Rosemarie Lühr Gießen CDU 801.52:803.808.31-26 ZUR SEMANTIFIZIERUNG VON ZAHLWÖRTERN: DAS WORT TAUSEND' - EINE GERMANISCH-BALTOSLAVISCHE ISOGLOSSE? A. VORBEMERKUNG Gegenüber den Zahlen bis 'zehn' sind die unmittelbar darauffolgenden Zahlen in den indogermanischen Sprachen durchsichtige Bildungen. Das liegt daran, daß das indogermanische Zahlensystem auf dem Dezimalsystem aufgebaut ist und sich von der Zahl 'elf' an Beziehungen zu 'zehn' herstellen lassen. Was nun die höheren Zahlen, nämlich die für 'hundert' und 'tausend', angeht, so ist die Zahl 'hundert' auf 'zehn' ('zehn mal zehn') und die Zahl 'tausend' auf 'hundert' ('zehn mal hundert') beziehbar. Weil dem so ist, ist zu erwarten, daß Sprecher indogermanischer Sprachen für sie undurchsichtige Worter für 'hundert' oder 'tausend' nach dem Wort 'zehn' bzw. 'hundert' umgebildet oder neugebildet haben. In der Tat ist dies bei dem gotischen Wort 'hundert' der Fall: Got. taihuntehund (lmal), taihuntaihund (3mal), das synchron als 'zehn Einheiten zu Hundert', d.h. 'in bezug auf Hundert', gedeutet werden konnte (Lühr 1977: 65), hat die Kontinuante von urgerm. *%undan 'hundert' ersetzt. Auch bei dem Wort 'tausend' sind derartige Einflußnahmen zu vermuten. Während aber für das Wort 'hundert' mit Sicherheit ein einziges urindogermanisches Wort rekonstruiert werden kann, verhält es sich bei dem Wort 'tausend' anders. Ai. sahäsram, av. hazar]rgm, griech. jiAioi (ion. ^eiAioi) und wohl auch lat. mille 'tausend' bilden eine Sprachgruppe, der mit got. püsundi usw., aschwed. püsand, lit. tukstantis (älter tükstantis), lett. tükstuotis, aksl. tys&sti, tysQsti1 usw. eine andere gegenübersteht. Nach verbreiteter Ansicht ist das Wort 'tausend' dabei eine der auffallendsten lexikalischen Übereinstimmungen zwischen dem Germanischen, Baltischen und Slavi-schen. Auch Pijnenburg (1989: lOOff.) tritt in seinem Beitrag "Eine germanisch-balto-slawische Isoglosse" für die Gleichsetzung ein. Nach einer kritischen Überprüfung der in neueren etymologischen Wörterbüchern, Handbüchern, Grammatiken und Monographien erschienenen Deutungen kommt er zu dem Schluß, daß im Jahr 1986 nach wie vor Feists Feststellung aus dem Jahre 1939 (1939: 505f.) gilt: "Im einzelnen ist in der Bild, der Formen noch manches unklar". Demgegenüber zielt Pijnenburgs Beitrag auf eine Lösung der "Formprobleme" ab, wobei aber die "semantische Seite der Sache - die 'eigentliche' Bedeutung" "höchst problematisch" bleibe. Er rekonstruiert ein 1 Nach Rosenkranz (1955: 107) scheint tysQsti makedonisch und tys$sti bulgarisch zu sein. 117 *tüt-snt-T\ eine von vielen Deutungsmöglichkeiten sei: 'dasjenige, was eine Menge bildet; eine große Quantität bildend'. Mit dieser Deutung schließt sich Pijnenburg, was das zweite Element betrifft, der Auffassung van Heltens (1905: 121f.) an, der für das Wort 'tausend' ebenfalls von einer Zusammensetzung mit Hilfe des Partizips von *es- 'sein', nämlich *snt-I (vgl. ai. satt), ausging. Anders als Pijnenburg sah aber van Helten in dem ersten Bestandteil des Kompositums ein *tüs- in der Funktion eines Substantivs, das wie lat. flös 'Blume' gebildet sei. Dieser Ansatz ist jedoch wie alle diejenigen Erklärungen, die von einem Bestandteil *tüs- ausgehen, ohne Zusatzannahmen lautlich unhaltbar. Betrachtet man nun Pijnenburgs Deutung, so wären mit dem Ansatz *tüt-siit-I in der Tat eine Reihe von Problemen gelöst. Es sind jedoch nur die lautlichen Probleme -diese sind bei Pijnenburg in aller Ausführlichkeit dargestellt und brauchen daher im folgenden (B I) nicht noch einmal vollständig abgehandelt zu werden; übrig bleiben Probleme, die die Morphologie und Wortbildung betreffen: 1) *tut- in *tüt-snt-i müßte als Wurzelnomen aufgefaßt werden. Ein solches Wurzelnomen existiert aber sonst nicht. Got. puthaurn 'Trompete' ist keine Parallele, da put- wie dt. tuten vermutlich onomatopoetischen Ursprungs ist (Feist 1939: 506). 2) Eine Zusammensetzung aus einem Wurzelnomen und einem Partizip des Verbs 'sein' entspricht keinem geläufigen germanisch-baltoslavischen Kompositions-typ2. Da also Pijnenburgs Deutung des Wortes 'tausend' nicht überzeugt, soll im folgenden die Problematik des germanischen und baltoslavischen Wortes 'tausend' erneut aufgerollt werden. Es wird zu zeigen versucht, welche Schwierigkeiten sich ergeben, wenn man mit Pijnenburg an einer germanisch-baltoslavischen Isoglosse festhält3 und dabei Lautliches, Morphologie und Wortbildung angemessen berücksichtigt. Die Diskussion der übrigen Erklärungsversuche ergibt dabei, daß möglicherweise eine der bereits vorgenommenen Deutungen haltbar ist. Doch müssen etliche Modifikationen vorgenommen werden. 2 Meid 1967:25ff.; Senn 1966:340f.; Brugmann 1906:67f. Im Altindischen fungieren Komposita mit einem Partizip Präsens im Hinterglied als verbale Rektionskomposita (z.B. ai. divi-spßant- 'den Himmel berührend'), oder das Vorderglied ist ein Präfix (z.B. ai. sü-vidväms- 'wohlkundig'); vgl. Wackernagel 1957: 193f. 3 So auch Schelesniker 1987:233. Jedoch würden die im Slavischen, Baltischen und Germanischen bei dem Wort 'tausend' vorliegenden "untereinander unklaren Lautverhältnisse" daher rühren, "daß dieses Wort so ziemlich unter die letzten Bildungen der losen Dialektgemeinschaft fällt." 118 B. HAUPTTEIL I. Die bisherigen Erklärungsversuche Pijnenburg teilt die bisherigen Erklärungsversuche des Wortes 'tausend' nach drei Hauptlinien: 1) "Das Wort ist eine Zusammensetzung von idg. *tüs- 'stark, kräftig, viel' und idg. *£mt-ia, *£mt-iom, das wiederum von der Wurzel von idg. *hntöm 'hundert'4 abgeleitet ist"5. 