Freytag, den 23. November 1827. Der kluge Hund. (3s mochte ungefähr ein Jahr nach Beendigung cineS hartnackigen Krieges verflösse» seyn, als eineS Tages vor dem Pallaste des FeldmarschaNs, Grafen T.^ welcher nach seiner siegreiche,, Rückkehr zum Statt. Halter ernannt worden war, eine Kutsche verfuhr, und ein Bedienter die Gutsbesitzerinn S. aus dem bekrieg« ten Nachbarstaats anmeldete. Graf von T. ließ sie zu sich heraufkommen, worauf den die Gutsbesitzerinn, in Begleitung eineS gemeinen Mannes, der einen llei« nen Hund unter dem Arme trug, aus dem Wagen stieg, und in den Pallasi ging. Die Dienerschaft deS Statt» Halters versuchte zwar, diesem Begleiter mit seinem Hunde den Eintritt zu verwehren, die Gutsbesitzerinn aber bestand darauf, daß er ihr folgen müsse, weil sie eben des Hundes wegen mit diesem Mann in Streit gerathen sey, Halters selbst in Anspruch zunehmen beabsichtige. Von dem Grafen von T. zuvorkommend empfangen, entschuldigte sie sich zuvörderst wegen ihrer auffallenden Begleitung, und eröffnete ihm hierauf, daß sie seinen Beystand gegen diesen gemeinen Menschen sicherbitten müsse, der ihr einen Hund vorenthalten wolle, wel. chen man ihr während des Krieges auf ihrem Gute geraubt, und für den sie, da sie ihn zufällig hier wie. der gefunden und erkannt, bereits die Summe von 6 Carolinen als Ersah gebothen habe. Der Statthalter fragte hierauf den Mann / wel« chn als Hausknecht in dem Gasthof« diente, wo die Dame abgestiegen war, auf welche Weise er zu dem Hündchen gekommen sey, und weßhslb er es für jenes unverhältnißmußig hoh« Geboth nicht verkaufen woNe? — Der Mann wußte über die Erlangung des Hundes nur sehr unbefriedigende Auskunft zu geben, erzählt«, daß er ihn mehrere Meilen von der Hauptstadt auf der durch einen Wald laufenden Landstraße von einem unbekannten Mädchen einst gekauft habe, gab alS Grund seiner Weigerung die vielen und seltenen Kunststücke an, welche der Hund zu machen verstehe, und versi» cherte, daß, seit der Nuf deS klugen Hundes sich verbreitet habe, der Zuspruch in dem Gasthofe seines Die'istherrn viel größer geworben sey, auch die Trink« gelder, welche er des Hundes wegen erhalten, bereits die ihm von der Dame angebothene Summe übersti«. gen hätten. Er schließt endlich mit der festen Erklä, rung , daß der Hund ih>»5 zetzt einmahl angehöre, und er ihn ebenso wenig verkaufen wolle, als die Dame ihr früheres Eigentumsrecht auf denselben zu bewei» sen im Scande sey. „Ich will es Euch bald an dem unvernünftigen Thiele erkennen lassen , d^ß es mir zugehört!" sprach die Gutsbesitzerinn, und hatte auch kaum den Hund bey seinem wirklichen Nahmen Fidele gerufen, als derselbe, so fest ihn auch immer der Mann zu halten versuchte, alle seine Kräfte anstrengte, um sich von ihm los zu machen, ja endlich selbst ihn in den Arm biß, und, hierdurch frey geworben, belttlnd und winselnd an der Bame emporsprang, und auf ihre Winke und Worte viele seiner erlernten Kunsistücte auf der St«lle zum Besten gab. Die Dame nahm das Thier auf ihre Arme, liebkoste und herzte es, und beschwor den Statthalter auf die rührendste Weise, ihr durch sein Ansehen und durch seine Macht »Vollkommenheit wieder zu dem Hunde zu verhelfen. Der Hausknecht hingegen verlangte sein Eigenthum zurück, forderte den Schutz des Statthalters gegen die zudringlichen Anmaßungen der fremden Dame/ und drohte endlich, slch unmittelbar an die Königinn wenden zu wollen , «vo er sein Recht gewiß erlangen werde, zumahl die Königinn selbst ein Weib sey, und also sich von Wei« benhränen nicht rühren lasse. Graf T. ließ hierauf den Hausknecht nebstseinem Hunde der Wache übergeben, führte die betrübte Dame in sein Cabinetl, und eröffnete ihr hier selbst, baß er, in so fern sie ihr Gesuch nicht vielleicht noch mit an» dern Gegenstanden zu unterstützen wisse, sie zu seinem Bedauern werde abweisen müssen , weil der Hund jetzt Unstreitig das Eigenthum des Hausknechts sey, und sie ihn auch dann nicht wieder zurückfordern könne, wenn er ihr ,selbst während des Krieges, und sogar von dem jetzigen Besitzer mit Gewalt genommen wor< den seyn sollte, weil der Soldat auf die in Feindes. Land gemachte Beute ein wirkliches Eigeiuhumsrecht «rlange. Als nun die Dame bey diesen Worten in Thränen ausbrach, gestand ihr der Stätthalter unver» hohlen.