Leidensgeschichte nnsers Herrn Jesus Christus» Seine Auferstehung, Himmelfahrt u. Sendung des heiligen Geistes, nach den vier Cvangelisten zusammengcfaßt, nnd mit kurzen moralischen Anwendungen beglertet von »» t. k. ?yr>nini zu La!bach. Mit Genehmigung ves hoch würdigsten fürstbifchö- stichen Ordinariats in Laibach. Laibach, 1837. Gedruckt bei Joseph Blasnik. ^er Erlös aus dem Verschleiße dieses Buches wurde vorn Verfasser dem -Armeninstitutc in Larbach gewidmet. Sehet! wir gehen hinauf nach Jerusalem, rind es wird Alles vollzogen werden, was von des Menschen Sohne durch die Propheten ist geschrieben worden; denn er wird den Heiden überantwortet, verspottet, gegeißelt und verspien werden. Und nachdem sie ihm werden ge¬ geißelt haben, werden sic ihn tödten, und am dritten Ta¬ ge wird er aufcrstehcn. Luc. xviu. 3r — 33. ^Wieses Büchlein schrieb ich am Abende meines irdischen Lebens, um meinen lieben Zuhörern, welche ich seit dem Jahre 1798 in der Kirchen¬ geschichte und im Kirchenrcchte hatte, ein An¬ denken zu hinterlassen, und meinen laien Mit¬ brüdern , welche zur Fasten- und österlichen Zeit mehr und mehr dahin sich Beziehendes zu lesen wünschen, einen Dienst zu leisten. Man erwarte jedoch von mir keine theolo¬ gische Abhandlung der vorbenannten Gegen¬ stände der heiligen Geschichte, keine schriftstel¬ lerische Gewandtheit, und keine solchen morali¬ schen Anwendungen, welche nur den Seelsor¬ gern zustchen. Dieses Büchlein soll, wie es dessen Über¬ schrift befagt, nur eine nach den vier Evange¬ listen zufammengcfaßtc Gefchichte des Leidens und Todes, der Auferstehung, Himmelfahrt unsers Herrn Jesu Christi, und seine Sendung des heiligen Geistes enthalten. Der fromme Leser wird auch aus den Schrift- texten, in denen der göttliche Same verborgen liegt, welcher hundertfältige Früchte hervorzu- bringcn vermag, nach seinen individuellen mora¬ lischen Bedürfnissen selbst eigene Anwendungen zu machen wissen. Der Leser kann auch meine Anwendungen übergehen, und bloß die Schrift- texte nach der Reihe lesen und beherzigen. Die Schrifttexte, welche die Grundlage dieses Wer¬ kes sind, habe ich aus der sechsten Austage der von P. Thomas Ag. B- D. in den Jahren 1747 und 1748 mit Crlaubniß der Dbern zu Augs¬ burg lateinisch und deutsch herausgegebenen hei¬ ligen Schrift genommen, weil mir diese Aus¬ gabe der heiligen Schrift zunächst bei Händen war. * Gmlettirns» Das Leiden (?assio) unsers Herrn Jesus Christus. s. s9ie heilige Fastenzeit selbst, das Be¬ nehmen der heiligen Kirche zu dieser Zeit, das Beispiel der Apostel und der heiligen Väter, der fromme Sinn, die Dankbarkeit gegen den Sohn Gottes, unfern Erlöser, der übergroße Nutzen für unser Seelenheil, ja die unerläßliche Pflicht eines wahren Christen, kurz, alles fordert uns auf, daß wir die 40tägige Fasten der Betrach¬ tung und Beherzigung des Leidens und Todes unsers Herrn Jesus Christus widmen, und die unendliche Gnade der Erlösung von unserm ewi¬ gen Untergange uns zu Gemüthe führen. D! wie würden wir einstens in der Ewigkeit aber vergeblich bereuen, wenn wir diese Tage des Heiles achtungslos vcrsplittert hätten. ii. Zu diesem Ende wollen wir die Leidens¬ geschichte unsers göttlichen Erlösers, wie diesel¬ be von den vier Evangelisten beschrieben wurde, nachlesen und beherzigen. Jeder Ncbeuumstand, den die Evangelisten anführen^ ist von größter Wichtigkeit. Und weil ein jeder Evangelist einige Umstände berührt, welche von den übrigen Evan¬ gelisten übergangen werden, so läßt die Kirche in der Charwoche die Leidensgeschichte nach der Beschreibung eines jeden der vier Evangelisten vorlesen. Diese Leidensgeschichte soll für uns eine immerwährende Schule seyn, indem dieselbe ei¬ nen unerschöpflichen Reichthum der heilsamsten Lehren und Anmuthungen darbietet. Der Lehr¬ meister ist Jesus Christus selbst. Er lehret aber hier nicht mehr mit Worten, sondern mit seinem Beispiele und mit der Vollziehung seiner vor¬ maligen Lehren. Lasset uns mit seinem Beistän¬ de von ihm so viel lernen, als wir schwache Menschen vermögen, und zu unserm Seelenheile bedürfen. §. L- Christus gehet mit seinen Jüngern hinaus auf den Lehlberg, und ermahnet dieselben zum Gebete. i. »Als sieden Lobgesang gesprochen hatten, gingen sie hinaus auf den Oehlberg.« Matth, xxvi. v. 3o. Als Jesus mit seinen Jüngern das letzte Mahl das Oster¬ lamm aß, beschloß er diese Feier mit der Einsetzung des größten heiligsten Geheimnisses, mit der Einsetzung seines hochheiligsten Frohnleichnams, und setzte hiemit seinen bishe¬ rigen Werken die Krone auf. Der Beschluß war ein Dank- und Lobgesang. Wie glühend mußte dieser Dank im Her¬ zen Jesu gewesen seyn, als er auf Alles zurückblickte, was er von seiner Geburt an, bis zu diesem Zeitpuncte zur Verherrlichung seines himmlischen Vaters, und zur Beseligung des menschlichen Geschlechtes gewirkt hatte. ii. Da kam Jesus mit seinen Jüngern über den Back Cedron, in den Garten eines Mayerhofcs, welcher Geth- semani genannt wird, und sprach zu ihnen: »Setzet euch hier nieder, bis daß ich hingehe und bete.« Matth, xxvi. v. 36. Mark. xiv. v. 3s. Johan, xvm. v. i. Jesus Christus gehet seinen Jüngern im Gebete mit seinem Beispiele voran, so werden wohl auch die Jünger diesem Beispiele ihres Lehrmeisters nachfolgen. So solle» auch die Vorgesetzten durch ihr Beispiel die Untergebenen auferbauen und zum Gebete anleiten. 8 in. Icsus sprach zu seinen Jüngern: »Wachet und betet, damit ihr nicht in Versuchung fallet; der Geist ist zwar willig, aber das Fleisch ist schwach.« Matth, xxvl. v. 41. Luc. xxil. v. 40. Jesus schreibt hier seinen Jüngern und allen seinen Bekennen: zwei Mittel vor, damit sie der Versuchung zum Bösen nicht unterliegen. Diese Mittel sind die Wachsam¬ keit und das Gebet, welche aber von einander nicht getrennt werden dürfen, eines oder das andere ist nicbt zureichend. Es hilft nichts das Wachen allein, das Ver¬ trauen auf seine eigenen Kräfte, wenn cs sich nicht auf das Gebet stützet, und das Gebet allein ist fruchtlos, wenn man nicht wachet, und bei der Versuchung nicht auch selbst gegen das Bose streitet. Vergebens wachen diejenigen, welche die Stadt hüten, wenn der Herr die¬ selbe nicht beschützen wird. Psalm 112. Hätten die Jünger, wie es ihnen Jesus empfohlen hatte, gewacht und gebe¬ tet, so würden sie nicht kleinmüthig und verzagt gewor¬ den scyn- §. 2. Christi Traurigkeit auf dem Dehlberge. i. Und er nabm den Petrus und die zwei Sohne des Zcbedäus Jacobus und Johannes mit sich, und son¬ derte sich eines Stcinwurfes weit von ihnen ab, und fing an sich zu betrüben und traurig zu werden. Matth, xxvl. v. 57. Marc. xiv. v. 3?. Von hier an werden wir Jesum bis zu seiner Aufer¬ stehung nicht mehr als den Wunderthäter, als den Kraft¬ vollen in Worten und Thaten, dem seine Feinde bisher nichts anbabcn konnten, nicht mehr als den gepriescnsten 9 Lehrmeister sehen, sondern wir werden ihn behandelt se¬ hen, als den ohnmächtigsten, als den vcrachtctsten, als den elendsten unter den Menschen und als die Zielscheibe seiner ergrimmten und rachgierigsten Feinde. Aber durch eben diese freiwillige tiefste Erniedrigung ist er unser an¬ betungswürdigster Erlöser geworden. il. Jesus sprach zu ihnen: »Bleibet hier, und wa¬ chet mit mir.« Matth, xxvr. v. 38. Es ist uns erlaubt zu denken, Jesus habe sich von Unmuth , Furcht und Traurigkeit dergestalt einnehmen las¬ sen, daß er einem Menschen glich, welcher nächtlicher Weile in einem einsamen Orte von einem Ucberfalle feindseliger Menschen bedroht, Freunde und "Bekannte bei sich zu ha¬ ben wünschet, welche mit ihm wachen. Einst geboth Jesus dem Sturmwinde auf dem Meere Stille, und rettete seine angstvollen Jünger von dem Un¬ tergänge, und jetzt sucht Er bei seinen schwachen Jüngern, als seinen einzigen Freunden, Trost und Mutb. m. Jesus sprach: Meine Seele ist betrübt bis zum Tode. Jesus hielt sich zwar sein künftiges Leiden immer als gegenwärtig vor, und opferte dasselbe seinem himmlischen Vater für die Sünden der ganzen Welt, und eines jeden Sünders insbesondere auf; aber jetzt, da der Zeitpunkt der zu vollendenden Erlösung bereits «»gekommen war, überließ er sich aus Uebermaß der Liebe zu uns Menschen gänzlich den Schwachheiten und Armseligkeiten der leiden¬ den menschlichen Natur. Dahin gehört vorerst seine über¬ große Traurigkeit, deren nur ein Gottmensch fähig war. »Meine Seele ist betrübt bis zum Tode,« sprach er zu sei¬ nen Jüngern. Matth, xxvi. v. 38. Allein wir dürfen die Ursache dieser seiner Traurig¬ keit nicht blos auf seiner cinmahligcn Vorstellung und Vcr- 10 - gegenwärtignng aller ihm bevorstehenden Leiden rind Mar¬ tern suchen. Der heilige Glaube, ja selbst die unbefange¬ ne menschliche Vernunft zeigt uns, daß die Sünde, der Ungehorsam gegen Gott das größte, ja das einzige wahre Uebcl ist, und am meisten betrauert zu werden verdient. Denn durch die Sünde ist der Tod und alles Uebel in die Welt gekommen; der Sohn Gottes allein kannte ganz den Gräuel der Sünde, und auf ihn wurden die Sünden der ganzen Welt von ihren Anbeginn an, bis zu ihrem Ende geladen. Gedenke daher o Mensch! ohne es fassen zu können, wie groß die Traurigkeit Jesu der Sünde wegen seyn mußte, zu deren Tilgung vor allen die Trauer und der Abscheu vor derselben nothwendig ist. §. 3. Jesu Gebet auf dem Lehlberge. Seine Acht¬ samkeit auf die Jünger. i. »Und er ging nach seiner Gewohnheit hinaus auf den Oehlberg, und seine Jünger folgten ihm nach.« Luc. XXIl. V. Zg. Das ganze Leben Jesu hienieden auf Erden war ein unausgesetztes Gebet. Als er zwölf Jahre alt war, ging er mit seinen Aeltern Maria und Joseph zum Osterfeste nach Jerusalem. Nach vollendeten Festtagen aber verließen Maria und Joseph die Hauptstadt, und traten die Heim¬ reise an, Jesus aber blieb in Jerusalem zurück, ohne daß sie es bemerkten. Er ging in den Tempel, saß unter den Schriftgelehrten, hörte sic an, befragte sie, antwortete ih¬ nen , und ließ zum ersten Mahle die Strahlen seiner gött¬ lichen Weisheit öffentlich blicken. Als Maria und Joseph eine Tagreiseweit gekommen waren, und es Abends wurde, vermißten sie Jesum. Sie 11 gingen zurück nach Jerusalem und fanden am dritten Ta« ge Jesnm im Tempel unter den Schriftgelehrten. Maria seine Mutter sprach zu ihm: Mein Sohn! warum hast du uns dieses gethan ? sieh, dein Vater und ich haben dich mit Schmerzen gesucht. Und er gab die höchst bedeutende Antwort: Warum habet ihr mich gesucht? wisset ihr nicht, daß ich mich mit den Dingen beschäftigen muß, welche meinen Vater angehen ; eine Antwort, welche über sein gan« zes Thun in seiner Jugend ein Helles Licht verbreitet, wovon die Evangelisten gänzlich schweigen. Er lehrte noch nicht öffentlich, aber er betete und beschäftigte sich unaus¬ gesetzt mit den Dingen, welche seinen himmlischen Vater angingen. Welch' eine Beschämung für unsere Lauigkeit im Gebete und für unsere Sorglosigkeit in dem Geschäf¬ te unsers Heiles. ll. Er ging nach Gewohnheit hinaus auf den Oehl- bcrg um zu beten. Auch nachdem er sein Lehramt angetretcn hatte, wid, mete er die Zeit, welche ihm von dem Unterrichte erübrig¬ te, dem Gebete. Selbst von seinen Jüngern sonderte er sich manchmal ab, und begab sich auf einen einsamen Ort, um dem Gebete obzuliegen. War er in Jerusalem, so hatte er die Gewohnheit auf dem Oehlberge zu beten, auf dem Oehlberge, wo er beschlossen hatte, sein Leiden zu beginnen, und wieder von dieser Erde zu seinem himm¬ lischen Vater zurückzukchren. ur. Und er ging ein wenig weiter, (die Jünger hin¬ ter sich lassend) kniete nieder, und warf sich auf sein An¬ gesicht zur Erde, und betete. Matth, xxvi. v. 3g. Luc. XXII, v. ^i. Jesus kannte vollkommen die unendliche Majestät Gottes, und die tiefste Niedrigkeit des sündigen Men¬ schen. Die Hoffart des ersten McnschcnpaarcS mußte 12 durch die tiefste Erniedrigung des Sohnes Gottes, des Erlösers der Welt, geheilt werden. iv. Das Gebet, das Erscheinen vor Gott, die Ab¬ bitte wegen der Übertretung seines heiligsten höchsten Gesetzes, der Vortrag unserer Anliegen vor Gott, die Birte nm seine Gnade, ohne welche wir gar nichts ver¬ mögen, alles dieses erfordert nach dem Beispiele Jesu unsers Lehrmeisters und Vorbildes auch eine eigene kör¬ perliche Stellung. §- 4. Fortsetzung. d 8 s e r l r. Jesus sprach: »Mein Vater, ist es möglich, so laß diesen Kelch von mir hinweggehen, aber nicht, wie ich will, sondern wie du willst.-- Matth, xxvi. v. 3g. Wir Menschen können den Geist, mit welchem der Sobn Gottes zu seinem himmlischen Vater betete, nicht erreichen, aber wir durch ihn Erlöste können und sollen dasjenige, was er für uns that und litt, erwägen und beherzigen, und dasjenige, was darin zur unfern Beleh¬ rung, Nachahmung und Aneiferung entbalten ist, sorgfältig auffuchcn, und zu unserm geistlichen Nutzen anwenden. li. »Abba, mein Vater, alle Dinge sind dir möglich, nimm diesen Kelch von mir hinweg, doch nicht was ich will, sondern was du willst.« Marc. xiv. v. 36. Der himmlische Vater, welcher hier gebeten wird, hat vorhin bei der Taufe Jesu im Fluße Jordan und bei Jesu Verklärung auf dem Berge Thabor geoffenbaret: »Dieser ist mein geliebter Sohn, an dem ich mein Wohl¬ gefallen habe.« Und die Liebe des betenden Jesus zu sei¬ nem himmlischen Vater ist unendlich, sein Vertrauen auf die Allmacht und Güte des Vaters ist unbcgränzt, seine Bitte kindlich: Abba, mein Vater. in. Und er kam zu seinen Jüngern, und fand sic schlafend, und sprach znm Petrus: «Habet ihr denn nicht eine Stunde mit mir wachen können? Wachet und betet damit ihr nicht in Versuchung fallet, der Geist ist zwar willig, aber das Fleisch ist schwach.-- Matth, xxvi. V. 40. 4r. Alle Jünger schliefen, allen verwies Jesus ihre Schläf¬ rigkeit, aber doch richtete er seinen Verweis nur an Pe¬ trus, welcher vorhin für die Sache seines Lehrmeisters unter Allen den größten Eifer an den Tag legte, und den Jesus kurz vorher beim letzten Abendmahlc die Pflicht aufcrlegt hatte, seine Brüder zu stärken, denselben in Worten uud Thaten mit seinem Beispiele voranzugchcn. iv. Jesus ging abermahls bin, und betete, sprechend: »Mein Vater, wenn es nicht möglich ist, daß dieser Kelch binweggehe, es scy dann, daß ich ihn trinke, so geschehe dein Wille. Und er kam wieder zu seinen Jüngern und fand sie schlafend, denn ihre Augen waren mit Schlaf beschwert.« Matth, xxvi. v. 42. 4a. Die Jünger hörten beim letzten Abendmahle von ih¬ rem Meister, daß ihn einer aus ihnen verrathen werde, daß jene Nacht sich alle an ibn ärgern werden. Das gan¬ ze Benehmen ihres Meisters beim letzten Abendinable, alle seine Reden bei demselben befremdeten und betrübten sie, und brachten sie ans der Fassung, sic wurden muthlos und überließen sich in der tiefen Nacht dem Schlafe. Al¬ lein gerade da war diehöchste Zeit zu wachen und zu beten. Hätten die Jünger gewacht, so würden sie sich crrinnert haben, was sie auf dem Berge Tbabor sahen und börten. Sic würden sich an die Worte erinnert haben, welche der göttliche Lehrmeister wenige Tage vorher zu ihnen gc- 14 redet hatte: Sehet wir gehen hinauf nach Jerusalem, und es wird alles vollzogen werden, was die Propheten von des Menschen Sohne gcweissagct haben. Dem betenden Könige David und den betenden Propheten offenbarte Gott die Geheimnisse seiner Weisheit. v. Und er verließ sic, ging abermahls hin, betete zum dritten Mahle und sprach dieselben Worte. Matth, xxvl. V. 44. Aber so inständig, inbrünstig und wiederholt auch Jesus den himmlischen Vater bat, daß er den Kelch des bittersten Leidens von ihm wegnchmen inpchte, ebenso setzt er doch zu seiner jedesmahligen Bitte ernstlich und entschlos¬ sen hinzu: Vater! nicht mein, sondern dein Wille geschehe, dein Wille soll gelten, nicht der meinige. vi. Von Jesu lernen wir, wie auch wir beten sol¬ len. Auch wir müssen unser Gebet mit den Worten: »Va¬ ter unser« anfangen. Wir müssen zu unserm Gebete eine kindliche Liebe, und ein kindliches Vertrauen zu unserm himmlischen Vater mitbringen, diese Liebe und dieses Ver¬ trauen befindet sich aber nur in einem schuldlosen oder reumüthigen Herzen. Wir dürfen von dem Gebete nicht abstehen, wenn wir nicht sogleich erhöret werden; wir müssen unsere Bitten wiederholen, ja wir müssen gewiße Bitten täglich, sogar lebenslänglich wiederholen. Wir müssen den Erfolg unserer Bitten unzweideutig, dem Wil¬ len Gottes überlassen und gedenken, daß der Wille Got¬ tes unendlich besser und weiser ist, als der unsrige, ge¬ denken , daß ein aufrichtiges Gebet niemahls vergeblich ist, und daß uns Gott dafür ein größeres Gut verleihet, wenn er uns die gebetene Gabe versagt. Bei unserem Ge¬ bete bedürfen wir keines Prunkes der Worte, unser Gebet soll die Sprache eines Gott über alles licbeudenHerzcns seyn. id m nr te m l. >ch es ^tzt °s- 'e, ol- Za¬ ine rm er- )er cht vir iße Lir Zil- iot- gc- lich jet, Ve- chct yn. — 15 — §. .4. Christi Todesangst und blutiger Schweiß auf dem Lehlberge. i. »Als er mit dem Tode rang, betete er etwas länger.« Luc. xxu. v. 4Z. Christi Traurigkeit wurde bis zur Todesangst gestei¬ gert. »Meine Seele ist betrübt bis zum Tode,« sprach er zu seinen Jüngern. Matth, xxvi. v. 38. Zur Vergrößerung seiner Todesangst wirkten seine göttliche und menschliche Natur zusammen. Don Seite der menschlichen Natur überließ er sich gänzlich seiner Trau¬ rigkeit und Angst, welche auf die Vorstellung der Nebel zu erfolgen pflegt, worüber sich die menschliche Natur ent¬ setzt, und vermög seiner göttlichen Natur stellten sich sei¬ nem allsehenden Auge die ihm bevorstebeudcn erniedrigend¬ sten Mißhandlungen und unmenschlichsten Qualen auf cin- mahl dar. Selbst am Kreuze empfand er nicht mehr eine solche Todesangst und Ohnmacht. Hier auf dem Ocbl- bcrge legte ihm der himmlische Vater die Sündenlast der ganzen Welt auf. Hier kommt er nicht als der geliebte Sohn des himmlischen Vaters, sondern als Versöhnungs¬ opfer für die Sünden der ganzen Welt in Betrachtung. n. »Sein Schweiß ward wie Blutstropfen, welche auf die Erde rannen.« Luc. xxu. v. 44. Eine in diesem Grade wohl nie gesehene Erschei¬ nung ! Selbst Blut vermengte sich mit den Schweißtro¬ pfen ! Eine Todesangst ohne ihres Gleichen- Es war eine Gcnugthuuug für die Sünden der ganzen Welt zu leisten, eine Genugthuung, welche der beleidigten göttlichen Ma¬ jestät gebührte. Kein menschliches Leiden kann mit den 16 Leiden unsers göttlichen Erlösers in Vergleich gestellt wer¬ den. Nur von ferne können wir etwas davon ah¬ nen. in. »Es erschien ihm aber ein Engel vom Himmel und stärkte ihn.« Luc. xxn. v. 45. Die Gottheit Jesu, des nun mit den Sünden der ganzen Welt Beladenen wird nicht beachtet. Ein Engel stärket ihn, diese Stärkung gibt ihm erfrischte Kräf¬ te zu dem härteren Todcskampfe, und nun ist er gestärkt bis zum letzten Athcmzuge am Kreuze. Die Todesangst verschwindet. Nun gehet er seinen Fein¬ den, den Martern, dem Kreuze mit aller Geistesgegen¬ wart und Entschlossenheit entgegen. Diese Stärke, nicht die Hinwegnahme des Kelches des Leidens erlangte er von seinem himmlischen Vater durch sein wiederholtes inbrün¬ stiges Gebet. Der himmlische Vater wollte, sein gelieb¬ ter Sohn soll durch das Leiden eine neue Glorie erlan¬ gen. Mußte nicht Christus, sprach er selbst zu den zwei nach Emmaus gehenden Jüngern, alles dieses leiden und also in seine Herrlichkeit eingehen? Zu dem liebte der himmlische Vater auch die Welt also, daß er zu ihrer Erlösung seinen Sohu auf die Erde sandte, und nahm daher den Kelch des Leidens von ihm nicht hinweg. iv. Als dann (von dem Engel gestärkt) kam Jesus wieder zu seinen Jüngern zum dritten Mahle, fand sie aber- mahls schlafend, und sprach im entgegengesetzten Sinne: »Schlafet nun, und ruhet aus, (wenn ihr könnet,) sehet die Stunde ist herangekommen, und des Menschen Sohn wird in die Hände der Sünder überantwortet werden.« Matth, xxvi. v. 45. Des Menschen Sohn, der unter diesen Namen von den Propheten angekündigtc Welterlöser oder Messias wird in die Hände der Sünder überantwortet werden. Eine 17 schaucrvolle, zu jeder Zeit höchst zu beherzigende That. In die Hände der Sünder, welche dem Sohne Gottes, seinen Lehren, seinen Geboten und Hcilsanstalten mit Worten und Thaten Hohn sprechen! ! ! §. G. Christus kündiget seinen Jüngern an, daß sein Verräther schon herannahe. »Stehet auf, und lasset uns gehen. Sehet derjenige, welcher mich verrathen wird, ist schon nahe herbeigekvm- men.« Matth, xxvi. v. 46. l. Wer ist dieser unselige Verräther? Ach! es ist Einer aus den zwölf vertrautesten Jüngern Jesu, welcher alle Lehren Jesu angchört, und die von ihm gewirkten Wunder mit angesehen hat; cs ist derjenige, welchem Jesus das Almosen «»vertraute, welches seine Freunde zu seinem, und seiner Jünger Lebensunterhalte hcrgaben, er ist gleichsam der Haushälter Jesu und seiner Jünger. ii Gcldgeitz des Verräthcrs, die einzige Triebfeder seiner Verrätherei. Sechs Tage vor Ostern kam Jesus nach Bethanien, einem Flecken nahe bei Jerusalem, jenseits des Oehlber- ges, wo ihm von dem wieder zum Leben erweckten Laza¬ rus, dessen Schwestern Maria und Martha, vom Simon dem Aussätzigen, in dessen Hause, und von andern seinen dortigen Freunden und Jüngern ein Nachtmahl zubereitet wurde. Da nahm Maria ein Pfund der köstlichsten Salbe, salbte die Füße Jesu, trocknete dieselben mit ihren Haa¬ ren, und das ganze Haus war mit dem Wohlgerucbe der Salbe erfüllt. Da sprach einer von seinen Jüngern, Judas Jscariot, 18 der im Begriffe war, ihn zu vcrrathen: »Warum ist diese Salbe nicht für dreihundert Pfennige verkauft, und den Armen gegeben worden? Dieses sagte er aber nicht, als wäre ihm an den Armen etwas gelegen gewesen, sondern weil er ein Dieb war, und den Beutel hatte, und trug was darein geworfen wurde.« Joan. xn. v. 3-6. Hiemit zeigt der heilige Evangelist Johannes deutlich an, daß Judas Jscariot geldgeitzig war, und daß Judas, welchen er einen Dieb nennt, und welcher den Beutel trug, worein die milden Gaben für Jesus und seine Jün¬ ger gelegt wurden, sich schon mehrerer Veruntreuungen aus Geldgeitz schuldig gemacht habe. Die Erwähnung der Armen war eine bloße Heuchelei, womit Judas seinen Geldgeitz bemänteln, und sich den Schein der Nächstenliebe geben wollte. in. Als die Juden wider Christum Rath hielten, ging Judas Jscariot zu den Hohenpriestern und sprach zu ihnen: »Was wollet ihr mir geben, so will ich ihn euch vcrrathen? Sie aber bestimmten ihm 3o Silberlinge. Und von nun an suchte er Gelegenheit ihn zu vcrrathen.« Matth, xxvi. v. 14-16. > »Judas aber wußte den Ort, wo er ihn vcrrathen würde, denn Jesus war oft mit seinen Jüngern dahin gekommen.« Joan. xvm. v. 2. iv. Größe des Verbrechens seiner Derrätherci. Judas ward von Jesus aus bloßer Gnade in die Zahl der zwölf Apostel ausgenommen, er verrietst Jesum seinen Herrn und Meister, jenen, von dem alle Prophe¬ ten gcweissaget, und auch dessen Ankunft sic sehnlichst ge¬ wartet haben. Er verrieth ihn an seine geschwornsten und rachsüchtigsten Feinde zu den grausamsten Martern. Er verrietst ihn um dreißig Silberlinge, einen Spott¬ preis, wofür man den schlechtesten Sclavcn kaufte. Allein 19 alles dieses bedachte Judas nicht, weil ihn der Geldgcitz, dem er sklavisch ergeben war, verblendet und seinen Ver¬ stand und sein Herz ansgcsüllt hat. Der Geldgcitz ist, welchem alles, was recht und heilig ist, geopfert wird, wahrhaftig eine Abgötterei. Vielleicht aber dachte Judas, daß Christus wieder wie bisher die Ohnmacht seiner Feinde darthun wird, al¬ lein in der Schule Jesu, und besonders bei dem letzten Abcndmahlc hat er vom Jesu das klare Gegcntheil ge¬ hört, aber gesetzt auch, seine Verrätherei wäre fruchtlos geblieben, so wäre es noch immer die schändlichste Verrä- therei gegen seinen heiligsten Meister gewesen. v. Das Benehmen Jesu bei dem letzten Abcndmahlc gegen seinen Verräther. Jesus sprach: »Wahrlich, wahrlich sage ich euch: Wenn ich jemanden senden werde, der denselben aufninnnt, der nimmt mich auf, und wer mich aufnimmt, der nimmt jenen auf, der mich gesandt hat. Als Jesus dieses ge¬ sagt, ward er im Geiste bewegt, und betheuerte und sprach: Wahrlich sage ich euch, einer aus euch wird mich verra- then. Joan. xm. v. 20. 21. »Da wurden sie sehr betrübt, und fingen an ein Jeg¬ licher für sich zu fragen: Herr bin ich es? Er aber ant¬ wortete nnd sprach: Der die Hand mit mir in die Schüs¬ sel tunket, derselbe wird mich verrathen. Des Menschen Sohn geht zwar hin, wie von ihm geschrieben ist; webe aber demjenigen Menschen, durch welchen der Menschen Sohn wird verrathen werden; es wäre ihm besser, wenn jener Mensch nicht wäre geboren worden. Judas aber, der ihn verrathen hat, antwortete und sprach : Bin ich, Rabbi? und er sprach zu ihm: Du hast gesagt.« Matth. XXVl, V. 22 - 25. 20 vi. Das Benehmendes Judas bei dem letzten Abend¬ mahle. Jesus bezeigte sein Entsetzen und seine Bestürzung darüber, daß er von einem aus seinen Jüngern werde vcr- rathen werden. Er kündigte demselben ein ewiges Wehe an, und bezeichnete unverkennbar den Judas als seinen Verräther. Aber Jvdas Herz blieb ungerührt und den Eindrücken verschlossen, welche Jesu Worte auf dasselbe hätten machen müssen, er war sogar dreist genug zu fra¬ gen: Meister bin ich, der dich verrathen wird? und als die übrigen schuldlosen Jünger bestürzt und für sich besorgt waren, jeder für sich, daß er nicht ein Verräther an sei¬ nen Meister werden würde, freuete sich Judas schon vor¬ aus an dem Gelingen seines gottlosen Vorhabens. §. Judas überliefert Iesum in die Hände seiner Feinde. I. »Als Jesus noch redete, sieh, da kam Judas, einer aus den Zwölfen, und mit ihm eine große Schar mit Schwertern und Stangen, welche von den Hohenpriestern und Nettesten des Volkes gesandt waren- Sie kamen mit Laternen und Fackeln-« Matth, xxvi. v. 47. Marc. xiv. v. 4a. Luk. xxii. v. 47. Ioan, xviii. v. 3. Jesus der Allwissende wußte den Zeitpunkt, den Au¬ genblick des Auszuges seiner Feinde aus der Stadt und zählte ihre Schritte, mit denen sie sich ihm naheten. Deß- wcgen sprach er erst dann, als der Verräther schon sehr nahe war, zu seinen Jüngern. Stehet auf, lasset uns gehen. I1. »Aber der ihn vcrrieth, der hatte ihnen ein Zei¬ chen gegeben und gesagt: Welchen ich küssen werde, der — 21 — ist es, den greifet und führet ihn behutsam.« Matth, xxvi. v. 48. Marc. xiv. v. 44. So wurde Judas aus einem Apostel Jesu ein Anfüh¬ rer seiner unversöhnlichsten Feinde, ihr Rathgcber, und der geeigneteste Beförderer ihrer gottlosen Anschläge. — So wird auch ein abtrünniger Christ gottloser und sträf¬ licher als ein ausgelassener Heide. Ein Apostel, in der Schule Jesu erzogen, ist so tief gefallen! Niemand wäh¬ ne, er sey im Glauben und in der Tugend so fest ge¬ gründet, daß er nicht wanken und zuletzt gar nicht abfül¬ len könnte. Diese Warnung nehmet hin vorzüglich ihr noch unverdorbenen Jünglinge, (die ihr Gott getreu noch anhän- gct,) seyd auf der sorgsamsten Huth, daß ihr euch nicht von Jesu abwendet, und euch auf die Seite derjenigen kehret, welche Jesum und sein heiliges Gesetz hintansetzen. Von diesen ist nur noch ein Schritt zu den offenbaren Verächtern Jesu und seiner göttlichen Lehre, zum Unglau¬ ben, zum tiefesten Abgrunde, in den sich ein Christ stür¬ zen kann. ur. »Alsobald tritt Judas zu Jesu, und sprach: Sey gegrüßct Rabbi, und küssete ihn. Jesus aber sprach zu ihm: Freund! wozu bist du gekommen? Verrathest du des Menschen Sohn mit einem Kuße?« Matth, xxvi. v. /,9 -5o. Luc. xxik. v. 48. Judas gab hier, um seine Verratherek zu bemänteln, lauter Zeichen seiner Ergebenheit, Liebe und Verehrung gegen Jesum von sich, wovon aber sein Herz nichts fühl¬ te. Jesus machte hier noch den letzten Versuch dem Judas die Augen zu öffnen, und in sich gehen zu machen. Er nannte ihn noch einen Freund, aber einen Jünger konn¬ te er ihn nicht mehr nennen. Schon das Wort Freund hatte das Herz des Judas, wenn es nicht bereits verhärtet gewesen wäre, vollends erschüttern müssen. Er hätte also 22 denken sollen, ich habe das übergroße Vorrecht, einer auS den zwölf auserwählten Jüngern Jesu zu seyn, verloren, ich bin keiner aus denselben mehr; dieser Gedanke hätte gewaltig auf ihn einwirken müssen. Allein Judas blieb gefühllos, weil er sich schon gewohnt hatte, Jesu War¬ nungen nicht zu beachten. Er kehrte sogleich um, und schloß sich wieder an die wider Jesum ausgesan'vte Rotte an. Joan. xvm. v. 5. iv. Wir wollen hier nur noch des unsäglichen Ver¬ lustes gedenken, den ein Sünder leidet, welcher durch sein sündhaftes Leben den Namen eines Kindes Gottes verliert. §. 8. Christus tritt vor die Schar seiner Feinde. i. »Weil Jesus nun alles wußte, was ihm begeg¬ nen wird, trat er hervor und sprach zu ihnen: Wen su¬ chet ihr's Sie antworten ihm: Jesum von Nazareth. Je¬ sus sprach zu ihnen: Ich bin es.« Joan. xvm. v. 4. 5. Weil Jesus sah, daß der Kelch des Leidens von ihm nicht hinwcggenommen werde, und wußte, daß alles, was wider ihn kommen wird, der himmlische Vater zum Heile der Menschen angeordnet habe, so beseitigte er auf ein¬ mahl alle Furcht und Traurigkeit, und sah nur auf den Willen und das Wohlgefallen seines himmlischen Vaters, und auf die Rettung der Menschheit von ihrem ewigen Untergänge; er wurde nun bloß von der Liebe und dem Gehorsame gegen seinen himmlischen Vater, und von der Erbarmung gegen das durch die Sünde höchst unglücklich gewordene Menschengeschlecht beseelt. Er gehet nun muth- voll seinen Feinden entgegen, ohne dieselben zu erwarten, mutbvoll fragte er dieselben: Wen suchet ihr? und muth- 25 vvll antwortete cr ihnen: Ich bin es. O! wenn anch wir jederzeit mit einem lebendigen Glauben bedächten, daß Gott alles verfüge, was über uns kommt, so würden anch wir in nnscrn Leiden und Wicderwärtigkeiten die nölhige Stärke besitzen. ii. »Als er nun zu ihnen sprach: Ich bin cö, wichen sie zurück, und fielen nieder auf die Erde.« Joan. xvm. V. 6. Jesus zeigte seinen Feinden noch ein Mahl seine All, macht und ihre gänzliche Ohnmacht gegen ihn- Die blos¬ sen Worte: »Ich bin es,« erschreckten sie dergestalt, daß sic von ihm zurückwichcn, und wie vom Donner erschüttert, zur Erde nicderfielen. Welch' einen Schrecken werden die unbußfcrtigcn Sünder erst am letzten Gerichtstage auszu- ftehen haben, da Jesus als Richter in seiner göttlichen Majestät mit dem Krcuzzeichen in den Wolken des Him¬ mels erscheinen, und zu denselben sprechen wird : Ich bin es, der ich euch mein Gesetz gegeben, der ich für euch mein Blut vergossen habe, der ich des schmachvollsten To¬ des am Kreuze für euch gestorben bin. Gehet hinweg, ihr Vermaledeiten in das ewige Feuer. Bei diesen Wor¬ ten des erzürnten Richters werden sie ausrufen: Ihr Berge fallet über uns, ihr Hügel bedecket uns. ui. Da fragte er sie abermahls: Wen suchet ihr? Sie aber sprachen zu ihm: Jesum von Nazareth. Ebend. v. 7. Jesus fragte zwei Mahl seine Feinde: Wen suchet ihr, und zwei Mahl gaben sie die nämliche Antwort: Jesum von Nazareth. Ein schreckliches Beispiel eines verhärteten Sün¬ ders ! Er wird wohl öfters durch allerlei göttliche Heim¬ suchungen und Drohungen aus seinem Sündenschlnmmer ausgeschrcckt, aber er schlägt es sogleich wieder aus sei¬ nem Sinne und ändert nichts an seiner Lebensweise. Der 24 göttliche Richter wird einstens seinen Feinden Vorhalten: Ihr habet ans meine Fragen zwei Mahl eingcstanden, daß ihr mich zum Tode suchtet. Wird er nicht auch dem un¬ bußfertigen Sünder seine oftmahligen vergeblichen Einsprc- chnngen und Drohungen vorhalten? iv. Jesus antwortete: »Ich habe es euch gesagt, daß ich cs bin. Suchet ihr aber mich, so lasset diese gehen.« Ioan. xvm. v. 8. Jesus ließ zwar seinen Feinden zu, daß er, aber er ließ nicht zu, daß einer seiner Jünger von ihnen er¬ griffen würde, damit erfüllt wurde, was er zu einer an¬ dern Zeit gesprochen hat: »Die du himmlischer Vater mir gegeben hast, habe ich bewahret, und keiner von ihnen ist verloren als nur das Kind des Verderbens, damit die Schrift erfüllet werde.« Joan. xvn. v. 12. Nämlich schon David hat Psalm. 108. v. 8 von dem Kinde des Verdcr, bens, dem Verräther des verheißenen Messias geweissa- get: Seine Tage sollen wenige werden, und ein ande¬ rer soll sein Bisthum (das Apostolat) erlangen. §. N. UnzeiLiger Eifer des Simon Petrus. " i. »Die Jünger Jesu hatten zwei Schwerter.« Luc. xx.11, v. 38. Am Schlüße des letzten Abendmahles fragte Jesus noch seine Jünger: Hat euch denn etwas gemangelt, als ich euch ohne Säckel, Tasche und Schuhe ansgesandt habe? Sie aber sprachen: Nichts. Da sprach er zu ihnen: Aber nun, wer einen .Säckel hat, der nehme ihn, und zugleich die Tasche, wer aber nicht hat, der verkaufe seinen Rock und kau¬ fe ein Schwert. Denn ich sage euch, es muß noch an mir erfüllet werden, was geschrieben ist: Er ist unter die 25 Uebclthäter gerechnet worden. Denn was von nur ge¬ schrieben ist, das hat ein Ende- Luc. xxn. v. 35-37. Jesus gab in dieser Rede zu verstehen, daß nun der Zcitpunct da sey, wo man gegen ihn und seine Jünger Gewalt anwenden wird, wo es vonnöthen wäre, sich und das Scinigc zu vertheidigen, und Gewalt mit Gewalt abzutreiben. Sie aber sprachen: Herr! sieh hier sind zwei Schwerter. Und er sprach zu ihnen: Es ist genug. Luc. xxil. v. 53. Es ist genug, das ist, auch diese zwei Schwerter werden wir nicht brauchen, wir werden der Gewalt keine Gewalt entgegensetzen. n. Simon Petrus will seinen Meister wider dessen Willen mit dem Schwerte vertheidigen. Joan. xvm. v. 10. Nachdem Jesus nun im gelassenen Tone zu der Schar seiner Feinde gesagt hatte: Suchet ihr mich, so lasset .diese gehen, das heißt, mich kennet ihr ergreifen, aber diese, nämlich meine Jünger, sollet ihr hingehcn lassen, erst daun bekamen sie den Muth auf Jesum die Hände zu legen. Ein Diener des Hohenpriesters nahete sich vor andern der Person Jesu, Simon Petrus hatte ein Schwert, zog es heraus, schlug jenen Diener, und hieb ihm das rechte Ohr ab. Des Dieners Nähme war Malchus. Joan. XVIls. V. 10. Dieser Eifer des Simon Petrus war unzeitig und unbescheiden; denn er hatte keinen Befehl von seinem Meister, Gewalt zu brauchen. Diese Gewaltthätigkeit wur¬ de vielmehr gerade wider den Willen Jesu ausgeübt, der so oft und auch erst kurz vorher bethcnert hat, daß die Weissagungen von ihm in die Erfüllung gehen müssen, und daß auch jene zwei Schwerter übcrslüßig sind. Bei diesem Bewandtnisse der Dinge konnte auch Petrus gegen die Menge der bewaffneten Feinde nichts ansrichten Sei- 26 ne fruchtlose Gegenwehr war vielmehr dazu geeignet, die Lage Jesu und dessen Jünger zu verschlimmern. Auch unser Eifer darf nicmahls unbescheiden und unüberlegt sehn. Er ist aber unbescheiden, wenn das Verhältniß un¬ seres Standes und unserer zu geringer Kenntnisse von der Sache, wofür wir eifern, uns dazu nicht berechtigen, wenn unser Eifer aus bloßer Eigenliebe herrührt, indem wir unsere Sache irrig für die Sache Gottes ausgeben, er ist unüberlegt, wenn aus demselben nur Uebles statt Gutes erfolgt; indem wir aus Mangel der Erfahrung und Klugheit die Zeit und Umstände nicht berücksichtigen. III. Jesu Verweis an Simon Petrus. »Da sprach Jesus zum Simon Petrus: Stecke dein Schwert in die Scheide; soll ich den Kelch nicht trinken, den mir mein Vater gegeben hat?« Joan. xvm. v. n. Alle, die das Schwert nehmen, die werden durch das Schwert umkommen. Oder meinst du, daß ich meinen Vater nicht bitten kann, daß er mir jetzt mehr als zwölf Legionen Engel schicke? Wie werden dann die Schriften erfüllet werden, denn es muß also geschehen. Matth, xxvi. v. 5o. 54. IV. »Jesus macht den von Simon Petrus verwun¬ deten Malchus gesund.« Luc. xxn. v. 5i. Jesus rührte sein (des Malchus) Ohr an, und mach¬ te ihn gesund. So hat Jesus nicht nur dem Simon Pe¬ trus seinen unzeitigen Eifer verwiesen, sondern er hat auch das, was dieser verdorben hatte, sogar durch ein Wunder wieder gut gemacht. Er hat an dem vermessenen Diener das Böse mit Guten vergolten. 27 §. IV. Jesu Gefangennehmung. i. »In derselben Stunde sprach Jesus zu den Scha¬ ren: Ihr seid, wie zu einem Mörder ausgcgangen, mit Schwertern und Stangen mich zu ergreifen, bin ich doch täglich im Tempel bei euch gewesen und habe gelehret, und ihr habet mich nicht ergriffen.« Matth, xxvi. v. 55. Jesus lehrte seit seinem feierlichen Einzuge in die Stadt Jerusalem tagtäglich im Tempel. Und sie haben ihn nicht ergriffen. Durch diese sinnvollen Worte gab er ihnen deutlich zu verstehen, daß sie ja nicht denken sollen, ihre List oder Uebermacht hätte ihn in ihre Hände gelie¬ fert, sondern er selbst gebe sich ihnen gefangen, um den Willen seines himmlischenVaters und dieSchriften zu erfüllen. ir. »Aber diese Stunde ist eure Stunde und die Nacht der Finsternisse. Luc. xxn. v. 53. Daß heißt: Es ist die Zeit, welche euch gestattet wird, alles zu thun, was ihr wollet, diese Macht wird euch eingeräumet, weil ihr das Licht hasset, und die Fin¬ sternisse liebet, und lieber die Eingebungen des die Welt beherrschenden Fürsten der Finsternisse befolget. ui. »Aber die Rotte, ihr Oberster, und die Diener¬ schaft der Juden ergriffen Jesum und banden ihn.« Joan. XVIII. V. 12. Diese Bande waren unsere Sünden, und die Liebe Je¬ su für unser ewiges Heil legte ihm dieselben an. Wir müssen daher aus unerläßlicher Gegenliebe zu Jesu, und vermög der ersten Pflicht, welche uns gegen uns selbst obliegt, welche ist, vor allen Dingen unser Seelenheil zu besorgen, die Bande zerreißen, in welche uns die Sünde verwickelt, und welche uns die Freiheit der Kinder Got¬ tes raubet. 28 iv. Wenn die himmlische Lehre, welche Jesus im Judcnlande und im Tempel zu Jerusalem vorgetragcn, und die Wunder, welche er vor seinen Leiden gewirkt hatte, seine Feinde zu belehren, ihren Haß gegen ihn zu ersticken und in Liebe zu verwandeln nicht vermochten, so sollte man doch glauben, daß die empfundene Macht seiner Worte: Ich bin es, und die plötzliche Gesund¬ machung des Malchus sie von der Ausführung ihres gott¬ losen Vorhabens hätten abschrecken müssen. Allein sieblie¬ ben verblendet nnd verstockt, und diese Verstocktheit war ihre Strafe für die vielen vorangegangenen, und von ih¬ nen stets vcrschmähetcn göttlichen Gnaden und Warnun¬ gen. §. 1L Flucht der Jünger Jesu. i. »Da verließen ihn aber seine Jünger nnd flohen davon.« Matth, xxvi. v. 56. Einen so innigen, erhabenen und heiligen Verein, wie der zwischen Jesus und seinen Jichgern war, hat cs hienicden auf Erden noch nicmahls gegeben. Jesus unter¬ richtete unermüdet seine Jünger in der Erkcuntniß Got¬ tes und des göttlichen Willens. Der übergroße Lohn für ihre Gelehrigkeit nnd treue Befolgung seiner Lehren und Vorschriften soll ihre ewige Seligkeit seyn. Er erhob ihre Gemüthcr von der Erde znm Himmel. Weil sie arm wa¬ ren, so sorgte er auch für ihren zeitlichen Unterhalt, so daß denselben nichts von dem Nothwendigen abging. Bei dem letzten Abendmahlc wicdcrhohlte Jesus gleichsam mit verdoppeltem Eifer seine Lehren und Vorschriften. Er schickte für sie ein' inbrünstiges Gebeth an seinen himmli¬ schen Vater ab, und tröstete sie, als sic darüber betrübt 29 wurden, daß er ihnen sein Hinschciden von ihnen ankün¬ digte. Aus Ucbermaß der zärtlichsten Liebe erniedrigte er sich unter ihnen und wusch ihre Füße. Aber auch die Jün¬ ger verließen alles was sie hatten, aus Liebe zu ihrem Meister, folgten ihm überall hin nach, gingen dahin, wo er sie hinschickte, und befolgten selbst in wunderbaren Dingen, ohne darüber nachzugrübeln, seinen Willen. Bei dem letzten Abcndmahle waren sie höchst bestürzt, als ih¬ nen Jesus vorsagte, daß ihn einer aus ihnen verrathen wird; daß dieselbe Nacht alle sich an ihm ärgern, und alle ihn verlassen werden. Allein alle sammt Simon Pe¬ trus betheuerten hoch, daß sie sich an ihm nicht ärgern, ihn nicht verlassen werden, daß sie bereit wären, mit ihm auch in den Tod zu gehen. n. Doch auch dieser schönste und heiligste Verein wurde zum größten Erstaunen plötzlich getrennt. Jesus Christus wird von seinen Feinden umrungen und ergrif¬ fen, er befindet sich in ihrer Mitte: kein Jünger mehr bei ihm. Die erschreckten Jünger fliehen auf eine andere Seite um nicht ein gleiches Schicksal mit ihrem Meister zu erfahren. Sie sind nun wie Schafe ohne einen Hirten. Nur Simon Petrus folgte seinem Meister von Ferne nach, um den Ausgang zu sehen, Matth, xxvi. v. 58. und ein anderer Jünger Ioan- xvm. v. ,5. Dieser war Johannes selbst, der Jüngste unter den Aposteln, der Liebling des Herrn, welcher sich stets an Petrus hielt, bis zur Zerstreuung der Apostel in die ganze Welt. Ul. Allein diese Trennung des wechselseitigen Vereins Jesu und seiner Jünger dauerte doch nur eine sehr kurze Zeit, wie es Christus selbst vorsagte: Neber eine kurze Zeit werdet ihr mich nicht sehen, und über eine kurze Zeit werdet ihr mich wieder sehen; diese Trennung war nur bas Mittel, den Verein Jesu und seiner Bekenner auf den 30 höchsten Grad zu erhöhen, und auf ewige Zeiten zu be¬ gründen. Diese schönste und segenreichste Epoche begann mit der Auferstehung Jesu aus dem Grabe, und wurde durch die Sendung des heiligen Geistes bewerkstelliget. Nun war es ein ganz himmlischer Verein. Die Bekenner Jesu sahen ihn nicht mehr als einen bloßen, obschon als den größten unter den Propheten, sondern sie erkannten ihn als ihren Erlöser, als den eingcbornen Sohn Gottes, des himmlischen Vaters, und beteten ihn an. iv. Die erschreckten Jünger hatten doch einen schein¬ baren Grund zu fliehen: Was wird aber ein solcher Christ antworten können, welcher sich bloß darum von Jesus hinwegwendet, um die irdischen Güter und Wollüste der Welt zu genießen. §. 