2) "Das Wort ist eine Ableitung mittels eines (Partizip-)Suffixes *-ent-, *-ont-, *-nt-von einem Wort idg. *tüs-"6. Hinzuzufügen ist Hamps (1973: 174) Ansatz *tü-sk-ont-, ein Partizip Präsens von einem Präsens auf *-sk-, 3) "Das Wort ist eine Entlehnung, sei es des Germanischen aus dem Slawischen, sei es des Slawischen aus dem Germanischen". Hinzu kommt die These 4), daß das Wort 'tausend' im Baltischen, Slavischen und Germanischen erst einzelsprachlich und damit unabhängig voneinander aus *tüs-und dem Wort 'hundert' zusammengesetzt ist. Im Falle von These 1) ist der in der Forschung schon angebrachten Kritik zunächst einmal hinzuzufügen, daß wegen des Ablauts im Altkirchenslavischen und im Altschwedischen eine Vorform *tüHs-fcomt-ih2, *tüHs-kmt-ieh2-s 'Krafthundert'7, die mit Ausgleich ein Nebeneinander von *tüHs-fcomt-ih2 und *tüHs-hnt-ih2 ergeben hätte, anzusetzen wäre. Doch bleiben auch bei einem solchen Ansatz die immer wieder zitierten Einwände, von denen die folgenden die wichtigsten sind, bestehen: a) Daß uridg. *s£ zu balt. -st- wird (Leumann 1942: 126f.; Hamp 1973: 174ff. und Anm. 4), ist nach wie vor nicht erwiesen, wie das bekannte Gegenbeispiel alit. ieska (neulit. iesko) 'sucht', lett. ieskäju 'lause', aksl. iskg (neben istg mit -st- aus der 2. Sg. istesi < *isc-)8 'suche (auf), fordere' < urbaltoslav. * 'eiske/a- < vorurbal- 4 Die urindogermanische Vorform des Wortes 'hundert' wird auch als *kntöm angesetzt und m in lit. simtas, lett. simts als Angleichung an das Wort 'zehn' (lit. desimtls, lett. desmit, dial. desimt) betrachtet (Kent 1929: 345; Peeters 1978: 28; Bengtson 1987: 257). 5 Zuerst Bugge 1888: 326f.; ferner Jensen 1952: 55; Porzig 1954: 142; Polome 1972: 51. Pinault (1989: 63) verweist für die Bedeutung '"fort-cent"' von "germ. thus-hundf auf toch. A wälts, B yaltse < *w'ältsa < *ueldhom' force' (nach Rix 1991: 226 Anm. 4 jedoch recte *uel-tio-m 'große Zahl' [Windekens 1976: 66; 1979: 198, 202] oder *ueldom). 6 Vgl. Schade 1872/1882: 937. Eine unwahrscheinliche Mischung der ersten und zweiten These nimmt Brugmann (1911:48f.) vor: Neben dem Kompositum 'Krafthundert' habe es "eine gleichlautende, in beiden Gliedern deklinable Wortverbindung gegeben..., die bestand aus einem mit einem «i-Formans gebildeten Adjektiv mit der Bedeutung 'schwellend, kräftig, stark' (vgl. etwa got. nehr undja 'der nächste'...) und dem Substantivum *hpto-m ('kräftiges, starkes Hundert')." 7 Vgl. Comries (1992: 792) Ansatz *tu(s)-hpt-, wobei das erste Element mit ai. tuvi- 'sehr' verwandt sei. Da nicht nur im Germanischen, sondern auch im Slavischen und Baltischen (vgl. unten) Suffixablaut auftritt, kann dieser Ablaut keine germanische Neuerung sein (anders Lloyd/Springer 1988: 354). 8 Stang 1942: 37; zu den Formen im einzelnen vgl. Koch 1990: 471ff. 119 toslav. *eiske/o- zeigt9. Gegenüber dem ererbten dc-Präsens uridg. *h^s-s£e/o- (ai. icchäti, av. isaiti 'sucht, wünscht') ist in vorurbaltoslav. *eisJce/o- wohl die Dehnstufe aus dem für das Vorurbaltoslavische zu postulierenden s-Aorist *eis- < *h2eis-s- eingeführt (Klingenschmitt 1982: 67 Anm. 5 als eine Möglichkeit). Fälle wie lit. pa-zistu (Infinitiv pazinti), lett. pa-zistu 'kenne, erkenne' (vgl. lat. nöscö, ap. xsnäsa-, arm. canac'em < uridg. *gnh3-sie/o- 'erkennen'), lit. gimstu, lett. dzimstu 'werde geboren' (vgl. griech. ßäcncco, ai. gäcchati < *gwm-ske/o- 'kommen') sind sekundäre Bildungen, die sich dem Präsenstyp nasaler Wurzelauslaut + si-Suffix (rimstu, rimti 'ruhig werden') angeschlossen haben; mit lit. gimstu vgl. das danebenstehende aus dem Aorist hervorgegangene Präsens gemü 'werde geboren' (Infinitiv gimti) (Stang 1966: 337ff.). b) Auch im Slavischen führt ein Ansatz *tüHs-komt-ih2, *tüHs-hpt-ih2 nicht zu den bezeugten Lautformen. Wie aksl. iskg deutlich macht, hätte sich vor velarem Vokal *tyskgsti10 ergeben; und was die Form mit g betrifft, so weist kslav. vostans 'wächsern' < *voskenh, eine Ableitung von aksl. voskb 'Wachs' (lit. väskas), auf eine Lautentwicklung zu st vor (ursprünglich) palatalem Vokal hin. Aus *tu.Hs-£mt-ih2 wäre demnach ein aksl. *tyst$sti hervorgegangen. c) Im Germanischen kann keine bereits vorurgermanische Zusammensetzung *tüHs-hnt-ih2, deren Elemente nicht mehr segmentierbar waren, fortgesetzt sein; denn die Kontinuante von *s-k wäre wie inlautendes *sJc behandelt worden, und *sk (*s£) bleibt unverschoben; vgl. an. Igskr 'schlaff, träge' (air. läse; Meid 1967: 195). Doch besteht die Möglichkeit, daß *-hnt- in vorurgerm. *tüHs-fopt-ih2 auf das Wort 'hundert', *hntöm, bezogen worden ist und dann Anlautsbehandlung (> *%) erfahren hat. Das Ergebnis wäre dann ein urgerm. *pus-xundi. Da die Fortsetzung von *% aber nur in aisl. püshund, aisl., runenschwed. (Stein von Sale-by II) püshundraö auftaucht und das Wort sonst kein inlautendes h aufweist (got. püsundv, anord. püsund '1200', seltener '1000', awn. pl.püsundir, runenschwed. püsind, aschwed. püsand, püsund; ahd. düsunt, thüsunt, tüsent; as. thüsundig; andl. thüsint-, ae.püsend; afries. thüsend; Ross/Berns 1992: 621), müßte in diesem Fall h wie in anord. likome, ae. licuma lautgesetzlich geschwunden, im Altnordischen jedoch teilweise restituiert sein11 - das von Grimm (1868: 253f.) als Stütze angeführte salfränk. thüschunde, thuis chunde, tos chunde 'Großtausend, 1200' 9 Shevelov 1964: 141. Demgegenüber treten Endzelin (1923: 111), Bräuer (1961: 172) und andere für den Lautwandel von uridg. *s£ zu slav. s und lit. s, lett. s und damit für einen Zusammenfall mit den Fortsetzungen von uridg. *£ ein. Doch sind auch in anderen Palatalsprachen die Vertretungen von uridg. *s£ und *£ verschieden (Arumaa 1976: 154). Lit. aüsti 'tagen, dämmern', dessen -s- Brugmann (1897: 568) wegen ai. ucchäti 'leuchtet' von einer Lautfolge *-s-sR- herleitet, kann s < *s wie in lit. ausrä 'Morgenröte, Morgendämmerung' aufweisen. Ebensowenig ist aksl. pasQ 'weide' ein eindeutiges Beispiel für den Wandel von *sfc zu aksl. s. 10 Im folgenden wird für den Nominativ Singular im Altkirchenslavischen die sich aus den Casus obliqui ergebende Form mit -s- aus -st- < *-ti- angegeben. 11 Kluge 1901: 491; 1913: § 66: Als "Spiritus asper" verklingt h frühzeitig in der Kompositionsfuge. 