem Schauspiele von einer doppelten Reihe von Sitzen, die in den Felsen amphi-theatralisch ausgehauen sind, zu. Doch führt die Reitkunst hier natürlich auch noch manches andere interessante Schauspiel mit geschulten Pferden auf. Es ist merkwürdig, daß wir bel der Erziehung der Thiere viel VollkommnereS leisten als bei der Erziehung der Men-» scheu. Ganz vollkommen gut geschulte und von allen ihren Unarten und Eigenheiten entwöhnte Pferde haben die Ungarn mit Geduld, Ausdauer und Vorsicht schon viele hergestellt. Wie viele Mühe kostet es unseren Schnssehrern, alle Ecken des Charakters ihrer Schüler wegzuschlcifen! Zum Theil wird es lhnen aber nur deßwegen so schwer, weil sic durch ihre ci-geneUngeduld wieder Vieles verderben. Wenn ich ein Salz-l'urger Schullehrcr warc, so würde ich oft zu jenen geduldigen Ungarn gehen, um etwas von ihnen zu lernen. Ich meines Theils, der ich auch früher einmal ein Lehrer gewesen zu sein mich rühme, stand mit Vcschämimq uel'cn ihnen und mnßte mir sagen, daß ich nie dic Sorgfalt und Geduld, welche sie hier an Thieren ausübten, dem Menschen gewidmet hatte. Allgemein und entschieden war ihre Vehauplnng, daß nur 247 nut der consequentesten und ernsteste!» Geduld und Liebe das Ziel erreicht »verbell könne. Sollte diese denn bei'm Menschen weniger wirken, oder sollte es den» Menschen schwerer fallen, sie seinen Mitmenschen zu gewahren? Bekanntlich wurde einer der größten Geister, welche die deutsche Nation erzeugt hat, nämlich Mozart, in Salzburg geboren. Man zeigt dort noch das Haus, in welchem sich die Zimmer, die Mozart als Kind mit seinen Aeltern bewohnte, im dritten Stock befinden. Dic Zimmer sind niedrig, aber geräumig. Man zeigte uns noch den Fleck, wo die Mutter das begabte Kind zur Welt brachte. Das Zimmer, in welchem Mozart's Klavier stand, hat die Aussicht in einen Hinterhof. Die Wände soll er hier mit Compositioncn und geschriebeneu Noten angefüllt haben. Jetzt ist davon keine Spur mehr; denn Alles ist übertapeziert. Ich tonnte diese Naumc nicht betreten ohne eine Anwandlung von Scheu und Ehrfurcht. — In seinem fünften Jahre zog er hier aus, um die Welt mlt seinen melodischen Gedanken nnd mit smmu Ruhme zu erfüllen und um sich daö Nocht auf ein Monument zu erwerben, das ihm jetzt nach beinahe 100Iahren( 1756 wurde er geboren) in seiner Vaterstadt auf einem öffentlichen Platze errichtet werden soll. Wir besahen u»s diesen Platz. Bekanntlich haben dic Ausgrabungen, welche man daselbst wegen des Monuments veranstaltete, auf die Entdeckung einiger interessanter römischer Mosaikböden geführt. Es waren bei nmncrAnwesenheit bereits fünf wohlerhaltene Vöden von dem darüber geworfenen Schütte entblößt, die zwei grösiten mit den 249 schönsten Zeichnungen hatten über einander gelegen, die anderen mit minder bedeutenden Zeichnungen daneben. Von jenen zweien hatte man den oberen schon weggeschafft und war eben dabei, nun den unteren einzupacken. Zwischen beiden Vödcn hatte man eine etwa einen Fuß dicke Lage von Erde gefunden, und da der untere Vodcn noch sehr gut conservirt war >md sehr schöne Zeichnungen enthält, so ist es unbegreiflich, warum ihn der römische Hausbesitzer so verschütten ließ. Die Steinchen zu diesen Vöden sind verschieden gefärbte Marmorstückchen. Die Hauptfiguren auf dem Ge-inälde bilden cm Paar Kämpfer in drei verschiedenen Stell-» migen. In der einen Gruppe beginnen sie den Kampf, in der mittleren ist der Kampf selbst dargestellt, und in der letzteren sieht man die Vesiegung des einen Ringers. Die Zeichnungen sind sehr schön lind bereits in mehren deutschen Blättern beschrieben und gelobt worden. Mich intcrcsfirte besonders das Verfahren, das man bei der Deplacirung dieser zerbrechlichen Kunstwerke — die Steinchen sind blos in eine erhärtete dünne Thon- oder Gyps-» masse eingedrückt, die unmittelbar auf dem Erdreiche aufliegt, — anwendete. Dieses Verfahren war folgendes: Man theilt den ganzen Boden in viereckige Stücke, die etwa eine Elle lang und eine Elle breit sind. Die Stciuchen, welche sich auf den Gränzlinien dieser Quadrate befinden, werden mit eisernen Instrumenten sorgfältig herausgenommen, damit sich die einzelnen Stucke von einander trennen mögen. Um das Ganze nachher wieder auf dieselbe Weist zusammensetzen zu können, werden diese Steinchen natürlich nicht durcheinander geworfen, sondm» in derselben Reihen- 249 folge, in der ma» sie herausnahm, einstweilen wieder in eine Thonmasse eingeklebt und mit Nummern bezeichnet. Hat man auf diese Art ein viereckiges Stück von dem Ganzen getrennt, so verfertigt man einen flachen hölzernen Rahmen, der darüber gestülpt wird, und der in die auf den Sei' tm entstandenen Zwischenraume hineinpaßt. Alsdann übergießt man diesen Rahmen und das darin eingeschlossene Mo-saikstück mit Gyps, an welchem die Steinchen ankleben. Mit eisernen flachen Instrumenten wird nun die Mosaik" masse vom Voden gelöst lind daö Ganze mit dem Kasten um» gekehrt und unten ebenfalls mit Gyps begossen. Auf diese Weist hat man denn ein Stück des Bodens in einen kleinen Kasten fest und unverrückbar so eingeschlossen, daß es sich leicht tranöportiren läßt. Die sämmtlichen Kasten sollten einstweilen deponirt werden, um dann, wenn man einen schicklichen Platz zur Entfaltung der Mosaik gefunden hat, wieder ausgepackt zu werden, waö verhaltnißmäßig leicht sein soll, da der Gyps sich willig von den Steinchen nennt. Ich sagte, es würden in der Regel viereckige Ausschnitte gemacht. Zuweilen richtet man sich aber auch nach der Zeichnung und formt den Kasten nach dieser, um ganz zusammengehörende Theile derselben in einen Kasten zn bekommen. Auf dieselbe umständliche Weise soll man auch in Italien die Mosaikbödcn deplariren. Die kleinen Marmorstückchen jenes römischen Mosaikbodens, wie überhanpt auch mancher Marmorblock, den die Römer schon in Iovavia benutzten, kamen aus dem benachbarten Unierberge. Eben dieser Verg, so wie mehre an-» dere benachbarte Verge, z. V. d!e bei Hallein, liefert auch 27)0 dm Marmor, den man noch jetzt in den schönen Kirchen Salzburg's in allerlei herrlichen architektonischen Formen prangen sieht. Ucberhaupt hat dieser Kalkberg für ganz Süddcutschlaud bis nach Ungarn hinein viele Steine geliefert, und der Nntersberger oder Salzburger Marmor ist hier ebenso berühmt wie der Vlankenburger und der Nas-saulsche in Norddcutschland. Der Marmor ist sehr verschie-den gefärbt, meistens steischroth. Doch hat man auch wcisien entdeckt. Jetzt besitzt der König von Vaiern mehre Marmorbrüche auf österreichischem Gebiete au demNaude dieses Berges, von dem nur der westlichste Theil seiner Herrschaft unterworfen ist. Der Untersbcrg hat, aus der Vogelperspektive betrachtet, eine dreieckige Gestalt. Es ist ein spitzwinkeliges Dreieck, dessen längere Seiten etwa eine Meile lang sind, während die Vasis etwa eine Stunde Länge hat. Dieser Triangel ist ein unebenes, im Ganzen etwa 500 Fuß, in einer Spitze aber beinahe 6000 Fuß hohes Plateau, daß nach allen Seiten hin mit schroffen Wänden abfällt. Die Vasis dieses Triangels steckt im baicr'scheu Gebiete mit der Hauptmasse, uud deren zugespitztes Ende läuft in's Oesterreichische hinein, so daß also oben auf dem Verge selbst die Gränzen zwischen beiden Staaten sind. Gine Menge schöner waldiger Einschnitte und Thäler zieht sich von den schroffen Wanden des Plateaus zur Ebene hinab. In der ver-hältnisimäsiig geringen horizontalen Entfernung von einer halben Stunde vom Nandc des Plateaus verlieren sich diese Einschnitte vollkommen in der Ebene, und der ganze Verg bäumt sich daher mit einer schroffen Stirn aus dieser in die Höhe. In den tlirch jene Einschnitte gebildeten Vergab- 251 fätzett und Vergwurzeln befinden sich die Marmorbrüche, zu denen wir an einem schönen Abende eine kleine Ausfahrt veranstalteten. Der Marmor liegt hier, mit Erbe und mit BerggeröN etwas verdeckt, an eimgewStellen mehr, an anderen weniger ties verborgen. Der Marmor selbst hat von Natur seine Lager oder Schichten, die gleich bei seiner ersten Bildung entstanden. Diese Schichten lassen sich erkennen, und man kann darnach das Verfahren, den Stein zu brechen, einrichten. Außer diesen regelmäßigen Schichten oder Absätzen haben sich aber auch noch später unregelmäßige Spal» ten oder Risse in ihm ausgebildet, die schwerer zu berechnen sind. Diese Spalten nennen die Steinhauer am Nntersberge „Lassen." Wenn ein losgebrochenes Stück solche Lassen hat, so fallt es in unregelmäßig geformte Theile auseinander. Natürlich ist es sehr schwierig und es gehört eine genaue Kenntniß der Marmorstructur dazu, die Lagerung und die zu vermuthenden Lassen im Steine zu berechnen und darnach und nach anderen Umständen zu bestimmen, wie, wo und wie groß das vom Berge zu trennende Marmorstück anzulegen sei. Gewöhnlich suchen sie auf einmal so große Massen als nur möglich zu lösen und separirt vom Verge auf den horizontalen Boden zu schaffen, weil dort die Bearbeitung der einzelnen kleinen Steine leichler ist. Bei unserer Anwesenheit hatten sie einen Block ausgehauen von nicht weniger als 6 Klaftern Tiefe (in den Berg hinein), von 6 Klaftern Länge und 3 Klaftern Höhe. Sie berechneten sein Gewicht zu 22000 Centnern, was genau mit 252 der Angabe übereinstimmte, daß der Kubikschuh dieses Marmors einen Centner und 25 Pfund wöge. Um dieses Stück vom Verge zu trennen, hatten sie eine 18 Zoll breite, 6 Klaftern tieft und ^« Fuß hohe Spalte in den Verg eingehauen und mit einer eben solchen Spalte den Vlock hinten am Rücken gelüst. Diese Spalte ging unten bis auf ein neues Lager des Marmors hinab. Hier unten an der Pasis sollte er nicht durch einen solchen mühseligen Spalt, sondern blos durch Keile getrennt werden, welche schon ein« gesetzt waren. Diese Keile sind zuerst klein und werden rnnd nmher gleichmäßig angezogen. Wenn sie ihr Möglichstes gethan haben, so werden größere Keile dazwischen geschoben, die den Niß so weit erweitern, bis man eiserne Kugeln hineinbringen kann, auf denen dann der Block hinabrollt. Sie hofften, daß das ganze Stück gesund und ohne Lassen sein würde. Unten sollte es dann in kleine Stücke zu 300 bis 400 Centncrn zerlegt werden. Solche Paral-lelepipeden zu 300 bis 400 Centnern sahen wir am Rande des Marmorbruchs in Menge liegen. Diese Massen waren für verschiedene Oebaudc in München bestimmt. Unten am Fußs des Marmorbruchs befindet sich eine Sägemühle, welche die großen Vlöcke, wenn cö nöthig ist, wieder in solche Platten und Theile zersagt, wie man sie zu habe» wünscht. Es giebt der frappantesten Contrastc genug im Lebe» nahe bei einander. Wie z. V. Cavalierc und große Herren in wenigen Stunden übermüchig verschwenden, waS ein armer VetNer in Jahren erwirbt, so giebt es hier nicht weit von dem Steinbruche, in dem man so bedeutende Massen von mehre» 253 hundert Centnern löst, einen anderen, in welchem ein alter Mann kleine Vrückelchen und Krümchen zusammenliest, um daraus ein weit in der Welt verbreitetes Spielzeug für die Jugend, jene kleinen Marmorkügelchen, mit denen die Knaben in ganz Deutschland spielen, zn verfertigen. Ich habe mir auf meinen Reisen in Deutschland die Namen, welche man in verschiedenen Gegenden unseres Vaterlandes für diese kleinen Kugeln erfunden hat, gesam» melt. Hier in Salzburg nennt man sie „Schusser," auch wohl „Kücheln," in München „Antetscher," in Augsburg „Glucker," in Berlin „Murmel," in Coblenz „Marbel," ln den Hansestädten „Marel" (die letzten 3 Namen stammen von dem Worte Marmor), in Düsseldorf „Klicker," in Thüringen „Klitscher," im Voigtlande „Schnellfaulen" (Schnell« kugeln) und in Holstein „Nipser." Es ist ein kleiner Handelsartikel, der vom llntersberqe in Salzburg und von einigen anderen Mannorbrüchcn in Sachsen aus seinen Weg durch die ganze Welt findet und der als Vallast sogar oft mit nach Indien genommen wird, wahrscheinlich um auch die asiatische Jugend bis tief in jenen Welttheil hinein mit Spielzeug zu versorgen. Wir fanden die Anstalt zum Verfertigen jener kleinen, unter so vielen Namen berühmten Kugeln, eine Art Mühlenwerk, in dem Thalc des Untersbcrg's, Welches „Fürsten-brunn" genannt wird. Es kommt hier eine starke, klare Quelle aus einem tiefen Felsenspalt hervor, die anfangs den Liebhabern von Naturgcnüssen dient, die sie von Salz-bürg aus aufsuchen, dann aber weiter unten für einen alten Mann eine solche Schussermnhle treibt. Diese Mühle be- 254 steht cmS nicht weniges als 28 Gängen, von denen einige immer einige Stnfen niedriger liegen als die oberen. Der alte Schussermüller hatte eine kleine Hütte daneben geballt, in welcher er eine grosie Sammlung verschieden gefärbter Marmorbrocken aufgehäuft hatte. Im Sommer, sagte er, hole er sie auS dem Bache, im Winter aber, wo dieser gefroren, aus emer Nische oben am Verge, in welche von allen Seiten verschiedenartige Mannorbruchstücke hineingefallen seien. Er zerschlagt sie zunächst zu kleinen viereckigen Würfeln, die dann auf die Mühle gebracht werden. Hier kommen sie auf festliegende Mühlsteine, in denen sich zirkelrunde Nissen befinden. Ueber diese Mühlsteine läuft dann, vom Wasser in Bewegung gesetzt, eln Vlock aus Buchenholz, der die Steinchen reibt und aus dem unteren Vlock in die Nunde herumtreibt. Es gewahrt einen Wunderlichen Anblick, wenn alle die 22 kleinen Maschmchcn sich plötzlich in rührige Bewegung setzen und Tausende von kleinen Kügelchen bearbeiten. Die Waare ist sehr billig; denn an Ort und Stelle bekommt mau 30 Echusser für einen einzigen Kreuzer. Wie würden wir wohl über den Reichthum dieses Mannes, der ganze Säcke voll davon, wie die Säcke mit Perlen in dem Mährchen von Reinhold dem Wundcrkinde. in seiucr Hütte stehen hatte, gestaunt haben, wenn wir dies, in jener Zeit gesehen hätten, wo wir noch an jedem gestreiften, gefleckten, gcwölkten, geäderten, dendritisch gezeichneten Marl die wunderbar hübsche Zeichnung oder die schöne blutweiße Farbe oder sonst eine seltene Eigenschaft über Alles hoch zu schätzen wußten. Man wird lachen über das, was ich 255 hier sage. Allein man bedenke, daß ich in Deutschland wenigstens eine Million sechsjähriger Schulknaben auf mel» ner Seite habe, an deren Stelle ich mich versetze, und denen ihre Klitschcr, Klickcr, Kieler und Schosse so viel sind als Königinnen ihre Perlen, und diese Perlen sind ja auch weiter nichts cils Staub, wenn man sonst keine Idee damit verbindet und nicht ein wenig Phantasie obwalten laßt. Ueber Klitscher zudenken und zu reden, ist mir gerade eben« so wichtig, als über Gold und Zahlperlen zu forschen. Die Alftenkenner. Ach sagte oben, daß ich mich auch noch eines besonderen Umstandes wegen gefreut hätte, in meinem Gasthofe zum Ochsen mein O-uartier aufgeschlagen zu haben. Dieser Umstand war der, daß ich daselbst gewöhnlich des Abends eine ganz vortreffliche Gesellschaft von Alpenkenmrn «md Gebirgsliebhabern vereinigt fand. Es waren meistens kleine Veamte aus verschiedenen Al-> penthälern, ein Arzt, ein Chirurg, ein Förster, ein Pre» diger, ein Oekonomic. Ich gratulirte mir, meine Abende in der lehrreichen Gesellschaft dieser Herren zubringen «nd von ihren Gesprächen Profitiren zu könne». Allerdings wird ein Reisender in jedem Lande, das er kennenzulernen wünscht, die Gesellschaften der Einheimischen vor allen anderen aufsuchen. Denn bei ihnen findet sich überall eine Menge interessanter Detailkenntnisse anfgc-speichert,die gewöhnlich garnicht in den großen wissenschaftlichen CourS kommen. Allein es giebt Lander, die verhält-nißmaßig keine sehr eigenthümliche Physiognomie haben, und mit deren Kenntniß man bald fertig ist, da sie an dem einen Ende so aussehen wie am anderen. 