MARKUS BRUCKMÜLLER: DIE LEX COMMISSORIA IN DER SLOWENISCHEN JURISTISCHEN PRAXIS DIE LEX COMMISSORIA IN DER SLOWENISCHEN JURISTISCHEN PRAXIS MARKUS BRUCKMÜLLER 1. Einleitung 1.1. Die Wahl des Themas fiel unter anderem aufgrund einer vor wenigen Jah­ ren gemachten Erfahrung bei der Teilnahme des Autors als Vertreter einer Ver­ tragspartei an einer Beurkundung eines Anteilspfandvertrages, bei welcher vom slowenischen Notar bei einer Vertragsklausel die Ansicht geäußert wurde, es handle sich um eine verbotene Verfallsklausel, die deshalb nichtig sei. Diese Vertragsklausel sah das Recht des Pfandgläubigers vor, den verpfändeten Geschäftsanteil nach Fälligkeit des Pfandes zu einem nach Fälligkeit des Pfandes (durch einen Wirtschaftsprüfer) festzustellenden Marktwert erwerben zu können. 1.2 Bei der Nachforschung in der slowenischen juristischen Literatur stieß der Autor auf insbesondere einen sehr detaillierten Aufsatz von L. Varanelli1 zur Lex commissoria, der im folgenden Beitrag Berücksichtigung finden wird. Der Aufsatz verwies bei der historischen Entwicklung des Instituts in einer Fußnote auf die rechtshistorischen Ausführungen in der Rechtsgeschichte der Slowenen von Sergij Vilfan.2 An dieser Stehe erläutert Vilfan den Unterschied zwi­ schen dem mittelalterlichen Verfallspfand, bei dem im Fall der Nichtzahlung der besicherten Schuld die als Pfand gegebene Sache an den Pfandgläubiger verfallt, und dem in der Neuzeit bis heute geltenden Pfand, bei dem der Pfandgläubiger die Sache im Fall der Fälligkeit des Pfandes verwerten (veräußern) und sich aus dem Erlös befriedigen kann (Befriedigungspfandrecht). Mit dem Verbot der Lex commissoria befasste sich vor wenigen Jahren auch der slowenische Oberste Gerichtshof in einer vielbeachteten Entscheidung Vida Kunčič — Orion.3 Anhand dieser Entscheidung soll im zweiten Teil des vorliegen­ den Beitrags die Anwendung des Verbots der Lex commissoria in der aktuellen juri­ stischen Praxis beleuchtet werden. Im Beitrag sollen auch rechtsvergleichende Hinweise zum österreichischen Recht eingeblendet werden. 1 Varanelli, Lex commissoria, Pravna praksa 2002, Nr 20, Seite 15 ff. 2 Vilfan, Pravna zgodovina Slovencev, 1961, Seite 241. 3 Oberster Gerichtshof der Republik Slowenien, Urteil und Beschluss II Ips 427/2003 = Podjetje in delo 8/2004, Seite 1973. 353 VILFANOV SPOMINSKI ZBORNIK 2. Begriff und Entwicklung 2.1 Definition; Zweck des Verbotes Unter der Lex commissoria versteht man allgemein eine Vertragsklausel, mit der Pfandgläubiger und Pfandbesteller vereinbaren, dass die als Pfand gegebene Sache im Fall der Nichtbezahlung der besicherten Schuld ins Eigentum des Pfandgläubi gers übergehe, mit anderen Worten, zu seinen Gunsten verfalle.4 Eine solche Verfallsabrede ist schon seit der Zeit des römischen Rechts ver­ boten und daher nichtig.5 2.2 Gültigkeit der Regelung auf dem Gebiet des heutigen Slowenien Auf dem Gebiet des heutigen Slowenien gilt das Verbot der lex commissoria schon sehr lange. Als gesatztes Recht galt mit Inkrafttreten des allgemeinen Bürgerlichen Ge­ setzbuches in den ehemaligen Illyrischen Provinzen im Jahr 1915 die das Verbot der Verfallklausel enthaltende Bestimmung des § 1371 des allgemeinen Bürgerli­ chen Gesetzbuches auch im (Großteil des Gebiets des) heutigen Slowenien.6 § 1371 ABGB bestimmt in einer Generalklausel, dass alle der Natur des Pfand- und Darlehensvertrages entgegenstehenden Bedingungen und Nebenverträge un­ gültig sind. Dazu zählt die Vereinbarung, dass nach der Verfallzeit der Schuldfor­ derung das Pfandstück dem Gläubiger zufalle und dass er es nach Willkür, oder in einem schon im voraus bestimmten Preise veräußern, oder für sich behalten kön­ ne (,..).7 Diese Bestimmung gilt in Österreich unverändert nach wie vor. 4 Varanelli, Lex commissoria, Pravna praksa 2002, Nr 20, Seite 15 ff; Tratnik in Juhart et al., Stvarnopravni zakonik s komentarjem (2004), Anm. 2 zu Art 132, Seite 603; Cigoj, Komentar obligacijskih razmerij - Veliki komentar Zakona o obligacijskih razmerjih, Band IV. (1986), Anm. II zu Art 973, Seite 2605; in Österreich zB Konjol/Welser, Bürgerliches Recht, 13. Auflage (2006) Seite 393; Hofmann in Rummel, Kommentar zum Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch, 3. Auflage (2002) § 1371 Rz 3 mit weiteren Nachweisen. 5 Varanelli, Lex commissoria, Pravna praksa 2002, Nr 20, Seite 15 ff; für Fälle im römischen Recht siehe bei Kranjc, Primeri iz rimskega prava (1991), Seite 105 f, insb. das Zitat der Const. C. 8, 34, 3. 6 Vilfan, Rechtsgeschichte der Slowenen (1968), Graz, 228. 7 Siehe auch Friedmann/ Sandig/Wach (Hrsg), Das österreichische Recht, Band 2, Seite 131. Der slo ­ wenische Wortlaut des § 1371 des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches findet sich zB in Občni drža ­ vljanski zakonik v besedilu treh delnih novel, in Übersetzung von ßojidar JeiJek und Fran Regal/y, Tiskov ­ na zadruga v Ljubljani (1928): »Neveljavni so vsi pogoji in postranske pogodbe, ki so protivni naravi nastavne in posojilne pogodbe. To so dogovori: da pripade nastavljena stvar upniku, ko poteče rok na plačilo tetjatve, da sme upnik nastavo poljubno ali na ňe naprej določe­ no ceno odsvojiti ali nase pridržati, da ne sme doljnik nikdar rešiti nastave ali nepremičnine napisati nikomur drugemu, ali da ne sme upnik po preteku plačilnega roka nphtevati prodaje nastave.