120 bleibt fern, weil ch nur steht, wenn chunna vorausgeht (van Helten 1900: 515). Daneben besteht die Möglichkeit, daß die allein ein -s- aufweisenden Formen, die die überwiegenden Lautungen sind, etwas Altes, A-haltiges aisl. püshund und aisl., runenschwed. püshundraö aber eine "lectio facilior" darstellen, da sich deren h leicht als volksetymologische Angleichung an das Wort 'hundert' erklärt (Hirt 1896: 345)12. Ist dem so, so wären für das Urgermanische die Formen *püsundi, *püsandl der korrekte Ansatz. Die zweite, von Pijnenburg (1989:103) als "Ableitungstheorie" bezeichnete These besteht aus drei Varianten: Es wird Ableitung angenommen erstens durch ein nt-Suffix in "verstärkender, elativierender Funktion", die im Slavischen und Baltischen in Wörtern wie russ. bol'suscij 'sehr groß', lit. grazintelis 'wunderschön', senintelis 'steinalt\ jaunintelis 'blutjung' noch vorhanden sei (Aitzetmüller 1991: 140 und Anm. 205), zweitens durch ein Adjektivsuffix wie in got. nehfundja 'der Nächste' (Hirt 1896: 347) und drittens durch ein Partizipialsuffx *-nt-. Die letzte These stammt von Szemerenyi (1970: 209). Sie ist ohne Modifikationen jedoch ebenso unhaltbar wie die beiden anderen Varianten der Ableitungstheorie, da *s hinter «-Laut möglicherweise zu balt. *s, aber auf jeden Fall zu aksl. x vor velarem Vokal und s vor palatalem Vokal geführt hätte. Seinen Ansatz *tüsnti hat Szemerenyi (1990: 241) übrigens später korrigiert. An dessen Stelle setzt er ein *tüso-kmt-i mit einem adjektivischen Element *tüso- 'stark', das mit *tü-mo-'stark' in ahd. dumo 'Daumen', *tü-ro-' geschwollen' in lat. obtürö zu vergleichen sei. Nach der Lautverschiebung sei im Germanischen der "Bindevokal" in *püsa- geschwunden13 und *-sh- zu -s- vereinfacht worden. Die germanische Form sei auch die Quelle der slavischen und nicht umgekehrt14, wie etwa Hamp (1973: 174) erwägt; und lit. tükstantis sei aus *tüsant-umgestaltet (Vaillant 1958: 647f.). Szemerenyis revidierte Erklärung des Wortes 'tausend' ist aber nicht weniger problematisch als seine zunächst vertretene "Ableitungstheorie". Denn es fehlt eine Erklärung, wie man sich den Suffixablaut vorzustellen hat. Weiterhin ist die Annahme, das slavische Wort sei aus dem Germanischen entlehnt, lautlich mit Schwierigkeiten belastet (vgl. unten). Die dritte These, nach der das Wort eine Entlehnung sei, ist auf den ersten Blick nicht von der Hand zu weisen, da es Beispiele für die Entlehnung von Zahlwörtern für höhere Zahlen gibt: z.B. alb. mije 'tausend' aus dem Lateinischen, arm. hazar 'tausend' aus dem Iranischen, air. mile 'tausend' aus dem Lateinischen (Lehmann 1986: 368). Wie später Szemerenyi hat so Hirt (1896: 348) Entlehnung des slavischen Wör- 12 Pijnenburg (1989: lOlf.) weist daraufhin, daß/2 sonst nach Konsonant erscheint, und zwar in got. puthaurn 'Trompete' und in allen Präfixbildungen mit der Fortsetzung des Präfixes *uz-. Doch kann h hier ebenso restituiert sein. 13 Meid 1967: 21. Als Parallele für den Schwund des Kompositionsvokals vor *-h- könnte man die Vorform von Beheim, *baüa-xaima-, anführen (Lühr 1982: 480 Anm. 3). 14 Ebenso Rix (1991: 225f.): Germ. *püsa-hundi setze ein *tuhso-(d)kmtih2 'starkes, dickes Hundert' fort und sei ins Baltische und Slavische entlehnt. 121 tes 'tausend' aus dem Germanischen vermutet15. Doch bereitet bei dieser Annahme zum einen der im Slavischen auftretende Suffixablaut Probleme (Kiparsky 1934: 88); denn urgerm. *pusundi hätte ebenso wie urgerm. *püsandi eine Lautung mit aksl. q ergeben; zur Vertretung von urgerm. *an als aksl. q vgl. aksl. xQdozbstvo 'Erfahrung' gegenüber got. handugs 'weise' (Stocki 1950: 55); zum anderen wäre urgerm. *d wohl als d entlehnt worden, wodurch sich aksl. *tysgzdi (lit. *tüsundi/*tusundi) ergeben hätte (Kiparsky 1934: 88; Pijnenburg 1989: 100). Wenig wahrscheinlich ist auch die Annahme einer Entlehnung des germanischen Wortes aus dem Slavischen16: Geht man von einem urslav. *tyxgt'i aus, so wären zwar durch *ü und *q durch *an substituierbar gewesen, aber für *x wäre kaum ein eingetreten, sondern sicher urgerm. *x (vgl. aksl. xyzi> 'Hütte' < urgerm. *%Usan). Und was ein urslav. *tys§t'i als Ausgangspunkt angeht, so hätte in der Tat *s mit urgerm. *s wiedergegeben werden können. Doch fragt sich, ob urslav. *§ im Germanischen als *un erschienen wäre; es sei denn, man hätte das aus dem Slavischen entlehnte Wort 'tausend' nach dem germanischen Wort 'hundert' (*%undan) umgebildet; vgl. demgegenüber aksl. kbn§(d)zi> 'Fürst' < urgerm. *kuningaz (Arumaa 1964: 134). Eine weitere Variante der Entlehnungstheorie findet sich bei Uhlenbeck (1906: 300f.), nach dem die slavischen Formen aus dem Germanischen, die baltischen aus dem Slavischen entlehnt sind. Wie aber z.B. lit. tukstantis aus urslav. *tyxQt'i, *tys?t'i hervorgegangen sein soll, bleibt unklar17. Die vierte These, nach der das Wort 'tausend' einzelsprachlich innerhalb des Slavischen, Baltischen und Germanischen aus *tüs- und dem Wort 'hundert' zusammengesetzt ist, erscheint Pijnenburg (1989: 647) für aksl. tysgsti (Vaillant 1958: 647) zu Recht möglich: Nach den Regeln von Leskien (1990: 48) und Shevelov (1964: 188) hätte sich aus *tyx- < *tüs- + *s$sti < *hnti zunächst *tyxs$sti ergeben müssen; vgl. ksl. dbxnQti 'atmen' (zu lit. düsti) mit x vor Konsonant (n). Da jedoch in der Periode des Slavischen kein einziger Fall von -xs~ zu finden sei, könne bezeugtes tysgsti Repräsentant von urslav. *tyx + sgsti gewesen sein. Auch im Germanischen ist eine erst einzelsprachliche Zusammensetzung mit dem Wort 'hundert' denkbar, sofern der Schwund von anlautendem *h- im Kompositionshinterglied gemeingermanischen Alters ist (vgl. oben). Jedoch hält Pijnenburg (1989:103) die baltischen Lautungen nicht für erst im Baltischen zustande gekommene Bildungen. Denn "eine erst baltische Zusammensetzung *tüs-/tüs- aus idg. *tüs- und simti- aus idg. *hpti- muß balt. *tüsimti-ergeben." "Auch wenn man von einer Grundform mit Vollstufe-o ausgeht, also *tüs- + samti-, kann nicht ohne weiteres auf lit. tukstantis, lett. tükstos, tükstuotis geschlossen werden." Zu bemerken ist jedoch, daß im Altpreußischen ein Akk.Pl. tusimtons begegnet, der ohne weiteres das Wort 'hundert' enthalten kann; vgl. lit. simtas, lett. simts 15 Hirt 1898: 340; Vaillant 1948: 184; Franck/Wijk 1949: 142. 16 Lexer 1876: 1590 ("wahrscheinlich"); Kawczynski 1888: 607f.; Sobolevskij 1912:480. 17 Nach Stang (1972: 59) stammt das Wort 'tausend' aus "unbekannter Quelle, das sich in nach-ieur. Zeit in einem bestimmten Sprachkreis verbreitet hat." 122 (Vaillant 1958: 647; Comrie 1992: 792). Genau diese altpreußische Lautform wird bei der folgenden Erklärung eine entscheidende Rolle spielen. II. Ein neuer Erklärungsversuch 1. Die gemeinsame Vorform Überblickt man nun die germanischen und baltoslavischen Lautungen, so ist zweierlei von Bedeutung: Man hat Lautformen, die das Wort 'hundert' enthalten können, andere aber, wo dies nicht möglich ist. Zum zweiten ist der Suffixablaut, der sich, wenn man das Altpreußische mit einbezieht, in allen drei Sprachgruppen findet, auffallend. Betrachtet man zuerst diesen Suffixablaut, so ist die vielfach in der Forschung vertretene Auffassung, das Wort 'tausend' sei ursprünglich eine Zusammensetzung mit dem Wort 'hundert' gewesen und sekundär an die Partizipien des Präsens angeglichen worden18, nicht sehr überzeugend. Da keine semantischen Berührungspunkte zwischen Partizipien des Präsens und Zahlwörtern bestehen (Aitzetmüller 1991: 140), käme allenfalls eine rein formale Angleichung in Frage. Doch fehlt dafür die Ratio. Anders steht es, wenn man den umgekehrten Weg annimmt, also eine Partizipialbil-dung - wegen des Suffixablauts und der Lautfolge -nt- kommt am ehesten eine solche Bildung in Frage19 -, und die Angleichung an das Wort 'hundert' als sekundär betrachtet. Denn daß eine als Zahlwort für 'tausend' gebrauchte Bildung, die von Haus aus kein Zahlwort war, nach einem Zahlwort umgestaltet ist, erscheint weitaus einsichtiger. Die folgende Arbeitshypothese ist somit: Ein Partizip Präsens, das substantiviert worden sein müßte, bildet im Germanischen und Baltoslavischen die Basis des Wortes 'tausend'. Da das Wort 'tausend' auf das Wort 'hundert' beziehbar war, konnte es nach dem Wort 'hundert' umgebildet werden. Trifft diese Annahme zu, so ist als nächstes nach einem solchen Partizip Präsens als Ausgangsform des Wortes 'tausend' zu suchen, von der aus sich die Abweichungen 18 Z.B. Vondräk 1924: 423 (als Möglichkeit); Comrie 1992: 192t: Die Fortsetzung von *tü(s)-iapt- sei im Baltischen und Slavischen sekundär zum Partizip umgedeutet worden. Für das Nebeneinander von urslav. *tys$t- und *tysQt- verweist er auf aksl. gorpst-, gorQst- 'brennend'; und urbalt. *tüsant- sei als Partizip interpretiert worden, indem der Präsensstamm *tüsa- mit einem neuen Präsensstamm *tü-sta- vermischt wurde. In ähnlicher Weise hat bereits Endzelin (1923: 366) für die "litauisch-lettische Ursprache" ein *tü(s)-samt- angesetzt, das, "sobald es nicht mehr als Kompositum empfunden wurde, volksetymologisch einem Partizip *tüsant- (aus ide. tü-sico-ru-) angeglichen" wurde. Auf den Präsensstamm urbalt. *tusa— deute dabei noch indirekt lett. tuskt (neben tükt) 'schwellen, fett werden'. Weiterhin sei neben dem Präsensstamm *tüsa- < *tü-skö ein gleichbedeutender Präsensstamm *tü-sta- aufgekommen, deren Kontaminationsprodukt *tüsta- die Bildung eines Partizips *tüstant- 'tausend' ermöglicht habe, -k- in lit. tukstantis und lett. tükstos schließlich stamme aus der gleichbedeutenden Wurzelform *tuk- (lett. tükstu 'ich schwelle, werde fett'). Vgl. auch Osthoff/Brugmann 1890: 11; Walde/Pokorny 1930: 707; Fraenkel 1932: 98. Nach Comrie (1992: 792) ist ebenso k von der Wurzel *tuk- (lett. tükstu 'werde fett') bezogen, -s- aber von den Verben auf -sta-. 19 Theoretisch könnte ein Vertreter des "amphidynamischen" Typs *uek-ont-s (vgl. griech. EKcbv), *u£-nt-es (ai. usatäs) 'wünschend' vorliegen. Doch ist dieser Typ in keiner Einzelsprache lebendig (Rix 1976: 123, 234). 123 im Germanischen, Baltischen und Slavischen am einfachsten erklären lassen. Für die Rekonstruktion dieser Form spielt das aus dem Baltischen entlehnte finn. tuhat, Gen. tuhannan 'tausend' eine Rolle. Finn. -h- steht hier höchstwahrscheinlich für balt. *-s-(Vorform *tusamte-20) und nicht für *-st-, *-st- (Stang 1966: 282)21, und balt. *-s-kann auf uridg. *k, *hzz oder *s (hinter *ü) zurückgehen, Lautwandel, die bekanntlich nicht allgemein durchgeführt sind (Stang 1966: 91fif.). Wenn aber das Finnische für das Baltische einen s-Laut erweist, muß die st-Verbindung im baltischen Wort 'tausend' eine Neuerung sein. Als Transponate für das Wort 'tausend' ergeben sich so, wenn man mögliche Angleichungen an das Wort 'hundert' zunächst unberücksichtigt läßt, die Partizipialstämme vorurslav. *tükont-, *tüRnt- und *tüksont-, *tüksnt-, vor-urbalt. *tükont-, *tüksont- und *tüsont- (k in lit. tukstantis, lett. tükstuotis läßt sich auf sekundären Einschub vor Sibilant zurückführen; vgl. alett. tuustosch-; Stang 1966: 109) und vorurgerm. *tüsont-, *tüsnt-. Für das Germanische ist daran zu erinnern, daß altes inlautendes *-sk- erhalten geblieben wäre und so nicht vorliegen kann. *-s-vertritt allenfalls eine ursprüngliche Lautfolge *-s-%-, die aber nur von einer Zusammensetzung mit dem Wort 'hundert' und nicht von einer Partizipialbildung herleitbar ist. Zu den Transponaten hat man auch die sich aus apreuß. tusimtons ergebende Vorform zu stellen (Shevelov 1964: 91). Diese ist, wenn man m als sekundäre Angleichung an das Wort 'hundert' betrachtet, entweder als *tüJcnt-, *tüksnt- oder *tüsnt-anzusetzen. Vergleicht man nun diese Transponate miteinander, so erscheinen sie zu ähnlich, als daß sie unabhängig voneinander zustande gekommen sein können. Der Unterschied betrifft lediglich den auf *u folgenden Konsonantenstand: vorurslav. und vorurbalt. vorurslav. und vorurbalt. *£s, vorurgerm. und vorurbalt. *s. Um nun zu entscheiden, welches die tatsächliche Vorform darstellt, ist nicht nur zu beachten, wie *k, *ks und *s im Germanischen und Baltoslavischen vertreten sind. Auch müssen mögliche Angleichungen an die Fortsetzung von des Wortes 'hundert' in die Überlegungen mit einbezogen werden. Die Formen mit *£ und *£s, *tükont-, *tü£nt- bzw. *tü£sont-, *tüksnt- scheiden aus, weil sie im Germanischen zu Lautungen mit *x/g bzw. *%s geführt hätten und in *püsund-, *püsand- nicht das Wort 'hundert' eingedeutet sein kann. Übrig bleibt so nur der Partizipiaistamm *tusont-, *fäsnt~. Ist dieser Stamm der richtige Ansatz, kann -s- im Slavischen auf Angleichung an das Wort 'hundert' (aksl. stto) beruhen. Einer besonderen Erklärung bedarf jedoch -st- im Baltischen, eine Lautfolge, die, wie sich zeigen wird, mittelbar ebenso mit dem Wort 'hundert' in Zusammenhang gebracht werden kann. 20 Itkonen/Joki/Peltola 1975: 1374. Vgl. finn. hanhi 'Gans' < balt. *sanse. Zuweilen steht finn. h in Lehnwörtern jedoch auch für st in der Lautfolge str, wie finn. ihra 'Speck' (an. istra 'Fetthülle der Eingeweide') zeigt (Hakulinen 1957: 34f.). 21 Aitzetmüller 1991: 140. Arumaa (1985: 199) findet z bei der wolgafinnischen Entsprechung auffallend. Doch entspricht auch sonst wolgafinn. z einem finn. h < *s\ vgl. mordwin. Erza ozo, tscheremiss. uzar 'gelb' zu finn. viha 'Zorn, Haß' (ai. visd-, av. Visa- 'Gift') (Hinweis von R.-P. Ritter). 22 Vgl. ksl. osb 'Achse', lit. asis, lat. axis (Arumaa 1976: 100f.). 124 Demnach wäre also im Germanischen die reguläre Form fortgesetzt. Dies verträgt sich mit einer möglichen Hypothese über das Ursprungsgebiet des Wortes 'tausend'. Denn hält man an einer germanisch-baltoslavischen Isoglosse fest, so gibt es eventuell Hinweise darauf, daß das Wort bei den Vorfahren der Germanen aufgekommen ist und sich von da aus zu den Vorfahren der Balten und Slaven verbreitet hat -Vorurgermanisch, Vorurbaltisch und Vorurslavisch bildeten damals noch ein "Kom-munikationskontinuum". Es handelt sich um den Ausgang und um die Verbalwurzel des Partizips bei der Vorform des Wortes 'tausend'. Wegen des ¿-Lautes im Ausgang (vgl. got. püsundi, PI. püsundjos, aksl. tysgsti, tysQsti) dürfte morphologisch am ehesten ein substantiviertes Femininum auf *-/ (vgl. ai. bhärant-i, griech. (pepovoa f. 'tragend' < *-ih2) vorliegen, das im Baltischen in Angleichung an lit. desimtis, -ies f. 'zehn' (aksl. des§tt>) nach den ¿-Stämmen flektiert wurde (lit. dial. tükstantis, -ies f.; üt. tukstantis, -cio m. nach dem Vorbild von simtas 'hundert'; Fraenkel 1910: 202). Ein substantiviertes Partizip auf *-f ist jedoch innerhalb der germanischen und baltoslavischen Sprachen nur im Germanischen nachweisbar; vgl. got. hulurtdi 'Höhle', Frauenname ahd. Purgunt (ai. brhatl, av. bdrdzaitl f. 'hohe, starke', gall. Brigantes, air. Brigit23). Auch die der Partizipialbildung *tüsonti, *tüsntl zugrundeliegende Wurzel *tüs- erscheint in dieser Form möglicherweise im Germanischen: Aisl. püstr m. 'Feindseligkeit, Zorn' im Sinne von '(vor Zorn) Angeschwollensein', nostfties. düst 'Troddel', nnorw. tust 'Büschel, Haarzotte, Quaste', tüsta 'Büschel, Knoten, Bündel, Baum mit buschiger Krone', nisl. püsta 'Haufen, Masse' können auf ein *tüs- 'schwellen' + t zurückgeführt werden24. In der Form *tuH-s- stellt sich die Wurzel zu der in ai. tävisl 'Kraft, Stärke', aav., jav. tauuisi 'Kraft, Körperkraft' auftretenden Wurzelform *teud2s- (Mayrhofer 1992: 639). Sofern diese Wurzel, was allerdings nicht weiter belegt werden kann, auch als Verbalwurzel verwendbar war und von ihr Partizipien gebildet wurden, ergibt sich als Grundbedeutung von *tüsnti, *füsonti die Bedeutung 'Anschwellende (Menge); Anschwellung, Haufe'25; vgl. die Bedeutung 'Menge' von aksl. tbma (russ. temä) '10 000', das wohl nicht von üt. tüm(s)tas 'Haufen, Menge', (Asmenä) tumstas '1000' (Fraenkel 1965: 1136) zu trennen ist (Aitzetmüller 1991: 141)26. 23 Brugmann 1913/14: 305ff.; Meid 1967: 171. 24 Holthausen 1930: 257. Ob lett. tüska 'Geschwulst', tüsk'is 'Wassersucht' ebenso von der Wurzel *tüs-herstammen, ist unsicher, da die lettischen Wörter eine ^-Ableitung von lett. tukt 'schwellen' sein können (Pokorny 1959: 1084). 25 Eine mit dem Wort 'tausend' vergleichbare Bildung hat man in toch. B tumane (-fmäne), tmSne (-tmane), A tmäm 'zehntausend' gesehen und dies als Substantivierung eines von der unerweiterten Wurzel *teuH2-'stark sein' abgeleiteten mediopassivischen Partizips 'das, was angeschwollen ist' betrachtet (Windekens 1941: 143; kritisch dazu Winter 1992: 127). Auch eine Entlehnung aus dem Iranischen wurde erwogen (Windekens 1976: 642; Isebaert 1980, 102f., 118). Bei dem tocharischen Wort handelt es sich jedoch um ein altes Kultur- und Wanderwort, das sich in vielen asiatischen Sprachen, so - außer im Tocharischen - im Persischen, Türkischen, Mongolischen, Tungusischen, Chinesischen, findet und dessen Herkunft bis heute nicht sicher geklärt ist (Hinweis von K.T.Schmidt; vgl. Doerfer 1965: 641f.). 125 2. Aisl. püshund, aisl., runenschwed. pushundraö Was nun die Sonderentwicklungen im Germanischen, Slavischen und Baltischen angeht, so erklärt sich -h- in aisl. püshund, aisl., runenschwed. pushundraö als Angleichung an das Wort 'hundert' (vgl. aisl. püshund, aisl., runenschwed. pushundraö mit aisl., aschwed. hund-rap), sofern als Vorform tatsächlich allein ein s-haltiges *tüsntl (*tüsontI) anzusetzen ist. Da das Wort 'hundert' und das Wort 'tausend' die übereinstimmende Lautfolge *-und- aufweisen, liegt im Germanischen die Eindeutung von 'hundert' besonders nahe. 3. Aksl. tys§sti, tysQsti Anders verhält es sich im Slavischen, da die auslautende Lautgruppe abweicht: *tyxQt'i, *tys§t'i gegenüber aksl. sbto, wobei das slavische Wort 'hundert' lautgesetzlich nicht aus der urindogermanischen Vorform *hntöm herleitbar ist. Doch erscheint die zu erwartende Lautung *s§to, die, von der Umbildung nach der Nom./Akk.-En-dung der neutralen o- und s-stämmigen Substantive im Slavischen und nach den astämmigen Maskulina im Baltischen abgesehen, lit. simtas, lett. simts entspricht27, in slav. *tys§t'i (Aitzetmüller 1991: 140). Daher liegt der Schluß nahe, daß auch das Slavische die lautgesetzliche Fortsetzung des urindogermanischen Wortes 'hundert' besessen hat und diese in das Wort 'tausend' eingedeutet wurde28. Ebenso zeigt apreuß. tüsimtons diese Umbildung. Aus diesem Grunde ist möglicherweise bereits in der Vorstufe des Baltoslavischen die schwundstufige Form *tüsntl nach dem Wort 'hundert' umgebildet worden (Hirt 1896: 347). Verfolgt man nun die Entwicklung im Slavischen weiter, so dürfte von *tys$t'i aus das auch in die danebenstehende, ursprünglich o-stufige Form *tyxgt'i eingedrungen sein und so ein *tysQt'i ergeben haben. Gesetzt den Fall, daß zu dieser Zeit im Slavischen noch die lautgesetzliche Kon-tinuante des Wortes 'hundert', *s$to, vorhanden war, so gewinnt man möglicherweise weiterhin eine Erklärung für die im Slavischen abweichende Lautform des Wortes 26 Sadnik/Aitzetmüller 1955: 323t. Anders Vasmer 1958: 162: Die Bedeutung von aksl. fhma sei Lehnübersetzung aus turkotatar. tuman 'zehntausend, Nebel' (Rosenkranz 1955:107). Fraenkel (1932:98) verweist weiterhin auf poln. chmura und griech. vetpog 'Wolke', Wörter, die ebenfalls große Zahlen, Unmengen bezeichnen. 27 Uridg. *m kann im Frühurslavischen zwar auch als *um vertreten sein, doch stimmen das Baltische und Slavische hinsichtlich der Vokalqualität der Fortsetzungen von uridg. *m und *n sonst überein; vgl. aksl. dgti, lit. dümti 'wehen, blasen', aksl. Präs. dhmQ, apreuß. dumsle 'Hornblase' (Arumaa 1964:135). Zudem erscheinen sonst palatale Reflexe von *m und *n hinter der Fortsetzung von Palatalen (Shevelov 1964: 86ff.; Comrie 1992: 784). 28 Die Lautfolge *ty- war möglicherweise volksetymologisch auf urslav. *tyjö 'werde fett' (aruss., russ.-lcsl. tyti, tyju 'maiveadaV, ukr. tyty, tyju, skr. titi, tijem, tschech. tyti, tyji, poln. tyc, tyjg, osorb. tyc usw.; Vasmer 1958: 162) zu beziehen und *tysQt'i so als 'fettes, großes Hundert' = 'Tausend' zu interpretieren (Vondräk 1924:132,423). Demgegenüber betrachtet Kawczynski (1888:607) eine Bedeutungsentwicklung von 'fette, große Zahl' zu 'tausend' als eine der "kühnsten" "Bedeutungsverschiebungen", "auf welche man je verfallen ist." Doch wird der eben erwogene Bedeutungsansatz 'fettes, großes Hundert' > 'Tausend' als volksetymologische Deutung von *tys$t'i verstanden. 126 'hundert' (aksl. stto usw.), dessen velarer Vokal gegenüber dem palatalen Vokal im Baltischen (lit. simtas, lett. simts) entgegen den Lautregeln ist. Die Erklärung vollzieht sich in drei Schritten: In gleicher Weise wie im Slavischen *tys$t'i auf die Form *s§to 'hundert' bezogen werden konnte, bestand die Möglichkeit, nach der ursprünglich 0-stufigen Form *tysQt'i eine ablautende Variante *sgto 'hundert' zu bilden29. Weiterhin war es möglich, daß ebenso wie in *s§to als antekonsonantische Vertretung der Reduktionsstufe *hm auffaßbar war, *g in *SQto als antekonsonantische Vertretung der Reduktionsstufe *hm betrachtet wurde. Trat nun in einem solchen synchron als Vertretung von *z>m geltenden *g eine durch Schwachtonigkeit bedingte Entnasalierung ein, so war das Ergebnis *i>, wie es in dem slavischen Wort 'hundert' (aksl. shto usw.) auftritt. Ein Nebeneinander von verwandten Formen mit *g, *z> und *2> + Nasal, deren unterschiedliche Laute für damalige Sprecher mit Schwachtonigkeit in Verbindung gebracht werden können, begegnet im Slavischen auch sonst, und zwar in dem Nominalpräfix sg-, in den Verbalpräfixen skh- und st- 'zusammen' und in der Präposition si> 'mit'. Vielleicht hat der für das Wort 'hundert' erwogene Wandel von *g zu *i> aber sogar in einem weiteren Zahlwort eine unmittelbare Parallele: Entspricht aksl. vttorb 'zweiter' den Wörtern lit. ant(a)ras, ai. äntara-, got. anpar, so könnte auch hier *q der Vorform *gtori> (Arumaa 1964: 135; Schmalstieg 1971: 139f.)30 als Vertretung einer Reduktionsstufe (*z>n) empfunden und im Schwachton zu *i> entnasaliert worden sein. Im Falle des Wortes 'hundert' ist aksl. stto jedenfalls auf Kosten der lautgesetzlichen Form verallgemeinert worden31. 4. Lit. tukstantis, lett. tükstuotis Noch problematischer als im Slavischen liegt der Fall im Litauischen und Lettischen. Denn hier hat man bei dem Wort 'tausend', wie bemerkt, ein -st-, das weder von der durch das Finnische geforderten Vorform mit *-s- noch mit der angenommenen partizipiälen Vorform *tüsonti (*tüsnti) vereinbar ist und auch nicht mit dem Anlaut des Wortes 'hundert' (lit. simtas, lett. simts) übereinstimmt. Doch möglicherweise hat das Wort 'hundert' auch bei der Umbildung des litauisch-lettischen Wortes 'tausend' eine Rolle gespielt. Überlegt man zunächst, in welcher Art von Zahlwort ein -t- 29 Vgl. Shevelov 1964:91: "*simtom obtains a parallel form *sumtom under the influence of altemating -imt-: -umt- (later : -Qt-) in *tü(s)simt-". Doch geht Shevelov, wie sein Ansatz *tü(s)hpt-iä zeigt, für das Wort 'tausend' offensichtlich von einer alten Zusammensetzung mit dem Wort 'hundert', *tüs- + *kmt- (zu aruss., russ.-ksl. tyti 'fett werden') aus (141, 181). 30 Anders z.B. Meillet 1895: 329: *n-\ Brugmann 1909: 169: *u-\ Pedersen 1905: 395: zu ai. vitaras 'weiter führend' (Vasmer 1950: 237 mit weiterer Literatur). 31 Barschel (1967: 451) wendet sich zu Recht entschieden gegen Arumaas (1964: 130) Auffassung von aksl. szto als iranischem Lehnwort - iran. a wird nicht durch slav. b oder b wiedergegeben (Arumaa: urslav. *sbmto-), und ein Ansatz iran. *sutsm bzw. *sitsm sei für die slavische Form nicht gerechtfertigt. Nach Barschel ist nasalloses sbto erst auf slavischem Boden entstanden, und zwar sei vor dem Abfall des Auslautskonsonanten *sbmtom zu *sbtom dissimiliert worden (ebenso bereits Vondräk 1924: 147, 423; Shevelov 1964:91). Wenig einsichtig ist Szemerenyis (1960:65) Annahme, daß eine frühere Form *sinton durch die Endung der ehemaligen Dekadenbezeichnungen *-sb (z.B. *newinsb(n) 'neunzig') umgestaltet sei. Weiterhin ist ein Ansatz uridg. *kutom für aksl. sbto nicht gerechtfertigt (Comrie 1992: 784). 127 zu erwarten ist, so stößt man unweigerlich auf das Ordinale; vgl. lit. trecias 'dritter' (< *-tia-) gegenüber trys 'drei', ketviftas 'vierter' gegenüber keturi 'vier' usw. Wahrend sich in diesen Zahlen Kardinale und Ordinale durch das Fehlen bzw. Vorhandensein von -t- unterscheiden, gibt es ein Wort, das in der gleichen Lautform sowohl als Kardinale als auch als Ordinale fungiert, und zwar genau das Wort 'hundert': lit. simtas, lett. simts 'hundert', 'hundertster', ein Zusammenfall, der dadurch bedingt ist, daß die Fortsetzung von *-om in *hntöm als neutrale Endung aufgefaßt wurde, das Neutrum beim Substantiv aber im Litauisch-Lettischen aufgegeben und zumeist zum Maskulinum umgebildet worden ist (Stang 1966: 179). Ähnliche lautliche Übereinstimmungen zeigen sich beim Kardinale und Ordinale des Wortes 'tausend': lit. tuk-stantis, lett. tükstuotis Kardinale und lit. tukstantysis (Kurschat), tükstantas (Jablons-kis), tukstantinis, lett. tukstuosais Ordinale. Da also die Kardinalia und Ordinalia der Wörter 'hundert' und 'tausend', von den Endungen beim Wort 'tausend' abgesehen, jeweils identisch sind, liegt der Schluß nahe, daß das Wort 'tausend' in der Vorstufe des Litauisch-Lettischen durch den Einfluß des Wortes 'hundert' zu seinem i-Laut gekommen ist32. Für diese Annahme spielen nun die im Litauischen in älteren Grammatiken angegebenen Ordinalia tukstinis und tükstäsis33, die keine Entsprechung beim Kardinale haben, eine Rolle. Folgende Entwicklung erscheint denkbar: Neben dem Kardinale *tüsantis 'tausend' stand ein Ordinale *füsantas 'tausendster' mit adjektivischer Flexion; zu den Ausgängen vgl. lit. desimtis 'zehn' neben desimtas 'zehnter'. In Verbindung mit Substantiven wurde das Ordinale *tüsantas zu *tüstas (lit. tükstäs-is, tukst-inis) verkürzt. Eine derartige Verkürzung hat in anderen indogermanischen Sprachen bei Ordinalia Parallelen (z.B. urgerm. *tegunpan- > ae. Lindisfame teigöa < -tegöa in mehrsilbigen Wörtern34) und kommt auch im Baltischen im Falle von Silben, die aus Vokal und Nasal bestehen, vor (z.B. vargöninkas neben vargöni-ninkas 'Organist' mit Suffix -ininkas35). Für das Litauisch-Lettische gab es im Falle des zweisilbigen Ordinale 'tausendster'jedoch das Vorbild * simtas 'hundertster'. Was die weitere Entwicklung des Wortes 'tausend' im Baltischen betrifft, so ist anzunehmen, daß die längere Form des Ordinale, Hüsantas, weiter bestand. Unter dem Einfluß von *tüsantas und den Vorformen der Ordinalia lit. septintas, lett. septitais 'siebter', astuntas, lett. dial. astüt(ai)s36 wurde *tüstas zu *tüstantas erweitert; vgl. mndd. twelftende neben twelfte 'zwölfter' (Lasch 1914: 210) wohl nach dem Vorbild von teinde 'zehnter', achteste, teinste, afries. achtunda (Lloyd/Springer 1988: 123). Schließlich - wegen des Gleichlauts von * simtas 'hundert, hundertster' und * desimtis 32 Zur lautlichen Beeinflussung von Ordinalia durch Ordinalia, die durch eine Rechenoperation aufeinander beziehbar sind, vgl. Winter (1969: 38), der auf die nach 'zehnter' umgebildeten Ordinalia griech. arkad. tk[lk0t0q 'fünfter' (SekotoQ, ai. pahcamds 'fünfter' (dasamds) verweist. 33 Kurschat 1876: 265; Senn/Salys 1963: 731; Endzelin 1971: 185. 34 Sievers/Brunner 1965: 256; Ross/Berns 1992: 632. 35 Senn 1966: 319; Endzelin 1971: 36, 70. 36 Zur Erklärung der Formen auf *-nt- siehe Stang 1966: 283f. 128 'zehn', *desimtas 'zehnter' - trat neben das Ordinale *tustantas ein Kardinale *tüstantis31. C. ZUSAMMENFASSUNG Sind die angenommenen Umbildungen des Wortes 'tausend' im Germanischen und Baltoslavischen zutreffend, so kann man in beiden Fällen von einer Semantifizie-rung der Lautform des Wortes 'tausend' sprechen. Denn in die Fortsetzungen der postulierten Grundform *tüsontI, *tüsntl 'Anschwellung, Haufe', der Substantivierung eines Partizip Präsens ('Anschwellende [Menge]'), wurde - mehr oder weniger offensichtlich - das Wort 'hundert' eingedeutet. Der vorgestellten Deutung des Wortes 'tausend' am nächsten kommt Aitzetmüllers (1991: 140) Behandlung dieses Wortes. Auch für ihn sind als Grundformen *tüsonti, *tüsnti anzunehmen, die nach dem Wort 'hundert' umgebildet wurden. Doch sieht er, wie bemerkt, in diesen Bildungen keine Partizipien, sondern Adjektive mit einem -nt- in elativierender Funktion. Ausgangspunkt für die oben gegebene Diskussion war die Überlegung, daß sich - wegen des für ein Partizip Präsens typischen Suffixablauts *-ont-, *-nt- - als Grandform des Wortes 'tausend' eher ein Partizip anbietet als ein Zahlwort. Denn die Annahme, daß ein Partizip, das als Zahlwort fungiert, nach einem Zahlwort umgebildet wird, ist plausibler als der umgekehrte Weg. Von den für das Wort 'tausend' in Frage kommenden Transponaten *tü£ont-, *tüknt- und *tüksont-, *tüksnt- (vorar-slav., möglicherweise auch vorurbalt.) und *tüsont-, *tüsnt- (vorurgerm., eventuell auch vorurbalt.) wurden die im Germanischen nahezu unverändert fortgesetzten Lautungen *tüsont-, *tusnt- als Grundformen des Wortes 'tausend' betrachtet, weil sich daraus die einzelsprachlichen Vertretungen mitsamt ihren Umbildungen nach dem Wort 'hundert' am einfachsten ableiten lassen. Lag in den drei Sprachzweigen keine lautgesetzliche Vertretung von *tüsont-, *tüsnt- vor, so ist im Falle des Germanischen und Altpreußischen die Eindeutung des Wortes 'hundert' am sichtbarsten: vgl. aisl. püshund, aisl., runenschwed. püshundraö mit aisl., aschwed. hund-rap; apreuß. tüsim-tons mit lit. simtas, lett. simts. Die Entsprechung des baltischen Wortes 'hundert', urslav. *s$to (mit Umbildung nach der Nom./Akk.-Endung der neutralen o- und s-stärnmigen Substantive), die entgegen dem bezeugten Wort (aksl. si>to) den regulären palatalen Vokal aufweist, dürfte ebenso im Slavischen vorgelegen haben, wie aksl. tysgsti (anstelle von *tys§sti) deutlich macht. Von tys§sti ist -s- wohl ferner auf die Vorform *tyxgsti von aksl. tysgsti übergegangen. Trifft dies zu und hat zu dieser Zeit 37 In ähnlicher Weise nimmt Gauthiot (1904: XIX) eine Übertragung von st aus dem Ordinale tükstas an; doch geht er für die Vorform von einer selbständigen Bildung *tüs-to- aus, die unmittelbar vom Vorderglied *tüs-mit dem *-to- der Ordinalia gebildet sei. Leumann (1942: 128) kritisiert an dieser Auffassung "die Überspringung des Elementes '100'", worin ihm zweifellos zuzustimmen ist. Seiner Meinung nach ist tükstas eine verkürzte Ableitung vom Kardinale tükstantis, "natürlich in Anlehnung an simtas' 100', wobei schon simtas als Ordinale leicht möglich war, weil es an die regulären Ordinalia auf -tas der kleineren Zahlen anklang." 