257 Die Alpenländer aber, in denen jeder Erdsteck, so zu sagen, seine eigene, bestimmt ausgeprägte Physiognomie hat, in denen kein Verg, kein Thal, kein Fleckchen Landes dem anderen gleicht, — wo die Wände nnd Abhänge unter allen möglichen Winkeln, welche ihre ganze Natur dadurch verschieden bedingen, geneigt sind, — wo hier der Nordwind, dort der Südwind in's Thal bläst, wo hier bestandiger Ostwind, dort beständiger Westwind herrscht,— wo alle Theile ihr Angesicht nach den verschiedensten Richtungen der Windrose wenden, — wo einige Standorte der Pflanzen, Thiere und Menschen in die Wolken- und Giöregion hineinragen , an< dere tief in die gelindesten und ruhigsten Luftschichten hinab-tauchcn, — wo es in ganz naher Nachbarschaft so verschiedene Längen der Jahreszeiten und ihreö Wechsels giebt, wie sie sonst nur über dem ganzen Erdboden zerstreut erscheinen, —woman sogar Schluchten findet, welche die Sonne noch seltener bescheint als den Nordpol, — diese Alpen, in denen sich außerdem alle vornehmsten Volköstämme Europa'S, die cel-lischen, germanischen, romanischen und slavischen, begegnen und so wlmderl'ar und vielfach mischen, wie die manch' faltigen Stosse, ans dcncn ihrc Verge geschichtet sind, — diese Gebirge, in denen der Mensch in den buntesten Gestalten und Formen erscheint, in denen er als Nomade, nls Iägcr, als Ackerbauer, als Winzer, als Fabrikant lebt, in denen er sich hier und da von so schöner und schlanker Bildung zeigt, wie die Tanne der Wälder, und dann wieder in so verkrüppelter, widerlicher Vcrbildung, wie die Mißgestalt des Krummholzes, — diese wunderbaren Alpen '»it einem Worte, in denen sich die größten Contraste und V. ,7 258 Gitreme nahe berühren, und über welche die Natur die ganze Fülle ihrer zauberischen Reize, wie ihrer Schrecknisse ausschüttete, — man erforscht und kennt sie nicht so leicht; — mcm hat immer in den Gebirgen zu lernen, und das Studium jedes einzelnen Theiles ist so groß und bietet so viele Details, daß eS für den Reisenden mehr als anderswo nöthig wird, nüt den Eingeborenen, mit den vertrauten Kindern des Landes zu verkehren und ihnen einige Geheimnisse, in deren Besitz sic sich setzten, abzulauschen. Ei» Kenner des äußersten hohen Gränzpfeilers der Al« pen gegen Nordosten, des Schneebergs bei Wien, sagte mir emmal, er könne etwa 20 verschiedene Reisetouren vom Fuße dieses Verges auf seinen Gipfel angeben, die alle ein ver« schiedenes ästhetisches und wissenschaftliches Interesse darbö« ten. Und doch wären dieß nm die Hauptreisen, und die, welche sie gemacht hatten, könnten sich noch nicht rühmen, den Berg on lI6tai1 zu kennen. Der Schnecberg ist nur einer der vielen hundert Gipfel, aus denen dieAlpenkctten zusammengesetzt sind, und auf diese Weise würde Methusalem's Alter nicht ausreichen, um alle hauptsächlichsten Reisen iu den Alpen auszuführen, nnd eg ist daher dem Forscher um so mehr Bedürfniß, den einheimischen Alpenkennern und Vergbestelgern seine Aufmerksamkeit zu widmen. Man findet deren natürlich an allen Orten, in allen Städten und Dürfern dieser ganzen Gebirgswelt. Denn die Verge liegen allen so nahe, sie liegen Jedem, er mag ein Gewerbe treiben, welches er will, so überall im Wege, daß er ihre Kenntniß nicht einmal vermeiden kann. Die Hirten 259 und Jäger, die Waldarbeiter, die Kohlenbrenner, dieHolzfiö-ßer führt ihr Geschäft unmittelbar auf die Gipfel der Verge und in die innersten Winkelschluchten des Baus derselben. Sie verbringen den größten Theil ihres Lebens auf jenen Höhen, Wo's Maulthier sucht in Wolken seinen Weg, In Höhlen wohnt der Drachm alte Brut, Abstürzt der Fcls und übn- ihn die Mth. Und unter dm Füsicn ein neblichtcs Meer, Erkennt man die Stätte der Menschen nicht mehr! Aber auch selbst die Ackersleute, die in unseren Ebenen ihre Felder in einem schönen Ganzen beisammen liegen haben, müssen in den Alpen selbst wider Willen mit den Bergen Bekanntschaft machen. Des fruchtbaren Landes ist hier weniger, und das wenige ist weit zerstreut aus verschiedenen Stufen der Bodenerhebung. Jeder kleine Fleck muß ausgesucht und benutzt werden, und in allen Regionen und Zonen der Gebirge, in den obersten, in denen sein Vieh weidet, in den mittleren, wo er sein Holz findet, in den unteren, wo manches kleine Feldchen zu bestellen ist, bis iu'ö Thal hinab, wo sein vornehmster Acker liegt, muß er zu Hause sein, und was der Dichter von der Liebe singt: Liebe wird den Wca, crspäh'n, Wo der Wolf sich scheut zu gch'n, kann man hier von der Noth und von dem Dränge der täglichen häuslichen Geschäfte sagen. - - - Sogar auch der stille Bürger der Städte macht theils aus freiem Willen, theils aus- Zwang vielfache Bekanntschaft mit den Gebirgen, mit denen seine Geschäfte innig verbunden sind. Den Trost der Religion muß der Priester in manche entlegene Hütte bringen, wie der Landmann die befruchtende 17' 260 Erde auf versteckte, nackte Felsen, und der Arzt muß seine Hülse in viele Vehausungen tragen, die an einem Platze stehen, von dem der Dichter sagen könnte: „Der Ort an sich bringt Grillen der Verzweiflung." Auch den friedlichen Handelsmann, der die Alpenthäler mit seinen Waare« durchzirht, den Spitzcnhandler ans Vorarlberg, den Handschuh- und Teppich-Verkäufer auö den» Zillerchal, den Wein- und Fruchthändler aus den Etsch-Ganen, den Manusacturwaaren-Kramer anö der Schweiz, den Pfefferküchlcr ans Karnthcn und hunderterlei andere Krämer und Trödler führt ihr Geschäft oft in Gegenden, Wo die Gems' ob Ncbclthälern Munter über Fclsm sprwgt. Jäh senkt sich ab die Fclsenwand, Darüber schleudert Gottes Hand Dcs Vcrgstn'ms grauc Wolkcn. Er stürzt dumpf donnernd und zerstäubt, Daß Alles ringsum Wirbel treibt. Sie ziehen über die Tauern nnd Alpenpasse aus einem Tbal in's andere und sehen die Alpenhörner oft ill Zustanden, in denen sie ein gewöhnlicher Reisender und andere Stadtbürger nicht erblicken, und wissen daher «ber solche besondere Zustände der Gebirge, deren Mienen bestandig so gewaltig wechseln, oft gute Auskunft zu gebru. Die Kenntnisse, welche alle diese Leute von der Alpe» natur erlaugt haben, so interessant und kostbar sie sind, sitzeu in der Regel indeß so starr und fest in ihnen, wie die Felsen in den Gebirgen, uud eö ist oft eine ebenso mühselige Arbeit, sie ihnen abzulauschen, wie die, dem Verge das Gold und die edlen Metalle zu entlocken. Sie sind mitten zwischen diesen 261 Dingen groß geworden. Es kommt ihnen oft das llngewöhn-lichste so alltaglich vor, daß sie es nicht der Mühe werth finden, davon zureden, oder es nur einmal in Betracht zuziehen. Sie sind zuweilen so mit der Natur ihrer Heimath vertraut, daß sie selbst ein Theil dieser Natur geworden und mit ihr gleichsam verwachsen zu sein scheinen, so daß sie dann weniger Gehülfen bei'm Studium der Alpennatur sind, als vielmehr zugleich auch mit Gegenstand dieses Studiums werden. Uelerblicke gewinnen sie nicht, Vergleiche stellen sie in der Regel nicht an, das Nächste aber haben sie oft um so sicherer gefaßt. Wenn sie daher auch in vieler Beziehung nicht entbehrt werden können, so genügen sie doch auch nicht. In dieser Hinsicht daher interessanter und viel wichtiger sind unter den übrigen Alpenbewohnern diejenigen, die sich geradezu ein Studium aus dem Wesen und der Natur dieser Landschaft gemacht haben, in denen, „Wie die Berge auf Berge, sich thürmef Gedank' auf Gcdankc." Auch von solchen tenntnißreichen Liebhabern des Studiums der Alpen findet man überall in den vornehmsten Orten dieser Landschaften einige beisammen, und von Saus« sure, der sein Leben dem Montblanc widmete, von Agas« siz und Hngi, die alle ihre Zeit den Gletschern aufopfern, und von anderen solchen größeren Männern herab bis zu geringeren und den geringsten Geistern giebt es eine Mcnge von Liebhabern dieses Studiums, die entweder als Botaniker oder, um mit dem baier'schen Alpcnbewohncr zu reden, als „Kräntelklauber" auf den „zerschlagenen Wanden" und den „Gcschrüfen" der Felsen u>uhei klimmen, um den Stand der 202 ,)?l-!nni!ll ss^itino«»" ober der „Valei-iana e«Itic»" und ihrer unzähligen Pflanzenschwestern z« untersuchen, oder als Geognostm diese Vergkolosse bewandern, pon denen Saussure sagt! ii n'^ » llan» ce« inontaFno» rien schinden nach blonden und schwarzen Haa- 263 ren, nach blauäugige» und braunäugigen Thälern erkannt haben. Sie sprechen uon Pongau und Piuzgau, in dem sich die Völkerfluthe,,, wie Eis erstarrend und wie Felsen sich befesti^ gend, so wunderbar mischten und in einander verkeilten wie Gneiß, Glimmer, Granit und Thonschiefer in den „Steinklup-pen^ — oder von anderen noch durch Niemanden als durch sie erforschten Thälern, in denen es stachshaarige und blauäugige Leute von offenbar germanischer Vildung giebt, welche italienisch reden, oder schwarzhaarige Slaven, welche deutsch sprechen. Einige Stamme haben nur ihre slavische Kleidung beibehalten und sind ftnst Deutsche geworden. Andere haben beides vertauscht, aber zeigen noch im Körperbau ihre slavische Abkunft. Virle sind offenbar nur germanisirte Celten, wie einige italienisirte Deutsche sind. Da giebt eö Vröckchen uralter Romanen, die noch keineswegs gehöriger Aufmerksamkeit gewürdigt wurden. Trümmer von Völkerschaften, die so eigenthümlichen Dialekt und so absonderliche Sitten und Bildung haben, daß sie Niemand recht hinzu» bringen weiß. Vielleicht sind es noch uralte Ueberreste der sonstigen Taurisker, der Vrcunier oder anderer Noriker und Nhatier. Wie die Felsblöcke dcr Gebirge von den stürmischen Fluthen und Eismassen oft weit von ihrem Ursprünge weg verschleppt wurde», so giebt es auch hier mitten »nter den Slaven kleine deutsche Gemeinden und »litten unter den Deutschen wiederum slavische Communen. Schroffe Contraste und plötzliche Absätze, aber auch leise Uebergänge und aNmahlige Verschmelzungen. So merken Einige schon im Pnster-Thal in Tirol slavische Einflüsse durch. Noch Nie' »nand zeichnete und schattirte alle diese kleine» Nuancen und 264 Uebergänge so deutlich und Präcis, wie sie in der Natur sich vorfinden. Endlich kommen denn auch die enthusiastischen, blos von allgemeiner Naturliebhaberei begeisterten Bergsteiger, deren es auch nicht wenige giebt, eigentliche Bergsteiger, welche nur des Tteigens wegen anf die Verge gehen, denen es eine Freude gejährt, die Wahrheit des Bultaire'schen Spruches zu erproben: ,,1^3 clil'llcult^s vuincuos snut l jenen Thälern aufhäuften. Noch Niemand hat die Alpen so treu geschildert, so herrlich gepriesen, wie sie es verdienen. Und es ist auf- 269 fallend, daß noch Niemand die Arbeit — freilich eine Riesenarbeit! — versuchte, alle jene jetzt für die Kenntniß der Alpen ft reichlich aus allen Thälern und Alpcnlandrn fließenden Quellen, die wir oben nannten, zn sammeln und zu einem einzigen, gewaltigen Strome der Rede zu einen, dessen Rauschen im Stande wäre, dem Leser eine Idee von der Großartigkeit jeneö Nalurwerks zu gcbrn. „(parent vllte «Ä<:r«," kann man nicht mchr von einzelnen Parneen der Alpen, wohl aber von dem Ganzen sagen, und doch wäre eine solche zusammenstellende und ver« gleichende Arbeit auch für das Einzelne wünschenswerth und vortheilhaft. Denn es ist offenbar, daß der ganze Stock der Alpen ein gemeinsames Ganze bildet, durch dessen Natur- wie Menschenleben und Sitte eine Menge gemeinsamer und gleicher Verhältnisse hindurchgeht, die aufzufassen, durchzuführen und in der Darstellmig in den Zusammenhang zu setzen, den sie in der Wirklichkeit haben, ein sehr nützliches Werk sein müßte. Bilder und Bildchen aus der AlpcnweIt, in denen manche Theile des großen Ge« birgsstocks, — einzelne Thaler, — dieser oder jener Verg, — dieses oder jenes Ländchen besonders dargestellt wurden, haben wir schon ganz vortreffliche, — aber ein Gemälde der Alpen zu entwerfen, in welchem das Ganze und Einzelne in seinem großen Zusammenhange dargestellt würde, — tn welchem mit einigen Hauptzngen die vornehmsten Stamme des Gebirg's angegeben und mit weiterer Ausführung die Nebenaste und Zweige daran gehängt würden, — und in welchem man dann auch ebenso die vielfachen martirten Züge ihrer Vegetation, ihrer Thier- und 270 Menschenbcvölkerung hervorhöbe, ihre Schattirungen und Nuancen bezeichnete und AlleS in elnem Vilde so charakteristisch hinstellte, wie es in der Wirklichkeit sich zeigt, — hat noch Niemand versucht. — darent vate 8acra! mnß man mit Bedauern wiederholen, und wie glücklich würde ich mich fühlen, wenn ich mit Horaz auch weiter hinzusetzen könnte: „?^«n «8" v«» in«,s Oli^ti» inoi-natos siledo." Herbstreise im baier'schen Hochlande. Nerchtesgaden. Va der October wiederum anfing , unS mit heiteren Ta« gen zu segnen, so beschloß ich, mich aus meiner Ncise nach München noch so lange als möglich ln denVergrn, in welchen schönes Welter, helle Lichter nnd tiefe Schatten, klare Luft und wolkenlose Nächte weit mehr zn bedeute» haben als in der Ebene, zu halten. Hat man erst einmal angefangen, ein wenig mit den Alpen zu kokettiren und naher vertraut zu wer» den, so wird man leicht etwas verliebt in sie und entschließt sich schwer, sie zu verlassen. Da ich einen gleichgesinnten Herrn in Salzburg fand, dem es auch daran lag, das ge-priesene baier'sche Hochland einmal mehr in der Nahe zu besichtigen, als dieß selbst mit dem beßten Perspectiv vom Kapuziner- oder Gaisbcrgc aus möglich ist, so packten wir an einem schönen Octobertage unsere Reiseeffetten einem alten Salz bürg er Kutscher, der da behauptete, alle Wege in den Bergen zu kennen, zusammen auf feinen Wagen und fuhren in dem Thal des Flusses Achen zwischen dem Un. tersberge und dem hohen Göll der österreichischen Gränze zu. Wir hatten bis dahin nur noch zwei Stündchen zu fahren, eine kurze Frist zum Abschiednehmen von eimm V' 18 274 so großen Kaiserreiche, das ich nun wiederum in einer ziem« lich weiten Reise durchstreift halte. Ich recapitulirte mir hierbei i» Gedanken die verschiedenen Auslegungen des ^. N. I. 0. ^., der berühmten fünf Wahl- und Lieblingöbuchstaben deö Kaisers Friedrich IV., di« man in Wienerisch-Neustadt und in Grätz, wie wunderliche Hieroglyphen, in den Fenstern der Schloßkirche, vor einem Stadtlhore und an anderen Orten erblickt. ,MerLhrenIst Oesterreich Voll/' so seien jene fünf Vuchstaben zu deuten, behaupten einige Ausleger. Dieß ist wahr, dachte ich, denn es giebt kaum irgend cineehrcnwenhe und nützliche Sache, an der Oesterreich nicht Ueberftuh hatte. Gs hat Reichthum an Früchten, Wanzen, Metall«-,, und Thie« ren aller Art. Es hat an Silber und Gold mehr als irgend eln anderes deutsches Land. Es besitzt das schönste Eisen der Welt, die trefflichsten Korugesilde, die herrlichsten Weingar» ten, die ergiebigsten Jagdreviere und ausgezeichnete Manu« facturen von mancherlei Art. Dabei beherrscht es die reizendsten Landschaften, die pittoreskesten und an Wundern reichsten Gebirgsgegenden und die interessantesten Thäler und Ebenen. Verühmt« uralte und ehrenwerthe Städte, wie Prag, Wien, Mailand, Venedig, sind ihm unterthan, und aus den Sceptern so schöner hochgeehrter Königreiche, wie Nöhmen, Ungarn, Galizicn und die Lombardei, ist sein kaiserlicheb Scepter zusammengesetzt. Allerlei gepriesene Nationen wohnen unter diesem Scepter, dasein Stück von Deutschland, ein Stück von Polen, ein Slück von Italien, ein Stück von Dacien, und das ganze Magvarenland mit seinen Anhängseln beschattet. Es ist ihm in dieser Hinsicht kein einziges 275 Königreich Europa'S gleich, denn keines kann sich wieOester. reich rühmen, uon den drei vornehmsten und wichtigste» europäischen Volks stammen, dem germanischen, slavischen und romanischen, so bedeutende Theile zu einem politischen Ganzen zu einen. Mit wunderbarer Macht umrankt es seit fast 200 Jahren diese verschiedenartige«« Elemente und stand in so vielen Stürmen aus ehrenvolle Weise fest, obgleich seine Feinde so häufig wähnten, rs müsse dieses Staaten-(Konglomerat mit dieser Nagelflue oder Breccien-CoN" struction vor ihrem Andränge in seine von Natur getrenn^ ten Theile zerfnNen. Aber es giebt manche Bremen, die so hart sind wie Ursteine. — Eine Ehre aber konnte man jedoch nennen, deren sich Oesterreich nicht viel rühmen kann, nämlich der Meeresküsten und Flußmündungen. Es giebt keine große Monarchie in Europa, die so wenig Küstengebiet hat wie Oesterreich, das außer an der Spitze des adriatlschen Binnenmeeres gar nichts an dem Meeresufer besitzt. ES ist in so hohem Grade ein Binnenland und liegt so von allen Seiten her in der Mitte von Europa, daß man es geradezu das Kaiserthum der europäischen Mitte nennen könnte. Wie eö Flußmündungs-Monarchieen giebt, z. A. Holland, Aegyp» ten, auch Preußen (das die Mündungen des Niemen, Pregbl, der Weichsel und der Oder beherrscht, ohne ihre Quelle zu haben), so giebt es auch Quellen-Monarchicen, welche die Quellengebiete der Flüsse beherrschen, ohne ihre Mündungen zu besitzen. Oesterreich beherrscht das ganze Quellengebiet der Elbe, die Quellen der Oder, der Weichsel, deSVug,desDniestr, des Pruch, der Aluta, der Theiß, Sau, Dräu, der baier'schen Flüsse Lech, Isar, Inn, auch sogar 16* 276 einige Quellenzuflüfse des NhcinS. Dagegen hat es nur einzig und allein von dem Po und einigen anderen unbedeutenden Nebenflüssen die Mündung. „Austria ^»t Int«,- Olnne« Virtuose»," so wollen andere Interpreten jene 5 Vocale gedeutet wissen. Auch diese Deutung mag man sich in mancher Hinsicht gefallen lassen, sowohl ln Hinsicht auf die äußere als auf die inuere Politik dieses Staates. Freilich ist es etwaS kühn, dieses Wort „virtuos»" von einem Staate zu gebrauchen, wenn man be« denkt, auf wie blutigen Bahnen die Triumphwagen aller Staaten dahinrollen, und auch Oesterreich ist nicht mittels lauter Tugend und Güte so groß geworden, wie es ist. Dennoch aber liegt in seiner Negierungsweise im Inneren etwas Patriarchalisch-Mildes und Nachsichtiges, was beinahe er« laubt, dafür jenes Beiwort zu vindiciren. Sowie es nach außen der schnellen Reformen und Revolutionen abhold ist, so achtet es auch im Inneren das Bestehende, wirft nichts heftig nie« der, wünscht das Wohl seiner Völker, und selbst in dem Charakter semer gutmüthigen und Gerechtigkeit liebenden, nichts weniger als Unterthanengut leichtsinnig verschwendenden Kaiser liegt etwas, was jene patriotischen Interpreten dar« auf bringen konnte, diesem Staate das Beiwort: „virtuos" beizulegen. Nach außen hin ist es so friedlich gesinnt, so besänftigend und beschwichtigend wie nach innen, nnd auch als mächtiger Vote und Erhalter des europäischen Friedens mag Oesterreich, das keine solche untugendhafte Gelüste nach irgend einem Lande hat, wie Frankreich »ach dem Rheinufer, in gewisser Beziehung jenes Beiwort mit Recht gegeben werden. 