Freytag, den 7. December 1827. Der kluge Hund. (D e s ch l u ß.> Da nun auf diese W-ise der Sache nicht näher auf tzi« Spur zu kommen war, so ließ der Feldmarschall «ine öffentliche Aufforderung an alle Diejenigen, w,l> che unter jenem Regiment« g'dient, und an d,r Er. stürmung des Hauvtquartiers Theil genommen hatten, ergeben, und zwar des Inhalts', daß sie sich ungesäumt bey ihm persönlich zu melden hätten, um wegen 'hrer damahls bewiesenen besonderen Tapferkeit «ine Beloh. nung ^ empfangen. Mehrere, die theils noch unter dem Heere dienten, theils nach dem Kriege ihren Ab. schied genommeu hatten, und in die fernsten Provin. ien heimgekehrt waren, kamen hierauf herbey. Der Feldmarschall ließ sie einzeln vor sich kommen, er saß auf einem Sopha neben der Dsme, d.e.hr Hundchen auf dem Schooße hielt, und befragte "«en Jeden ge. nau über alles, was damahls bey ,ener Schlacht und der Erstürmung des SchlosseS vorgefallen sey? Wah. rend sie ihm nun Rede und Antwort g« en mußten, faßte die Dame einen Jeden scharf .n's Auge, und Nesi ihn naher herantreten, um ihm mtt e.gener Hand em Goldstück zu reichen, indem sie vermemte, daß der treu., kluge Hund, sobald sich der Rauber .hres Km. deß nahe, nicht ruhig bleiben, sondern thn, den er selbst bis hierher verfolgt zu haben schien, chr sicher anze.gen werde, wenn auch dess«n GesichtszuZe chr selbst entfal. len seyn soNten. Ser Hund aber sah mit seinen klaren Augen Alle, die sich der Dame näherten, freundlich an, blieb ruhig auf ihrem Schooße liegen, und sie selbst bemerkte auch in allen den fremden Gesichtern nichtS, wa< ihr jene verhaßten Züge wieder deutlich in's Gedächtniß zurück, gerufen hatte; übrigens erinnerte sich von den Vielen, die hier erschienen, kein einziger irgend eines Camer«, den, der bey jener Erstürmung mit einem Kinde be, schästigt gewesen sey, ja, e5 ergab sich vielmehr, daß an dem Tag«, a„ welchem, nach der eigenen AuKsag« d,r Dame, der Raub geschehen war, nicht aNein di«« s«j Regiment, sondern auch die ganze Armee bereits entfernt von dem Schlosse und auf dem Marsch« sich befunden hatte. Als nun dieser erste Versuch völlig mißlungen war, und gar nichts dazu beygetragen hatte, auch nur «in entferntes Licht über das Leben oder den Tod des Kindes zu verbreiten, so erlief; man auf drin. aendes Bitten dn Dame einen zweyten Aufruf, wel, cher derjenigen Person eine ansehnliche Belohnung ver. sprach, die genau nachweisen könne, wo der in jenem Gasthofe befindlich gewesene , wegen seiner großen Klugheit allgemein so bewunderte Hund, welchem der Statthalter endlich sogar selbst ertauft, eigentlich her. stamme, oder wie er hierher gekommen sey? Der Aufruf, das He,kommen eineS HundeS be, treffend, war zu Jedermanns Verwunderung im Lande erschollen, ein« Woche nach der a»dern aber bereits in vergeblicher Erwartung verstrichen, biß «ndlich «in Mädchen von elwa »8 Jahren erschien, und vor dem Felbmarschall, ,'n Gegenwart der Dame, folgendes Getandniß ablegte: C Ihre Mutter, erzählte sie, sey nnl elnem später d Nachfolgenden, lieuerrichteten Regimente als Marketen. s, derinn in den Krieg gezogen , um bort wie Andere, auch a »iel zu erwerbe«!, und ali eine reich« Frau zurückzu« h kshlen. Ihre Kinder, die den Vater mcht gekannt, t habe sie während ihrer Abwesenheit bey Verwandten l untergebracht, s«y dann lange weggeblieben, dann ab«r d «inst ganz unerwartet, und zwar noch einige Jahre l »or ber Beendigung des Krieges wieder heimgekehrt, f Unter den mancherley schönen Sachen, die sie » mitgebracht, und worunter sich auch einige schwer« l Beutel mit Golo befanden, sey ihnen jedoch «in , Keiner Hund, der wegen seiner seltnen Klugheit j sich allgemeine Bewunderung erworben habe, be» , sonders lieb geworden. Nur die Mutter selbst, wie treu ihr auch der Hund angehangen, halle ihn nicht leiden können, und auf östereS Befragen ihrer Kinder endlich einmahl erzählt, daß dieser Hund sie fort und fort an da< herzzerreißende Jammern eines Kindes «r, innere, welches im Kriege seiner Mutter entrissen wor. den sey. Als nun si«, die Tochter, die Mutler mit Fragen bestürmt habe, wo dai arme Kind geblieben wär«, hatte die Mutter ihr zu schweigen gebothen, und versichert, das Kind sey gestorben !— Gegenden Hund aber sey die Mutter immer unfreundlicher ge, worden, und jhabe ihr, der Tochter, so gar endlich einmahl befohlen, den Hund in den Wald zu füh» »en , »ud ihn dort aufzuhängen, damit er ihr aus den Augen käme. Sie hab- aber den Hund zwar nnl fort. gebracht, ihn jedoch nicht getödlet, sondern sich mit dem lieben Thiere an die durch den Wald laufende Landstraße gesetzt, und ihn dort den Reifenden lange vergeblich angebothen, bis dann ein Wann, der nach der Hauptstadt gewandert sey, ihr den Hund für eine Kleinigkeit abgekauft habe. Die Mutter hab« be, nzhigt geschienen, als si» ohne Hund zurückgekehrt sey, und niemahls wäre zwischen ihnen beyden die Nede wieder auf den Hund gttommen. Nur als die Mutter vor ungefähr eiliem halben Jahre plötzlich vo„ «in«m Schl rauhere Iahrszeit vorüber gehen lassen, um alsdann : in ihre Heimath zurückzukehren , und hier ,'n der ! Slille »ins spielte?" In demselben Augenblicke trat ein Bedienter in's Zimmer, und meldeie, daß ber Mann, welchen der Hund gebissen, vorgelassen zu werden verlange. Die Dame befahl, ihn augenblicklich herein zu führen, während sie den Knaben in ein Seitengemach schob, unz kaum war auch der Bauer ins Zimmer getreten al« üe in iom die allenthalben vergeblich gesuchten — ihr so furchtbaren Gesichlszüge auf der Stelle wieder erkannte. Ehe er noch ein Wort hervorzubringen ver« niechte, hatte sie, ihrer nicht langer mächtig, ihren Schltyer vom Haupte gerissen, und trat, indem sie o«n erschrockenen Mann bey den Hasren ergriff, wie die Rachegömnn, mit den Worten auf ihn zu: „Wo habe ich dich alfo bey den Haaren gefaßt, wo diesen Hund auf dich angehetzt, du KindeS. Räuber ? Erkennst du nicht auch mich wieber? Gestehe dem Verbrechen, der Hund hat dich verrathen. — Wo hast du mein Kind?" Bleich und zitternd sank der Mann, wie vom Blitze genossen , v«r ihr nieder. Auch er erkannte sie und ihrn, Hund, der auf's neue ihn anfallen wollte, und gestand, daß jener Knabe das geraubt» Kind sey. Die ahnungsvolle Mutter wußte kicht alle die alten dunklen Erinnerungen i» der Seele des Knabe» wieder aufzuwecken, so, daß Mutter und Kind sich bald völlig wieder erkannten, und Niemanden ein Zweifel mebr öZnF blieb. Der Bauer aber berichtet« über sei- . ne That Folgendes: U „AIs das Schloß geplündert unL verbrannt wor, den war, kam ich mit einigen Nachzüglern durch Vas noch rauchende Dorf, unH verweilte mich „och in den Trümmern des Schlosses/ weil ich auch hier für mich Einiges „och zu erbeuten hoffte. D» aber alles bereits in Zerstörung lsg, und ich den Ort in großer Unzu. friedenheit vtrlassen wollte, begegnete ich einem stattli« chen Reiter, der mich fragte, wo ich den herkomme, und ob ich schon- viel Beute gemacht habe? Ich versi. cherte das Gegentheil, und fiuchte auf das leere, rauchende Nest, worauf mir ber Reiter zu erkennen gab, daß ich ein» große Summe Geldes verdienen könne, sobald ich einen Auftrag übelnehmen und erfüllen wolle. Ich ließ wich willig sinden, und er gal? Folgendes zu , vernehmen: r «Jenes zerstörte Schloß," sprach «r / «gehört ei. «er Wltwe, die euch hat verrathen wollen, und deß, halb das Hanptquartier in ihr Cchloß gezogen hat. Es ist ibr i«doch nichr gelungen, denn euer Feldmaß, schall T. hat, wie ihr wißt, alles überfallen, il„v auf't Haupt geschlagen. Die verratherische Witwe aber ist bisher vergeblich gesucht worden, um sie bestrafen zu lassen; sie muß sich «n der Nahe hler in einem Schlupf. Winkel verborgen haben, den», sie ist sicheren Nachrich. ten zu Folge bis zum entscheidenden Augenblicke noch gegenwärtig gewesen. Wollt ihr nun in den Trümmern h«s Schlosses Euch verborgen halten, dort aufpassen, bis sie Nlit ihrem Kinde zum Vorscheine kommt, unv ihr sammt dem Kinde den Garaus machen, so bin ich beauftragt. Euch die Summe von loa» Goldgulden auszuzahlen." „Ich bedachte mich nicht lange, und willigte »in, sollte die Witwe ja doch eme Verracherinn seyn, und lonute ich doch eine große Summe Gelde« durch eine That verdienen, die ich im Kriege für «tlaubt hielt. Der Reiter versprach in dei entfernten Waldschenke auf mich zu warten, wo ich ihm wenigstens das blutig« HUeid d«« Kindes als Zeugniß 5er ausgeführten That und Auftrags überbringen müsse, und so ging ich, micb in die Brandstätte auf die Lauer zu stellen." „Was hiervorgefalltn,''wißt Ihr selbst. Ich wollt« Euch erschießen, aber Ihr wäret so schön und andächtig, ich wollte das Kind erwürgen, aber das Herz in der Brust that mir weh! In meiner Unentschlosseüheit ent, riß ich Euch das Kind , und glaubte, weil ihr nicht von mir ablassen wolltet. Euch mit den Flintenkolben erschlagen zu haben, rannte mit dem Kinde fort, und begegnete einer mir bekannten Marketenderinn. Die» ser übergab ich das Kind, zog ihm jedoch das Kleidchen aus, und tauchte es in das Blut eines auf der Wahl. statt liegenden Tobten, eilce dann hiermit zur Wald» schenke, erzählte, daß ich Tuch selbst todt geschlagen, das Kind ablt erstochen, und dann in t>as Feuer ge» worfen hatte, und liefert» mein blutiges Kleidchen ab, worauf es der Reiter in seinen Mantel steckte, mir aber die looo Goldgulben richtig auszählte. Ich eilt« nun die Marketenderinn wieder aufzusuchen, der Hund, der mich erst verfolgt hatte, war bey dem Kinde ge» blieben. Ich beschloß, von Gewissensangst überfallen, das unschuldige Kind zn retten, es mit in'mein V»> terland zu nehmen, und es dort meiner Frau, milder ich schon mehrere Jahr« m kinderloser Ehe gelebt hatte, alS die beste Beute mitzubringen, und kam mit der Marketenderinn dabin überein, daß sie mit der ersten passenden Gelegenheit zurückkehren, und meiner Frau das Kind und das Geld übergeben sollte, wofür ich ihr die Hälfte dererhaltenen Summeversprach, mir jedoch das tiefste Stillschweigen durch »inen Schwur angeloben ließ. Den Hund schenkte ich ihr, denn er konnte mich nicht leiden, unv wollt« mich beißen, wo er mich sah, die Marketenderinn hat ihren Auftrag erfüllt, und bis zu ihrem Tod« geschwiegen. Ich nnd meine Frau'haben den Knaben als unser eigenes Kind erzo« gen, werth gehalten, und viel Freude an ihm gehabt, und niemahle würde ich perraihen worden seyn, wenn ich nicht aus treuer Liebe zu meinem ehemahligen Feld« warschall aus meiner fernen Heimath bey seinem Lei« chenbegänZniffe mich hier eingefunten hotte, wo mich der