129 die auch für das Slavische zu postulierende Form *s§to 'hundert' existiert, könnte aus tysQsti eine mit *s§to ablautende Variante *SQto erschlossen worden sein, wodurch sich eventuell eine Erklärung für die im Slavischen abweichende Lautform des Wortes 'hundert' (stto) ergibt (vgl. oben). Was schließlich die noch zu erklärenden Formen im Baltischen betrifft, so sind durch Einflußnahme des Wortes 'hundert', das im Baltischen nicht nur als Kardinale, sondern auch als Ordinale fungiert, möglicherweise weiterhin die Lautformen lit. tukstantis, lett. tükstuotis 'tausend' deutbar. Die bezeugten Ordinalia lit. tükstinis und tükstäsis könnten auf ein neben dem Kardinale *tüsan-tis 'tausend' vorhandenes Ordinale *füsantas 'tausendster' weisen, das in Verbindung mit Substantiven nach dem Vorbild von *šimtas 'hundertster' zu *tüstas (lit. tükstäsis, tukst-inis) verkürzt wurde. Die längere Form *tüsantas müßte daneben weiter existiert haben, *tüstas nach deren Vorbild und anderer Ordinalia mit der Lautfolge -ntas zu *tustantas erweitert worden38 und schließlich neben *tüstantas ein Kardinale *tüstantis getreten sein. Gegenüber dem Slavischen wäre dabei im Baltischen im Falle der Form mit ursprünglich o-stufigem Suffix also nicht die ganze Lautform des Wortes 'hundert' in das Wort 'tausend' übernommen, sondern nur ein allein für das litauisch-lettische Wort 'hundert' charakteristischer Lautstand: Im Zuge der Aufgabe des Neutrums beim Substantiv war der Ausgang *-tas des Kardinale (gegenüber *-tom von *£mtöm) mit dem des Ordinale zusammengefallen. Mit den angenommenen Umbildungen nach dem Wort 'hundert' kann das Wort 'tausend' im Germanischen und Baltoslavischen tatsächlich als Isoglosse betrachtet werden. Literaturverzeichnis Aitzetmüller 1991: R. Aitzetmüller, Altbulgarische Grammatik als Einführung in die slavische Sprachwissenschaft, 2Freiburg i. Br. (Monumenta linguae slavicae dia-lecti veteris. Fontes et dissertationes 30) Arumaa 1964. 1976. 1985: R Arumaa, Urslavische Grammatik. Einführung in das vergleichende Studium der slavischen Sprachen, I: Einleitung, Lautlehre (I. Teil: Vokalismus, II. Teil: Betonung). II: Konsonantismus. HI: Formenlehre, Heidelberg Barschel 1967: B. Barschel, Besprechung von: Arumaa 1964, Wissenschaftliche Zeitschrift der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Gesellschafts- und sprachwissenschaftliche Reihe 16,449-451 Bengtson 1987: J.D. Bengtson, Notes on Indo-European "10", "100", and "1000", Diachronica 4,257-262 Bräuer 1961: H. 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Števnik za "enajst" je tvorjen na podlagi števnika za "deset", števnik za "sto" na podlagi števnika za "deset" ("deset krat deset"), števnik za "tisoč" na podlagi števnika za "sto" ("deset krat sto"). Vpliv takega besedotvornega vzorca je možno zaslediti tudi pri germanskem in baltoslovanskem števniku za "tisoč". Najnovejša Pijnenburgova razlaga iz zloženke *tut-snt-i ne prepričuje, ker korenski samostalnik *tut-nikjer ni izpričan in ker germansko-baltoslovanski besedotvorni vzorec zloženke iz korenskega samostalnika in deležnika glagola s pomenom "biti" ni dokazljiv. Starejše poskuse razlag germansko-baltoslovanskega števnika za "tisoč" je možno razdeliti v štiri skupine: 1) leksem je zloženka iz ievr. *tus- "močan, krepek, mnog" in ievr. *k'mt-ia, *k'mt-iom, kar je izvedeno iz ievr. k'mtom "sto"; 2) leksem je izpeljanka z (deležniško) pripono *-ent- *-ont, *-nt- iz ievr. *tUs-; semkaj je potrebno prišteti tudi Hampovo (1973: 174) rekonstrukcijo *tu-sk'-ont-, deležnik sedanjika na *-sk'-; 3) leksem je izposojenka, ali germanska iz slovanščine ali pa slovanska iz germanščine; 4) leksem za "tisoč" je bil v baltščini, slovanščini in germanščini neodvisno v vsaki jezikovni skupini posebej zložen iz *tus- in leksema za "sto". Razlaga pod 1) ni verjetna zaradi prevoja v csl. (q : e) in stšved. (pusand : pusund) kot tudi a) zaradi nedokazljivega prehoda ievr. *-sk'- v balt. -si-, b) ker bi se ievr. *tuHs-k'mt-ih2 razvilo v csl. *tyšt§šti in c) ker bi se ievr. *tuHs-k'mt-ih2 z medglasnim *-s-k'- praviloma razvilo v germ. *-sk-. Upoštevajoč možnost, da bi se *-k'wt- v pragerm. *tuHs-k'mt-ih.2 naslonilo na leksem za "sto" *k'mldm in bi se *-k'mt- v pragerm. *tuHs-k'mt-ih.2 naslonilo na leksem za "sto" *k'mtom in bi fonetični razvoj *k' sledil pravilu obravnave na vzglasju, pa bi pričakovali pragerm. refleks *pBs-xundl. Takšno pragerm. iztočnico bi lahko potrjevalo stisl. piishund in stisl., runskošved. pushundrad, vendar sta obliki zaradi drugih germ. refleksov, ki medglasnega -h- nimajo, verjetno nastali po ljudskoetimološki naslonitvi na leksem za "sto". Razlaga pod 2) ni verjetna, ker bi se *s za «-jevskim glasom morda razvil v balt. š, vsekakor pa v csl. % pred temnim samoglasnikom in v š pred palatalnim samoglasnikom. Razlagi pod 3) nista možni, ker bi bilo pragerm. *pusundikot tudi pragerm. *pusandivcsl. prevzeto z *to itd.). Tako kot je *tys$t'i nastalo na podlagi oblike *s$to "sto", je možno, daje prvotna o-stopenjska oblika *tysQt'i vplivala na nastanek prevojne variante *SQto "sto", ta pa se je v šibki tonični poziciji denazalizirala v *shto, prim imensko predpono *sq-, glagolsko predpono sm- in st>- "skupaj" in predlog ss "z", csl. vbtorh "drugi" za pričakovano *Qtorb, prim, lit afit(a)ras, sti. dntara-, got. anpar. c) lit. tukstantis in let. tukstuotis je prav tako možno razložiti z vplivom leksema za "sto". Poleg glavnega števnika *tusantis je bil tvorjen vrstilni števnik *tusantas "tisoči" s pridevniškim sklanjatvenim vzorcem. V povezavi s samostalnikom je bil vrstilni števnik *tusantas skrajšan v *tustas (lit. tukstas-is, tukstinis). Pod vplivom daljše še ohranjene oblike vrstilnega števnika *tusantas in drugih vrstilnih števnikov (lit. septihtas, let. septttais) pase je *tustas podaljšalo v *tustantas. Pod vplivom vzorca *dešimtis "10" : *dešimtas "10." seje tvoril nov glavni števnik *tustantis. Zaradi prikazanih preoblikovanj pod vplivom leksema za "sto" je leksem za "tisoč" lahko imeti za ger-mansko-baltoslovansko izogloso. 136