277 Außer den beiden genannten giebt es noch eine ganze Menge anderer Auslegungen jener fünf Vocale. Doch scheinen sie mir im Ganzen weniger ein treffendes Lob als eine bloße müßige Schmeichelei zu sein, wie z. V. folgende. „Austriae EstlmperareOrbi Universo/* „Austria Erit la Orbi Ultima." „Aller Erde Ist Oesterreich Unterthan," „Am Ende Ist Oesterreich Uebrig." „Dem ganzen Erdkreis zu befehlen," dahin strebt Oesterreich nicht, auch wird eö sicher nie dahin gelangen, wie Rom. Freilich reicht es schon jetzt mit seinen Ricsenarmen weit genug. Wie ein mächtiger Adler hat eS seine Fittige im Norden der beiden schönsten und größten Halbinseln Guropa's, der italienischen und der griechischen, ausgebreitet und influx enclrt auS seinem Inneren herab sehr nachdrücklich auf die Gestaltung der Angelegenheiten in diesen beiden Landern. In dieser Richtung liegen die beiden vornehmsten Gegenstände seiner Politik, und durch sie wird es nüt den beiden Ertremen, mit Frankreich und Rußland, in Berührung gesetzt. In der italienischen Halbinsel bekämpft eg Frankreich, in der grie< chischcn Rußland. In beiden Landern ist Oesterreich auf der Seite des Bestehenden, und selbst in der griechischen Halbinsel ist es der mahomedanischen Türken aufrichtigster Freund. Wie Frankreich es mit den Völkern Italiens halt, so ist Rußwnd mit den christlichen Völkern dßr Türkei verbündet. Nach Norden hin hat Oesterreich selbst wider Willen an der Vernichtung Polens Theil nehmen müssen, und nach Westen wird es schon seiner Natur nach durch alle deutsche Angelegenheiten nahe berührt. So ist es demnach 278 in alle Händel und Verwickelungen Enropa's tief verflochten und kann keinem einzigen-Kriege müßig zusehen, wie dieß England, Dänemark, Schweden, Spanien, Rußland und andere Reiche in vielen Fallen etwa könnten. Ob es nun aber als Siegerin und „als zuletzt übrig Bleibende" aus allen die-sen Verwickelungen hervorgehen wird, das wird der Erfolg später einmal besser entscheiden als jene Prophezeihung und unsere Untersuchung. Sollte es aber auch im Rathe des Schicksals anders bo schlössen sein, als wie jeneProphezeihuug es meint, so wünsch» ten wir doch schließlich, als wir unter jenen Betrachtungen nun wirtlich auf der österreichischen Gränze ankamen, dem Genius des österreichischen Reichs, als dem väterlichen Schutzherrn der seiner Obhut anvertrauten Völker, als dem Vorkam» pfer deutscher Interessen im Osten und als dem Echaltcr des europäischen Friedens, ein langes Bestehen, eine dauernde Blüthe und Kraft, und gewiß wäre unsere Rührung, indem wir in den ,,h ang enden Steinp aß" eintraten und noch einmal die Augen auf das schöne Land hinter uns zurückschweifen liehen, noch größer gewesen, wenn wir jenen Genius auch noch als den geistigen Interessen des westlichen Deutschlands freundlich gesinnt uns hätten denken können, „nd wenn er statt jener 5 Vocale Friedrich'S einmal auf sein Banner die 6 Buchstabens A. D. F. I. O. H. sticken wollie und sie so deuten ließe: „Auch Der Freiheit Ist Oesterreich Hold." Zur Bewachung der österreichischen Gränze sollen nicht weniger als 10,000 Menschen verwendet werden. Die Mi. litärgränze ist hierbei nicht mitgerechnet, wohl aber die Oränze zwischen Ungarn uud den übrigen Provinzen. Sonst 279 gab man die bedeutenderen Vcamtenstellen an der Gränze blos ausgedienten Militärs, jetzt hat „das Civil/' wie dic Oesterrei« cher sich ausdrücken, dem Militär die meisten entzogen und für sich genoimncn. Man spricht ober davon, daß man dic Ab-stcht habe, die ganze Ausdehnung der Gränzen blos militä» risch zu besetzen. Vis jetzt steht nur etwas Militär über« aN m der Nahe der Hauptgränzposten „zur Assistenz," wi« der Kuustautzdrnck lautet. Wir passirten die Gränze ohne Schwierigkeit. Unsere Pferde steckten ihre Ohren zuerst in die baier'scheLuft hinein, und ihre Hinterfüße folgten nach, dann trat unser alter Kutscher, auf seinem hohen Vocke thronend, unbehindert ln dieses Königreich ein, und endlich strich auch bei uns, die wlr hinten im Wagen saßen, die letzte österreichische Luftschicht vorüber, und wir betraten den Voden de? deutschen Zollver» eins. Von allen den großen und kleinen Verbrüderungen, welche zwischen den deutschen Staaten bestehen, ist dieser bis jetzt die wichtigste und praktischeste, die erfreulichste und gewiß auch die dauerndste. Der deutsche Vund tft freilich die größte und alle deutschen Staaten mnfassendste, aber er ist so locker, daß man lange in seinen Gränzen reisen tann,ohne sei* ner nur emmal zu gedenken. Anders ist es mit dem deutschen Zollvereine, dessen Wirksamkeit man gleich an seinen Grän> zen merkt, und den man innerhalb seines Gebietes uon allen Seiten loben nnd preisen hürl. Es giebt noch andere solche, mehr oder wenigerlockere, kleinere und größere Bündnisse und Verbrüderungen zwischen den deutschen Siaaten, z. V. die Erbverbrüderungen der sächsischen Herzogthümer, die Ver« einigungen der freien Städte unter einem Appellationsge' 28U richte, die anderen deutschen Zollbündnissc, die Vereinig« « uug gewisser deutscher Staaten zur Stellung eines gemeinsamen VundeS-Contingents, zu der Wahl gemeinschaftlicher Gesandten an fremden Höfen, zur Negulirung der Elbzölle „. s.w. Aber, wie gesagt, kein deutscher Staatenbnnd vertritt ein so großes deutsches Interesse auf eine so einfache, kräftige Weise wir der Zollverein. Ich habe schon mehre Male, von der österreichischen Seite kommend, die baier'sche Gränze überschritten und bin jedesmal sofort von der größeren Frische und Regsamkeit und der freieren Bewegung, die in diesem Staate in Vergleich zu Oesterreich herrscht, frappirt worden. Man glaubt, iu eine andere Atmosphäre zu gelangen. Elnem französischen nnd englischen Reisenden mag hier Alles ganz gleich vorkommen, da er schon, sobald er den Rhein überschreitet, mitten in alle die Mißbrauche schrankenloser Herrschaft, in die Graucl der Despotie, der Leibeigenschaft, des Monopolsystems n. einzutreten glaubt. Allein ein Deutscher merkt eö bedeutend durch, das? der geistige Druck hier aufhöre, daß nun, die Herrschaft deö Stockes hinter sich lasse, daß die Ge« genden der Leibeigenschaft immer weiter in den Hintergrund zurückweichen, daß der gnädigen Herren und Cavaliere im« mer weniger werden und daß die Bürger und Bauern mehr zu gelten und sich ftlbststandigcr zu bewegen ansangen. M mag allerdings viel Idee dabei sein, allein es ist eine Idee, der man sich gern und nicht ganz ohne Grund hinMt. Ich verfolgte hier im Stillen alle die Sensationen, die sich mir aus den verschiedenen Gränzen, welche ich aufdicscrNcise überschritten, aufgcdrangt hatten, und die zahlreichen Abstuf- 231 nngen der (5ultur und des geistigen VolkSwohlselns, die ich hier hinab- und hinaufgegangen war, von Oesterreich nach Ungarn, von Ungarn zur Walachei, Tnrtei und Serbien (welche letztere Abstufungen ich nur miteiner Fußspitze sondirte und bei denen ich in's Bodenlose zu treten glaubte), und wieder hinauf nach Ungarn, von Ungarn nach Stelermark, von Steiermark nach Salzburg, und von Salzburg immer höher, immer besser nun in'ö Vaier'sche, mit dessen Auftreten auch noch eine andere merkwürdige europäische Gränze beginnt, nämlich die zwischen den westeuropäischen konstitutionellen und den osteuropäischen inconstitutioncllen Staaten. Mit Freuden rollten wir in dieses constitutions Europa landeinwärts, immer in dem reizenden Thale des Achen hinauf, das zwischen dem Untersbcrgc und dem „h ohenOöh l" in der Mitte gerade auf den pittoresken Wazmann hinführt. Die rechte Seite ist durchweg schroffer als die linke. Dort sind cö die rothen Marmorwande des Untcrsbcrgcs, die daselbst herantreten. Hier sind es mehr graue Alpenbcrge und waldige Hügel, mit denen sich die Vorberge des hohen Göhl zur tiefsten Rinne des Thales abstufen. Jene Uutcrsberger Marmorwande sind hier in Vaiern in der That so wenig unbenutzt geblieben wie in Salzburg. Man sieht diesen Marmor hier sogar noch mehr in der Architektur angewandt als don. Gleich in dem ersten Marktflecken auf dem baier'schen Voden, in Schellenberg, findet man cinen ganz ncugebauten Kirchthurm vonMarmor, Brücken über den Achen von Marmor, die Einfassungen der Brunnen von Marmor. Wie lururiös kommt dieß Mes einem Norddeut« sche,, vor. Hier findet man es in vielen, selbst in den klein- 282 sten Dörfern, und selbst nicht immer bei den reichsten Vauern, daß gewisse Theile ihrer Gebäude aus Marmor bestehen, wie ich noch weiter unten nachzuweisen Gelegenheit nehmen werde. Der Marmor auf der rechten Seite nnd auf der linken das weniger elegante, aber nützlichere Salz, dieß sind in diesen Gegenden unter allen den vielen Stoffen, welche die Na» tur sich die Mühe gegeben hat hier in so gewaltigen Massen anzuhäufen, die wichtigeren — das Salz vor allen Dingen. Ich erwähnte schon oben, eine wie bedeutende Rolle es hier rund umher spiele, wo die Natur eins der vornehmsten und unerschöpflichsten Magazine davon angelegt hat. Wie über die Mitte des Marmorstocks des Untersberges die Gränzen Vaierns und Oesterreichs hinlaufen, so haben sich beide Staa« ten auch in das Salzmagazin getheilt, und ein Theil wird uon Verchtesgaden aus für Vaiern, der andere Theil von Hallein aus für Oesterreich bearbeitet. Der von Vaiern bearbeitete Verg heißt der Salzberg, der Obersalzberg und der Untersalzberg. Nie die Verge so haben auch die Flüsse hier ihre Namen von dem Hauptproducte dieser Grdgegend empfangen, denn sie heißen die Salza und die Saale. Es ist dieß wohl ein Zeichen, daß die Salzgewinnung hier schon sehr alt sein muß. Und wie bei den Flüssen, so ist es auch mit ganzen Landschaften der Fall, wie z. V. dem Herzogthum Salzburg, dem österreichischen Salzkammergut, dem steierischen Salz» tamm er gut — und ebenso auch mit einer Menge von Orten, z.V. Salzburg, Salzburghofen, Saal' dorf, Saalfelden, Sulzbach, Hall, Hallein, 283 Ne ich en hall. Auch die Straßen werden hler zuweilen darnach genannt, wie ich denn schon die Salzstraße in Steiermark citirte. Und selbst die gräflichen Besitzer und Beherrscher jener Salzgegenden halten ihre Titel nach dem Salze. Sie hießen Hallg rasen. Zum Theil dieselben Namen für Flüsse und Orte kommen in anderen deutschen Salzländern vor, z. V. in der Gegend um „Halle." Auch in Griechenland heißen die Salzorte,,H alle" (Nalae). Wir glaubten anfangs, wir kämen nicht nach Vaiern, sondern in das Land der Spartaner; denn noch nie wurden wir so lakonisch wie hieraufgefordert, denHemmfchuh anzulegen. Es hieß an den Pfählen der Straße blos: oder Strafe." Aber das Land der Lakonier war nicht so schön als dieses reizende kleine Fürstenthum Verchtesgaden, dessen innerster Kern mit seiner Haupt- und Residenzstadt gleiches NamenS sich »mserell Blicken mm bald offenbarte. Es kommen allsommerlich einige Maler ans München und auch emer aus Dresden an diesen Ort, um die herrliche Landschaft, die schöne Velaubung, die reizend gelegenen Wie«» sen und Alpen dieses Fürstenthums zu studiren. Ich will eS ihnen überlassen, ein naturgetreues Vild davon zn entwerfen, indem ich es vorziehe, über einen kleinen Zweig der Industrio zu berichten, der den Künstlern gewöhnlich entgeht. Seit sehr altcn Zeiten nämlich sind die Ve- und Umwohner von Vcrchtesgaden sehr geschickt in dem Schneide» und Drechseln des Holzes, der Knochen und des Elfenbeins, und 284 sie produciren in diesen Stoffen eine Menge hübscher >md brauchbarer Artikelchen, die von hier aus in alle Nelt versendet werden. Wie sich dieser Industriezweig, der sonst außerhalb des kleinen Fürstenthums nicht mehr gefunden wird, bei ihnen festgesetzt und ausgebildet habe, weiß Niemand mehr zu sagen. Jetzt aber giebt es unter ihnen nicht nur eigene Drechsler, welche ein besonderes Geschäft aus dieser Kunst machen, sondern auch die Vaucrn, Tagelöhner und Hirten in den Bergen umher auf 3 bis 4 Stunden in der Runde sind alle gleich geschickt im Eggen, Pflügen, Drechseln, Holzschneiden und Manufacturiren. Aus Kirsch- und Aprikosenkernen wissen sie ganz zierliche Sächelchen zu bereiten. AuS Holz (meistens Ahornholz) machen sie kleine Körbchen (jedes Körbchen aus einem Stücke, und dabei so zierlich wie aus Stroh geflochten), kleine Puppen, Kinderspielzeuge, Nadelbüchsen und allerlei Figürchen, Flöten, Doppelflöte» und andere musikalische Instrumente. Auch ihre Alpen und Felsen stellen sie in Holz dar, auf den Felsen ein paar Gemsen und auf der Alm eine Sennhütte mit der Schwaigen». Frauen und Kinder helfen dabei, und in der Regel werden die Wintertage, wenn Almen und Aecker,verschneit sind, damit hingebracht. Die Leute, welche sich mit diesen Arbeiten beschäftigen, theilen sich in verschiedene Klassen, von denen jede sich einer einzigen Gattung der vielen verschiedenen, tausendfaltigen kleinen Gegenstände widmet. So giebt es Schachtelmacher, Trompetendrechsler, Neindlmacher, Maler, Schnitzler ,c., und fast jede Vauerfamilie hat ihre besondere Branche, in der sie «cellirt, die eine m „Posthörneln" und „Vögeln mit 285 Blasebalg", die andere in „Tanzdocken" und „Wiegln mit Kindln", die dritte in„Schlangenkästln" und„Trummelnmit Schlägel", die vierte in Kegeln, Säbeln, Häuschen, Kindergeigen, Harlequins, Noahkasten oder in irgend anderen solchen Sachelchen, welche unsere Weihnachtsbäume zieren. Manche dieser Artikel blühen zuweilen eine Zeit lang, kommen aber dann auch wieder ab, weil der Geschmack in dcn Kinderstuben sich ändert. Durch die Wandelbarkeit und die Capricen unserer kleinen Kinder kommen dann oft solche arme Verchtes-gadener in große Verlegenheit und Unglück und sind zu» weilen gezwungen, ihre alte, mit Mühe erworbene Geschick' lichkeit zu vergessen und sich auf neue Gegenstande einzuüben, ja, was das Schlimmste ist, oft auch sich dabei ganz neue und anders gestaltete Arbeitsinstrumente anzuschaffen. Ein Holzwaarenhandler in Salzburg sagte mir, es kämen hierin oft die unberechenbarsten Vorfälle vor, und es schiene ihm oft, als sähe er die Veränderlichkeit der kleinen Kinderköpft sich beständig in dem wunderlichen Gange seines Geschäfts abspiegeln. Einige Artikel giebt es indeß, die ewig bei der Jugend dauern, als Trommeln, Noahkastcn, Trompeten, Puppen, und die Leute, welche diese machen, haben den sichersten Verdienst. Die armen Holzarbeiter selbst fristen bei der Ausübung ihrer Kunst nur kümmerlich ihr Leben. Die Kaufleute aber oder, wie sie hier heißen, die „Verleger", die Holzwaaren-Verleger in Salzburg, Hallein und Verchtesgadm, werden reich bei ihrem Geschäfte. Sie schicken die Waaren durch alle Welt, nach England, Nußland, sogar nach Amerika und noch weiter. Die größten von ihnen stehen von ihrem Comptoir auS sogar in directer Verbindung mit Neapel, 286 London und anderen Plätzen. Es sind wunderbarer Weise, wie nur rln Kenner versicherte, in diesen Handelszweigen ebenso Viele kleine Geheimnisse, wie in anderen. Oft hat ein Verleger einen Artikel ausfindig gemacht, mit dem er ganz vortreffliche Geschäfte in Neapel macht, weis er dort besonders anspricht, und sein Nachbar, der andere Verleger, gegen dener damit geheim thut, weiß nichtö davon, wohin er diesen Artikel schickt, oder bei welchem geschickten Bauer jener ihn arbeiten laßt. Mancher Großhändler hat besonders Me Verbindnngen mit auswärtigen Kaufleuten, welche ihm von den gangbarsten Artikeln Nachricht geben, odrr mit Kunst» lern, welche ihm hübsche nene Zeichnungen und Muster, z. V. aus der Schweiz, zuschicke», und ein anderer kann nicht zu diesen Verbindungen gelangen. In der neuerm Zeit, welche in allen Regionen des Gebäudes der menschlichen Gesellschaft die Anforderungen an Eleganz und Geschmack erhöht hat, ist auch der Lurus und selbst die Wiffenschaftlichkeit in den Kinderstuben gesteigert worden. Unsere Kinder wollen sich nicht mehr mit den läp» pischen und unbeholfenen Thieren, die man unseren Vätern in ihre Noahkästen lieferte, begnügen und nicht mit der Phantasie ersetzen, waS dem kleinen Gebilde an Naturtreue nbgeht. Sie wollen Alles richtig, elegant und dem Original gemäß haben; die Puppen müsscn menschlicher auösthen, die Trompeten sogar einen besserenKlang haben, und die armen holz schnitzelnden Bergbewohner sind dadurch genöthigt, sich noch mehr Mühe zu geben, als sie schon früher anwandten, und sich sogar von vielen Gegenständen lithogr.iphirte Zeich« nungen anzuschaffen. .^' 287 Eine der größten Handlungen oder Verlage besagter Art ist die Wnlner' s ch e in Verchtesgaden. Sie ist ein altes Etablissement,besteht, schon seit mehr als 100 Jahren, befindet sich hart am Wege vor dem Orte auf einem reizenden Vor" gebirge mit den wundervollsten Allsflchten und hat eineAus« stellung der verschiedenartigsten Künstgegenstände aus dem Gebirge, welche die Fremden in der Regel besuchen. Es giebt fast in jedem deutschen Waldgebirge eins oder ein paar solcher 3 Haler, die durch ihre Holzschneidekünste berühmt sind, so z. N. in: Schwarzwalde, — lm Erzgebirge, welches die meisten sogenannten NürnbergerAriikel mifdic Nürnberger und Leipziger Messen liefert, — in der Schweiz, — in Ti« rol, in dem berühmten GrüdenerThale, das ganz voll ist ,nlt Zirbelnußholzschnitzern, — in Oberösterreich in Fichtau bei Gmündcn. Da die Gebirge in der Regel daS Material, das Holz, am beßten dazu liefern, so ist dieß eben kein Wun-der. Wohl aber gränzt es an's Wunderbare, daß diese kleinen Industriezweige oft wie gewisse Pflanzen so enge und bestimmt begranzte Gebiete haben, daß sie zuweilen nur auf ein einziges Thal beschränkt sind, welches sie nicht überschreiten und in dem sie, seste Wurzeln treibend, bestandig haften und bleiben. Uebrigens ist es nicht schwer zu bemerken, daß die österreichischen Holzschnitzarbeiter im Grödener Thal und Fichtau und die baier'schen in Verchtesgaden, obgleich sie viele Artikel haben, welche die Mütter und Weih, nachtsbeschcrer nicht entbehren können, doch im Ganzen in der Sauberkeit, Zierlichkeit und Neuheit der Arbeiten hinter den Schweizern und Sachsen zurückstehen. Ohne Zweifel möchte man sich gern über die Industrie, 288 den Fleiß und Unternehmungsgeist der Arbeiter freuen, und doch ist auch so viel Betrübtes dabei, daß man oft wün» schen möchte, dieser Industriezweig bestände lieber gar nichl. Denn eben jene Kunstfertigkeit, die einzige, welche bei den Leuten ausgebildet ist und die sie nicht sogleich mit einem anderen Erwerbszweige vertauschen können, weil ihr kleines Capital in Drechslerwerkzellg gesteckt ist, und weil einmal ihre Erziehung ihnen diese Fertigkeit erworben hat und nicht mehr mit einer andersgestalteten Erziehung vertauscht wer« den kann, scheint oft mehr Elend als Segen über ihre Tha» ler zu bringen. Ueberall, in Verchtesgaden, in Sachsen, in der Schweiz, sind sie die Sklaven ihrer Verleger, die, ausschließlich im Besitze der Handelsgeheimnisse, durch tau» senderlei Künste sie an sich zu fesseln wissen und ihnen, wäl> rend sie selbst sich bereichern, nur den dürftigsten Gewinn gönnen — und eben der Kunstfleiß, der für sie ein Mttel sein sollte zu einer gewissen Indepcndenz, wird für sie ein Mittel zu kummervoller Abhängigkeit. Hätte sich die Industrie ihreö Thales auf Verbesserung uud möglich hohe Vervollkommnung des Ackerbaues, der Alpenwirthschaft, der Pferdezucht oder elnes solchen Zweiges gewandt, sie wären alle besser daran. Es ist wirklich sonderbar, daß bei einigen Zweigen der menschlichen Kunst und Wissenschaft der Erfinder und Verfertiger, dem die Hauptchre gebührt, auch den meisten Vortheil erntet, während bei anderen dagegen dieß nie stattfindet. Gewöhnlich ist Jenes nur dann der Fall, wenn der Erfinder zu gleicher Zeit auch der VerHändler seiner Waaren sein muß oder sein kann, wie dieß in der Natur mancher Artikel begründet ist. 289 Die Vcmrn besitzen den größten Theil des Salzstockes, und man prophezeit drin Bcrchlesgademr Bergwerke eine längere Dauer als den österreichischen von H.Ulein. Die Oestcrreichcr sollen mit ihren Minen schon bis unter das baier'sche Gebiet heruntergekommen sein. Die Gränze zwischen Oesterreich und Baiern geht hier nicht senkrecht in den Voden hinunter, sondern sie schreitet unterirdisch bis zn einem gewissen Merkzeichen vor, welches schon weit in Vaiern hinein liegt. Die Oesterreicher sollen, wie die Bai« crn meinen, bis zn diesem Mark;eichcn nnr höchsleoö noch auf 200 Jahre Arbeit und Vorrath haben. Die Calzsoole, welche man aus dm Vcrchtesgadener Bergwerken gewinnt, wird nicht alle in dem Orte selbst gesotten, sondern znm größlen Theil in Neichenhall und Roscnheim, wo das dazu nöthige Holz leichter zu haben ist. 3Xe scit alter Zeit in Verchtesgaden bestehenden Salinen und die Holzdrcchölcr haben in den hiesigen Waldungen schon sehr ausgeräumt. Man hätte nun zwar dort dieß Holz herkommen lassen können. Allein man hat es vorgezogen, die Salzquellen zum Holze laufen zu lassen. Von Belchtesgaden bis Nosenhcim über Neichmhall und Traun-» stein sind etwa 30 Stunden Weges, und zwischen beiden Orten liegen viele hohe Verge, schroffe Felswände und enge Thäler. Das Werk, welches die Soole von Perch, tesgllden zu jenem Orte leitet, und welches durch alle diese Thäler, Wälder, Schluchten und Berge passirt, ist daher ein wahrhaft bewundernswürdiges Riesenwerk, das der verstorbene Ritter Georg von Reichenbach auf Kosten des baier'schcn Gouvernements ausführte. 