« 354 MARKUS BRUCKMÜLLER: DIE LEX COMMISSORIA IN DER SLOWENISCHEN JURISTISCHEN PRAXIS In Slowenien galten nach 1945 die Regelungen des österreichischen allgemei­ nen bürgerlichen Gesetz weiter in Form von »Rechtsregeln« (pravna pravila), die nicht Gesetzeskraft hatten, jedoch als allgemein anerkannte Regeln angewandt wurden.8 Es gehörte das Verbot der lex commissoria weiter dem Rechtsbestand in Slowenien an, wenn auch in abgeschwächter — und in klassische rechtliche Begrif­ fe nicht recht einordenbarer — Form. Das Verbot der Verfallsklausel findet sich wieder im jugoslawischen Schuldge­ setzbuch,9 das in Artikel 973 eine sehr ähnliche Regel enthielt: Nichtig war dem­ nach eine vertragliche Regelung, mit der bestimmt wird, dass eine verpfändete Sa­ che im Fall der Nichtbezahlung der besicherten Schuld ins Eigentum des Pfand­ gläubigers übergeht, und eine vertragliche Regelung, nach welcher der Gläubiger den Pfandgegenstand zu einem im vorhinein bestimmten Preis verkaufen oder für sich behalten könnte. Wir bemerken einen wichtigen Unterschied zur Regelung des § 1371 ABGB: Während dieser eine Generalklausel voranstellt, dass »alle der Natur des Pfand- und P)arlehensvertrages entgegenstehenden Bedingungen und Verträge« nichtig sind, und dann unter anderem auch die Verfallsklausel beispielsweise erwähnt, scheint Artikel 973 des Schuldgesetzbuches enger gefasst zu sein, denn er zählt offenbar zwei Ver­ tragsklauseln taxativ auf, die nichtig sind. Parallel zu Artikel 973 des Schuldgesetzbuches enthielt seit dem Jahr 1980 Ar­ tikel 69 des Gesetzes über die grundlegenden eigentumsrechtlichen Verhältnisse10 eine ähnliche Regelung. Nichtig ist eine Bestimmung in einem Hypothekenver­ trag, mit dem der Hypothekargläubiger sich das Recht ausbedingt, sich im Fall der Nichttilgung der Schuld so zu befriedigen, dass er das Eigentumsrecht an der ver­ pfändeten Liegenschaft erlangt, dass er die Früchte der Degenschaft zieht oder dass er die Liegenschaft auf andere Weise nutzen wird. Beide Bestimmungen galten bis zum Inkrafttreten des neu kodifizierten Sa­ chenrechts im Jahr 2003. Die derzeit, seit 1. Januar 2003 in Kraft stehende Bestimmung des Artikels 132 des Sachenrechtsgesetzbuches11 lautet (übersetzt): »(1) Eine vertragliche Bestimmung wonach eine verpfändete Sache in das Eigentum des Pfandgläubigers übergeht, wenn dessen Forderung bei Fälligkeit nicht getilgt ist, und über den Verkauf der verpfändeten Sache gu einem im vorhinein bestimmten Preis sind nichtig wenn die­ ses Gesetz nichts anderes bestimmt. 8 Zakon o razveljavljenju pravnih predpisov, izdanih pred 6. aprilom 1941 in med sovražnikovo okupacijo, Amtsblatt FLRJ, 96-699/1947. 9 Zakon o obligacijskih razmerjih, Amtsblatt SFRJ, Nr. 29-462/1978. 10 Zakon o temeljnih lastninskopravnih razmerjih, Amtsblatt SFRJ, Nr 6-88/1980. 11 Stvarnopravni zakonik, Amtsblatt RS, Nr 87/2002. 355 VILFANOV SPOMINSKI ZBORNIK (2) Vereinbarungen über die Übertragung des Eigentumsrechts und den Verkauf eine bestimmten Preis sind wirksam, wenn sie nach Eälligkeit der besicherten Forderung vereinbart werden.« Artikel 132 des Sachenrechtsgesetzbuches bestimmt also die Nichtigkeit einer Vertragsklausel, mit der die Parteien vereinbaren, dass bei Nichttilgung der besi cherten Fälligkeit: (1. Fall) eine verpfändete Sache in das Eigentum des Pfandgläubigers übergeht oder (2. Fall) die verpfändete Sache zu einem im vorhinein bestimmten Preis veräu Bert wird. Artikel 146 des slowenischen Sachenrechtsgesetzbuches enthält eine weitere Einschränkung für Pfänder an unbeweglichen Sachen: Ein vertragliches Verbot eine verpfändete Liegenschaft einem anderen zu verschreiben, ist nichtig. Dies wahrt die Verfügungsbefugnis des Schuldners, weitere Pfänder an der Liegen­ schaft zu bestellen (siehe auch § 1371 ABGB). 2.3 Zweck und Reichweite des Verbots Zweck des Verbots der Verfallsklausel ist der Schutz des Pfandbestellers, der davor geschützt werden soll, ein (meist wertvolleres) Pfand im Fall des Verzugs an den Pfandgläubiger zu verlieren, insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass der Pfandbesteller im Zeitpunkt des Abschlusses des Pfandvertrages typischerwei­ se damit rechnet, dass es zur Pfandverwertung gar nicht kommen werde.12 Im Re­ gelfall hat weiters der Pfandbesteller, der gleichzeitig um die Zuzählung eines Darlehens ansucht und im Moment des Vertragsabschlusses auch darauf angewie­ sen ist, es zu erhalten, wenig Wahlfreiheit, und ist daher auch ungünstige Klauseln zu akzeptieren bereit.13 Nachdem das Gesetz selbst den Fall der offenen Verfallsklausel einerseits, an­ dererseits aber auch eine Unterart bzw. Umgehung des Verbotes explizit erwähnt, ist daraus richtigerweise zu folgern, dass das Verbot weit auszulegen ist, damit auch andere Alternativen möglicher Umgehungen umfasst werden. Nach herr­ schender Ansicht in Slowenien unterliegen auch Sicherungsübereignungen14 den Auflagen der Lex commisssoria. Der Zeitpunkt, ab dem Verfalls- bzw. ähnliche Abreden wieder zulässig wer­ den, ist der Verzug der Bezahlung der besicherten Forderung: Nach Fälligwerden 12 Hofmann in Rummel, Kommentar zum Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch, 3. Auflage (2002) § 1371 Rz 1. 13 Tratnik in ]uhart et al., Stvarnopravni zakonik s komentarjem (2004), Anm. 2 zu Art 132, Seite 603. 14 Varanelli, Fiduciarni posel, Pravna praksa 26/2002, 18. 356 MARKUS BRUCKMÜLLER: DIE LEX COMMISSORIA IN DER SLOWENISCHEN JURISTISCHEN PRAXIS der besicherten Forderung ist die Vereinbarung über den Verfall des Pfandgegen­ standes zugunsten des Pfandgläubigers zulässig.15 Nicht zulässig sind Umgehungen des Verbotes, beispielsweise die Vereinba­ rung des für den Fall der Nichteinlösung des Pfandes bedingten Kaufes.16 Nicht unzulässig aber ist — auch schon vor dem Verfall — die unbedingte Überlassung des Pfandgegenstandes an Zahlungs statt.17 Aufgrund des Schutzzwecks des Verbotes stellt es nach herrschender Ansicht18 keine Verletzung des Verbots der lex commissoria dar, wenn im Pfandvertrag fest­ gelegt wird, dass im Fall des Verzugs des Schuldners das Pfand in das Eigentum zum, im Zeitpunkt der Fälligkeit durch einen unabhängigen Dritten festgestellten, Marktwert übergeht oder zu einem vom Dritten festgestellten Marktwert an einen Dritten veräußert wird. Durch die objektive Feststellung des Marktwertes des Pfandes zum Zeitpunkt der Fälligkeit ist der Schuldner geschützt, da er ja nicht im vorhinein dem Verfall des Pfandes zu einem — möglicherweise ungünstigen — preis zustimmt, sondern zu einem Preis, den ein Dritter (ein Schätzgutachter) fesdegt. Der Preis, zu dem die Sache vom Pfandgläubiger oder einem Dritten erworben werden kann, ist in diesem Fall nach der Fälligkeit bestimmbar, nicht jedoch im vorhinein bestimmt. Der Gesetzeswortlaut ist hier klar und es ist daher nicht an­ gebracht, den Gesetzeswortlaut so zu ergänzen, dass auch nach Fälligkeit »be­ stimmbare« Preise vom Verbot umfasst wären. Willkür des Pfandgläubigers ist dadurch vertraglich ausgeschlossen. Als Zwischenergebnis für unseren in der Einleitung geschilderten Fall kann man daher festhalten, dass richtigerweise kein Verstoß gegen das Verbot der lex commissoria vorliegt, weil die vorgeschlagene Vertragsklausel nicht vorsah, dass das Pfand bei Fälligkeit zugunsten des Gläubigers verfalle oder zu einem im vorhinein bestimmten Preis veräußert würde. Die Vertragsklausel wäre demnach gültig. Der Notar müsste eine solche in einem Pfandvertrag enthaltene Klausel akzeptieren. Rechtsfolge eines Verstoßes gegen die Lex commissoria (oder anderer uner­ laubter Klauseln) ist die Nichtigkeit der Klausel. Soweit der Vertrag auch ohne die Verfallsklausel bestehen bleiben kann und diese weder eine Vertragsbedingung noch das entscheidende Motiv für den Abschluss des Geschäftes war, liegt nur 15 Tratnik in Juhart et al., Stvarnopravni zakonik s komentarjem (2004), Anm. 3 zu Art 132, Seite 603. 16 Urteil II Ips 260/99 vom 16.12.1999; in Österreich: OGH SZ 35/129. 17 In Österreich: Hofmann in Tummel, Kommentar zum Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch, 3. Auflage (2002) § 1371 Rz 3. 18 Varanelli, Fiduciarni posel, Pravna praksa 26/2002, 18; in Österreich: Hofmann in Rummel, Kommentar zum Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch, 3. Auflage (2002) § 1371 Rz 4. 357 VILFANOV SPOMINSKI ZBORNIK Teilnichtigkeit vor. Der davon nicht betroffene Teil des Vertrages bleibt dam! grundsätzlich in Kraft.19 20 Bei der Beurteilung, ob teilweise oder gänzliche Nichti keit des Vertrages vorliegt, ist ist aber der Inhalt des gesamten Rechtsverhältni zu berücksichtigen. 2.4 Verhältnis zwischen Abrede im Pfandvertrag über Verkauf zu Marktpreis und Verwertungsbestimmungen? Aus einem Gegenschluss zum österreichischen § 1371 ABGB (zu den Worten »im voraus bestimmter Preis«) könnte sich ergeben, dass — alternativ zur notwendigen gerichtlichen Feilbietung gemäß § 461 ABGB — zwischen den Parteien die außer gerichtliche Pfandverwertung vereinbart werden könnte, nachdem die Regeln über den automatischen Verfall des Pfandes nach Fälligkeit der besicherten Verbind­ lichkeit nicht mehr gelten. Relevant ist dies bei der Verwertung unbeweglicher Sa­ chen, für welche § 461 ABGB die gerichtliche Verwertung vorsieht. Dies war in Österreich lange Zeit unklar. Holzner20-. »Diese Unklarheit ist so alt wie das ABGB selbst.« Klärung sollte JMV RGBl 1860/212 geben, die anordnete dass der Hypothekargläubiger — unabhängig von einem Gegenschluss zu § 1371 ABGB — seine Forderung gerichtlich nur mittels Klage geltend machen könne. Diese Bestimmung fiel in Österreich dem Bundesrechtsbereinigungsgesetz 21 zum Opfer, das die Bestimmung aufhob (ohne weiterführende inhaltliche Begrün­ dung). Hoi^ner22 23 neigt dazu, den Grundsatz des JMV kontinuierlich weiterzu­ schreiben, und nicht daraus schließen zu wollen, dass nunmehr von § 461 ABGB abweichende Verwertungsvereinbarungen gewollt sein sollten. Wie wäre die Situation in Slowenien? Grundsätzlich gilt auch hier die gerichtli­ che Verwertung dinglicher Sicherheiten an Liegenschaften (Artikel 153 des Sa­ chenrechtsgesetzbuches). Bewegliche Sachen können auch im Wege des außerge­ richtlichen Verkaufs verwertet werden. Die alternative Verwertung eines Pfandgegenstandes durch entsprechende Vereinbarung nach Fälligkeit könne — so Varanelli2 — auch als Hingabe an Zah- lungs Statt (gemäß Artikel 283 des Schuldgesetzbuches) stattfinden. ME ist dies 19 "[ratnik in Juhart et al., Stvarnopravni zakonik s komentarjem (2004), Anm. 2 zu Art 132, Seite 603. 20 ttobner, Praxisfragen dinglicher Kreditsicherheiten, Eine Rechtsprechungsanalyse, Österreichisches Ban ­ karchiv 12/04, 944 ff. 21 Bundesgesetz zur Bereinigung der vor 1946 kundgemachten einfachen Bundesgesetze und Veror ­ dnungen (Erstes Bundesrechtsbereinigungsgesetz — 1. BRBG). 22 Hobner Praxisfragen dinglicher Kreditsicherheiten, Eine Rechtsprechungsanalyse, Österreichisches Ban ­ karchiv 12/04, 945. 23 Varanelli, Prenos lastninske pravice v zavarovanje, Podjetje in delo 6/2005, 1355. 358 MARKUS BRUCKMÜLLER: DIE LEX COMMISSORIA IN DER SLOWENISCHEN JURISTISCHEN PRAXIS eine auch schon vor Fälligkeit des Pfandrechts gegebene Möglichkeit, nachdem durch die Überlassung an Zahlungs Statt die Verbindlichkeit getilgt wird.24 2.4 Bestimmungen über Verwertung kaufmännischer Pfänder als Richtlinie für die Auslegung der Zulässigkeit oder Unzulässigkeit vertraglicher Abreden zu Pfandverträgen? In Österreich ist die Auffassung herrschend, dass die zwingenden Regeln für kaufmännische Pfänder (Art 8 Nr 14 EVHGB) als Richtlinie bei der Beurteilung der Zulässigkeit einer vertraglichen Verfallsklausel gelten können, und zwar bei der Beurteilung der Frage, ob der Pfandgläubiger bei der Pfandverwertung Will­ kür übt.25 26 Die Bestimmungen des Art 8 Nr 14 EVHGB regelten (bis zum Inkrafttreten des Unternehmensgesetzbuches) die Verwertung verpfändeter Sachen im Frei­ handverkauf. Bedingung für diese erleichterte Verwertung ist/war, dass ein bei­ derseitiges Handelsgeschäft vorhegt und dass Gegenstand des Pfandrechtes be­ wegliche Sachen sind. Nachdem das slowenische Schuldrecht weder die Generalklausel des § 1371 Abs 1 Satz 1 ABGB kennt noch das Tatbestandselement der Willkür in Art 132 des Sachenrechtsgesetzes erwähnt ist, scheint es für das slowenische Recht nicht angebracht zu sein, die Bestimmungen mit Verweisen auf die Verwertung kauf­ männischer Pfänder auszufüllen. Die Grundsätze für die Verwertung verpfändeter Sachen sind wie folgt: 2.4.1 Verwertung der verpfändeten Sache Bei der Verwertung der verpfändeten Sache unterscheidet das Gesetz zwi­ schen der Verwertung beweglicher und unbeweglicher Sachen. a) Bei beweglichen Sachen ist der freihändige Verkauf zum Markt- oder Bör­ sepreis oder die Verwertung in außergerichtlicher oder gerichtlicher Versteigerung zulässig, wenn die Parteien dies vereinbaren. Bei Verträgen zwischen Wirtschafts­ subjekten wird die Vereinbarung über den Freihandverkauf der verpfändeten be­ weglichen Sache vermutet (Artikel 167 Abs 1 des Sachenrechtsgesetzbuches). Bei dieser Regelung stellt sich die Zweifelsfrage, ob der freihändige Verkauf ei­ ner beweglichen Sache möglich ist, wenn diese weder einen Markt- noch einen Börsepreis aufweist. Die slowenische Kommentarliteratur ist hier nicht eindeu- 24 Ebenso in Österreich: Hofmann in Bummel, Kommentar zum Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch, 3. Auflage (2002) § 1371 Rz 3. 25 Hofmann in Bummel. ABGB3 § 1371 Rz 4; Frofy Kreditsicherung 121; RdW 1987, 324. 26 Berden in ]ubart et al., Stvarnopravni zakonik s komentarjem (2004), Anm. zu Art 167, Seite 730. 359 VILFANOV SPOMINSKI ZBORNIK Klar fällt die Beantwortung dort aus, wo Pfandgegenstand beispielsweise Akti en eines börsenotierten Unternehmens sind. Eindeutig ist die Antwort auch dort wo eine Warenbörse existiert, die einen Börsepreis für die verpfändeten Sachen festlegt. Fraglich ist aber, ob für Pfandgegenstände, für die ein (institutionalisier ter) Markt nicht besteht, ein Freihandverkauf zulässig ist. Meines Erachtens ist eine weite Auslegung angebracht. Sachen, die Gegenstand des rechtlichen Verkehrs sein können, und für die ein zumindest feststellbarer Marktwert besteht, sollten dem Freihandverkauf zugänglich sein. Auch die Be­ rücksichtigung der Interessen des Pfandschuldners kann für die freihändige Ver­ wertung sprechen: Es kann ja umso mehr auch im Interesse des Pfandbestellers sein, dass der Pfandgläubiger sich aus der verpfändeten Sache befriedigt, insbe­ sondere wenn der Pfandschuldner nicht über ausreichende Barmittel verfügt, und durch eine günstige Verwertung die Schuld des Schuldners entsprechend getilgt oder zumindest reduziert wird. Dem Schutzbedürfnis des Schuldners kann inso­ weit Rechnung getragen werden, als der Marktwert durch einen Gutachter festge­ stellt wird. Im Rechtsvergleich enthält § 1221 des deutschen BGB eine ähnliche Bestim­ mung wie Artikel 167 des slowenischen Sachenrechtsgesetzbuches. Bedingung für den Freihandverkauf ist in Deutschland, dass für den zu verwertenden Gegen­ stand tatsächlich ein Markt- oder Börsepreis besteht. Der Freihandverkauf ist nicht zulässig, wenn nicht zumindest ein Marktpreis besteht.27 b) Bei unbeweglichen Sachen ist ein Freihandverkauf nicht vorgesehen. Sie werden durch gerichtliche Versteigerung verwertet. Die Verwertung erfolgt zwin­ gend im Wege der gerichtlichen Verwertung durch (gerichtliche) Versteigerung. Der Pfandgläubiger befriedigt sich aus dem Veräußerungserlös und ist verpflich­ tet, den Betrag, der den Betrag der fälligen Schuld des Pfandschuldners über­ schreitet (Hyperocha) herauszugeben. In Slowenien werden Pfandverträge üblicherweise in Form unmittelbar voll­ streckbarer Notariatsakte abgeschlossen (siehe Art 4 Notarsgesetz; Art 142 Sa­ chenrechtsgesetzbuch; Grundbuchsgesetz; Exekutionsgesetz). Der Vorteil des Abschlusses eines unmittelbar vollstreckbaren Notariatsaktes liegt unzweifelhaft darin, dass der Pfandgläubiger bei Fälligkeit nicht zuerst eine gerichtliche Klage einzubringen hat, und erst nach erfolgreicher Prozessführung einen Vollstrek- kungstitel erwirkt, sondern dass schon aufgrund des Notariatsakts direkt auf die Pfandsache vollstreckt werden kann. 27 Für Deutschland: Vergleiche Palandt, BGB § 1221 Rz 1). 360 MARKUS BRUCKMÜLLER: DIE LEX COMMISSORIA IN DER SLOWENISCHEN JURISTISCHEN PRAXIS 2.5 Sonderfall Sale and lease-back In der Praxis werden noch weitere Formen von Kreditsicherheiten angewandt, die nicht dem klassischen Pfand entsprechen, aber die gleichen Wertungsfragen aufwerfen. Eine solche Art der Sicherheit ist das Sale and lease back, bei dem der Finan­ zier (die Leasinggesellschaft) die zu finanzierende Sache erwirbt, und an den Lea­ singnehmer zurückvermietet, der die Sache verwendet und dafür Entgelt in Form von Leasingraten leistet. Nach Ablauf der Leasingdauer hat der Leasingnehmer häufig die Option, die geleaste Sache zu einem bestimmten Restwert zu erwer- ben. Die Praxis wendet die Bestimmungen über verbotene Vertragsklauseln beim Pfandvertrag analog auf Sale and lease back Konstruktionen an. Nachdem das Leasing in Slowenien gesetzlich nicht explizit geregelt ist, gelten aufgrund der Judikatur28 29 für das Leasing in Slowenien die Regeln des klassischen Zivil- und Wirtschaftsrechts. Sieht der Leasingvertrag die Möglichkeit des Ver­ kaufs der geleasten Sache vor, so übernimmt der Leasingvertrag die Charakteristi­ ka eines Kaufvertrags, für welchen dann die schuldrechtlichen Bestimmungen für den Ratenkauf oder den Kauf unter Eigentumsvorbehalt gelten. Enthält der Lea­ singvertrag mehrere Elemente, so gelten für die Beurteilung ihrer Wirksamkeit die entsprechenden anderen Regeln des Zivil- und Wirtschaftsrechts.30 Beim Finanzierungsleasing ist - wirtschaftlich gesehen - der Leasinggegen­ stand als Sicherheit für die Gewährung der Liquidität anzusehen. Der Leasingge­ ber hat typischerweise kein Interesse, den Leasinggegenstand endgültig für sich zu behalten. Typischerweise hat der Leasingnehmer nach Ablauf der Leasingdauer die Option, den Leasinggegenstand zu einem bestimmten Restkaufpreis zu er­ werben. Problematisch wird der Fall dann, wenn der Leasingnehmer von der Option keinen Gebrauch macht. Sehen die Vertragsbedingungen vor, dass der Leasingge­ ber die Differenz zwischen dem vereinbarten Restwert und einem höheren Ver- kehrswert nicht herausgeben muss, so ist darin — analog Artikel 132 des Sachen­ rechtsgesetzbuches (für Österreich: § 1371 Satz 2 ABGB) — eine verbotene Ver­ fallsklausel zu erblicken. Nachdem beim Sale and lease back Geschäft der Siche­ 28 Für Österreich: C^ermak, Das Besitzkonstitut beim Sale- and lease-back Verfahren, Österreichisches Bankarchiv 4/87, 232 ff. 29 Urteil des Obersten Gerichtshofes RS, Ips 404/99, vom 29. 03. 2000. 30 Prelesnik, Najpomembnejše pogodbene klavzule pri leasing pogodbi v praksi, v V. Posvetovanje: Aktual ­ na pravna vprašanja gospodarskih poslov, Rogaška Slatina 22. do 24. maj 1997. 361 VILFANOV SPOMINSKI ZBORNIK rungszweck im Vordergrund steht, ist die Grundlage für eine Analogie zu den entsprechenden Bestimmungen zum Pfandvertrag gegeben. 3. Entscheidung des slowenischen Obersten Gerichtshofes in der Sache »Orion« im Jahr 2004 Der Oberste Gerichtshof hatte sich in der Sache II Ips 427/2003 (»Orion«) mit einer Sache zu befassen, in der die oben abstrakt erörterten rechtlichen Fragen anhand eines praktischen Falles beleuchtet werden können. 3.1 Sachverhalt Der Zweitkläger hatte sich bei der erstbeklagten Partei, der Leasinggesellschaft Orion Ltd. d.o.o. (»Orion«) um die Erteilung eines Kredits beworben. Nach län­ geren Verhandlungen stimmte Orion der Erteilung des Kredits zu, jedoch nur in der Form verbundener Kaufverträge. Die Kläger, die Miteigentümer zweier Grundstücke waren, verkauften diese mit Kaufvertrag vom 24. 6. 1999 an Orion um einen Kaufpreis von DM 151.420. Gleichzeitig mit dem Abschluss dieses Vertrages erteilten die Kläger dem Zweitbeklagten, der zu diesem Zeitpunkt Angestellter bei Orion war, eine Voll­ macht, die ihn ermächtigte, im Namen und auf Rechnung der Vollmachtgeber mit Orion einen Kaufvertrag und einen Kaufvertrag mit Eigentumsvorbehalt, einschließlich eines unmittelbar vollstreckbaren Notariatsakts für die kaufgegen­ ständlichen Grundstücke abzuschließen. Am 15. 7. 1999 wurde der zweite Kaufvertrag (in Form eines Notariatsakts) abgeschlossen, mit dem zwischen der erstbeklagten Partei als Verkäuferin und den Klägern als Käufer ein Kaufvertrag unter Eigentumsvorbehalt vereinbart wurde, mit dem Orion die vertragsgegenständlichen Grundstücke um einen Kaufpreis von DM 151.320 wieder zurückverkaufte. Der Kaufpreis war in 120 Monatsraten von je DM 1.261 zu entrichten und wurde solidarisch von allen drei Klägern ge­ schuldet. Für den Fall der Verletzung der Verpflichtungen der Kläger bestimmte der Kaufvertrag eine Vertragsstrafe in der Höhe von 28% des Kaufjpreises (DM 42.369). Der Kaufvertrag mit Eigentumsvorbehalt enthielt auch eine Aufsandungserklä­ rung (Intabulationsklausel), die die grundbücherliche Einverleibung des Eigen­ tums zugunsten der Kläger genehmigte. Diese war jedoch mit Zahlung des Ge­ samtkaufpreises aufschiebend bedingt, sodass den Klägern die Eintragung ins Grundbuch erst genehmigt war, sobald die letzte Rate bezahlt war. 362 MARKUS BRUCKMÜLLER: DIE LEX COMMISSORIA IN DER SLOWENISCHEN JURISTISCHEN PRAXIS Der Kaufvertrag mit Eigentumsvorbehalt vom 15. 7. 1999 enthielt auch die Be­ stimmung, dass Orion vom Vertrag einseitig zurücktreten kann, wenn die Käufer mit der Zahlung mindestens zweier Monatsraten in Verzug gerieten und die aus­ ständigen Raten nicht binnen 30 Tagen ab schriftlicher Abmahnung bezahlten. Im Fall des Rücktritts vom Vertrag durch Orion musste Orion den Käufern eine allfällige Differenz zwischen der Vertragsstrafe, dem entstandenen Scha­ den und den bereits geleisteten Monatsraten einerseits und dem allfälligen Kaufpreis für die Grundstücke andererseits erstatten, und zwar nach Erhalt des Kaufpreises des anderen Käufers, an den Orion die Grundstücke veräußert. Nach der Bezahlung von 10 Monatsraten geriet der Zweitkläger in Verzug mit der Bezahlung der Raten. Er ersuchte Orion um Stundung. Diese wurde jedoch nicht gewährt. Die Kläger klagten Orion unter anderem auf Nichtigkeit des Kaufvertrages vom 24. 6. 1999 und vom 15. 7. 1999 und machten zusätzlich materiellen Schaden von SIT 717.736 und immateriellen Schaden von SIT 1,5 Mio für jeden Kläger geltend. 3.2 Entscheidung des Obersten Gerichtshofes Der Oberste Gerichtshof stellte in seiner Entscheidung die Nichtigkeit beider Kaufverträge, also des Kaufvertrages vom 24. 6. 1999 und des Kaufvertrages vom 15. 7. 1999 fest und hob die Urteile des Erst- und Zweitgerichts auf, die das Kla­ gebegehren auf Feststellung der Nichtigkeit der beiden Verträge abgewiesen hat­ ten. Der Oberste Gerichtshof begründete seine Entscheidung folgendermaßen: Grundsätzlich stellt der Oberste Gerichtshof fest, dass sogenannte »fiduziari­ sche Rechtsgeschäfte« (im wesentlichen handelt es sich dabei um Sicherungsüber­ eignungen und andere Formen der Kreditsicherheiten) die — vor Inkrafttreten des Sachenrechtsgesetzbuches (Amtsblatt RS, Nr 87/2002) — teilweise nicht explizit geregelt waren, zwar atypische Rechtsgeschäfte sind, aber aufgrund des Grundsat­ zes der Privatautonomie nicht von vorneherein unwirksam wären.31 Gleiche wirtschaftliche Wirkung könne durch den Abschluss anderer, typischer Rechtsgeschäfte erzielt werden. Wie im vorliegenden Fall kann eine kreditsuchen­ de Person mit einer anderen, die bereit ist, einen Kredit zu erteilen, zwei verbun­ dene Verträge abschließen: 31 Zitiert werden OGH-Erkenntnisse VS RS II Ips 522/98 vom 24. 6. 1999, II Ips 493/98 vom 15. 7. 1999 und II Ips 260/99 vom 16. 12. 1999. Siehe auch die zustimmende Besprechung der Entscheidung von Varanelli, Potemkinove vasi fiduciarnih poslov, Pravna praksa 32/2004, 3. 363 VILFANOV SPOMINSKI ZBORNIK Die den Kredit aufnehmende Partei verkauft eine bestimmte Sache (etwa eine Liegenschaft). Sie hat die Sache in Besitz und kauft sie wieder zurück, jedoch wird der Kaufpreis in Raten bezahlt. Mit der Kombination dieser beider Rechtsge schäfte würden die wirtschaftlichen Ziele beider Parteien verwirklicht: Die eine Partei erhält finanzielle Mittel bei der gleichzeitigen Möglichkeit, die veräußerte Sache weiter zu nutzen, und die andere Partei verdient an den Zinsen für die Fi­ nanzierung und hat gleichzeitig eine dingliche Sicherheit. Wirtschaftlich gehe es daher um eine einheitliche Operation (ähnlich einem »Sale an lease-back«), juri­ stisch handelt es sich aber um zwei selbständige Verträge. Der wirtschaftliche Effekt der verbundenen Geschäfte kann auch weiter ge­ hen. Der Partei, die finanziert, ermöglichen sie nämlich, eine Sache zu erhalten die mehr wert ist als die Höhe der offenen Forderung; die finanzierte Partei ver­ pflichtet sich im vorhinein, das Eigentumsrecht an der Sache endgültig zu verlie­ ren, wenn sie ihre Verpflichtungen nicht erfüllt. Ein solches wirtschaftliches Ziel widerspreche der Verbot der lex commissoria (Artikel 69 des Gesetzes über die grundlegenden eigentumsrechtlichen Verhältnisse, Artikel 973 des Gesetzes über die Schuldverhältnisse — ZOR), beziehungsweise dem Zweck dieses Verbotes. Sowohl die lex commissoria als auch die geschilderte Kombination der Rechtsge­ schäfte hätten nämlich ein gemeinsames Element: Den Übergang des Eigentums­ rechts an einer Sache auf den Gläubiger, wenn der Schuldner seine Verpflichtung nicht erfüllt (der Unterschied sei nur, dass im Fall der Hypothek der Gläubiger erst Eigentümer der Pfandsache werde, während der Gläubiger im Fall der Kombi­ nation von Kauf und Verkauf Eigentümer bleibe). Die rechtlichen Instrumente sind verschieden, der wirtschaftliche Zweck der gleiche.32 Genau dies sei hier we­ sentlich. Denn das gleiche ökonomische Ziel, Aufnahme eines Kredites unter gleichzeitiger weiterer Nutzung der Sache, die dem Kreditgeber als Sicherheit ge­ geben wird), ist auch mit anderen juristischen Mitteln erreichbar (zB mit einer Hypothek). Bei einer Kombination von Kauf und Verkauf kann aber die gleiche Konsequenz erzielt werden wie bei der verbotenen Verfallsklausel, nämlich dass die — wertvollere — Sache im Fall des (auch nur teilweisen) Verzugs mit der Rück­ zahlung zugunsten des Gläubigers verfällt. Die Folgerung des Obersten Gerichtshofes lautet, dass die rechtliche Operati­ on des Kaufs und des gleichzeitigen Rückverkaufs nur dann gültig ist, wenn bei ihr die Möglichkeit der Umgehung des Schutzzwecks des Verbots der lex commisso­ ria ausgeschlossen ist. Dies sei aber nur dann der Fall, wenn der Vertrag Klauseln enthalte, die das Ziel des Verbots der Verfallsklausel wahren, nämlich den Schuldner vor der Will­ 32 Der Oberste Gerichtshof zitiert Varanelli. Operacija »Sale and lease back«, Pravna praksa 35/2002, б. 364 MARKUS BRUCKMÜLLER: DIE LEX COMMISSORIA IN DER SLOWENISCHEN JURISTISCHEN PRAXIS kür zu bewahren, dass der Gläubiger eine Sache erhalten würde, die mehr wert wäre als die noch offene Forderung/3 Solche Schutzklauseln regeln, dass der Gläubiger das Eigentumsrecht an der Sache behalten kann, nachdem ein Dritter die Sache bewertet hat (etwa ein beeideter Sachverständiger oder auf Grund einer bestehenden Preisliste bei Fälligkeit bzw. auf Grund eines Marktpreises), und der Gläubiger dem Schuldner eine allfällige Differenz zwischen der offenen Forde­ rung des Wertes der Sache herauszugeben hat. Bei Klauseln, die eine endgültige Übertragung des Eigentumsrechts auf den Gläubiger für den Fall regeln, dass dem Schuldner die Zahlung der geschuldeten Raten nicht gelingt, und die Differenz nicht ausbezahlt wird, ist der Missbrauch offensichtlich: Solche Vereinbarungen erfüllten alle Zeichen einer verbotenen Verfallsklausel. Im vorliegenden Fall seien beide Rechtsgeschäfte als Teile eines einheitlichen rechtlichen Vorgangs zu werten. Nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes müssten die beiden verbundenen Rechtsgeschäfte, um sie als wirksam anzusehen, eine der oben beschriebenen Klauseln enthalten, um den Schuldner vor den negativen Auswirkungen einer Verfallsklausel zu schützen — dies gelte insbesondere vor dem Hintergrund der sehr kritischen finanziellen Situation des Kreditnehmers. Der Oberste Gerichtshof befasst nicht sehr eingehend mit der Vertragsklausel, dass »der Verkäufer den Käufern [im Fall des Rücktritts vom Vertrag] eine allfällige Dif­ ferenz ^wischen der Vertragsstrafe, dem entstandenen Schaden und den bereits geleisteten Monatsraten einerseits und dem allfälligen Kaufpreis für die Grundstücke andererseits erstatten muss, an den Orion Ltd. d.o.o. die Grundstücke veräußert«. Obwohl also das Vertragswerk eine vertragliche Klausel vorsieht, die einen Ausgleich zugunsten der Kreditnehmer vorsieht, genügt dies dem Obersten Ge­ richtshof nicht. Es genügt ihm offenbar auch nicht, dass Orion die Liegenschaft gemäß dieser Vertragsklausel veräußern muss, und dass die Liegenschaft nicht — wie bei der lex commissoria vorgesehen — zugunsten Orions verfällt. Der Oberste Gerichtshof sieht diese Klausel also allen diesen Bedenken zum Trotz (und abweichend von der Meinung des Höheren Gerichts in Ljubljana), als nicht ausreichend an, um einen Missbrauch des Gläubigers hintanzuhalten. Denn die Klausel erwähne zwar den Verkauf, verpflichte aber den Gläubiger nicht, den Kreditnehmern die Differenz zwischen dem Preis, zu dem diese die Liegenschaft an den Gläubiger veräußert hatten sowie den bis zur Veräußerung an einen Dritten aufgelaufenen Zinsen von 12,25% p.a., einerseits, und andererseits dem Preis, den der Dritte für den Erwerb der Liegenschaften zu bezahlen. * 33 Der Oberste Gerichtshof zitiert Varanelli, izigravanje zakona s pogodbo, Pravna praksa 26/2000; Vara­ nelli, Fiduciarni posel, Pravna praksa 26/2002. 365 VILFANOV SPOMINSKI ZBORNIK Die beiden Verträge seien daher nichtig. In einem obiter dictum stellt der Oberste Gerichtshof überdies fest, dass bei Lie genschaften ein Eigentumsvorbehalt nicht zulässig sei, weil das Grundbuchsgesetz einen solchen nicht vorsehe.34 Weiters stellt der Oberste Gerichtshof fest, dass der Mitarbeiter des Gläubi gers, der den zweiten Kaufvertrag auf Grund der von den Kreditnehmern erteil ten Vollmacht unterzeichnet hatte, seine Vollmacht nicht überschritten hatte 3.3 Gedanken zur Entscheidung 3.3.1 Die Entscheidung in der Sache Orion war zur Zeit ihrer Veröffentlichung im Jahr 2004 medial sehr präsent. Ihr Inhalt, die Gründe und die möglichen Kon­ sequenzen beschäftigten zur damaligen Zeit die juristische Profession intensiv.35 3.3.2 Dem Ergebnis, dass die beiden gleichzeitig — beziehungsweise innerhalb knapper Zeitabstände abgeschlossenen — Kaufverträge Teile eines einheitlichen Rechtsgeschäftes sind, kann mE im Ergebnis zugestimmt werden. Die Parteien hatten die Konstruktion gewählt, die inhaltlich gesehen einem einheitlichen Rechtsgeschäft entspricht. 3.3.3 Es muss aber doch kritisch untersucht werden, ob die Begründung des Obersten Gerichtshofes, die zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts führt, und die Berufung auf die lex commissoria, im vorliegenden Fall tatsächlich stichhaltig sind. Wir rufen uns wieder in Erinnerung, wie das Verbot der lex commissoria im slo­ wenischen Sachenrecht lautet: Verboten ist eine Vertragsklausel, aufgrund welcher eine verpfändete Sache bei Fälligkeit zugunsten des Pfandgläubigers verfällt, und eine Vertragsklausel, aufgrund welcher die Pfandsache nach Fälligkeit zu einem im vorhinein bestimmten Preis veräußert wird. Offenkundig sind beide Tatbestand­ selemente aber im vorliegenden Fall nicht erfüllt: Weder würde die Pfandsache zugunsten Orion verfallen, noch wird die Pfandsache zu einem im vorhinein be­ stimmten Preis veräußert. Selbst wenn der Oberste Gerichtshof — unter Anwendung einer weiten, an Zweck und Telos der Vorgängerbestimmung, nämlich des österreichischen § 1371 ABGB angelehnten — Interpretation in einzelnen Klauseln eine unzulässige Abre­ de sieht, so müsste zuerst überprüft werden, ob wirklich eine gänzliche Nichtig- 34 Dieses Argument erscheint nicht ganz stichhaltig, weil die bloße Nichtregelung eines Bereiches im Grundbuchgesetz nicht automatisch bedeuten kann, dass ein Eigentumsvorbehalt bei unbeweglichen Sa ­ chen nicht möglich sei. Nach derzeit geltendem Recht (Artikel 63 des Sachenrechtsgesetzbuches) ist explizit die Vereinbarung von Eigentumsvorbehalten nur für bewegliche Sachen zulässig. 35 Siehe etwa Varanelli, Potemkinove vasi fiduciarnih poslov, Pravna praksa 32/2004, 3. 366 MARKUS BRUCKMÜLLER: DIE LEX COMMISSORIA IN DER SLOWENISCHEN JURISTISCHEN PRAXIS Feit des gesamten Geschäfts, oder doch bloß eine Teilnichtigkeit vorliegt. Die präge kann an dieser Stelle nicht endgültig beantwortet werden, nachdem der der Sachverhalt möglicherweise nicht zur Gänze im Urteil des Obersten Gerichtsho­ fes wiedergegeben ist. 3.3.4 Nachdem aber die Konstellation und das Geschäft an sich bedenklich scheinen, ist zu untersuchen, ob das Rechtsgeschäft aus anderen Gründen teilwei­ se oder zur Gänze nichtig sein könnte. Auffällig sind insbesondere die hohen fi­ nanziellen Verpflichtungen der Kreditnehmer aus dem Titel der Vertragsstrafe in der Höhe von 28% des Kreditbetrages für den Fall des Verzugs. Eine Vertragsstrafe kann allerdings für in Geld bestehende Verbindlichkeiten nicht wirksam vereinbart werden (Art 247 Abs 3 des Schuldgesetzbuches (neu) - Art 270 Abs 3 des Schuldgesetzbuches (alt)).36 Die Klausel über die Vertragsstrafe ist daher nichtig. Aufgrund des Art 88 des Schuldgesetzbuches (Art 105 des Schuldgesetzbuchs — alt) müsste das Rechtsge­ schäft aber deswegen nicht gänzlich wegen Nichtigkeit entfallen, sondern spre­ chen Gründe für eine Teilnichtigkeit: Teilnichtig ist ein Rechtsgeschäft dann, wenn es auch ohne die nichtige Klausel aufrecht bleiben kann und wenn die nich­ tige Klausel nicht Vertragsbedingung oder entscheidendes Motiv für den Ab­ schluss des Vertrages war.37 Wenn sich noch weitere nichtige oder sittenwidrige Elemente des Rechtsge­ schäftes ergeben würden — der Sachverhalt war dazu im Urteil des Obersten Ge­ richtshofes nicht ausreichend genau geschildert — so könnte dies zu einer Beur­ teilung des Rechtsgeschäftes als zur Gänze nichtig führen. Zu denken wäre hier etwa an einen Missbrauch der Vertretungsmacht aufgrund der ausgestellten Voll­ macht, auf Elemente von Willensmängeln und dergleichen. Bei alldem ist aber auch der Umstand zu beachten, dass der zweite Kaufvertrag in Form einer öffent­ lichen Urkunde, also eines Notariatsaktes, abgeschlossen war. Mit diesem Um­ stand beschäftigte sich der Oberste Gerichtshof nicht; die Entscheidung, einen von einem mit öffentlichem Vertrauen ausgestatteten Notar aufgesetzten und von diesem beurkundeten Vertrag für nichtig zu erklären, hätte weitergehende Erläute­ rung erfordert. 36 Cigoj, Komentar obligacijskih razmerij — Veliki komentar Zakona o obligacijskih razmerjih, Band II. (1984), Anm. IV zu Art 270, Seiten 967 f. 37 Ein ähnliches Ergebnis schlägt Varanelli, Potemkinove vasi fiduciarnih poslov, Pravna praksa 32/2004, 3, vor. 367 VILFANOV SPOMINSKI ZBORNIK 4. Konsequenzen der Entscheidung »Orion« Die Entscheidung Orion führte zu einer weitgehenden Verschärfung sowohl einzelner Gesetze, insbesondere des Notarsgesetzes und zur Verabschiedung ei­ nes neuen Gesetzes über Verbraucherkredite. In der juristischen Praxis war auch zu bemerken, dass die slowenischen Notare nach Veröffentlichung der Entscheidung begannen, die von ihnen zu beurkun­ denden Dokumente besonders genau durchzusehen (und manchmal auch kriti­ scher zu sein als wahrscheinlich notwendig). Literatur Bežek, Božidar und Regally, Fran (Übersetzung): Občni državljanski zakonik z dne 1. junija 1811, štev. 946 zb.p.z. v besedilu treh delnih novel. Ljubljana: Tiskovna zadruga, 1928. Cigoj, Stojan: Komentar obligacijskih razmerij — Veliki komentar Zakona o obligacijskih razmerjih, Band IV. Ljubljana: Uradni lis SR Slovenije, 1986. Czermak, Constanze: Das Besitzkonstitut beim Sale- and lease-back Verfahren, Österreichisches Bankarchiv 1987. Friedmann, E./Sandig, Arthur/Wach, Josef (Hrsg): Das österreichische Recht, Band 2. Wien, Berlin, Leipzig, Stuttgart, Bong, 1905. Frotz: Kreditsicherung 121, RdW, 1987. Hofmann in Rummel, Kommentar zum Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch, 3. Auflage, 2002. 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