- er könne unmöglich glauben, daß ihre Traurigkeit einzig auS der Liebe zu dem Hunde entstehe, indem sie als eine junge Dame wohl andere Gegenstände sinden werbe, an welche sie ihr Herz hangen könne. Er sey daher vielmehr der Überzeugung, daß hier ein wichtiges Geheimniß obwalten, und den Besitz des Thieres bedingen müsse, und er wünsche, daß sie ihn ihres vollen Vertrauens werth halten möge, damit er sie mit Rath und That unterstützen könne. Die Dame gestand ihm , daß sein Scharfblick die »vahre Ursache entdecke habe, zögerte nun auch nicht länger, den Statthalter zum Vertrauten ihres tiefen Kummers zu machen, da er selbst mittelbar und im Laufe des Krieges die Veranlassung dazu gegeben , und erzählce im hierauf Folgendes : Als di<- feindliche Armee unter dem Befehle des Feldmarschalls T. mehrele große Vortheile errungen hatte, wurden die Besitzungen der Dame der Schauplatz des Krieges. Die Armee, welche sich dem Feinde entgegen stellen wollte, quartierte sich in den um« liegenden Dörfern ein, und die Generale legten so« gar ihr Hauptquartier in das Schloß der Dame. Die junge Gutsbesitzerinn selbst befand sich damahls in einer sehr bedrängten Lage. Vor kaum einem Jahre war ihr Gatte gestorben , und hatte sie mit ihrem 4jährigen Sohne allein und ohne Schutz in dieser schwe» ren Zeit gelassen. Zwar fehlte «S an Männern nicht die um die Hand der schönen Witwe warben, und bt» sonders hatten mehrer« arme Vettern ihres verstorbe« nen Gatten sich mit fast frecher Anmaßung deßhalb an sie gedrängt, da ihr kleiner Sohn, der einzige Erbe des MajoratsguteS war, und eS sich deßhalb wohl der Mühe verlohnte, eine ziemliche Neihe von Jahren sein Stiefvater zu werden. Allein die Gutsbesitzerinn hatte jede Bewerbung standhaft zurückgewiesen, war, trotz ihrer Jugend, fest und würdig auf ihrem Platze stehen geblieben, und hatte hierdurch manches Übel des KnegeS, .wie ein guter Geist, zu erleichtern und abzuwenden gewußr, bis das Schloß der Gutsbesitzerinn erstürmt wurde. — Wahrend nun hierbei) die zügellosen Sieger das kostbare Gebäude plünderten und in Brand steckten, während die Dienerschaft der Gutsbesitzerinn den grausamsten Mißhandlungen zu entfliehen suchte, oerbarg sie selbst mit ihrem Kinde und dem kleinen Hunde sich in einem ganz entlegenen unterirdischen Gemache, und verharrte hier unentdeckt so lange, bis endlich an die Stelle des gräßlichen Tobeus über ihr eine bange Todtenstille eintrat. — Da wagte, sie aus ihrem Verstecke sich hervor, um Hülfe für sich und ihr vor Hunger weinendes Kind zu suchen, und sank, als sie um sich her nichts als rauchende Trümmer erblickte, trostlos an der S(atte nieder, wo sonst die Schloß« Capelle gestanden haite, von der nur noch ein Stück deS Bogens, der sich über dem Altare wölbte, und die Neste des halbverbraniUen großen Christus. Kreu« zes, welches jetzt verkohlt am Boden lag, zu eiten» nen war. Kaum aber hatte sie hier gebethet, und das weinende Kind selb? weinend an die Brust gedrückt, als ein feindlicher Soldac hinter einem Pfeiler hervor auf sie znsprang, sein Gewehr anlegte, als wollte er «sauf sie losdrücken, endlich aber wieder davon abließ, zu ihr naher trat, und sie in rauhem Tone befragte, ob sie selbst die Gutsbesitzerinnsey? u»d da sie es erschro, cken bejahte, ihr daSKinb mit Gewalt aus den Armen riß. — Bitten, Beschwörungen, Versprechungen, nicht« half. Der Soldat blieb taub, und rannte mit dem Kinde fort, die Mutter aber ihm nach , in ihrer A"gst den kleinen Hund auf ihn anhetzend, der ihn auch wirklich tapfer ansiel, während sie selbst, zur