290 Die Salzsoole wird in Röhren von VerchteSssaden zu jenem Orte hingeleitet; da sie in diesen Nöhren oft bergab und bergauf zu steigen hat (die höchste Hebung beträgt 1213 Fuß), — da diese Nöhren in den Wäldern und aufden Bergen vielfachem Verderben ausgesetzt sind, — da hier und da, um die Röhren legen zu können, manche Berge und Felsen durch« aus avplcmirt und Walder gelichtet werden mußten, so lann ,nan sich eine Vorstellung davon machen, wie viele Umsicht, wie vieler Aufwand von Kunst und architektonischen Kennt-nissen, wie viele Gebäude zur Beaufsichtigung der Röhren, wie viele Maschinen zur Hebung der Soole über die Verge, wie viele Wegeanbahnungcn und Vrückenbauten nöthig waren, um das Ganze zur Ausführung zu bringen. Wir hatten im Verfolg unserer Reise Gelegenheit, den größten Theil dieses WerkeS zu besichtigen, und erst darnach könn« ten wir die Großartigkeit des Ganzen richtig würdigen. Zur Hebung der Soole über die Verge hat man an verschie» denen Orten sehr schöne und zweckmäßige, von Reiche» bach construirte Maschinen angelegt, bei denen das von den Wergen herabrinncnde süße Wasser dazu benutzt wird, um das salzige hinaufsteigen zu machen. Obgleich wir nach vieler Mühe dahin famen, die Einrichtung dieser interessanten hydraulischen Maschinen zu verstehen, so würde es doch noch mehr Mühe tosten, dem Leser hier, wo wir die Maschinen selber nicht einmal vor Augen haben, einen Ve-»griff davon zu geben, und wir verzichten auf diesen Versuch. Genug! der Hauptzweck bei diesen Maschinen war, mit ein,m möglichst geringen Anfwande von süßem Wasser eine n,)g< lichst große Quantität von Salzwasser möglichst hoch zu 291 heben, und dieses Ziel ist so erreicht, daß daö kleine Verch» tesgadener Maschlncnwerk mit 270 Centner» Wasserkraft, die 375 Fuß hoch herabtommt, eine Soolenlast von 270 Centnern ZI l Fliß hinaushebt, die großen Maschinen aber mit 688 Centnern Wasserkraft 600 Centner Soolenlaft in die Höhe befördern. Hier und da gehen die Werke und Vah, nen jener kolossalen Soolenleitung neben der Lhanssee her, zuweilen aber hat sie ihre eigenen, ihr bequemeren Wege durch die Gebirge ausfindig gemacht. 19* Reichenhall. Wir speiste», in Verchtesgaden zu Mittag. Als eS zwölf schlug, erhoben sich nach einer überall in Dberbaicrn ver-breiteten Sitte die ^eute, verbeugten sich gegen einander >md wünschten »lns einen ,,rechten gxlen Nachmittag." Der Wunsch half; denn wir hatten einen sehr guten Nachmittag, schönes Wetter und cine interessante Gegend bis Neichenhall. Zuerst führt der Weg in daSanmnthige N?al der Vischofswie-sener Acheu hinauf. Dann verengt er sich nnd steigt zwischen den gewaltigen Massen des Lattenberges und des Reu-ter - Älpgebirge s, welche beide in Gestalt nnd Größe dem Unterobcrgc gleichen, hinauf, bei der Schwarz eck vorüber, durch die Mord-Äu nnd die Hahn sporn-Wald er. Hier und da waren die Schultern der Vergspitzen redend mit Wolken verschleiert, indem ihre äußersten Köpfe wieder aus den Wolken hervorblickten. Mir schien ein Verg, wenn er »wch über die Wolken, ihren Schleier durchbohrend, heraus-llickt, immer viel höher, als wenn er sich nackt ohne Wolken darstellte. Auch erscheint rmcm der Berg dadurch viel ,n-tesefsanter. Denn ohne Wolken sieht man ganz deulli h, 293 wie die festen Massen ganz prosaisch eine auf der anderen liegen und sich an der Erdrinde halten. Verdecken aber die Wolken den Fuß oder das Mittelstück, so fragt man sich, wie unser Kutscher es bei dem Anblick eines solchen Berges that: „Ja was thut denn der Fels da unter den Wolken?" — Es sieht ans, als habe sich die Natur geändert, als b> Wege sich der feste, schwere, plumpe Stein, gleich den leichten Gesellen der Wolken, schwimmend und segelnd in der Luft. Die Chaussee bis Reichenhall ist zum Theil mit zerbröck-eltem Marmor beworfen, und man kann sich denken, wie rasch wir auf diesem Marmorboden hinabrollten zu dem im Saala- oder Salachthale gelegenen Relchenhall, wo wir einen jcner Niesen, die wir von Salzburg und vomGaisberge aus nur in der Ferne gesehen hatten, den „hohen Staust fe n" nämlich, in seiner imposanten Nähe kennen lernten. Die« ser Vera, ist wieder ganz anders gebildet als der Untcrsberg, die Nentcralp, der Lattenberg, das Tannengebirge, der Thorsteiner lt. Er ist eine auf etwa drei Stunden lange hohe Mancr mit einem schmalen oder schartigen Kamme, Wahrend die genannten (Gebirge drei- oder viereckige oder vielseitige, hohe, ausgebreitete Plateau's sind, mit schroff abfallenden Seitenwanden. Von Salzburg aus sieht der Stauffcn wie eine Pyramide ans, weil man geradeaus die Spitze und Ccke der Mauer blickt, von Neichenhall aus gesehen, stellt er sich aber wie eine lange, ziemlich ein-formige Wand dar. Allein mit den Vergen geht es einem wie mit den Städten, die in der Ebene liegen, und die man aus der Ebene betrachtet. Man sieht nur die vordersten 294 Hauserreihen und ahnt oft nicht die Tiefe und Länge der hinterher folgenden Straßen und freien Plätze. Erst wenn man in vie Verge hinein- und hinaufkommt, gehen eiuem die Risse, Schluchten, Vorsprünge, Absätze und Verzweig« ungen deutlich auf. Die Soole aus Verchteögaden wird zum Theil hier in Vetchexhall versotten. Dann aber auch haben sie hier noch cigene Salzquellen, die unterirdisch hervorquellen. Der Ealzstock, der wahrscheinlich mit den Halleiner Salzmaga« zinen zusammenhangt, ist hier von einem Nagelfluegebirg« verdeckt, und durch dieses Gebirge brechen über zwanzig kleine und mehr oder weniger salzhaltige Quellen aus jenen» Salzstockc hervor. Man hat zu ihrem unterirdischen Ur« sprunge Schachte »nd Stollen angelegt, durch die sie mittels Neichenbach'schcr Hebemaschinen hervorgeschafst werden. Wir stiege» zn mehren jener Quellen hinab. Vs giebt hier aller« dings keine so interessanten und zauberischen Anschauungen wie in Hallein uud Wieliczka, feine so flimmernden Salzwäude nnd unterirdische Seeen, keine seltsamen Nutschparlieen und magnisilcn Hnckelbeleuchtungen. Dagegen muß man hier die Zweckmäßigkeit und Solidität der Masch>»e„, Treppm, Gänge »ud aller anderen Vorrichtungen bewundern. Der schöne geschmackuolle Baustyl, i» welchem man jetzt die Hauptstadt Baiernö umgebaut erblickt, geht auch in die Alpen hinein und unter die Erde hinab und hat hier Reichen-hatt, Nusenheim und andere Vergwerksörter mit prächtigen, großartigen, zum Theil lliruriösen Gebäuden erfüllt. Die Brunnenhaus r, die Salinenwachthäuser, die Gradirwerke, hie Veamtenwohnungen, dle Sudgebaude in Rrichenhall 295 sind schon zum Theil oder werden noch ln diesem Augen« blicke mit einer Eleganz und mit einem Aufwand« von schönem Vaumaterial und erbaut, wie man ihn sonst nur an Palästen zn sehen gewohnt ist. So, um nur einö anzu« führen , befindet sich unten im Bergwerke ein schöner cllip« tischer Stollen, der ganz aus Marmorblöcken gebaut ist. Die schönste Salzquelle in Relchenhall heißt die „Edel-quelle." Sie enthalt 24^ Procent Salz und bringt in 24 Stunden 300 Centner Salz. Sechs Schuh von dieser Edelquclle kommt die „Klauselquelle" hervor, die nur ü« Procent Salz enthalt. Vei dieser Verschiedenheit des Gehalts laßt sich vermuthen, daß ihre unterirdischen Gange trotz dem, daß ihre Mündungen einander so nahe sind, sehr verschieden sein müssen. Und zugleich müssen sie sehr genau vorgeschrieben und scharf von einander gesondert sein, da sie sich noch nie mit einander vermischten. Die anderen Quellen liegen alle in verschiedenen Gegenden des Verg» werkö, und alle haben einen verschiedenen Gehalt. Einige werden gleich in der Pfanne gesotten, andere müssen erst auf den Gradirwerke» einen höheren Salzgehalt gewinnen. Ihr Gehalt variirt in derNegel nur um^ oder«- Proccnt, wahrscheinlich je nachdem es in einer Zeit viel oder wenig Regen gab. Einige vertrocknen im Sommer völlig. Das meiste flüssige Salz befindet sich in der Soole auö Verchteögaden, nämlich 27 Pro lent. Ich nahm in Neichenhall Gelegenheit, den Pfarrer des Orts kennen zu lernen, um meine Nachrichten über die Fexen zu vervollständigen. Er sagte mir, daß man sonst wohl 150 bis 200 Feten in dem Reichenhaller Bezirke (mil 7000 296 Einwohnern) habe zählen können, daß es deren jetzt aber nur noch Wgäbe. DerPfarrer schrieb diese wundervolle Veränderung den in der neueren Zelt besser gewordenen Schulen und überhaupt der überall selbst in den entferntesten Gebirgsthä» lern Vaierns sich mehr Vahn brechenden Aufklärung zu. Die Schullehrer, sagte er mir, hätten sonst gar nicht gewußt , rule sie solche Wesen hätten unterrichten sollen. Jetzt wüsitcn sie sehr gut damit umzugehen, und es wäre selten ein Cretin so schlimm, daß sie ihm nicht doch das Schreiben, Lesen, Reden und Denken beibrächten. Die einmal vorhandenen Feien würden daher besser gebildet als die früheren und keiner mehr, wie sonst wohl, durch schlechte Erziehung erst zu einem F«en herangezogen. Außerdem aber würden auch von Haus aus jetzt weniger ge» boren. Achthundert Jahre lang hat man in den Reichenhaller Salzwerken mit Eimern oder sogenannten „Ampeln" aus Leder die Salzwasser mühsam geschöpft, bis man endlich in unserer Zeit auf Verbcsserungen verfiel uud die Nei« chenbach'schen Hebe- sowie die Vaader'schen Förderungsmaschinen erbaute. Ebenso lange und noch länger ließ man die fruchtbare Erde und Feuchtigkeit iu den „Moosen" und „Filzen" stocken und faulen, bis man darauf verfiel, sie auszutrocknen. Und ebenso ließ man die edlen See» lenkräfte des Menschen auf den Vergcn und in den Thalschluchten Jahrhunderte lang verkümmern und verkommen, bis mau iu unserer Zeit daraufkam, mit Einführung von Aufklarung und Schulen Wunder zu thun. Wie soll man denn lmsere Zeit nicht bewundern, sie, die so gute Ein- 297 Me und heilsame Erfindungen hat, welche alle Jahr« Hunderte uor ihr nicht hatten, und die überall eine Reg. samkeit und VcrbcsserunMust zeigt, wie man sie vordem neunzehnten Säculum aus Erden noch nicht kannte? I n z e l. 3leichenhall erhebt sich mitten ln einer schönen kleinen Ge« birgsebcne zwischen jenem „Ttauffen" und dem „Dreisesselkopse", und Inzel liegt in einer eben solchen Ebene auf der anderen Seite der Stauffenwand und am Fuße des Nauschberges. Wir wollten in dieser Inzel-Ebene über-nachte» nnd machten lins nlif den merkwürdigen, fünf Stunden langen Weg, der uon Neichenhall aus dahinführt, hinaus. Gleich hinter Reichenhall verengt sich das Thal. Mehre kleine, sehr schroffe Verge, die man von Weitem vor der hinter ihnen aufsteigenden Masse ganz übersieht, wachsen, wenn man sich ihnen nähert, immer schwindelnder in die Höhe, der eine mit einer kleinen Kirche, der andere mit den Nmnen eines Schlosses, die aus den Wolken in's tieft Thal hmabblicken, gekrönt. Die Kirche heißt St. Pan kr az, das Schloß hieß sonst Karl stein und gehörte früher den Hallgrafen und dann den Herren Fröschel von Fröschel-nwos. Hinter diesem Schloß- und Kirchberge kommt man zu einem kleinen See, dem Th nmsee, und dann m den „N e s- 299 selgraben" und in's „Geschrei." So nennen die Leut» jene Schluchten, wie ich mir denke, nicht ohne Anspielung auf ihre Beschaffenheit; denn ein Schrei des Entsetzens entfahrt der menschlichen Arust bei dem Anblick dieser grauenhaften Wolfsschluchten, und ärger wie in einen Nesselgraben würde man bei einem Falle in diese von aufstarrendcn Felsen rauhen Klüfte hinabstürzen. Ich gedachte hierbei der stcirischen Felsengegenden- „in der Noth" und „zwi« schen den Mauern." Da es immer bergauf ging, so machten wir die ganze interessante Parlie zu Fuße. Ein tlciner Fluß, der Geschreibach, die Straße nach Inzel und Nosenheim, weiter in der Tiefe eine Straße nach Tirol und dazwischen die Soolenlcitung schlangeln sich nebe» einander in der - Klnft in die Höhe. Die Soole hat hier auch keine leichte Allxil, um bergan zu stießen. Im Hintergrunde der Kluft sieht man sie in eisernen Röhren die Höhen ersteigen. Auf mehren Stufen sind kleine Hebemaschinen und Wächtelhäu-ser angebracht. Eine der an der Soolenleitung gelegene» Hebemaschinen, die von Ilsang, wirft mit jedem Zuge des Kolben, der in dem Cylinder des Pumpwerks auf- und niedergeht, 60 Centner Soolc in die Röhren und treibt dieselbe 1200 Fuß hoch hinauf. In Allem giebt eg an der ganzen Leitung hin i4Hebc»naschmen. Vor dieser energischen und thätige»! Rei« chenbach'schen Erfindung bestanden hier gewöhnliche, sehr unzuverlässige Pumpwerks, welche uon Wasserrädern getrieben wurden. Ganz eigenthümlich ist die Einrichtung, welche man ge- 300 troffen hat, um die Röhren und ihre Fehlerlosigkeit beanfsich« iigen zu können. In jedem ,,Vrunnenhanse", deren es eine ganze Vtenge an der Leitung hin giebt, befinden sich kleine Bassins, in denen sich die Soole sammelt. In diesen Bassins muß nun die Flüssigkeit, wenn Alles in gehöriger Ord< nnng ist, bis zu einer bestimmten Höhe stehen. Es ist nun zum Aliöfließen der Soole eine Reihe kleiner enger Nöhren in diesen Bassins angebracht. Wenn die Soole sehr stark zufliegt, so länft sie ans allen Röhren zugleich ab, deren Caliber so berechnet ist, daß ihr Abfluß gerade die rechteHöhe im Bassin erhalte. Fließt aber nicht ssenng Soole zu, so müssen die Wächter einige, zwei, drei und mehre Röhren Verschließen, nn» die rechte Höhe im Bassin zu erhalten. Der Minderznflusi kann nun entweder von einer geringeren Thätig« feit der Hebemaschinen oder von cincm Fehler in einer Röhre herrühren. Ob das Eine oder das Andere der Fall sei, läßt sich, da die Größe der Bassins und die Anzahl der Röhren in den Nöhrcnkasten an der ganzen Soolenleitnng hin gleich sind, leicht so entschieden, daß die Wächter unausgesetzt an den Nöhren ans- und niederpatrouilliren, die Anzahl der laufenden oder Zuzustopfenden Röhren in den ihrer Obhut anvertrauten Brunnenhäusern notiren und diese Rotate mit den Notirungen der benachbarten Wächter des nächsten Röhrendistricts vergleichen. Stimmen nun die Notiruugen der Wachter an dem ganzen, 30 Stunden langen Werte hln in jedem Brunnenhause genau mit einander, so ist Alles in Ordnung und die in Berchtesgaden eingepumpte Quantität Soolc kommt überall richtig an. Stimmen st» aber irgendwo nicht, so muß in einem Röhrenftück ein Feh« 301 ler sein, und die Röhren zwischen den leiden nicht Harmonirendell Vrunnenhäuschcn müssen untersucht werden. Da jene Auslassung der Soole in Bassins natürlich immer einc Unterbrechung ihres Aus- oder Absteigens herbei« führt, so können, wie sich von selbst versteht, solche Röhrenkasten nur da angebracht sein, wo sich cine Hebemaschine befindet, um die Flüssigkeit von Neuem zu heben, oder da, wo sie von selbst in der Vlxne oder aus dem Vasstn bergab weiter fortstießt. Die Röhren sind indesi nur da eiserne, wo die Soole einen Vera. hincmsteigen muß, weil dann ein stärkerer Druck ans ihre Wände geübt wird. Wo es bergab geht, sind die Röhren von Holz. Ich bemerkte oben, daß man hier und da die Vergabhänge applaniren musne, um die Röhren legen ;u können. Es führen dann große Val-kengerüste dirse Abhänge hinab, auf denen die Röhren befestigt sind. Auch sonst sind sie in der N^el wie die Schienen einer (5'isenbahn auf solchen Valkengerüsten befestigt. Wir besuchten mehre der kleinen Brunnenhäuser der Wächter, die sich hier und da mitten in der Wildniß recht wohnlich eingerichtet und an der Soolenleitung hin auch mit kleinen Gärten (ihren Dcpulatgärten) und Gehöften angesiedelt haben. Vedenkt man nun noch da;n, daß sogar das Zuführen der süßen Gewässer zur Hebung der salzigen oft nicht wenige Vorrichtungen erforderte (man nennt diese Gewässer „Aufschlagswasser," und solche Aufschlagswasser müssen natürlich in Lanäien herbeigeführt werden, und man hat dafür zu sorgen, daß »nan stets und überall die nöthige Quantität von ihnen beziehen könne), — so wird dem Leser aus 902 diesem Allen die Großartigkeit des ganzen Werks, das l« Deutschland berühmter sein würde, wenn es sich nicht entfernt uon den großen Vahnen imd Straßen in die Einsamkeit der Gebirge zurückzöge, einigermaßen deutlich werden. Wie man sonst in Ncichenhall die Soole in Ampeln schöpfte und so anf dem Nucken eimerweise ans der Erde Schooß hervorbrachte, so lud man denn damals auch das gesottene und fertige Salz in Sacken auf den Nucken von Saumthieren und transportirte es so über die gefahrlichen Fels - und Vergftege in's baier'sche ebene Land. Erst vor 200 Jahren bahnte hier der baier'sche Kurfürst Maximilian der Erste in den Fußstapfen des ehemaligen Saumsteigs eine fahrbare Straße an mit einem großen Aufwand« von Geld und Mühe. Seit 200 Jahren nennt man daher jene Bahn den „Neuweg." Dieser Neuweg ist zu vergleichen mit der Via mala zwischen Splügen und Tusts in den Schweizer-Mpen, und man kann ihn mit vollem Rechte die „Via mala" der baier'fchen Alpen nennen. Denn hier wie dort ist die Kluft der Felftn so enge, daß unten in der Tiefe nur die Ge» Wasser Naum genug fanden, um durch die rauhen Steine durchznrauschen, und daß der Mensch seinen Weg an der Seite der Felsenwande mühselig einsprengen mußte. Die