12. Jesu Tod wurde schon vor seiner Gefangcn- nehmung und Verhörung beschlossen. i. Viele von den Juden, welche zu Maria und Mar¬ tha nach Bethanien kamen, und den von den Todten auferwecktcn Lazarus sahen, glaubten an Jesum. Etliche aber von ihnen gingen zu den Pharisäern und sagten ih¬ nen, was Jesus gethan hat. Da versammelten die Ho¬ henpriester einen Rath und sprachen: Was thun wir? da dieser Mensch viele Zeichen thut; lassen wir ihn also gehen, so werden sie alle an ihn glauben. Alsdann werden die Römer kommen, und werden unfern Ort und das Volkhin- wegnehmcn. Einer aber unter ihnen, mit Namen Cai- phas, weil er desselben Jahres Hoherpriester war, sprach zu ihnen: Ihr wisset nicht, und bedenket auch nicht, daß es euch besser ist, daß ein Mensch für das Volk sterbe, und nicht das ganze Volk umkomme. Joh. xi. v. 45-5a. 51 ii. »Dieses aber sagte Caiphas nicht aus sich selbst, sondern weil er desselben Jahres Hoherpriester war, so prophezeite er, das Jesus für das Volk sterben werde.« Joan, xviii. v. 5i. Dein ganzen, durch die Sünde unter die Bothmäßig- keit des Teufels gefallenen Menschengeschlechte wurde von Gott ein Erlöser verbeißen und von den Propheten verkün¬ det. Allein Caiphas wußte nicht, was er weissagte, denn er meinte: Christus mußte sterben, damit ihm das jüdische Volk nicht uachgingc und seine Lehre bekcnnete, damit die Juden nicht aufhöreten Juden zu seyn, und Christen würden. Dieser Vorschlag des Caiphas wurde von der Rathsver- sammluug mit allgemeinem Beifalle ausgenommen. Und von demselben Tage an hielten sie Rath, wie sie Jesum tödteten. Joan. xvm. v. 5.T Der Tod Jesu war ihr Hauptzweck, dem alle andere Rücksichten, Wahrheit und Recht, weichen mußten. m. Daher beobachtete Jesus auch während des gan¬ zen gerichtlichen Verhöres fast ein gänzliches Stillschwei¬ gen, und antwortete nichts auf die falschen Anklagen. Er von Himmel gekommen, der höchste Gesetzgeber und Rich¬ ter unterlag keiner Verantwortung, und zielte nur dahin, daß die heiligen Schriften, welche sein Leiden weissagten, bis auf ein Jota erfüllt werden. Und eben da, als er ganz ohnmächtig, als ein Gespötte des Volkes, und ein Spiel seiner Feinde zu seyn scheint, ersieht ihn das gläu¬ bige Auge in seiner höchsten Erhabenheit. iv. Caiphas wußte nicht was er sagte, als er den prophetischen Ausspruch that. Das Nämliche kann auch uns in einem gewißen Sinne begegnen, wenn wir die heilige Schrift lesen, aber kein reines und demüthiges Herz dazu bringen, indem ein fleischlich gesinnter Mensch, 32 in dessen Herzender Geist Gottes nicht wohnet, die gött¬ lichen Dinge nicht verstehet, obschon er die Worte der heiligen Schrift liefet oder höret. L:Z. Jesus vor dem Hohenpriester Anas. i. »Und führten ihn zuerst zum Anas; denn dieser war Schwiegervater des Caiphas, des obersten Priesters desselben Jahres.« Joan. xvili. v. iZ. Denn der Weg, auf welchem sie Jesum zum Caiphas führten, ging wie mehrere dafür halten, bei dem Hause des Anas vorbei, und sie langten eher hier als dort an, und führten nun Jesum gefangen gebunden dem Anas vor. Zudem stand Anas als Schwiegervater des Caiphas bei den Juden im großen Ansehen, und nahm mit seinen Rathschlägen an der Ausübung der oberpriesterlichen Ge¬ walt großen Antheil. Endlich war Anas selbst das Jahr vorher oberster Priester. n. »Der Hohepriester fragte Jesum nach seinen Jün¬ gern und nach seiner Lehre.« Joh. xvm. v. 19. Der Hohepriester Anas suchte wie die übrigen Wi¬ dersacher Jesu, ihm zwei Verbrechen, jenes des Aufruhrs, und jenes der Auflehnung wider das mosaische Gesetz aufzubürden. Daher befragte er Jesum und seine Jünger, um daher den Schein zu nehmen, als ob Jesus dieselben sammle, um mittelst derselben einen Aufruhr zu bewerk¬ stelligen. Um seine Lehren befragte er ihn, als.wollte er sehen, ob die Lehre Jesu mit den Lehren Mosts übercin- stimme. Was die Jünger betrifft, antwortete Jesus nichts, indem er dieselben von der Gewalt der Juden frei haben wollte, wie auch wirklich an keinen derselben, selbst an — 33 — Simon Petrus nicht, welcher dem Malchus ei» Ohr ab¬ gehauen hat, Hand gelegt wurde. in. Aber auf die Frage des Hohenpriesters, welche die Lehre betraf, antwortete ihm Jesus: »Ich habe öffent¬ lich vordem Volke geredet: ich habe allezeit in der Syna¬ goge und im Tempel gelehret, wohin alle Juden ka¬ men, und habe nichts im Verborgenen geredet; was fra¬ gest du mich? frage die, welche gehört haben, was ich zu ihnen geredet habe, sich, die wissen, was ich gesagt habe.« Joan. xvm. v. 20. 21. Die Frage des Hohenpriesters faßte nicht eine », zel- ne, diese oder jene, sondern die gejammte Lehre Jesu, folglich konnte der Hohepriester auch keine bestimmte, son¬ dern nur eine allgemeine und keine andere Antwort er¬ warten, als eine solche, welche ihm Christus wirklich gege¬ ben hat. Nebst dem war Anas, welcher ohnehin die Leh¬ re Jesu Christi zu kennen glaubte, nicht nur für dieselbe unempfänglich, sondern auch ein erklärter Feind derselben, und folglich auch unwürdig, die Lehre aus dem Munde Jesu zu vernehmen. iv. Jesus verkündigte drei Jahre vor seinem Leiden und Tode rastlos das Evangelium. Auf seine Lehre, sein Leiden und seinen Tod gründet sich unser ewiges Heil. Da¬ her setzte er in seiner Kirche ein immerwährendes Lehramt , ein, als er zu seinen Aposteln sprach: »Gehet hin, und lehret alle Völker, taufet sie im Namen des Vaters und r des Sohnes und des heiligen Geistes, und lehret sic alles - halten, was ich euch befohlen habe, sehet, ich bin bei e euch alle Tage bis zum Ende der Welt.« Matth, xxvm. - V. 19. 20. , Die Apostel und die, zu Folge des von Jesu erhalte- n neu Auftrages von ihnen eingesetzten und ununterbrochen n cnff einander folgenden Verkündiger der Lehre und Gebote 54 Jesu und Ausspender der heiligen Geheimnisse sind dem¬ nach die Stellvertreter Jesu in seiner Kirche. Wie wich¬ tig und ehrwürdig muß daher nicht das apostolische Amt sowohl.in den Augen der Kirchcuvvrsteher selbst, als den Laien erscheinen. Wie heilig muß uns nicht auch die Leh¬ re Jesu scyn, welche in seiner Kirche erhalten und vor- getragcn wird! Wie groß sind nicht die Segnungen, wel¬ che die Anhörung des Wortes Gottes begleiten, alle Hei¬ ligen, Büsser und Märtyrer sind es durch das Wort Got¬ tes geworden. Gemeine, des Lesens »»kündige Lente, wel¬ che ober das Wort Gottes fleißig und in christlicher Ein¬ falt anbörcn, beherzigen und treu bewahren, sind ost in der Religion die unterrichtetsten und beispielvollsten Chri¬ sten. Ein einziger Spruch der heiligen Schrift ist vermö¬ gend einen Sünder in einen tugendhaften Menschen um- znschaffen. Die Geschichten der Heiligen bezeugen es. §. 14. Ein Diener versetzt Jesu vor dem Hohenprie¬ ster Anas einen Backenftreich. i. »Einer von den Dienern, welche dabei standen, gab Jesu einen Backenftreich.-- Joan. xvni. v. 22. Einen Menschen in das Gesicht schlagen , ist eine skla¬ vische Behandlung, eine die Menschheit entehrende Hand¬ lung und eine Beschimpfung, welche um so größer ist, je geringer derjenige ist, welcher dieselbe anthut, und je größer derjenige ist, dem sie angethan wird. Ein Die¬ ner gibt Jesu einen Backenstreich, Jesu, der öffentlich im Tempel gelehret hat, wiik noch kein Mensch, kein Pro¬ phet, welcher die größten Wunder aus eigener Kraft ge¬ wirkt hat, dem noch vor wenigen Tagen das Volk geru¬ fen hat: Hosanna dem Sohne Davids! n. Jener Diener sprach, als er Jesu den Backen, streich versetzte: »Antwortest du so dem Hohenpriester?« Joan, xviii. v. 22. Der Hohepriester hat dem Diener nicht befohlen, Je- snm durch eineu Backenstreich zu beschimpfen, der Diener that es eigenmächtig. Allein, dem Hohenpriester gefiel doch die That des Dieners, und so sündigten beide. Ein Die¬ ner soll zwar seinem Herrn dienen, und für desselben Wohl und Ehre eifern, und der Herr soll seinen Diener versorgen, ihn schützen. Aber das Verhältniß zwischen Herr und Diener wird entheiligt, wenn der Diener dem Herrn in und mit unerlaubten Dingen dienet, und der Herr die bösen Handlungen des Dieners duldet und bil¬ liget. in. Jesus antwortete dem Diener: »Habe ich übel gehandelt, so beweise, daß cs nicht recht sei; babe ich aber recht geredet, was schlägst du mich denn?-- Joan. xvui. V. 23. Wenn man zu einer geduldeten Beschimpfung oder Unbild gänzlich schweigt, so ist es möglich, daß doch in¬ nerlich im Herzen ein Groll koche, oder daß man sich an¬ dere Vergehen zu Schulden kommen laste, die dann vor¬ geworfen werden könnten, wenn man sich rechtfertigen wollte, oder daß man sich durch die Rechtfertigung noch größere Uebel von Seite des Beleidigers zuziehen würde. Keine von diesen Ursachen des Stillschweigens fand bei Jesu StatL; deßwegcn schwieg er nicht, sondern er recht¬ fertigte mit gelassenen Worten die Antwort, welche er dem Hohenpriester gegeben hat, und wollte dem Diener den Wahn benehmen, in welchem dieser war, da er sich be- rechtigt zu seyn glaubte, Jesum in das Angesicht zu Ma¬ ßen. Die sanfte von Jesu geschehene Zurechtweisung des Dieners konnte auch dazu dienen, daß dieser in der Zeit- 36 folge sich daran erinnerte, in sich ging, und die Jesu an- gethane Beschimpfung bereuete. iv. O unendliche Sanftmuth Jesu, des Sohnes Gottes, des Herrn Himmels und der Erde, welcher die, von einem elenden Geschöpfe, einem Diener der Menschen erlittene Schmach nicht nur nicht bestrafte, sondern sein Vergreifen mit Gelassenheit zurechtwies! Soll es uns noch möglich seyn, daß wir uns auch über eine wirkliche, nicht etwa bloß eingebildete Unbild entrüsteten oder gar Rache suchten? Kann uns Geschöpfen, die wir übcrdieß noch Sünder sind, eine so große Unbild und Beschim¬ pfung angethan werden, wie jene war, welche Jesus er¬ litten hat? Sind wir seine Bekenner, so müssen wir uns auch bemühen, ihm ähnlich zu werden. Leiden wir Un¬ recht, so lasset uns Jesum als Muster vor Augen haben. Jede uns zugefügte Unbild ist nur eine Prüfung unserer Geduld und Sanftmuth, ein von Gott selbst uns aufer¬ legtes Bnßwerk für unsere Sünden. Lasset uns auf Je¬ sum hinblickend, diese Prüfung christlich bestehen, und unfern Vußwerken ein neues hinznsetzen. Ist der Vor¬ wurf, denn man uns macht, unverdient, so wirft uns das Gewissen vielleicht größere Dinge vor, und wir sollen den unverdienten Vorwurf für jene Vorwürfe annehmen, welche wir verdienen würden, und auf welche wir nichts erwiedern könnten. §. IS. Unbilden, welche Jesus jene Nacht im Hause des Hohenpriesters Caiphas erduldete. i. »Und Anas hat ihn gebunden zum Caiphas, dem ober¬ sten Priester (desselben Jahres) geschickt.« Joh. xviü. v. 2). Denn die richterliche Gewalt stand eigentlich dem 57 Eaiphas, dem obersten Priester zu, weßwcgen auch Anas kein Urtheil über Jcsum gefällt hat. ii. Während der Nacht befand sich Jesus in den Händen der Gerichtsdiener, welche das pöbelhafteste Ge¬ spött mit ihm trieben, und nichts von dem unterließen, was ihnen die ersinderische Ausgelassenheit eingegeben hat. Ein jeder bestrebte sich die andern am vermeinten Witze zu übertreffen. Der erhaltene Beifall war ein Sporn die Ausgelassenheit bis zu ihrer Erschöpfung zu treiben. Kei¬ ne Person von Ansehen war zngegen, deren Gegenwart ihrem Muthwillen einige Schranken gesetzt hätte. in. »Und die Männer, welche ihn hielten, verspot¬ teten und schlugen ihn, und sie bedeckten ihn und schlugen sein Angesicht, fragten ihn und sprachen: Weissage uns, wer ist es, der dich geschlagen hat? Und sie redeten vie¬ le andere Lästerungen wider ihn.« Luc. xxn. v. 63-65. »Da spien sie in sein Angesicht und schlugen mit Fäu¬ sten, etliche aber gaben ihm Backenstreiche ins Angesicht.« Matth, xxvi. v. 67. Und Jesus schweigt gänzlich zu allen erduldeten Mi߬ handlungen. Ach, ein ahndungsvolles Schweigen! Denn wenn Gott aufhört zu dem Sünder zu reden, und ihn sich selbst überläßt, so sagt der Sünder: Was ist mir Uebles wiederfahren ? und er fährt fort zu sündigen. Je¬ sus hat das im Hause des Hohenpriesters Anas von ei¬ nem Diener erlittene Unrecht gcrüget, aber vergebens, nun schweigt er. Allein die Strafe wird nicht ausbleiben. Die göttliche Gerechtigkeit schreitet zwar langsam zur Be¬ strafung, aber wenn das Maß der Sünden voll wird, so wird auch die Strafe desto größer seyn. lv. Das Betragen der jüdischen Dienerschaft gegen Jesum war gottlos. Möchte cs doch unter den Christen keine Gottlosigkeit geben, welche der jüdischen gleich 38 oder noch größer wäre. Allein wenn ein Christ ohne al¬ len Glauben in das Haus Gottes gehet, wenn er dort das Heiligthum verkennt, und für die heiligsten Hand¬ lungen und Geheimnisse keine Ehrfurcht bezeigt, wenn er daselbst mit seinen Sinnen ansschweift, und die Fröm¬ migkeit der Christen verhöhnt, wenn er mit seinem gan¬ zen Benehmen die christliche Gemeinde ärgert; ein solcher Christ wird einstens vor Gott ein weit schrecklicheres Ge¬ richt zu bestehen haben, als jene gottlosen Juden. Chri¬ stus flocht einstens Geiseln und peitschte diejenigen aus dem Tempel hinaus, welche doch solche Dinge verkauften und kauften, welche geopfert zu werden pflegten, ohne sich sonst gegen die Heiligkeit des Tempels zu versündi¬ gen- Und doch war der Tempel zu Jerusalem nicht so heilig, wie unsere Gotteshäuser. Christus sprach zu den Verkäufern: Der Tempel ist ein Bethaus ihr aber habet es zu einer Mördergrube gemacht. Welch' eine Züchtigung haben daher nicht erst diejenigen Christen von Gott zn gewärtigen, welche die Kirche, diese wahre Wohnstätte Gottes, durch ihr freches Betragen entheiligen. Lasset uns daher für diese Verblendeten und Allerunglücklichsten be¬ ten, welche in den Finsternissen und im Schattendes Todes wandeln, ohne es erkennen zu wollen, damit fleh Gott über sie erbarme, so lange es noch Zeit ist; denn es gehet in der weiten Christenwclt kein Tag vorüber, an welchem nicht bald da, bald dort ein Spötter der Reli¬ gion vor das göttliche Gericht gerufen würde, und end¬ lich wird auf einen jeglichen die Reihe kommen. — 59 — L«. Simon Petrus verlaugnet Jesum drei Mahl. I. »Petrus aber saß draußen im Hofe, und eine Magd trat zu ihm und sprach: Du warst auch bei Jesu dem Galiläer. Er aber läugnete es vor ihnen allen, und sprach: Ich weiß nicht, was du sagst.« Matth, xxvi. v. 69-70. I1. »Als er aber zur Thüre hinaus ging, sah ihn ei¬ ne andere Magd, und sprach zu denen, welche da waren: Auch dieser war bei Jesu von Nazareth. Und er läugnete es abermahls auch mit einem Eide und sprach: Ich kenne den Menschen nicht.« Ebend- v. 71. 72. in. »Und über ein wenig hernach traten hinzu, die da standen und sprachen zum Petrus: Wahrlich auch du bist einer von denen; denn auch deine Sprache macht dich offenbar. Da fing er an, sich zu verfluchen und zu schwö¬ ren, daß er den Menschen nicht kenne.« Ebend. v. 73.74. iv. So tief ist der erste unter den Aposteln und bisher der eifrigste Anhänger Jesu gefallen. — Warum? Weil er jetzt nur aus Vorwitz, um den Ausgang zu se¬ hen in die nächste Gelegenheit und Gefahr Jesum zu ver- läugnen in die Mitte seiner Feinde sich begeben hat, wel¬ che um das im Hofe des Hohenpriesters angezündete Feuer herumstanden nnd Jesum lästerten, ohne vorher auf dem Oehlberge mit Jesu gewacht und gebetet zu haben, und also ohne die Erleuchtung ^>es Geistes und Stärke des Willens wider die Versuchung seinen Meister zu verläug- ucn, für sich zu haben. Die Gefahr nahm schnell zu, in¬ dem nach der ersten Magd bald eine zweite, und endlich die, welche sich am Feuer wärmten, ihn für einen Jün¬ ger Jesu ausahcn. Eben so wurde auch seine Furcht und 40 Schwachheit und dieNothwendigkeit gesteigert, sein Läug- nen zu verstärken, um seine Angreifer zu täuschen und sich selbst zu retten. Zuerst stellte er sich, als ob er diesen Menschen, seinen Meister, gar nicht kennete; dann betheu- erte er mit einem Eide, daß er kein Jünger des Naza¬ räers sei, endlich verfluchte er sich selbst, wenn er ei¬ ner wäre. Seine Furcht erkannt zu werden, mußte um so viel größer werden, weil er auf dem Oehlberge bei der Ergreifung Jesu durch die an Malchus ausgeübte Ge- waltthätigkeit sich am meisten bemerkbar gemacht hatte. Allein er hat seine Rettung doch nur Jesu zuzuschreiben, welcher nicht wollte, daß mit ihm auch nur einer seiner Jünger ergriffen würde. Eben so verhielt sich es mit seinem geliebten Jünger Johannes, welcher selbst dem Hohenpriester bekannt war, in dessen Hof er mit Jesus hinein ging, und dann mittelst der Thürhütherinn dem Pe¬ trus den Einlaß verschaffte. Joan, xviik. v. ,5. i6. Allein Jobannes vcrläugncte seinen Meister nicht, weil ihm der göttliche Beistand zur Seite war, indem er nur aus Liebe zu Jesu ihm dahin nachsolgte, und sich keineswegs unter dessen Feinde mengte. §. Z r. Reue und Buße des heiligen Petrus. r. »Also bald (nach der dritten Verläugnung) krähete der Hahn.« Matth, xxvi. v. 74. »Und der Herr wendete sich um, und sah den Petrus an; und Petrus gedachte des Herrn Worte, die er gesagt hatte: Ehe der Hahn krähet, wirst du mich drei Mahl verläugncn. Und PetruS ging hinaus und weinte bitterlich.« Luc. xxir. v. 61. 62. n. Das größte und einzige wahre Uebel ist die Sün- 41 de, denn sie gebiert den Tod der Seele, welcher in ihrer Trennung von Gott, gleich wie der leibliche Tod in der Trennung der Seele von dem Leibe besteht. Was kann aber doch schaudervolleres gedacht werden, als die Abson¬ derung unseres unsterblichen Geistes von seinem Gott und Schöpfer, der einzigen Quelle der wahren und ewigen Seligkeit und seine Unterjochung unter die Bothmäßigkcit des bösesten, häßlichsten Geistes. m. Aus diesem grundlosen Elende aber kann der Sünder sich selbst so wenig heraushelfen, als wenig ein Todter sich selbst wieder zum Leben erwecken, oder ein Taubstummer sich selbst das Gehör und die Sprache ge¬ ben kann. Dieses vermag nur die Allmacht und neue Erbarmung Gottes, Gott muß auf die ihm beliebige Weise durch den innerlichen Einspruch, durch sein äus¬ serliches Wort oder durch ein erschreckendes Ereigniß den Sünder gewaltig anblicken, wie Christus den Petrus durch das Krähen des Hahnes und mit seinen leiblichen Augen angeblickt hat, als er aus dem Gefängnisse bei ihm vo¬ rüber in den Gerichtssaal geführt wurde. iv. Alle Nebenumstände zeigen, daß sich Petrus nicht vorbedächtlich, sondern aus menschlicher Schwachheit, und vorhin noch niemahls gegen seinen göttlichen Lehr¬ meister versündiget hat. Daher ergriff Petrus die Gnade dieses einzigen Blickes Jesu mit einer solchen Demuthund mit einem so hitzig liebenden Eifer, daß er sogleich mit innigster Reue seines Herzens zur Liebe Jesu zurückkehrt. Dieser göttliche Blick blieb stets gleich lebhaft vor seinen Augen. Die vormahligen Warnungen und Weissagungen Jesu erneuerten sich in seinem Gemüthe; er erinnerte sich nacheinander an die besonder» Gnaden, welche ihm von Jesu zu Thcil wurden, und erkannte seine Sünde für so viel schwerer und strafbarer, je mehr er vorher von 42 Jesu begnadigt war. Er wußte zwar, daß ihm Jesus der Erbarmungsvolle schon längst die Sünde nachgelassen habe, als er aus der bösen Gelegenheit hinaus ging, und bitterlich zu weinen anfiug, aber die, obschon ehe nach¬ gelassene Sünde kam ihm niemahls aus dem Gedächtnisse. Er bcreuete seinen Fall lebenslänglich und endete seine Buße erst mit dem Tode am Kreuze. Er fand seine Freu¬ de nur noch in der Buße und in den Erbarmnngen Got¬ tes. So weiß Gott aus dem Bösen Gutes zu schaf¬ fen, aus der Sünde eines wahrhaften Büssers große Tugenden hervor gehen zu machen, und also den bußfer¬ tigen Sünder zu trösten, daß er ausrufc: Wie süß bist du Buße! §- 18. Jesus vor dem Hohenpriester Caiphas; falsche Zeugen wider ihn. r. »Als nun Tag geworden ist, kamen die Aeltcsten des Volkes und die Hohenpriester sammt den Schriftge¬ lehrten zusammen, und die Männer, welche Jesum fest¬ hielten, führten ihn in die Rathsversammlung.« Luc. xxil. v. 66. Matth, xxvi. v. 57. »Aber die Hohenpriester sammt dem ganzen Rathe suchten ein falsches Zcugniß wider Jesum, damit sie ihn dem Tode überlieferten, und sie fanden keines, obschon viele falschen Zeugen auftraten.« Matth, xxvl. v. 5g. 60. n. Sie suchten nur falsche Zeugen, denn die wahr¬ haften wären ihrem festgcfaßten Anschläge entgegen ge¬ standen. Aber auch die falschen Zeugen taugten ihnen nicht, denn ihre Zeugnisse kamen nicht überein; Marc. XtV. v. 5g. indem ein jeder Zeuge etwas anderes aus¬ sagte, keine Aussage hatte für sich zwei Zeugen, was 43 doch zur vollen Gültigkeit einer Aussage gesetzlich erfordert wird, der jüdische Rath aber wollte den gegen Jcsuin vorgefaßten bösen Anschlag zudecken, und sich den Schein der Gerechtigkeit und der Liebe zur Wahrheit geben. Der ^auptumstand aber, welcher bei den falschen Zeugen ob¬ waltete und weßwegen ihre Zeugnisse verworfen wurden, war dieser, daß sie nur solche Dinge wider Jesum aus¬ sagten, wegen welchen sie ihn nicht hätten zum Tode ver- urtheilen können; und doch ging das ganze Sinnen des jüdischen Rathes einzig dahin, Jesum hinzurichten, daß ihre unverschnlichste Rachsucht gegen Jesum nach ihrem vollen Genüge gelöscht würde. Die Zeugnisse wurden da¬ her als unbrauchbar verworfen. Viele Zeugen standen auf einmal wider Jesum auf, um das Wohlgefallen des hohen Rathes zu erschleichen. Allein es gab zu dieser Zeit noch keinen einzigen, welcher den Muth gehabt hätte, dem Ansinnen des hohen Rathes die beseligende Lehre Je¬ su, seine unläugbaren Wunderthaten und seinen Eifer für die dem Tempel schuldige Ehrfurcht, entgegen zu setzen. m. »Zuletzt kamen aber zwei falsche Zeugen und spra¬ chen: Dieser hat gesagt: Ich kann den Tempel Gottes zerstören, und denselben in drei Tagen wieder aufbauen.« Matth, xxvi. v. 60. 6i. Allein dieses Zeugniß war grundfalsch : Christus sprach ganz anders, denn nachdem er an den Entehrern des Tem¬ pels seine Macht ausgeübt hatte und von den Juden auf¬ gefordert wurde, daß er das Recht, dessen er sich eben in dem Tempel bedient hatte, durch ein Zeichen und Wun¬ der beweisen sollte, Joh. u. v. :5 — ,8 antwortete er und sprach zu ihnen: Zerstöret diesen Tempel, und ich will denselben in drei Tagen wieder aufrichten. Er redete hier von dem Tempel seines Leibes, Joh. n. v. 19 — 21. welcher in dem jungfräulichen Leibe Maria durch den hei- 44 ligen Geist gebildet , nicht aber wie die falschen Zeugen vorgaben, von dem materielen Tempel zu Jerusalem, welcher durch die Menschenhände erbaut wurde. Diese Rede Jesu ging in Erfüllung, als er am dritten Tage von den Todten auferstanden war. Seine Jünger erin¬ nerten sich jetzt an jene Rede Jesu, nun begriffen sie die¬ selbe und glaubten an ibn. Ebcnd. 22. Jedoch war jenes falsche Zeugniß ohne alle weitere Untersuchung dem hohen Rathe überaus willkommen, weil sie aus demselben eine Gotteslästerung heraus brachten, auf welche sie nach dem Gesetze die Todesstrafe wider Je- sum verhängen konnten. LS. Jesus bezeugt seine Gottheit vor dem hohen jüdischen Rathe. I. Dorerinnerung. Man wird sehen, daß bei dem mit Jesus vorgenommenen Verhöre im hohen jüdischen Rathe, vor dem römischen Landpfleger Pilatus, und vor dem Könige Herodes das gewöhnliche durch die Gesetze vorgeschriebene gerichtliche Verfahren im Wesentlichen gänzlich beseitigt wurde. Hier geschah alles anders. Es war ein böses Verfahren ohne Beispiel. Bei Jesu Rich¬ tern ersieht man die größte Verblendung des Geistes, und die Verstocktheit des bösesten Willens, die Oberherr¬ schaft des Lasters. Hingegen erblickt man bei dem ver¬ hörten Jesus den Sieg der Wahrheit und Heiligkeit, das Werk Gottes, die Erfüllung der Weissagungen, Jesu gänz¬ lichste Ergebung in den Willen seines himmlischen Vaters und seine unauslöschliche Sehnsucht für uns sündige Men¬ schen dem beleidigten Gott genug zu thun..Diese waren die einzigen Regungen seines Herzens im Leiden und Tode. 45 ii. Da stand der Hohepriester auf, und sprach zu ihm: Antwortest du nicht auf die Dinge, welche diese wi¬ der dich zeugen? Und Jesus sprach zu ihnen: »Wenn ich euch sage, so werdet ihr mir nicht glauben; wenn ich aber euch frage, so werdet ihr mir keine Antwort gehen, und werdet mich nicht entlassen.«- Luc. xxii. v. 67. 68. Diese Worte Jesu bezeichnen vollständig den Geist seiner Feinde gegen ihn, und geben den Grund seines Stillschweigens an. Sie haben bisher ihm nicht geglaubt, obschon er die Göttlichkeit seiner Lehre und seine Sendung vom Himmel durch die größten Wunder, welche er aus eigener Macht wirkte, dargethan hat. Sie konnten seine Heiligkeit nicht laugnen. Er forderte sie auf, sie sollen ihn einer Sünde zeugen, wenn sie können ; indem er sprach: Wer aus euch kann mich einer Sünde beschuldigen? Und doch nahm ihr Haß gegen ihn immer zu. Hingegen gaben sic ihm keine Antwort, wenn er sie über den Sinn jener Schriftstellen befragte, welche von Christus, dem von Gott verheißenen, und von den Propheten angekündigten Messias reden. Sie gestanden ein, daß der Messias ein Sohn, ein Abkömmling Davids seyn soll. Als sie aber Jesus fragte: Wie nennt ihn aber David seinen Herrn, wenn er sein Sohn ist, da er spricht: der Herr hat zu meinem Herrn gesagt: Setze dich zu meiner Rechten, Ps. 10g. v. i. wußten sie ihm darauf nichts zu antwor¬ ten, sie fragten ihn aber auch von diesem Tage an nicht mehr, und wollten auch nicht von ihm belehret werden. Matth, xxii. v. 42-46. Und entlassen werden sie Jesum, dessen Hinrichtung sie beschworen haben? Daher schwieg Jesus abermahls still. m. Und der Hohepriester sprach zu ihm: »Ich be¬ schwöre dich bei dem lebendigen Gott, daß du uns sagest, ob du Cbristus bist, der Sohn Gottes.« Matth, xxvi. v. 6Z. 40 Diese Frage ist höchst wichtig, daß man annchmcn muß, der Hohepriester habe dieselbe nur aus höherer Eingebung gestellt. Sie betrifft die Wesenheit Gottes und den Hauptgrund des christlichen Glaubens. Der Ho¬ hepriester beschwört Jesum bei dem lebendigen Gott; die¬ ses war eine hebräische Redensart im Gegensätze mit den Heiden, welche bei ihren stummen Göttern zu schwören pflegten. Caiphas als oberster Priester und Stellvertre¬ ter Gottes beschwört Jesum bei dem wahren Gott, das heißt: Er soll so antworten, wie er antworten würde, wenn ihn Gott selbst befragte. Die Frage war ganz be¬ stimmt, allen zweideutigen Sinn ausschließcnd: Bist du Christus? Jener den Vätern einst von Gott verheißene und bis jetzt erwartete König Israels? Bist du der Sohn Gottes? Jesus, jederzeit und überall und besonders bei dieser feierlichsten Gelegenheit, der Eiferer für die Ehre Gottes, redete nun und antwortete ebenfalls ganz bestimmt und mit erhabener Stimme auf die gestellte Frage aus Liebe zu seinem himmlischen Vater sich sehnend für seine Antwort auch am Kreuze zu sterben, um die Wahrheit seiner Antwort auf die unbezweifelte Art zu bestätigen. Lasset uns seine Antwort aus seinem Munde vernehmen, auf dieselbe gründet sich unser Heil und alle unsere Hoff¬ nung für die Ewigkeit. iv. Jesus sprach zum Hohenpriester: Du hast es gesagt*) »Ich bin» Aber ich sage euch: »Ihr werdet von nun an des Menschen Sohn zur Rechten der Kraft Gottes sitzen **)- und in den Wolken des Himmels kommen sehen-« Matth, xxvi. v. 64. Marc. xiv. v. 62. Luc. xxn. v. 69.70. ') „Du hast eS gesagt,« ist cine hcbriiifchc Redensart, wodurch das, was ein anderer gesagt hat, auf eine bescheidene und ehrerbicthige Art bejahet wird, und heißt so viel, als: Es ist gerade so wie du selbst sagest. ") „Zur Rechten der Kraft Gottes« ist ebenfalls eine hebräische Redensart und bedeutet so viel, als zur Rechten des starken allmächtigen Gottes, im 47 Jesus bezeigte hier seine Gottheit mit kurzen und klaren Worten, welche keiner Verdrehung und Mißdeu¬ tung fähig sind. Er sagte, ich bin es, der Sohn Gottes. Er sagte es seinen geschworensten Feinden, und wußte wohl, daß er durch dieses unwiderrufliche Gcständniß sich den bittersten und schwächlichsten Tod am Kreuze zuziehen werde. Kann wohl derjenige die Gottheit Jesu bezwei¬ feln und läugnen, welcher jenes Gcständniß und die Umstände, unter denen es abgelegt wurde, mit unbe¬ fangenem Verstände und Herzen auffasset? Uns genügt der kurze Schluß: Jesus Christus hat es gesagt; also sind wir gewiß, daß er der Sohn Gottes, einer Wesenheit und Natur mit seinem himmlischen Vater ist- Allein unser Glaube an Jesum, als den Sohn Gottes muß auch le¬ bendig seyn, so lebendig, daß wir wie die heiligen Mär¬ tyrer bereit wären, für diesen Glauben auch unser Leben hinzugeben. Ist unser Glaube an Jesum, als den Sohn Gottes lebendig, so werden wir auch alle seine Lehren, Gebote und Verbote, alle von ihm eingesetzten Heilsan¬ stalten ohne Ausnahme als göttlich unverletzbar erkennen, sorgfältig und mit sichtbarem Eifer darnach handeln, und die heillose Lauigkeit und Kaltsinnigkeit in den Dingen der Religion mir allem Ernste bekämpfen. § 2«. Jesus wird von dem jüdischen Rathe für des Todes schuldig erkannt. i. »Da zerriß der Hohepriester seine Kleider und Gegensätze mit den ohnmächtigen Götzen. Die Juden waren nach dem Abzüge auS dem abgöttischen Aegypten zur Abgötterei sehr geneigt, und Ne waren auch hernach in Palästina ringsherum von heidnischen Völkern umgeben. Daher brauchten die Propheten, welche von dem wahren Gott redeten, oft derlei Gegensätze, um bei den Juden richtige Vorstellungen von Gott und seinen Eigenschaften zu erwecken und zu unterhalten. 48 sprach: Er hat Gott gelästert: Was bedürfen wir weiterer Zeugen? Sehet, ihr habet jetzt die Gotteslästerung gehört. Was dünket euch? Sie aber antworteten und sprachen: Er ist des Todes schuldig.« Matth, xxvi. v. 65. 66. Da ging nun in die Erfüllung, was Jesus einst zu den Juden gleichnißweise gesprochen hat. Es war ein Hausvater, der pflanzte einen Weinberg und verpachtete ihn den Anbauern und reifete in ein anderes Land. Als aber die Zeit der Früchte herbeigekommen war, schickte er seine Knechte zu den Anbauern, seine Früchte zu em¬ pfangen. Und die Bauleute griffen seine Knechte an. Den einen schlugen sie, den andern tödteten sie, den dritten aber steinigten sie. Abermahls schickte er andere Knechte, mehrere, als das erste Mahl, und sie thaten ihnen des¬ gleichen. Endlich aber schickte er seinen Sohn zu ihnen, und sprach: Sie werden sich vor meinem Sohne scheuen. Als aber die Bauleute den Sohn sahen, sprachen sie un¬ ter einander: Dieser ist der Erbe, kommet und lasset uns ihn tödtcn, so werden wir seinen Erbtheil für uns haben. Und sie griffen ihn an, stießen ihn zum Weinberge hinaus und tödteten ihn. Matth, xxi. v. 33 - 3g. ii. Die Frage, ob Jesus sei Christus der Sohn Gottes, wurde schon früher ebenfalls einmahl von den Ju¬ den an ihm gestellt, und von ihm bejahend beantwortet, als er von dem guten Hirten redete und zeigte, daß er der gute Hirt, und nur er die Thüre sei, durch welche man in den Schafstall eingehet. Als er darauf im Tem¬ pel, iu der Halle Salainons wandelte, fragten ihn die Juden nun, und sagten zu ihm: Wie lange hältst du unsere Seelen auf? (Hältst uns in der Ungewißheit). Bist du Christus, so sage uns öffentlich: Jesus antwortete ihnen: Ich sage es euch, und ihr glaubet es nicht. Die Werke, welche ich im Namen meines Vaters thue, diese 49 geben von mir Zcugniß. Aber ihr glaubet nicht, weil ihr nicht aus meinen Schafen seid. Meine Schafe hören meine Stimme, und ich erkenne sie, und sic folgen mir nach, und ich gebe ihnen das ewige Leben, und sie wer¬ den in Ewigkeit nicht verloren gehen, und Niemand wird dieselben aus meiner Hand reißen. Was mir mein Vater gegeben hat, (seine Wesenheit und Macht) ist größer als alles, und Niemand kann es aus meines Vaters Hand reißen, (also auch nicht aus der Meinigen). Ich und der Vater sind Eins. Da hoben die Juden Steine auf, daß sie ihn steinigten; Jesus antwortete ihnen: Ich habe euch viele gute Werke von meinem Vater gezeigt, und dersel¬ ben willen steiniget ihr mich? Die Juden antworteten und sprachen: Wir steinigen dich nicht um eines guten Werkes willen, sondern wegen der Gotteslästerung, und weil du dich selbst zum Gott machest, da du doch ein Mensch bist. Ioan. x. v. 23.-3). m. Jesus mußte in den Augen der Juden als ein Gotteslästerer erscheinen. Sie waren blind und verstockt gegen seine Lehren und Wunderthaten, welche seine Gott¬ heit in seiner Menschlichkeit laut verkündeten. In dem gerichtlichen Verfahren gegen Jesum vor dem Caiphas kam gar nichts Neues vor, es zeigte sich nur das frü¬ here Verhältniß zwischen Jesum und seinen Richtern. Da¬ her war auch das Verhör kurz, und schnell der richter¬ liche Ausspruch. Das feierliche Geständnis! Jesu, daß er Christus und der Sohn Gottes ist, wurde abermahls für eine Gotteslästerung erklärt. Der Hohepriester zer¬ riß nach dem Brauche der Juden seine Kleider, um seinen Schmerz und seine Entrüstung über die vorgebliche Got¬ teslästerung recht lebhaft an den Tag zu legen, obschon er sich in seinem Innern freuete, einen Vorwand gefun¬ den zu haben, Jesum zum Tode vcrurtheilen zu können. 50 Da der Tod Jesu von seinen Feinden fest beschlossen war, so mußte die Gotteslästerung ohne alle Widerrede als uubczwcifelt ausgesprochen werden, sonst würde cs heißen, sie hätten sich durch die Vcrurthcilung Jesu zum Tode des Mordes an dem Sohne Gottes schuldig gemacht, und dieses ist auch der wahre Name des von ihnen ver¬ übten Gräuels. iv. Möchte cs doch unter uns Christen keinen geben, der Jesum mißkennete. Er hat klar gesagt: Das Brot, welches ich euch geben werde, ist mein Fleisch für das Leben der Welt: Nehmet hin und esset, das ist mein Leib, welcher für euch wird hingegeben werden. Dieser ist der Kelch meines Blutes in neuem Bunde, welches für Viele zur Vergebung der Sünden wird vergossen werden. Trinket alle daraus. Mein Fleischistwahrhaft eine Speise, und mein Blut ist wahrhaft ein Getränk: Wer mein Fleisch isset und mein Blut trinket, der bleibt in mir und ich in ihm, und er wird das ewige Leben haben. Matth, xxvi. v. 26- 28. Marc. xiv. v. 22, 2a. Luc. xxu. v. i.ü-20. Joan. vi. 48-60. l. Corinth, xi. v. 25-3o. Die beilige Kirche, diese getreue Aufbewahrerinn und Auslegerinn der Lehre Jesu hat allezeit geglaubt und ge- lehrct, daß nach der Wandlung kein Brod und kein Wein mebr, sondern der lebendige Frohnleichnam unsers Herrn Jesu Christi vorhanden und auzubcten ist. Die geistreiche- sten Lebrcr in der heiligsten Kirche, wie Tbomas von Kempten im 4tcn Buche von der Nachfolge Christi, sind im Geiste ganz entzückt, von dem lebendigsten Glau¬ ben entzündet, mit einer himmlischen Wonne beseligt, wenn sie von diesem erhabensten Geheimnisse, von diesem größte^ Wunder der Liebe Jesu gegen seine Geliebten reden. — 51 — §. 21. Ursachen des Hasses der Juden gegen Iesum. i. Es pflegt zu geschehen, daß die Guten, wenn sie mit den Bösen in Berührung kommen, von diesen gehaßt und verfolgt werden. Und der heilige Paulus schreibt im 2. Timoth. m. v. i2. »Alle, welche im Christo Jesu gott¬ selig leben wollen, werden Verfolgung leiden.« Diese Ver¬ folgung wird um so viel größer, je größer auf der einen Seite die Tugend, und auf der andern Seite das Laster ist. Allein das Unrecht, die Unbild, Verfolgung, welche ein Mensch von einem Mitmenschen duldet, ist unendlich klein, wenn man dieselben gegen dasjenige hält, was Je¬ sus der Sohn Gottes, der Abglanz des himmlischen Va¬ ters , der wahre König der Juden, der König aller Kö¬ nige von denselben erduldet hat. ii. Den Juden wurde gerade dasjenige an Jesu zum Anstoße und Anlasse ihres Hasses gegen ihn, was der größte Beweggrund ihrer Liebe, Dankbarkeit und Fol¬ geleistung hätte seyn sollen. Er lehrte sie das mosaische Gesetz und die Propheten recht zu verstehen und recht an¬ zuwenden. Er, die Weisheit des Vaters, die ewige Wahr¬ heit und wahrer Gesetzgeber, führte sie noch weiter in der Erkcnntniß Gottes und des göttlichen Willens, und wi¬ derlegte ihre vielen und groben Jrrthümer. Allein die Juden aus Hochmuth für ihr eigenes Wissen eingenom¬ men, verwarfen seine Lehre, und erdreisteten sich sogar, nach ihrer Meinung für ihn verfängliche Fragen an ihn zu stellen. Ihr vermeinter Scharfsinn wurde zwar jeder¬ zeit vereitelt, aber anstatt in sich zu gehen, und das Uebcr- gewicht des großen Meisters über sich zu erkennen, er¬ grimmten sie und sannen auf Rache. 52 Hk. Jesus die Heiligkeit selbst und der Ursprung aller Heiligkeit, der vom Himmel gekommen ist, die Men¬ schen zu heiligen, bestrafte die Laster, und verwies ins¬ besondere den Pharisäern, dieser angesehensten jüdischen Sekte, mit derben Worten ihre Heuchelei. Matth, xxlii. Er verglich sie mit weiß übertünchten Gräbern, die aber in¬ wendig voll todter Beine und des Unflathes sind. Allein die Pharisäer, welche von dem Volke als Gerechte, Voll¬ kommene und Heilige verehret seyn, sich aber keineswegs bessern wollten, wurden durch die Strafpredigt Jesu mit Erbitterung erfüllt; der bloße Gedanke an ihm empörte sie, und sie verschworen sich ihn aus den Augen vertilgen zu wollen. , iv. Jesu folgte überall hin eine große Menge Vol¬ kes nach, welches ihn für einen großen Propheten hielt, seine Lehre begierig anhörte, in seinen Nöthen bei ihm Hilfe suchte, und fand, und zuletzt ibn als den Sohn Da¬ vids für seinen König ausrufen wollte. Da regte sich ge¬ waltig der Neid, diese finstere mit dem ans dem Himmel verstossenen Luzifer übereinstimmende Gemüthsstimmung der Hohenpriester, Schriftgelchrten und Pharisäer. Als Jesus den schon seit vier Tagen im Grabe modernden Lazarus zum Leben auferweckt hatte, und wegen dieses das größte Erstaunen erregenden Wunders wieder mehre¬ re an Jcsnm glaubten, hielten seine Feinde Rath wider ihn, und sprachen: Was thun wir? denn dieser Mensch thut viele Zeichen. Lassen wir ihn also gehen, so werden sie an-ihm glauben. Joan. xi. v. 47. 48. Und als Jesus seinen feierlichen Einzug in die Stadt Jerusalem hielt, und das Volk ihm zurief: Hosanna dem Sohne Davids. Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn; da sprachen die Pharisäer untereinander: Ihr sehet wohl, daß wir nichts ausrichten? Sehet die ganze — 55 — Welt lauft ihm nach. Joan. xn. v. ig. Aber etliche Pha¬ risäer aus dem Volke sprachen zu ihm: Strafe deine Jün¬ ger (die so übertrieben dir schmeicheln). Und er sprach zu ihnen: Ich sage euch, wenn diese schweigen, so wer¬ den die Steine rufen. Luc. xrx. v. 3g. 40. Denn so war von Gott beschlossen, daß sein Gesalbter (Christus) heute verherrlichet und mit Jubel empfangen werden soll. Nur aus einem solchen Hasse und Neide sind die Wuth und Rache, mit welchen sie mit ihm verfuhren , als ihre Stun¬ de gekommen war, ihre bübischen Spöttereien und ihre Hohnsprache bei seinen bittersten Schmerzen selbst noch unter dem Kreuze erklärbar, wo doch selbst die leblose Natur ihr Entsetzen kund that, und seine heiligste Mutter und sein geliebter Jünger, nur durch die göttliche Kraft gestärkt, auf dem schauervollen Platze aushalten konnten. §. 22. Jesus wird gebunden, von dem jüdischen Ra¬ che zum römischen Landpfleger Pontius Pi¬ latus geführt. r. »Und ihre ganze Menge stand auf, führte ihn zum Pilatus.