Verzweif. lung getrieben , den Räuber bey den Haaren zu fassen, und fest zu halten -versuchte. Der Soldat aber gerieth hierüber in Wuth, und indem er das schreyende Kind mit der einen Hand festhielt, -schlug er nnt dem Flin> tenkolben wüihend um sich her, und versetzte der Gutsbesitzerinn hierdurch einen solchen Stoß auf die Brust daß sie ohnmächtig zu Boden sank, und hier bewußt« los liegen blieb, bis sie von ihren rückkehrenden Leu« ten endlich aufgefunden wurde. Zwischen Tod und L.ben ringend, brachte man sie zu den nächsten Anver« wandten ihres verstorbenen Gatten, wo sie nach meh° reren Tagen erst wieder zu sich ^lbst kam. Die Verwandten waren zwar möglichst bemüht, das geraubte Kind, wieder aufzufinden, .oder doch irgend eine Nachricht von ihm einzuziehen, leider! war aber nur das blutige Kleidchen dessen erlangt, welches man unweit des zerstörten Schlosses aufgefunden haben, und woraus man mit Gewißheit schließen wollte, daß jener Soldat das Kind späterhin umgebracht hah?n müsse. Was ihn jedoch zu einer so schaudervollen That bewogen, blieb unerklärlich. Eine andere Spur von dem Kinde war nirgends aufzufinden, und auch der Hund blieb verschwunden. (Die Fortsetzung folgt.) Eine Tiegerjagd in Indien. Wir hörten, daß ein Tieger fünf Meilen von uns in einem Zuckerrohrfeld gesehen worden sey, ,,,,d sogleich wurden die Elephanten angeschirrt, und wir ritten ab. Dennison saß auf einem Elephanten, welcher zur Jagd abgerichtet war, und den das Schießen nisst mehr schreckte; Niago und ich auf einem andern, dem der Auftritt ganz neu war, In der Howdah (Haube, Thurm auf dem Nacken beß Elephanten) fanden wir drey mit Kugeln geladene Flincen, ein Paar Pistolen und zwiy Speere. Hunderte von Eingebornen, meist«„theils mit Speeren bewaffnet, kamen während unseres Marsches herbey-gelaufen, und schienen so vielen Antheil an der zu erwartenden Unterhaltung zu äußern, als unsere Bau« ern in England bey einer Fuchsjagd. Wir hatten nicht einen einzigen Hund bey uns, und dieß war gar nichts Auffallendes; denn wenn es auch in Ober ° Indien eine Zucht Hunde geben mag, die zu dieser Jagd laugt, so sind dagegen in ganz Süd-,Indien die Hunde so elend, daß man sie zu nichtS brauchen kann, und eng. lisch« Jagdhunde sogar, die man bey ihrer Ankunft zu Calcutta -oft mit hundert bis hundert und fünfzig Pi. stolen zu bezahlen pflegt, arten, wie alle andern europäischen Thiere, in wenigen Monaten aus. Der Zusammenlauf einer große» Menge Eingeborner bey einem Sucterrvhrfelde und das Klettern einiger Jung. linge auf nahestehende Kokosbäume,zeigte.uns an, daß wir an Ort und Stelle gekommen waren. Auch unse. ie Elephanten witterten den Feind schon aus großer F^rne »nid zeigten dieses auf verschiedene Weife an; der unsrige wurde sehr unruhig, schnaubte, brüllte, stand still und schien umkehren ^u wollen, während der andere mit hochgeschwungenem Rüssel und blitzen, den Augen seinen Schritt beschleunigte. Endlich wur. den wir deS Thieres ansichtig; es kauerte unter dem Zuckerrohr, und auf «in gegebenes Zeichen feuerten wir alle zugleich. Es erfolgte eine Todtenstille, und wir wollten eben wieder laden, als ein lautes grüß» liches Gebrüll uns verkündete, daß wir getroffen hat, ten. Dennisons Elephant stand ruhig gefaßt mit aufgehobenem Rüssel da, berel't sich zu vertheidigen oder anzugreifen. Nicht so der unsrige; das arme Thier zitterte am ganzen Leibe und rannte mit unglaublicher DchlieUigkeit.und einem Geschrey, gleich dem Schmet« tern einer Trompette, mit uns davon. Unsere Lage war kritisch; wir hatten die größte Mühe, unsere Sitze zu behaupte!,; der schwerfällig« Lauf des Thi«, res warf u»sgegen- nnb übereinander, und wir dank« len dem Himmel, als es endlich so weit nchiger wlU'. de, daß wir uns umsehen konnten. ° Der Anblick war wirklich schon; der Tieger, sich in grimmiger Wuth nach seinen Verfolgern umsehend, um die Selten mit dem Schweife schlagend, sioh mit mächtigen Sprüngen über die Ebene nach einem Gebü» sche zu, wohin ihm Dennisoll auf seinem -Elephanten und die Indler zu Fuße im vollem Laufe nachsetzten. Mit Mühe wandte der Treiber unser Thier herum; fein Blick gab zu erkennen, daß es an dem Auftritte eben so großen Antheil nahm als wir, aber keine Macht in der Welt schien es vorwärts bringen zu können. Wir entschlossen uns also kurz, sprangen von seinem Nucken herab, und liefen , Jeder mit emer Flinte ver« sehen, unserm Freunde nach, und erreichten ihn bey dem Walde, wo sich der Tiegel in einem dunkeln Wink«! verkrochen hatte. Dennison ließ seinen Hle, phanten sich niederbücken, und wir stiegen an der Lei« ter in fein Howdah, wo wir alle Raum genug fanden« .Wahrend wir dem Tieger im Angesicht blieben, feuer« ten mehrere Indier von hinten her bestundig auf ihn, um ihu herauszutreiben, und ein fürchleiliches Heu« len, dai er von Zeit zu Zeit hören ließ, zeigte an, wie oft er verwundet wurde. Endlich trieb ihn der Schmerz zur Verzweiflung; er stieß aufS Neue ein durchdringendes Geheul aus, und sprang l,un mit schauererregendem Gebrüll« , feuersprühenden Augen und offenem Rachen bis auf zehn Schritte von unserem Elephanten hervor, welcher immer, den Rüssel in der Hvhe, feiner gewartet hatte. Eine Minute lang stan-ten beyd? Thiere mit offenem Munde einander gegenüber und maßen sich mit grimmigen Blicken; jetzt schoßen wir, und zu gleiche:- Zeit sprang der Elephant vorwärts, und versetzte dem Tieger, welcher sich eben auf uns werfen wollte, einen so derben Schlag mit dem Rüs-sel, dasi er zu Boden stürzte; hierauf hob ihn unser Verbündeter mit unglaublicher Schnelle und Behendig. keit in die Höhe, und drückte ihn so mit dem Fuße, daß ihm das Eingeweide aus den Wunden hervordrang, wahrend die Iudier ihm mit ihren Spießen den Gar, aus machten, und die Suche mit wilder Freude noch fortsetzten, als das Tbier schon todt war. Das Iam. mergebrülle des sterbenden Thierei war wirklich schmerz« lich anzuhören und erregt« unwillkührlich unser Mit, leioen. Bewunderungswürdig war die Sorgfalt, wo« mit der Elephant seinen Rüssel in Acht nahm, so wie die außerordentliche Geschicklichkeit, Genauigkeit und Unwiberstehlichkeit seiner Angriffe, gepaart mit der Kaltblütigkeit und Klugheit, dem hohen Muth und dem vollkommenen Bewußtseyn, womit «r aNe feine Bewegungen aufführte. Wohl darf man sagen, der Elephant ist ein Wunde? der Schöpfung. M i s c e l l e n. In Weimar wurde neulich ein schauerliches Nacht« stück aufgeführt, wie nur irgend ein französisches Me< lodrama der neuesten Uebersetzung. Heulen und Zahn» klappern — wenigstens das letzlere — war die Wir» kung im Publikum. In dem Leichenhause waren die irdischen Reste einer Frau zur Beobachtung der Aerzte aufgestellt. Ihre schönen Zähne reizten di« Specula-tion eines dortigen 'Zahnarztes. In der Nacht vor ihrem P/gräbiliß ging er dahin. Seine ärztliche Qug. licat und "die Arglosigkeit des Leichenwärterö verschaff, ten ihm Einlaß. Die Schauer des OttS, die heilige Scheu vor dem Todten, hinderten ihn nicht, mittelst einer schrecklichen Operation, der nach schweren Leiden in Todesruhe Versunkenen die schönsten Zähne zu ran« ben, um ste gelegentlich mit Vortheil einem blühenden Munde einzuverleiben. Der über den Frevel mit Recht empörte Gatte der Dahingeschiedenen hat eine Krimi» nalklage daselbst eingeleitet. Da b«r Held des Stücks der schönen Welt bisher ex ollicio auf den Zahn fühlte, so mag er mit dleser Katastrophe nicht seh« zufrieden gewesen seyn , da nun seine Zcchn« ganz außer Cours sind. — Ein geschickter Kupferstecher hat ein Karrikaturbilc» zu dem Schauspiel geliefert, das mit englischem Humor ausgeführt seyn soll. Dem mitternächtlichen Zahn-Operateur steht da der „Sa» miel« des „Freyschützen" zur Seite, und klopft ihm beyfällig auf di, Schultern mit Qen Worten: „DaS ist mein lieber Sohn" u. s. w. Nedacteur: Fr, Xav. Heinrich. Gedruckt b«y Ignaz AloyS Edlen von Kleinmayr.