Straße führt wie dieViam^» immer an den schroffen Felswanden hin, welche zur Rechten senkrecht in die Wol« ken hinaufsteigen und zur Linken in die innersten Eingeweide der Erde hinabfallen. Hier und da ist dieser Abfall auch vollkommen senkrecht. Als wir oben ankamen, lag bereitS alles Entferntere in abendlicher Dämmerung, und wir sahen nur das Nächste am Wege und glaubten, auf demselben oft 303 wirklich mitten zwischen Himmel und Erde dahin zu fahren. Denn wenn wir in die Tiefe hinabsahen, so erblickten wir nichts als Nebel und hörten in der Ferne das Rauschen der Wasserfalle, welche das Flüßchm bildete. Hier und da fallen die Wände vollkommen stell ab, und überall ist die Straße durch Stutz- und Vrustmauern gut versichert. Hier und da war fast gar kein Vorsprung und Absatz zn benutzen, und die Passage konnte daher nur durch gewölbeförmigeGin« sprengungcn in die senkrechte Felswand erzwungen werden. Und doch war diese schwierige Passage, auf der nun die Salzwagen bequem hin- und herfahren, unvermeidlich, weil sonst überall die lange Wand des Stauffen die Ausgänge vermauert. Ich muß hier noch einmal auf die großen Werke hinweisen, welche jenes so dringende Bedürfniß der Menschen, daSSalz, zu Stande brachte. Denn auch diese Straße wurde nur des Salzes wegen ungelegt, weßhalb man sie mit Recht dieR eichen hall er Salz straße nennen konnte. Außer dieser lernten wir bisher die steirische Salzstra ße, die Salz -> Eisenbahn, welche nach Vöhmen hineinführt, und die noch größere Salz-Eise ub ah n durch Mah« ren auf Wieliczka und Vochnia kennen. In der Mitte der Kluft zweigt sich eine nach Süden gehende Kluft ab, in welcher die schon genannte Haupt-commercialstraße nach Tirol fortgeht. Wir sahen ihren wei-ßen Streifen noch eine Zeit lang aus der Tiefe heraufdam« mcrn. Dcr Anblick von hier aus gehört entschieden zu den interessantesten — weiterhin wird die Passage noch enger, und wohin sich auch das spähende Auge wendet, überall star« ren ihm nackte Felswände entgegen. Aber wenn man auch S04 allfSchritt und Tritt den Ausgang für unmöglich hält, so führt doch die obere schöne Straße sicher und bequem durch alle Nö< then. O Himmel, dachte ich, möchte doch Jeder die sichere Straße derTugend uud des Glaubens, die durch die finstersten Thäler des Lebensweges führt, auch so zuverlasstg finden! Auch die holden Sterne blickten in unsere Klüfte so trau« lich hinab, und wir ließen uns ihr freundliches Winken doch gern gefallen, obgleich mir ein Mexikanischer Freund einmal sagte, das Flimmern unserer europäischen Sterne, selbst die italienischen nut eingerechnet, sei ein falsches Flittergold. Nur in Meriko sahe man wahre Sterne, in jenem Lande, wo selbst Diana mit mehr Pracht bekleidet sei als bei uns Apollo. Mir war die schauerliche Sensation in diesem Thale eine solche «ust, daß ich es sehr bedauerte, als unsere Chaussee endlich ihre Katzenstege verließ und wieder auf eines ehrlichen Mannes plattem ebenen Vodcn einherschritt und end« lich durch das Thor zwischen dem Kien- und Falkenberge in die Weitung von Inzel eintrat. Da weder i» diesem Thore, noch in der Weitung uon Inzcl Gaslampen angezündet waren, so geleitete uns die Finsterniß derVerge in die Finsterniß der Ebene hinaus. So viel merkte ich indeß, daß die Gewässer hier zuerst in einer anderen Richtung flössen, und sah es auch, in dem Wirthshause zu Inzel angelangt, bei hellem Lichte auf meiner Karte, daß wir nun wiederum ein Flußgebiet verlassen hatten, in dem wir lange geweilt, nämlich das der Salzach. Ich kann nicht umhin, hier auf die so merkwürdige Aehn-lichkelt der Lauf-Entwickelung dieses Flusses mit der seineS Nachbarflusses, der Ens, aufmerksam zu machen. Beide 305 Flüsse haben ungefähr gleiche Länge. Veidehabenzwei Haupt« stücke ihres Laufes, ein oberes und ein unteres Stück. Diese bei-de» Slücke sind ebenfalls von gleicher Länge. Das obere Stück stießt bei beiden in einem Längcnthale der Alpen direct von Westen nach Osten, daö untere Stück aber direct von Süden nach Norden. Veide Flußtheile sind daher bei bei< den Flüssen unter einciu rechten Winkel zusamm,'ngen'tzt. In dem Scheitel dieses rechten Winkels, wo der Fluß die Verg-reihen quer durchbricht, finden sich Engpässe und schmale Schluchten, bei der Vnö daö Gesäuse, bei der Salzach die Enge von Werfen, der Paß Lueg und die Ocfen der Talzach, in dcucnsich der Fluß, wie die Rhone inder?erw «W It,!inner« den. Da die Wirthschaft, in der wir uns befanden, mit den dazu gehörigen Acckern, Alpen, Mühlen, Schmieden, Brauereien ?c. auf90,ooo Gulden geschätzt ward, und eiue große Familie mit mehren Kindern daraus wohnte, so waren die Kästen sehr bedeutend und füllten nicht weniger als drei Zim» mer aus, die ich etwas naher beschreiben will, weil solche „Kästen" und solche Ansammlungen von Vorräthen auf dieselbe Weise im ganzen südlichen Vaiern üblich sind, und weil diese Sitte in nationalökonomischer Hinsicht weniger unwichtig ist, als sie anfangs erscheinen möchte. Diese baier'schen Kästenzimmer sind nicht solche ziemlich unschöne „Polter- oder Vorrathökammern", wie man sie wohl in einigen Ocqeudeu Norddeulschlands trifft. Vielmehr wählt man in der Negel die besseren Zimmer des Hauses dazu und schmückt deren Inneres so bunt und prachtvoll mit Tellern, Krugen, Schüsseln aller Größe, mit Leinwand, Wolle, Strümpfen, Knopssammlungen und Sparbüchsen aller Art aus, daß das Ganze einer wahren Kunst- und 309 Industrieausstellung gleicht. Die einzelnen Stücke Leinwand sind z.V. in großen Rollen übereinander gele.it, und zwar so, daß die Enden dieser Cylinder zum Schranke heransgucken. Hier sind sie mit rochen Fadchen, mit Sternchen und Blümchen nach allen möglichen Mustern ausgenäht; auch stecken Blumen-Bouquets, Gold- und Silberstittern in den Zwischenräumen der Rollen. Unser Wirth hatte jetzt die dritte Frau, und sowohl der Vrautschatz dieser als auch das Eingebrachte der früheren Frauen befand sich in eigenen Schränken aufgestapelt. Auch hatte jedes Kiud ans den verschiedenen Ehen seinen eigenen Schatz und seine eigene Sparbüchse. Denn es ist eine Sitte dieser baier'schen Bauern, sogleich bei der Geburt eines Kindes einen solche» Schatz für dasselbe anznlegen. Die Sparbüchsen und Schüsselchen der Kinder waren reichlich mit Gold« und Silbermünzen aNer Art gefüllt. Zwischen den Leinwandrollen der Töchter steckten silberne Löffel und andere silberne Geräthe, Geschenke von Pathen und Verwandten, und in und aufallen Schränken standen vergoldete und bemalte Wachsstöcke, die in den verschiedensten Formen zusammengelegt waren. Hicr in Vaiern, in Oesterreich und Steiermark gehören, wie wir bereits erwähnten, die Wachöstöcke überall zu den gewöhnlichen Höflichkeitspräsentcn, welche die Leute sich unter einander machen und die man daher überall zahlreich als Andenken von diesen oder jenen werthen Menschen verwahrt sieht. Gbenso wie die Wachsstocke gehören zu solchen Präsenten auch die Rosenkranze, die sich, auS allerlei Stoffen, z. V. aus Silber und Korallen, gearbeitet, durch die Leinwandrollen hin schlangeln. 3io Unsere Wirthin sprach immer mit besonderer Hochacht« ,,ug von den Kästen ihrer Vorgängerinnen und Stiefkinder, die ihr heilig seien und von denen sie nie etwas anrühre. Diese Käste« sind mehr zum Lurus als zum Nutzen, und mcm thut den Leuten sowohl eine besondere Ehre an, wenn man sie bittet, dieselben zu zeigen, als Icdcr auch sich es zu einer besonderen Ehre anzurechnen hat, wenn sie ihm gezeigt wer« den. Vei Festlichkeiten im Hause, bei Taufen, Hochzeiten u. s. w. werden die Schränke alle geöffnet und den Gasten ihre Pracht geoffenbart. Ich mußte erstaunen über die Masse von Silberzeug, welche unsere Wirthin hier zusammengehanft hatte, über die silbernen und goldenen Mützen für ihre Töchter, die silbernen und vergoldeten Knöpfe für ihre Männer,- die Menge silbernerGeschnüre, wie die baier'schcn Mädchen sie an ihrem Mieder trage», dann auch über die silbernen Bestecke mit so und so viel Dutzend Löffeln, Messern „nd Gabeln für jedcS ihrer Kinder. Alle diese Dinge sind blos zum Lurus hier angehäuft und blos aufdenFall, daß sie gebraucht werden tonnten, auf den Fall, daß einSderKinder sich verhci« rathete, auf den Fall, daß ein Sohn sich etablirte. Auch in München soll noch mancher Bürger solche todle «ud unverzinstc Schätze in seinem Keller angehäuft haben, wie mein werther Reisegefährte, der dort gut bekannt war, mir versicherte, und in den Bürgerhäusern vonAil.Mttlg hat man die sogenannten „schönen Zimmern", welche dasselbe sind, was bei diesen baier'schen Bauern „die Kästen" vorstellen. In diesen „schönen Zimmern" sammeln die Augsburger Mütter »ach alter Sitte für ihre Töchter und Söhne Raritäten und Schätze aller Art, welche sie zusammenkaufen und sich zusam- 311 »nenschenken lassen. Zuweilen häuft sich ihnen von diesen Sache» zuviel auf, und sie verkaufen dann Alles wieder. Aber es dauert nicht lange, so legen sie wieder von Neuem einen solchen Schatz in den „schönen Zimmern" au. Die Bauer» aber verkaufen ihn nie und lassen Alles so lange stehen und liegen, als es mag. Es liegt oft auf diese Weise ei» Capital von mchr als 20000 Gulden ganz todt und nutzlos in den Kasten und schönen Zimmern. Die Sachen sind der Verderbniss ausgesetzt, und man ist sogar, wenn sie, wie dieß zuWellen der Fall sein mag, nicht versichert sind, in Gefahr, das darin steckende Capital zu verlieren. Und obgleich die Sitte alt, ehrwürdig und schön ist, so ist sie doch, scheint es, schädlich und har» monirt nicht mehr mit dem Geiste unserer Zeiten, wo sich vielfache Gelegenheiten bieten, für die Gi'istenz der Kinder und für die Conftrvirung des Vraut- und Familicnschatzes durchAnlcgung von Capitalien aufeine nachhaltigere und solidere Weise zu sorgen. -------- klüger als manche Vürgeröfrau iu Wien, die für so und so viel tausend Gulden Spitzen, Gazen und Seide oft an einem Tage im Schmuz, Staub und Negen verschleppt, oder als die armenischen Manner in cben jcncr Hauptstadt, die cms Furcht, ihr Capital zu verlieren, oft außerordentliche Summen in Papier unter ihren Kleidern und Mütze» bei sich herumtragen. Alsdann besahen wir uns die Lage und Umgebung un-sereS Ortes. Sie erinnerte mich an das Landl in Stnermark. Das Thal ist ganz platt und flach, und die dasselbe umgebenden Verge steigen sehr jah und rasch aus dieser Fläche empor, ohne durch allmahlige Ucbergäuge der Vodcnneigung mit einander zu verwachsen, — so der Kienberg, d«r Falkenstein :U2 und hinter diesem die weit mächtigen' Htauffcuwaud und hinter jener wieder die Rausch-Alpen. ViS an den Fuß der Verge scheint Alles begrast und beackert, und dann steigt es Plötzlich waldig und schroff empor. Unsere Wirthin sagte uns „mit Verlaub", indem wir in den Wagen stiegen, „wenn wir erst zu diesem Thale hinaus waren, dann wäre es flach und eben ausst und ausst" (d. h. aus und ein, durch-» weg). Wir wünschten ihr mit Verlaub Lebewohl und fuhren mit Verlaub zu den baier'schen Alpen in jene Ebene hinaus. Man sagt hier überall i „in die Ebene h i n a u s" „d r a u-s, e n in der Ebene", vom Gebirge aber gebraucht man umgekehrt das Wort „hinein", als ware man in den Vergen im Innern. So heißt es.'„nach München „hinaus-", „in's Gebirge hinein fahren", „»lach Traunstein „h i n a u s-", aber „ach Rcichenhall h inei n fahren." Auch in 2ahburg ist dle Redensart üblich: „Nach Vaiern hinaus reisen." Dort mag der Ausdruck „h inaus und hinei n" eine doppelte Ve-< ziehung haben. Es mag sowohl auf die (5'ingeschwssenheit durch die Verge als aus die Einengung durch dic politischen Verhältnisse und sowohl auf die baier'sche Ebene als auf die baier'sche Freiheit hindeuten. Von München nach Inöbruck sährt man aus denselben Gründen natürlich „h i nein", von Inöbruck nach Vaiern „hinaus." Von München nach Augsburg und von Reicheuhall nach Salzburg sährt man „hinüber", weil diese beideu Orte im Gebirge und jene beiden in der Ebene nahe bei einander liegen, und der eine dem anderen, so zu sagen, als zur Seite liegend angeschen wird. Von den meisten Theilen des Königreichs her aber fährt man nach München „h i n a u f', weil dieseHauptstavt 313 erstens wirklich hoch liegt und dann auch als des Königs Residenz noch höher gedacht wird. Sonderbar aber ist die Redensart, die in München gebräuchlich ist, „nach Nürnberg hint ere fahren", und die Vorstellung, die ihr zum Grunde gelegen haben mag, fast unerklärlich. Zum Theil mag es daher kommen, weil Nürnberg mehr als die anderen bisher genannten Orte von der Residenz, zu der sich alle Blicke wenden, entfernt ist. Oft sagt man auch blos: „er ist hintere gefahren", worunter man schon stillschweigends versteht: „nämlich nach Nürnberg hintere." Baier'sche Hochgebirgsdörfer. 28ir hielten uns nun hinführo in der Nahe der Verge an ihrer und der Ebene Gränze hin. Es brechen hier viele hübsche Thaler aus den Alpen hervor, deren Gewässer alle nach Norden abstießen, zuerst das Thal der „rothen Traun," durch welches wir von Inzel heraus kamen, dann das der „weißen Traun" (cS ist sonderbar, daß es auf deutschem Ge« biete sehr viele sich vereinigende Flüßchen giebt, von denen das eine r o th, das andere weiß genannt wird,— schwarze Flüsse haben wir auch mehre,z.V.die Schwarz«, den Schwarzbach, — in dcrNegel sehen aber die Gewässer bläulich, grünlich oder gelblich aus, nach welchen Farben wir sie aber viel seltener benannt haben),—ferner das Thal desAchen.dcrindenChicm-see geht, — (Achen l>ql>^ heißen in diesem Theile der Alpen besonders viele Flüsse), — weiterhin das Thal der Prien, die ebenfalls in den (5hiemste fallt, und endlich das Imtthal, in welchem wir übernachten wollten. Alle die genannten Thaler sind außerordentlich schön, malerisch und interessant. Wir stricken immer an ihren Ausmündungen auödem Gebirge vorbei und ließen unsere Blicke sowohl abwärts in die Ebene als aufwärts in den 315 Bllfen der Gebirge schweifen. Die Wiesen waren „och überall ausgezeichnet frisch und grün, und das goldene und violette Herbstlaub der Väume machte dazu einen rei« zenden Contrast. Die meiste Freude aber hat man in diesen Gegenden am Menschen. ES ist ein kerniges, gesundes, frisches Geschlecht, das diese baier'scheu Voralpemhaler bewohnt. Dabei sieht bei ihnen Alles so wohlhabig, rein« llch und ansprechend aus, daß man darüber beinahe noch die Schönheit der Gegenden vergißt. Der Styl, iu dem die Häuser gebaut sind, ist so äußerst pittoresk und reizend, daß jedeö Haus als eine wahre Zierde seiner Umgebung erscheint. Die Gehöfte und Wirthschaften sind so groß, daß man daraus die beßten Schlußfolgerungen für den Wohlstand der Leute macht. Man sieht keine Krüppel, Kröpfe und Cretins, sondern lauter derbe und wohlgebildete Gestalten; und wenn man einen gutsituirten und kernigen Schlag von Ackerbauern für das größte und solideste Gut eines Staates halten kann, so muß man Vaiern segnen und preisen, daß es hier einen solchen zu besitzen sich rühmen kann. Der nächste interessante Ort für uns war Vergen, das in ganz Vaiern durch seine Eisenwerke berühmt ist. Diese Eisenwerte, sowie überhaupt die Entdeckung uon Eisen in den baier'schen Vorgebirgen fmd neueren Ursprungs. Erst der baier'sche Herzog Wilhelm lV. dachte seit dem Jahre 1505, wo nach dem baierisch-pfälzischen Familienkriege und in dem zu Cöln geschlossenen Frieden reichere Bergwerke, welche Vaiern früher in Tirol besessen hatte, verloren gingen, darauf, wiederum alte Eisensteingrubcn eröffnen zu 316 lassen. Seitdem hat man denn dieses Metall auch an ver< schiedenen Orten in Oberbaiern entdeckt, besonders in dieser Gegend nicht weit von Neukirchen und Teisendorf im Kressenberge. Die dort gewonnenen Eisenerze werden in Bergen und zum Theil auch in Aschau ausgeschmolzen und verarbeitet. Die Hochöfen und die anderen Schmelz-, Gieß-» und Schmiedegebäude, die man an diesen Orten errichtet hat, sind alle in demselben großartigen und prächtigen Style gebaut, in welchem wir die Salincmuerke zu Neichenhall ausgeführt fanden. Wir sahen hier eine Menge sehr interessanter Eisengnßwerke, z. V. ein eisernes, sehr geschmackvolles Haus von 77 Fusi Lange und 30 Fuß Breite, welches für Kisstngen bestimmt war und dort den beiden berühmten Heilquellen Pandur und Nakotzy zur Einfassung und Bedachung dienen sollte. Ein neuer Hochofen und ein neues Walzwerk waren im Bau begriffen, lauter Gebäude in königlichem Style. In der Gießerei war man eben mit dem Gusse von Kanonenkugeln, meistens lauter Hohlmunition (Bomben, Granaten u. s. w.) beschäftigt. Die Sauberkeit und Accurateste, nnt der diese Arbeiten ausgeführt wurden, bewunderten wir um so mehr, da sie solchen Gegenständen gewidmet wurden, die selbst von ihrer Geburt an dem Untergange und der Zerstörung geweiht sind. Ein Theil dieser Zankapfel entsteht aus den friedlichsten Werkzeugen von der Welt; denn man schmilzt und gießt nicht nur neues, den Erzbergen entrissenes, noch von keiner Menschenhand gebrauchtes oder mißbrauchtes Elsen auf diesen Hochöfen, sondern man kauft dazu auch jährlich 40U00 Centner alteS Ei» 317 sen auf, trauliche Oefen, Camine (Karmins lire silie»), friedliche VwNnesser, heilbringende Pflüge, Tonnenbänder, welche biöhcr nur des Bacchus poetischen Ungestüm bändigten, und dergleichen alte, in Ausübung friedlicher Werke ergraute und verrostete Eisenwaaren, die sich nachher wieder verjüngen, um mit erneuter jugendlicher Kraft in die Dienste des Mars zu treten. Von Verge« sichren wir zwei Stunden vom Chiemsee immer dicht am Nmide der Gebirge hin. Die Gewässer, welche so munter aus diesen Bergen hervorkommen, ermatten sogleich, wie sie die Ebene betreten, und bilden im Sü» den jenes See's große sumpfige Wiesenländer. In Baiern nennt man solche Gegenden theils „Moose", theils „Vilze." So passirtcn wir zur Rechten das „Vergener Moos," das „Wildmoos," den „Egerndacher Filz" und cmdere. Im Norden des See's liegt das „Freimooö." W ist schon viel für die Ausjrocknung und Umwandlung dieser Moose ge» schehen, und sie sehen schönen Wiescnländern gleich. Doch weichen ihnen die großen Straßen aus, indem sie sich hier im Süden etwas zu den Pergen hinaufgehen und