« Luc. xxm. v. 1. Matth, xxvn. v. 2. Mart. xv. v. 1. Es geschah, was Jesus selbst auf seiner letzten Reise nach Jerusalem seinen Jüngern voraus angekündigt hatte, nämlich, daß er dieses Mahl den Heiden wird überant¬ wortet werden. ir. Der jüdische Rath hatte zwar bereits über Je- sum, als einen Gotteslästerer, das Urtheil gesprochen, daß er des Todes schuldig sei; allein unter der Bothmä- ßigkeit der Römer durften sie Niemanden mit dem Tode bestrafen; dieses Recht stand nur dem römischen Laudpfle- 54 ger zu. Nur bei Vergehungen gegen die jüdische Religion war dem jüdischen Rathe erlaubt, geringere Strafen, z. B. die Geißelung, zu verhängen. ur. Aber gesetzt auch, der jüdische Rath hätte nach dem mosaischen Gesetze Jesum wegen der ihm aufgebür¬ deten Gotteslästerung steinigen lassen können, so schien doch diese Todesstrafe seinen Feinden viel zu gering, und ihre Rachsucht bei weitem nicht befriedigend, sie wollten Jesum am Kreuze hängen und sterben sehen. Dazu aber bedurften sie schlechterdings der Einwilligung des Land¬ pflegers. Und dieses ist die Ursache, warum sie Jesum zum Pilatus als seinem Richter führten. lV. Die Juden wendeten sich an den römischen Land- pflegcr, um ihren bösen wider Jesum gefaßten Entschluß auszuführcn. So bezeuget auch die Kirchcngeschichte, daß diejenigen, welche sich wider die Kirche offenbar oder in geheim aufgelehnt haben, oft die weltliche Macht für sich zu gewinnen wußten, um ihre, gegen die heilige Kirche gerichteten Anschläge durchzusetzcn. Die Arianer, welche im vierten Jahrhunderte die christliche Religion durch ihre Irrlehre gewaltig entstellten, haben im Jahre 356 zu Tyrus in Phönizien auf einem sogenannten Concilium den heiligen Athanasius , Bischof zu Alexandrien in Aegyp¬ ten abgcsetzt, weil er den mit dem Kirchcnbanne belegten Jrrlehrer Arius nicht in die Kirchengemeinschaft aufneh- mcn und zur Ausübung des priesterlichen Amtes nicht zu¬ lasten wollte, und weil er die arianische Irrlehre ebenso gründlich als eifrig und unerschrocken bekämpfte. Dann brachten sie bei dem Kaiser Constantin dem Großen durch ihre Verläumdungen dabin, daß er diesen großen Bischof und Kirchenvater als einen Empörer nach Trier in Gal¬ lien ins Elend verwies. Die Häupter der Arianer wa¬ ren, so lange zwar Constantin der Große lebte, nur gc- 55 Heime, aber desto gefährlichere Feinde der wahren Kirche nnd ihrer Vorsteher. Der Gefahr, in die arglistigen An¬ schläge der Feinde der Kirche und des Staates einzuwil¬ ligen und das Wohl beider zu gefährden, sind selbst die besten Regenten ausgesetzt. Daraus ergibt sich sür die Unterthanen die Pflicht Gott zu bitten, daß er die Her¬ zen der Regenten nach seinem Willen lenken, und densel¬ ben eben so gesinnte Gehilfen in der Tragung der Regen- tenbstrde verleihen wolle. Diese Bitte steht jener nicht nach, daß Gott von dem Staate Pest, Hunger und Krieg abwenden wolle. Daher kommt es auch, daß die heilige Kirche täglich in ihrem Gebete der Obrigsciten und Re¬ genten gedenket. §. 2Z. Reue des VerräLhers Judas Iscariot. »Da dieses Judas sah, der ihn verrathcn hatte, daß er zum Tode vernrtheilt wurde, reuete cs ihn, und er brachte die dreißig Silberlinge den Hohenpriestern und Aeltestcn wiederum.« Matth, xxvil. v. 3. i. Judas mußte wohl einsehen, daß die Hohen¬ priester und Acltcsten, die geschworensten Feinde Jesu, nicht mehr nachgeben werden, bis sie ihn werden vertilgt ha¬ ben. Auch konnte Judas nicht mehr erwarten, daß Je¬ sus ein Wunder wirken werde, um sich aus den Händen seiner Feinde zu befreien und ihre Anschläge zu vereiteln. n. Er sprach: »Ich habe gesiindiget, daß ich un¬ schuldiges Blut verrathen habe.« C'bend. v. Jeder Leidenschaft, sie heiße wie sie wolle, von wel¬ cher man sich beherrschen läßt, ist es eigen, daß sie den Verstand verdunkelt, verwirrt und die religiösen Gegen¬ vorstellungen ausschließt, so lange sie rege ist. Ist aber 56 die Leidenschaft einmahl befriediget, so pflegt ein unruhi¬ ges Gewissen darauf zu erfolgen. Der Sünder richtet sich selbst, und macht sich Vorwürfe. So erging es auch dem Judas. Er bezeugte sogar öffentlich seine Reue, indem er vor den Hohenpriestern und Aeltesten nicht nur sein Verbrechen bekannte, sondern auch die dreißig Sil¬ berlinge zurückbrachte. m. Sie aber sprachen: »Was geht uns das an? da sieh du zu.« Ebend. Mit andern Worten: Was du ge- than hast, das hast du, nicht wir zu verantworten, ra- the du dir selbst, wie du willst und kannst. Sie rede¬ ten ihm die Sünde nicht aus, als hätte er nicht ge- sündigct, vielmehr überließen sie ihn seiner Angst. Hier haben wir ein überaus warnendes Beispiel, daß man sich in keine Verbindung mit den Bösen einlassen solle; denn verbleibt man darin, so geht man mit denselben zu Grun¬ de; tritt man aber aus, was doch geschehen soll, so macht man sie sich zu Feinden, und dient ihnen zum Hohne und Gespötte. Gränzenlos aber war die Verblendung und Bosheit der Hohenpriester und Aeltesten, welche bei der Sünde des Judas ihre eigene nicht gewahr wurden; und sie waren in ihrer Bosheit schon so weit gekommen, daß sie Gott und ihr eigenes Heil ohne Scheu und Be¬ denken hintansetzten. §. 24. Verzweiflung des Judas. l. »Und er warf die Silberlinge in den Tempel, und machte sich davon, und ging hin, und erhängte sich mit einem Stricke.« Matth, xxvli. v. 5 . Und er ist mitten entzwei geborsten, und alles Eingeweide ist ausgeschüttet worden.« Apostelgeschichte i. v. ,8. 57 Judas, aus der Zahl der zwölf auserwähltcn Jünger Jesu ausgeschlossen, von allen Guten verabscheuet, von den Hohenpriestern und Aeltesten, denen er sich zngesellt hatte, für die ihnen geleisteten Dienste höhnisch behandelt, von dem bösen Gewissen gefoltert, hielt das Leben unter den ibn von sich ausstossenden Menschen für unerträglich, da doch die reumüthige Duldung dieses Elendes die geeig¬ neteste Bußübung gewesen wäre, um die Vergebung sei¬ ner übergroßen Sünde zu erlangen. Allein es klebte ihm noch eine Verblendung an, nämlich er bedachte nicht, daß auf ein unbußfertiges Leben eine qualvolle Ewigkeit fol¬ get. Er überläßt sich der äußersten Verzweiflung, ver¬ wünschet nun jene Silberlinge, nach denen er kurz vor¬ her so sehr gegeizt hatte: er wirft dieselben in den Tem¬ pel, gehet hin, und wird sein eigener Mörder, und die göttliche Gerechtigkeit wirkt an den erhängten Körper des Judas ein schauervolles Wunder. n. Judas war die erst verflossene Nacht noch der beherzte Anführer der Feinde Jesu, und dachte noch nicht an seinen Tod, und noch weniger daran, daß er sich selbst das Leben nehmen werde. Und doch beides erfolgte schon den folgenden Morgen. So lange er die Verrätherei im Schilde führte, war er so verblendet, daß er weder die vorgefaßte Unthat, noch die Folgen derselben überlegte. Als er aber sah, daß Jesus so schnell zum Tod.e verur- theilt wurde, erblickte er das Ungeheuer seiner Verräthe- rci in der wahren Gestalt. So verbirgt der Widersa¬ cher unseres Heiles, welcher wie ein brüllender Löwe he¬ rumgehet und suchet, wen er verschlinge, i. Petr. 5. v. 8; dem Sünder die Größe und Häßlichkeit der Sünde, so lange dieselbe verübt wird. Fängt aber der Sünder an, zur Besinnung zu kommen, so bemühet sich der Versucher bald ein vermeßentliches Vertrauen auf die göttliche Barm- 58 Herzigkeit dem Sünder beizubringen, damit er in seinem sündhaften Lebenswandel fortfahre, bald Mißtrauen und Verzweiflung an der Gnade und Barmherzigkeit Gottes bei ihm zu bewirken. Diese zwei Ertrcme, vermeffentli- ches Vertrauen und Verzweiflung auf die Barmherzigkeit Gottes, sind die letzten Versuche des bösen und lügenhaf¬ ten Geistes, um den Sünder unter seiner Bothmäßigkeit zu erhalten, damit derselbe mit ihm ewig unglücklich werde. Bedarf der Sünder wohl, um sich von den Fallstricken des bösen Geistes loszumachcn, etwas Mehreres, als daß er den heilsamen Gedanken in sich erwecke: die Anlockung zur Sünde und die Abhaltung von der Buße kommt nur von dem größten Widersacher meines Heiles her. ui. Aber die Hohenpriester nahmen die Silberlinge, und sprachen: Es geziemt sich nicht, daß man sie in den Gotteskastcn nehme, denn es ist Blutgeld. Matth, xxvii. v.6. O Blindheit! o Heuchelei! Hat sich aber wohl ge¬ ziemet, Geld aus dem Gotteskastcn zu nehmen, um un¬ schuldiges Blut zu erkaufen? Daher verwies Christus (Matth, xxiii.) den Schriftgelehrren und Pharisäern ihre Blindheit und Heuchelei mit den schärfesten Worten. Die Hohenpriester und Nettesten wurden zwar wegen ihrer Lasterhaftigkeit nicht so augenscheinlich, wie Judas schon hieuieden von Gott bestraft; allein Christus hat wieder- hohltermaßen das unausbleibliche Wehe über sie ausge¬ sprochen. iv. Sie ersannen aber einen Rath, und kauften da¬ rum eines Hafners Acker zum Begräbnisse der Fremden. Daher ist derselbe Acker genannt worden: Haceldama, das ist, der Blutacker. Da ist erfüllet worden, was durch den Propheten Jeremias gesagt ist, der spricht: Und sie haben dreißig Silberlinge genommen, den Werth dessen, der geschätzt war, den sie von Kindern Israels erkauft h- 0 r< s ( l i 1 l l 59 haben. Matth, xxvn. v. 7-9. Und dieser (Judas) zwar hat den Acker erworben vom dem Lohne der Unge¬ rechtigkeit. Apostelgesch. i. v. 18. §. SS. Einleitung in die folgenden Paragraphe. Von nun an entwickelt sich das Geheimniß der Men¬ schenerlösung durch den Sohn Gottes schnell nacheinander. Die Weissagungen von dem Leiden und Tode des von Gott verheißenen Messias gehen vollends in die Erfüllung, der göttliche Erlöser betritt den Schauplatz seines Leidens mit einer Geistesstimmung, welche wir Menschen mit un- scrm Verstände und Sinne nicht erfassen können. Seine Liebe und der Gehorsam gegen seinen himmlischen Vater, sein Durst nach unserm Heile, seine evangelischen Lehren thun sich in seinen Leiden und Tode überlaut kund. Die Wuth seiner Feinde wächst bis zu seinem Hinscbeiden am Kreuze, in dem Maße als sein Leiden gesteigert, seine Heiligkeit und seine Abkunft vom Himmel kündbarer wur¬ den. Das Erhabene und Göttliche der Leidensgeschichte unsers Erlösers muß den Leser mit einem heiligen Schauer erfüllen, gleich wie es die Evangelisten erfüllt hat, welche die Leidensgeschichte Jesu vor Wehmuth kurz abgebrochen und nur stückweise erzählt, aber in die wenigen Worte ei¬ ne große Bedeutung gelegt haben. §. 26. Erstes Verhör Jesu vor Pilatus. 1. Da führten sie Jesum vom Caiphas in das Richt- Haus. Es war aber Frühe und sie gingen nicht in das 60 Richthaus, damit sie nicht verunreiniget würden, sondern die österlichen Speisen essen möchten.« Joan, xvlir. v. 28. Das Osterlamm wurde zwar schon am vorigen Abende geschlachtet und gegessen, allein es gab noch andere öster¬ liche Speisen, wie die ungesäuerten Brode, und um auch diese zu essen, mußten sie rein seyn. Die Religion der Juden war heilig, weil sie einen göttlichen Ursprung hatte. Um dieselbe tief in die Herzen der Juden einzu¬ prägen, wurde sie fast mit allen Handlungen des gemei¬ nen Lebens verbunden. Gott schrieb durch Moses die Weise der geringsten Handlungen vor, damit sich die Ju¬ den immer an Gott, als den höchsten Herrn und Gesetz¬ geber, erinnerten. Gott forderte von ihnen die Reinig- keit des Herzens, einen heiligen Willen, als die Grund¬ lage der Religion; daher sollten sie bei dem Gebote der reinen, und bei dem Verbote der unreinen Speisen an jene innerliche Reinigkeit gedenken. Allein sie blieben bei den Buchstaben des Gesetzes, bei der äußerlichen Reinigkeit sichen, und dehnten dieselben noch weiter wider das Ge¬ setz aus, und beachteten den Geist des Gesetzes nicht. Sie hielten nicht nur die Heiden und Unbeschnittenen, sondern auch ihre Häuser für unrein; daher gingen sie nicht in das Richthaus eines heidnischen Richters, nm nicht ver¬ unreinigt zu werden. Welch' eine Scheinheiligkeit und Verkehrtheit der Religionsbegnffe! diese Heuchler scheuen sich ein heidnisches Richthaus zu betreten, sie scheuen sich aber nicht, die Hinrichtung Jesu von einem heidnischen Richter mit Ungestüm zu fordern. Möchte es doch nicht auch unter uns Christen welche geben, die sich für gerecht und mackellos hielten, wenn sie nur die äußerlichen Wer¬ ke der Religion thun, in ihrem Herzen aber Mißgunst, Haß, Feindschaft, und was immer für eine sündhafte Leidenschaft unterhalten. W V0' kei wc au tst wi bli oh sei N hi te 3° w P w st ei if ai bi n d r> p h ä t 61 n. Daher ging Pilatus zu ihnen hinaus, und sprach: Was für eine Klage bringet ihr wider diesen Menschen vor? Sie antworteten und spräche:; zu ihm: Wäre dieser kein Uebelthäter, so hätten wir ihn dir nicht überant¬ wortet. Joan, xvili. v. 29. 3o. Pilatus schickte sich in die Sitten der Juden, kam aus dem Richthause heraus zu ihnen, und stellte die na¬ türliche Frage an sie: Was für eine Klage bringet ihr wider diesen Menschen vor? Pilatus kannte den Augen¬ blick den Angeklagten seiner Person nach noch nicht; aber ohne Zweifel kannte er als Landpfleger und oberster Auf¬ seher über das jüdische Volk aus dem Rufe Jesum von Nazareth, welchen das Volk für einen großen Propheten hielt, und den es kurz vorher zum Könige ausrufen woll¬ te. Die Ankläger Jesu aber gaben dem Pilatus die obi¬ ge Antwort: Wäre dieser kein Uebelthäter, so hätten wir ihn dir nicht überantwortet. Sie wollen nämlich, Pilatus soll auf ihr bloßes Wort ihres großen Ansehens wegen, ohne weitere Untersucbung, welche sie mit Grunde scheueten, ihnen Glauben beimessen, daß dieser Mensch ein Uebelthäter und des Todes schuldig sei. Pilatus soll ihnen glauben, daß sie diesen Menschen sehr fleißig beob¬ achtet, seinen Wandel genau erforscht und an ihm Ver¬ brechen entdeckt hätten, welche mit dem Tode bestraft zu werden verdienten. Pilatus hätte also weiter nichts an¬ deres zu thun, als das verlangte Urtheil über denselben zu fällen. Allein Pilatus verstand doch diese neue Ge¬ richtsordnung nicht. in. »Da sprach Pilatus zu ihnen: So nehmet ibn bin, und richtet ihn nach eueren Gesetzen; die Juden spra¬ ch«! zu ihm: Es ist uus nicht erlaubt, jemanden zu tob¬ ten.« Ebend. v. 3i. Pilatus, welcher die ruhige Fassung Jesu, sein die 62 Ehrfurcht abnöthigendes Antlitz, und dabei seine größte Demuth sah, mußte schließen, daß der Angeklagte kein Verbrecher sei, und glaubte, daß es sich zwischen ihm und seinen Anklägern nur um eine die jüdische Religion betref¬ fende Sache handle, und weil die Juden selbst keine son- derheitliche und bestimmte Ursache ihrer Klage wider Je- sum anfiihrten, weßwegen er ihn nach den römischen Ge¬ setzen hätte bestrafen können, so sprach er zu ihnen: Wenn sich dieser Mensch wider eure Gesetze vergangen hat, so nehmet ihn und richtet ihn nach euren Gesetzen. Allein sie antworteten ihm: Uns ist es nicht zugelassen, Jeman¬ den zu tödtcn. O schamlose Mörder ! euch ist nicht darum zu thun, einen Schuldigen zu bestrafen, sondern einen Unschuldigen und Heiligen, welcher euren bösen Werken entgegen steht, aus dem Wege zu räumen, ihn auf die grausamste Weise, welche nach dem jüdischen Gesetze nicht Statt hatte, zu tödten und eurer Rachsucht zu opfern. Und dazu soll euch Pilatus, ein Heide, den ihr übrigens ver¬ wünschet, dessen Haus zu betreten ihr euch scheuet, die Hände biethen? iv. »Allein Pilatus sprach zu den Hohenpriestern und Nettesten: Ich finde an diesem Menschen keine Schuld.« Luc. xxiil. v. 4. Erstes richterliche Erkenntuiß von der Unschuld Jes». Nun mußten sie sich um ein Staatsverbrechen Umsehen, um dasselbe Jesu aufzubürdcn, und den Pilatus dahin z« vermögen, daß er Jesum richte und zum Tode verurtheile. Bei der gänzlichen Ermangelung einer rechtsgiltigen Kla- gcursache mußte die Wahrheit verdrehet, und das Ver¬ dienst zum Verbrechen gemodelt werden. Um den rechtli¬ chen Sinn des Pilatus zu erschüttern, hielten die Hohen¬ priester und Nettesten stärker an, und sprachen: »Er wie¬ gelt das Volk auf, indem er durch das ganze jüdische Land 65 gclchret hat, von Galiläa angefangen, bis hichcr.« Luc. xxiit. v. 5. — »Er wiegelt das Volk ans.« Diese Worte haben im Munde der Ankläger Jesu folgenden Sinn: Er bringt durch seine Lehre, Wohlthaten und Wunder das Volk auf seine Seite, er verwirft unsere Lehre und radelt ohne Scheu unser Betragen; wir können ihn nicht mehr lebendig scheu, es koste was es wolle, er muß aus der Zahl der Lebendigen vertilgt werden. Er wiegelt das Volk auf. Diese Aussage war eine handgreifliche Lüge. Lasset uns bei dem Benehmen der Feinde Jesu die Klugheit lernen, denjenigen keinen Glauben beizumessen, welche geschäftig sind, ihren Nächsten zu lästern. Es ist keine Wahrheit in ihrem Munde; ein böser Wille ist der Grund ihrer Lästerungen; es mißfällt ihnen entweder die Tugend an ihren Nächsten, oder sie vergrößern die kleinen Fehler, welche sie an den Nächsten aufspüren, der ihnen verhaßt ist. § 2^. Jesus wird vom Pilatus zum Herodes geführt. i. »Als aber Pilatus Galiläa nennen hörte, fragte er, ob der Mensch ein Galiläer wäre.« Luc. xxin. v 5. Dem Pilatus, welcher die Unredlichkeit der Ankläger Jesu wohl einsah, ohne jedoch den Muth zu haben, die falsche Anklage der Angesehensten der jüdischen Nation geradezu abzuweisen, war ein jeder Umstand schon will¬ kommen, welchen er benützen konnte, um sich aus der Verlegenheit heraus zu helfen, um weder die Unschuld selbst zu vcrurtheilen, noch die Hohenpriester und Aeltc- stcn wider sich anfzubringen. Ein solcher günstiger Um¬ stand schien dem Pilatus dieser zu sepn, daß der Ange¬ klagte aus Galiläa dem Gcbiethc des Königs Herodes 64 war. Pilatus dachte, nun kann ich die Verlegenheit von mir hinwcgschieben, wenn ich die ganze Klage von mir ablehue, und den Angeklagten zu Herodes, als seinem eigentlichen Richter hinschicke. Allein Pilatus, als ein gerechter Richter hätte alle politischen Nebenabsichten be¬ seitigen, und die anerkannte Unschuld um so mehr wider die so mächtigen Feinde derselben in seinen Schutz nehmen müssen. Aber eben diese Schwäche des Pilatus, daß er sich nicht gleich anfangs entschlossen um die Unschuld an¬ nahm und die falschen Ankläger nicht förmlich abwies, war die Ursache, daß er hernach dem Ungestüme der Feinde Jesu unterlag, und endlich gegen sein eigenes Ge¬ wissen das allerungercchteste Urtheil fällte, als es je ge¬ fällt wurde. ii. »Nachdem Pilatus erfahren hat, daß Jesus aus dem Gebiethe Herodis war, schickte er ihn zu Herodes, der auch selbst in jenen Tagen bei dem Osterfeste zu Je¬ rusalem war.« Luc. xxm. v. 7. Die Juden wurden von Cyrus, diesem großen Könige der Perser, Jerem. xxv. v. 12 im Jahre 524 vor Christi- Gcburt aus der babylonischen Gefangenschaft entlassen, und in ihr Vaterland zurückgeschickt, wo sie nun unter dem Schutze der Könige von Persien einen Freistaat bildeten, und von dem obersten Priester und dem Rathe der 72 re¬ giert wurden. Nach dem Tode des macedonischen Königs und Eroberers der persischen Monarchie, Alexanders des Großen, geriethen die Juden unter die Bothmäßigkeit der Könige von Syrien, von denen sie hart gedrückt wurden, besonders von Antiochus Epiphancs, welcher durch Gewalt und Grausamkeit die jüdische Religion und Gebräuche ver¬ tilgen, und die Juden zum Götzendienste zwingen wollte. 1. Buch Machab. Cap. i-vn. Allein unter der Anführung des tapfern Judas Machabäus und von dem göttlichen 65 Beistände unterstützt erfochten die Inden die Freiheit und Unabhängigkeit von den Königen Syriens, und der oberste Priester legte sich sogar den königlichen Titel und könig¬ liche Ehrenzeichen bei. Um ihre Freiheit und Unabhän¬ gigkeit sich zu versichern und den neuen Glanz zu behaup¬ ten, schlossen sie ein Bündniß mit den übermächtigen Rö¬ mern i. Machab. Cap. viil. v. 12. Allein dafür wurden sie von den Römern abhängig, welche sich nun in die Angelegenheiten der Juden mengten, die oberste Gewalt über sie ausübten, und über alles nach ihrem Willen ver¬ fügten. So wurde Archelaus, der älteste Sohn des jüdi¬ schen Königs Herodis des Großen, welcher wegen seiner Grausamkeit von den. Juden bei dem römischen Senate verklagt wurde, vom Kaiser Augustus der Regierung ent¬ setzt, und nach Gallien ins Elend verbannt. Nach seiner Verbannung wurden Judäa und Samaria, welche er als Landesfürst regierte, unmittelbar römische Provinzen, wel¬ che von römischen Landpflegern verwaltet wurden. Ein solcher Landpfleger war Pilatus. Eben so abhängig von den Römern regierte Herodcs Antipas, ebenfalls ein Sohn Herodis des Großen, als Vierfürst und König von Ga¬ liläa das Land. m. »Herodcs aber war sehr erfreut, daß er Jefnm sah, denn er hätte ihn von langer Zeit her gern gesehen, weil er viel von ihm gehört hat, und er hoffte ein Zei¬ chen von ihm zu sehen.« Luc. xxm. v. 8. Jesus, der sich gleich bei seiner Geburt mir den dc- mütbigen Hirten, den Weisen im Morgenlande, dem got¬ tesfürchtigen Simeon, und der heiligen Witwe Anna of¬ fenbarte, der selbst den niedrigsten Stand und die Ar- wuth hienieden auf Erden erwählt, und gewöhnlich dem Volke das Evangelium verkündet hatte, kam nicmahls an den Hof des Königs Herodcs. Dieser bekannte sich zur — <>6 — Sekte der Saduzäer, welche unter andern gröbsten Irr- thüinern das Daseyn aller geistigen Wesen, die Unsterb¬ lichkeit der Seele, und alle Belohnung und Bestrafung nach dem Tode läugnetcn, und gänzlich in die Sinnlich¬ keit versunken waren. Diese jüdische Sekte war zwar klein, aber derselben gehörten gewöhnlich nur Reiche und Vornehme an. Eben dieser Herodes war auch, der Jo¬ hann den Täufer enthaupten ließ. Obschon aber Jesus an den Hof des Königs Herodes niemahls kam, so wur¬ den doch auch hier, als im Mittelpunkte Galiläens, die Lehre und Wundcrthaten Jesu besprochen, indem aus Ga¬ liläa das Evangelium ausging, wovon sich der Ruf selbst zu den Heiden bis nach Sidon und Tyrus verbreitete. iv. Herodes war sehr erfreut, als er den ihm vor¬ geführten JesuS erblickte, erstens darum, weil er ihn von seiner Person aus kennen zu lernen schon seit langer Zeit her gewünscht hatte. Allein gegen die Lehre Jesu war er gleichgültig, und ein Verweis Jesu wegen Herodias hätte ihn eben so aufgebracht, wie ihn der Verweis Johannis des Täufers aufgebracht hatte. Zweitens war er froh, Jesum zu sehen, weil er hoffte, Jesus werde zur Be¬ friedigung seiner Neugierde und zu seiner Vergnügung ein Zeichen thun, ein Wunder wirken. Allein Jesus wirkte nur zur Ehre Gottes und zur Begründung seiner Lehre Wunder. §. 28. Jesus wird von Herodes verhört, und zu Pi¬ latus zurückgeschickt. l. »Herodes fragte Jesum mit vielen Worten, aber er antwortete ihm gar nickts.-- Luc. xxin. v. Herodes wollte von Jesus ein außerordentliches Zei- 67 chen, ein Wunder sehen. Es geschah, aber er erkannte eö nicht. Dieses außerordentliche Zeichen war eben das gänzliche Stillschweigen Jesu, welches der! Herodcs auf den Gedanken hätte bringen sollen, daß der, schon aus den Wunderthaten bekannte, aber nun gänzlich stillschwei¬ gende Jesus kein gewöhnlicher Mensch sei, und daß die Ursache dieses Stillschweigens in ihm selbst (Herodes) liege. Denn Jesus schwieg still, weil Herodcs bei seiner so verkehrten Denk- und Lebensart für seine Lehre nicht empfänglich war. Jesus wirkte kein Wunder, um sich zu retten, weil er aus Gehorsam gegen seinen himmlischen Vater und aus Liebe für das Heil der Menschen nur zu leiden und zu sterben verlangte. Lasset auch uns das Stillschweigen Jesu nachahmen, so oft unsere Worte und Reden der Ehre Gottes, dem Heile unsers Nächsten und der Pflicht unserer Selbstverläugnung entgegen seyn wür¬ den. Die unbewahrte Zunge pflegt große Ucbel zu stiften, die bezähmte Zunge aber großen Uebeln zuvor zu kommen. Zu reden, wenn es Zeit ist zu reden, und stillschweigen, wenn es Zeit ist zu schweigen, lehret uns nur die christ¬ liche Weisheit. ii. ->Die Hohenpriester aber sammt den Schriftge¬ lehrten standen da, und klagten ihn heftig an. Luc.« xxm. V. 10. Sie benützten das Stillschweigen Jesu für sich. Allein hundert falsche Ankläger beweisen nicht mehr, als ein ein¬ ziger, dem jene nachschreien. Hingegen ist das Still¬ schweigen der Unschuld die kürzeste und kräftigste Wider¬ legung der Verläumdungen. m. »Herodes aber mit seinen Kriegsleuten verachtete und verspottete ihn, und legte ihm ein weißes Kleid an, und schickte ihn wieder zu Pilatus zurück.« Luc. xxm. v- ii. 5 * 68 Selbst Herodes fand ungeachtet der schweren Ankla¬ gen der Hohenpriester und Schriftgelehrten, welche aus der Sekte de? Pharisäer waren, keine Ursache Jesum zu verurtheilen, und bezeugte hiemit öffentlich seine Unschuld. Aber über das Stillschweigen Jesu, der auf eine Menge vorwitziger und eitler Fragen nichts antwortete, erzürnte sich Herodes, und mißbrauchte auch seine Kriegsleute, um Jesum zu verspotten, um ihn dem öffentlichen Ge¬ lächter auszusetzen, und als einen Menschen darzustellen, der nicht bei gesunden Sinnen ist, ließ er ihn ein weißes ungewöhnliches Kleid anlegen. So wurde die ewige Weis¬ heit als Aberwitz und Albernheit verlacht. tv. »An demselben Tage wurden Herodes und Pila¬ tus Freunde mit einander, denn vorher war einer dem andern Feind.« Ebend. v. 12. Pilatus schickte Jesum, als einen Galiläer, zu Hcro- des, dem Könige von Galiläa, obschon er auch die Un- terthanen des Herodes, wenn sie in seinem Gebiete ein Verbrechen begingen, zu untersuchen und zu bestrafen be¬ fugt war. Diese politische Gefälligkeit des Pilatus ge¬ fiel doch dem Herodes, weil er Jesum zu sehen bekam. Und weil ihm zu Jerusalem, im Gebiethe des Pilatus, keine Gerichtsbarkeit über Jesum zustand, so schickte er ihn zurück zu Pilatus. Durch diese gegenseitige Gefällig¬ keit und Anerkennung der beiderseitigen Gerichtsbarkeit wurden sie Freunde mit einander, gleich wie sie vorher wegen der Störung der Gerichtsbarkeit einander Feind waren. Also durch die Dazwischenkunft Jesu, des Fürsten des Friedens, wurde zwischen Herodes und Pilatus die Freundschaft gestiftet. — 69 — K. TS. Neues Verhör mit Jesus vor Pilatus. i. »Jesus aber stand vor dem Landpflegcr, und der Landpfleger fragte ihn und sprach: Bist du der König der Juden? Jesus sprach zu ihm: Du sagst es.« Matth. XXVIl. v. II. Das Staatsverbrechen, welches die Juden Jesu anf- bürdeten, um den Landpflegcr dahin zu vermögen, daß er ihn zum Tode, zum gräulichsten Tode vcrurtheilen würde, war, daß er sich zum Könige der Juden aufwcr- fe, folglich daß er sich wider den römischen Kaiser Ti¬ berius, unter dessen Bothmäßigkcit damahls Judäa stand, anflchne. Darum fragte Pilatus Jesnm: Bist du der König der Juden? Und Jesus antworete: Du sagst cs, das heißt: ich bin es. л. »Und als er von den Hohenpriestern und Nette¬ sten gefragt wurde, antwortete er nichts.« Math, xxvii. V. 12. Warum aber antwortete Jesus den Hohenpriestern und Nettesten nichts? Erstens darum, weil er bei den Ju¬ den mit seiner Antwort nichts ausgerichtet hätte; zwei¬ tens darum, weil seine Antwort unnöthig war, indem er öffentlich gelehret hat, daß man dem Kaiser geben soll, was des Kaisers ist, und weil er davon geflohen ist und sich verborgen hat, als ihn das Volk zum Könige aus- rufcn wollte. м. »Da sprach Pilatus zu ihm: Hörst du nicht, wie große Zeugnisse sie wider dich anführen?« Ebend. v. iä. Sie wiederhohlcn nämlich mit größerer Heftigkeit die erste Klage, daß er das Volk aufwiegle, und durch das ganze jüdische Land lehre. Luc. xxm. v. Z. 70 iv. »Und er antwortete ihm nicht auf ein einziges Wort, so daß der Landpfleger sich sehr verwunderte.« Matth, xxvn. v. -4, Daß der Landpflcger über das gänzliche Stillschwei¬ gen Jesu sich sehr verwunderte, war die llrsache, weil es sich um sein Leben handelte, und weil Pilatus wohl einsah, wie leicht es Jesu gewesen wäre, auf die falschen Anklagen zu antworten und sich zu rechtfertigen. Und doch antwortete Jesus aus den oben zwei angeführten, und den in seiner Sendung liegenden Gründen nichts. §. 3«. Pilatus verhört Iesum im Richthause abgeson¬ dert von seinen Anklägern. i. »Da ging Pilatus abermahls in das Richthaus und rief Iesum, und sprach zu ihm: Bist du der König der Juden?« Ioan, xvili. v. 33. Pilatus konnte das anspruchslose Benehmen Jesu mit seinem Geständnisse, daß er der König der Juden sei, nicht zusammen räumen, daher sonderte er ihn von seinen Klägern ab, um mit ihm allein im Richthause abzuhan¬ deln, und fragte ihn abermahls im ernsthaften Tone: Bist du der König der Juden? ii. »Jesus antwortete: Sagest du dieses von dir selbst, oder haben es dir andere von mir gesagt? Pila¬ tus antwortete: Bin ich denn ein Jude? Dein Volk und die Hohenpriester haben dich mir überantwortet. Was hast du gethan?« Ebend. v. 3§. 35. Jesus verhielt sich, als ob er nicht wüßte, daß die Hohenpriester dem Pilatus bcigebracht haben, er habe ge¬ sagt, daß er Christus, König der Juden sei, und fragte daher den Pilatus, ob er es aus seinem eigenen Wissen 71 sage, oder ob er mir von andern gehört habe, daß er der König der Juden sei. Pilatus antwortete: Wie kann ich dieses von mir selbst wissen, indem ich kein Jude bin, und weder , eure Propheten, noch die Eigenschaften des Königs kenne, welchen die Juden erwarten. Dein Volk und die Hohenpriester haben mir gesagt, daß du dich für den König der Juden ausgibst, und haben dcßwegen dich mir überantwortet. in. »Jesus antwortete: Mein Reich ist nicht von die¬ ser Welt, denn wäre mein Reich von dieser Welt, so würden meine Diener freilich für mich streiten, daß ich den Juden nicht überliefert würde, nun aber ist mein Reich nicht von hienieden. Pilatus sprach daher zu ihm: Du bist also ein König? Jesus antwortete ihm: Du sa¬ gest es, denn ich bin ein König. Ich bin dazu geboren, und bin dazu in die Welt gekommen, daß ich der Wahr¬ heit Zeugniß gebe. Wer aus der Wahrheit ist, der hört meine Stimme.« Ebend. v. 36. 37. Das heißt, weil ich dazu in die Welt gekommen bin, um die Wahrheit zu bezeugen, und weil ich wahrhaft ein König bin, so bezeuge ich es auch, und wer gleichfalls die Wahrheit liebt, der wird meine Stimme hören und mir glauben, daß ich ein König und Christus bin, von welchem die Propheten weissagten. iv. »Pilatus sprach zu ihm: Was ist die Wahrheit? Und als er dieses gesagt hatte, ging er abermahls hin¬ aus zu den Juden, und sprach zu ihnen: Ich finde keine Schuld an ihm.« Ebend. v. 38. Pilatus erkannte wohl, daß das Reich, von welchem Jesus sprach, kein irdisches Reich sei, aber als ein Heide bekümmerte er sich um kein höheres übersinnliches Reich, und konnte sich auch ein solches nicht denken, und bewies den Worten Jesu wenig Aufmerksamkeit. Als Jesus sagte: 72 Er sei in die Welt gekommen, mn der Wahrheit Zcug- niß zu geben, fiel er Jesu obenhin ins Wort, und frag¬ te ihn sprechend: Was ist die Wahrheit? denn er wähnte, daß Jesus nach der Art der Philosophen von der Wahr¬ heit und dem Reiche rede, und glaubte, es sei eines Staatsmannes unwürdig auf derlei Streitfragen zu ach¬ ten, und wartete auf seine an sich höchst wichtige Frage: Was ist die Wahrheit? die Antwort Jesu nicht ab. Wäre Pilatus begierig gewesen, die Wahrheit zu erkennen und Jesu darüber anzuhörm, so würde er aus seinem Mun¬ de erfahren haben, daß Jesus selbst die Wahrheit, der Weg und das Leben ist. §. LL. Jesus König der Juden. Gott hat in dem mit Abraham geschlossenen Bunde, ihn und seine zahlreiche Nachkommenschaft erwählt, um bei der allenthalben überhand nehmenden Abgötterei und Lasterhaftigkeit bei diesem auserwählten Volke die wahre Religion, die Erkenntniß und Anbetung des einzigen wahren Gottes zu erhalten. Gott gab auch durch seinen Diener Moses diesem Volke ein geschriebenes Gesetz; er selbst war der König dieses Volkes. Die Richter und die nachherigen Könige regierten dasselbe nur in seinem Namen nach dem mosaischen Ge- ' setze, diesem Grundgesetze des jüdischen Staates. Gott schickte den Juden auch Propheten, welche das mosaische Gesetz lehrten und auslegten, das jüdische Volk zur Buße ermahnten und bestraften, und die Ankunft des schon im Paradiese den Stammältern des menschlichen Geschlechtes von Gott verheißenen Messias von Zeit zu Zeit bestimm¬ ter ankündigtcn, welcher nach dem Fleische von dem 73 Könige David abstammen wurde. Endlich, als die Fülle der Zeit gekommen ist, sendete Gott seinen Sohn, Gallat. iv. v. 4. welcher Jesus Christus ist, geboren zu Bctle- chem, in der Stadt Davids seines Ahnherrn nach dem Fleische. Er brachte den Zweck des von Gott mit Abra- Ham geschlossenen Bundes, die Erkenntniß und Anbetung Gottes, und die damit verbundene Heiligung der Men¬ schen, durch seine evangelische Lehre und seinen Tod am Kreuze zur Vollendung, und erwarb den höchst unglücklich gewordenen Adamskindern durch sein für sie vergossenes Blut für wahr einen großen Preis, den Anspruch auf das ewige Leben. Der himmlische Vater übergab ihm alles Gericht, über die Lebendigen und die Todten. Jesus Christus also als der eingeborne Sohn Gottes, als ein Abkömmling des Königs David nach seiner menschlichen Natur, und als der höchste Begründer der Erkenntniß und Anbetung Gottes, des Hauptzweckes des jüdischen Staates und dessen Grundgesetzes, war in der That Kö¬ nig der Juden. Als König der Juden ist er kurz vor seinem Leiden und Tode in Jerusalem, die Hauptstadt von Judäa cingezogen: Sieh, Tochter Sion! dein König kommt sanftmüthig zu dir und sitzt auf einer Eselinn. Zach, ix, v. 9. Matth, xxi. v. 4. 5. ZT. Das Reich Jesu. Jesus bekräftigte zwar vor dem Pilatus, daß er ein König sei, und ein Reich besitze, aber er zeigte zugleich, daß sein Reich nicht von der Beschaffenheit der Reiche die¬ ser Welt sei. Denn, sprach er, wäre mein Reich von die¬ ser Welt, so würden meine Diener und Anhänger für mich streiten, und ich würde nicht in die Hände der Fein- 74 de gekommen seyn. Allein das Reich Jesu ist ein geistli- C ches Reich, welches in diesem Leben beginnt rind sich in d das künftige Leben ausdehnt und ewig fortwährt, dessen - Glieder im gegenwärtigen Leben nach seiner Anleitung o Gott erkennen, anbeten, und ihr ewiges Heil wirken. t Er herrscht mit seiner Lehre und seinen Verheißungen t über die Seelen, aber nicht über die Leiber der Menschen. ' Er ist in die Welt gekommen, um der Wahrheit, welche Gott selbst ist, Zeugniß zu geben. Wer aus der Wahr¬ heit, aus Gott ist, den Gott erwählt hat, der hört seine Stimme, der glaubt ihm. Sein Reich kann und soll in und mit den Reichen dieser Welt bestehen, ohne dieselben im Mindesten zu gefährden. Jesus vereiniget seine Gläubi¬ gen in der ganzen Welt zu einer Kirche. Diese ist sein Reich hieniedcn, und regiert die Gedanken, Worte und Werke derselben auf eine unendlich wirsamere Weise, als es die weltlichen Mächte durch ihre Gesetze zu thun ver¬ mögen. §. Z3. Pilatus erklärt vor den Oberhäuptern der Ju¬ den und dem Volke Iesum für unschuldig. i. »Pilatus aber berief die Hohenpriester und Ober¬ sten sammt dem Volke zusammen, und sprach zu ihnen: Ihr habet diesen Menschen zu mir gebracht als einen, der das Volk aufwieglc, und sehet, ich habe ihn vor euch befragt, und habe keines der Dinge an diesem Menschen gefunden, deren ihr ihn anklaget. So hat auch Hcrodes nichts gesunden, denn ich habe euch und ihn zu ihm ge¬ sendet, und sehet, es ist nichts an ihn vorgekommen, was den Tod vcrdieuete.« Luc. xxiit. v. iZ- r5. u. Feierlicher hätte Pilatus nicht Jesunt von aller 75 i- n n g I. N k. e e l r r > Schuld frei sprechen können, als er es hier gcthan hat; denn da er den Haß der Hohenpriester und der übrigen Obrigkeiten der Juden wider Jesum kannte, so berief er auch das Volk zur Kundmachung des freisprccheuden Ur- theilcs, damit jene von dem Volke überstimmt würden; denn er setzte voraus, daß das Volk Jesu ergeben sei, indem die Hohenpriester selbst wider Jesum die Beschwerde führten, daß ihm das Volk allenthalben nachgehc. §. 34. Zweiseitigkeit des Pilatus. l. Pilatus war während der ganzen gerichtlichen Verhandlung, und selbst noch zuletzt, da er Jesum den Juden zur Kreuzigung übergab, auf Seite Jesu, denn er hat ihn vor den Hohenpriestern und dein Volke für un¬ schuldig erklärt. Pilatus wußte auch wohl, .daß die Ju¬ den Jesum nur aus Neid ihm überliefert haben. Mare, xv. v. io. Matth, xxvn. v. 18. Inder Uebcrzeugung, daß Jesus unschuldig sei, wur¬ de Pilatus noch mehr bestärkt, äk^ ihm, da er eben zu Gerichte saß, seine Gemahlin» (ohne Zweifel eine nachhe¬ rige eifrige Christian) sagen ließ: Habe nichts zu schaffen mit diesem Gerechten; denn ich habe Nachts viel seinet¬ wegen im Traume gelitten.-- Matth, xxvn. v. 9. n. Pilatus, als ein gerechter Richter, hätte nur die erkannte Unschuld Jesu vor Augen haben, die erkann¬ ten falschen Ankläger abweisen, und das fernere gericht¬ liche Verfahren sogleich einstellcn sollen. Allein aus eit¬ ler Furcht vor den Juden, und aus Furcht, die Gunst des Kaisers zu verlieren, wenn er Jesum frei ließe, ließ er sich mit den Feinden Jesu, welche im großen Ansehen wa- rcn, in Unterhandlungen ein, und wollte dem Volke Ge¬ nüge leisten. Marc. xv. v. i5. Pilatus wurde immer schwächer, den Forderungen der Ankläger Jesu zu widerstehen, und zuletzt so ohnmächtig, daß er Jesmn bei dem vollen Bewußtsein dessen Unschuld zur Kreuzigung übergab. in. Wie bei dem zweiseitigen Pilatus zuletzt die bö¬ se Seite die Oberhand gewonnen hat, eben so kann es auch bei einem zweiseitigen Christen geschehen, welcher zwar die Glaubens- und Sittenlehre Jesu im Herzen be¬ kennt, und auch darnach handelt, so lange er nichts da¬ für zu leiden hat, welcher aber seinen religiösen Charac- ter verbirgt und verläugnet, so bald er in den Fall kommt, wo er sich dem Gcspötte der anders Denkenden und anders Handelnden aussetzen, oder die Gunst eines Mächtigen verlieren würde, wenn er sich nicht den Schein gäbe, daß er eben so denke und handle, wie diese. Diese Zweiseitigkeit ist vor den Augen Gottes ein Gräuel. Der Geist Gottes, welcher allein unser Herz besitzen, und dessen Besitz mit keinem Geschöpfe theilen will, weichet aus einem zweiseitigen Herzen hinweg, und dann ist kein Verbrechen mehr so groß, daß es nicht begangen werden könnte. §. SS. Pilatus trägt bei den Juden auf die Loslas- sung Jesu an. i. Die Juden pflegten zum dankbaren Andenken ihrer Befreiung aus der ägyptischen Dienstbarkeit zum Osterfeste einen Gefangenen loszulassen. Obschon aber das Recht einen Verbrecher zu begnadigen, nur der höch¬ sten bürgerlichen Macht zustand, so ließen doch die römi- 77 scheu Kaiser, als damahlige Beherrscher der Juden, ihnen diesen Brauch, und der römische Landpsleger war verbun¬ den, zu Ostern einen Gefangenen, welchen immer die Ju¬ den verlangten, ihnen loszulaffen. Matth, xxvil. v. ,5. Marc. xv. v. 6. Luc. xxm. v. 17. Joan. xvm. v. 39. n. Es war aber damahls ein berüchtigter Verbre¬ cher, Barabbas genannt, welcher wegen eines in der Stadt erregten Aufruhres und eines im Aufruhre begangenen Todschlages mit den Aufrührern ergriffen gefangen saß. Marc. xv. v. 7. Luc. xxm. v. 18. 19. M. Jenen Brauch der Juden und das eben einzu¬ tretende Osterfest wollte Pilatus benützen, um Jesum los¬ zulaffen. Er berief daher das Volk zusammen, damit es nach hergebrachter Gewohnheit um die Loslassung eines Gefangenen bitten würde. Da sprach Pilatus zu ihnen: Ihr habet eine Gewohnheit, daß ich euch zu Ostern einen Gefangenen loslasse. Welchen wollet ihr, daß ich euch einen von den zweien (Jesum oder den Barabbas) loslas¬ sen würde? Wollet ihr nun, daß ich euch den König der Juden entlasse? Marc. xv. v. 9. Joan. xvin. v. 39. iv. Hier sehen wir den Pilatus mit sich selbst im unverzeihlichen Widerspruche. Er als Richter soll Recht sprechen, und doch fragt er die Ankläger Jesu, ob sie wollen, daß er ihn loslasse. Pilatus kannte den unver¬ söhnlichsten Haß der Feinde Jesu, und doch erwartete er von denselben, daß sie eher in die Loslassung Jesu als in die Loslassung eines berüchtigten Aufrührers und Mörders einwilligcn werden. Pilatus hat Jesum feierlich für unschuldig erklärt, der also keiner Begnadigung be¬ durfte. Und jetzt hat es das Ansehen, als ob Jesus und Barabbas zwei Verbrecher wären, jedoch Jesus der Be¬ gnadigung würdiger als Barabbas. — 78 — §. LG. Die Juden dringen mit Ungestümrn auf die Loslasiung des Barabbas, und auf die Kreuzigung Jesu. I. »Allein die Hohenpriester und Nettesten überrede» ten das Volk, daß sie (durch ihre Zudringlichkeit beim Pilatus) den Barabbas loslassen und Jesum tödten sollen. Da sie Pilatus nun fragte: -Welchen wollet ihr, daß ei¬ ner von den zweien (Jesus oder Barabbas) euch losgegeben werde? sagten sie: Barabbas. Pilatus sprach zu ihnen: Was aber soll ich mit Jesu thun, welcher Christus ge¬ nannt wird? Und alle insgesammt antworteten: Er soll gekreuziget werden. Der Landpfleger spricht das dritte Mahl zu ihnen: Was hat er denn Uebles gcthan? Allein sie schrien noch stärker (ohne dem Landpfleger auf seine Frage eine Antwort zu geben) kreuzige ihn, kreuzige ihn.