im Nor-den hart am See selber hingehen, wo sich zwischen See und Moos wieder eine kleine trockene Landerhöhung befindet. Auch liegen in den Moosen selbst reine Dörfer, sondern nur sogenannte „Einöden" oder „Ginödshöfe," womit hier in Aaiern dasselbe bezeichnet wird, was man in Oesterreich „Einschichten" nennt. Da, wo die genannten Thaler mit breiter Mündung in die Ebene ausgehen, liegen an den Flüssen reinliche Dörfer m,d daneben auf den Bergen Schlösser, Ruinen, Kirchen, 318 zum Theil berühmte Wallfahrtsorte, so am Ende des weißen Traunthaleö Sicqersdorf, — am Ende des Achenthales Grassau mit dcrVurgMarquartsteiu und der außerordent» lich hoch gelegenen Kirche Schnappen, — am Ende des Prienthalcs Aschau mit dem berühmten Schloß Hohen-Nschau. Vom Schlosse Marquartstein an bis uach Hohen-Schwangau im Lechthale und noch weiter könnte man an den Mündungen der baicr'schcu Älpenthäler hin eine ganze Reihe solcher Burgen und Schlösser aufzählen. Man kommt hier in keine Städte, es giebt überall nur Einöden, Dörfer und Marktflecken, und wir machten eine förmliche Dorfreise. Wo man aber Dörfer wie Gras» sau und Aschau und Marktflecken wie Nosenheim findet, entbehrt man die Städte gern. In Grassau, wo „nsmn Pferden cm köstliches Diner aus Heu, Hafer und Vrot aufgetischt wurde, gewaun ich Zeit, in Begleitung eines alten Schulmeisters mir das Innere des Orts zu beschauen. Dieser würdige Alte sagte mir, er habe kürzlich sein fünfzigjähriges Jubiläum gefeiert und jetzt schon 53 Jahre lang als Schulmeister gedient. Wahrlich ein sauer erkämpftes Jubiläum! Einem Schulmeister sollte man eigcnllich ein Jahr für zwei aurcchnrn und ihm das Iubiliren schon im fünfundzwanzigsten Jahre gestatten. —- Ich erkundigte mich bei meinem Iubilatus nach Cretins. Er verstand mich erst nicht. Ich beschrieb ihm die Sache. „Ach ja so göllen's« — Ja ich wußte nur nicht, wie man die Ferm nach der neuen Lecture nennt!" — Er meinte, es gäbe hirr rund umher keine, er habe nur davon gehört. Man bestätigte mir dieß in Rosenheim, setzte aber zugleich 3lft hinzu, daß man die nächste Umgebung von Rosenheim davon ausnehmen müsse, denn in dieser und zwar in dem Dorfe Hap. ping fänden sich wieder einige Feren. Ich fragte darnach, was man für die Ursache dieser Erscheinung hielte, und man sagte mir, die Leute hätten die sonderbare Idee, daß sie von dem Wasser des Inn herrühre, der an jenem Orte uorüberfließt. Mit dieser Notiz schloß ich meine gelegentlichen kleinen Naä'sorschunqen über dieses furchtbare Siechthum, das von den Gränzen Ungarns, von den Umgebungen des Neusied« ler Sees und der Insel Schütt in der Donau durch die gan< zen Alpen biö in die Ebene Vaierns und bis zu den sinnpsi-gen Anlanden des Chiemsee's sich endemisch fortzieht wie ein furchtbares, riesengroßes Schreckbild, das dem Rei» senden in diesen Gegenden so manchen schönen Genuß verbittert und vergiftet. Ich besah mit meinem Alten zunächst elntge der so schön und malerisch getauten Vcmerhänser, mit denen sich in dieser Beziehung keine mir bekannten Vauerhaustr irgend einer Gegend Deutschlands vergleichen tonnen. Die Dächer die« ser Häuser breiten sich in einem ziemlich flachen Winkel und mit breit überstehendem Vordache über die Bewohner aus, wie die Flügel einer brütenden Henne über das Nest. Dlese Dächer sind fast durchweg sogenannte „Legdächer," d. h. mit Schindeln und großen Steinen zur Befestigung der Schindeln belegt. An dem Rande dieser Dächer befinden sich die sogenannten „Windbretcr," die rund herumlaufen, und diese Windbretcr sind in der Negel mit frommen und oft sehr gut gewählten Sprüchen geziert. Vei einem Hause las ich z. V. folgende gute Lehre: „Ueberschätze dich 32N und das Deinige nicht, verachte mich unddasMekmge nicht." Diese Inschriften sind immer recht gut geschrieben und eine wahre Zierde des Hauses; auch ist das ganze Haus mit sehr lebhaften und freundlichen Farben bunt bemalt. Rund llm die Häuser herum läuft wie in Steiermark, Tirol und der Schweiz eine Galerie mil Geländer von buntge« schmückiem Holzwcvk. Diese Galeric, die sie in Steiermark „'s Gängl" nennen, heißt hier m Baiern „dieLab 'n" (die Laube). Gewöhnlich haben sie über der unteren kleineren Laube noch eine obere größere Laube. Der Fenster und Thüren sind viele, und auf ihre Einrahmung verwenden sie so viel Schmuck und Farbe, wie die orientalischen Frauen auf die Einrahmung ihrer Augen. Auf die kreideweißen einförmigen Vauerhäuser Ungnrns und die grauen und braunen der norischen Hochalpcn spricht diese freundliche Farbenfülle der baier'schcn ungcmein heiter an. Da dieselbe malerische Vauernhaus-Architektur mit verschiedenen Nuancen durch die ganzen Alpen geht, so wäre es wohl der Mühe werth, sie einmal näher zu schildern. In der Schweiz und dann im baier'schcn Voralpenlande scheint sie mir am schönsten entwickelt. Ich machte noch mit meinem alten Schulnmster einen k'ei-nen Spaziergang in das schöne Thal der Pneu hinaus, daS er eine „ sehr aromatische Gegend" nannte, und nachdem wir beide recht,,umeinander gegangen waren" (so wunderlich drücken dieVaiern das aus, was wir „umhergehen" nennen), führte mich mein Alter noch auf den Kirchhof beS Ortes, wo auch er seine Gruft schon bestellt hatte. Er zeigte mir hier eine .iodtenlapellc, die so geistreich und bedeutungsvoll aus" M geschmückt war, wie ich dieß bisher noch auf keinem Dorf-tirchhofe gesehen hatte. An dem Dachgewölbe diesrr Kapelle waren uiele Todteutöpse gemalt. Jeder dieser grinsenden Kopfe hatte verschiedene Embleme aus dem Scheitel, der eine eine lange Alongen-Perrücke, der andere einen Helm, der dritte eine Krone, der vierte einen Vauernhut, der fünfte eine „Niug'lhaub'n" (so nennen die Bäuerinnen hier die goldene Haube, die sie tragen), dann war in der Mitte ein nackter Todtenkopf ohne alle Bedeckung und darunler die Frage- „Kannst Du Bcschcid mir davon aeben," „Wer ich war in meinem Lcben?" Mein Iubilatus war den Achtzigern nahe und hatte viel Pittereö und Süßes in diesem Leben durchgekostet. Ich warf mit ihm noch einen Vlick auf das Denkmal der kleinen Anna Sindlmayer, die schon vor dem Anbruch des ersten Sommers ihres Lebens die Augen geschlossen hatte und die auf ihrem Grabsteine sprach: „Daß ich die Welt noch nicht gekannt, dieß werden Manche mich beneiden! " Ich las alle diese Sache» und noch mehre andere mit Freuden, weil sie mir Anzeichen und Voten waren von dem gesuuden und wahrlich nicht rohen Sinne, der unter diesem Vauernvolke der baier'schen Voralpen herrscht. Ein anderes Zeichen von dein alten gesunden und ehrlichen Sinne, der in diesem Volke steckt, ist eine Sitte, an deren Ausrottung die baier'sche Negierung schon lange vergeblich arbeitet, nämlich das sogenannte „Haferfeld - Trei« ben." Diese Sitte ist so eigenthümlich und wird dabei wegen der Verdammung derselben von Seite» des Staa-V. 21 322 trs mit einem solchen Geheimniß bedeckt, daß es nur sehr interessant war, mit einigen Herren bekannt zu werden, die selbst einmal bei der Ausübung eines solchen Acteö, den man mit jenem ^'amen bezeichnet, zugegen gewesen waren und die mir etwas Zuverlässiges darüber mittheilen konnten. Das Haferfeldtreiben ist, um es gleich im Allgemeinen zu bezeichnen, eine Svottmusik, die man solche» Personen bringt, welche das Publicum der Achtung nicht wcrlh hält. Wer sich durch Bedrückungen der Armen, durch Geiz, Velrügereien, oder durch einen »»schicklichen, unsittlichen Lebenswandel, oder durch irgend sonstige schlechte Handlungen, die man gerade nicht gerichtlich verunheilcn lassen kann, veracht« licli gemacht hat. dem wird das Haferfeld getrieben, d. h. tö wird ihm auf eine lärmende Weise und mit besonderen Ceremonieen die Mißbilligung des Publicums kund gegeben und ihm das Versprechen mit einer Art von Gewalt abge» nöchigl, in Zukunft den guten Eilten und den Vorschriften der Moral angemessener sich betragen zu wollen. Es geht dabei so zu. Weun aus den beregten oder anderen Gründen das Gerücht eines Menschen völlig verdorben und der allgemeine Unwille über ihn groß und lebhaft geworden ist, so machen sich einige junge Vlirscke auf, bereden sich mit einander, verfertigen Satiren, Cpott- und Tadelgedichte auf diesen Menschen und suchen auch so viele alte Vauern und Vürger in lhr Complot hineinzuziehen, um den Angeklagten zum Anhören dieser Spottlicder zu zwingen. Sie ziehen, zu< weilen 100, ja 150 an der Zahl, mit Terzeroleii, Pistolen, 923 Prügeln, Hämmern, Trommeln, Klappern und anderen Instrumenten versehen, am Abende vor sein Haus. Die Sache wird sehr geheim, wie eine Verschwörung, betrieb,'», so daß gewöhnlich weder der Angeklagte »och die Vehördm zu-» vor etwas davon erfahren. Viele der Ainrcftudeu schwärzen sich das Gesicht, oder maskiren und vermummen sich sonst. Die, welche an der Verschwörung nicht mit Theil nehmen, dürfen sich, ohue Peleidigungen zu ristire», nicht sehen lassen, und e§ iverdeu Wachen ausgestellt, nm einen Ueberfall von Seilen der Behörden zu verhüten. Weil sie sonst außer den Ihrigen keinen zulassen, so ist es dahi'r auch schwer, dem ganzen Hergange eineö solchen Verfahrens einmal beizuwohnen. Wenn der Trupp vor dem Hause des Delinquenten angelangt ist, so beginnt der Lärm. Sie schießen mit Pistole», klappern, hämmern, schreien und lärmen auf alle mögliche Art und fordern ihn auf, vor das Hauö herauszukommen. Gewöhnlich versteckt sich der arme Erschreckte, kommt aber doch am ssnde zum Vorschein, denn er riskirt sonst, daß sich der Haufe seiner Feinde an die Zerstörung seines Hauseg macht. W wird ihm zunächst ein Protokoll vorgelesen, das wie die Gerichlsprotokolle abgefaßt ist, und in welchem alle Anwesenden unter allerlei erdichteten und phantastischen Namen cilirt sind. Alsdann kommen die Spottgedichte, worauf auch oft ein Verhör mit dem Angeklagten angestellt wird. Die Spottgedichte sollen oft äußerst witzig und launig abgefaßt sein. Zuletzt musi der Delinquent versprechen, er wolle sich bessern, und dann ziehen sich die Sittenrichter mit ihren Affessoren und Schergen unter Jubel und Gesang zurück. 21* 324 Ohne Zweifel hängt dlese Sitte des Hchrfeldlleil'tns mit ähnlichen allgemein verbreiteten deutschen Sitten zusam-me», mit dem „Verruf" und den sogenannten „Katzenmusiken" und „Pereatü" der Studenten, mit den Ehren- und Sittengerichten, die man zu verschiedenen Zeiten hier und da bei unS einzuführen versucht hat, — vielleicht auch gar mit den Wehmgerichten-^ wenigstens erinnern dasGeheimmßvolle, mit dem dieß Haberfeldtreibm ausgeübt wird,die Vermummungen und der Zweck, von den Gerichten nicht verfolgte Vergehen zu bestrafen, sehr an sie. Jedenfalls liegt diesem Haferseldtrei« ben aber die allgemein empfundene Erfahrung zum Grunde, daß die gewöhnlichen Gerichte nicht für alle Falle zureichen. In gewisser Hinsicht möchte man daher sogar wünschen, daß diese alte Sitte mit elner gewisse» Beschränkung »md unter einer gewissen Aufsicht fort bestelln könule. Merdingö kann der Staat diese Selbsthülfe und die Beleidigung Ande-der, die nicht von seinen Gerichten verdammt werden, so wie den polizeiwidrigen Tumult nicht dulden. Aberertönnle hier und da, wenn die Sache nur nicht übertrieben würde, wohl durch die Finger sehe». Gewöhnlich findet Uebertreibung und Mißbrauch nicht statt. In der Regel soll vielmehr, wie ich das auch qern nach dem allen Sprüchworte' „Vox populi, vox Voi," glauben will, die Strafe ganz und gar den Schuldigen treffen. Allein es kommen außergewöhnliche Zeiteil religiösen Zwiespalts und politischer Aofreg-ung , und in solchrn Zeilen werden alle dergleichen ü^olks-gerichte, z.V. leider auch dieGeschworenen-GeUchte, verdorben. So zeigte eö sich i» den Jahren 183« — 1832, daß da3 Haferseld vielen sehr achtbaren und hocha/flelllen Personen 325 getrieben winde. Die Behörden traten damals sehr energisch dagegen auf. Allein es gelang ihnen selten, solche Verschwörungen noch bei Zeiten zu entdecken und zu verhindern, oder später die Theilnehmer zur Strafe ziehen zu können. Seit jener Zeit nun besonders ist man immer darauf bedacht gewesen, diesen Gebrauch mit Strenge überall zu verfolgen und auszurotten, was aber immer noch nicht gelingen will. Ebenso kann man das Ringen und Raufen den hiesigen kräftigen und streitlustigen jungen Gesellen nicht abgewöhnen, so strenge Strafen man auch schon darauf setzte. In neuester Zeit hat man sogar angefangen, rechts tüchtige Stockschlage als Strafe anzuwenden. Es wurde mir in mehren Distrieten gesagt! „ja unsere Herrschaft, oder unser Gericht hier läßt tüchtig prügeln, weil diese Strafe noch das Einzige ist, was gegen das Raufen bilft." Ich Muß sagen, daß mir, der ich in slavischen und anderen Ländern eine ziemliche Partie Antipathie gegen das Prügeln eingesogen habe, sehr übel zu Muthe wurde, als ich hörte, daß man diese entehrende und schändliche Strafe wieder in einem Theile unseres geliebten deutschen Vaterlandes neuerdings mehr als sonst erercire. Leider giebt es in unseren Gesetzbücher« noch immer viele Verordnungen, welche Schläge als Strafe dictircn, wenn es auch nicht so arg damit ist, wie die Franzosen es stch in der Regel denken, welche meinen, wenn sie den Nhein überschreiten, sogleich in das wahre Prügelland zu kommen, welches, Gott sei Dank, doch noch weit hinter Deutschland liegt. Indeß muß man doch Frankreich dl« Ehre geben, daß es das einzige Land ist, in welchem aus gesetzlichem und richterlichem Wege Niemand 326 (die Galeerensclaven vielleicht allein ausgenominen) mehr geprügelt werden darf-, denn selbst in England giebt es so« wohl in der Armee, als auch bei der Disciplin der Gefäng« nifse noch viele Fälle, in denen auf Prügel erkannt wird. In Grassau lernte ich eins der ältesten Wirthshäuser in Dcmschland fcnnen. Es war in der Wirthsstnbe ein sol« ches marmornes „Lafohr^ (iuvoir, Waschbecken) eingemauert, wie man es hier überall in der Hanptstube der gro» ßen Vauerngehöste findet, eine Art von Prachcmübel, auf dem gewöhnlich der Name des Hausherrn und die Jahres zahl, wann er es seyen lics;, eingemeißelt sind. Auf je< nem stand „Calharina Rolhmayerin 1620.^ Mein alter Echlilinrister saqte mir aber, daß das Haus schon seit 400 Jahren em Wirthshaus sei und schon so lange unverändert siehe. Seiner Alterihümlichkeit und Solidität nach niochle es wohl so ftin. Vs wäre diesi Dorfwirths< haus demnach sogar alter als der Gasthof in Heidelberg, in welchem Götz uon Verlichingen einkehrte, und beinahe ebenso alt als der „der vrci Mohren" in Auqöbnrg, der seit dem Jahre 1^64 bestehen soll und in seinem Iremdenbuche die Namen so und so vieler durchreisender deutscher Kalser und Könige und berühmler Männer lmfweist. Die ganz nahe liegenden Verge haben hier »och immer eine bedeutende Höhe, der Hochgern z. V. erhebt sich 6000 Kuß, uno sie zeigen sich um so imposanter, da dirse Hohe gcge» Nor« den sogleich zur vollkommenen Flache abfallt. Die ganze Gegend, welche diesen Bergen anliegt, ist außerordentlich fruchtbar. Sie kennen hier keine Vrache, und die V.nicrn sind durchweg wohlhabend. Sie haben it, sehr interessant, und man bchanptet, daß solche Holztriftbauten sonst nirgend mehr in dieser Großartigkeit zu sehen sein sollen. Mich inleressnte es besonders, daß selbst diese Holztriftwerke ihre berühmten Erfinder und Verbefserer haben. So erzählten uns unsere Freunde von einem alten kurfürstlichen S3« Zimmermeister, der sich um jene Branche des Oasserbauwe-sens sehr verdient gemacht habe. Man sehe noch jetzt sein Bild häufig bei den Arbeitern und Beamten dieser Gegend, und dieser ingeniöse Kops, seiner Zeit einfacher Zimmermei-stcr, würde gewiß jetzt ein königlicher Obersalinenbauinspec-tor sein und wäre als der Vorgänger von Vaader lind Nei-chenbach anzusehen. Eine seiner Hnuvterfindnngen seien die sogenannten Spiegel. Diese Spiegel lernten wir an manchen Stellen der Mangfalltriftwerke kennen. Sie sind eine Art großer, aus Balken componirter Siebe, die unter den Fluß weg gehen und dazu dienen, daß das Geröll und der Sand durchfalle, die Holzblücke aber rein und unvermischt obenauf liegen bleiben. Sehr gern wären wir der Einladung unserer gütigen Freunde vom Salinenwerke gefolgt, noch einige Zeit zu bleiben, um unö e!was genauer darüber zu belehren, wie viel Mühe und Denken eö toste, wie Aschenbrödel ans der Asche alle Crbsen, so aus der Wasserqnelle alle Salzkörnchen zu lesen und keines darin zu lassen; allein wie die Wellen der Mangfall unaufhaltsam bergab rollten, so trieb es un3 unaufhaltsam in'ö Thal aufwärts zn den Qnel-lengegenden dieseö Flusses hin, zudem reizenden Wasserbecken von Schliersee und Tegernsec. Schliersee. <3o sonderbar der Name der Mangfall klingt, ebenso sonderbar und ganz eigenthümlich ist auch ihr Lauf, — so ganz singular und abnorm, daß kein einziger aller der Flüsse, die auf der Nordseite von de» Alpe» herunterfließen, ihr gleicht. Sie kommt alls dem Schlier- und Tegernsee und zieht, ohne ein eigentliches Thal zu ihrem Vette zu haben, in einem tief ein^schnittenen Grunde anfangs direct nach Norden. Ungefähr in der Hälfte ihres Laufes, mitten in der Ebene, wendet sie sich plötzlich mit einem ganz spitzen Winkel nach Südosten ein und stießt in dieser Richtung zum Inn. In dem Scheitelpuncte dieses Winkels mündet in ihren tiefen Graben ein anderer, ebenso tiefer, sehr langer und schmaler, natürlicher Graben, den die Vaiern mit «ollem Rechte „die Teufelsgrubm" nennen, weil ihr plötzliches Erscheinen mitten ln der Ebene, in der sonst sich gar nichts Äehnliches findet, wirklich höchst wunderbar zu sein scheint. Vs war ein schöner Hcrbstmorgen, und obgleich nicht das geringste Lüftchen wehte, so fielen doch von allen Vaumen beständig zahllose Blätter ab. Sie lösten sich mit ihren Stielen von den Zweigen und schwebte» ruhig zu Boden. Ich finde, daß dieses freiwillige Abstoße» derVlatter, wie das S34 Abfallen der reifen Früchte, einer der poetischesten Arte in der Pflanzenwelt ist. In dem vegetativen Leben geschehen sonst alle Bewegungen, das Wachsen, das Aufblühen, das Ab» sterben, so äußerst langsam, daß des Menschen Auge nichts davon gewahrt. Der Schluß des Processes der Fruchtreife und das Lebensende der Platter aNein machen sich bemertlich und sichtbar, und man glaubt, die Dryaden zu sehen, wie sie sich ihres schönen Schmuckes entkleidet. Gewöhnlich wird ihnen freilich wie dem Menschen im Sturm ihre Hülle entrissen. In Au, einem Dorfe am Fuße der Verge, blühte uns in fetler Vuttcr, gutem Vrot und Käse die Fülle des LandeS entgegen. Alles war reinlich und gut, und die wohlbeleibte Figur unsers Wirthes, eines wahren Nitlcrs von der flöhlichen Gestalt, entsprach dem reichlichen Frühstück. Er besaß überall da Fülle, wo Don Hoixnte Mangel hatte, in den Vacken, in den Armen, in demNmge seines Veibgürtels, so wie innerhalb der Umzäunung seiner Strumpfbänder. Wir erkundigten uns nach der Ursache dieser erfreulichen Cr» scheinling, nnd er zeigte lins seine 46 Kühe, die, wie er uns sagte, fast lauter Pinzgauer G'schlag , und seine 12 Pferde, die zum Theil Pmzgcmer und als solche starker, aber weniger schnell alö die hiesigen baier'schen seien. Gs ist unmöglich, daß alles Vieh, welches einem in den Winh< schaflen des südlichen Vaierns und der Erzherzoathümer Oesterreich als „Pinzgauer G'schlag" gezeigt wird, wirk« lich aus jenem Thale lomme. Wahrscheinlich bleich« net man danu't alles salzburger Alpenvieb, das hier in die Ebenen des Noltcns ebenso weit verhandelt wird, wie das 335 schweizer Vieh in die Ebenen Frankreichs und des westlichen Deutschlands und wie das tiroler in die Ebenen Mailands und Venedigs. Durch die zahlreichen Obstgärten von Au ^- hier ist überall die Obstzucht sehr tedextend — gelangten wir weiter nach P'ieSbach. Hier tritt man nun schon in die Alpengegenden ein, welche die Wünchencr Bürger ini Sommer bewohnen. Mieübach ist besonders beliebt und im Sommer voll von Städtern, welche die schöne Natur hier genießen. Hier auf der nördlichen Eeitc der Alpen ist es noch gar nicht so lange her, daß man die Sitte aniiahm, in den Alpenthalern zu übersommern. Auf der südlichen Seite ist diese Sitte schon weit alter. Die Städter von Verona, von Votzen, Roue» redound Mailand flüchten sich schon seit alten Zeiten in Som» merhanser an den Alpenseeen und auf den kühlen Alpenbcrgen. Hllich ist der Unterschied noch zu bemerken, daß man hier im Norden mehr in die Thaler zieht, im Süden aber mehr auf die Berge, weil nur hier erfrischende Kühle zu finden ist. Die wohlhabenden Lcme aus den südlichen Sladtcn Tirols z. V. haben fast alle auf der Höhe der Alpen, in der Negion der Wiesen und nackten Felsen, ihre sogenannten „Sommerfrischen," kleine, reizende Wohnungen, die im Winter leer stehen, in denen aber im Sommer ein heiteres Leben geführt wird. Es wohnen zuneilen selbst Geschäftsleute den gan« zen Sommer in diesen Sommerfrischen und leiten von den Höhen herab ihre Angelegenheiten in den Thälern. Anf dem Wege von Micsbach nach Schliersee sieht man sich zwischen lauter Einöden, und doch befindet man sich sehr wohl dabei, denn es ist nur ein abschreckender Name für eine 336 anmiithige Sache. Es sind lauter hübsche, einzeln liegende Vauerhöfe, welche die Bauern auch dann Emöven nennen, wenn sie sich in einem so schönen Thale befinden, wie es das der Schlierach ist. Nach einigen Stunden weitete sich das Thal, zugleich aber erhöhten sich auch die Berge, und wir fanden zwischen ihnen, wie eine reizende Schöne zwischen Gebüsch versteckt, den Schliersee. Die Nymphe dieses See's bei welcher dcrW.nidercr einkehrt, heißt „daö Fischerlieserl." Sie war vor zwanzig Jahren gewiß so schön wie die „Milch-Manand'l" inGratz. Sie war jung, blauäugig, rothwangig, schlank gewachsen, lustig und launig, und es sehlte ihr nichts als die Unsterblichkeit. Jetzt leider zählt die Fischer-lieftrl schon 50 Frühlinge, lind wenn es nur diese verjüngende Jahreszeit allein gewesen wäre! Aber leider warm auch vierzig alternde Winter dabei, und obgleich aus alter Gewohnheit der Pilger nach Schliersee die schöne Fischerlicserl noch immer mit einem schmeichlerischen Komplimente begrüßt und obgleich auch sie noch aus alter Gewohnheit daö Compliment mit einer etwas coquettirenden Verschämtheit erwiedert, so ist doch der Neiz der Iugcndblüche dahin, uud es ist Schade, baß Fischerliesel kein Töchterchen heranzog, um in einem Fischerlieselchen sich von Neuem zu verjüngen. Unter allen den zahlreichen Scenen drö südlichen Vaicrns sind derScbliersce und derTegcrnste die reizendsten. Der (5hiem-, der Wurm- und der Ammersee liegen zu weit in der Ebene, und obgleich sie noch viel schöner sind als die norddeutschen Seeen, so haben sie doch wegen ihrer flachen Ufer weniger zurückzuspiegeln und scheinen minder inhalts - und gedankenreich als die genannten Berg seeen. Der Kochel see aber und der Wal' 337 chcnsee, die ebenfalls inl Inneren des Gebirges liegen, habe» eine etwas sehr wilde, tannenwaldreiche Umgebung, wahrend die beiden genannten schonen Seeen Dörfer, Kirchen und Schlösser an ihren Ufern tragen. Mitten im Schliersee liegt eine kleine Insel, und außer^ dem geht noch eine kleine längliche Halbinsel in's Wasser vor. Dirse Insel und die Halbinsel waren mit Bäumen bestanden, die mit rothem und gelbem Herbstlaubc geschmückt waren. Diese Seenymphen haben so gut wie die Menschen und wie Alles in der Natur ihren Iiea« ^>ur, schöne Momente, die oft sehr kurze Zeit dauern, und die man belauschen und abpassen muß, wie den berühmten Silberblick bei'm Schmelzen des Metalls. Wir hatten das Glück, einen solchen Augenblick zu erhäschen, der uns den Schliersee wirklich in einem ganz reizenden Tableau darstellte. Die Sonne sank nämlich dem Rande der westlichen Gebirge des See's zu, so daß also bald die ganze, demselben zugekehrte Seite dieser Gebirge in Dunkelheit versiel. Di? andere Seite mit dem hub« schen Dorse, mil den Obstgärten und Acckern mid weiter hinauf mit den Wiesen, Waldern und Bergspitzen lachte nock im schönsten Licht. Muten zwischen beiden, zwischen dieser Schattenseite und der Lichtseite, lag der See wie ein dunkler Spiegel, der alle auf ihn fallende Lichtstrahlen absorbirte. In seiner Mitte aber zeigten sich die längliche Halbinsel und die kleine Insel, im stärksten Licht erleuchtet, die goldenen Herbftblätter der Vaume hoben sich gegen die schwarze Hinterwand dcr Verge sehr hell ab und spiegelten sich im dunklen See mit erstaunlicher Schärfe wieder. Anfangs brannte v. 22 338 daö kleine Doppelbild der Insel und Halbinsel in ziemlich langer Ausdehnung. Je tieser aber die Sonne sank, desto mehr Land entschwand von beiden in die Dunkelheit des Schattens und verband sich ununterscheidbar mit der schwarzen Hinter-wand der Verge. Mollo lief immer weiter auf die Spitze der Insel hinaus, bis auf das alleräußerste Ende, wo noch ein goldbelaubter Baum stand. Wir sahen, deutlich und scharf von den nicht erleuchteten Lufträumen unterschieden, die Pfeile des Gottes über die Verge auf diesen Baum herabschießen, und einige Minuten hindurch erblickten wir, die wir auf dem hellen Ufer standen, mitten in der Dunkelheit der Schattenseite diesen heNerleuchteten Goldbaum und sein Ebenbild im Spiegel des See's. Es giebt in den Alpen Beleuchtungen und Landschaftö-bilder, die nur zu gewissen Tageszeiten, andere, die nur zu gewissen Jahreszeiten und bei einem gewissen Stande der Sonne wiederkehren. Es giebt Puncte, die nur im Herbste beleuchtet werden, andere, die nur im Frühlinge Licht empfangen. Dann wiederum sind die Vodengestaltungen und die Situationen des Terrains so verschieden, daß dadurch fast in jedem Thale der Alpen die Beleuchtung anders bedingt wird. Mnn muß daher überall sehr aufmerksam sein und kann, wenn man als Landschaftsmaler relst, fast jeden Anblick, den man im Gebirge hat, als einzig in seiner Art betrachten. Die Gestaltung deS Terrains, die Zustande der Luft, die Constellation der Gestirne und der Wolken sind so unendlich manchfaltig, daß sie fast in keinem Puncte und in keinem Momente vollkommen gleich stnd. Es kann sein, daß man einen solchen auf der Spitze eineö InselchenS 333 mitten im dunklen See schwimmenden und sich spiegelnden Goldbaum mir hier im Schiersee und auch nur am Ende Octobers so erblicken kayn. Vom Schliersee nach Tegernsee hinüber führen keine an« deren Wege als Kuh- und Sennhirtenstege, welche um diese Herbstzeit fast nie mehr trocken werden. Die zwischen beiden Seeen liegenden Höhen sind der Krenzberg, der Rainer» berg imd die Gindlalpe, lauter Spitzen, die man, wie die Lente nicht zu erwähnen vergessen, selbst von München aus sieht. Schon auf dem GaiZbcrge bei Salzburg fangen sie an, dem Reisenden zu sagen.- „man sieht diesen Verg von München aus." Von hier an bis zum Vodensce adelt die Residenz München gewissermaßen alle Vergspitzen, und wie man von diesem oder jenem „Cavaliere" erzählt: „er ist in München hoch angeschrieben/' ft erzählt man es auch von den Bergen. Mein lieber Reisegefährte entschloß sich, auf der auf Um« wegen um die Verge herumführenden Vicinalstraße nach Te« gernsee weiter zu reisen, und ich wählte die Fußsteige, weil ich dachte, vielleicht frühzeitig genug auf der Gmdlalp anzu« kommen, um von da ans noch den Apollo ln irgend emer west-lichen Gegend der baicr'schen Ebenen Himmelabwarts wan» deln zu sehen, obgleich in dieser Hinsicht freilich meine Hoffnung fehlschlug; denn als wir oben auf der Höhe ankamen, hattt Diana sich schon auf dem Stuhle des Sonnengottes niedergelassen und waltete mit silbernem Scepter über Verg und Thal. Mein Begleiter war ein tüchtiger junger Bauer auS Schliersee, der, wie fast alle die hiesigen Alpenbewohner, auch ein großer Verebrer der Diana war, jedoch mehr der 22 * 340 nninteren Venatrir als der sentimentalen und schmachtenden Poetrir. Auch hier, wie überall in den Alpen, sind die Bewohner große Wildschützen, und sie liegen beständig datüber mit den königlichen Jägern im Hader. Es ist weit mehr Leidenschaft nm Iagdvergnügen bei ihnen als Freude am Gewinn. Dieß zeigt sich besonders darin, daß gerade die wohlhabendsten Vauernsohne weit mehr als die ärmeren sich diesem verbotenen Vergnügen überlassen. Vei der Sennhütte der Gindlalp ruhten wir ein wenig. Sie war natürlich schon verlassen, ebenso wie die Kreuzalpe, über die wir unseren Weg fortsetzten. Auch in diesen Alpen noch sind es überall dieMädchen, welche die Vergweiden mit dem Vieh beziehen. Erst in den westlichen baier'schen Alpen und im westlichen Tirol beginnen die Landstriche, wo die jungen Männer auf die Alpen ziehen. In der ganzen Schweiz und in den savoyischen Alpen ist es dasselbe. Natürlich ist dann hier das Alpen-Hirtenleben weit weniger poetisch; denn theils ist es an und für sich schon eine weit poetischere Idee, daß die Mädchen hier einsam auf den Ver< gen lebe» und Heerden weiden, theils auch führen die Mädchen natürlich weit poetischere und anmuthigere Alpensitten ein, schmücken ihr Vieh mit Blumen, erfreuen sich deS Sing-enö, während dann jene westlichen Alpcnhiricn oft auf ganz andere Spiele kommen, gewöhnlich auf das Ringen und Raufen, daö „Aperschnallen" (Peitschenknallen bei'm Auf" fahren im Frühling) u. dgl. Und endlich ist es auch deß« wegen nicht so poetisch, weil auf jenen westlichen Man« nevalpen die Liebe keine so große Nolle spielt wie auf diesen 341 östlichen Weiberalpen. Dort kommen die beiden Geschlecht ter nie in der Sennhütte zusammen; denn, sagen die savoyi» schen Thalbewohner, „il «»t clefouciu aux Nile« li'ailei- » la monta^no, ot «n n'^ poi»80 s»23 inslli^." Eö würde un^ schicklich sein für die Schamhaftigkcit des weiblichen Geschlechts, in den Vergwildnifsen ihre Geliebten aufzusuchen, währendes dcmMannenatürlich nicht verdacht werden kann, auf den Bergen zn streifen und „^ventures l!'.-lmo>lr"dort zu findeu. Aus denselben Ursachen kommt es, daß in der Schweiz auf den Männeralpcn der Kuhreigen zu Hause ist, wahrend aufden Weiberalpcn in Vaiern, Steiermarklc. mehr Gesang gepstcgt wird, der den Mädchen besser ansteht als daö Hörnerblasen. So ucrschicden indeß in der Regel auch die Sitten und Er-scheinungen in den verschiedenen Theilen der Alpen sind, so sind doch viele von ihnen ganz allgemein. So z. V. hält man in den französischen wie in den italienischen, und in den ^chwcize« rischen wie in den tirolischen, baicr'schen und steirifchen Alpen überall sehr viel auf die stärkste und beßte Kuh in der Heerde, und es ist merkwürdig, daß dieselbe sich überall im Frühlinge, wo die Thiere in übermüthiger Freude ihre Kräfte aneinander versuchen, durch Kampf herausstellt und dann für den ganzen Sommer als Herrscherin der Heerde geltend macht. In den französischen Alpen nennt man diese Klih die „vacne mmtr^se" oder „vacdc roine." Ill der Schweiz heißt sie die „Glockenkuh", und jener Kampf um diesen Titel das „Glockenkuh-Gefecht." In anderen Theilen der Alpen heißt sie die „Maierknh" oder die „Hagmaierkuh", in Steiermark die „Almenkuh." Diese „vacke reitte" führt die Heerde an. Ä42 kennt die beßlen Weideplätze und ist die muthigste in der Gefahr. Da, wo die Bewohner eines Dorfes ihr ^ieh gemeinsam auf die Weide schicken, ist es ein Gegenstand ganz besonderen Ehrgeizes, die herrschende Knh sein eigen nennen zu können. Die Viehbesitzer geben daher viel Geld dafür aus, sich recht starke Thiere zu verschaffen, und nicht selten soll es bei Niederlagen dieser oder jener Knh zu Schlägereien unter den leidenschaftlichen Hirten kommen. Ein solcher durch die Streitigkeiten des dummen Viehs veranlaßter Kampf der Menschen untereinander muß denn in der That ein höchst komisches Schauspiel abgeben, das wirtlich sür den narrischen Sinn der Menschen einen frappante» Beweis liefert, beson-ders wenn man sich dabei denkt, daß der Zank der Menschen erst anfangt, wenn das Vieh schon langst wieder zur Nuhe gekommen ist und arglos unter dcr anerkannten Herrschaft der ttmen „vactie reine" nebenher weidet. Mein Begleiter hieß „Schürfe" (Georg). Er war ein baumstarker Mann, eine Figur, wie ich sie in den Alpen nur hier in Vaiern gesehen habe. Ich lobte ihn deßwegen und sagte ihm, daß ich ihn darum beneide. Er sagte mir darauf, es hatte auch noch Niemand gewagt, ihm seine Spielhahn-» feder abzureißen und zu Vodcn zu werfen, weil Alle Furcht vor ihm hatten. Diese Burschen hier in den baier'sche» nud tiroler Alpen stnd lauter Naufer erster Größc. Sowohl nach Osten zu den friedlichen Sleiermarkern, als auch nach Westen zu den weniger Prügellustigen Franzosen nimmt das Mausen ab. Hier in den Mittelalpen ist der Hauptsitz dieser Künste. Sie bewaffnen hier allgemein ihre Faust mit dicke» eisernen oder silbernen Nmgen, die mehr kleinen Kol< A 343 ben und Hämmern als Zierathen gleichen. Mit diesen Ringen machen sie sich oft so schrecklich und verderblich, wie die Italiener mit ihren Dolchen. Schürft erzählte mir, daß er eine Stelle wisse, wo zwei Kreuze auf einer Wiese errichtet seien, undwo selbst sich einmal zwei raufende Vllben gegen» seitig erschlagen hätten. 5 „Warum rauft Ihr Euch denn so fürchterlich?" fragte ich ihn. „Wegen der Mädeln und der Federn," antwo«ete er. „Wegen der Mädeln und der Federn", das heißt mit anderen Worten, aus Eifersucht und Eitelkeit, jenen beiden Wurzeln so vielfachen menschlichen Haders. — Die Feder, welche sie am Hute tragen und deren Verletzung, wie die Beleidigung der Flaggen auf der See, als Friedensbruch angesehen wird, sind dem Schwänze dcö,,Spielhal)!is," so nennen sieden ,,Birkhahn", entnommen. Sie bezahlen oft einen Kronthalcr für ein Paar gute Spiclhahnfedern. Es ist interessant, die Stufen und Fortschritte von der ersten malitiösen Anspielung auf eine solche Feder bis zum erklärten Streite zu verfolgen. Die Aelpler sind darin so erfinderisch und witzig wie die Anhänger derMontecchi und Capulrti des Shakespeare. Wenn die Beleidigungen sich gegenseitig so weit erhitzt und hinaufgetrieben haben, daß das Maß des ZoinS voll ist und überschäumt, so reisit der Eine dem Anderen seine Feder vom Kopfe und wirft sie zu Voden. Gine malitiösere und feinere Weise ist die, daß der Eine, der an dem Anderen etwaS sucht, sich ihm spöttelnd und witzelnd nähert und mit der Scheere die Spielhahnfeder unversehens wegschneidet. Dieß Ver-brechen kaun dann nicht anders als durch gewisse Sühne» 344 , und Friedenstistimgs-Mittel, die man auf Deutsch Prügel nennt, wieder gut gemacht werden. Wie genau die „Mädeln und die Federn" zusammen,, hängen, sieht man schon aus dem Sprüchworte, welches die Mädchen von den Federn haben. „Kai Fcder am Huct," „Der Bua is mt guct," fage^ sie und wollen damit andeuten, daß der, welcher nicht zum Raufen geschickt sei, sich auch auf das Lieben nicht verstehe. Unsere Wege waren in der That nicht sehr zu loben. Hler und da waren ,uir ft glücklich, umgestürzte Baumstämme zu finden u»d auf ihnen über den Morast hinbalan-ciren zu tönnc». Endlich kamen wir wieder hinab aus eme etwas trockene Wiese, die rund herum von Wald umgeben war, und von der aus man bereits zum Te^ernsee hinab' blickte. Der Mond schien so schon, und ich dachte mir, daß diese Decoration für die Beschwörung eines Schweizerbun-des herrlich passe. Abwärts dieser Wiese kamen wir zu dem „Gschwandcr", dem ersten Bauer des Tegernsec-Hhales. Hier sasien die Leute aber um eine große Schüssel versammelt, aus der sie Aepfelmuß speisten, eine ihrer gewöhnlichsten Abend-speisen hier zu Lande. Ich hatte qcrn bei diesen Leutchen ein wenig geruht, allein mein Schurse trieb zur Weiterreise, weil er am anderen Morgen früh schon wieder in Schliersee zurück stin müsse, wo er den Priester in der Sakristei einkleiden und als sein Gehülfe bci'm Gottesdienst sungirm solle, statt seines Bruders, dem dieß Geschäft eigentlich zu- 345 lommc, der aber krank sei. Dazu mnfse er sich auch noch rasircn und ankleiden, und um 5 Uhr Morgens fange schon die Messe an. Ich konnte mir diesen nesenstarken Menschen nicht, ohne darüber zn lachen, alö Amanuensis und ankleidende Kammerzofe dcs Priesters vorstellen. Tegernsee. Auch die waldige Wildniß um den Tegernsee, wie dle um Admont, die u,n Verchtesgaden und so viele andere, haben Venedictinermönche zuerst zn cinem schönen menschlichen Wohnorte umgewandelt und Licht dann geschaffen. Durch die Zwischenräume der ausgehauenen und gelichteten Wälder sahen wir die