« Matth, xxvii. v. 20-23. Marc. xv. v. 21-23. Luc. xxm. V. 20. 21. 22. I1. Das Volk hing bisher Jesu an, und mußte erst wider ihn gestimmt werden. Dieses geschah von den Ho¬ henpriestern und Aeltesten; denn sie hielten cs für staats¬ klug , auch das gemeine Volk durch falsche Vorspieglungen auf ihre Seite zu bringen, um den Pilatus , welcher be¬ reits in der Behandlung der Rechtssache Jesu seine schwa¬ che Seite bloß gegeben hat, vollends einznschüchtcrn. Und um das Volk von Jesu abwendig zu machen, benützten sie folgende Umstände. Jesus hat sich vor dem Volke zum Könige nicht ausrufcn lassen, auf dem Oehlberge wider¬ setzte er sich nicht seiner Gefangennehmung ; im Hause des Anas und Caiphas duldete er die größten Mißhandlun¬ gen; vor dem Könige Herodes wurde er verspottet, und 79 ie ie e, m i. n- !N i: e< ll te n u « i. st >r - ) i i er selbst schwieg still ; dem Landpfleger Pilatns unterwarf er sich als seinem Richter. Jesus schien dem Volke nicht mehr derjenige zu seyn, als den er sich vorhin gezeigt hatte, nicht mehr der Wunderthäter und Mächtige in Worten und Thaten. Wie sich aber die äußern Umstände eines Großen ändern, so pflegen sich auch die Menschen gegen ihn zu ändern. Es war also den Hohenpriestern und Aeltesten, welche nun alle Gewalt über Jesum, als einen Ohnmächtigen ausübten, leicht das Volk wider ihn auf ihre Seite zu lenken, und dasselbe sogar wider Je¬ sum aufzuwiegeln. nr. Das Volk rief nun von den Hohenpriestern ab- gerichtct und aufgewiegelt: Er soll gekreuziget werden. Bisher ließen die Hohenpriester und Aeltesten von der Kreuzigung Jesu noch kein Wort fallen, selbst Pilatus wußte eigentlich noch nicht, was für eine Strafe sie an Jesum verlangten. Aber nun durch das Volk verstärkt, wurden sic kühner, und verlangten, daß Jesus gekreuziget werden soll, aber sic verlangten es durch das Organ des Volkes. iv. Groß ist das Verbrechen, wenn ein Mensch, und übergroß ist es, wenn eine Menge Menschen verführt wird, es wächst nach der Zahl der Verführten. Die Zu¬ rechnung steigt auch nach der Größe der bösen That, zu welcher man verführt, nach der Größe des Ansehens, in welchem der Verführer sonst bei den Menschen steht, und nach dem Verhältnisse des Verführers zu den Verführten. Demnach war die Sünde der Hohenpriester und Aeltesten des Volkes über alle menschliche Zurechnung groß. Da¬ her sagte auch Jesus zum Pilatus: »Derjenige hat eine größere Sünde, der mich dir überantwortet hat.« Joan. XIX. v. II. — 80 — §. ZT". Pilatus läßt Iesum geißeln. I. Nachdem Pilatus gesehen bat, daß er wegen des heftigsten Widerstandes der Juden die Begünstigung des hohen Festes zur Loslaffung Jesu nicht in Anwendung bringen könne, wendete er ein zweites Mittel zu Jesu Loslaffung an. Er sprach: »Ich will ihn also züchtigen, und entlassen.« Luc. xxm. v. 16. 22. Wen will Pilatus züchtigen? Denjenigen, dessen Schuldlosigkeit er gekannt und selbst schon mehr als Ein Mahl gerichtlich bezeugt hat. Warum will er ihn also züchtigen? Um die Juden nicht gänzlich wider sich auf¬ zubringen, und um ihren Durst nach dem Blute Jesu zu löschen. I1. Und worin bestand diese Züchtigung? In der unmenschlichsten Geißelung. »Die Kricgsleute führten Jc- sum in den Vorhof des Gerichtshauscs und beriefen die gesammle Kriegsrotte zusammen.« Marc. xv. v. 16. Der Evangelist Marcus bricht vor Entsetzen über diese Geißelung seine Erzählung ab, als er zur Erzäh¬ lung der Geißelung Jesu kommt, und nennt nicht cinmahl dieselbe. Der Evangelist Johannes gehet schnell bei die¬ ser schanervollen Scene vorüber und sagt kurz.xx. v. 1: Da nahm ihn Pilatus und geißelte ihn; das heißt, er gab den Kriegsleuten die Macht, Iesum zu geißeln. Es war aber keine gesetzliche Geißelung, welche in vierzig Streichen bestand, weniger einen, sondern es war eine wüthcnde Zerfleischung. Denn die gejammte Kriegsrottc geißelte den an einen Pfahl gebundenen Je¬ sus , kein an seinem Leibe den Geißeln erreichbarer Punct blieb vor den Streichen verschont. Für die römischen 81 Soldaten, welche in immerwährenden grausamen Krie¬ gen, und in ihren Amphitheatern, wo der Kampf einen der Kämpfenden das Leben kostete, und Unglückliche grim¬ migen Thieren Preis gegeben, und von denselben zerri¬ ßen und verschlungen wurden, alles Gefühl für die Mensch¬ heit abgestumpft haben, war die Geißelung eine Belusti¬ gung. Es ist keine unglaubwürdige Sage, der den Sol¬ daten beigegebene Hauptmann habe denselben zugerufen, sie sollen doch aufhören, indem dieser nur zur Geißelung, aber nicht zur Tödtung verurtheilt worden ist. m. Jesus gab während dieser schmerzlichsten Geiße¬ lung keinen Laut von sich, — dieselbe fort und fort dem himmlischen Vater aufopfernd, einzig mit der Aussöhnung Gottes , mit den sündigen Menschen und ihrer Erlösung sich beschäftigend, und bei jedem erlittenen Streiche seinem ersehnten Ziele sich näher sehend. Diesen doppelten Zweck verfolgte er unverrückt, seit dem er nach dem letzten Abcud- mahle auf den Oehlbcrg ausgegangen war; seitdem zeig¬ te er sich vorzüglichst in der Eigenschaft des Erlösers und opfernden Priesters in seiner größten Erniedrigung und Untcrthänigkcit gegen die beleidigte göttliche Majestät uud verbarg seine Wunderkraft, welche unsere Erlösung durch sein Leiden verhindert hätte. §. 38. Jesus wird als ein AfterköniH dargestellt, mit Dörnern gekrönt und verhöhnet. i. »Sie legten ihm ein (abgenütztes) Purpurkleid an, und flochten eine dörnene Krone, (setzten ihn auf einen Stuhl, als seinen Thron) und setzten dieselbe auf sein Haupt. Sie fingen an ihn zu grüßen: Sei gegrüßt du König der Juden! Und sie schlugen sein Haupt mit einem Rohre und 6 82 verspien ihn, und fielen nieder aus die Knie und beteten ihn an.« Marc. xv. v. »7. 18. »9. h. Wir wenden uns nach einer stummen Betrach¬ tung von dieser schauervollen Scene hinweg, und wollen uns nun an uns selbst kehren und uns selbst Vorwürfe machen, wenn wir an uns selbst bemerkten, daß wir bei der Anhörung der Leidensgeschichte Jesu, oder bei dem Anblicke eines Bildnisses, welches den leidenden Erlöser vorstellt, gcfühl- und gedankenlos sind, wenn wir nicht gedenken: Dieses hat er aus Liebe zu mir gelitten, durch sein Leiden hat er mir wieder das unaussprechliche Vor¬ recht eines Kindes Gottes, welches verloren war, erwor¬ ben. Dank, ewiger Dank dir göttlicher Erlöser, der du uns ein Vorbild hinterlassen hast, dessen Betrachtung uns stark genug zu macken vermag, um aus Liebe zu dir den heftigsten Leidenschaften, dem Hochmuthe, der Rachbe¬ gierde , der Ungeduld im Leiden zu widerstehen. Möge dieses Bild unserm Geiste immer vorschweben. kwce Ironro (Sehe ein Mensch). i. »Da ging Pilatus abcrmahls hinaus, und sprach zu ihnen: Sehet ich führe ihn zu euch bcraus, damit ihr erkennet, daß ich keine Schuld an ihm finde. Also ging Jesus hinaus und trug eine dörnene Krone und ein Pur¬ purkleid. Und Pilatus sprach zu ihnen: Sehe ein Mensch.« Ioan. xix. v. 5. In diesem erbärmlichsten Zustande stellte Pilatus Je- sum den Juden dar, um in denselben gleichfalls das Mit¬ leid gegen ihn zu erwecken. Er gab ihnen abermahls deutlich zu verstehen, daß Jesus unschuldiger Weise in — 85 — diesen Zustand der Schmerzen und des höhnischesten Spot¬ tes versetzt worden ist. h. Jesu Gestalt wurde so sehr entstellt, daß man ihn nicht mehr erkannt haben würde, wenn man nicht sonst gewußt hätte, daß er es sei. Sein Leib war mit Wun¬ den und Striemen bedeckt, ans dem Haupte hatte er die dörncne Krone, sein Angesicht war mit Blut überronnen, welches von der durch die Stiche der Dörner verwunde¬ ten Stirne herabfloß. Anstatt seiner eigenen Kleidung hatte er einen schlechten Purpurmantel um. m. Die Ursache der so gräßlichen Entstellung Jesu an seinem Leibe durch die Geißelung und Krönung mit Dörnern waren unsere Sünden und Missethaten. Jsai. Eap. 53. Lasset uns auch den Gräuel der Verwüstung sehen, welchen die Sünde an dem Sünder und außer ihm he¬ rum anrichtct. Die Sünde verdunkelt den Verstand, und löschet das himmlische Licht der göttlichen Offenbarung aus, sie hält die christliche Weisheit für Thorhcit, sie ver¬ kehrt den Willen, hasset die Tugend, und liebet das Laster. § 4« Die Juden bestehen lärmend auf der Kreuzi¬ gung Jesu. i. »Als nun die Hohenpriester und die Diener ihn sahen, riefen sie und sprachen: Kreuzige ihn, kreuzige ihn. Pilatus sprach zu ihnen: So nehmet ihn, und kreuziget ihn; denn ich finde keine Ursache an ihm. Die Juden antworteten ihm: »Wir haben ein Gesetz, und nach dem Gesetze muß er sterben; denn er hat sich zum Sohne Got¬ tes gemacht.« Joan. xix. v. 6. 7. 6 * 84 II. Weit entfernt, daß die Juden durch den Anblick des so entstalteten und schmerzenvollcn Jesus zum Mit¬ leiden bewegt würden, fachte dieser Anblick vielmehr ihre Rachgierde neuerdings noch mehr an. Pilatus, ein Heide, wurde durch jenen Anblick Jesu innigst gerührt, aber die Juden, welche Bürger des Staates Gottes, und Glie¬ der der wahren Kirche des alten Bundes waren, wurden nicht gerührt, und handelten gottloser mit Jesus als der ^eide Pilatus. Hier haben wir ein schreckliches Beispiel, mit welch' einer Blindheit des Verstandes und Verstockt¬ heit des Herzens Gott jene Undankbarsten aller Undank¬ baren zu schlagen pflegt, welche in dem wahren Glauben geboren werden, die aber dieses kostbarste Geschenk des Himmels, um nach ihren Lüsten zu wandeln, von sich werfen. m. Pilatus sagte vor Unwillen über die Juden, welche auf der Kreuzigung des schuldlosen Jesus hart¬ näckig bestanden: So nehmet ihn hin, und kreuziget ihn, aber ich gebe meine Beistimmung nicht dazu, indem ich keine Ursache zur Kreuzigung an ihm finde. Allein Pila- tns als Richter hätte die Juden nicht mehr hören, sondern er hatte sich fest und einzig an den einfachsten Grundsatz halten sollen: Jesus ist schuldlos. Er kann also keines¬ wegs gestraft, noch weniger kann er gckreuziget werden. Lasset uns daher den Fehler des Pilatus sorgfältig ver¬ meiden, und uns fest an die Aussprüche der ewigen Weis¬ heit halten, ohne alle Beimischung anderwärtiger Rück¬ sichten , ohne uns von den Einsprüchen des Fleisches, der Welt und des Satans irre machen zu lassen. iv. Um den Pilatus dahin zu vermögen, daß er Je- sum zur Kreuzigung verurtheilte, beriefen sich die Juden jetzt zum zweiten Mahle auf ein Gesetz, uach welchem Je¬ sus sterben müßte, und dermahl führten sie ausdrücklich den — L5 — Grund an: Weil er sich zum Sohne Gottes ge¬ macht hat. Allein für diesen Fall gab es kein römisches Gesetz; und nach den jüdischen Gesetzen fand bei der Got¬ teslästerung, deren die Juden Jesum beschuldigten, nur die Steinigung, aber nicht die Kreuzigung Statt; folglich war ihre Forderung ganz willkührlich, ungesetzlich, höchst rach- sichtig. Jesus ist wahrhaftig der Sohn Gottes, und die Juden haben keinen Beweis geführt und konnten es auch nicht, daß er nicht der Sohn Gottes sei, sondern sie wollten nur nicht, daß er, da er ihren bösen Werken ent¬ gegen war, der Sohn Gottes wäre. Sind nicht auch späterhin eifrige Bekenner Jesu bloß deßwegen, weil sie es waren, bei der Welr oft verhaßt gewesen und von derselben verfolgt worden? Matus verhört Jesum, woher er sei? i. »Da nun Pilatus diese Rede hörte, fürchtete er »och mehr. Und er ging wieder in das Richthaus, und sprach zu Jesu: Woher bist du? Jesus gab ihm keine Antwort. Da sprach Pilatus zu ihm: Redest du mir nicht? Weißt du nicht, daH ich Macht habe dich zu kreu¬ zigen, und Macht habe dich loszulasscn. Jesus antwor¬ tete: Du hättest keine Macht über mich, wenn sic dir nicht von oben herab wäre gegeben worden, darum hat derjenige eine größere Sünde, der mich dir überantwor¬ tet hat.« Joan. xix. v 8-n. n. Pilatus fürchtete nun mehr, nachdem er gehört hat, daß sich Jesus zum Sohne Gottes gemacht hat. Pilatus als ein Heide verstand zwar nicht den Sinn seiner Rede, nämlich, daß sich Jesus als den Sohn des wahren Gottes bekannt hat, jedoch glaubte er nach -LO- dcr heidnischen Göttcrlehre, Jesus könnte einer dieser Götter seyn. Pilatus hat auch in seinem dunklen Ge¬ fühle, in dem Benehmen Jesu etwas Außerordentliches geahnet, da er schon in seinem Gewissen beunruhigt war, indem er Jesum, dessen Unschuld er vollkommen erkannte, doch geißeln und so erbärmlich zurichten ließ, so mußte seine Unruhe bei dem Gedanken, wenn doch die¬ ser der Sohn eines der Götter wäre, auf das höchste steigen. m. Pilatus verhörte daher abermahls Jesum, um seine Abkunft zu erfahren, und um sich nicht der Gefahr auszusetzcn, den Sohn eines Gottes sogar zur Kreuzi¬ gung zu vcrurtheilen. Pilatus fragte daher Jesum im be¬ dachtsamen Tone: Woher bist du? Allein Jesus gab ihm keine Antwort. Es gehörte nicht in den Rathschluß des himmlischen Vaters, daß Jesus in diesem Zeitpunkte, wo das Werk der Erlösung vor sich ging, sich dem Pila¬ tus geoffenbaret hätte. Um Jesum nicht zur Kreuzigung zu vcrurtheilen, war seine offenbare Schuldlosigkeit ein hinlänglicher Beweggrund, und von der Wahrheit der Worte Jesu konnte er sich hernach aus dem Benehmen Jesu am Kreuze und aus seiner Auferstehung am dritten Tage aus dem Grabe vollkommen überzeugen. iv. Um eine Antwort auf seine Frage zu erhalten, hielt ihm Pilatus vor, daß er Macht habe, ihn zu kreu¬ zigen, und Macht habe, ihn loszulassen. Da unterbrach Jesus das Stillschweigen, welches er bisher vor den Ju¬ den , welche ihn um nichts fragten, seit dem Verhöre vor dem Hohenpriester Caiphas, während seiner Geißelung und Krönung mit Dörnern bei seiner Verhöhnung und Vorstellung: Sehe ein Mensch! — beobachtet hatte, und belehrte den Pilatus in einem für die Machthaber wich¬ tigsten Stücke: Er soll bedenken, daß er die Macht von «7 oben herab, nur von Gott habe, folglich auch vor Gott den von der Macht gemachten Gebrauch zu verantworten haben werde. Allein Pilatus, ein Fremdling in der gött¬ lichen Offenbarung, begriff diese Lehre wenig. Nach dem unfehlbaren Ausspruche der göttlichen Schrift ist alle Ge¬ walt von Gott. Eine große Lehre für die Machthaber, eine vollkommen beruhigende Lehre für die christlichen Unterthanen. §. 4S. Heftiger Widerstand der Juden, als Pilatus Iesum loslasseu wollte. i. »Von mm an trachtete Matus ihn loszulassen. Die Juden aber riefen und sprachen: Lassest du diesen los, so bist du nicht des Kaisers Freund; denn wer sich zum Könige macht, der widerspricht dem Kaiser.« Joan. XlX. v. 12. ii. Pilatus erkannte an der Antwort Jesu: Du hät¬ test keine Macht über mich, wenn sie dir nicht von oben wäre gegeben worden, nicht nur die Sprache der Unschuld, sondern diese Antwort kam ihm auch erhaben vor, ob¬ schon er ihren wahren Sinn nicht faßte, noch sich darum bekümmerte; daher trachtete er von nun an Iesum los¬ zulassen. Allein die Juden, deren Erbitterung gegen Je- sum in dem Maße stieg, als Pilatus sich auf die Seite Jesu zu neigen schien, brachten endlich eine Einwendung vor, welche den Pilatus in die größte Furcht versetzte: Lassest du diesen los, wendeten sie ein, so bist du kein Freund mehr des Kaisers, indem er sich für den König der Juden ausgibt, und hiemit die Oberherrschaft des Kaisers über uns nicht anerkennt. Pilatus aber konnte nichts weniger als den Gedanken ertragen , er könnte. 88 wenn er in diesem Falle den Juden nicht willfahren wür¬ de , die Gunst des Kaisers verlieren, und dann wenig¬ stens seines hohen Amtes entsetzt werden. Pilatus als ein Heide, dachte nicht daran, daß man Gott mehr, als die Menschen fürchten müsse. Allein die damahlige stoi¬ sche Philosophie, zu welcher sich hauptsächlich die Werber nm öffentliche Aemter bekannten, und der Grundsatz ihrer Rechtslehre: Es geschehe, was recht ist, mag auch die Welt darüber zu Grunde gehen; dieser berühmte Grund¬ satz der Stoiker konnte ihm doch nicht unbekannt seyn, und er hätte sich wenigstens an diesen Grundsatz bei dem gericht¬ lichen Erkenntnisse in der Rechtssache Jesu halten sollen. ui. Pilatus, der schon bisher in der Rechtssache Jesu mit den Juden mehr unterhandelt als richterlich ge- urtheilt hatte, wurde jetzt so umgestimmt, daß er nur noch den Anstand äußerte, Jesum, als den König der Ju¬ den zu kreuzigen. Soll ich eueren König kreuzigen? und dieser Anstand wurde schnell durch die Antwort der Juden gehoben: Wir haben keinen König, sondern nur den Kai¬ ser. Die Juden heuchelten ihre Ergebenheit gegen den Kaiser, den Pilatus aber brauchten sie als ihr Werkzeug zur Ausführung ihres gottlosen Vorhabens. Den Gott¬ losen nämlich muß alles als ein Mittel zur Erreichung ihrer Absichten dienen; sie stellen sich selbst zum Haupt¬ zwecke auf; das Gewissen kommt gar nicht zur Sprache, Gott und der Nächste werden nicht berücksichtiget. H. 4Z. Pilatus sitzt letztlich in der Rechtssache Jesu zu Gerichte. l. »Als aber Pilatus diese Rede hörte, führte er Jesum heraus, und setzte sich auf den Richterstuhl, auf 39 dem Orte, welcher griechisch Lithostrotos, hebräisch Gab- batha genannt wird. Es war aber der Rüsttag für Ostern um die sechste Stunde, und er sprach zu den Juden: Sehet euern König. Sie aber riefen: Hinweg, hinweg mit ihm; kreuzige ihn! Pilatus sprach zu ihnen: Soll ich euern König kreuzigen? Die Hohenpriester antworteten: Wir haben keinen König, sondern nur einen Kaisers- Ioan. xix. v. i3- i5. il. Nichts ist in der Leidensgeschichte Jesu so um¬ ständlich beschrieben, als der Ort und die Zeit, wo und wann Pilatus das Urtheil über Jesum gefället hat. Der Evangelist Johannes gibt den griechischen und hebräischen Nahmen dieses Ortes an, griechisch hieß er Lithostrotos, weil derselbe mit Steinen, vielleicht Quadersteinen ge¬ pflastert, und hebräisch Gabbatha, weil er erhaben war. Was die Zeit betrifft: Pilatus hielt dieses Gericht am Rüsttage vor Ostern, das heißt, am Tage, an welchen sich die Juden für den österlichen Sabbath rüsteten, und für diesen Tag die Speisen vorbereiteten, welches am Sabbathe selbst nicht erlaubt war. Es war um die sechste Stunde dieses Rüsttages oder um die Mittagsstunde; denn die Römer thcilten den natürlichen Tag in zwölf, und die natürliche Nacht ebenfalls in zwölf Stunden ein, und die Stunden des Tages zählten sie von dem Sonnen¬ aufgange an. Diese Umständlichkeit ist nicht ohne ein gro¬ ßes Gehcimniß. Die durch Jesum Erlösten sollen den Ort und die Zeit bestimmt wissen, wo und wann ihr Er¬ löser zum Kreuze vcrnrtheilt wurde, an welchem er das größte Werk der Erlösung vollbracht hat. — 90 — §. 44., Jesus steht vor Pilatus als seinem Richter. i. Jesus steht in größter Demuth vor Pilatus als seinem Richter, er sieht den Pilatus lediglich als denjeni¬ gen an, welcher von oben herab die Macht über ihn hat¬ te; er erkennt in dem Urtheile des Pilatus nur den Wil¬ len seines himmlischen Vaters, und will aus Gehorsam , gegen seinen unendlich geliebten himmlischen Vater, und aus gränzenloser Liebe gegen uns sündige Menschen zu ! den bisher auf dem Oehlberge, bei der Geißelung und Krönung mit Dörnern ausgcstandenen Leiden und Schmer¬ zen, um uns eine übcrfließende Erlösung zu verschaffen, noch weit größere Schmerzen, jene der Kreuzigung dazu setzen. Er nahm alle unsere Schuld auf sich und vertrat unsere Stelle, und unterwarf sich dem Urtheile,kwie ein Schuldiger, welcher die Größe seiner Schuld erkennt', sie bereut und genug zu thun wünschet, sich dem für gerecht erkannten Urtheile unterwirft. Dieses ist nur eine schwa¬ che Schilderung dessen, was während des ganzen Leidens Jesu, des Sohnes Gottes in seinem Innersten vorging. Wir wissen nur überhaupt, daß er sich stets mit den Din¬ gen beschäftigte, welche den himmlischen Vater angingen und unser Seelenheil betrafen. n. Jesus hatte bei seinen Leiden immer den Haupt¬ zweck derselben vor Augen. Lasset uns, wenn wir leiden um unserer Sünden willen, auch demüthig leiden, in un¬ fern Leiden die Geduld üben, den Willen Gottes und un¬ ser Seelenheil vor Augen haben, und unsere wahrhaft geringen und verschuldeten Leiden mit jenen unseres gött¬ lichen Erlösers vereinigen. — 91 — §. 45. Pilatus fället das Urtheil über Iesum nach dem Begehren der Juden. r. Als aber Pilatus sah, daß er nichts ausrichtete, sondern daß ein viel größeres Getümmel wurde, da ur- theilte er, daß es geschehen soll, was sie begehrten. Er gab ihnen aber denjenigen los, der wegen eines Tod¬ schlages und Aufruhres in den Kerker geworfen war, den sie begehrten; Iesum aber übergab er ihrem Willen. Matth, xxvii. v. 24. Also nicht Pilatus, dieser hier so ohnmächtig gewor¬ dene Richter, sondern die Juden, die ungestümen und rachsüchtigen Ankläger fällten das Endurthcil über Iesum, nach dem Begehren der Juden mußte Jesus gekreuziget, der Aufrührer und Todtschläger Barabbas aber frei ge¬ lassen werden. il. Die Ausleger der heiligen Schrift, welche in derselben hauptsächlich den moralischen Sinn aufsuchen, machen bei der Schriftstelle Luc. xxm. v. s5. die schöne Anwendung, der begnadigte Verbrecher Barabbas sei das Sinnbild aller sündigen Menschen gewesen, welche durch den Tod Jesu von der Dienstbarkeit des Satans und von dem ewigen Tode befreit worden sind, und das ewige Leben erlangt haben, wenn sie die Gnade der Erlösung durch Iesum Christum ergreifen und zu ihrem ewigen Heile anwenden. — 92 — §. 46. Pilatus wäscht seine Hände vor dem Volke, um seine Schuldlosigkeit an dem Blute des Gerechten zu bezeugen. I. »Pilatus nahm Wasser, und wusch seine Hände vor dem Volke, und sprach: Ich bin unschuldig an dem Blute dieses Gerechten. Sehet ihr zu. Da antwortete das gesammte Volk und sprach: Sein Blut komme über uns und unsere Kinder.« Matth, xxvil. v. 24. 25. Il. O unbegreifliche Blindheit des Pilatus ! Er sieht nur das Getümmel und die Wuth der die Kreuzigung Jesu sordcrnden Juden, lautör Dinge, welche bei dem Urtheile gar nicht zu berücksichtigen, sondern vielmehr scharf zu ahnden waren. Er sieht aber nicht die heiligste Pflicht ei¬ nes Richters, das Urtheil nach dem Rechte zu fallen, die Unschuld zu schützen und von aller Strafe lvszusprechen. Er sieht die Schuld der Juden an dem vergossenen Blute des Gerechten aber nicht die seinige, da doch aus dieser jene herrührte. Er glaubt das Wasser seiner Hände kön¬ ne sein Gewissen reinigen, da doch die blos äußerlichen Werke, wenn sie auch noch so groß sind, die innerlichen Wackeln der Seele zu vertilgen nicht vermögen. m. O Heillosigkeit der Juden! Ihr wollet lieber euch und eueren Kindern den schrecklichsten Fluch aller Flüche aufladcn, euch des Blutes des Gerechtesten und Heiligsten, des Sohnes Gottes schuldig machen, als eure Rachsucht bändigen. Der angerufene Fluch ist aber auch wirklich über euch gekommen, der Gräuel der Zerstörung eurer Hauptstadt Jerusalem und eueres Vaterlandes. Ihr wurdet durch die ganze Welt zerstreuet, und seid ohne Vaterland, ohne eigene Regierung, ohne Tempel, und beweiset fort und fort die Bewährung jenes Fluches. — 9Z — iv. Der himmlische Vater sorgte dafür, daß die Unschuld seines unendlich geliebten Sohnes nicht verkannt werden konnte. Jedes mit Jesu, von Hcrodes und Pila¬ tus abgehaltene gerichtliche Verhör war nur ein neuer Beweis seiner Unschuld, und am feierlichsten erklärte Pi¬ latus dieselbe bei seinem Endurtheile den Augenblick, als er Jesum dem Willen der Juden überantwortet hat. Welch' eine Beruhigung und Trost für einen, der, was immer für ein Unrecht, wäre es auch das allergrößte, ohne sein Verschulden leiden sollte, wenn er bedenket, Gott wachet über mich, er ist der Zeuge meines Wandels, ich war und bin meiner Pflicht getreu. Dieser mächtige Gedanke hat die heiligen Blutzeugen für den christlichen Glauben über alle Qualen erhoben. §. 4S. Die Juden kleiden Jesum wieder an, bevor er das Kreuz übernimmt, und den kläglichen VZeg antritt. i. Der Triumph der Juden über Pilatus war voll¬ kommen, ihre ausgelassene Freude ohne Schranken, nach¬ dem sie von Pilatus dasjenige erlangt hatten, was zu erlangen sie die angelegenste Sorge und Mühe gekostet hat. M »Nachdem sie ihn verspottet hatten, nahmen sie ihm den Purpurmantcl ab, und sie legten ihm seine Klei¬ der an.« Matth xxvn. v. 3i. Marc. xv. v. 20. Diese freche Behandlung von unheiligen Händen tbat Jesu in seinem Geiste unendlich mehr wehe, als die Gei¬ ßelstreiche und Stiche der Dörner an seinem Leibe. Wir sinnliche Menschen pflegen zwar gewöhnlich uns nur die körperlichen Leiden Jesu vorzuftellen, diese machen auf 94 uns den größten Eindruck; aber wir sollen auch dasjeni¬ ge erwägen und beherzigen, was er in seinem Geiste ge¬ litten, und was seine körperlichen Leiden unendlich über¬ stiegen hat. Seine unendliche Liebe hat alle körperlichen Leiden überwunden und für gering geachtet. Wie mußte es daher nicht das liebvollste Herz Jesu schmerzen, als er an Judas, an seinen damahligen Spötter, und in der Zukunft au dem unbußfertigen Sünder sein Leiden verlo¬ ren , ihren ewigen Untergang und seinen himmlischen Va¬ ter entehret sah. §. 48. Jesus trägt das Kreuz. — Simon von Cyrene. r. Da nahmen sie Jesum und führten ihn hinaus, daß sie ihn kreuzigten. Und er trug sein Kreuz und ging hinaus zu dem Orte, welchen man die Schädelstätte nen¬ net , hebräisch aber Golgatha. Ioan. xix. v. 16. Matth, xxvn. V. 3i. Lasset uns den für uns Sünder leidenden Jesus auf seinem schmerzvollen Wege von dem Richthause des Pila¬ tus an bis auf den Berg Golgatha mit einem heiligen Schauer, mit einem bußfertigen Herzen, und mit dem innigsten Dankgefühle im Geiste begleiten. ii. »Indem sie aber hinausgingen, fanden sie einen Menschen von Cyrene mit Nahmen Simon, (den Vater Alexanders und des Rufus, der von seinem Bauhofe kam und vorüber ging,) diesen ergriffen sie, legten ihm sein Kreuz auf und zwangen ihn dasselbe zu tragen, und er trug es Jesu nach.« Matth, xxvn. v. Zi.Zs. Marc. xv. v. 20. 2i. Luc. xxm. v. 26. Jesus wurde schon auf dem Oehlberge durch die To¬ desangst und den blutigen Schweiß, durch den Blutver- l r l i s r i r r e t s f s r L j 0 g ii s n si l S b r » r r 95 lust und die Schmerzen bei der Geißelung und Krönung mit Dörnern an seinen körperlichen Kräften ganz erschöpft, damit er nun nicht unter der Last des schweren Kreuzes unterliegen würde, und der von den Juden in ihrer Rach¬ sucht fest beschlossenen und ohne Ausbleiben zu vollstrecken¬ den Kreuzigung durch einen frühern Tod entginge, kam ihnen Simon von Cyrene überaus erwünscht daher. nr. Es war kein Ungefähr, sondern der Wille Jesu, daß Simon von Cyrene herbei kam, sein Kreuz tragen zu helfen. Wegen dieses glücklichen Loses, welches dem Simon zu Theil wurde, das Kreuz seines Erlösers zn tragen, wurde Simon auch von den Evangelisten so be¬ stimmt und umständlich bezeichnet. Daher ist auch jene fromme Meinung, Jesus habe ihn späterhin zur Belohnung der obschon nicht ohne Weigerung geleisteten Hilfe mit seiner , als des Sohnes Gottes und Welterlösers Erkennt- niß begabt. Welch' eine beseligende Wonne muß nicht Simon dann einerseits darüber empfunden haben, daß er jenes hochheilige Kreuz getragen, aber wie muß er nicht auch anderseits bedauert haben, daß er es mit Unwillen gethan hat. iv. Wir pflegen jedes Leiden ein Kreuz zu nennen, um uns an das Leiden Jesu am Kreuze zu erinnern. Las¬ set uns die Leiden, welche uns Gott im Leben und Tode nach seinem allerheiligften, allergerechtesten, allernützlich¬ sten und allerliebenswürdigstcn Willen zuschickt, bereitwil¬ ligst annehmcn, mit aller Geduld und mit gänzlicher Er¬ gebung in den göttlichen Willen ertragen. Die Leiden bezwingen die Oberherrschaft der Sinnlichkeit und unter¬ werfen dieselbe dem Geiste, sie zerstreuen das Gewölk, mit welchem die bösen Leidenschaften den Verstand über¬ ziehen und verdunkeln, sie machen uns christlich weife und dem leidenden Jesu gleichförmig, sie vertilgen die 96 Sünde und eröffnen in uns die Aussicht auf die zukünfti¬ ge Seligkeit. Im Kreuze ist alles Heil. §. 4S. Jesu Gefolge nach dem Calvarieberge. I. »Es folgte aber eine große Schar Volkes und Weiber nach, welche ihn beklagten und weinten. Jesus aber wandte sich zu ihnen und sprach: Ihr Töchter von Jerusalem! weinet nicht über mich, sondern weinet über euch und eure Kinder, denn sehet, es werden Tage kom¬ men, in welchen man sagen wird: Selig sind die Un¬ fruchtbaren und die Leiber, welche nicht geboren haben, und die Brüste, welche nicht gesäuget haben. Alsdann werden sie anfangen zu den Bergen zu sagen: Fallet über uns, und zu den Hügeln: Bedecket uns! denn thun sie dieses an dem grünen Holze, was wird dann an dem dürren geschehen?« Luc. xxm. v. 27-81. Il. Nebst den Bewohnern der großen und volkrei¬ chen Hauptstadt Jerusalem waren damahls auch viele Fremde anwesend, welche von allen Orten und aus ent¬ fernten Gegenden auf das Osterfest nach Jerusalem ge¬ kommen waren. Die Hohenpriester wollten zwar nicht, daß man um diese Zeit Jesum ergreifen und hinrichten sollte, indem sic im Volke, welches Jesu anhing, einen Aufstand befürchteten. Allein die Verrätherei des Judas bewirkte, daß diese Gefaugennehmung Jesu in aller Stille geschah, und Jesus wollte den von seinem himmlischen Vater erhaltenen Auftrag, die Welt durch sein Leiden und Sterben am Kreuze zu erlösen, im Angesichte des versammelten jüdischen Volkes vollenden. Ja diese vom Anbeginne an bis zu Ende der Welt größte Begebenheit war würdig, daß das gesammte Menschengeschlecht davon 97 Augenzeuge gewesen wäre, indem die Erlösung durch den Sohn Gottes die Angelegenheit des gesammten mensch¬ lichen Geschlechtes war. m. Der Leser der Leidensgeschichte wird sehr beseli¬ get, und einen Augenblick im Gemüthe anfgerichtet, wenn er wieder einige, und zwar schon ans dem We¬ ge zur Kreuzigung von Jesu gesprochene Worte vernimmt. Diese Worte hat er zu den srommcn Frauen gespro¬ chen , welche ihn beklagten und weinten. Es sind Worte der göttlichen Großmuth: Weinet nicht über mich, sprach er, sondern weinet vielmehr über euch und euere Kinder, denn euere Sünden sind an meinen Leiden Schuld. Meine Leiden sind nicht so groß, als jener Fluch ist, der über euere Kinder in die Erfüllung gehen wird. Jesus ver¬ gleichet sich mit dem grünen und ihre Kinder mit dem dürren Holze, und schließt: wenn ich, der ich unschuldig bin, so viel leide, was werden nicht erst die Gottlosen leiden? Ich werde einst in meiner Herrlichkeit kommen, die Welt zu richten, und sie werden vor Schrecken rufen: Ihr Berge fallet über uns, und ihr Hügel bedecket uns. Und die Mütter gottloser Kinder werden jene ans ihrem Geschlechte selig preisen, welche niemahls geboren haben. §. SV. Unmittelbare Zubereitung zu Besu Kreuzigung. r. »Und sic brachten ihn aufden Ort Golgatha, das ist verdolmetscht die Schädelstätte. Und sie gaben ihm Wein zu trinken, der mit Mprrhe vermischt war, und er nahm ihn nicht zn sich.« Marc. xv. v. 22. 23. »Sie gaben ihm Wein zu trinken, der mit Galle ver¬ wischt war. Und als er denselben gekostet hat, wollte w' ihn nicht trinken.« Matth, xxvn. v. I4. 7 9» h. Man pflegte den Derurtheiltcn vor ihrer Kreu¬ zigung einen mit dem Gemische von Myrrhe verstärkten Wein zu reichen, um ihren Geist zu betäuben und die ih¬ nen bevorstehenden Schmerzen minder fühlbar zu machen. Auch für die zwei Uebelthätcr, welche mit Jesus gckrcu- ziget waren, wurde wie gewöhnlich ein solcher Wein mit Myrrhe zubereitet, aber die Peiniger Jesu vermischten den ihm gereichten Wein mit Galle. Sie wußten, daß Jesus dieses untrinkbare Getränk nicht zu sich nehmen werde, aber durch die Entziehung des gewöhnlichen Wei¬ nes mit Myrrhe wollten sie erreichen, daß Jesus die Qualen der Kreuzigung im vollen Maße empfinden soll. Allein sie wüßten nicht, daß er auch den Wein mit Myrrbe nicht trinken würde; denn er wollte freiwillig alle Schmerzen der Kreuzigung leiden, gleich wie er sich auch freiwillig von seinen Feinden hat gefangen nehmen lassen. Er kostete doch jenes Getränk, um auch seinen Peinigern Folge zu leisten, und um auch seinem Geschma- cke, wozu die Peine» nicht hinreichtcn, wehe zu thun. m. Endlich wurden Jesu die an seinem wunde- vollen Leibe klebenden Kleider abgezogen, die Wunden schmerzhaft erneuert, und was noch seiner Seele uncndlich mehr wehe that, war die Entblößung. §- S1. Jesu Kreuzigung. i. »Es wurden auch zwei andere Uebelthäter mit ibm hinaus geführt, damit sie gerichtet würden. Und als sie zu dem Orte kamen, der die Schädelstätte genannt wird, kreuzigten sie ihn daselbst sammt den Uebelthätcr», de» einen zur Rechten den andern zur Linken.« Luc. xxm. v. 32. 33. Matth, xxvii. v. 3N. Marc. xv. v. 27. Ioan. xix. v. 99 i > l l e r j >, n l. n. Der Evangelist Johannes, der geliebte Jünger des Herrn, welcher bei der Kreuzigung zugegen war, von Wehmuth durchdrungen, berührt die Kreuzigung Jesu nur mit einem Worte, da er spricht: Dort haben sie ihn gckreuziget. Wie unaussprechlich schmerzhaft diese Kreuzigung gewesen sei, zeigt schon der bloße Anblick des am Kreuze hängenden Jesus» Die Durchbohrung einer Hand vdtt eines Fußes, wie sie hier geschah, ist ein entsetzli¬ cher Schmerz, und dieser entsetzliche Schmerz war hier vierfach. Was war erst an vier Nägeln stundenlang hän¬ gen, welche die ganze Schwere des Körpers aufhieltcn, jeden auf einander folgenden Augenblick die vier Wunden ausdehnten, und so fort und fort die entsetzlichsten Schmer¬ zen steigerten, ohne eine nur augenblickliche Ausruheoder Linderung zu gestatten. Daher rief der Prophet Jere¬ mias im Nahmen des erwarteten und leidenden Messias aus: »O ihr alle, die ihr auf dem Wege vorüber gehet, merket auf und sehet, ob irgend ein Schmerz ist, wie der meinige! Klagl» i. v. 12. Sie haben meine Hände und meine Füße durchgegrabcn und alle meine Gebeine gezählt. Psalm, xxi. v. 17. 18. Von der Fußsohle an bis an den Scheitel des Hauptes ist nichts Gesundes an ihm. Jsai. 1. v. 6. Was sind das für Wunden mitten in den Händen? Zach. xm. v. 6. Er ist unter die Ucbelthäter gezählt worden.« Jsai. i-iii. v. 12. in. »Er hat für wahr unsere Krankheiten auf sich geladen, und unsere Schmerzen hat er selbst getragen, und wir haben ihn, wie einen Aussätzigen gehalten, als einen, den Gott geschlagen und gedcmüthigt hat. Er ist Mn unserer Missethatcn willen verwundet, und ist um unserer Sünden willen geschlagen worden ; die Züchtigung unseres Friedens war über ihm, und wir sind durch seine E-'unden geheilt worden.« Jsai. i-m. v.. 5. »Er selbst ist * / — 100 — die Versöhnung fär unsere Sünden; aber nicht allein für die unsrigen, sondern auch für die Sünden der ganzen Welt.« k. Joan. n. v. 2. Er ist jenes unschuldige Lamm, welches am Kreuze geschlachtet durch seinen Tod die Sün¬ den der Welt hinweg nimmt. iv. Jesus hat für einen jeden Menschen insonder¬ heit Alles gelitten. Sehr irrig und undankbar wäre cs daher, wenn Jemand in seiner Vorstellung das Leiden Jesu theilc» wollte, so als ob Jesus nur etwas für ihn, und alles übrige für die andern Menschen gelitten hätte. v. Der Anblick der Abbildung des gekreuzigten Je¬ sus soll uns also an unsere Sünden erinnern und zur Reue und Buße bewegen, und in uns die Hoffnung er¬ wecken, durch Jcsnm Christum das ewige Leben zu erlan¬ gen; daher wird Jesus Christus gewöhnlich als am Kreuze leidend und sterbend, als unser Erlöser am Kreuze abge- bildct. Nicht nur auf allen Altären in den Kirchen und in allen christlichen Häusern, sondern auch auf öffentlichen Plätzen, an Wegen und Straßen ist die Abbildung des gekreuzigten Heilandes zu sehen. §. 52. Unterschied der Kreuzigung Jesu und der zwei Schächer. l. Jesus wurde mitten zwischen zwei Ucbclthätern, als wäre er der größte Ucbclthäter, auf einem höher» Kreuze, als jene zwei, gekreuziget. Schon Jsaias hat prophezeiet, daß der Messias unter die Uebelthäter wird gezählt werden. Selbst der himmlische Vater hat ihn als den größten Uebelthäter angesehen, da er die Missetlm- tcn der ganzen Welt, und die für dieselbe verdiente Züch¬ tigung auf ihn gelegt hat. 101 c 1 s n c< ir r- a- »e e- id en es ^ei m, rn -at ird sts lia- ich- h. Auch die Kreuzigung, welche Jesus erduldete, war von jener der zwei Schächer sehr verschieden; denn ») die zwei Uebclthäter wurden vor der Kreuzigung nicht gegeißelt; d) die Kreuzigung Jesu war außerordentlich, einzig in ihrer Art, und ohne ein früheres ähnliches Bei¬ spiel, alles, was dabei vorging, war eine Erfüllung dessen, was schon lange voraus die von Gott crleuchte- tcten Propheten des alten Bundes von dem Leiden und Tode des verheißenen Messias geweiffaget hatten. Allein die Kreuzigung der zwei Ucbelthätcr geschah nach der Vorschrift des römischen Gesetzes und nach dem Brauche der Römer; sie war vielmehr ciue Spießung am Kreuze, denn am Stamme des Kreuzes war ein eiserner aufwärts gebogener Spieß angebracht; darauf wurde der Verur- theilte gesetzt, die ausgespannten Hände wurden an den Querbalken mit Stricken gebunden, aber nicht durchge- stochcn; aber die Art der Kreuzigung Jesu wurde von Pi¬ latus der Willkühr der Juden überlassen; o) die Kreuzi¬ gung Jesu war ehrenvoller aber unendlich schmerzhafter als jene der zwei Schächer, jedoch war die Qual der auf römische Art Gekreuzigten viel langwieriger, denn öfters lebten sic am Kreuze mehrere Tage lang, obne den Geist aufgeben zu können, indem sie kein Blut verloren haben. Aber aus besondcrn Rücksichten wurde bisweilen ibrcn Qualen auf eine andere Art früher ein Ende gemacht. Dieses ist auch hier bei den zwei gekreuzigten Ucbclthätcrn geschehen, indem man denselben die Beine gebrochen hat. §. 53. Überschrift am Kreuze Jesu. i. »Pilatus schrieb die Ueberschrift und setzte sic auf bas Kreuz. Es war aber geschrieben: Jesus von Raza- 102 reth, Kvnig der Juden.» Tie Überschrift lasen viele von den Juden, denn der Ort wo Jesus gekreuziget wurde, war nahe bei der Stadt. Und cs war in hebräischer, griechischer und lateinischer Sprache geschrieben. Da spra¬ chen die Hohenpriester zum Pilatus: Schreib nicht: Kö¬ nig der Juden, sondern weil er gesagt hat: Ich bin Kö¬ nig der Juden. Pilatus antwortete: Was ich geschrieben habe, das habe ich geschrieben.« Joan. xix. v. 19 - 22. Matth, xxvn. v. 37. Marc, xv, v. 26. Luc. xxiu. v. 38. л. Es war gebräuchlich, daß man das Urtheil, welches das Verbrechen als den Grund des gefällten Ur- theiles aussagte, an dem über den Querbalken hervorra¬ genden Krcuzstamme anheftete. Dieses geschah auch hier, und zwar, was höchst merkwürdig ist, in den drei dama¬ ligen Hauptsprachen, damit jeder Leser, er sei ein He¬ bräer, Grieche oder Lateiner wisse, daß der König der Juden gekreuziget worden ist. м. Ja Jesus war im eigenthümlichsten Sinne Kö¬ nig der Juden; denn Gott selbst hat sich gewürdiget, ein König des von ihm auserwählten Volkes zu seyn. Er gab dem jüdischen Volke durch seinen Diener Moses ge¬ schriebene Gesetze, die ganze religiöse und bürgerliche Verfassung; die Richter und nachherigen Könige waren nur Statthalter Gottes, sie waren verpflichtet nach jenen Gesetzen zu richten und zu regieren, und jene Verfassung aufreckt zu erhalten. Der Zweck dieses wahrhaft theo- ! kratiscken Staates war die Erhaltung der Erkcnntniß und Anbetung des einigen wahren Gottes mitten unter den heidnischen Völkern. Wenn die Statthalter Gottes und das jüdische Volk ihre Pflichten vergaßen, schickte ihnen Gott Lehrer und Propheten, welche sie wieder an das göttliche Gesetz erinnerten, und ihnen im Nahmen Gottes Strafen androhtcn. Endlich schickte Gott der König der 103 Juden seinen eingebornen Sohn, er erschien ihnen sicht¬ bar in seinem Sohne, der zugleich Mensch geworden ist, um das alte Gesetz zu seinem Ziele zu bringen, und die Erreichung des Zweckes der jüdischen Verfassung zu vol¬ lenden, die sündigen Menschen mit Gott auszusöhnen, und sie in sein neues Reich cinzuführen. Gott übergab seinem Mensch gewordenen Sohne alle Macht und alles Gericht über die Menschen. Jesus war also ein wirklicher König der Juden. iv. Also behauptete Jesus den Titel eines Königes der Juden selbst vor Pilatus, welcher schrieb: Jesus Kö¬ nig der Inden. Die Hohenpriester wollen zwar, daß Pi¬ latus die Ueberschrift ändern, und nach ihrem Sinne machen solle/ Allein er ließ sich sein Concept von den selbstsüchtigen Juden nicht corrigiren, und so beugsam er vorhin gegen die Forderungen der Juden war, eben so unbeugsam bewies er sich jetzt gegen dieselben. Die Sa¬ che Gottes, die Wahrheit hat gesiegt. S4. Lästerungen der Juden unter dem Kreuze. i. »Die, welche vorüber gingen, lästerten ihn, und schüttelten ihre Köpfe, und sprachen: Pfui, der du den Tempel Gottes zerstörest und denselben in drei Tagen wieder aufbauest: hilf dir selbst; bist du Gottes Sobn, so steige vom Kreuze herab. Deßgleichen spotteten seiner auch die Hohenpriester sammt den Schriftgelehrten und Aeltesten, und sprachen: Er hat andern geholfen, und kann sich selbst nicht helfen. Ist er der König Israels, so steige er jetzt von dem Kreuze herab, so wollen wir ihm glauben. Er vertrauet auf Gott, er erlöse ihn nun, wenn er ein Wohlgefallen an ihm hat, denn er hat ge- 104 sagt: Ich bin Gottes Sohn.« Matth, xxvn. v. 3g-43. Marc. xv. v. 29-3i. Luc. xxm. v. 36-37. ir. Hier sehen wir einen Haufen der allcrschrccklich- sten Gotteslästerungen der Juden und der römischen Sol¬ daten. Jesus sagte vorhin zu den Juden, welche seinem Leben nachstelltcn: Zerstöret diesen Tempel, nämlich sei¬ nen Leib, und ich will denselben in drei Tagen wieder aufbauen. War nicht sein Leib der lebendige Tempel Gottes, indem er zugleich wabrer Gott war? Aber seine Feinde verdreheten seine Worte, und bezogen dieselben auf den materiellen Tempel Gottes zu Jerusalem. Sic verhöhnten die heiligsten und erhabensten Wahrheiten, welche Jesus ihnen verkündiget hat, nämlich, daß er der Sohn Gottes und König der Juden sei. Er stieg nicht vom Kreuze herab, weil eben jetzt die Zerstörung des von ihm angedeuteten Tempels vor sich ging, und seine Worte in die Erfüllung gehen mußten. Und eben deßwc- gen half er sich selbst nicht; denn hätte ersieh selbst helfen wollen, so würde er sich nicht einmahl in ihre Hände übergeben haben. Jesus verharret also freiwillig aus Liebe zu uns auf dem Kreuze, und wirket das größte Wunder der Liebe. ES war ihm schwerer am Kreuze auszuharren, als nach seiner Allmacht herunter zu steigen, an seinen Feinden sich zu rächen und sie zu Schanden zu machen. Ja Jesus vertraute auf Gott, er werde mit seinem Bei¬ stände die Schriften, welche von seinen Leiden weissag¬ ten, bis auf ein Jota (bis auf den kleinsten Punct) er¬ füllen ; er verlangte aber nicht von Gott, daß er ihn von diesen Leiden erlöscte. m. Die Hohenpriester und Schriftgclehrtcn lasen in der heiligen Schrift nur den todtcu Buchstaben, aber den belebenden Geist derselben verkannten sie gänzlich, von ihrer Schmäh - und Rachsucht gegen Jcsum verblendet, 105 sonst würden sic gesehen haben, daß an Jesus genau alles dasjenige in die Erfüllung ging, was die Propheten von dem verheißenen Messias, dem Sohne des Menschen, so klar und bestimmt geweissaget hatten. Ihre Gottesläste¬ rung war um so sträflicher, da es ihr Beruf war, die heilige Schrift zu lehren, und doch verschlossen sie selbst ihre Augen vor der klaren Wahrheit. iv. Zu den größten Qualen, welche Jesus an sei¬ nem Leibe litt, kamen die noch weit empfindlicheren Schmerzen hinzu, welche zu gleicher Zeit seine heiligste Seele erfüllten. Auch der größte Verbrecher, welcher sein Verschulden schwer büsset, verdienet und erwecket das Mit¬ leiden der Augenzeugen, aber dem am Kreuze unschuldig für die Augenzeugen selbst leidenden Jesus wurde statt alles Mitlcidens nur frecher Hohn, Schimpf und Spott gezollt. Dabei hat Jesu unendliche Liebe unendlich viel gelitten. Er wollte durch sein Leiden am Kreuze allen Menschen die ewige Seligkeit verschaffen, und er sah unter dem Kreuze Viele, welche sein Leiden verhöhnten, er sah die denselben bevorstehenden Qualen. Er sah sich als den Sohn Gottes verspottet und verworfen, und doch ist alles Heil nur durch ihn, als den Sohn Gottes und Erlöser der Welt zu erlangen. Er sah seinen himmlischen Vater, welchen er unendlich liebte, durch den Unglauben der Juden an seinem Sohne entehret. Kein Sterblicher ver¬ mag es zu fassen, nur Jesus allein weiß es, was seine Seele bei jenen Hohn-, Schimpf- und Spottreden der Juden gelitten hat. — 100 — §. SS. Ungleiches Benehmen der zwei Schächer am Kreuze. i. »Eben dasselbe warfen ihm auch die zwei Ucbcl- thäter lästerlich vor, welche mit ihm gekreuziget waren.« Matth, xxvil. v. 44. Marc. xv. v. 3r. Einer aber von den Uebelthätern, welche gefangen waren, lästerte ihn und sprach: Bist du Christus, so hilf dir selbst und uns. Da antwortete der andere, bestrafte ibn und sprach: Fürchtest du auch Gott nicht, der du in gleicher Verdammst bist? Wir zwar sind mit Recht darin, die wir empfangen, was unsere Thaten verdienet haben. Dieser aber hat nicht Böses gethan. Luc. xxul. v.39-41. ik. Jesus am Kreuze hängend, wurde auch von den zwei Uebelthätern, welche mit ihm gekreuziget waren, gelästert. Allein diese zwei Ucbelthäter waren doch nicht vor Gott gleich strafbar und gleich böse. Nur der eine blieb verstockt bis zu seinem Ende, selbst in seiner Pein, aber der andere, welchen man Dismas und den rechten Schächer nennet, ging von .dem erbarmenden Gott er¬ leuchtet und bewegt, in sich, wurde am Kreuze ein Büs¬ ser und ein vollkommenes Muster eines wahrhaft küssen¬ den großen Sünders. Er lästerte nicht mehr, sondern bestrafte sogar den andern, welcher fortfuhr zu lästern und unter den Lästerungen seinen Geist aufgab. Er be¬ kannte seine Schuld und die Gerechtigkeit der über ihn verhängten Strafe und litt dieselbe willig, er erkannte an den gekreuzigten Jesus seinen Herrn und als den Kö¬ nig im Himmelreiche, und voll des Vertrauens bat er ihn, daß er dort an ihn gedenke. Die Art, wie Jesus am Kreuze litt, und die Wunder, welche sich damahls zu- 107 trugen, machten auf Dismas Herz den rechten Eindruck, er abmte Jesum in dessen Leiden nach. ni. Das Beispiel des bußfertigen Schächers lehret, daß auch ein großer Sünder, wenn er die von Gott ihm augebothene Gnade ergreift, noch am Ende seines Lebens sich bekehren und der Verzweiflung an seinem Seelenheile entrinnen könne. Der Gedanke aber an den unbußferti¬ gen Schächer ist die kräftigste Warnung gegen den Auf¬ schub der Buß? bis zum Tode. Die Kreuzigung der zwei Uebelthäter war der letzte Ruf Gottes zu ihrer endlichen Bekehrung und Buße; der eine benützte dieselbe trefflich zur Rettung seiner Seele und zu seinem ewigen Heile; bei dem andern aber war sein zeitliches Leiden hiernieden nur ein Vorbothe zu jenem in der Ewigkeit. So -ging ein Sünder an Jesu Seite zu Grunde. Eben so eilen auch in der Mitte seiner heiligen Kirche und der Heilsmittel ihrem ewigen Unglücke diejenigen zu, welche di? heilige Kirche und ihre Hcilsmittel verschmähen. §. S6. Theilung der Kleider Jesu nach seiner Kreu¬ zigung. r. »Da nun die Kriegsknechte Jesum gekreuziget hatten, nahmen sie seine Kleider und machten vier Thei- le; für einen jeglichen Kriegsknccht einen Theil, dazu auch ein Nock. Der Rock aber war ungenähet von oben an durch und durch gewirkt. Da sprachen sie untereinan¬ der: Lasset uns ihn nicht zerschneiden, sondern das Los darum werfen, wessen er seyn soll. Damit die Schrift erfüllet wurde, die da spricht: Sic haben meine Kleider unter sich gctheilt, und haben über mein Gewand das 103 Los geworfen.« Psalm, xxt. v. ig. Und zwar dieses thaten die Kricgsknechte. Joan. xrx. v. 23. 24. Luc. xxm. v. 3^. ir. Die Kleider, welche Jesus an hatte, waren seine gesummte zeitliche Habe, und er wollte, daß seine vier Kreuziger dieselben erben und als den Lohn für ihre Hand¬ lung empfangen sollen. Es ist eine herzliche wunderschöne Sage, welche einen jeden, der die Würde Jesu und Ma¬ riä beherzigt, den Beifall abnöthiget, nämlich die aller¬ heiligste Jungfrau und Mutter Gottes habe dem Kinde Jesu einen Rock gestrickt und derselbe sei zugleich mit ihm gewachsen. Jesus der unumschränkte Herr aller Dinge, Himmels und der Erde durfte es nur wollen, so geschah es. m. Die Kricgsknechte wollten den kostbaren Rock Jesu nicht zerschneiden und verderben, sondern sie woll¬ ten ihn ganz erhalten. Ach hätte man doch auch zu jeder Zeit bedacht, welch' ein Gräuel es sei, nicht das Kleid, sondern selbst den mystischen Leib Jesu, seine heilige Kirche, zu zerreißen, die Einheit des Glaubens durch Irrlehren, und die kirchliche Gemeinschaft durch Spaltungen zu zer¬ stören. §.57. Worte, welche Jesus am Kreuze gesprocheu hat. Bitte für seine Peiniger und Lästerer. 1. Die Worte unseres am Kreuze leidenden und sterbenden Erlösers sind für Gerechte und Sünder, bei Lebzeiten und im Tode ein Gegenstand der innigsten Be¬ herzigung seiner Schmerzen. Wie uneingedenk seiner Lei¬ den beschäftigte er sich mit der fortwährenden Sorge für das Heil aller Menschen. 109 ii. Die allerersten Worte, welche unser göttliche Erlöser am Kreuze gesprochen hat, waren eine kindliche Bitte, welche er an seinen himmlischen Vater für seine Peiniger und für die unter dem Kreuze lästernden Fein¬ de richtete »Vater! sprach er, vergib ihnen, denn sie wis¬ sen nicht was sie thun.« Luc. xxm. v. 34. Vor Jesus hat Niemand noch für seine Feinde gebe¬ tet; er war es, der ein ganz neues Gebot gab, näm¬ lich selbst die Feinde zu lieben, für sie zu beten, und ihnen Gutes zu erweisen. Selbst die Jünger Jesu bete¬ ten, erst durch sein Beispiel belehret, für ihre Feinde und Peiniger. So betete der Diakon Stephan und Ja¬ cob der kleinere, erster Bischof von Jerusalem, für ihre Steiniger. HI. Jesus Christus entschuldigte bei seinem himmli¬ schen Vater seine Peiniger und Lästerer mit ihrer Unwis¬ senheit. Aber wer waren jene Unwissenden, welche nicht wußten, was sie thaten? Es waren die bei der Kreuzi¬ gung anwesenden, mitwirkcndcn und mitlästernden Heiden und die gemeinen unverständigen Juden, welche bloß aus Schmeichelei und blindem Eifer die Hohenpriester nacbabm- ten. Allein die Unwissenheit der Hohenpriester, Schrift¬ gelehrten und Pharisäer, welche die heilige Schrift lasen, lehrten und erklärten, war von einer ganz andern Art; denn nur Mißgunst, Neid und Rachsucht gegen Jesum verblendeten ihren Verstand, daß sie die Weissagungen der Propheten von dem von Gott verheißenen Messias ver- drebetcn, und die von Jesus gewirkten Wunder seinem Einverständnisse mit Beelzebub, dem obersten der Teufel, zuschrieben. Luc. xi. v. i5. Ucbrigens war doch auch auf Seite der Hohenprie¬ ster, Schriftgelehrten und Pharisäer eine wahre, obschon verschuldete Unwissenheit. Daher sprach auch Petrus zn 110 den Juden: Ich weiß meine Brüder, daß ihr und euere Obersten es aus Unwissenheit gethan habet. Apostelgesch. ui. v. 17. Nun auch für diese betete Jesus am Kreuze, um dieselben doch zum Thcile zu entschuldigen. iv. Um wie viel leichter könnten wir nicht oft un¬ sere irrenden und fehlenden Mibrüder entschuldigen, aber leider aus Lieblosigkeit denken wir oft nicht cinmahl an eine Entschuldigung unseres Nächsten, sondern wir pfle¬ gen oft seine Schuld auch zu vergrößern, und lieber das, was dieselbe vergrößert, als was dieselbe vermindert, zu denken und zu glauben. §. S8. L. Jesus sichert dem bußfertigen Schächer das Paradies zu. 1. »Er sprach zu Jesus: Herr gedenke meiner, wenn du in dein Reich kommen wirst. Und Jesus sprach zu ihm: Wahrlich sage ich dir, heute wirst du mit mir im Paradiese seyn.-- Luc. xxiu. v. 42. 4Z. Jesus beschränkte sein Gebet nicht auf jene Peini¬ ger und Lästerer unter dem Kreuze, sondern er betete für alle, für die damahligen und künftigen Sünder. Die Frucht seines Gebetes offenbarte sich zuerst an der Be¬ kehrung eines mit ihm gekreuzigten Uebelthäters, welcher reumüthig, vertrauensvoll zu ihm sprach: Herr gedenke an mich, wenn du in dein Reich kommen wirst. n. Weil dieser Uebelthäter, die ihm zur Bekehrung angcbothene Gnade angeommen und benützet hat, so be¬ lohnte ihn Jesus mit einer neuen unendlichen Gnade mit der eidlichen Zusicherung, daß er noch am nämlichen Abend mit ihm im Paradiese, dem Orte der ewigen Ruhe und der ewig Glückseligen seyn werde. Jesus ließ ihm nicht 111 nur alle Sünden und die ewigen, sondern auch alle zeit¬ lichen Strafen im künftigen Leben nach. So belohnet er seine eigenen Gnaden, welche er uns verleihet, wenn wir uns dieselben durch den Gebrauch zneignen. Durch den am Kreuze leidenden und den himmlischen Vater für uns fürsprechenden Jesus können auch wir eben so, wie der bußfertige Schächer von Gott begnadiget werden, wenn wir, nachdem wir schwer gesündiget haben, wahre Buße wirken; das Kreuz Jesu ist der Thron der unend¬ lichen Barmherzigkeit Gottes. m. Noch heute wirst du mit mir im Paradiese seyn. Die am Kreuze von dem Leibe geschiedene Seele Jesu ist in den Ort hinabgestiegen, welcher die Vorhölle heißt, wo die frommen Seelen des alten Bundes ihre Erlösung erwarteten und aufgehalten wurden. O Wonne jener Frommen, als sie ihren göttlichen Erlöser erblickten und ihre Gefangenschaft geendiget sahen! Beim Eintritte Jesu in die Vorhölle verwandelte sich dieser Ort in ein Para¬ dies, und in dieses Paradies folgte sogleich der am Kreu¬ ze verblichene gute Schächer Jesu nach. §. SS. Maria die schmerzenvolle Mutter Jesu, und Johannes sein geliebter Jünger. i. Bevor als Jesus mit seinen Jüngern nach Jeru¬ salem in den Tod ging, nahm er von seiner gcliebtesten Mutter den Abschied und kündigte derselben an, die von seinem himmlischen Vater bestimmte Zeit sei heran gekom¬ men, nach Jerusalem zu gehen, wo er von den Juden den Heiden überantwortet, verspottet, gegeißelt und ge- krcuziget werden wird. Wer vermag den Schmerz zu schildern, den Maria bei dieser Ankündigung in ihrem 112 Herzen empfand, was in ihrem mütterlichen Herzen, in dem Herzen der Mutter Jesu vorging, in dessen Gemein¬ schaft sic drei und dreißig Jahre eine himmlische Wonne genossen hatte. Es war die letzte Unterredung Jesu mit seiner Mntter. In Jerusalem sah sie wohl noch Jesum, aber er war von seinen Feinden umrungen und es war ihr keine Rede mehr mit Jesus gestattet. Doch nach dem Beispiele ihres göttlichen Sohnes, in den allerhöchsten Willen Gottes vollkommen ergeben, brachte sie Gott die¬ ses größte von ihm geforderte Opfer willig dar. ii. Maria ging mit einigen frommen Frauen, Ma¬ ria Cleophä, Maria Salome aus Galiläa, Jesu nach Jerusalem nach. Die Liebe zu ihrem göttlichen Sohne konnte nicht anders thun, als daß sie an seinem ganzen Leiden Theil nahm und ihn bis zum Grabe begleitete. Welch' ein entsetzlicher Unterschied zwischen dieser und je¬ ner Reise nach Jerusalem, welche sie mit dem zwölfjäh¬ rigen Jesus in Begleitung des heiligen Joseph dahin zum erfreulichen Osterfeste machte. Aber jetzt reiset sie ohne Jesns, ohne Joseph, zur Kreuzigung ihres aus dem Him¬ mel erhaltenen Sohnes. m. In Jerusalem höret sie nächtlicher Weile plötz¬ lich einen großen Lärm und vernimmt, daß Jesus, wie ein Verbrecher gebunden, cingebracht wurde. Nun befand er sich in der Gewalt seiner geschworensten und frechesten Feinde. Bangvolleste Nacht für seine zärtlichste Mutter! des Morgens sieht sie ihn schon von dem hohen jüdischen Rathe zum Tode vernrtheilt, zum römischen Laudpflegcr Pilatus führen, damit dieser ihn kreuzigen ließe. Darauf sieht sie ihn gegeißelt, und mit Dörnern gekrönt. Sic begleitet ihn mit dem Kreuze beladen ans die Schädelstättc. Sie sieht ihn kreuzigen, und drei Stunden lang am Kreuze leiden und sterben. Maria wurde die Königinn der -115 Märtyrer, und als Mutter des leidenden Sohnes Gottes machte sic sich eben durch ihre schmerzlichste Theilnehmung an seinem Leiden des Berufes würdig, die Mutter Got¬ tes zu seyn, und Gott verlieh ihr die zur Erfüllung ih¬ res erhabensten Berufes nothwcndige Stärke. iv. Johannes, der geliebte Jünger des Herrn, folgte ihm, als er von seinen Feinden auf dem Oehlberge ge¬ fangen genommen wurde, in die Stadt nach und ging mit Jesus in den Hof des Hohenpriesters Caiphas, dem er bekannt war, hinein. Joan. xvm. v. >5. und war Augenzeuge von allen, was vom Anfänge bis zum Ende mit Jesus vorging. Er war auf dem Calvarienberge bei der Kreuzigung Jesu zugegen und stand unter dem Kreuze. Es ist auch nicht zu übersehen, daß er diesmahl zu Jerusalem der schmcrzvollesten Mutter seines geliebten Meisters allen Beistand leistete. §. «V. 6. Worte, welche Jesus am Kreuze zu Maria uud zu Johannes gesprochen hat. t. »Cs standen aber neben dem Kreuze Jesu seine Mutter, seiner Mutter Schwester Maria Cleophä, uud Maria Magdalena. Da nun Jesus seine Mutter und den Jünger dabei stehen sah, den er lieb hatte, sprach er zu seiner Mutter: Weib! sieh deinen Sohn! Darauf sprach er zu dem Jünger: Sieh deine Mutter! und von dersel¬ ben Stunde an nahm sie der Jünger zu sich.« Joan. xix. v- 2Z-27. 11. Von den Sündern, für welche Jesus zuerst am Kreu¬ ze den himmlischen Vater gebeten hat, wendete er sich zu seiner heiligsten Mutter, welche neben dem Kreuze stand. Sic stand aufrecht, zwar mit tief verwundetem Herzen, tt 114 aber nicht wchcklagend, sondern das Leiden ihres göttli¬ chen Sohnes ans dem Gesichtspunkte der Menschen-Erlö- sung ansehend und betrachtend nach dem Beispiele des lei¬ denden Erlösers in den Willen des himmlischen Vaters gänzlich ergeben. Sie litt unerschütterlich nach dem Glau¬ ben. Jesus sprach zu seiner Mutter: Weib, sieh deinen Sohn! Bei dem Tode lösen sich die irdischen Verhältnisse auf. Dieses geschah um so viel mehr auch hier, da Je¬ sus auf dem Kreuze über die Erde erhöhet, nur als der Sohn Gottes das große Werk der Menschen - Erlösung wirkte, und nur als solcher sich als das Versöhnnngsopfer für die Sünden der Welt seinem himmlischen Vater auf¬ opferte. Daher nannte er hier Maria nicht seine Mutter, sondern ein Weib, und sich selbst nicht ihren Sohn. Er gab ihr aber zu ihrem Troste und zu ihrer Stütze für die kurze Zeit, welche sie hienieden von ihm getrennt noch zuzubringen hatte, einen andern zum Sohne, seinen ge¬ liebten Jünger Johannes, diesen reinsten und liebevoll¬ sten Jüngling, welcher der würdigste war, die Stelle Je¬ su bei dessen Mutter zu vertreten. m. Zu Johannes sprach Jesus: Siehe deine Mut¬ ter! Glückseligster Johannes! deine Unschuld, deine thäti- ge Liebe gegen die bedrängte Mutter Jesu, und deine Anwesenheit bei dem gekreuzigten Jesus haben dich so über die Massen beglückt. Weil nun Jesus Christus selbst sich gewürdigt hat, zu versichern, daß er alle diejenigen als seine Brüder und Schwestern anerkennen wolle, welche nach seinem Evangelium den Willen des himmlischen Va¬ ters erkennen und thun, so wird auch die Mutter Jesu die Unschuldigen und Büsser, welche zu ihr die Zuflucht nehmen, als ihre Kinder anerkennen, denn die heilige Kirche selbst ruft die Gottesgebärerinn an, als das Heil 115 der Kranken, die Zuflucht der Sünder, die Trösterinn der Betrübten, die Hilfe der Christen. Sie ist eine Mut¬ ter aller Cbristgläubigen und sie sind ihre Kinder. Dieser Bcinahme ist wieder ein über alle irdischen Hoheiten er¬ habener und kräftiger Titel eines Christen. Allein Maria tröstet und hilft nur nach dein Wohlgefallen Gottes, den sie über alles liebt. iv. Jesus wirkte am Kreuze öffentlich die größten Dinge, und doch sahen und erkannten es seine Feinde nicht. Er zeigte, daß er der Sohn Gottes ist, da er sprach: Vater! vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie thun. Er legte seine unendliche Barmherzigkeit gegen die größten Sünder, und sein sehnlichstes Verlangen für das Heil derselben au den Tag. Und so bald der zu sei¬ ner Rechten gekreuzigte Ucbelthäter seine Ucbeltbaten er¬ kannt und bereuet hat, sicherte er ihm sogleich die Auf¬ nahme in das Paradies als Herr des Paradieses zu. Er machte auch über das theuerste Zeitliche, was er hinter¬ lassen hat, ein wunderschönes Testament und vermachte seiner verwaisten Mutter an Kindesstatt seinen geliebten Jünger Johannes, und seinem liebenswürdigsten Jünger gab er zur Belohnung seiner Liebenswürdigkeit seine hei¬ ligste Mutter zur Mutter. Die Kreuzigung hinderte ihn nicht, nach seinem Wohlgefallen wie vorhin zu wirken, vielmehr war ihm die Kreuzigung ein neue Gelegenheit zu Wirkungen, welche nur jetzt Statt hatten. §. 61. D. Jesus klagt über seine Verlassenheit von Seite Gottes. i. »Um die neunte Stunde rief Jesus mit lauter Stimme und sprach: Eli! Eli! lamma sabaethani? das tt * 110 ist: Mein Gott! Mein Gott! warum hast du mich ver¬ lassen? Etliche aber, welche daselbst standen und dieses höreten, sprachen: Dieser rüst den Elias.« Matth, xxvn. v. 46. Marc. xv. v. Z^. 35. Il. Endlich wendet sich Jesus, als der Verlassenste aller Menschen, an Gott, und beschäftigt sich nun einzig für sich mit Gott. Und was ist wohl dasjenige, was er zu allererst Gott vorträgt, und was er am schmerz¬ lichsten empfindet ? Es sind- nicht die Schmerzen der Wun¬ den an seinen Händen« und Füßen, nicht seine noch so großen und anhaltenden körperlichen Leiden, sondern es war die Verlassenheit und der Mangel alles Trostes von Seite Gottes, als ob Gott auf ihn gänzlich vergessen hätte. Da sammelt Jesus die noch wenigen übrigen Kräf¬ te zusammen, und ruft mit lauter Stimme: Mein Gott! Mein Gott! warum hast du mich verlassen? So rief Da¬ vid im prophetischen Geiste aus: Mein Gott! ich rufe des Tages, und du hörst nicht. Psalm, xxi. v. 2. Die rö¬ mischen Soldaten, welche die Worte Eli, Eli, nicht ver¬ standen , glaubten, daß Jesus den Elias rufe. Iil. Ein Sünder verläßt Gott, und verdient eben deswegen auch von Gött verlassen zu werden. Diese Der- lassung von Gott ist die natürlichste Folge und Strafe der Sünde. Da nun Jesus die Sünden der ganzen Welt auf sich genommen und am Kreuze gcbüsset hat, so ist leicht begreiflich, warum ihn Gott auch jene natürliche Strafe der Sünde hat empfinden lassen. Es kann aber nichts so Schreckliches gedacht werden, als es ist von Gott verlassen zu sepn. Dieser Gedanke, von Gott verlassen zu werden und ewiglich verlassen zu scyn, ist selbst in der Hölle die allergrößte Pein. Eben dieses lehrte Jesus, da er am Kreuze einzig über seine Verlassenheit von Seite GotteS so nachdrucksvoll klagte. Daher soll auch 117 ein jeder Sünder rufen: Mein Gott, mein Gott, ver, laß, verstoß mich Sünder nicht! §. «2. Der Durst Jesu am Kreuze. l. »Darnach als Jesus wußte, daß alles vollbracht war, damit die Schrift erfüllet würde, sprach er: Mich dürstet. Und es war ein Gefäß dahin gesetzt voll Essig. Sie legten aber einen Schwamm, der mit Essig gefüllt war um einen Jsop, und hielten ihm denselben an den Mund.-- Joan. xix. v. 28. 29. ik. Es war gebräuchlich, daß dort, wo die Kreuzi¬ gung vor sich ging, ein Gefäß voll Essig hingestellt wur¬ de, um die zu Kreuzigenden und Gekreuzigten in ihrer Ohnmacht zu laben, damit sie länger lebten und länger litten, und eben daher das schnelle Verbluten zu verhin¬ dern, denn der Essig auf die Wunden gelegt, ziehet die¬ selben zusammen. Ein solches Gefäß voll Essig war auch bei der Kreuzigung Jesu vorhanden. Gleich darauf, als Jesus gerufen hatte: Eli, Eli, lamma sabacthani! sprach er: Mich dürstet. Und alsogleich lief einer von ihnen, nahm einen Schwamm, und füllte ihn mit Essig und hcf- tere denselben an ein Jsoprohr, und gab ihm zu trin¬ ken, den Schwamm an den Mund haltend. Die andern aber sprachen: Halt, lasset uns sehen, ob Elias komme und ihn errette. Matth, xxv«. v 48. 49. Marc. xv. v. 35. 36. m. Der Durst Jesu war natürlich und überaus groß, nachdem er bei der Geißelung, Krönung mit Dör¬ nern, und hauptsächtlich bei der Durchbohrung der Hände und Füße fast alles Blut verloren hat. Allein dieser Durst und diese Tränkung mit Essig erfolgte, damit die Schrift 118 erfüllet wurde. Psalm. r.xvm. v. 22. Sie gaben mir Galle zur Speise, und in meinem Durste tränk¬ ten sie mich mit Essig. Jesus also äußerte seinen Durst nicht deswegen, um denselben zu stillen, sondern um durch seine Tränkung mit Essig die obige Schriftstelle zu erfüllen, welche von dem verheißenen Messias redete, und um ein Kennzeichen mehr zu geben, daß er der ver¬ heißene Messias sei. §. «Z. k'. Ende des Leidens Jesu am Kreuze. I. »Als nun Jesus den Essig genommen hatte, sprach er: Es ist vollbracht.« Joan. xix. v. 3o, Es ist vollbracht, das heißt, es ist nun alles aus das Genaueste erfüllt, was von mir geweissaget wurde, und was ich nach dem Auftrage meines himmlischen Baters für das Heil der Menschen zu leiden hatte. Es gibt nichts mehr, weßwegen ich noch länger in diesem sterbli, chen Leben wandeln sollte. Wer vermag wohl die Wonne zu fassen, welche Jesu Herz selbst in seinem bittersten Leiden bei dem Bewußtseyn überströmte, drei und dreißig Jahre seines sterblichen Lebens unausgesetzt und unermü¬ det in den Dingen, welche die Ehre Gottes und das Heil der Menschen zum Ziele hatten, zugebracht und am Ende nebst den übrigen Qualen die schmähliche Kreuzi¬ gung nur aus Liebe zu Gott und den Menschen auch seine Feinde und Peiniger liebend überstanden zu haben; denn je größer das mit Ergebung in den Willen Gottes er¬ tragene Leiden ist, desto beseligender ist es, wenn der Zeitpunct kommt, wo man sagen kann: Es ist vollbracht. I1. Auch für einen jeden aus uns wird der letzte Zeitpunkt kommen, der für die ganze Ewigkeit entschei- N9 den wird. Auch für die Lebensdauer eines jeden aus uns hieniedeu hat Gott nach seiner unendlichen Weisheit An¬ genehmes und Unangenehmes bcschiedcn. Höchst glücklich ist derjenige, welcher das Angenehme zur Ehre Gottes angewendet, und das Unangenehme mit williger Erge¬ bung in den göttlichen Willen ertragen hat. Aber höchst unglücklich wird derjenige seyn, welcher die von Gott empfangenen Güter zu seiner Beleidigung gemißbraucht, und bei den zu seiner Heiligung verhängten Widerwär¬ tigkeiten die Hand Gottes nicht erkannt, die Leiden nicht mit christlicher Geduld ertragen hat, und dem unbußfer¬ tigen Schächer gleich geworden ist. Wenn wir immer an das Ende unserer irdischen Laufbahne gedächten, wie be¬ hutsam würden wir nicht wandeln. m. Um geduldig, ja sogar freudig zu leiden, soll man immer zugleich an den unaussprechlichen Lohn den¬ ken, welchen man im künftigen Leben dafür zu hoffen hat; der heilige Paulus schreibt: Ich halte dafür, daß die Leiden dieser Zeit mit der künftigen Herrlichkeit, die an uns offenbar werden soll, kein Verhältniß haben. Röm. vin. v. 18. Und wieder: Kein Auge hat cs gesellen, kein Ohr hat es gehört, und in keines Menschen Herz ist es gekommen, was Gott denjenigen bereitet hat, welche ihn lieben, i. Cor. n. v. 9. iv. Der hohe jüdische Rath ließ einstens alle Apo¬ stel insgesammt geißeln. Sie gingen aber fröhlich von dem Angesichte des Rathes weg, weil sie für würdig ge¬ achtet wurden, um des Namens Jesu willen Schmach zu leiden. Apostclgesch. v. v. 12-41. Eben so empfingen Paulus und Silas zu Philippi in Makedonien viele Schlä¬ ge und wurden ins Gcfängniß geworfen, aber zu Mit¬ ternacht beteten sie und lobten Gott. Apostelgesch. xvi. v 19-25. 120 v. Die Leiden dieser Zeit, sie mögen körperlich oder geistig seyn, sind am meisten geeignet die Sinnlichkeit dem Geiste zu unterwerfen, die Leidenden von den Sün¬ den zu reinigen, sie weise und Christo gleichförmig zu machen, und zum ewigen Heile zu führen. Jesus unser göttlicher Lehrmeister hat mit seinem Beispiele uns den Weg zum Himmelreiche gezeigt, und einen andern gibt es nicht dahin zu gelangen. Er ist durch das Leiden in seine Herrlichkeit eingegangen. Luc, xxiv, v. ?6, §. G-L. o. Die letzten Worte Jesu am Kreuze. I. »Da nun Jesus den Essig zu sich genommen und mit lauter Stimme gesprochen hatte; Es ist vollbracht, rief er abermahls laut aus; Vater in deine Hände em¬ pfehle ich meinen Geist. Und er neigte das Haupt und gab den Geist auf.« Luc, xxm. v. 46. Joan, xix. v. 3o. Matth, xxvii. v. 5o, Marc, xv, v. 37. Ii. Das erste und letzte Wort, welches Jesus am Kreuze gesprochen hat, war; Vater! Vater vergib ihnen! Vater in deine Hande empfehle ich meinen Geist. Das heißt wieder: Vater von dir bin ich ausgegangen, ich habe hienieden alles erfüllt, was du mir aufgetragen hast; ich sehne mich nach dir, zu dir kehre ich zurück: Vater! nimm meinen Geist auf. Diese Stimmung Jesu im Tode hing genau mit seinem vorhergegangenen Leben zusammen. Denn bei allem, was er that und lehrete, beabsichtigte er nur die Verherrlichung seines himmlischen Vaters und die Erfüllung seines Willens, iu. Jesus der eingeborne Sohn Gottes des himm¬ lischen Vaters stellte auch den Menschen Gott als ihren Vater dar. Das erste Wort des Gebetes, welches er 121 seine Jünger gelehret hat, ist: Vater, Vater unser, der du bist in dem Himmel. Er stellte die Regierung Gottes unter dem lieblichen Bilde der väterlichen Fürsorge Got¬ tes für die Menschen dar, und ermahnte seine Jünger, daß sie sich nicht um den zeitlichen Lebensunterhalt küm¬ merten, indem der himmlische Vater weiß, was sie be¬ dürfen, sie sollen ihn nur darum bitten und er wird es ihnen geben. Als Jesus seinen Jüngern sein Hinscheiden von dieser Welt ankündigte, sprach er, um sie zu trösten, weil sie darüber sehr betrübt wurden: Es ist gut, daß ich hingche; ich gehe zu meinem und euerem Vater. Diese unaussprechliche Gnade, daß wir als Kinder Gottes an¬ genommen werden, hat uns Jesus durch die Annahme der menschlichen Natur und durch seinen Tod am Kreuze erworben. Er hat sich gewürdiget, alle diejenigen, wel¬ che den Willen des himmlischen Vaters thun, als seine Brüder und Schwestern anzuerkennen, die folglich mit ihm den himmlischen Vater gemeinschaftlich haben. iv. Werden nun auch wir nach Jesu Lehre und Bei¬ spiele in unserm Leben die Pflichten der Kinder Gottes treu erfüllt und Gott über alles geliebt haben, so wird auch uns die Scheidung von dieser Welt durch den Tod nicht nur nicht schwer fallen, sondern wir werden uns nach dem Hingange in das wahre und ewige Leben auch sehnen, um unfern Schöpfer, Erlöser und Heiligmacher in der Gemeinschaft aller Auscrwählten ewiglich anzu¬ schauen, anzubelen und zu preisen. §. 6S. Unsterblichkeit des menschlichen Geistes. i. Es ist zwar nicht leicht gedenkbar, daß ein Christ an der Fortdauer des menschlichen Geistes nach der Auf- 122 lösung des Leibes mich nur im mindesten sollte zweifeln können, indem ein jeder Glaubenssatz und ein jedes Sit¬ tengesetz der christlichen Religion die ewige Fortdauer des menschlichen Geistes offenbar voraussctzt. Sollte es doch aus irgend einer bösen Ursache, aus Verirrung des unge- läutcrten Verstandes oder aus Ueberwiegenheit des ver¬ dorbenen Herzens geschehen, daß Jemand so unglücklich wäre zu wähnen, daß mit dem Tode des Leibes das Schick¬ sal des Menschen beendiget sei, der bedenke, daß den Leib des Menschen ein von dem Leibe wesentlich verschie¬ dener Geist belebe; indem Gott der Herr den Leib des ersten Menschen aus Leimerde gebildet, und in sein An¬ gesicht einen belebenden Geist eingeblasen hat. Gen. n. v. 7. Nach seinem Ebenbilde, ja nach seinem Ebenbilde, sagt es die heilige Schrift nachdrücklich wiederholend, hat Gott den Menschen erschaffen. Gen. 1. v. skl. Gott aber ist ein Geist, folglich kann auch der Mensch nur dem Geiste, nicht dem Leibe nach Gott ähnlich seyn. Der Tod ist nur die Trennung des Geistes von dem Leibe; aber der Geist setzt nach dieser Trennung sein Daseyn fort, und wird es ewiglich fortsetzen. 11. Um sich von diesen wichtigsten, nicht von dem schwankenden menschlichen Verstände, sondern von der un¬ fehlbaren göttlichen Offenbarung eingegebenen Wahrheiten zu überzeugen, so beherzige der unglückliche Zweifler, alles andere bei Seite gesetzt, nur folgende Puncte der Lei¬ densgeschichte Jesu: ->) Jesus der weiseste Lehrer, der heiligste, den man keiner Sünde beschuldigen konnte, der große Wunderthä- ter, der Sohn Gottes litt die bittersten Qualen, die schmerzlichste Kreuzigung, warum? Um die Menschen von dem ewigen Untergänge zu erlösen und ewig selig zu ma- 123 chcn. Es beginnt nach diesem kurzen Leben ein ewiges Leben, obschon der Leib in die Verwesung übergeht. i>) Jesus bittet am Kreuze seinen himmlischen Vater für seine Feinde und Peiniger, warum? damit sic im an¬ dern Leben nicht gestraft würden. o) Jesus sichert dem bußfertigen Schächer das Para¬ dies zu, dahin kam aber nicht sein entseelter Leib, son¬ dern sein Geist. a) Jesus selbst empfiehlt seinen Geist in die Hände seines himmlischen Vaters. Sein verblichener Leib wird zwar ins Grab gelegt, aber sein Geist begibt sich in den Ort, wo die Frommen des alten Bundes auf ihre Erlö¬ sung durch den verheißenen Messias harreten, und er selbst brachte ihnen die sehnlichst erwartete Kunde, daß nun ihre Wünsche erfüllt sind. Unglücklicher Zweifler! du stehest da wie ein Son¬ derling selbst hinter die Wilden gestellt, welche doch aus einem natürlichen Gefühle und Bedürfnisse ihres Herzens ein künftiges Leben ahnen. Es ist nicht Weisheit, wel¬ che der Weisheit der Weisen widerspricht. §. 6« Schauervolle Ereignisse, welche sich zmrugen, als Jesus am Kreuze litt und starb. !. Es war um die sechste Stunde, und cs ward eine Finsterniß über den ganzen Erdboden bis um die neunte Stunde. Die Sonne wurde verfinstert. Marc. xv. v- 3Z. Dieses geschah nach unserer Art die Stunden des Tages zu zählen, um 12 Uhr Mittags, und dauerte bis drei Uhr Nachmittag, da Jesus den Geist aufgab. Die schauervollc Sonnenfinsteruiß trug sich zur Zeit des Vollmondes zu, zu einer Zeit, zu welcher eine Son- uenfinsterniß nach dem gewöhnlichen Laufe der Natur un¬ möglich ist. Dyonisius, ein Areopagit, Mitglied des gro¬ ßen RatheS zu Athen im Griechenlande, welcher in der Zeitfolge von dem Apostel Paulus für das Christentum gewonnen, Apostclgesch. xvn. v. Z4 und als der erste Bischof von Athen eingesetzt wurde, hat jene Sonneu- finstcrniß beobachtet, und hat sich über dieselbe dermas¬ sen entsetzt, daß er glaubte, entweder gehe die ganze Natur zu Grunde, oder selbst der Urheber der Natur leide darunter. Als ihm nun Paulus Jesum den Ge¬ kreuzigten verkündigte, war seine Errinnerung an jene Sonnenfinsterniß zu seiner vollen Ueberzeugung hinläng¬ lich, daß Jesus der Sohn Gottes sei. il. »Der Vorhang des Tempels zerriß in zwei Stücke, von oben bis unten herab.« Matth, xxvu. v. 5i. Sowohl die mosaische Stiftshütte, als der späterhin an deren Stelle erbaute salomonische Tempel in Jerusalem wurden ganz nach der Anordnung Gottes erbaut. Beide bestanden aus zwei Abteilungen, von denen die erste das Heilige, die zweite aber, die innere und kleinere, das Hei¬ ligste hieß. Im Heiligen geschahen die priesterlichen Verrich¬ tungen; das Heiligste aber war Gott allein als dessen Wohnung geweiht. Darin befanden sich die Heiligtü¬ mer des von Gott auscrwählten Volkes, als die Vundcs- lade mit den Tafelgcsetzen, das Gefäß mit Mana, der Stab Aarons. Selbst dem Hohenpriester war nur ein¬ mahl im Jahre, nämlich am Versöhnungsfeste, den zehn¬ ten des siebenten Monates, der Eintritt in das Heiligste gestattet. B. Levit. Cap. xvi. Das Heiligste wurde mit einem Vorhänge verhüllet, und von dem Heiligen geschieden. Nun dieser Vorhang des Tempels zerriß in zwei Stücke von oben bis unten herab. Matth, xxvu. v. 5i. Marc. xv. v. 36. ar cb d< d< di di ci u e s' h n d s c? e s < 125 Dieses geschah im Augenblicke des Hinscheidcns Jesu am Kreuze im Angesichte und zum größten Schrecken des eben im Tempel, im Heiligen, das Abendopfer verrichten¬ den Priesters. Da geschah die große Scheidung zwischen dem alten und neuen Bunde. Denn durch den Tod und die Auferstehung Jesu wurden die sehnlichsten Wünsche der frommen Altväter erfüllt, die Vorbedeutungen des alten Bundes, wie jene des Osterlammes klärten sich auf und gingen in die Wirklichkeit über, die vormahligen Ge¬ heimnisse hörten auf Geheimnisse zu seyn, was vorhin eine Glaubenslehre war, wurde jetzt zur offenbaren That- sache. Der Vorhang fiel, der das Heiligste verhüllte. m. Im neuen Bunde ist das Allerheiligste jenes himmlische Mana, wovon das Mana des alten Bundes nur eine Vorbedeutung war, welches den dasselbe wür¬ dig Genießenden die Unsterblichkeit verleihet, und wel¬ ches Jesus Christus im letzten Abendmahle zuerst seinen Jüngern ausgespendet, und für immerwährende Zeiten eingesetzt hat. Die Anwesenheit dieses Allerhciligsten macht seine Stätte zum irdischen Himmel, und diese Stätte heißt eigentlich das Haus Gottes. Im neuen Bunde ist der Zutritt zu jenem Allerheiligsten und selbst zu dessen Em¬ pfange jedem Gläubigen und zu jeder Zeit gestattet. Aber nicht nur gestattet ist dieser Zutritt, sondern der ver¬ menschte Gott ladet seine Gläubigen zugleich freundlich und liebreich zu sich ein, da er spricht: Kommet zu mir alle, die ihr mit Mühe und Arbeit beladen seid, und ich will euch erquicken. Ja er bcmüßiget sie sogar zu seinem Empfange, zum Erscheinen bei dem Gastmahle, welches er in dem allerheiligsten Sakramente bereitet hat, wenn sie hier das geistliche und dort das ewige Leben zu haben wünschen. Der mit dem heiligen Geiste erfüllte König David hat an dem Mana des alten Bundes und an der 126 Stiftshütte iiir. prophetischen Geiste das himmlische Mana des neuen Bundes vielfältig mit heiliger Begeisterung be¬ sungen, als da er spricht: Herr! du hast einen Tisch vor meinem Angesichte bereitet wider die, welche mich plagen; wie herrlich ist mein Kelch, welcher trunken macht; Psal. xxir. v. 5, und anders wo: Mein Herz ist trocken ge¬ worden, weil ich vergessen habe, mein Brod zu essen. Psalm, ol. v. 5. Gleich wie ein Hirsch Verlangen hat nach den Wasserquellen, so verlanget meine Seele nach dir mein Gott! Psalm. xi,n. v. i. Ich habe mich in dem erfreut, was mir gesagt worden ist (durch die Prophe¬ ten) wir sollen in das Haus Gottes gehen. Psalm, exxi. v. i. Ich habe meine Seele in mir ausgeschüttct, denn ich werde hingehen zu dem Orte des wunderbaren Ta- bcrnakels (der Stiftshütte) bis zum Hause Gottes. Psalm. xi.it. v. 5. §. Anwesende bei der Kreuzigung Jesu: Ihre Ge¬ danken und Gefühle. i. »Als der Hauptmann, welcher dabei stand, sab, was geschehen war, und daß er rufend seinen Geist auf¬ gegeben hatte, pries er Gott und sprach: Fürwabr die¬ ser Mensch war gerecht. Und die ganze Schar derjeni¬ gen, welche da zugegen waren, das, was geschah, anzu¬ schauen, da sie sahen, was sich zugetragen, schlugen sic auf die Brust, und kehrten wieder um.« Luc. xxlil, v. 47. 48. u. Hier ersehen wir die reichlichsten Früchte und die heilsamsten Wirkungen, welche der Anblick des am Kreuze leidenden uud sterbenden Jesus am Kreuze hervorgebracht hat. Ein heidnischer Hauptmann wird gestimmt, den G ui st G di m m ft te li e> L n g d n e A u r r r r l r > < - 127 na >e- ! or il. «e- n. at ch in ie- n. in a, s. e- f- e- i- >- ie r, e c t n Gekreuzigten, den er sonst gar nicht kannte, zu ehren rind zu bewundern, und ohne Zweifel blieb es nicht dabei sondern seine Verehrung ging bald in die Anbetung des Gekreuzigten über. Die große Schar der Zuschauer, Ju¬ den und Heiden, welche aber zur Kreuzigung Jesu nicht nntgewirkt hatten, schlugen auf die Brust, bekannten hic- mit die Heiligkeit des Gekreuzigten, die Gottlosigkeit seiner Feinde und ihre eigene Sündhaftigkeit, und mach¬ ten sich dadurch tauglich zur Empfangung fernerer gött¬ licher Gnaden und für die Erkcnntniß des Christenthnms empfänglich. m. »Es standen auch alle seine Bekannten von Ferne.« Luc. xxiu. v. 49. Es waren daselbst auch viele Weiber, welche Jesu aus Galiläa nachgefolgt waren und ihm gedient hatten (mit ihrer Habe und Aufnahme). Unter diesen waren Maria Magdalena, Maria Jakobs des Klei¬ nern und Josephs Mutter, Frau des Eleophas, welcher ein Bruder Josephs des Nährvaters Jesu war, und die Mutter der Söhne des Zebedäus (Jacobs des Größeren und Johannis) welche auch Salome genannt wird, welche zugleich mit ihm hinauf gegen Jerusalem gekommen wa¬ ren. Matth, xxvn. v. 55. 56. Marc. xv. v. 40. 41. Die so schmerzlichen Gefühle der Bekannten, nämlich der Jünger, Freunde und Verwandten Jesu, welche von Ferne standen und der frommen Frauen, welche ihm aus Galiläa nachgefolgt waren, berührt der Evangelist zwar nicht, cs war aber auch nicht nöthig dasjenige zu erwäh¬ nen, was Niemanden unbekannt seyu konnte. iv. Noch innigere Gefühle und größere Wirkungen, als es dort auf dem Golgatha geschehen ist, soll die Betrachtung des Gekreuzigten in uns Christen erwecke» und bervorbringen, die wir wissen, daß der Gekreuzigte der Sohn Gottes und unser Erlöser ist, der für uns am 128 Kreuze gelitten hat und gestorben ist, den unsere Sün¬ den an das Kreuz geschlagen haben, dem wir ganz an- gchören, indem er uns mit seinem Blute erkauft und uns den Eingang in das ewige Leben eröffnet hat. Lasset uns daher die Pflicht der Dankbarkeit erfüllen, und die Be¬ trachtung des am Kreuze leidenden und sterbenden Erlö¬ sers zu unserer Lieblingsandachtmachen, und wenn uns Gott nach seiner unendlichen Weisheit Kreuz und Leiden zuschickt, dasselbe mit Hinblick auf unfern gekreuzigten Erlöser nach seinem Beispiele mit gänzlicher Ergebung in den göttlichen Willen und als Buße für unsere Sün¬ den ertragen. v. Pilatus verwunderte sich darüber, daß Jesns schon gestorben sehn soll, forderte den Hauptmann zu sich, und fragte ihn, ob Jesus schon wirklich gestorben wäre? Und der Hauptmann bestätigte es. Marc. xv. v. 4/,. 45. Die Ursache dieser Verwunderung war, weil Pilatus Jesu außerordentliche Lebenskräfte zumuthete, indem er gesehen hat, daß Jesus die grausame Geißelung und Krönung mit Dörnern, ohne einen Laut der Klage und des Jammers von sich zu geben, ausgestanden, immer die nämliche Geistesgegenwart und Ruhe des Gemüthcs beibehalten und nichts dazu gethan hat, um sich von dem Leiden und Tode zu befreien. Alles dieses begriff Pila¬ tus nicht, indem er weder Jesu Abkunft kannte noch wußte, warum er sich dem Leiden und Tode unterzogen habe. Allein Jesus starb nicht damahls, da er nach den Gedanken der Menschen sterben sollte, sondern damahls, da es seinem himmlischen Vater gefiel, da die Prophe¬ zeiungen an ihm erfüllt waren und das Werk der Erlö¬ sung vollbracht war, und als er selbst am Kreuze gespro¬ chenhat: Es ist vollbracht. — 129 — §. G8. Eröffnung der Seite Jesu. r. »Die Juden aber, weil es der Rüsttag war, da¬ mit die Leichname nicht am Kreuze blieben, (denn es war der große Tag des Sabbathes) baten sie den Pilatus , daß ihre Beine gebrochen, und sie abgenommen wür¬ den.-- Joan. xix. v. 3i. Es war, wie wir die Tage der Woche zählen, Frei¬ tag, der Vorabend des großen Sabbathes, an dem die Juden das hohe Osterfest feierten. Sie hielten es für ungeziemend wenn die Leiber an diesem großen Feste am Kreuze hingen, und durch deren Anblick die Freude ge¬ trübt würde. Weil aber die Gekreuzigten noch lebten, so mußte man ihren Tod beschleunigen, und dieses ge¬ schah durch den sogenannten Gnadenstoß, indem man durch einen Hammerschlag die Beine am Kreuze brach, worauf der Tod sogleich erfolgte. Die Juden baten nun, daß dieses an den Gekreuzigten geschähe, um dieselben sodann abzunehmen und zu begraben. ii. »Da kamen die Kriegsleute und brachen dem Er¬ sten die Beine und dem Andern, die mit Jesus gekreuzi- gct waren. Als sie aber zu Jesus kamen und sahen, daß er schon gestorben war, brachen sic ihm die Beine nicht, sondern einer von den Kriegslenten eröffnete mit einem Speere seine Seite, und alsbald ging Blut und Wasser heraus.« Joan. xix. v. 32 -34. ui. Die Ursache, warum die Seite Jesu mit einem Speere eröffnet wurde, obschon es weder bei den Römern jcmahls gebräuchlich war, einem Gekreuzigten in das Herz einen Stich zu versetzen, um seinem Leben ein Ende zu machen, noch jener Kriegsmann einen Befehl hatte. 1öO es bei Jesus zu thuu, der bereits verschiede» war, gibt der Evangelist Johannes xix. v. 36. 3?. an, damit die Schrift erfüllet wurde: »Ihr sollet an ihm kein Bein bre¬ chen.« ii. B. Mosis xii. v. 46. Und abermahls spricht eine andere Schrift: »Sie werden sehen (die Juden,) wen sie gestochen haben.« Zach. xn. v. 10. iv. Im ii. Buche Mosis xn. v. 46. ist die Re¬ de von dem Osterlamme, welches die Juden nach der Vorschrift des mosaischen Gesetzes zum Andenken ihrer Befreiung aus der ägyptischen Dienstbarkeit zu Ostern schlachteten und assen, an welchen kein Bein gebrochen werden durfte. Dieses Osterlamm war eine Figur des verheissenen Messias, jenes wahren Osterlammes, welches ebenfalls zu Ostern durch seinen Tod das menschliche Ge¬ schlecht aus der wahren Dienstbarkeit des Satans erlöset und von dem Jsaias Kap.i-m. geweissaget hat: Er ist wie ein Schaf zur Schlachtung geführt worden, und wie ein Lamm vor dem Scherer keinen Laut von sich gibt, so that er auch nicht seinen Mund auf. Z. 6V. Abnahme des Leibes Jesu vom Kreuze. 1. Als Jesus am Kreuze verschieden war, ging Jo¬ seph von Arimathäa, einer Stadt im jüdischen Lande ge¬ bürtig, beherzt zum Pilatus hinein, und bat um den Leichnam Jesu. Und nachdem Pilatus von dem Haupt¬ manne vernommen hat, daß Jesus wirklich gestorben ist, schenkte er ihm den Leichnam. Marc. xv. v. 45. ". Joseph von Arimathäa war ein reicher, from¬ mer und gerechter Mann, ein vornehmer Rathshcrr, der selbst auf das Reich Gottes wartete, ein Jünger Jesu, doch im geheim aus Furcht vor den Juden, der in ihren 151 -t e r r n N s s - t e r ) Rath und Handlungen nicht cingewilligct hat. Matth. XXVII. v. 57. 58. Marc. xv. v. ^jZ. Luc. xxin. v. 5o-52. Ioan. xix. v. 38. Er kam also und nahm den Leichnam Jesu ab. Es kam aber auch Nikodemus, Ioan- xix. v. 3o- einer von den Pharisäern, ein Oberster der Juden, ebenfalls ein heimlicher Jünger, der zuvor bei der Nacht zu Jesu gekommen war, und dem sich Jesus ganz geoffenbaret hat. Joan. m. ui. Von nun an tritt die gänzliche Ohnmacht der Juden gegen Jesum, seiner Feinde, ein, und seine Ver¬ herrlichung nimmt ihren Anfang. Ein hochangesehener Mann, Joseph von Arimathäa, bewirbt sich um den ver¬ blichenen Leib Jesu bei Pilatus, und erhält denselben zum Geschenke, zum größten kostbarsten Geschenke. Dieser heiligste Leib soll nicht schimpflich vom Kreuze abgewor- fcu, und in dem verächtlichen Thale Hinon gleich den entseelten Körpern der Missethätcr verscharet, sondern derselbe soll vom Kreuze ehrfurchtsvoll abgenommen und ehrenvoll begraben werden. Durch den Tod Jesu wurden zwei große Männer unter den Juden, welche bisher nur in geheim Jesu anhingen, Joseph von Arimathäa und Nikodemus seine offenbaren Jünger und seine Beerdiger. Joseph von Arimathäa und Nikodemus wendeten aber auch ihre Gaben und Vorzüge, welche sie von Gott erhalten haben, zur Handhabung der Sache Gottes an. Jesu ehrenvolles Begräbniß. i. Der Anblick des vom Kreuze abgenommenen und durch entsetzliche Wunden zerrißenen Leibes erweckte in d«! Freunden Jesu, welche seinen Leichnam umgaben, dcn heiligsten Schauer, und stimmte dieselbe, zu den beil- 1J2 samsten Betrachtungen. Seine Leiden schwebten ihnen noch a frisch vor den Augen; seine Lehren und Wunderthaten, sein ganzes Leben erneuerte sich lebhaft in ihrem Gedächt- > nisse. Sie staunten über die Geduld und Erhabenheit des ' Geistes, mit welcher er gelitten hat, und nahmen den innigsten Antheil an seiner jetzigen Ruhe. Ein ähnlicher l Schauer soll uns befallen, und ähnliche Betrachtungen ! sollen auch wir anstelle», wenn wir uns bei einem heili- < gen Grabe befinden. Ja unsere Gedanken und Gefühle > müssen noch vollkommener seyn, als jene der Freunde Je¬ su bei der Betrachtung seines vom Kreuze abgenommenen Leichnames waren; denn sie sahen damahls Jesum nur noch als den großen Propheten an, und hielten lediglich nur die Mißgunst und den Haß seiner Feinde für die Ur¬ sache seines Leidens und Todes am Kreuze. Aber wir wis¬ sen, daß Jesus Christus der Sohn Gottes und unser Er¬ löser ist, und daß er unserer Sünden und unseres ewigen Heiles wegen am Kreuze geblutet hat, daß er durch das Leiden in seine Herrlichkeit eingegangen ist, und daß er uns einstens richten wird, ob wir nach seiner Lehre und seinem Beispiele gelebt und das Kreuz getragen haben. n. Nachdem es Abend wurde, ward das Begräbniß veranstaltet, um Jesum, wie bei den Juden der Brauch war, zu begraben. Nikodemus brachte eine Mischung von Spezereien und Aloe unter einander bei hundert Pfund um den Leichnam Jesu zu salben. Joseph von Arimathäa kaufte feine Leinwand, und wickelte den Leib Jesu in die¬ selbe. Joan. xix. v.Zg. 40. Matth, xxvn. v. 5g. Marc, xv. v. 46. Luc. xxm. v. ZZ. nl. Nahe an dem Orte, wo Jesus gekreuziget wur¬ de, war ein Garten, und im Garten ein neues in Fel¬ sen eingehauenes Grab, worein noch Niemand war gelegt worden, und welches Joseph von Arimathäa für sich hat 155 aushauen lassen, daselbst legten sie Iesnm hin, und vor den Eingang des Grabes wälzte er einen großen Stein nnd ging davon. Joan, xix. v. 41. 42. Matth, xxvu. v. 60, IV. Bei dem Begräbnisse Jesu waren zugegen: Ma¬ ria seine heiligste Mutter, und sein geliebter Jünger Jo¬ hannes, dann Maria Magdalena und die andere Maria, (Jacobs und Josephs Mutter) welche dem Grabe gegen¬ über saßen und zusahen, wo Joseph von Arimathäa und Nikodemus den Leib Jesu hingclegt haben, und sie kehrten um, und bereiteten die Spezereien und Salben, und am Sabbathe hielten sie sich zwar still.nach dem Gesetze. Matth, xxvu. v. 61. Marc. xv. v. /,7. Luc. xxni. v. 55. 56. Diese heiligen, allerglücklichsten Seelen waren ge- würdiget, bei den Leiden, Tode und Begräbniße ihres göttlichen Erlösers zugegen zu seyn, und nimmermehr verwischte in ihrem Herzen und Gedächtnisse dasjenige, was sie dort gefühlt und gesehen haben. Bewachung des Grabes Jesu. i. Des andern Tages aber, der auf den Rüsttag folget, kamen die Hohenpriester und Pharisäer insge- sammt zum Pilatus und sprachen: Herr! wir haben uns erinnert, daß dieser Verführer sprach, da er noch am Leben war: Ich will nach drei Tagen wieder auferstehen, darum befiehl, daß man das Grab bewache bis auf den dritten Tag, damit nicht etwa seine Jünger kommen und ihn stehlen, und hernach zum Volke sagen: Er ist von Tobten auferstanden, und also würde der letzte Jrrthum ärger seyn als der erste. Pilatus sprach zu ihnen: Da habet ihr die Wache, gehet hin, bewachet das Grab, 154 wie ihr wisset; sie aber gingen hin, verwahrten das Grab, und sie sammt den Hüthern versiegelten den Stein. Matth. X.XVII. v. 62-66. h. Die verstockten Hohenpriester und Pharisäer, taub gegen die lauteste Wahrheit, und blind gegen die Thatcn Jesu, bekannten doch, aber zu ihrer eigenen nach¬ herigen Widerlegung seine Borhersagung, daß er am drit¬ ten Tage wieder auferstehen werde. Sie ließen daher sein Grab bis zum dritten Tage bewachen und versiegel¬ ten sammt den Hüthern desselben den großen, vor den Eingang des Grabes hingewälzten Stein, damit jeder gewaltsame Einbruch in dasselbe offenbar seyn würde; sie dachten aber gar nicht daran, daß alle diese ihre Vor¬ sichtsmaßregeln zu ihrer nur noch größeren Beschämung ausfallen werden, und daß von nun an in weniger als vier und zwanzig Stunden jene Borhersagung Jesu in die Erfüllung gehen wird. Ein Aehnliches widerfährt allen in ihren Herzen verhärteten Gottlosen; denn ihre bösen, noch so klüglich angelegten Handlungen und An¬ schläge fallen am Ende immer zu ihrer Beschämung und zu ihrem größten und ewigen Nachtheile aus. Ihre ver¬ meinte Klugheit ist vor Gott eine Thorheit. §. -2. Auferstehung unsers Herrn Jesus Christus aus dem Grabe. i. »Die von dem Leibe abgeschiedene und mit der Gottheit vereinigte Seele Jesu Christi ist in die Vorhölle abgestiegen, wo die Seelen der Frommen und Heiligen des alten Bundes ihre Erlösung schnlichst erwarteten, und nur durch die Ankunft und den Anblick ihres Erlösers unaussprechlich beseliget wurden. Ihr Aufenthalt daselbst — — verwandelte sich auf einnMbl in einen Himmel, indem der Sohn Gottes selbst die Glückseligkeit der Auserwähltan mit ihnen war. Allein am dritten Tage, welcher der er¬ ste Tag der Woche war, des Morgens frühe vereinigte sich seine Seele wiederum mit dem Leibe, und er ging aus dem Grabe hervor.« Marc. xvr. v. ig. Dadurch hat er seine Vorhersagung und die Schrift des alten Bundes erfüllt. Denn er verglich sich mit einem Waitzenkerne, welcher zuerst in der Erde vermodcrn^Hleich- sam sterben muß, auf daß er hernach vielfältige Frucht hcrvorbringe. Er verglich sich mit dem Propheten Jonas, welcher von einem großen Meerfische verschlungen und am dritten Tage aus dessen Bauche lebendig auf das Ufer ausgeworfeu wurde. Jonas, n. Dieses Geschlecht, sprach Jesus ist ein schalkhaftes Geschlecht, cs begehrt ein Zeichen, cs wird ihm aber kein anderes Zeichen gegeben werden, als das Zeichen Jonas des Propheten. Denn gleich wie Jonas den Ninivitern ein Zeichen war, so wird der Menschcnsohn diesem Ge¬ schlechte ein Zeichen seyn. Luc. xvi. v. 29. 3o. Gleichwie Ionas drei Tage und drei Nächte im Bau¬ che des Wallfisches gewesen ist, so wird auch des Men¬ schen Sohn drei Tage und drei Nächte im Herzen der Erde scyn. Matth, xir. v. 40, Diese drei großen Tage und Nächte werden von Jesu Gefangennehmung an, welche auf dem Oehlberge geschehen ist, gezählt, weil er dort zu leiden angcfangen hat, und auf sein Leiden der Tod, und auf den Tod das Vegräbniß gefolgt ist. u. Er ist anferstanden. Die moralische Welt war neu geschaffen: Die Dorhölle hörte auf: Der Himmel wurde eröffnet: Der Bau seiner Kirche, dieses irdischen Himmels, wurde vollendet. Seine Gottheit war seinen Jüngern nicht mehr dunkel, sondern offenbar. 156 Weil er sich bis zum Tode, ja bis zum Kreuzestode erniedri¬ get hat, so hat ihn der himmlische Vater erhöhet, und hat ihm einen Nahmen gegeben, welcher über alle Nahmen er¬ haben ist, auf daß sich auf den Nahmen Jesu jedes Knie beuge, im Himmel, auf Erden und unter der Erde. Wir sehen seine Glorie, eine Glorie voll der Gnade und Wahrheit, Bei dem lebhaften Bewußtseyn der Glo¬ rie unseres auferstandcnen Erlösers, und des durch seine Auferjlehung uns wiederfahrcnen höchsten Glückes lasset uns wonnevoll das fröhliche Alleluja anstimmen. §. Die fünf Wundmahle des verklärten Leibes un- fers Herrn Iefus Christus. I. Am verklärten Leibe Jesu Christi verschwand alles vorhin Schwache und Gebrechliche, und jede Spur der Geißelstreiche und Dörner, aber die Mahle der fünf Wunden wollte unser aus dem Grabe hervorgegangcne Heiland auch auf seinem verklärten Leibe in alle Ewig¬ keit beibehalten, Denn gleichwie ihm die durch seine Hän¬ de und Füße geschlagenen Nägel die allergrößten Schmer¬ zen am Kreuze verursachten, eben so schöpfte er nach vollendetem Werke der Menschen-Erlösung auch die grö߬ te Wonne aus den am Kreuze erlittenen Schmerzen; denn keine Freude ist so innig, wie jene, welche auf ein gro¬ ßes verdienstvolles Leiden zu folgen pflegt. Jesu waren die Wunden so viele Zeichen des Sieges, welchen er am Kreuze wider den Satan, wider die Sünde und den ewi¬ gen Tod der gefallenen Menschheit erfochten hat. Il. Christus zeigt seinem himmlischen Vater die Mah¬ le seiner Wunden als bleibende Merkmahlc seiner Liebe 157 i- st r- ie >e e t und seines Gehorsames bis zum Tode am Kreuze. Den Auserwählten zeigt er die Mahle seiner Wunden als Be¬ weise seiner Erbarmung und den Preis, womit er die Schuld der Sünde bezahlt hat. Aber ach! für die Ver¬ worfenen sind dieselben ein ewiger Vorwurf ibres gräu¬ lichen Undankes, nachdem er noch aus seiner Scitenwnn- de den letzten Blutstropfen für ihr Heil vergeblich ver¬ gossen hat. in. Weil Jesus Christus selbst seine Wundmabte so hochgeschätzt, und in denselben der Grund unseres Heiles liegt, so haben auch die Heiligen aller Zeiten gegen die fünf Wunden Jesu eine besondere Verehrung und Andacht getragen. Der Anblick der fünf Wunden erweckte in ih¬ nen die dankbare inbrünstige Liebe gegen ihren Erlöser, Reue über die begangenen, und Abscheu gegen die künfti¬ gen nicht mehr zu begehenden Sünden, Trost und Stärke in Leiden und Widerwärtigkeiten, im Tode sahen sie die¬ selben als das Unterpfand ihres Heiles und der ewigen Seligkeit an. Wir können zwar keine langen Betrach¬ tungen über die erhabenen Geheimnisse unserer heiligen Religion anstellest, aber bei den heiligen Wunden unseres Erlösers kann Jedermann länger verweilen. §. ^4. Auferstehung der Todten zugleich mit Jesus Christus. l. »Die Gräber eröffneten sich, und viele Leiber der Heiligen, die da schliefen, standen auf, und sie gingen aus den Gräbern nach seiner Auferstehung, kamen in die heilige Stadt, und erschienen Vielen.« Matth, xxvir. 5-. 53, Als Jesus Christus aus dem Grabe hcrvorgcgangcn 15U war, wollte er, daß auch die Seelen der Heiligen, wel¬ che in der Vorhölle waren, mit ihren Leibern auferstehcn, und es geschah. Diese starben nicht mehr, sondern Jesus Christus führte sie in den Besitz des Himmels, indem ihr^ Auferstehung der seinigen ähnlich war. Il. Diese Heiligen erschienen solchen Personen, web! che Jesum selbst nach seiner Auferstehung nicht mehr ge¬ sehen haben; allein sie wurden eben durch die Auferste¬ hung und Erscheinung dieser Heiligen um so mehr von der Wahrheit der, von den Jüngern verkündigten Aufer¬ stehung Jesu des Herrn und Urhebers der Auferstehung der Tobten überzeugt. Ili. Die Auferstehung der Tobten war bisher eine Glaubenssache, nun wurde sie eine offenbare Thatsache und neue Bürgschaft für jene Auferstehung der Tobten, welche am jüngsten Gerichtstage bei der zweiten Ankunft des Sohnes Gottes als Richters der Lebendigen und Tob¬ ten geschehen wird. ^5. Herrlichkeit der durch die Auferstehung verklär¬ ten Leiber der Auserwählten. i. Gleichwie die Auserwählten in ihrem irdischen Leben die Leiber zur Ausübung des Guten gebrauchten und heiligten, eben so werden sic auch in der Auferste¬ hung an ihren Leibern verherrlichet werden. Aber die Verherrlichung wird den in ihrem irdischen Leben ausge¬ übten Tugenden, der Liebe, welche sie gegen Gott und den Nächsten hatten, angemessen, und nach Verschieden¬ heit der in diesem Leben gesammelten Verdienste verschie¬ den scyn. Der heilige Paulus erklärt diese Verschieden¬ heit gleichnißweisc folgender Maßen: »Es ist eine andere 159 Klarheit der Sonne, nnd eine andere Klarheit des Mon¬ des, und eine andere Klarheit der Sterne, nnd ein Stern unterscheidet sich durch die Klarheit von dem andern, al¬ so ist es auch mit der Auferstehung der Tobten.« i. Korinth. XV. V. ^I. /,2. ii. Beschaffenheit der verklärten Leiber: Es wird in der Verweslichkeit gesäet, und es wird in der Unver- wcolichkeit auferstehen, b) Es wird in Unchre gesäet, und es wird in der Herrlichkeit auferstehen. «) Es wird in der Schwachheit gesäet, und es wird in der Kraft auf- erstcbcn. n) Es ist gesäet, ein thierischer Leib, und es wird ein geistiger Leib auferstehcn. i. Korinth, xv. v. /,2-/,4. Der verwesliche, unedle, schwache nnd thierische Leib wird sich in der Auferstehung in einen unverweslichen, herrli¬ chen, kraftvollen und geistigen, die Eigenschaft eines Gei¬ stes an sich habenden Leib verwandeln, welcher weder der Speise nOch des Trankes bedürfen, von Schmerz, Tod und Verwesung befreiet, mit dem Geiste nicht mehr, wie in dem noch irdischen Leben im Streite, und dem ver¬ klärten Leibe Jesu gleichförmig seyn wird, der sich augen¬ blicklich, wo er wollte, befand, und bei verschlossenen Thürcn zu den versammelten Jüngern kam. Dem Geiste ist kein Körper undurchdringlich. m. In der Auferstehung der verklärten Leiber der Auserwählten liegt schon hieniedcn der größte und ausrei¬ chende Trost für diejenigen, welche einen siechen Körper herum tragen, und in den Willen Gottes ergeben sind, indem sie wissen, daß sie in der Auferstehung einen voll¬ kommenen, von allen Mängeln und Gebrechen entledig- kcn Leib erhalten werden. — 140 — Z. Große Ereignisse, welche die Auferstehung Je¬ su Christi ankündigten. i. »Es geschah ein großes Erdbeben, nnd die Fel¬ sen zersprangen, denn der Engel des Herrn stieg vom Himmel herab, und trat hinzu, und wälzte den Stein hinweg, und setzte sich darauf. Sein Antlitz war wie der Blitz, und sein Kleid war wie der Schnee.« Matth, xxvii. V. 5i, XXVIII. V. 2. 3. л. »Die Hüther aber erschracken aus Furcht vor ihm (dem Engel) und wurden, als wären sie todt geworden.-- Matth, xxvm. v. »Der Hauptmann sammt denen, die bei ihm waren, und Iesum bewachten, da sie das Erdbeben und was geschah, sahen, fürchteten sich sehr, und sprachen: Dieser ist wahrhaftig Gottes Sohn gewe- wesen.« Matth, xxvn. v. 54. Ihre Furcht kam also nicht nur daher, weil sie das Erdbeben und den mächtigen majestätischen Engel saben, sondern dieselbe rührte noch weit mehr von ihrem bösen Gewissen her, indem sie an der Kreuzigung desjenigen mitgewirkt haben, den sie zuerst als den Gerechten, und jetzt als den Sohn Gottes bekannten, der sich an ihnen zu rächen schien. м. »Die Gräber eröffneten sich, und viele Leiber der Heiligen, die da schliefen, standen auf, und gingen nach seiner (Jesu) Auferstehung aus den Gräbern, kamen in die heilige Stadt (Jerusalem) und erschienen Vielen.« Matth, xxvii. v. 5 a. 53. Die Auferstehung dieser Heiligen geschah nach der Auferstehung Jesu, des Urhebers der Auferstehung, wel¬ cher sie auch bei seiner Himmelfahrt mit sich in den Him- 141 e- IN III er i. m ,« u is e- is ni n d n r n n « r l/ i- mel eingeführt hat. Wäre Jesus allein von den Tobten aufcrstanden, so würde die Auferstehung der Tobten mit ihren Leibern noch eine Glanbenssache geblieben seyn; durch die Auferstehung jener Heiligen ist die Auferstehung der Tobten eine offenbare Thatsache geworden, und jene erste Auferstehung der Tobten bei der ersten Ankunft des Sohnes Gottes auf die Erde war das Vorbild der zwei¬ ten Auferstehung aller Tobten bei seiner zweiten Ankunft am jüngsten Gerichtstage. Die mit ihren Leibern aus den Gräbern hervorgegangenen Heiligen kamen in die heilige Stadt, nämlich Jerusalem, welche heilig hieß, weil allein dort der Tempel war, in welchem der wahre Gott ange- bctet und der von Gott selbst angeordnete Gottesdienst verrichtet wurde. Sie erschienen Vielen, denen Jesus Christus selbst nicht erschienen ist, und setzten durch ihre Auferstehung bei denselben um so mehr seine Auferste¬ hung und das Zcugniß feiner Jünger, denen er erschienen ist, außer Zweifel. §. Bestechung der Hüther des Grabes Jesu Christi. i. »Etliche von den Hüthern kamen in die Stadt, und verkündigten den Hohenpriestern alles, was sichzuge- tragcn hat. Und diese kamen mit den Aeltestcn zusammen, und nachdem sie Rath gehalten, gaben sie den Kriegsleuten viel Geldes, und sprachen: Saget, daß bei der Nacht seine Jünger gekommen sind, und haben ihn gestohlen, indem wir schliefen. Und wenn dieses dem Landpfleger zu Ohren kommen wird, wollen wir ihn wohlrathcn und schaffen, daß ihr sicher seyn sollet. Sie aber nahmen das Geld, und thaten, wie sie angelchret waren. Und das Wort ist 142 bei den Juden bis auf den heutigen Tag ruchbar gewor¬ den.-- Matth, xxvm. v. ii-i5. ii. Um diese von den unverbesserlichen Hohenprie¬ stern und Aeltesten ausgedachte, und in allen ihren Um¬ ständen handgreifliche Luge zu verbreiten, nahmen sie zum Gelbe, zur Bestechung der Hüther des Grabes die Zu¬ flucht. Unglückseliges, aus dem Dunkel der Erde ausge¬ grabenes Metall! wie Viele hast du nicht schon verblen¬ det, daß sie, um deiner habhaft zu werden, ihr Gewissen erstickten. Die mit vielem Gelbe bestochenen Hüther des Grabes vergassen plötzlich den heiligen Schrecken, welchen sie bei dem Grabe ausgcstandcn haben. Dazu trug auch das böse Beispiel der Hohenpriester bei, welche alles das nicht achteten, was ihnen die Hüther von dem Vorgänge bei dem Grabe erzählt haben. m. Tie Lüge fand Glauben bei den Juden, und findet denselben noch heutigen Tages. So wurde die Kirche Jesu von ihrem Anbeginne an, und auf mancher¬ lei Weise von ihren Widersachern verläumdet, und die Verläumdungen wurden Jahrhunderte lang geglaubt, aber die sich rechtfertigende Kirche wird von ihnen nicht an¬ gehört. §. rs. Vorerinnerung zu den folgenden Paragraphen. Die heiligen Verfasser der göttlichen Schrift erzählen die heilige Geschichte so, wie ihnen dieselbe von dem hei¬ ligen Geiste zum Aufzcichncn eingegeben wurde. Ihre Erzählung ist daher himmelweit verschieden von der Art, welche die profanen Geschichtschreiber in der Erzählung der Profan-Geschichte zu beobachten pflegen. Alles was sie erzählen, zielt auf die Befestigung des christlichen 145 Glaubens, der christlichen Hoffnung und der christlichen Liebe; hingegen lassen sie die menschliche Wißbegierde un- befriediget, welche mehr wissen will, als es Gott gefäl¬ lig ist, uns in diesem Leben kund zu thun. Der Vorwitz verlangt nebst den geoffenbarten Thatsachen auch alle Um¬ stände des Ortes, der Zeit und ihre Aufeinanderfolge zu wissein Diese Bemerkungen müssen uns besonders da zu Hilfe kommen, wo die Evangelisten nach erzählter Lei¬ densgeschichte Jesu plötzlich mit übernatürlicher Freude erfüllt, die erhabenste Begebenheit der Auferstehung Jesu von den Todten, die Anwesenheit der frommen Frauen bei dem Grabe, und die Erscheinungen der Engel bei demselben erzählen, aber viele Nebenumstände, welche doch die Wahrheit der Auferstehung Jesu um nichts erhe¬ ben würden, mit Stillschweigen übergehen. Daher wer¬ den auch hier die frommen Frauen, die Erscheinungen der Engel und ihre Anreden an dieselben nach den vier Evangelisten angeführt, ohne menschliche Muthmaßungen über die von den Evangelisten unberührten Umstände ein¬ zumengen, ohne die von ihnen erzählten Vorgänge will- kührlich zu ordnen, und den evangelischen Nachrichten den Anstrich des menschlichen Wissens zu geben. § ?k> Die Auferstehung Jesu wird den frommen Frauen, welche zu seinem Grabe kamen, von dem Engel verkündiget. i. --Am Ende des Sabbathes, der des Morgens an- öricht, am ersten Tage des Sabbathes (der Woche) kam Maria Magdalena und die andere Maria (Jacobs) das Grab zu besehen.« Matth, xxvm. v. i. Aber der Engel, welcher auf dem hinweggewälzten Steine saß, antwortete. 144 und sprach zu den Frauen: Furchtet euch nicht; denn ich weiß, ihr suchet Jesum, der gekreuziget wurde. Er ist nicht hier; denn er ist aufcrstanden, wie er gesagt hat, kommet und sehet den Ort, wo der Herr hingelegt wur¬ de.« Matth, xxviii. v. 5. 6. Maria Magdalena, wel¬ che Jesum am innigsten liebte, weil er ihr viele Sünden nachgelassen hatte, kam die erste zum Grabe; denn sic ging vom Hanse, da es noch dunkel war, und kam langsam von der Betrübniß gebeugt, dort an, als die Sonne schon aufgegangen war. Joh. xx. v. ,. Zu ihrer Begleiterin«! nahm sie die andere Maria Jacobs Mutter. Der Engel, welcher auf dem Steine saß, war der näm¬ liche , welcher kurz vorher den Stein vom Grabe abge¬ wälzt hatte. Er zeigte sich aber den zwei Frauen nicht mehr mit jenem dem Blitze ähnlichen Antlitze, worüber die Wächter des Grabes fast zu Tode erschrocken sind- ii. Da der Sabbath vorüber war, kauften Ma¬ ria Magdalena und Maria Jacobs und Salome Spe¬ zereien, damit sie Jesum salbeten. Und sie kamen am ersten Tage der Sabbathe sehr früh zum Grabe, da die Sonne aufgegangen war, und sie sprachen unter einander: Wer wird uns von dem Eingänge des Grabes den Stein wegwälzen? Und sie sahen dahin, und wurden gewahr, daß der Stein abgewälzt war; denn er war sehr groß. Und da sic zum Grabe hineiugingen, sahen sie einen Jüng¬ ling zu rechter Hand sitzen, der ein weißes Kleid an hatte und sie entsetzten sich. Er aber sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht, ihr suchet Jesum von Nazareth den Gekreu¬ zigten. Er ist aufcrstanden und ist nicht hier. Sehet deu Ort, wo sie ihn hingelegt haben. Marc. xvi. v. i-6. ui. Am ersten Tage nach dem Sabbathe sehr frühe kamen sie zum Grabe und trugen die Spezereien, die sie bereitet hatten, und fanden den Stein vom Grabe abge- r i i l < ! ! 1 1 ! 1 ! ! 145 wälzt: Und gingen hinein, und fanden den Leib Jesu des Herrn nicht. Und es begab sich, da sie deßwcgen in ihren Herzen bestürzt waren, sieh, da standen zwei Män¬ ner in glänzenden Kleidern bei ihnen. Als sie aber cr- schracken, und ihre Augen zur Erde niederschlugen, spra¬ chen sie zu ihnen: Was suchet ihr den Lebendigen unter den Tobten? Er ist nicht hier, sondern er ist auferstan- den. Gedenket daran, wie er euch vorgesagt hat, da er noch in Galiläa war Und sprach: Des Menschen Sohn muß in die Hände der Sünder überantwortet und gtkreuzi- get werden, und am dritten Tage wiederum aufcrstehcn. Matth, xvi. v. 21. Und sic erinnerten sich an jene Worte. Es war aber Maria Magdalena und Johanna Und Ma¬ ria Jacobs mit andern, welche bei ihnen waren.« Lnc. xxiv. v. 1-8. io. Diese war eine dritte, von den zwei vorigen verschiedene Erscheinung der Engel, welche das heilige Grab sichtbar und unsichtbar umgaben. iv. »Am ersten Tage der Woche kam Maria Mag¬ dalena des Morgens frühe, da es noch dunkel war, zum Grabe, und sie sah, daß der Stein vom Grabe hinge- wälzt war.« Joan» xx. v. i. §. 8«. Auf den Befehl der Engel verkündigen die frommen Frauen die Auferstehung Jesu dcf- sen Jüngern. Anfänglicher Unglaube der Jünger an die Auf¬ erstehung Jesu. i. »Gehet eilends und saget seinen Jüngern, daß cr aufcrstanden ist, und sehet, er gehet vor euch hin nacb Galiläa, daselbst werdet ihr ihn sehen, wie er es eucb 146 vorausgcsagt hat. (Wann ich werde anferstanden seyn, will ich vor euch nach Galiläa gehen. Matth, xxvr. v. 3s). »Und sie gingen eilends vom Grabe hinweg, mit Furcht und großer Freude, und liefen seinen Jüngern solches zu verkünden.« Mattb. xxvm. v. 7. 8. Jesus bezeichnet sei¬ nen Jüngern Galiläa, wo er ihnen wieder erscheinen und sie von der Wirklichkeit seiner Auferstehung vollkommen überzeugen wird. Er bezeichnete ihnen Galiläa theils zu ihrer Sicherheit vor der Verfolgung der Juden, theils weil dort seine meisten Bekenner waren, indem er vor¬ züglich in Galiläa die himmlische Lehre verkündigte, und nur auf die großen Feste nach Jerusalem kam. Die zwei Frauen Maria Magdalena und Maria Jacobs über den Anblick des Engels, der draußen vor dem Grabe auf den Steine saß, entsetzt, aber auch über die Verkündi¬ gung des Engels von der Auferstehung Jesu mit großer Freude erfüllt, gingen eilends, ohne dießmahl in das Grab selbst hinein gegangen zu seyn, den Jüngern zu verkünden, was sie gesehen und von dem Engel gehört haben. ik. »Gehet hin, und saget seinen Jüngern und dem Petrus, daß er vor euch nach Galiläa gehe, daselbst wer¬ det ihr ihn sehen, wie er euch gesagt hat. Sie aber gin¬ gen hinaus, und flohen von dem Grabe; denn es hat sich ihrer ein Zittern und ein Schauer bemächtiget, und sie sagten Niemanden etwas, denn sie waren erschrocken.« Marc. xvr. v. 7. 8. Maria Magdalena und Maria Ja¬ cobs gingen dießmahl mit Salome in das offene Grab hinein» und sahen einen Engel zur rechter Hand sitzen, der die Gestalt eines Jünglinges und ein langes weißes Kleid an hatte. Er sandte sie abermahls mit der Nach¬ richt zu den Jüngern, daß Jesus der Gekreuzigte außer¬ stande» ist. Weil aber in ihnen der Schrecken war, so 147 flohen sic stillschweigend von dem Grabe, und sagten un¬ terwegs Niemanden etwas, der ihnen begegnete. m. »Da gingen sie (die Frauen) wieder zurück vom Grabe, und verkündigten alles den Eilsen und den an¬ dern allen. Aber diese Worte kamen ibnen (den Eilsen) wie Phantastereien vor, und sie glaubten ihnen (den Frauen) nicht.« Luc. xxiv. v. g. n. Da lief Maria Magdalena hin, und kam zum Simon Petrus und zu dem andern Jünger, welchen Je¬ sus lieb hatte, und sprach zu ihnen: Sie haben den Herrn aus dem Grabe genommen, und wir wissen nicht, wo sie ihn hingelegt haben. Joan. xx. v. 2. Also war selbst Maria Magdalena hierinfalls noch ungläubig und unverständig. Der Unglaube entsteht aus dem Unverstän¬ de in göttlichen Dingen- 8L. Simon Petrus und Johannes gehen doch hin¬ aus zum Grabe. i. »Da (auf den Bericht der Maria Magdalena) ging Petrus und der andere Jünger hinaus, und kamen zum Grabe. Sie liefen aber beide mit einander, und der andere Jünger lief voran, schneller als Petrus, und kam zuerst zum Grabe, und er neigte sich hinein, und sah die leinenen Tücher liegen, ging aber nicht hinein. Da kam Simon Petrus nach, der ihm folgte, und ging in das Grab hinein, und sah die leinenen Tücher liegen, und das Schweißtuch, welches um sein Haupt gewesen war, nicht bei den leinenen Tüchern liegen, sondern abgeson¬ dert zusammen gewickelt an einem Orte. Da ging auch der andere Jünger hinein, der zuerst zum Grabe gekom¬ men war, und sah es, und glaubte es (der Maria Mag- 148 dalcna). Denn sic wußten die Schrift noch nicht, daß er wieder von den Todten auferstehen mußte. Also gingen die Jünger wiederum hurtig in ihr Haus.» Joan. xx. V. 3- IO. li. Don den Eilfcn waren doch zwei, Simon Pe¬ trus und der von ihm untrennbare Johannes, welche zum Grabe gingen, um sich von der Wahrheit dessen zu über¬ zeugen, was ihnen die Frauen so angelegentlich hintcr- bracht haben. Beide liefen von Neugierde und Unglaub¬ lichkeit des angckündigtcn Dorfalles angetrieben, hinaus zum Grabe. Petrus schon im gesetzten Mannesalter und Johannes noch ein Jüngling, daher lief dieser schneller als Petrus, uud kam zuerst bei dem Grabe an, doch ging er aus Demuth nicht hinein, sondern erwartete den Petrus, das Haupt unter den Eilfen und folgte diesem in das Grab hinein. Sie werden wohl die leinenen Tü¬ cher und das Schweißtuch, diese kostbarsten Reliquien, welche bis zu ihrer Ankunft unbemerkt geblieben sind, zu sich genommen haben. Sie sahen aber keinen Engel, der ihnen die Auferstehung Jesu wieder verkündiget hatte; aber sie hätten auch diese auf die Nachricht der Frauen von der Erscheinung der Engel und deren Verkündigung von der Auferstehung Jesu glauben sollen, nachdem sie das Grab so gefunden haben, wie es von den Frauen angegeben wurde. Allein sie gingen zurück in ihre Woh¬ nung, von der Leerheit des Grabes zwar überzeugt, aber die Auferstehung Jesu war ihnen noch dunkel. Der Evan¬ gelist Johannes gibt selbst davon die Ursache an, da er sagt: Sie wußten die Schrift noch nicht, welche bezeugt, daß er auferstehen mußte. — 149 — §. 82. Der aus dem Grabe erstandene Heiland zeigt sich zuerst der Maria Magdalena. I. »Nachdem die andern Frauen vom Grabe hinweg¬ gegangen waren, blieb Maria Magdalena zurück, stand draußen bei dem Grabe und weinte. Da sie nun also weinte, neigte sie sich und sah in das Grab hinein, und sah zwei Engel in weißen Kleidern sitzen, den einen zum Haupte und den andern zu den Füßen, wie der Leichnam Jesu gelegen war. Und sie sprachen zu ihr: Weib, was weinst du? Und sie sprach zu ihnen r Sie haben meinen Herrn hinweggenommen, und ich weiß nicht, wo sie ihn hingelegt haben. Und wie sie das gesagt hatte, wendete sie sich um, und sah Jesum neben ihr stehen, sie wußte aber nicht, daß es Jesus war. Jesus sprach zu ihr: Weib, was weinst du? wen suchest du? Sie vermeinte, es wäre ein Gärtner, und sprach zu ihm: Herr, hast du ihnhin- wcggenommcn, so sage mir, wo du ihn hingelegt hast, so will ich ihn holen. Jesus sprach zu ihr: Maria. Da wendete sie sich um, und sprach zu ihm: Rabboni, das ist, Meister. Jesus spricht zu ihr: Rühre mich nicht an; denn ich bin noch nicht aufgefahren zu meinem himmlischen Vater. Gehe aber hin zu meinen Brüdern, und sprich zu ihnen : Ich fahre hinauf zu meinem Vater und zu cuerm Vater, zu meinem Gott und zu euerm Gott.« Ioan. xx. V. 11-17. II. Da kam Maria Magdalena, und verkündigte den trauernden und weinenden Jüngern: Ich habe den Herrn gesehen, und dieses hat er zu mir gesagt. Als sie aber hörten, daß er lebe, und von ihr gesehen worden sei, glaubten sie es nicht. Joan. xx. v. 18. Marc- xvi. v 10, Matth, xxvui. v. 17. 150 i>s. Maria Magdalena konnte sich von Jesu Grabe nicht trennen, sie verweilte noch dort, nachdem die andern Frauen schon davon gegangen waren, und weinte dort, weil sie ihren Herrn im Grabe nicht mehr gefunden hat; sie gab sich alle Mühe ihn zu finden, und fragte in ihrer Gemüthsverirrung den vermeinten Gärtner, wo er Ihn (ohne Ihn zu nennen, als ob er wissen müßte, wenn sie suche) hingelegt habe. So groß war die dankbare Liebe Magdalenens gegen ihren Heiland. Dafür aber belohnte sie Jesus, daß er sich ihr zu allererst zeigte, und sie bei ihrem Namen »Maria« nannte. Ihre unaussprechliche Wonne, Jesnm wieder zu sehen, faßte sie in ein einziges Wort »Rabboni« zusammen. So verbirg! sich Jesus bis¬ weilen selbst seinen Lieblingen, und läßt sie ohne allen innern Trost, damit sie ihn desto eifriger suchen, und wenn sie in dieser scheinbaren Verlassenheit ihre Treue gegen ihn bewähren, so kehret er zurück in ihre Seele, und verdoppelt gegen sie seine Zärtlichkeit. Maria Mag¬ dalena vermeinte einen Gärtner zu sehen. So sieht auch in dem allerhciligsten Sakramente das Auge nur ein Brot, aber der Glaube zeigt dort ungezwcifelt den wahren Gottme,ischen Jesus Christus. iv. Lasset uns die unveränderliche Liebe des von den Todten erstandenen Heilandes im Bekenntnisse unseres Unverdienstes anbeten, der seine Jünger noch immer seine Brüder, seinen Vater ihren Vater, seinen Gott ihren Gott nennt, obschon er zur Zeit seines Leidens von denselben verlassen und seine Auferstehung weder auf die Verkündi¬ gung der Engel noch auf das persönliche Zeugniß Maria Magdalenens geglaubt wurde. Dieser ihr Unglaube wi¬ derlegte handgreiflich jenes Vorgeben der Feinde Jesu, welche den Glauben der Jünger auf seine Auferstehung ihrer Leichtgläubigkeit zuschreiben, §. 83. L. Jesus erscheint auch andern Frauen. l. Als die Frauen auf den Befehl des Engels vom Grabe hinweg eilten den Jüngern die Auferstehung Jesu zu verkündigen, begegnet ihnen Jesus, und sprach: »Seid gegrüßt. Sie aber traten hinzu, umfaßten seine Füße, und beteten ihn an. Da sprach Jesus zu ihnen: Fürchtet euch nicht, gehet und verkündiget es meinen Brüdern, daß sie nach Galiläa gehen, dort werden sie mich sehen.« Matth, xxvm. v. 8 - io. h. Die Betrachtung, welche sich im vorhergehenden iv. dargebothen hat, ist auch hier anwendbar. Jesus grüßet liebevoll die frommen Frauen, welche sich vor ihm auf die Erde niederwarfen, seine Füße umfaßten, und ihn auf diese Weise in tiefster Demuth verehrten. Seine Jünger sind ihm Brüder, und die Frauen sollen sie von der Traurigkeit niedergebeugt durch ihre frohe Botschaft aufrichsen. §. 84. e. Jesu erscheint dem Simon Petrus allein. Er ist von Cephas (Petrus) gesehen worden, und hernach von den Eilsen, i. Korinth, xv. v. 5. i. Jesus sprach bei dem letzten Abendmähler »Si¬ mon, Simon, sieh der Satan hat euer begehrt, daß er euch wannen möchte, wie den Weizen. Ich habe aber für dich gebeten, daß dein Glaube nicht abnchme. Und wenn du dermahleinst bekehret seyn wirst, so stärke deine Brü¬ der.« Luc. xxti. v. in. 32. Demnach ist es erlaubt zu 152 denken, Jesus sei deßwegen zuerst dem Simon Petrus allein und darauf erst zugleich den andern Jüngern er¬ schienen, damit Simon Petrus das Haupt unter den Jün¬ gern, zuerst an Jesu Auferstehung glaube, und denselben mit seinem Glauben vorangehe, und sie in demselben stärke. Und in der That bekannten die Jünger: Der Herr ist wahrhaft auferstanden, und dem Simon erschienen. Luc. xxiv. v. 34. il. Daß Simon Petrus feinen Brüdern im Glauben ein Muster wurde, liegt der Grund in dem unfehlbaren Gebete Jesu für ihn, daß dessen Glauben nicht abnehme. 1». Petrus liebte Jcsnm am heftigsten, und nach¬ dem er ihn doch äußerlich verläugnet hatte, bekehrte er sich auf den Gnadenblick Jesu, und weinte bitterlich. Die¬ se Liebe und diese Thränen des gefallenen Apostels be¬ lohnte der liebvolle Heiland damit, daß er zuerst ihm allein erschien, und darthat, daß er ihm seinen Fall verziehen hahc, §. 8S. O. Jesus gesellet sich zu den zwei nach Emaus gehenden Jüngern. i. Am nämlichen Tage (der Auferstehung Jesu) gin¬ gen zwei Jünger in einen Flecken, der in die sechszig Feldwegs von Jerusalem entlegen war, mit Namen Emaus; sie redeten mit einander von allen dem, was sich zugctragen hat. Da sie nun also redeten, und sich unter einander befragten, nahete sich ihnen Jesus, und ging mit ihnen, Ihre Augen aber wurden verblendet, daß sic ihn nicht erkannten, Er sprach zu ihnen: Was sind das für Reden, die ihr mit einander auf dem Wege führet,'und warum seid ihr so traurig? Da antwortete 155 s einer mit Namen Cleophas, und sprach zu ihn?: Bist du allein so fremd zu Jerusalem, daß du nicht weißt, waS - daselbst in diesen Tagen sich zugetragen hat? Er sprach >r zu ihnen: Was denn? Und sie sagten: Mit Jesu von r Nazareth, der ein Prophet war, ein von Gott und dem e Volke in Thaten und Worten mächtiger Mann. Wie ihn > unsere Hohenpriester und Obersten zum Todcs-Urtbeile überantwortet und gekreuziget hatten. Wir aber hofften, > daß er Israel erlösen würde, und nun über dieß alles ist bereits der dritte Tag, da solches geschehen ist. Es ha¬ ben uns auch etliche Weiber von den unsrigcn erschreckt, welche vor dem Tagesanbrüche bei dem Grabe gewesen waren, und da sie seinen Leib nicht gefunden, kamen und sagten, daß sie eine Erscheinung der Engel gesehen, wel¬ che sagten, er lebe; und als etliche von den unsrigen hinaus zu dem Grabe hingegangen sind, haben sie cs eben so gefunden, wie die Weiber gesagt haben, ihn aber ha¬ ben sie nicht gefunden. Er sprach zu ihnen: O ihr Tho¬ ren! wie langsam ist euer Gemüth alles dasjenige zu glauben, was die Propheten geredet haben. Mußte denn nicht Christus dieses leiden, und also in seine Herrlich¬ keit eingehen? Da fing er vom Mosis und allen Prophe¬ ten an, und legte ihnen dasjenige aus, was von ihm in allen Schriften war gesagt worden. Inzwischen kamen sie nahe zu dem Flecken, wo sie hinging»n. Da stellte er sich, als wollte er weiter gehen. Sie aber nvthigten ihn, und sprachen: Bleib bei uns, denn es wird Abend, und der Tag hat sich schon geneigt. Er ging also mit ihnen hinein. Da er nun mit ihnen zu Tische saß, nahm er das Brot, segnete es, und nachdem er es gebrochen hatte, gab er es ihnen. Da wurden ihre Augen aufgcthan, und fie erkannten ihn, er aber verschwand aus ihren Augen. Alsdann sprachen sie unter einander: War unser Herz 154 nicht in uns entzündet, da er mit uns auf dem Wege redete, und uns die Schrift auslegte? Sie machten sich sogleich in der nämlichen Stunde auf, gingen wieder nach Jerusalem, und fanden die Eilf sammt denen versammelt, welche bei ihnen waren. Diese sagten: Der Herr ist wahr¬ haft auferstanden, und dem Simon erschienen, und sie erzählten, was sich auf dem Wege zngetragen hatte, und wie sie ihn am Brotbrechen erkannt haben. Luc. xxiv. V. i3 - 35. n. Die Lesung oder Anhörung dieser herzerhebenden Geschichte ist schon hinreichend, daß der Leser oder Hö¬ rer derselben das viele Lehrreiche darin selbst finde, und sein Herz gleich den zwei Jüngern zu den seligsten Ge¬ fühlen entzündet werde. ui. Der eine von den zwei Jüngern war Cleophas, der andere aber, wie man nicht ohne Grund vcrmuthet, soll der Evangelist Lucas selbst gewesen scyn, der, wie dabei gegenwärtig, diese Erscheinung Jesu und dessen liebvolles Benehmen gegen die zwei Jünger so umständ¬ lich beschrieben, und den einen Jünger benennt, den Namen des andern aber mit Stillschweigen übergangen hat. iv. Sie erkannten ihn am Brotbrechen. Es soll eine Tradition der heiligen Väter seyn: Christas der Herr habe das harte Brot, wie es die Juden hat¬ ten, so gebrochen, daß gar kein Bröselei n ab¬ fiel, und daran hätten ihn die zwei Jünger erkannt. Hat er nun wirklich auf diese nur ihm mögliche Weise das Brot gebrochen, so hat er schon voraus die Hoch¬ heiligkeit jenes himmlischen Brotes angedeutet, welches er im letzten Abendmahle zur geistlichen Speise seinen Gläubigen eingesetzt hat, um ihre Seelen zum ewigen Leben zu nähren. — 155 — §. 8K. Jesus erscheint den versammelten Jüngern, nur Thomas war abwesend. i. »Da es nun Abend war, am nämlichen Tage (der Auferstehung) am ersten in der Woche und die Thü- rc verschlossen war, da die Jünger versammelt waren aus Furcht der Juden; da kam Jesus und stand mitten unter ihnen, und sprach zu ihnen: Der Friede sei mit euch. Und als er das gesagt, zeigte er ihnen seine Hän¬ de und seine Seite. Da wurden die Jünger froh, daß sie den Herrn sahen. Und er sprach abermahls zu ihnen: Der Friede sei mit euch. Wie mich der Vater gesandt hat, also sende ich euch. Da er dieß gesagt hatte, blies er sie an, und sprach zu ihnen: Nehmet hin den heiligen Geist. Welchen ihr die Sünden vergeben werdet, denen sind sic vergeben, und welchen ihr sie behaltet, denen sind sie behalten. Thomas aber, einer von den Zwöl¬ fen, der Zwilling genannt wird, war nicht bei ihnen, als Jesus kam. Da sprachen die andern Jünger zu ihm: Wir haben den Herrn gesehen. Er aber sprach zu ihnen: Es sei denn, daß ich die Mahle der Nägel an seinen Händen sehe, und lege meine Finger in die Mahle der Nägel, und lege meine Hand in seine Seite, so will ich es nicht glauben.« Joan. xx. v. 19-25. Luc. xxiv. 36-/,g. n. Jesus erscheint seinen Jüngern mit den Wund- mahlcn an seinem Leibe, um sie vollkommen zu überzeu¬ gen, daß er cs sei, und wahrhaft von den Tobten auf- crstanden sei. Nun glaubten sic cs und freuctcn sich, den Herrn gesehen zu haben. Allein Jesus erschien jetzt und die folgenden Mahle den Jüngern nicht blos darum. — lolr — um sie von seiner Auferstehung zu überzeugen, sondern I auch darum, um dieselben über ihre künftige Bestimmung ! genauer zu belehre», und sic zur Ausübung ihres hohen > Berufes fähig zu machen. > in. Bor allen Dingen, bevor er ihnen noch die § geistliche Macht verlieh, wünschte und empfahl er ihnen < wiederholt und nachdrücklich den Frieden, seinen Frieden, welcher die Frucht der treuen Erfüllung aller Pflichten, der Pflichten gegen Gott, gegen sich selbst, und gegen den Nächsten nach seinem Evangelium ist, und in der gänzlichen Vereinigung mit Gott bestehet. Den Jüngern lag ob, den Menschen diesen göttlichen Frieden zu ver¬ kündigen und zu verschaffen. Es war also eine Bedin¬ gung, daß sie selbst denselben besitzen sollen- IV. Diese Friedensbedingung vorausgeschickt nahm Jesus nun seine Anordnungen mit den Jüngern vor. Er sprach: Wie mein Vater mich gesandt hat, so sende auch ich euch, das heißt: Ich bin der Gesandte meines himm¬ lischen Vaters, und ihr seid meine Gesandten, und ihr werdet wieder andere aussenden, wie ich euch ausgesen¬ det habe, und die von euch Ausgesendeten werden wieder Andere aussenden, und so soll es bis zu Ende der Welt gehalten werden. Die Macht, welche ich von meinem himm¬ lischen Vater erhalten habe, übertrage ich an euch und eure Nachfolger. Empfanget vor allem den heiligen Geist. Die nächste Wirkung der Empfangung des heiligen Gei¬ stes soll die Macht seyn in meinem Namen, an meiner Statt die Sünden nachzulassen oder vorzubehalten. Die Sünden, welche ihr nachlassen oder Vorbehalten werdet, indem ihr es an meiner Statt thun werdet, werden auch bei mir nachgelassen oder vorbcbalten seyn. Jesus Chri¬ stus hat den Jüngern zuerst die Macht verliehen die Sün¬ den zu vergeben, weil die Nachlassung der Sünden den 157 sündigen Menschen zu ihrem ewigen Heile am nothwendig- sten, und eine Vorbedingung ist, dasselbe wirken zu kön¬ nen. Die Jünger bedurften auch, um die Sünden zu vergeben, der Empfangung des heiligen Geistes, und deswegen verlieh ihnen Jesus den heiligen Geist. Allein am Pfingstfeste sandte er auf eine feierliche und sichtbare Weise den heiligen Geist, und jetzt empfingen die Jünger andere Gaben des heiligen Geistes, wie die Gabe das Evangelium unerschrocken zu verkündigen, fremde Spra¬ chen zu reden, Wunder zu wirken, die Macht, andern den heiligen Geist zu ertheilen. §. 8^. Umständlichere Erzählung der nämlichen Er¬ scheinung Jesu. i. »Jesus sprach zu ihnen: Friede sei mit euch. Ich bin cs, fürchtet euch nicht. Sie aber erschrocken und fürch¬ teten sich, und vermeinten, daß sie einen Geist sehen. Und er sprach zu ihnen: Was seid ihr erschrocken, und warum steigen die Gedanken auf in eueren Herzen? Se¬ het meine Hände und meine Füsse; denn ich bin es selbst: greifet und sehet: denn ein Geist hat weder Fleisch noch Bein wie ihr sehet, daß ich habe. Und da er das ge¬ sagt hatte, zeigte er ihnen seine Hände und Füße. Als sie aber noch nicht glaubten, sondern sich vor Freu¬ de verwunderten, sprach er: Habet ihr hier etwas zu essen? Da legten sie ihm etwas von einem gebra¬ tenen Fische und Honigseim vor. Und nachdem er vor ihnen gegessen hatte, nahm er das Uebrige und gab cs ihnen. Und er sprach zu ihnen: Dicß sind die Wor¬ te, die ich zu euch geredet habe, da ich noch bei euch war; denn es mußte alles erfüllt werden, was in 158 dem Gesetze Mosis und in den Propheten und Psalmen von mir geschrieben ist. Da eröffnete er ihnen den Ver¬ stand , daß sie die Schrift verstanden. Und er sprach zu ihnen: Also ist geschrieben, und also mußte Christus lei¬ den, und am dritten Tage von den Todten auferstehen. Und es muß in seinem Namen Buße und Vergebung der Sünden geprcdiget werden, unter allen Völkern von Je¬ rusalem anzufangen. Ihr aber seid dieser Dinge Zeugen. Und ich will die Verheißung meines Vaters zu euch sen¬ den, und ihr sollet in der Stadt Jerusalem bleiben, bis daß ihr mit der Kraft von oben angethan werdet.« Luc. xxiv. v. 56-4g. h. Jesus aß'mit seinen Jüngern nicht aus Bcdürf- niß, (denn ein verklärter Leib bedarf nicht mehr der Speise und des Trankes), sondern um sie zu überzeugen, daß er einen wirklichen Leib habe und essen könne. Und nachdem er ihnen das Apostelamt vorgezeichnet und sie dazu befähiget hat, wozu die Gabe die Schrift nach ih¬ rem Geiste zu verstehen, gehörte, hieß er sic so lange in Jerusalem beisammen zu bleiben, bis sie den heiligen Geist, welchen der himmlische Vater und er ihnen zu sen¬ den verheißen hat, werden empfangen haben. §. 88. k'. Jesus erscheint den nämlichen Jüngern, da auch Thomas zugegen war. i. Acht Tage hernach waren seine Jünger abcrmahls darin , und Thomas mit ihnen. Da kam Jesus bei ver¬ schlossener Thüre, stand mitten unter ihnen, und sprach: Friede sei mit euch. Dann sprach er zum Thomas: Rei¬ che deine Finger her, und sich meine Hände, und reiche deine Hand her, und lege sie in meine Seite, und sei 159 nicht ungläubig sondern gläubig. Thomas antwortete und sprach zu ihm: Mein Herr und mein Gott. Jesus sprach zu ihm: Weil du mich gesehen hast, Thomas, so hast du geglaubt: Selig sind, die nicht gesehen haben, und haben doch geglaubt. Joan. xx. v. 26-29. h. Thomas ersetzte seinen, wie es schien unbezwing¬ baren Unglauben, indem sich Jesus seiner erbarmte, mit dem lebendigsten Glauben, und bezeugte denselben mit den kräftigsten Worten, welche die höchste Macht und die Gottheit Jesu unumwunden ausdrückten, indem er auf¬ rief: Mein Herr und mein Gott! und nun dadurch selbst den übrigen Jüngern zum Muster in der Festigkeit des Glaubens wurde. m. Lasset uns, wenn wir die Wundmahle Jesu des Gekreuzigten anblicken, den Thomas nachahmen, und vom Herzen sprechen: Mein Herr und mein Gott! 0. Jesus erscheint den Eilsen in Galiläa auf einem Berge. i. Die eilf Jünger gingen nach Galiläa auf den Berg, dahin sie Jesus beschieden hatte. Und als sie ihn sahen, beteten sie ihn an. Und Jesus trat hinzu, redete mit ihnen, und sprach: Mir ist alle Gewalt gegeben im Himmel und auf Erden. Darum gehet hin, und lehret alle Völker, und taufet sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes, und lehret sie al¬ les halten, was ich euch befohlen habe; und sehet, ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt. Matth, xxviil. v. 16-20. Marc. xvi. v. i5. 16. Der glaubt und getauft wird, der wird selig werden, wer aber nicht glaubt, der wird verdammt werden. Bei denen aber. 160 welche glauben, wird man diese Zeichen wahrnehmcu: In meinem Namen werden sie Teufel austrcibett, neue Sprachen reden, Schlangen vertreiben, und wenn sic etwas Tödtliches trinken, wird es ihnen nicht schaden, den Kranken werden sie die Hände auflcgen, und diese werden gesund werden. Marc. xvi. v. ilZ. n. Nebst der Macht Sunden nachznlassen oder vot- znbebalten ertheilte Jesus vermög der von seinem himm¬ lischen Vater überkommenen Vollmacht, seinen Jüngern die Gewalt, oder er legte ihnen vielmehr die Pflicht auf, auch äußerlich und öffentlich das evangelische Amh auszu- üben, und mit den obbenannten evangelischen Verrichtun¬ gen zur Gründung und Erweiterung seiner Kirche sich zu beschäftigen. Er scadete sie als seine Abgesandten in die ganze Welt aus. Zugleich sicherte er seiner Kirche seinen ununterbrochenen und immerwährenden Beistand und die Fortdauer derselben von ihrem Anbeginne an, bis zum Ende der Welt zu. Welch' ein Trost und welch' eine Be¬ ruhigung für einen Christen selbst damahls, wenn er die heftigsten Feinde der Kirche über dieselbe herfallcn sieht. nr. Jesus hinterließ in seiner Kirche auch die Macht, Wunder zu wirken, nämlich in seinem Namen, das heißt durch Anrufung und Kraft seines Namens, und wenn es sein Wille ist. Die Apostelgeschichte tst voll, der von den Aposteln gewirkten Wunder. Das erste Wunder wirk¬ te Simon Petrus, da er zu einem Lahmgebornen, der schon vierzig Jahre alt war, sprach: Im Namen Jesu stehe auf und gehe. Und der Lahmgcbornc stand auf und ging, Gott lobpreisend. Apostelgesch. m. — 161 — §. S«. II. Jesus offenbaret sich seinen, im galiläischen Meere bei der Stadt Tiberias sischenden Jüngern. Ioan. xxi. v. i. i. Er offenbaret sich aber auf diese Weise: Es wa¬ ren beisammen Simon Petrus und Thömas, der Zwilling genannt wird, und Nathanael, der von Cana in Galiläa war, und die Söhne des Zebedäus, und andere zwei von seinen Jüngern. Da sprach Simon Petrps zu ihnen: Ich gehe hin zu fischen. Sie aber sprachen zu ihm: Wir wollen auch mit dir gehen. Und sie gingen hinaus und tra¬ ten in ein Schiff, und in derselben Nächt fingen sie nichts. Nachdem es aber Morgen geworden war, stand Jesus am Ufer, doch wußten die Jünger nicht, daß es Jesus war. Da sprach Jesus zu ihnen: Ihr Kinder, habet ihr nichts zu essen? Sie antworteten ihm : Nein. Er sprach zu ihnen: Werfet das Netz zur rechten Seite des Schiffes aus, so werdet ihr etwas fangen. Da warfen sie das Netz aus, und konnten dasselbe vor Menge der Fische nickt ziehen. Da sprach der Jünger, welchen Jesus liebte, zum Petrus:Es ist der Herr. Und als Simon Petrus hörte, daß es der Herr war, gürtete er den Rock um sich, (denn er war nackend) und ließ sich ins Meer. Die andern Jün¬ ger aber kamen im' Schiffe; (denn sie waren nicht weit vom Lande, sondern bei zweihundert Ellen) und zogen das Netz mit den Fischen. Da sie nun auf das Land hinaus- stiegcn, sahen sie Kohlen angelegt, und einen Fisch da¬ rauf liegen, und Brot. Jesus spricht zu ihnen: Bringet her von den Fischen, die ihr jetzt gefangen habet. Simon Petrus stieg hinein, und zog das Netz auf das Land, das voll großer Fische war, hundert drei und fünf- 11 102 zig. Und wiewohl ihrer so viele waren, zerriß doch das Netz nicht. Da sprach Jesus zu ihnen: Kommet und esset zu Mittag. Und Niemand von denen, die sich setz¬ ten, getraute sich ihn zu fragen: Wer bist du? indem sie wußten, daß es der Herr war. Und Jesus kam, und nahm das Brot, und gab es ihnen, und den Fisch in- glcichcn. Dies ist nun das dritte Mahl, daß sich Jesus seinen Jüngern (insgesammt) geoffenbarct hat, nachdem er von den Todtcn auferstauden war. Joan. xxr. v. i - is. n. Hier scheu wir a) die schönste Einmüthigkeit der Jünger. Simon Petrus sprach: Ich gehe hinaus zu fische», und sie sprachen: Wir wollen mit dir gehen. K) Sie ar¬ beiteten die ganze Nacht mit vereinten Kräften, und doch fingen sie nichts, o) Jesus befahl ihnen das Netz zur rechten Seite des Schiffes ansznwerfen, er bestimmte diesen Ort, um sie auf das Wunder, welches er wirken wollte, desto aufmerksamer zu machen, damit sie den reichlichen Fischfang seinem Willen, und nicht etwa einem Ungefähr znschrieben. u) Nun fingen sie hundert drei und fünfzig große Fische, weil sie auf den Befehl Jesu das Netz auswarfen und seinen Willen erfüllten. «) Der jung¬ fräuliche Johannes erblickte und erkannte zuerst Jesum, aber der von Eifer und Liebe gegen Jesum brcuncude Simon Petrus kam zuerst zu ihm auf das Ufer, er ließ sich ins Meer, um zu ihm zu eilen, da sich das Schiff uur langsam zum Ufer nahcte. Hingegen wirkte auch Je¬ sus bei Simon Petrus das Wunder, daß er wie auf dem festen Lande über das Meer auf das Ufer kam. Die an¬ dern Jünger landeten hernach mit dem Schiffe an, und fanden daselbst ein Essen von Jesus bereiter. — 165 — §. NL. Jesus unterordnet seine Jünger dem Simon Petrus als ihrem Dberhaupte, um bei sei¬ nen Gläubigen die Einheit im Glauben und in der Liebe zu erzielen, und dadurch eine vollkommene Gemeinschaft unter ihnen zu r. Jesus Christus fragte einstens, da er noch das Evangelium verkündigte, vor seinem Leiden und Tode seine Jünger: »Für wen haltet ihr mich ? Da antwortete Simon Petrus und sprach: du bist Christus der Sohn des lebendigen Gottes. Jesus aber antwortete und sagte zu ihm: Selig bist du Simon, du Sohn des Johannes; denn Fleisch und Blut hat dir solches nicht geoffenbaret, sondern mein Vater, der im Himmel ist. Und ich sage dir: Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen, und die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwältigen. Und dir werde ich die Schlüssel des Him¬ melreiches geben. Was du immer auf Erden binden wirst, das wird auch im Himmel gebunden seyn, und was du immer auf Erden lösen wirst, das wird auch im Himmel gelösct sepn.« Matth. XVI. v. i5-ig. n. Jesus fragte alle anwesenden Jünger, und Si¬ mon allein antwortete, aber er antwortete nicht aus sich selbst, sondern weil cs ihm der himmlische Vater geoffen- baret hat, und Jesus pries Simon den Sohn Johannis selig, weil ihn der himmlische Vater vor allen andern Jüngern auscrwahlt hat, um ihm zu offenbaren, daß er (Jesus) der Sohn des lebendigen Gottes sei. ul. Wegen der von dem himmlischen Vater über¬ kommenen Offenbarung gab Jesus dem Simon den be¬ deutungsvollen Namen Petrus von pete», das heißt, ein 164 Fels, und versprach auf diesen Felsen, das ist ans das abgelegte und künftighin abzulegende GlaubenSbekenntniß Petri, seine Kirche bauen zu wollen. Petrus war also der erste Grundstein dieses Baues, und der Verfassung der Kirche Jesu, welche gegen die Stürme aller Zeiten unerschütterlich sich behaupten wird. Die Ursache der Fe¬ stigkeit dieses Fclses muß aber nicht in dem schwachen Petrus, sondern in dem Willen und verheißenen Beistände Jesu, der auch das Schwache stark zu machen vermag, gesucht werden. iv. Gleich wie Petrus allein auf die Frage Jesu antwortete, eben so richtete Jesus hier seine weiteren Verheißungen an Petrus allein, und noch nicht an die übrigen Jünger, und sprach zum Petrus: Dir werde ich die Schlüssel des Himmelreiches geben. Was du immer auf Erden binden wirst, das wird auch im Himmel ge¬ bunden seyn, und was du immer auf Erden lösen wirst, das wird auch im Himmel gelöset seyn. Das heißt: Nur aus der Kirche, deren erster Grundstein Petrus ist, aus diesem irdischen Reiche Jesu wird der Uebergang in das Himmelreich seyn. In diesem irdischen Reiche Jesu wird Petrus die Schlüsselgewalt, die Gewalt zu öffnen und zu schließen, zu lösen und zu binden haben, gleich¬ sam wie die Hebräer ihre Hausthüre mit Riemen ver¬ schlossen, und also den Eintritt in ihre Häuser verwehr¬ ten, oder durch Auflösung der Rieme und Bande gestat tetcn; also erhielt Petrus von Jesus die Macht, die Ei¬ nen in die Kirche aufzunehmcn, andere davon auszu- schließcn, dergestalt, daß alles, was Petrus in der Kir¬ che verfügt haben wird, auch im Himmel gelten werde, indem er nicht ans eigener, sondern vermög der von Je¬ su überkommenen Gewalt, und nur an Jesu Statt lösen oder binden wird. 165 v. Die Schlüsselgewalt, die Gewalt zu lösen und zu binden, bezieht sich hier offenbar auf die äußere Regie¬ rung der Kirche, auf die äußere geistliche Gerichtsbarkeit, und ist in dieser Hinsicht von der Macht Sünden zu verge¬ ben, verschieden, welche im Bußgcrichte ausgeübt wird: vi. Den Simon Petrus in Hinsicht der geistlichen Macht den übrigen Jüngern und Aposteln gleichstellcn wollen, heißt: die feierlichsten Verheißungen vernichten, welche Jesus, wie wir eben gesehen haben, dem Simon Petrus gethan hat. §. S2. Fortsetzung. l. »Als sie nun zu Mittag gegessen hatten, spricht Jesus zu Simon Petrus: Simon Johannis liebst du mich mehr, als diese? Er spricht zu ihm: Ja Herr, du weißt, daß ich dich liebe. Er spricht zu ihm: Weide meine Läm¬ mer. Abermahls spricht er zu ihm: Simon Johannis liebst du mich? Ja Herr, du weißt, daß ich dich liebe. Da spricht er zu ihm: Weide meine Lämmer. Zum drit¬ ten Mahle spricht er zu ihm: Simon Johannis liebst du mich? Da wurde Petrus traurig, daß er zum dritten Mahle zu ihm sagte: Liebst du mich? und sprach zu ihm: Herr! du weißt alles, du weißt, daß ich dich liebe. Da sprach er zu ihm: Weide meine Schafe.« Joan. xxi. v. i5 - 17, n. Diese Unterredung Jesu mit seinen Jüngern am See Gcnesareth in Galiläa war nicht minder feierlich, als jene zu Cäsarea Philippi am Berge Libanus, und auch hier brach Jesus seine Unterredung mit den Jüngern ab, und richtete seine Worte allein an Simon Petrus, — 106 — da er zu ihm sprach: Simon JohanniS, (zum Unterschiede von Simon Thaddäus) liebst du mich mehr als diese? Ul. Jesus nannte seine Kirche einen Schafstall, die Gläubigen seine Schafe, und sich selbst einen guten Hir¬ ten, der sein Leben für seine Schafe dargibt. Joan. xx. Der Heiland bediente sich dieser bildlichen Benennungen um das glückselige Verhältniß anzukündigcn, welches zwi¬ schen einem Hirten und seinen Schafen, zwischen einem geistlichen Vorsteher und seinen untergebenen Gläubigen bestehen soll. iv. Jesus fragte drcimahl den Simon Petrus, ob er ihn liebe; und auf seine erste und zweite Bejahung sprach Jesus: Weide meine Lämmer. Bei der dritten nämlichen Frage war Petrus betrübt, und berief sich auf die Allwissenheit Jesu. Herr! du weißt ja alles, du weißt, daß ich dich liebe. Nun sprach Jesus zu ihm: Weide meine Schafe. Das Weiden aber bedeutet in der heili¬ gen Schrift und in der Kirchensprache so viel als Negie¬ ren, weil die Regierten auch Schafe heißen, und weil die geistliche Regierung eine durch Liebe, Sanftmuth und Demuth gemäßigte, und von der weltlichen Negicrungs- weife, welche auch den äußerlichen Zwang in sich begreift, wesentlich verschieden ist. Denn Jesus sprach bei dem letzten Abendmahle: Die Könige der Heiden herrschen über sie, und die Gewalt über sic baben, werden gnädi¬ ge Herrn genannt. Ihr aber nicht also, sondern wer unter euch der größte ist, der soll seyn, wie der gering¬ ste, und wer da vorgeht, der soll seyn, wie der Diener. Denn wer ist größer, der zu Tiscbe sitzt oder der dienet? Ist es nicht, der zu Tische sitzt? Ich bin aber mitten un¬ ter euch, als einer, der dienet. Luc. xxn. v. 25 - 27. v. Weide meine Lämmer, weide meine Scbafe, daß heißt also: Regiere meine Herde, meinen Schafstatt, mci- 167 cde > die ir- x. en >i- m N! b i f nc Kirche, regiere nicht nur die untergebenen Gläubigen, sondern auch ihre Hirten, sei der Hirt selbst der Hirten. Sehr ungereimt und Jesu höchst unwürdig wäre es, wenn Jemanden einfallen könnte, behaupten zu wollen, Läm¬ mer und Schafe wären im vorliegenden Schriftterte gleich¬ viel bedeutende Worte: Jesus habe nichts mehr angedeu¬ tet, da er auf die dritte Betheuerung Petri sprach: Weide meine Schafe, als er angedeutet hatte, da er sprach: Weide meine Lämmer, weide meine Lämmer. Kurz gesagt heißt es: Weide alles, was in meinem Schafstalle ist, Lämmer und Schafe: Regiere in meiner Kirche Lehrlinge und Lehrer, untergebene Gläubigen und ihre Vorsteher. Regiere die allgemeine Kirche, die nur Eine ist. Weide meine Schafe. Welche? fragt der heili¬ ge Bernhard, dieser oder jener Stadt, dieses oder jenes Landes oder Volkes? dieses oder jenes Reiches? Meine Schafe spricht der Herr. Es gibt keine Ausnahme, wo kein Unterschied gemacht wird. Jesus hat also bei dem Mittagmahle am See Gcnesareth jene großen Verheißun¬ gen feierlich erfüllt, welche er vorher zu Cäsarea Phi¬ lippi am Berge Libanus dem Simon Petrus so feierlich gcthan hatte. Fortsetzung. VI. Bevor als Jesus den Petrus zum obersten Hir¬ ten seiner Kirche, und zum sichtbaren Obcrhaupte dersel¬ ben bestellt hatte, fragte er ihn drei Mahle, ob er ihn liebe. Denn die Liebe ist zwar das Grundgesetz, für alle Christen, aber auch stärker verbindet dasselbe ihre Hirten und Oberhirten, da sie nach dem Aussprüche Jesu das Licht der Welt und das Salz der Erde scyn, den Glau- 168 bigeu, wie in andern Tugenden, so auch in der Liebe vorangcheu, und sie vor dem Verderbnisse dieser Weit bewahren sollen. Um die Notwendigkeit der Liebe eines Hirten in das hellcste Licht zu stellen, forderte Jesus vor¬ züglich vom Simon Petrus als dem zu bestellenden ober¬ sten Oberhirtcn, ein dreimahliges Bekcnntniß seiner Liebe ab; denn wird Petrus Jesum über alles lieben, so wird er auch gewiß die von Jesu ihm anvertrautcn Schafe lieben, für welche Jesus aus Liebe sein Blut vergossen und sein Leben dargegeben hat. vn. Es könnte vielleicht Jemanden scheinen, daß die Apostel, welche mit außerordentlichen Gaben des heiligen Geistes begabt waren, keines Oberhauptes bedurften. Allein die Apostel selbst ehrten die Anordnung Jesu und die ganze Apostelgeschichte zeigt, daß sie den Petrus als ihr Oberhaupt angesehen haben. Sie nannten ihn nun stets mit dem neuen Namen, welchen ihm Jesus selbst beige¬ legt hat, Petrus in der vollen Bedeutung dieses Namens, nicht nach den bloßen Buchstaben. vm. Sichtbarer wird die Nothwendigkcit eines sicht¬ baren Oberhauptes der Kirche nach dem Hintritte der Apostel, denen in ihrer Gewalt und ihrem Amte die Bischöfe nachfolgten, welche aber nicht mehr so, wie die Apostel, mit außerordentlichen Gaben des heiligen Geistes ausge¬ rüstet waren, und bei der stets vorschreitenden Verbrei¬ tung der christlichen Religion ihrer immer mehrere wur¬ den, und einige derselben sogar Irrlehren ausstreucten und Seelen stifteten, wie Paulus von Samofata, Bischof zu Antiochien, um die Mitte des dritten Jahrhundertes. Daher mußte auch Petrus in feinem obersten Hirtenamte bis zum Ende der Welt Nachfolger haben; denn Jesus hat dem Petrus die Obergewalt in der Kirche nicht zu seiner Auszeichnung vor den übrigen Aposteln, sondern 169 cbe elt es )r- n- be cd fe 'N ie n i. d r z zum Wohle der Kirche und der Gläubigen, zur Erhaltung der Einigkeit im Glauben und der kirchlichen Gemein¬ schaft anvcrtraut; folglich mußte jene Obergewalt Petri, so wie die Kirche selbst bis zum Ende der Welt fortwäh- rcn, ginge der wghre der einzige Glaube verloren, und machten die Gläubigen nicht einen mystischen Leib aus, so wäre es auch um die Kirche Jesu geschehen, welche hoch nach seiner unfehlbaren Verheißung alle Tage ohne Unterbrechung bis zum Ende der Welt bestehen wird. IX. Gleichwie also die ordentliche Gewalt der Apo¬ stel auf ihre Nachfolger die Bischöfe übergangen ist, und zwar zum Heile der Gläubigen übergehen mußte, eben so gelten auch die vpn Jesu dem Petrus gethanenen Ver¬ heißungen Matth, xvi. v. 10^17 pon seinen Nachfolgern im römischen Bisthume. Und die Unterwerfung gegen den römischen Bischof, als das Oberhaupt der allgemei¬ nen Kirche, und gegen seine kirchlichen Anordnungen ist ein wesentliches Kennzeichen, wodurch sich ein katholischer Christ von einem nicht katholischen unterscheidet. § S4. Jesus kündiget dem Petrus seine Todesart, die Kreuzigung an. l. Jesus bestellte zwar den Petrus zum sichtbaren Obcrhauptc seiner Kirche, aber er verordnete auch, daß ihm Petrus in der Todesart ähnlich werden soll; denn nachdem er ihm die Weidung seiner Lämmer und seiner Schafe anvertrauct hatte, sprach er sogleich zu ihm: »Wahrlich, wahrlich sage ich dir: da du jünger warst, umgürtetest du dich selbst, und wandeltest wo du wolltest; wann du aber alt geworden scyn wirst, wirst du deine Hände auöstrecken, und ein anderer wird dich umgürten, 170 und wird dich führen, wohin du nicht willst. Das sagte er aber, nm anzndeuten, durch welchen Tod er Gott preisen würde. Und als er dieß gesagt hatte, sprach er: Folge mir nach.« Joan. xxi. v. 18. 19. n. Petrus, der Jcsum über alles liebte, dessen Lei¬ den und Tod am Kreuze ihm lebhaft vorschwcbte, den cs überaus schmerzte, seinen liebenswürdigsten Meister vcr- längnet zu haben, entsetzt sich über die Ankündigung die¬ ser Todcsart nicht, vielmehr war ihm dieselbe willkom¬ men. Jedoch hielt er sich für unwürdig, so wie sein gött¬ licher Erlöser am Kreuze gestellt zu werden, sondern er wollte in umgekehrter Stellung gekrcuziget werden. Die¬ ses geschah auch wirklich unter dem heidnischen Kaiser Nero den 29. Juni im Jahre 66. §. SS. Hingegen gibt Jesus dem Petrus zu verstehen, daß Johannes keines gewaltsamen, sondern natürlichen Todes sterben werde. !. »Da wendete sich Petrus um, und sah den Jün¬ ger folgen, den Jesus liebte, der auch bei dem Abcnd- mahle auf seiner Brust geruhet und gesagt hatte: Herr! wer ist, der dich verrathen wird? Da nun Petrus diesen sah, sprach er zu Jesu: Herr was soll aber dieser? Je¬ sus spricht zu ihm: Ich will, daß er so bleibe, bis ich komme, was geht dich an? Folge du mir nach. Da ging eine Rede unter den Brüdernr Dieser Jünger stirbt nicht. Und Jesus sagte nicht zu ihm: Er stirbt nicht, sondern: Ich will, daß er so bleibe, bis daß ich komme, was geht dich an?« Joan. xxi. v. 20-23. ii. Dieser junge und jungfräuliche Johannes war der Liebling Jesu, der ihn bei dem letzten Abendmahle 171 an seiner Brust ruhen ließ, und ihm die Liebe reichlich mittheilte, denn auch Petrus, Jcsum nachahmend, Vorzug, lich liebte. Johannes erreichte ein sehr hohes Alter, er lebte bis auf die Zeiten des Kaisers Trajanus, welcher am Ende des ersten und im Anfänge des zweiten Jahr- hundertes das römische Reich beherrschte. Johannes wur¬ de zwar in !>er Domitianischcn Verfolgung der Christen zu Nom im Jahre in ein siedendes Oehl geworfen, er kam aber unverletzt aus demselben, indem Jesus woll¬ te, daß er so bleibe. Darauf wurde er auf die Insel Pathmus verwiesen. Der sauftmüthige Kaiser Kerva0»e- «esu-, welcher dem Domitian im Jahre 96 in der Regie¬ rung nachfolgte, ließ ihn frei, und von dannen kam Jo¬ hannes nach Ephesus der Hauptstadt Kleinasiens, zurück, wo er Bischof war, und auch für die übrigen Kirchen Kleinasiens alle Sorge trug. Geh. Off. Joan. i. nr. In seinen letzten Lebenstagen konnte er nicht mehr in die Versammlung der Gläubigen gehen, sondern er mußte dahin getragen werden; er konnte auch nicht - mehr an die christliche Gemeinde eine Rede halten; son¬ dern er redete dieselbe jedes Mahl nur mit den kurzen Worten an: Meine Kinder! liebet einander. Und als seine Lehrlinge, welche immer etwas anderes aus seinem Munde zu hören wünschten, endlich zu ihm sprachen: Meister! warum sagst du uns immer das Nämliche? antwortete er: Weil es das Gebot des Herrn ist, und wer dieses Gebot in allen Stücken erfüllet, der leistet dem Gesetze Genüge. Der Evangelist Johannes starb ei¬ nes sanften Todes, er entschlief im Herrn. Man wahl- fahrtete von weiten Orten nach Ephesus zu seiner Grab¬ stätte, und etwas von der Erde, welche sein Grab be¬ deckte, war die Reliquie, welche die Wahlfahrtcr mit sich nach Hause nahmen. — I7L — §. »«. i. Erscheinungen, deren der Apostel Paulus er¬ wähnet. i. »Hierauf ist Jesus von mehr als fünf Hundert Brü¬ dern zugleich gesehen worden, von denen noch viele bis auf den heutigen Tag am Leben, etliche aber entschlossen sind. Darauf ist er von Jacob (dem kleinern) gesehen worden. Endlich ist er nach allen auch von mir, als einer unzeitigen Frucht gesehen worden; denn ich bin der geringste unter den Aposteln, der ich nicht werth bin, ein Apostel genannt zu werden, da ich die Kirche Gottes verfolgt habe. Aber durch die Gnade Gottes bin ich, was ich bin, und die Gnade ist in mir nicht vergeblich gewesen, sondern ich habe mehr gearbeitet als alle, nicht aber ich, sondern die Gnade Gottes mit mir.« i. Korinth, xv. v. 6-10. n. Jeder bedachtsame Leser kann aus diesen Worten des großen Apostels, wo er von sich selbst redet, leicht selbst eine Menge der wichtigsten und nützlichsten Lehren schöpfen. §. s?. n. Db Jesus auch Mariä, seiner Mutter er¬ schienen sei? Die Evangelisten machen davon gar keine Erwäh¬ nung ; diese Erscheinung bedurfte aber auch nicht der Auf¬ zeichnung im Evangelium, indem dieselbe eben so gewiß ist, als ob wir sie selbst im Evangelium lesen würden. Jesus ist den frommen Frauen und den Jüngern erschie¬ nen, und nur seiner heiligsten Mutter soll er nicht er- 175 schienen seyn? Er ist nach den im Evangelium erwähn¬ ten Erscheinungen der Maria Magdalena zuerst erschie¬ nen, und hat sich gegen sie besonders liebreich gezeigt, weil sie ihn am eifrigsten liebte, und bei seinem Leiden und Tode am meisten trauerte, und am meisten des Tro¬ stes bedurfte. Allein wurde nicht die Liebe Magdalenens gegen Jesum und ihre Betrübniß von der Liebe und dem Schmerz Mariä der Mutter Jesu weit übertroffen ? Sollte nicht Maria, die Mutter voll der Schmerzen, auch die Mutter voll der Freude und voll des Trostes werden? Ja, Jesus ist seiner heiligsten Mutter, der Königinn der Märtyrer erschienen, welche an seinem Leiden den meisten Antheil gehabt hat, und er ist ihr noch weit liebreicher erschienen, als der Magdalena, und wer vermag wohl die Liebe Jesu, und die Wonne Mariä bei dieser Er¬ scheinung zu fassen? Jesus ist seiner Mutter erschienen, und alle heiligen Väter glaubten eben so an diese Er¬ scheinung , als ob dieselbe in dem heiligen Evangelium ausgezeichnet worden wäre, denn sie bedurfte keiner be¬ sonder» Aufzeichnung. §. S8. Letzte Rede Jesu an seine Jünger. Jesu Him¬ melfahrt. i. Jesus sprach zu ihnen: »Dieses sind die Worte, die ich zu euch geredet habe, da ich noch bei euch war: denn es mußte alles erfüllet werden, was in dem Gesetze Mosis, und in den Propheten und Psalmen von mir ge¬ schrieben ist. Da eröffnete er ihnen den Verstand, daß sie die Schrift verstanden. Und er sprach zu ihnen: Also ist geschrieben, und also mußte Christus leiden, und am dritten Tage wieder von den Todten auscrstehcn. Und 174 es muß in seinem Namen Buße und Vergebung der Sün¬ den geprediget werden, unter allen Völkern von Jerusa¬ lem anzufangen. Ihr aber seid Zeugen dieser Dinge. Und ich will die Verheißung meines Vaters auf euch sen¬ den; denn ihr sollet in der Stadt Jerusalem bleiben, bis daß ihr mit der Kraft aus der Höhe angethan werdet. Er führte sie aber hinaus gegen Bethanien, und hob sei¬ ne Hände auf, und scguete sie. Und es begab sich, in¬ dem er sie segnete, schied er von ihnen, und fuhr hinauf in den Himmel. Und sie beteten ihn an.« Luc. X.XIV. v. 44-52. n. Und als sie ihm nachsahen, da er in den Him¬ mel fuhr, sich, da standen zwei Männer in weißen Klei¬ dern bei ihnen, welche auch sprachen: Ihr Männer von Galiläa, was stehet ihr da, und schauet gegen Himmel? Dieser Jesus, der vor euch in den Himmel ausgenommen wurde, wird also wieder kommen, wie ihr ihn gesehen habet in den Himmel zu fahren. Apostelgesch. i. v. io. n. Er wird von dannen kommen zu richte» die Lebendigen und die Todteu. Apostolisch. Glaubensbekenntniß. iil. Der Himmel ist unsere endliche Bestimmung. Gleichwie aber Jesus seine Kindheit und Jugend dem Dienste seines himmlischen Vaters gewidmet, drei Jahre im ganzen Judenlande das Evangelium unermüdet ver¬ kündiget, und seine Sendung am Kreuze vollendet hat, und erst dann siegreich aus dem Grabe hervorgegaugeu, und glorreich in den Himmel aufgefahrcn ist; eben so müßen auch wir unser Leben Gott weihen, die Beschwer¬ den dieses Lebens nach dem Willen Gottes ertragen, wi¬ der unsere verderbte Natur, wider die Welt und wider den höllischen Versucher unermüdet streiten, und also den Himnjel erobern; denn der Himmel ist der Preis für den 175 Sieg, den wir über die Anfechtungen des Fleisches, der Welt und des Satans erringen. §. SG. Geschichte der zehn Tage nach Christi Himmel¬ fahrt bis zur Sendung des heiligen Geistes. Erwählung des Apostels Mathias. i. Da kehrten sic mit großer Freude wiederum nach Jerusalem von dem Berge, der Oehlberg genannt wird, welcher nicht weit von Jerusalem ist, eine Tagreise, wie man am Sabbathe reiset. Als sie hinein gekommen wa¬ ren, gingen sie hinauf in den Saal, wo sie sich aufhiel¬ ten, nämlich Petrus und Johannes, Jacobus und An¬ dreas, Philippus und Thomas, Bartholomäus und Mat¬ thäus, Jacobus des Alphäus und Simon Zelotes und Judas Jacobs. Diese alle verharrten einmüthig im Ge- bete mit den Weibern und Maria der Mutter Jesu und seinen Brüdern. Apostelgesch. l. v. 12-14. re. In denselben Tagen stand Petrus auf mitten un¬ ter den Brüdern und sprach (Es war aber eine Schar ungefähr bei hundert zwanzig Menschen beisammen:) Ihr Männer und Brüder! cs muß die Schrift erfüllet werden, welche der heilige Geist durch den Mund Davids von Judas vorgesagt, der ein Führer derjenigen war, welche Jesum gefangen haben. Er war in unserer Zahl mitein- gercchnct, und hat den Anthcil an diesem Dienste mit überkommen. Und dieser zwar hat den Acker von dem Lohne der Ungerechtigkeit erworben, und hat sich erhenkt, und ist mitten entzwei geborsten, nud alles sein Einge¬ weide ist ausgeschüttet worden. Und es ist allen kund geworden, die zu Jerusalem wohnen, daß derselbe Acker in ihrer Sprache Haceldama, das ist, der Blutacker heißt. 176 Denn es steht geschrieben im Buche der Psalmen: Ihre Wohnstätte soll wüste werden, und sei keiner, der darin wohne, und sein Bisthum soll ein anderer bekommen. Dcrowegen muß eiuer von diesen Männern, welche die ganze Zeit mit uns versammelt gewesen sind, da der Herr Jesus unter uns eingegangen und ausgcgangen ist, von der Taufe des Johannes an bis auf den Tag , da er von uns ausgenommen wurde, von denselben Männern muß einer mit uns Zeuge seiner Auferstehung werden. Und sie stellten zwei davon, den Joseph, der Barsabas ge¬ nannt wird, mit dem Zunamen der Gerechte, und den Mathias. Und sie beteten und sprachen: Herr! der du aller Menschen Herzen erkennst, zeige uns, welchen du aus diesen zweien erwählet haft, daß einer an die Stelle dieses Dienstes und apostolischen Amtes trete, welches Judas verwirkt hat, damit er in seinen Ort hinginge. Und sie gaben ihnen das Los, und das Los fiel auf den Mathias, und er war den eilf Aposteln zugezählt. Apo¬ stelgeschichte I. v. 10-26. m. Bei der Erwählung des neuen Apostels Mathias machte der heilige Petrus den Anfang der Ausübung sei¬ nes obersten Hirtenamtes, er handelte schon als Ober¬ haupt unter den Aposteln, indem er veranstaltete, daß die Stelle des abgefallenen Judas durch einen andern be¬ setzt wurde, und zwar noch vor der Sendung des heiligen Geistes, damit der neue Apostel zugleich mit den Eilfen den heiligen Geist empfinge. Petrus, von dem heiligen Geiste geleitet, that in seiner Rede aus dem Psalm l.xvill. v. 26. und Psalm ovi. v. 8. dar, daß den Platz des Verräthers Judas ein anderer einuehmen müsse. iv. Weil aus den zweien Barnabas und Mathias für gleich würdig befundenen, doch nur einer in die Zahl der Apostel aufgenommen war, und weil die Eilf wünsch- 177 ten, daß Gott selbst denselben anzeigte, gleich wie auch sie von Gott selbst zum Apostclamte auscrsehen wurden, so beteten sie, daß Gott seinen Willen darüber offenbarere. Und sie gaben zu dem Ende den Zweien das Los in die Hände, und das Los fiel auf den Mathias, und er war eben so gut, wie die übrigen Eilf, ein von Gott selbst aus¬ erwählter Apostel. v. Nach der Erwählung des Apostels Mathias wur¬ de kein Kirchenvorsteher mehr durch das Los zum Kir- chendienste berufen, sondern die Kirchenämter waren nur durch gewissenhafte Wahlstimmcn derjenigen, welche dazu befugt waren, zu besetzen, indem man mit dem Lose den Willen Gottes nicht verbinden konnte, ohne dem blinden Lose den Willen Gottes abergläubisch zu unterschieben, und ohne sich schwer gegen Gott zu versündigen. §. LOO. Sendung des heiligen Geistes. i. »Und als die Tage der Pfingsten erfüllt wurden, waren sie alle zugleich an demselben Orte beisammen, und cs geschah schnell ein Brausen vom Himmel, als ob ein gewaltiger Wind herein käme und füllte das ganze Haus an, darin sie saßen. Und es erschienen ihnen wie feurige zerspaltene Zungen, und er setzte sich auf einen Jeglichen unter ihnen. Und sie wurden alle mit dem heiligen Gei¬ ste erfüllt, und fingen an mit vielerlei Zungen zu reden, je nachdem es ihnen der heilige Geist gab, auszusprechen. Es waren aber Juden, welche in Jerusalem wohnten, gottselige Männer aus allerhand Völkern, die unter dem Himmel sind. Als sich nun diese Stimme hören ließ, da kam die Menge zusammen, und war erschüttert am Gc- müthe, denn ein Jeglicher hörte sie in seiner Sprache rc- 12 17L den. Es entsetzten sich aber alle, und verwunderten sich, und sprachen: Sehet, sind diese nicht alle Galiläer, die da reden? Wie hören wir dann, ein Jeglicher seine Spra¬ che, in der wir geboren sind? Parter und Meder und Elamitcr, und die da wohnen in Mesopotamien, im jüdi¬ schen Lande und in Capadocien, in Pontus und Asien, in Phrygien und Pamphilien, in Aegypten und in den Gränzen Lybiens, welches bei Cyrene gelegen ist, und Ausländische von Rom, auch Juden und Judcngenossen, Kreter und Araber. Wir hören sie mit unseren Zungen die herrlichen Thaten Gottes reden.« Apostelgesch. n. V. I - II. tl. Am fünfzigsten Tage nach Ostern ging Jesu Ver¬ heißung von der Sendung des heiligen Geistes in Erfül¬ lung. Seine Ankunft offenbarte sich -e) durch ein Sau¬ sen, welches plötzlich vom Himmel kam, einem gewalt¬ samen Winde glich, das ganze Haus erfüllte, und die Her¬ zen der darin Versammelten zur Andacht weckte, und die Juden trieb, daß sie dahin eilten dieses außerordentliche Ercigniß zu sehen. Dieser himmlische Wind war auch eine Vorbedeutung von der Ertönung des Evangeliums durch die ganze Welt nach dem Psalme vm. v. 5. Ihr Schall ist ausgegangen in alle Länder, und ihr Wort bis zum Ende des Erdbodens. i>) Die zerspaltenen entflammten Zungen. Diese bezeichneten die Gaben des heiligen Gei¬ stes. Die Gabe allerlei Sprachen zu reden, wenn es ihr Beruf erforderte, die Gabe der Erkenntniß und Erleuch¬ tung nach der Verheißung Jesu: Wann der Tröster kom¬ men wird, den ich euch von meinem Vater senden werde, der wird euch alles lehren und eingeben, was ich euch gesagt habe; die Gabe der Stärke, welche alle Furcht verscheuchet, und alle Beschwerden überwindet, weun es sich um die Ehre Gottes und um das Seelenheil der 179 Menschen handelt. Alle (cs waren deren bei hundert zwanzig) wurden mit dem heiligen Geiste erfüllt, ein jeder empfing jene Gaben, deren er nach seinem Stande und Berufe bedurfte. Daher empfingen die zwölf Apostel die Völle der Gaben des heiligen Geistes, und selbst die Macht, durch ihr Gebet und durch Auflegung ihrer Hän¬ de den heiligen Geist zu verleihen. Aber alle bereiteten sich auch durch ein zehntägiges Gebet und durch Abson¬ derung von der Welt zur Empfangung des heiligen Geistes. §. LSI. Predigt des heiligen Petrus am Pfingstfeste zu Jerusalem. Erstlinge des Christentums aus den Juden. i. Als die am Pfingstfeste zu Jerusalem versammel¬ ten Juden die Apostel fremde Sprachen reden, und die herrlichen Thaten Gottes verkündigen hörten, entsetzten und verwunderten sie sich, und sprachen unter einander: Was will das bedeuten? Andere aber lachten sie aus und sprachen: Diese Leute sind voll süßen Weines. n. Petrus aber stand mit den Eilfen, erhob seine Stimme und sprach zu ihnen: Ihr Männer von Judäa, 1 und alle, die ihr in Jerusalem wohnet, dicß sei euch kund gethan, und höret meine Worte an; denn diese sind nicht betrunken, wie ihr meinet, indem es erst die dritte Tagsstunde ist, sondern cs ist das, was durch den Propheten Joel gesagt wurde: In den letzten Tagen wird geschehen, spricht der Herr, so will ich von meinem Gei¬ ste über alles Fleisch ausgießcn, und meine Söhne und meine Töchter werden weissagen, und euere Jünglinge 12 * 180 werden Erscheinungen sehen, und euere Aeltcsten werden Träume haben. Und zwar in denselben Tagen will ich auf meine Knechte und auf meine Mägde von meinem Geiste ausgießen, und sie werden weissagen. Ich will aber am Himmel Wunder thun, und Zeichen herunter auf Erde, Blut und Feuer, Dampf und Rauch. Die Sonne wird sich in Finsterniß verwandeln und der Mond in Blut, ehe dann der große und offenbare Tag des Herrn kommen wird. Und es wird seyn: Ein Jeglicher, wer immer den Namen des Herrn wird anrufcn, wird selig werden. ui. Ihr Männer von Israel, höret diese Worte: Jesum von Nazareth, den Mann, der von Gott unter euch durch kräftige Thaten und Wunder und Zeichen be¬ währet ist, welche Gott durch ihn mitten unter euch ge- than hat, wie ihr selbst auch wisset, denselben, nachdem er aus beschlossenen Rathe und Fürsichtigkeit Gottes über¬ geben war, habet ihr durch die Hände der Gottlosen ge- peiniget und getodtet. Diesen hat Gott auferweckt, und die Schmerzen der Hölle aufgelöset, wie es dann unmög¬ lich war, daß er von ihr sollte gehalten werden; denn David spricht von ihm: Ich sah den Herrn allezeit vor meinem Angesichte, denn er ist mir auf der rechten Seite, damit ich nicht beweget werde. Darum hat sich mein Herz erfreuet, und meine Zunge frohlocket, über das wird auch mein Fleisch in Hoffnung ruhen; denn du wirst meine Seele nicht in der Hölle verlassen, und nicht zugeben, daß dein Heiliger Verwesung sehe. Du hast mir die Wege des Lebens kund gethan, und wirst mich durch dein An¬ gesicht mit Freude erfüllen. iv. Ihr Männer und Brüder lasset mich kühnlich mit euch reden von dem Patriarchen David; denn er ist gestorben und begraben, so ist auch sein Grab noch bei 181 uns bis auf den heutigen Tag. Weil er nun ein Pro¬ phet war, und wußte, daß ihm Gott mit einem Eide ge¬ schworen hatte, daß einer von der Frucht seiner Lenden auf seinem Stuhle sitzen sollte, so hat er zuvor gesehen, und von der Auferstehung Christi geredet, daß er weder in der Höhle ist verlassen worden, noch sein Fleisch die Verwesung gesehen hat. Diesen Jesum hat Gott wieder aufcrweckt, daß wir alle Zeugen sind. Weil er dann durch die rechte Hand Gottes erhöhet ist, und die Verheißung des heiligen Geistes vom Vater empfangen hat, so hat er diesen Geist ausgcgossen, den ihr sehet und höret. Denn David ist nicht gegen Himmel hinauf gefahren. Er spricht aber: Der Herr hat gesagt zu meinem Herrn: Setze dich zu meiner Rechten, bis daß ich deine Feinde zum Schemel deiner Füße lege. So soll nun das ganze Haus Israel gewiß wissen, daß Gott diesen Jesus, den ihr gekreuziget habet, zum Herrn und zum Christus ge¬ macht hat. Apostelgesch. u. v. 14-36. Z. IE Fortsetzung. r. In dieser Rede widerlegte der heilige Petrus das spöttische Vorgeben derjenigen Juden, welche die Apo¬ stel des Rausches beschuldigten, indem sie die Apostel fremde Sprachen reden, und die herrlichen Thaten Got¬ tes verkündigen hörten. Petrus antwortete auf dieses unsinnige und gottlose Gespött: Es ist erst die dritte Tagsstunde. Und in diesen wenigen Worten lag die kräf¬ tigste Wiederlegung; indem die Juden an einem großen Festtage, dergleichen der Pfingsttag war, vor der sechs¬ ten, das ist vor der Mittagsstunde weder Speise noch Trank zu sich zu nehmen pflegten. Es gehört nämlich zur 182 Begründung eines religiösen Vortrages, daß man das Alberne und Gottlose, welches die Feinde dem Worte Gottes entgcgcnstellen, in seiner ganzen Blöße zeige. n. Der Grund der Rede des heiligen Petrus war die heilige Schrift. Um zu zeigen, daß der von Jesu verheißene heilige Geist jetzt über die Gläubigen sich er¬ gossen, und daß die Reden der Apostel von den herrli¬ chen Thaten Gottes, und die Gaben allerhand Sprachen zu reden, Wirkungen des eben empfangenen heiligen Gei¬ stes sind, berief sich Petrus auf den Propheten Joel, wel¬ cher geweissaget hat, daß in den letzten Tagen diese Wun¬ der geschehen werden. Um die Juden zur Buße zu stimmen, berief sich Petrus abermahls auf den Bußprediger Joel, welcher den sündigen Inden die schrecklichen göttlichen Gerich¬ te, die Verwüstung des jüdischen Landes und die Schreck¬ nisse, welche dem jüngsten Gerichte vorher gehen werden, von denen jene Verwüstung ein Vorbild war, verkündiget hat. Joel n. v. Z0-Z2. Dann übergehet Petrus auf jene Stel¬ len der Psalmen Davids, welche sich auf den von Gott verheißenen Messias beziehen, und bereitet stuffcnwcise die Juden zur Erkenntniß und Annahme Jesu als des wirklichen Messias. Zuerst erinnert er die Inden an die allgemein bekannten Thaten und Wunder Jesu. Daun kommt er auf die Gottheit Jesu, der aus sich selbst heilig, als Gott und Schöpfer weder im Grabe verwesen, noch in der Hölle zurückgehalten werden konnte, indem die Verwesung die Strafe der Sünde ist. Demnach konnte es nicht anders seyn, als daß Jesus ohne Verwesung von den Tobten auferstanden ist, wofür sich die Apostel als Augenzeugen unerschrocken bekannten. Erst nachdem Pe¬ trus die Juden nach und nach zur Erkenntniß Jesu vorbe¬ reitet, und ihre Herzen erschüttert hat, konnte er mit dem besten Erfolge zu ihnen gerade zu sagen: Diesen Jesus habet ihr getödtct. Er machte ihnen aber den Vorwurf ohne Bitterkeit, aus wahrer Liebe gegen sie, für ihr See, lenheil, indem er sie seine Brüder nannte. m. Der heilige Petrus war von der Wahrheit des¬ sen, was er sprach, beseelet; der Eifer für den Glauben an den Sohn Gottes, und für die Bekehrung der Juden redete aus ihm, doch nicht Petrus, sondern der heilige Geist selbst sprach durch den Mund des Petrus zu den Juden. Von dem heiligen Geiste bekam plötzlich Petrus, der vorhin die klaresten Worte nicht faßte, welche Jesus von seinem Leiden, Tode und Auferstehung von den Tob¬ ten gesprochen hatte, seine jetzige Einsicht in die Tiefe der Weissagungen Joels und Davids. iv. Die Apostel und übrigen Jünger verharreten zehn Tage vor dem Pfingstfeste im Gebete und in der Versammlung des Geistes, und bereiteten sich zur Ankunft und Empfangung des heiligen Geistes, dessen Gegenwart und Wirkungen sich an den Aposteln so wunderbar offen¬ barten. Von dieser Zeit an pflegten die Apostel immer durch das Gebet zur Verkündigung des Wortes Gottes sich vorzuberciten. Apostelgesch. iv. v. Daher kommt auch der kirchliche Brauch, daß vor der Predigt von dem Prediger und von den anwesenden Gläubigen der heilige Geist angerissen werde. §. 1«». Fortsetzung. i. Als sie aber dieses gehört haben, ward ihr Herz zerknirscht, und sie sprachen zum Petrus und den andern Aposteln: Ihr Manner und Brüder! was soffen wir thun? Petrus aber sprach zu ihnen: Thuct Buße, und ein Jeglicher von euch lasse sich im Namen Jesu Christi 184 taufen zur Vergebung euerer Sünden, so werdet ihr die Gabe deö heiligen Geistes empfangen. Denn euch ist die Verheißung geschehen, und cuern Kindern, auch allen, die noch ferne sind, welche der Herr unser Gott herzu rufen wird. Er zeigte auch mit vielen andern Worten, und ermahnte sie und sprach: Lasset euch losreißen von diesem boßhaften Geschlechte. Welche sein Wort angenom¬ men haben, die ließen sich taufen, und es wurden an dem¬ selben Tage ungefähr drei Tausend Seelen zugezählt. Sie beharrten aber in der Lehre der Apostel, und in der Ge¬ meinschaft des Brotbrechens und im Gebete. Apostelgcsch. ii. v. 37-42. Die Menge der Gläubigen hatte ein Herz und eine Seele, und keiner von ihnen sagte, daß etwas von dem, was er besaß, sein wäre, sondern es war ih¬ nen alles gemeinschaftlich. Ebend. iv. v. 32. n. Gleich wie der heilige Geist durch den Mund des heiligen Petrus geredet hat, eben so lenkte der heilige Geist auch den Verstand und das Herz der gläubig gewor¬ denen Juden, und schuf sie plötzlich in neue Menschen um. Sie hörten unausgesetzt die Lehren der Apostel an, und beherzigten dieselben; sic nahmen an dem Geheimnisse des Brotbrechcns, das ist, des heiligen Abendmahles, des Leibes und Blutes Jesu Christi Theil, und beschäf¬ tigten sich mit dem Gebete. Die Nächstenliebe legten sie durch die Gemeinschaft ihres Hab und Gutes an den Tag. Dieseerste christliche Gemeinde zu Jerusalem sollte al¬ len künftigen christlichen Gemeinden zum Muster dienen. Und obschon sich jene Gütergemeinschaft nicht lange erhielt, noch sich erhalten konnte, so verblieb doch das Wesentli¬ che davon die thätige Nächstenliebe, dieses Grundgesetz ei¬ ner jeden christlichen Gemeinde, nur die Art und Weise die Nächstenliebe auszuüben, konnte zu verschiedenen Zei¬ ten und in verschiedener Lage verschieden seyn. — 185 — §. 1«4. Erstlinge des Christentums aus den Heiden. I. Es war ein Mann zu Eäsarea (in Palästina) mit Namen Cornelius, Hauptmann einer Cohorte, (Heerschar) welche die italienische genannt wurde. Der war fromm und fürchtete Gott mit seinem ganzen Hause, thcilte viele Almo¬ sen unter das Volk aus, und betete immerdar zu Gott. Die¬ ser sah offenbar ungefähr um die neunte Stunde ein Ge¬ sicht, einen Engel Gottes, welcher bei ihm cintrat, und zu ihm sprach: Cornelius! Er aber sah ihn an, wurde mit Furcht erfüllt, und sprach: Herr! was ist? Und er sprach zu ihm: Dein Gebet und deine Almosen sind zum Gedächtnisse vor das Angesicht Gottes hinauf gekommen, und sende Männer nach Joppe aus, und berufe einen ge¬ wißen Simon mit Zunamen Petrus. Dieser ist auf der Herberge bei Simon einem Gerber, dessen Haus am Meere liegt. Derselbe wird dir sagen, was du thun sollst. Als nun der Engel verschwunden war, welcher mit ihm redete, rief er zwei von seinen Hausgenossen und einen Kriegsmann, der den Herrn fürchtete, aus denen, wel¬ che unter seinem Befehle standen. Nachdem er ihnen alles erzählt hatte, sandte er sie nach Joppe. Am folgenden Tage aber, als diese auf der Reise waren, und sich der Stadt naheten, ging Petrus auf das obere Gemach im Hause, um zu beten, um die sechste Mittagsstunde. Ii. Als er hungrig wurde, wollte er etwas essen. Da sic aber Speise vorbereiteten, verfiel er in eine Ent¬ zückung, und er sah, daß der Himmel offen war, und ein Gefäß herab kam, wie ein großes leinenes Tuch auf den vier Enden aufgehalten, welches vom Himmel auf die Erde herab stieg, in welchem vierfüßige und kriechende ' — 186 — , Thicrc der Erde und Vögel des Himmels waren, und es geschah eine Stimme zu ihm: Steh auf Petrus! schlachte und iß. Petrus aber sprach: Herr! das sei ferne von mir; denn ich habe nicmahlö etwas Gemeines und Unrei¬ nes gegessen. Und die Stimme sprach zum andern Mahle zu ihm: Was Gott gereiniget hat, das sollst du nicht gemein nennen. Dieses geschah zu drei Mahlen, und als¬ bald wurde das Gefäß in den Himmel ausgenommen. Als aber Petrus bei sich selbst im Zweifel stand, was das Gesicht bedeutete, welches er gesehen hatte, sieh, da frag¬ ten die Männer, welche von Cornelius gesandt wurden, nach dem Hause Simons, und standen an der Thüre und nachdem sie gerufen hatten, fragten sie, ob Simon mit dem Zunamen Petrus hier seine Herberge hätte. In¬ dem aber Petrus dem Gesichte nachdachte, sprach der Geist zu ihm: Sieh, drei Männer suchen dich, darum stehe auf, geh hinab, gehe mit ihnen ohne Bedenken; denn ich habe sie gesandt. Da ging Petrus zu den Männern hinab, und sprach: Sehet ich bin es, den ihr suchet; was ist die Ursache weßwcgen ihr hergckommen seid? Sie sprachen: Cornelius, der Hauptmann, der ein gerechter Mann ist und Gott fürchtet, und von dem gesammten jüdischen Volke Zeugniß hat, dieser hat von dem heiligen Engel die Antwort bekommen, daß er dich in sein Haus berufen und von dir die Worte anhören soll. Da führte er sie hinein, und beherbergte sie. Am folgenden Tage machte < er sich auf, und vcrreisete mit ihnen, und etliche aus den Brüdern von Joppe begleiteten ihn. Am andern Tage aber kam er in Cäsarea an, und Cornelius, der seine Verwandten und vertrauten Freunde versammelt hatte, wartete auf sie. Und es begab sich, da Petrus hinein trat, daß Cornelius ihm entgegen ging, zu seinen Füßen nicderfiel, und ihn anbetete: Petrus, aber hob ihn auf, 187 und sprach: Stehe auf, ich bin auch selbst ein Mensch. Nachdem er mit ihm geredet, ging er hinein, und fand viele, die zusammen gekommen waren. Und er sprach zu ihnen: Ihr wisset, wie sehr von einem Manne, der ein Jude ist, verabscheuet wird, sich zu einem Fremdlinge zu gesellen, oder zu ihm zu kommen, aber Gott hat mir ge¬ zeigt, daß ich keinen Menschen gemein oder unrein nen¬ nen soll. Deswegen bin ich, da ich berufen wurde, ohne Bedenklichkeit gekommenen. Ich frage also, um welcher Ursache wegen habet ihr mich berufen? Cornelius sprach: Es ist nun bis zu dieser Stunde der vierte Tag, daß ich um die neunte Stunde in meinem Hause betete, und sieh, ein Mann im weißen Kleide stand vor mir und sprach: Cornelius! dein Gebet ist erhöret worden, und deine Al¬ mosen sind vor dem Angesichte Gottes bedacht worden; darum sende nach Joppe, und berufe den Simon mit dem Zunamen Petrus; derselbe hat seine Herberge im Hause Simons des Gerbers an dem Meere. Deswegen habe ich alsogleich zu dir geschickt, und du hast wohl gethan, daß du gekommen bist. Nun sind wir alle vor deinem Ange¬ sichte zugegen, um alles zu hören, was der Herr dir be¬ fohlen hat. in. Petrus aber öffnete seinen Mund und sprach: Ich habe in Wahrheit erfahren, daß Gott nicht auf Per¬ sonen sieht, (ob einer Jude oder Heide ist) sondern daß in allen Völkern derjenige ihm angenehm ist, welcher ihn fürchtet und die Gerechtigkeit ausübt. Gott hat das Wort zu den Kindern Israels gesandt, und hat den Frieden durch Jesum Christum verkündiget. (Dieser ist ein Herr über alles). Ihr wisset, was durch das ganze Judenland geschehen iss; denn es hatte von Galiläa aus seinen An¬ fang nach der Taufe, welche Johannes geprediget hat: wie Gott Jesum von Nazareth mit dem heiligen Geiste 188 gesalbet hat: der allenthalben Gutes wirkte, und die von dem Teufel Unterdrückten gesund machte; denn Gott war in ihm. Und wir sind Zeugen aller Dinge, welche er im jüdischen Lande und zu Jerusalem gethan hat: Diesen ha¬ ben sie getödtet, und auf dem Holze aufgehängt. Diesen hat Gott am dritten Tage aufgeweckt, und hat ihn lassen offenbar werden, nicht allem Volke, sondern den von Gott verordneten Zeugen, nämlich uns, die wir mit ihm gegessen und getrunken haben, nachdem er von den Tob¬ ten auferstanden war. Und er hat uns befohlen dem Volke zu predigen und zu bezeugen, daß er derjenige sei, der von Gott zum Richter der Lebendigen und Tobten verordnet ist. Diesem gaben alle Propheten Zeugniß, daß alle, die an ihn glauben, durch seinen Namen Vergebung der Sünden empfangen werden. iv. Als Petrus diese Worte noch redete, fiel der heilige Geist auf alle die, welche das Wort hörten. Und die Gläubigen aus der Beschneidung, welche mit Petrus gekommen waren, staunten, daß die Gnade des heiligen Geistes auf die Heiden ausgegossen war, denn sie hörten sie mit Zungen reden und Gott hochloben. Da antwortete Petrus: Kann wohl jemand diesen das Wasser versagen, daß man sie nicht taufe, die den heiligen Geist cmpfan- gen haben, wie wir? Und er befahl sie im Namen des Herrn Jesu Christi zu taufen. Da baten sie ihn, daß er etliche Tage bei ihnen bleibe. Apostelgesch. x. § LOS. Fortsetzung. i. Die erste Bekehrung der Juden und Heiden zum Christenthume geschah also nach der göttlichen Anordnung durch den heilige» Petrus; indem er nicht aus sich selbst. 189 sondern nach dem Willen und der Verheißung Jesu der Fels war, auf welchen Jesus seine Kirche bauen wollte. Pe¬ trus legte also den ersten Grund zu der allgemeinen Kir¬ che, und vereinigte die Juden und Heiden mit einander zu einer und der nämlichen Kirche. Diese Vereinigung wurde schon bei der Geburt des Weltheilandes vorgebil¬ det , da auf die Verkündigung des Engels die Hirten zur Krippe, und auf die Erscheinung eines außerordentlichen Sternes die Weisen aus dem Morgenlandc nach Bethle- chcm kamen. n. Petrus nahm aus Eingebung des heiligen Gei¬ stes auch sechs Brüder aus der Beschneidung von Joppe nach Cäsarea mrt sich, welche hernach mit ihm bezeug¬ ten, daß Cornelius und die andern bei demselben versam¬ melten Heiden eben so, wie es zu Jerusalem am Pfingst- feste geschehen war, den heiligen Geist auf sichtbare Weise empfangen haben, und in die christliche Kirche eingegangen sind; denn die neubekehrten Juden glaubten Anfangs hartnäckig, daß der Heiland nur ihnen, und nicht auch den Heiden verheißen wurde, daß nur sie mit Ausschlüße der Heiden zum Christenthume berufen sind. Apoftelgesch. xi. ill. Das Haus des Hauptmannes Cornelius war ein Muster eines christlichen Hauses, wo ein frommer Hausvater auch fromme Hausgenossen um sich versammelt und selbst dieselben zur Frömmigkeit anleitet. iv. Das Beispiel des Hauptmannes Cornelius, wel¬ cher bei der Ankunft des Apostels Petrus seine Hausge¬ nossen und vertrauten Freunde versammelte, verdient in einem christlichen Hause noch weit mehr nachgcahmt zu werden, da ein Priester mit dem Allerheiligsten zu einem Kranken kommt. — 190 — §. 1««. Fortdauer der streitenden christlichen Kirche bis zum Ende der Welt- I. Zufolge der Apostelgeschichte, dieses Evangeliums des heiligen Geistes, gründeten die Apostel von dem hei¬ ligen Geiste erleuchtet und gestärkt, von Jerusalem aus zuerst in Palästina zu Eäsarea, Lyda, Joppe und Sama- ria, und dann nach ihrer Trennung von einander in Sy¬ rien, Klein-Asien, Griechenland, ans den anliegenden Inseln, und selbst schon im Abendlande christliche Ge¬ meinden oder Kirchen, unter denen jene von Rom, Ale¬ xandria in Aegypten, Antiochia in Syrien, Ephesus und Smyrna in Klein-Asien, die vorzüglichsten waren. Il. Allein da die heilige Kirche nach Anordnung ih¬ res göttlichen Stifters, und nach Erforderniß des nnn in derselben zu erlangenden ewigen Heiles der Menschen bis zum.Ende der Welt fortdauern sollte, so mußte auch die den Aposteln von Jesu zum Heile der Menschen verliehe¬ ne geistliche Gewalt ununterbrochen fortbestehen und fort¬ gepflanzt werden. Denn Jesns sprach zu den Aposteln: Wie mich mein Vater gesandt hat, also sende auch ich euch. Joan. xx. v. 21. das heißt: Gleich wie mir mein Vater aufgctragen hat, daß ich euch sende, also trage auch ich euch auf, daß ihr in meinen Weinberg wieder andere Arbeiter mit der euch von mir verliehenen Gewalt sendet. Diesem Auftrage Jesu sind die Apostel auch treu¬ lichst nachgckommen. Da sie zu Jerusalem noch beisam¬ men waren, nahmen sie aus Eingebung des heiligen Gei¬ stes sieben Diakonen auf, denen sie mit Auflegung der Hände durch das Gebet und Anrufung des heiligen Gei¬ stes neben der Obsorge für Arme die Macht verliehen 191 haben, zu taufen und Las Evangelium zu verkündigen. Apostelgesch. vi. Bevor die Apostel zu Jerusalem aus¬ einander gingen und sich in alle Weltgegcnden vertheilten, bestellten sie Jacob den Kleinern, des Clephas Sohn, welcher ein Bruder des Herrn genannt wird, zum ersten Bischöfe von Jerusalem. Als der heilige Petrus seinen bischöflichen Sitzwon Antiochia nach Rom versetzte, ließ er statt seiner den Evodius als Bischof von Antiochia zu¬ rück. Von Rom aus schickte er seinen Schüler Marcus als Bischof nach Alexandria. Der Apostel Paulus stellte seine Schüler Thimotheus und Titus als Bischöfe an, jenen zu Ephesus, diesen auf der Insel Kreta. Johann der Evangelist gab der Kirche von Smyrna seinen Schü¬ ler Polykarpus zum Bischöfe. Ehe Petrus und Paulus in den Martcrtod gingen, bestellten sie den Linus zum Bischöfe von Rom. Dieß sind nur einige Beispiele der von den Aposteln selbst eingesetzten Bischöfe. irr. Der heilige Clemens, ein Schüler der Apostel Petrus und Paulus, der vierte römische Bischof und Pabst, (f um d. I- 100) schrieb in seinem ersten Briefe an die Corinter Kap. xini. von den Aposteln und den von ihnen angestellten Kirchenvorstehern also: die Apostel verkündigten das Evangelium von Christus, und Jesus Christus verkündigte es von Gott; denn Jesus Christus wurde von Gott, und die Apostel wurden von Christus gesandt; denn indem sie die Aufträge empfingen, und durch die Auferstehung unseres Herrn Jesus Christus mit dem vollen Vertrauen begabt, und durch das Wort Got¬ tes gestärkt wurden, gingen sie mit großer Zuversicht des heiligen Geistes hin, und verkündigten die Ankunft des Reiches Gottes. Sie predigten daher in den Ländern und Städten das Wort, prüften ihre Erstlinge im Geiste, und stellten Bischöfe und Diakonen der Gläubigen an. — 192 — §. L«V. Fortsetzung. IV. Jesus sprach zu seinen Aposteln : »Sehet, ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt.« Matth, xxvm. v. 20. Für eben diese Dauer verhieß er ihnen auch den heiligen Geist, den Tröster und Lehrer aller Wahrheit. Joan. xiv. v. 26. Diese Verheißungen Jesu beschränken sich also nicht blos auf die Personen der Apostel, welche nicht bis zum Ende der Welt lebten, sondern sie erstre¬ cken sich eben sowohl auf ihre nächsten, wie auf ihre ent¬ ferntesten Nachfolger in ununterbrochener Reihe. Durch diese ununterbrochene Nachfolge der Kirchcnvorsteher wird die Kirche Jesu apostolisch, sichtbar und vor allen After¬ kirchen kennbar. Und da die Bischöfe der Kirche Jesu seit Jahrhunderten unmittelbar nicht mittelbar, wie einst mittelst der Metropoliten mit dem Oberhanpte der gan¬ zen Kirche, dem Nachfolger des heiligen Petrus Zusam¬ menhängen, und von demselben die Bestätigung und Weihe empfangen, so schließen sie sich vermittelst des höchsten Kirchenoberhauptcs in zurückgchender Reihe an die Apo¬ stel an, und ihre Abstammung von den Aposteln wird augenscheinlich. v. Eben so leitete Tertulian (f i. I. 2,5) im Bu¬ che gegen die kirchlichen Sccten seiner Zeit xxxn. den apostolischen Ursprung der einzelnen christlichen Kirchen, dieser Bestandtheile der allgemeinen Kirche Jesu ab: Sie sollen (die Aftcrkirchcu) schreibt er, den Ursprung ihrer Kirchen darthun, sic sollen die Reihe aller ihrer Bischöfe durchgehen, eine Reihe, welche von ihrem Anfänge au, durch die Aufeinanderfolge also fortlauft, daß der erste Bischof in dieser Reihe einen von den Aposteln oder ei- 193 nen von ihren Schülern, der jedoch mit denselben (im Glauben) verharret ist, zum Urheber, Vorfahrer gehabt hat; denn dahin kommen die apostolischen Kirchen in den Zählungen (ihrer Bischöfe), so kommt die Kirche von Smyr¬ na auf Polikarpus, welchen Johannes der Apostel einge¬ setzt hat; so kommt auch die römische Kirche auf Clemens, welchen Petrus geweihet hat. Eben so weisen auch die übrigen Kirchen diejenigen Bischöfe aus, welche von den Aposteln in das Bisthum eingesetzt wurden, und den apo¬ stolischen Samen fortgepflanzt haben. Clemens wurde zwar vom Petrus zum Bischöfe geweihet, aber ohne einen bestimmten bischöflichen Sitz, und war zwar nicht sein unmittelbarer, sondern erst sein dritter Nachfolger in der römischen Kirche. — 194 — Beschluß i. Die Wunder, welche der heilige Geist, einer We¬ senheit und Natur mit dem Vater und dem Sohne un¬ zertrennlich von dem Vater und dem Sohne, in den Apo, steln und ersten Bekennern des Ehristenthums aus den Ju¬ den und Heiden gewirkt hat, diese Wunder hat er auch zur unseren Belehrung und Befestigung im Glauben ge¬ wirkt. n. Der heilige Geist, dessen Wesenheit und Kraft unveränderlich ist, wirket in der heiligen Kirche immer fort, durch seinen Beistand wird in denselben die von Jesu geoffenbarte Glaubens - und Sittenlehre unverfälscht und unversehrt erhalten, ungeachtet der bösen Anschlä¬ ge und gewaltsamen Angriffe, denen die Kirche Jesu von Seite ihrer Gegner immer ausgesetzt ist. Der heilige Geist regieret die Kirche durch die seit der Zeit der Apo¬ stel ununterbrochene Aufeinanderfolge der römischen Bi¬ schöfe, und der mit denselben durch die Einheit des Glaubens und der kirchlichen Gemeinschaft vereinigten Bischöfe; er bleibt bei dieser Aufeinanderfolge und Ver¬ einigung, und bewirkt durch seine Erleuchtung und Stär¬ kung , daß die göttliche Offenbarung von dem Obcrhaup- te der Kirche und der ihm untergeordneten Bischöfe ohne Veränderung, Zusatz und Verminderung fortgcpflanzt wird. Der heilige Geist wirket das Wunder, daß sich die Sünder zu Gott bekehren, und die Gerechten durch den Gebrauch der Heilsmittcl immer vollkommener wer¬ den; er macht durch seine Gnade, daß es in der wahren 195 Kirche immer Heilige gibt. Der heilige Geist ist cS, der von Zeit zu Zeit zur Vertheidigung, Befestigung und Erweiterung der heiligen Kirche, große Männer erweckt, wie einen Ignaz von Lojola, einen Franz von Sales. Alle heilsamen Gedanken und Entschlüsse, alle guten Werke sind eine Wirkung der Gnade des heiligen Geistes. m. Unendliche Wohlthaten haben wir von Gott er¬ halten ; Gott der Schöpfer hat uns aus dem Nichts zum Scyn hervorgerufen, der Mensch gewordene Sohn Got¬ tes hat durch sein Leiden und Sterben am Kreuze uns wieder das Recht zum Himmel erworben, dessen wir durch die Erbsünde verlustig geworden waren, der heilige Geist heiliget uns von der Taufe an bis zum Tode durch seine Gnaden, wenn wir dieselben recht gebrauchen. Durch die Erschaffung, Erlösung und Heiligung eignet der drei¬ einige Gott ganz vorzüglich uns Menschen sich an. Wo sollen wir einen Ausdruck hernehmen, um diese Würdi¬ gung Gottes gegen uns Menschen zu bezeichnen? Ein wahrer Christ ist ein Liebling Gottes. Wie einzig sorg¬ fältig sollen wir daher seyn, um das himmlische Band, ' welches uns mit Gott verbindet, zu erhalten, und immer enger zu knüpfen. iv. Wir sind nach dem Glauben Abkömmlinge der Erstlinge des Christenthums aus den Juden und Heiden, wir sollen daher denselben in ihrem lebendigen Glauben und in ihren christlichen Tugenden nicht nachstchen. Lasset uns Gott preisen, daß wir seiner Kirche einverleibt sind, in welcher allein nach dem unfehlbaren Worte ihres gött¬ lichen Stifters das ewige Heil zu erlangen ist. Lasset uns unsere Vernunft der göttlichen Offenbarung das klei¬ nere und schwächere Licht dem größer» und helleren Lich- — 196 — te, was natürlich und billig ist, unterordncn; beide stehen in der vollkommensten Uebcreinstimmung mit einander, nur muß die göttliche Offenbarung vorangchen, und die Vernunft muß derselben nachfolgen. Endlich lasset uns den großen Tag des Herrn in Furcht und Hoffnung er¬ warten. Anhang. F a st e n l i e d. 1. ss ^aß mich deine Leiden singen, Dir des Mitleids Opfer bringen, Unverschuldtes Gotteslamm! Das von mir die Sünde nahm, Jesu! drücke deine Schmerzen, Tief in aller Christen Herzen! Laß mir deines Todes Pein Trost in meinem Tohe seyn, 2. Jn's Gericht für Menschen treten, Zum erzürnten Vater beten. Seh' ich Dich mit Blut bedeckt, Auf den Ochlberg bingestreckt. Rcp. Jesu! drücke deine Schmerzen u. s. w, — 19» — 3. Dich zu binden und zu schlagen. Zu beschimpfen und zu plagen. Nahet sich der Feinde Schar, Und du gibst Dich willig dar. Rep. Jesudrücke deine Schmerzen u. s. w. 4. Don den Richtern, die Dich hassen, Wilden Kriegern überlassen. Strömet dein unschuldig's Blut Unter frecher Geißeln Wuth. Rep. Jesu! drücke deine Schmerzen u. s. w. 5. Unter lautem Spott und Hohne Seh' ich eine Dörnerkrone Die mein Heiland! scharf gespitzt. Deine Stirne schmerzlich ritzt. Rep. Jesu ! drücke deine Schmerzen u. s. w. 6. Wundervoll, erblaßt, entkräftet An das Opfcrholz geheftet. Seh' ich, wie ein Gottmensch stirbt, Und den Sündern Heil erwirbt. Rep. Jesu! drücke deine Schmerzen u. s. w. 8. Heiland! meine Misscthatcn Haben dich verkauft, verrathen , Dich gegeißelt und gekrönt, Und am Kreuze dich verhöhnt! 199 Ach! es reuet mich vom Herzen! Laß mein Heiland! deine Schmerzen Deines Martertodes Pein, Nicht an mir verloren seyn. D st e r L i e d. 1. Der Heiland ist erstanden. Befreit von Todesbanden, Der, als ein wahres Osterlamm, Für mich den Tod zu leiden kam. Alleluja! 2. Nun ist der Mensch gerettet. Und Satan angckettet: Der Tod hat keinen Stachel mehr. Der Stein ist weg, das Grab ist leer. Alleluja! o. Der Sieger führt die Scharen, Die lang gefangen waren. In Seines Vaters Reich empor, Das Adam sich und mir verlor. Alleluja! — 200 — 4. O wie die Wunden prangen, Die er für mich empfangen. Wie schallt der Engel Siegsgesang Dem Starken, der den Tod bezwang. Alleluja! 5. Mein Glaube darf nicht wanken: O tröstlicher Gedanken! Ich werde durch Sein Aufersteh'n, Gleich ihm aus meinem Grabe gch'n! Alleluja! 6. Die Nacht, die mich dort decket. Bis mich der Engel wecket. Ist kurz, dann ruft mein Heiland mich In'ö Reich, wo Niemand stirbt, zu sich. Alleluja! 7. O Meer der Seligkeiten! Eil) Ort mir zu bereiten. Ging mein Erlöser hin vor mir; Erstandener! ich folge Dir. Alleluja! L. Ja durch ein neues Leben Will ich zur Hohe streben. 20L Wo du mit deinem Vater thronst, Und jede gute That belohnst. Alleluja! 9. Dort werd' ich im Gerichte, Vor deinem Angesichte Von deinem Blute glänzend steh'n. Und zu des Lammes Hochzeit geh'». Alleluja. Alleluja! Alleluja! Alleluja! Wie du vom Tod erstanden bist. Laß uns ersteh'», Herr Jesu Christ! Alleluja! P fi n g st l L ed. 1. Komm heiliger Geist! o dritte Person! Von Einer Natur mit Vater und Sohn! Der Du von seiner Sündenlast So manches Herz befreiet hast. Komm heiliger Geist! erwünschtester Gast! rcp. 2. Komm heiliger Geist! auf uns jetzt herab, So wie dich einst Gott den Gläubigen gab. 202 Als ihre noch geringe Zahl, Versammelt im verschloßnen Saal, Sich sehnte nach Dir, du göttlicher Strahl! rep. 3. Komm heiliger Geist, ein Tröster genannt. Es werde durch dich der Kummer verbannt. Der uns verstärkt in uns'rer Pflicht! Die Trägheit überwind't uns nicht. Wenn du uns entflammst. Du göttliches Licht, rep. 4. Komm heiliger Geist! du Lehrer der Welt! Die Straße des Heils wird niemahls verfehlt. Wenn man sich nicht an Secten kehrt. Die Kirche, die dein Einspruch lehrt; Mit kindlicher Treu als Mutter verehrt, rep. 5. Komm heiliger Geist! vom himmlischen Thron! Dir werde zugleich mit Vater und Sohn In unzertheilter Wesenheit Don nun an bis in Ewigkeit. Anbethung und Dank und Jubel geweiht, rep. Anhalts- Anzeige Seite Einleitung. Das Leiden (passiv) unsers Herrn Je¬ sus Christus . . . . . .5 §. i. Christus gehet mit seinen Jüngern hinaus auf den Ochlberg, und ermahnet dieselben zum Gebete. ....... 7 §. 2. Christi Traurigkeit auf dem Oehlbcrge. . 8 §. 3. Jesu Gebet auf dem Oehlbergc. Seine Acht¬ samkeit auf die Jünger »o §. 4. Fortsetzung. . . . . . .12 §. 5. Christi Todesangst und blutiger Schweiß auf dem Oehlberge.16 §. 6. Christus kündiget seinen Jüngern an, daß sein Verräther schon herannahe. . . . »7 §. 7. Judas überliefert Jesnm in die Hände sei¬ ner Feinde.20 §. 8. Christus tritt vor die Schar seiner Feinde. . 22 §. 9. Unzeitigcr Eifer des Simon Petrus. . . 24 §. 10. Jesu Gefangennehmung. . . . .27 §. n. Flucht der Jünger Jesu. . . . .28 tz. 12. Jesu Tod wurde schon vor seiner Gefangen¬ nehmung und Verhörung beschlossen. . . Io §. >3. Jesus vor dem Hohenpriester Anas. . . 32 8. 14. Ein Diener versetzt Jesu vordem Hohenprie¬ ster Anas einen Backenftreich. . . .34 §. i5. Unbilden, welche Jesus jene Nacht im Hause des Hohenpriesters Caiphas erduldete. . 56 204 §. i6. 17- §. 18. §. 19. §. 20. §. 21. §. 22. §. 23. §. 24. §. 25. §. 26. §. 29. §. 3o. §. 3i. §. 32. §. 33. §. 34. §. 35. §. 36. 8. 39. §. 40. §. 4-. tz. 42. Seile Simon Petrus verläugnet Jcsum dreimal)!. . 39 Reue und Buße des heiligen Petrus. . . 4» Jesus vor dem Hohenpriester Caiphas; fal¬ sche Zeugen wider ihn. ... .42 Jesus bezeugt seine Gottheit vor dem hohen jüdischen Nathe^ ...... 44 Jesus wird von dem jüdischen Rathe für des Todes schuldig erkannt, . . . - 47 Ursachen des Haßes der Juden gegen Jesum. 6r Jesus wird gebunden, von dem jüdischen Ra¬ the zum römischen Landpfleger Pontius Pila¬ tus geführt. . ..... 53 Reue des Verräthers Judas Jscariot. . . 55 Verzweiflung des Judas. . . . .56 Einleitung in die folgenden Paragraphe. . 59 Erstes Verhör Jesu vor Pilatus. . . 69 Jesus wird vom Pilatus zu Herodcs gefübrt. 65 Jesus wird von Herodes verhört, und zu Pi¬ latus zurückgeschickt. . . . , . 66 Neues Verhör mit Jesus vor Pilatus. . 69 Pilatus verhört Jesum im Richthause, ab¬ gesondert von seinen Anklägern. . . ,7» Jesus König der Juden. . . . «72 Das Reich Jesu. ...... 76 Pilatus erklärt vor den Oberhäuptern der Ju¬ den und dem Volke Jcsum für unschuldig. . 74 Zweiseitigkeit des Pilatus. . . . .76 Pilatus trägt bei den Juden auf die Los, lassung Jesu an. . . . . . .76 Die Juden dringen mit Ungestüm auf die Los- lassung des Barabbas, und auf die Kreuzi¬ gung Jesu. ....... 78 Pilatus läßt Jesum geißeln. . . .80 Jesus wird als ein Aftcrkönig dargestcllt, mit Dörnern gekrönt und verhöhnet. . . 8r Lees Iiomo (Sehe ein Mensch) . . .82 Die Juden bestehen lärmend auf der Kreuzi¬ gung Jesu. ....... 83 Pilatus verhört Jesum, woher er sei? . 85 Heftiger Widerstand der Juden, als Pilatus Jesum loslassen wollte.87 205 Seite §. 43. Pilatus sitzt letztlich in der Rechtssache Jesu zu Gerichte. ....... 88 §. 44. Jesus steht vor Pilatus als seinem Richter. 90 §. 42. Pilatus fället das Urtheil über Jesum nach dem Begehren der Juden. . . . - 9* §. 46. Pilatus wäscht seine Hände vor dem Volke, um seine Schuldlosigkeit an dem .Blute des , Gerechten zu bezeugen. . . . .92 §. 47. Die Juden kleiden Jesum wieder an, bevor er das Kreuz übernimmt, und den klägli¬ chen Weg antritt. . . . . .9^ §. 48. Jesus trägt das Kreuz. Simon von Cyrene. 94 §. 49. Jesu Gefolge nach dem Calvarieberge. . 96 §. 5o. Unmittelbare Zubereitung zu Jesu Kreuzigung. 97 §. 5i. Jesu Kreuzigung..98 §. 5s. Unterschied der Kreuzigung Jesu und der zwei Schächer.100 §. 53. Ueberschrift am Kreuze Jesu. . . . ive §. 54. Lästerungen der Juden unter dem Kreuze. . io3 §. 55. Ungleiches Benehmen der zwei Schächer am Kreuze. . . . . . . . 106 §. 56. Theilung der Kleider Jesu nach seiner Kreuzi¬ gung. .'. . i»7 §. 57. Worte, welche Jesus am Kreuze gesprochen hat. Bitte für seine Peiniger und Lästerer. . 108 §. 58. v. Jesus sichert dem bußfertigen Schächer das Paradies zu. . . . . . no 59. Maria, die schmerzcnvolle Mutter Jesu, und Johannes, sein geliebter Jünger. . .111 §. 60. 6. Worte, welche Jesu am Kreuze zu Maria und zu Johannes gesprochen hat. . . n3 §. 6,. D. Jesus klagt über seine Verlaßenheit von Seite Gottes. . . . . . . n5 §. 62. n. Der Durst Jesu am Kreuze. . . . "7 63. r-. Ende des Leidens Jesu am Kreuze. . i>8 §. 64. 6. Die letzten Worte Jesu am Kreuze. . ,20 H. 65. Unsterblichkeit des menschlichen Geistes. . »21 §. 66. Schauervolle Ereignisse, welche sich zutru¬ gen, als Jesus am Kreuze litt und starb. . 126 206 Seite §. 67. Anwesende bei der Kreuzigung Jesu: Ihre Gedanken und Gefühle. . . . .126 §. 63. Eröffnung der Seite Jesu.12g §. 6g. Abnahme des Leibes Jesu vom Kreuze. . i3o 70» Jesu ehrenvolles Bcgräbniß. . . . i3r §. 71. Bewachung des Grabes Jesu. . . - »35 §. 72. Auferstehung unsers Herrn Jesus Christus aus dem Grabe. ...... i34 §. 73. Die fünf Wundmahle des verklärten Leibes unsers Herrn Jesus Christus. . . . i36 §. 74. Auferstehung der Todten zugleich mit Jesus Christus. ....... »37 §. 75. Herrlichkeit der durch die Auferstehung ver¬ klärten Leiber der Auserwählten. . . i38 §. 76. Große Ereignisse, welche die Auferstehung Jesu Christi ankündigten. .... 14» §. 77. Bestechung der Hüther des Grabes JesuChristi. 14» §. 78. Vorcrinnerung zu den folgenden Paragraphen. 142 8. 79. Die Auferstehung Jesu wird den frommen Frauen, welche zu seinem Grabe kamen, von dem Engel verkündiget. .... 143 §. 80. Auf den Befehl der Engel verkündigen die frommen Frauen die Auferstehung Jesu dessen Jüngern. Anfänglicher Unglaube der Jünger an die Auferstehung Jesu.145 §. 81. Simon Petrus und Johannes gehen doch hinaus zum Grabe. . . . . .147 §. 82. Der aus dem Grabe erstandene Heiland zeigt sich zuerst der Maria Magdalena. . 149 §. 83. ». Jesus erscheint auch andern Frauen. . i5» §. 84. 6. Jesus erscheint dem Simon Petrus allein. i5r §. 85. v. Jesus gesellet sich zu den zwei nach Emaus gehenden Jüngern. ..... »52 §. 86. L. Jesus erscheint den versammelten Jün¬ gern, nur Thomas war abwesend. . . i55 §. 87, Umständlichere Erzählung der nämlichen Er¬ scheinung Jesu. ...... 167 tz. 88. k'. Jesus erscheint den nämlichen Jüngern, da auch Thomas zugegen war. . . . »58 §. 89. «. Jesus erscheint den Eilfen in Galiläa auf einem Berge. . . . . . . »69 207 Seitc §, go. ». Jesus offenbaret sich seinen im galiläi¬ schen Meere bei der Stadt Tiberias fischen¬ den Jüngern. ... . . . r6i §. 91- Jesus unterordnet seine Jünger dem Simon Petrus, als ihrem Oberhaupte, um bei seinen Gläubigen die Einheit im Glauben und in der Liebe zu erzielen, und dadurch eine voll¬ kommene Gemeinschaft unter ihnen zu stiften. >63 §. 92. Fortsetzung. ...... '65 §. g5. Fortsetzung..167 §. 94. Jesus kündigt dem Petrus seine Todesart, die Kreuzigung an. .... . 169 §. g5. Hingegen gibt Jesus dem Petrus zu verste¬ hen, daß Johannes keines gewaltsamen, son¬ dern natürlichen Todes sterben werde. . . 170 §. 96. 1. Erscheinung, deren der Apostel Paulus erwähnet..172 §. 97. K. Ob Jesus auch Mariä, seiner Mutter er¬ schienen sei? ...... 172 §. 98. Letzte Rede Jesu an seine Jünger. Jesu Him¬ melfahrt. ....... 173 §. 99. Geschichte der zehn Tage nach Christi Him¬ melfahrt bis zur Sendung des heiligen Gei¬ stes. Erwähnung des Apostels Mathias. . 176 §. 100. Sendung des heiligen Geistes. . . . 177 §. io». Predigt "des heiligen Petrus am Pfingstfeste zu Jerusalem. Erstlinge des Christenthums aus den Juden. . . . . . .179 §. io2. Fortsetzung. ..181 §. io3. Fortsetzung. ...... i83 §. 104. Erstlinge des Christenthums aus den Heiden. i85 z. io5. Fortsetzung. . ^ . . . . »88 §. 106. Fortdauer der streitenden christlichen Kirche bis zum Ende der Welt. .... 190 §. 107. Fortsetzung. ...... 192 Beschluß. Anhang: Faftenlied. Osterlied. Pfingstlicd. MU K.