Lichter, die am Sce angezündet waren, hervorschimmern, und bald darauf stolperten wir aus den Waldern hervor und traten in die schönen Raume diescS reizenden Ortes, den wir am anderen Morgen bei Sonnen»» schein durchwandelten. Es war ein Sonntag, und von allen Seiten strömte das umwohnende Volk ans den am See liegenden Dörfern herbel, um die Kirche zu besuchen. Wir placirten uns unter dem sogenannten Parapluis, einem herrlichen Sitze auf der Mitte einer kleinen Halbinsel, die in den See hervortritt, und sahen dem hübschen Schauspiele zu. Diesem Sitze gegenüber liegt das reizende Dorf Egern, in dem es sich von sonntäglich ge« schmückten Mädchen und Frauen und von Männer» und Purschen ln graufarbigen, aber mit grünem Vande besetzten „Joppen" hin- und herbewegte. Auf allen Vergstegen kamen 347 die Kirchengänger herunter und hinten tief aus demKreuther Thale hervor. Und den See durchruderten kleine Voote, mit cben solche» Kirchenleuten gefüllt. Bildschöne Gestalten »nd die ausdruckvollsten Gesichter entdeckten wir in Menge nnter den Männern, weniger unter den Frauen, und hier mußten wir entschieden das männliche Geschlecht das schöne nennen. Sehr anffallend war es mir, daß hier die Burschen ihre Vlumenbouquetö, die man doch sonst überall, wie eS auch natürlicher scheint, nach der Richtung der Augen, des Kinns und der Nase sich wenden läßt, hinten am Hute stecken hatten, su daß die Vlumen alle mit den Kelchen rückwärts blickten. Auch die Hutschnallen tragen sie hier nicht vorn, sondern hinten. Sie halten dieß für viel schöner und würden den auslachen, der diese Sache, wie die übrigen Weltbewohner, vorn trüge. Ich erinnerte mich dabei an die Ungarn, die ihre Pfeife oder ihresonstigenKleinigkeilen, wie ichobeu bemerkte,nicht, wie eö zweckmäßiger scheint, vorn in den ^eibgürtel stecken, sondern hinten gerade mitten auf dem Rücken tragen, und an die Kleinrussen, die ihre Hosen, wie dieß sonst alle Schneider an-rctthen, nie vorn, sondern immer hinten zubinden. Der Ethnograph und Sittenbeobachter trifft oft auf solche ganz singuläre und absonderliche Gebräuche, ebenso wie der Naturforscher auf Capricen und Abnormitäten in der Natur trifft, die nirgend ihres Gleichen finden. Zu meiner Verwunderung fand ich auch hier noch die österreichischen Zwanziger als Cchmuck an den Kleidern der Leute. Alle iw'gen Äauerburschcn hatten solche Zwanziger als Knöpfe an ihren Joppen, und so kann man denn diese merkwürdige Münz« 348 forte von den Köpfen und Nacken der serbischen und wala« chischen Frauen bis in diese baier'schen Gebirge hinein als einen bci allen Völkern auf 200 Meilen Entfernung gebräuchlichen Körpcrschmuck wahrnehmen. Im Sommer in der Mitte der Kreuther Vadesaison, sieht es an diesen Seeen anders aus. Da rauschen die Karossen der Vornehmen im Thale hin und her, da gleiten in den Booten dcö Sees geschmückte Städterinnen auf und ab, und da ver< treiben die eingemiethcten Fremden aus entfernten Ländern die eingeborenen Thalbewohuer aus ihren Häusern. Der Herbst giebt den Aclplern die Herrfchaft ihres Landes zurück, und ich freute mich, sie im ungestörten Besitze desselben zu sehen. In der That, ich wiederhole es noch einmal, dieß baier'sche Alpenvolk, dieser ganze derbe, kernige Menschenschlag bis zur Donau hin und an ihr und den Alpenvorlanden entlang bis nach Passau, Linz und Wien und auf der anderen Seit« bis zum Lech — was Alles eine Brüderschaft bildet, — es ist ein derbes germanisches Kernvolk, auf daö wir Deutschen stolz zu sein die größte Ursache haben. Denn ich glaube, daß man eine solche Grundbevölkerung nicht in sehr vielen Staaten auf der Erdoberfläche wiederfindet. Ich möchte den Werth der Grundbevölkerung anderer Provinzen Deutsch» lands nicht heruntersetzen, auch dort hat der Bauer gewiß seinen besonderen Werth, aber ich muß sagen, mir kamen die hiesigen Leute ihrem Aeußeren nach im Verhältnisse zu anderen immer wie gewichtige Kronthaler zu den gewöhnlichen norddeutschen Thalern vor. Wahrlich der Himmel hat hier das Seme gethan. Er hat den Staatcngnmdern und Gesetzgebern einen Urstoff mit so guten Eigenschaften gege< - 349 ben, daß eS nur ihre Schuld ist, wenn sie daraus keine Mar« morgebäude errichten. Wenn ich mir dachte, daß die Edlen unter diesen Leuten desselben Schlages wärm und die Grundeigenschaften des Volks in sich noch auf einen höheren Grad der Ausbildung gebracht hatten, wenn ich dann weiter dachte, daß alle jene deutschen Männer, an der Spitze diese ihre Edeln, ihre Stimme gemeinsam erheben und sich einen Herrscher, der sie in ihrem Sinne regierte, wählen könnten, was für ein Kaiserreich müßte das werden! Auchin derNatur wares jetzt hier gewissermaßen weniger einförmig als im Sommer. Im Sommer herrscht hier nur eine Farbe durchweg — die grüne. Alles, Verq und Thal, ist durchgangig in ein einziges dichteö Grün gehüllt. Jetzt waren zwar die Wiesen und die Fichtenwälder noch grün, zwischendurch aber schlangelten sich die Einfassungen der Laubbäum?, deren Blätter je nach ihrer Art in verschie, denen Nuancen deS Gclb, Braun und Noth changirten. Abfahrt von den Bergen. NieTegernseeer prachtvollen Herbstbilder waren die letzten, welche wir uns in den Alpen betrachteten, und wir rollten mm in die Ebene nach München hinaus. Bis Holzkirchen hin blieb das Land noch immer etwaS hügelig, doch MAlle diese kleinen von einander isolirten Hebungen sehr unbedeutend, und in, Ganzen, kann man sagen, steigt die Haupt« masse der Alpen sehr rasch und ohne bedeutende Uebergänge zu der baier'fchen Hochebene hinab. In Holzkirchen machten wir Mittag. Die ganze große Wirthsstube war voll mit allerlei speisendem Volke und ein jeder der viereckigen Tische mit Menschen besetzt. Alles schwatzte, lachte, speiste und zechte durcheinander, als es auf einmal 12 Uhr schlug. Da wurde plötzlich Alles andächtig und still. Jeder legte seinen Löffel zur Seite, schluckte rasch den letzten Bissen hinunter, faltete die Häude, und die Kellnerin (zuweilen thut es in Vaiern auch der Hausknecht) erhob sich und betete vor. Gewisse Worte sprachen wir im Chore nach, bis zum „Amen." Dann begrüßten wir unS alle in die Runde herum und wünschten uns „einen guten Nachmittag", griffen wieder zu Messer und Gabel und speisten 351 und schwatzten weiter. Wir schwatzton weiter und fuhren dann auch weiter. Es geht nun einem immer unfruchtba-reren Lande zu, dem mittleren Altbaiern um München herum, das so steinig ist, wie das Berliner Preußen sandig. Vis Sauerlach blieb es indeß noch immer recht schön, und in Sauerlach besahen wzx noch eine Vauernwirth' schaft, die so großartig ist, daß ihr Besitzer auf der Manche» ner „Schranne" (dem Kornmarktc) das ist, was Nothschild auf dem Frankfurter Papiermarkte vorstellt. So wohlhabend indeß die hiesigen Bauern auch sind, so essen sie doch nur höchst selten Fleisch, nämlich nur dreimal im Jahre, um Weihnachten, Ostern und Pfingsten. Brotsuppe und Brei bilden ihre Hauptnahrung, dann Knödeln, Nudeln und gekochtes Obst, dazu als Getränk der sogenannte „Hainzel" oder „Schöps/' ein leichtes Vier, das auch „Nachbier" genannt wird. Dieß gilt so ziemlich in derselben Weise von der Grundbevölkerung des ganzen südöstlichen Deulschlands. Zum Brei wird ein Stückchen Butter zerlassen. Sonst kennen sie die einfache norddeutsche Sitte, Butter auf Brot zu streichen, nicht. In allen diesen süddeutschen rändern, in Oesterreich, Ungarn, den Alpen bis München hin, habe ich nur selten einmal und fast immer nur auf besonderes Verlangen ein Butterbrot gegessen. Sachsen, Preußen und überhaupt Norddeutschland kann man als oie wahren Vutterbrotstnche bezeichnen. Denn dort giebt cs Menschen genug, die vorzugsweise uom Butterbrot als kalter und vom Kaffee als warmer Speise leben. Das Butterbrot ist von den Deutschen sogar zu den Letten und Esthen nach Kur» und Livland gebracht worden. Denn dort auch bestreicht 352 sich der Vauer regelmäßig das Vrot mit Vlitler, und eS bildet seine vornehmste Nahrung, wahrend weiter in Nuß-land hinein jenes Gericht nicht bekannt ist. Auch der Kaffee ist sowohl in den baier'schcu Vierländcrn als in den österreichische» und schwäbischen Weinländer» bei den Bauern fast unbekannt l^id ein Lurus« Artikel, wahrend er in Norddeutschland allgemein ist und in Sachsen namentlich in den ärmsten Haushaltungen beständig gebraut wird. So wie in allen Stücken, so ist auch in die-stm Puncte der Nahrung eine außerordentliche Verschiedenheit in Deutschland, und wie es in unserem Vaterlande ab< solute und ronstitutionelle Staaten, katholische und prote« stantische Länder giebt, so giebt es auch Wein» und Vier' länder —Branntwein- und Kaffrevölker, — Thee- und Vierkaltschalc - Provinzen, — Kraut- und Rüben-Nationen, (die Baiern für Kraut, die Märker für die Nüben) — Fleisch-, Gemüse- undMehlspeisen-Districle, —Braunkohl-, Wurst-und Vutterbrotgebiete. In diesen große» Gebieten und Provinzen kann man dann wieder eine Menge kleinerer Kreise und einzelner Stadtgemeinden unterscheiden, Knoblauch-Kreise, Honigkuchen-Städte, Zwetschenkuchen -Ortschaften, Viscuit-Comnmnen. Alle diese Sachen sind noch keineswegcS gehörig in'ä Licht gestellt worden, so außerordentlich für die Ethnographie sowohl als auch namentlich sür den Handel eine genaue Beleuchtung solcher Gegenstände zu wünschen wäre. Der Sauerlacher Bauernguts-Besitzer zeiqte uns seine Wirthschaft en66t»il, sowie seincFrau ihre „Ausfertigung," womit sie hier den Theil des Heirathsgutö, der in Kleidern, Wäsche und sonstigem Hausgerath besteht, bezeichnen. Es ist 353 hier überall tine Freude, dm Leuten i» ihre Kisten und Kasten zu gucken, weil sie Alles so nett, so reich und Proper haben. Die goldenen und silbernen „Ningclhanben" herrschen überall bei den Weibern des bciier'schen Volksstammes an der qanzrn Donau bis nach Wien hin. In den Alpe» und dann in Schwaben, Franken und Böhmen findet man sie nicht. Auch die mit silbernen Ketten reichlich be« hangcncn Mieder, die jetzt leider in München mehr und mehr verschwinden, findet man noch immer in den Schatzkasten der Ausfertigungen der reichen Bäuerinnen. Sie nennen den silbernen Kettenbesatz „das Oeschm'r" und haben daran in der Regel eine Menge kleiner Sächclchen, silberner Herzchen, Kreuzchen. Trauben ?c. hangen, die ihnen einmal geschenkt wurden. Die nemnodige Kleidung, welche die Vauer-mädchcn in München mehr und mehr anlegen, giebt zu Ge-schentchen und Andenken leine solche Gelegenheit wie diese Nationaltracht. Zum ersten Mal sah ich hier in dieser Sauerlacher Schatzkammer auch Etwas, von dem ich schon oft gehört hatte, nämlich einen sogenannten „Tölzer Prügel." Vs war ein kleines zierliches Holzscheit, das, mit Vlumen und Gold-slitterchen stattlich ausgeschmückt, der Wirthin zum Geschenk gemacht worden war. Es ist hier Sitte, Jemandem ein solches komisches Geschenkchcn zu machen, mit dem er die Wand seines Zimmers ausschmückt. Tölz ist bekanntlich ein hübscher großer baier'schcr Marktflecken, dessen Einwohn-ner große Schiffer und Holzflösier auf der Isar sind und als solche, wie die Holzknechte in Steicrmark und sogar auch die russischen Plomiks (Holzftößer) aus der Düna, als etwaö " 23 354 gröblich und dümluerlich verschrieen sind. Man sagt daher auch: „ein Tölzer Prügel," um damit einen groben Menscden zu bezeichnen. Anfangs mag man nun Jemandem, entweder um ihn etwas zu necken oder um ihm damit eine Wahrheit zn sagen, einen Holzblock in's Haus geschickt haben; um die Wahrheit dann etwas zu verblünien, machw man den Holzblock etwas klein nnd zierlich und schmückte ihn auf besagte Weife auß. Zuletzt mochte dann der Tölzer Prügel seine ursprüngliche Bedeutung verlieren und ein allgemein übliches Prasemchen werden. Auch steckte man dann wohl statt des Prügels eine groteske Kanne, oder einen hölzernen Becher, oder eine Leuchte, oder sonst etwas in das Vlmnen-und Flittcrgewcmd hinein, indem mcm den Holzblock zu irgend einem nützlichen Gerälhc dieser Art umgestaltete. Der Name, Tölzer Prügel, blieb aber auch in diesem Falle gebrauchlich. Wahrscheinlich mag denn ein so sonderbares Geschenk auch noch unter besonderen Ceremonieen überreicht werden. Doch habe ich leider weiter nichts Genaueres darüber erfahren tonnen. Wenn die, welche sich gebildeter und wohlgezogencr dünken, von den Tölzer Prügeln rede», so rächen sich die Tölzer dagegen ihrer Sells wieder an der Verweichlichung der Wohlerzogenen und sprechen so z. B. spöttisch von den „Münchener Kindeln." Ein „M ü nchcner Kindel" ist überhaupt ein in ganz Altbaiern gebräuchlicher Spottname für einen verzärtelten jungen Menschen. Neberhanpt hat hier jede benachbarte Stadt außer ihrem officiell anerkannten alt-historischen Stadtwappen noch ihr besonderes komisches Wahrzeichen im Munde des Volts. So hat man z. V. 355 den Wolfrathshausern einen „Krautlöffel" angehängt, weil sie, wie aber überhaupt alle Vaiern, viel Kraut essen. Und man hört vom „W o l fr a t h ö h a u serKra u t t ö ffe l" nicht blos viel reden, sondern man sieht ihn auch oft verkörpert und verwirklicht in Holz oder Metall ausgearbeitet. So ist z.V. in einem großen Wirthöhause in Tölz ein großer hölzerner, vergoldeter Wolfrachshäuscr Krautlöffel angehängt. — In Augsburg backen sie einen Kuchen mit Acpfeln und Zwet-schen, welcher „Datsche" heißt, und die achten Augsburger Kinder sind in diese ihre ,,Datschen" so sehr verliebt, daß ihnen t'cin anderer Kuchen ganz so gut schmecken will wie eine Datsche. Man nennt sie daher, um sie nüt lhrer ausschließenden Zärtlichkeit fürAngöburg auf^iehm, auch wohl selbst „Ang s burgerDat sch en." Die Bürger von Weilheim, dem bckamnen Stadtcbcn jenseits des Starenbergcr See's, sollen in früheren Zeiten einmal bei dem Vaue ihres zweistöckigen Rathhauses die Treppe vergessen haben. Sie waren daher genöthigt, dieselbe spater von außen hinMubauen, um durch ein Fenster, das sie zur .Thür umgestalteten, in ihr Rathhaus zu gelangen. Dieß blieb leider ihren Nachbarn nicht unbekannt, und seitdem spricht »nan überall sogar bis Salzburg hin von den „Weilheimer Stückeln", womit man ein Unternehmen bezeichnen will, bei dessen Ausführung irgend etwas wesentlich zum Zweck Führendes nicht gehörig berücksichtigt wurde. Die „Passauer Tölpel," die „Salzburger Feren" hört man ebenfalls nicht selten nennen, mit denen man vermuthlich auf einige Eigenthümlichkeiten der Passauer und Salzburger hindeuten will. 356 Wie man von den Alpen im Osten nach Nien, im Süden nach Mailand und im Westen nach Lyon hinabrollt, so rollten wir nun hier nach München in die baier'sche Ebene hinab. Aus den Ebenen aller dieser großen Städte bieten sich schöne Ansichten der Alpen dar. Die, welche man von München aus hat, ist eine der schönsten. Sie umfaßt die ganze Masse der Alpen von Grcnibülldcn und dem Vodensee bis nach Salzburg, sowie einen großen Theil der rhatischm utld noristhcn Ketten. Da es eine wundervoll helle und durchsichtige Luft war, so kam es uns vor, als ständen die Verge der Stadt ganz nahe, und wir warfen noch einen Vlick auf ihre herrlichen Pyramiden zurück, bis endlich die vielen neuen Gebände, die hier autz Menschenhand hervorgingen, uns den Anblick der Werks Gottes entzogen. Truck ron V. Ä. Tcubncr in Leipzig. Il, der Arnoldischen Buchhandlung in Dresden und Leipzig sind folgende Werke erschienen und in allen Buchhandlungen zu erhalten: Müller, N., allgemeines Wörterbuch der Aussprache ausländischer Eigennamen und zwar griechischer, lateinischer, hebräischer, portugiesischer, spanischer, französischer, englischer, italienischer, schwedischer, dänischer, ungarischer, polnischer, böhmischer, russischer, persischer, arabischer Personen-, Län-der?, Städte- und anderer Namen auS allen Theilen der Wissenschaft und Kunst; nebst einer allgemeinen Aussprachlehre, mit deren Hilfe man auch andere, im Buche nicht vorkommende Fremdnamcn aussprechen kaun. Ein Handbuch für die Gebildeten aller Stande. Zweite gänzlich umgearbeitete und sehr vermehrte Auflage. 8. 18^8. geb. 2z Thlr. Noel, R. N., Grundzüge der Phrenologie oder Anleitung zm» Studtnm dieser Wissenschaft, dargestellt fpicl in 2 Auszügen. Deren sechster Band. 8. 1842. geb. 2z Thlr. Inhalt: l) Capital« Firnewald, Lustspiel in 4 Aufzügen. 2) Die Heimkehr des Sohnes, Schauspiel in 4 Aufzügen. 3) Folgen ein« Gartcnbelcuchtung, Lustspiel in l4 Aufzügen. Pctri, Dr. F. E., gedrängtes Handbuch der Fremdwörter in deutscher Schrift- und Umgaugsprachc, zum Verstehen und Vermeiden jener, mehr oder weniger, entbehrlichen Ginmisch-- nngen. Achte, vielfältig, besonders anch für Aerzte und Arzueibereiter bereicherte'Aufl. 2Thle. 8.1836. geb. 3z Thlr. Reichenbach, Dr. H. G. ^^ h^ deutsche Votainler. Orstcr Band: DasHcrbarienbuch. Erklärung dc^ natürlichen Pfian? zeusysteme«, Synonymik und Register dcr bi^ jetzt befauute» Pfianzengattnngen zur erleichtertcu Aufsuchung dcr Ver-waudtschaft jeder einzelnen Gattung und Untergattung und zur schnellsten Aufsindung derselben'im Herbarium, ti. 1842. gcb. 2z Thlr. ------- dessen zweiter Band: I''lorli8llxc,,,I<:l,. Die Flora v»n Sachse», ein botanisches Vreursionobuch für das Königreich Each-sen, das Großhcrzogthum Sachsen-Weimar-Eisenach, die Herzogthnmer Sachsen-Altcnburg, Sachsen- (soburg.-Gotha und Sachsen-Mriuinqcn, die Fürstlich Schwarzburqlschcn nnd Reußlschcn Lalüe, die Her^ogthnmcr Nn!»,U Dessau, Anhalt-Vcrüdnrg und Anhalt,^töt!)cn, die Pr<,'vin^ Sachsen und die Preußische Lausitz. Nebst Schlüssel zum erleichterten Bestimme» der (Haltungen nach dem Linnec'schen Eerualsystem uud deutschen, und lateinischen! Register. «. 1«42. geb.Itz Thlr. Schilling, O., sämmtliche Schriften. Recht,näsiiqe Abgabe letzter'Haud. «0 Vändc. ^16. 1826!^.'^. 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H Thlr. Wagner, G., die Aesthetik der Vmcknnst; ein Leitfaden zum Selbstunterrichte und Handgebrauchc für Architect,,'», Mm>^ rcr-, Ziminer-, Steinnieft-Mcistcr nnr freunde der Vanliinst. Ä'üt 603 lithographirten Figuren auf ^i Tafeln, gr. 8. 1838. br. 4z Thlr. ^ei ö flog, (<., Phantasicstnckc und Historien. Zweite vermehrte und verbesserte Anflagc in Taschenformat. !2 Theile. >b. l«39. br. ü Thlr. ^ N ^: