preis ganzjährig: Österreich 2-50 8, Deutschland 2 Mark. Italien 8 lüire, Ungarn 2'50 pengö, Dschechoslomakei 12 cK, Jugoslawien 25 Dinar, Schweiz 2*50 Franken, übriges Ausland 2 Soldmark. Unser Reiliger Vater pius XI. hat wie schon früher papst pius X. der 'Redaktion, den Abonnenten und Wohltätern den Apostolischen Segen erteilt. Für Wohltäter werden wöchentlich zwei heilige Messen gelesen. M t Empfehlung der hochwürdigsten Oberhirten von Srixen, Grünn, ©raz, Ueitmeritz, lüinz, Olmütz, Marburg, Drient, Driest und Wien. Fiest 2. Februar 1929. XXXII. Jahrgang. £ltern, mas soll euer Sohn tverden? „Vater, Mutter, ich möchte etwas lernen, möchte studieren!" So ruft mancher talentvolle Knabe seinen Eltern zu, manchmal laut und mit Worten, manchmal ohne Worte, aber sichtbar durch die Anzeichen, welche auf Beruf schließen lassen. Nachdenklich und zögernd steht ihr vor dieser Bitte. Und ich glaube, ihr habt dafür gute Gründe: ihr seid vielleicht wenig bemittelt, müßt die Kreuzerlein wohl etliche Male umdrehen, bevor ihr sie ausgebt. So ein Studium aber kostet ein halbes Vermögen, besonders das Studium an einer Hochschule. Ihr habt euch vielleicht seit langem Mühe gegeben, habt euern Buben gut erzogen und wie ein Kleinod gehütet; freilich, da könnt ihr ihn nicht ohne bange Sorge für seine Seele in die Studien ziehen lassen. Manche eurer Verwandten und Bekannten raten vom Studieren ab; die Welt sei heutzutage ohnehin schon mit studierten Leuten überfüllt; es gäbe so viele „Gelehrte" und Halbgelehrte auf Gottes weiter Welt, die ohne feste Stellung, ohne ausreichendes Einkommen mit Geieraugen auf einen sreiwerdenden Posten warten. Besorgter Vater, treubesorgte Mutter! Ja fürwahr, du hast gute Gründe, dir die Berufswahl deines Sohnes gründlich zu überlegen. Wärest du nicht froh, wenn dir da einer mit einem guten Rat aus der Verlegenheit helfen wollte? Ich kenne einen Beruf, bei dem würden alle deine Bedenken wie Schnee vor der Sonne verschwinden. Er wird dir und deinem Sohne sicher zusagen, wenn ihr ihn nur einmal richtig erkannt habt. Der Beruf, den ich meine, ist nicht überfüllt; er birgt keine Gefahren für die Seele deines Kindes; dabei helfen dir Gott und gute Menschen, das nötige Geld für das Studium aufbringen. Dieser Beruf ist der Missionsberuf. Dein Bub soll also Missionär werden. Ja, Missionär. Ein schöner Beruf, gelt, wenn statt der zwei „f" zwei „l" im Worte stünden. Dann würdest du nicht lange zögern. Aber die zwei „s" stören dich. Nun, so denke doch einmal ein bißchen nach. Missionär sein, meinst du, heißt ein Leben voll von Gefahren und Opfern führen. Zudem trägt es nicht viel ein, haft du dir immer sagen lassen. Doch, diese Voraussetzung stimmt nicht so ganz. Du kennst eben nur die rauhe Seite des Missionslebens. Wie wär' es, wenn wir 1 einmal mitsammen die schöne Seite ein wenig uns anschauen wollten. Ich wette, du wirst nachher anderer Meinung sein. Das Leben eines Missionärs isti ein gar trübseliges, meinst du. Doch nein, der Missionär hat gar keine Zeit, trüb-- ; Welt, über Land und Meer, durch Urwälder und Steppen; er sieht Land und Leute, lernt die Sitten und Gebräuche fremder Völker kennen. Dabei hat er Gelegenheit, Studien und Forschungen zu machen, was andere Leute nicht können. Der Missionär erwirbt sich so Kennt- Der Melonenbaum oder die Papaye ist auch ein Kraulbaum. Man kann mit einem Messer den ganzen Siamm durchschneiden. Leider sieht man auf dem Bilde die ichöne Blälterkrone nicht. Diese Früchte kommen selten nach Europa und es ist auch gerade nicht arg schade darum; sie haben ein sehr saftiges Fleisch, das man wohlschmeckend nennen kann, aber satt wird man nich> davon. Wenn der Saft in Milch kommt, dann gerinnt sie, frisches Fleisch, das man darin kocht, wird schnell weich; auch dient die Frucht als Wurmmittel. Die Früchte sitzen eng beisammen am Stamm, wo die Blätterkrone beginnt. selig zu sein. Seine Berufsarbeiten nehmen ihn vollauf in Anspruch. Er hat auch keinen Grund, trübselig zu sein. Er braucht nicht tagaus, tagein dieselbe geisttötende Arbeit zu verrichten wie dieser Fabriksarbeiter oder jener Büroschreiber. Sein Berus fesselt ihn nicht an die dumpfe Fabriksluft oder an die Enge einer Schreibstube. Nein, er zieht hinaus in die nisse von überaus hohem Werte, Kenntnisse, die man auf der Schulbank oder in der Studier-stnbe überhaupt nicht bekommt. Und wenn dann auch schwere Tage über ihn kommen, wenn sich düstere Wolken über seinem Haupte sammeln, er läßt sich nicht entmutigen. Er weiß, für wen er arbeitet, für wen er Opfer bringt. Er weiß, Christus, der ihn zu den Heiden gesandt hat, Stern der Neger 19 Heft 2 steht ihm bei. Er weiß, daß einer alle seine Schweißtropfen zählt und alle seine Opfer in das Buch des Lebens einträgt mit goldenen Lettern. Durch sein Opferleben erwirbt er sich und dir reichsten Himmelssegen. Nun sag': bringt denn der Missionsberuf nichts ein? Ist Missionär sein nicht besser als Millionär sein? Was helfen einem Säcke voll Dukaten, wenn nach seinem Tode lachende Erben das Geld unter sich verteilen? Kein Kreuzer und kein Pfennig wird ihm hinüber folgen können in die Ewigkeit. Die Schweißtropfen des Missionärs aber sind kostbare Edelsteine vor dem Herrn, mit denen er sich im Jenseits einen herrlichen Himmel erkaufen kann. Das Leben eines Missionärs ist voll von lauter Gefahren, sagst du. Doch höre: im Gegenteil, heutzutage sind dank des Schutzes der europäischen Regierungen die Gefahren von seiten der wilden Tiere und der wilden Menschen nicht mehr so groß. Und wenn es auch die eine oder andere Gefahr mit sich bringt, so frage ich dich: soll man denn nicht, etwas wagen, wo doch das zeitliche und ewige Glück so vieler armer Heiden auf dem Spiele steht? Hast du gar kein Erbarmen mit diesen Ärmsten der Armen, von denen noch 1000 Millionen in Knechtschaft und Todesschatten schmachten, von denen täglich 80.000 durch die dunkle Pforte des Todes in eine bange Ewigkeit hinübertreten. Siehe! Diesen vielen Unglücklichen zu helfen, das ist der Beruf des Bei den Eingebornen, die von der Mozambique-Kolonie in großer Zahl in die hiesigen Industriegebiete kommen, ist ein Musikinstrument sehr beliebt, das ich einem rohgearbeiteten Klavier vergleichen möchte. Es klingt in der Nähe recht hart und durchdringend für ein Missionärs. Er befreit sie vom grausamen Götzenwahn und ihren abscheulichen Lastern und führt sie hin zum lieben Gott. Er bringt den Wilden mit dem heiligen Glauben auch wahre Gesittung und Kultur. Er macht aus herumstreifenden Nomaden seßhafte, arbeitsame Menschen, unterrichtet sie in Feldbau und Handarbeit. Er entreißt ihrer Faust die mörderische Keule, den blutigen Spieß und Speer und legt statt dessen in ihre Hand die Waffen des Friedens, Kreuz und Rosenkranz. Wenn diese Augen, die einst vor Haß und Stammesrache sprühten, jetzt vor reinstem Seelenfrieden strahlen — wenn diese Herzen, die ehedem Brutstätten vieler Laster waren, sich nunmehr zu dankbarer Gottesliebe emporschwingen — dann wisse: das hat der Missionär getan. Befreit von den Sklavenketten heben die glücklichen Heidenchristen ihre Hände zu Gott empor und danken ihm, daß er ihnen solche Wohltäter sandte. Sie beten auch für die fernen Väter und Mütter in Europa drüben, die ihre besten Söhne als Glaubensboten für sie zum Opfer gebracht. Gelt, jetzt denkst du anders vom Missionsberufe; ich erkenne das aus deiner zufriedenen Miene. Und der Bub neben dir brennt schon vor Erwartung auf deine Antwort. Ja, heute noch entscheide dich und gib Antwort auf die Frage, von der das Glück deines Sohnes und vieler, vieler Heiden abhängt, auf die Frage: Was soll euer Sohn werden? Fr. A. R. Nov. europäisches Ohr, in der Ferne jedoch nicht gar so übel, den Eingebornen hingegen scheint es einen sehr begehrenswerten Ohrenschmaus zu bereiten. Wer Lust hätte, sich ein solches selbst herzustellen, mache es den Schwarzen nach, und zwar in folgender Weise: Das Klavier der €mgeborneru Bon Hochw. P. Josef Angerer, F. S. C. Nimm ein Brett, etwa 1 m lang, 1 cm dick, die linke Schmalseite 15 cm breit, dann gegen die rechte Schmalseite hin allmählich schmäler werdend bis 10 cm. Ziehe vom Halbierungspunkt der linken Schmalseite eine Gerade zum Halbierungspuukt der rechten Schmalseite und bohre längs dieser Linie durch das Brett Löcher, von links nach rechts in immer kleineren Abständen voneinander, links Blechbüchsen mit der Öffnung nach unter über je ein Loch ihrer Größe nach und zeichne den aufliegenden Rand jeder einzelnen derselben in das Brett. Hebe dann die Büchsen weg und schneide nach den erhaltenen Kreisen kleine Vertiefungen ein, so daß die Blechbüchsen darin eingesenkt werden können und fest darin stehen bleiben. Jedes Loch muß genau der Mittelpunkt des umgebenden Kreises fein. Nun senke Das Klavier der Emgebornen. angefangen 10 cm Abstand vom Breitende, das zweite Loch vom ersten 15 cm, weiterhin immer weniger, bis das letzte rechts vom vorhergehenden nur mehr 8 cm und vom rechten Brettrande 10 cm entfernt ist. Die Löcher links haben einen größeren Durchmesser als die folgenden, das erste 15 mm, das letzte 10 mm. Nimm dann so viele leere, zylindrische Blechbüchsen, als Löcher im Brette sind, von verschiedenem Durchmesser und verschiedener Höhe, ähnlich wie Orgelpfeifen (10—15 cm Dnrchmesser, 10—15 cm Höhe). Stülpe diese die offene Seite der Blechbüchsen in die entsprechende Vertiefung und schließe die Verbindungsstelle von Blech und Holz mit irgendeinem haltbaren Klebstoff vollständig dicht ab und befestige die Büchsen int Holz so gut, daß sie nicht herausfallen und sich nicht einmal bewegen können, auch wenn das Brett umgekehrt wird und die Blechbüchsen auf den Boden zu stehen kommen und das Brett tragen müssen. Damit ist der Resonanzboden geschaffen. Darüber muß die „Klaviatur" kommen. Diese wird so hergestellt: Schneide 25 bis 30 Brettchen aus starkem Mahagoniholz so zurecht, daß das erste von links 30 cm lang, 8 cm breit und an den Schmalseiten 6 mm dick ist. Jedes dieser Brettchen ist an der Unterseite ein klein wenig ausgehöhlt, so daß es in der Mitte leicht gewölbt und am dünnsten ist. Jedes rechts folgende Brettchen ist um ein Geringes kürzer, schmäler und dünner als sein linker Vorgänger, bis das letzte etwa 20 cm lang, 5 cm breit und an den Enden 4 mm dick durch die Brettchenreihe gezogen, indem sie abwechselnd beim einen oberhalb, beim nächsten unterhalb durchgezogen wird, in die gemachten Einschnitte eingebettet. Über die Reihe hinaus gelangt, wird die Schnur außerhalb irgendwo festaehalten und ihre übrige Länge über die Tastenreihe wieder zurückgeführt in ähnlicher Weise wie rechtshin, nur daß sie jetzt immer in jene Einschnitte eingelegt und durchgezogen wird, welche das ist. Lege alle diese Brettchen ihrer Größe nach in eine Reihe und laß zwischen je zwei einen kleinen, nach jedem zweiten einen größeren Zwischenraum, dann teile das erste und das letzte der Brettchen mit einem Stift in 4 gleiche Teile und ziehe eine Gerade von dem Merkzeichen des eisten Viertels vom Ende des ersten Brettchens aus über die ganze Reihe hin bis zum ersten Viertelzeichen vom letzten Brettchenende. Dann mache längs dieser Linie einen kleinen Einschnitt in jedes Brettchen. Dasselbe tue auf der Vorderseite der Brettchen im nächsten Viertelzeichen vom vorderen Ende aus gerechnet, und ebenso an der Unterseite jeden Brettchens. So groß seien die Einschnitte, daß ein starker Riemenstrick darin eingelegt werden kann. Eine Riemenschnur wird nun vorigemal nicht belegt worden sind. So wird die Reihe oben und unten festgehalten. Nach jedem zweiten Brettchen wird ein Knoten gemacht in den sich treffenden Schnurteilen. Ebenso verfährt man an der Vorderseite der Brettchen, so daß dieselben nun wie eine zusammenhängende Kette frei aufgehoben werden kann. Diese Tastenreihe verbringt man nun über das Brett, das den Resonanzboden bildet, derart, daß sie gerade über den Löchern zu hängen kommt, etwa 1 cm über denselben. Die Riemenenden werden über Querleisten geführt, die außen an den beiden Enden des Resonanzbrettes angebracht sind, und dort stark verknotet, so daß das Tastenwerk stark gespannt darüber schwebt. Das „Orgelschlagen" kann nun beginnen. Dazu bediene man sich zweier kurzer Stäbe, von der Größe und Form der Schlegel an unseren kleinen Trommeln. Das eine Ende beider Schlegel ist mit einem kugelrunden Knauf aus starkem Gummi versehen. Die Eingebornen bearbeiten diese Klaviatur wie wütend mit beiden Stäben immer zu gleicher Zeit nach links und rechts in raschestem Tempo. Ich konnte dabei keinen besonderen Rhythmus oder auch nur eine klare Melodie heraushören, es schien mir das ganze Spiel nur ein wahlloses Anschlagen verschiedener Töne in wüstem Durcheinander zu sein. Wer weiß, ob nicht doch für den Eingebornengeschmack eine gewisse Gesetzmäßigkeit darin liegt? Was den eigenartigen Klang hervorbringt, der dem an europäische Musik gewöhnten Ohre so fremd und hart erscheint, ist wohl der Umstand, daß auf dem ganzen Tonumfang der Klaviatur kein einziger halber Ton sich befindet, sondern, im Gegensatz zu unserer Skala, jede Taste von der andern einen ganzen Ton (große Sekunde) Intervall ausweist. Die Tasten (nämlich die Skalabrettchen) sind genau nach diesem System zugeschnitten und abgestimmt. Die eben beschriebene Form des Klaviers ist nur eine der kleinsten, die im Gebrauch sind. Es bestehen aber deren eine Unmasse von den verschiedensten Größenunterschieden. Die beschriebene kleine Art ist mehr für den Einzelgebrauch bestimmt. Sie ruht auf einem einfachen hölzernen Fußgestell, so daß der Spieler mit unterschlagenen Beinen, wie die . Sie fragen ferner, wie es mir sonst noch geht. Nun, da bin ich eigentlich in Verlegenheit, Ihnen zwanglos darauf antworten zu können; denn das „sonst" umfaßt sowohl unsere In- wie Umwelt. Von der Jnwelt spricht man nicht gern, und von der Umwelt Türken, bequem vor dem Instrumente sitzen und seine Schlegel hin und her tanzen lassen kann. Man sieht auch jederzeit, wenn die Arbeiter frei sind, an dem und jenem Eck im Hof ihres Quartiers oder mitten im Hof einen Tonkünstler hocken und mit einer Begeisterung an seinem Instrument herumschlagen, daß man unwillkürlich den Eindruck bekommt, er schwelge völlig im Reiche der Töne, wie bezaubert von dem Genusse und wie verloren in den Empfindungen, die der Ton in ihm weckt. Seltsam, daß ich niemals dazu singen hörte, höchstens still vor sich hinsummen. Bei besonderen Anlässen, oder wenn die Arbeitergesellschaft in ausnehmend guter Stimmung ist, stellen die Burschen mehrere Reihen solcher Instrumente zusammen auf, die kleineren vorne, größere hinter diesen, die größten auf hohen Gestellen zu hinterst. Das gibt dann einen „Heidenspektakel", den man weithin hört. Vor und neben diesem Orchester sind dann bei besonderen Gelegenheiten eine Reihe von Burschen ausgestellt, die unter dem Klange der Heidenorgel, umgeben von allerhand buntem Festflitterzeug, im phantastischen, an die alte Kriegerzeit erinnernden Kostüm ihren ungemein beweglichen, zu rasendem Tempo gesteigerten Tanz aufführen. Eine Gruppe der Tanzenden ist bald, gewöhnlich schon nach fünf Minuten, ermüdet und wird von einer anderen abgelöst, die eine andere Tanzart vorzuführen weiß. Erst tief in der Nacht, wenn Spieler und Tänzer sich genug getan haben, hört das Klingen und Schwingen auf und wohltuende, tiefe Ruhe folgt. zu erzählen ist nicht immer ganz harmlos. Der Beobachter hat oft eine grüne Brille auf und sieht dann Stroh für Gras an. Und das hat schon in der Fabel dem Esel das Leben gekostet. Da wir doch bei Stroh und Esel angelangt sind, will ich Ihnen noch kurz etwas mitteilen. Aus einem Grief an den pater "Redakteur. Wir stehen Mitte Mai. Vergessen Sie nicht, daß wir auf der andern Seite des Äquators hausen. Es ist hier Spätherbst. Der kalte Südwind fährt fauchend über die ausgedörrte Steppe und zaust den zitternden Bäumen den letzten Blätterschmuck vom Kopfe. In unserm Garten leistet sich ein alter Apfelbaum den Luxus von einigen Blüten auf dem sonst kahlen Scheitel. Nur der Orangenbaum prunkt mit seinen goldglänzenden Früchten, und hoch oben in der Luft wogt ein Meer schneeweißer Eukalyptusblüten. Das ist aber auch alles, was der Mai zu geben hat. Man kann daher hier im Süden Afrikas nicht singen: „Alles neu macht der Mai". Aber Neuigkeiten bringt er manchmal doch. Leider muß ich Ihnen zum folgenden eine Einleitung schreiben, weil Sie anders die Verhältnisse nicht recht verstehen können. Wie Sie bereits wissen, gibt es hier für den „weißen Mann" drei hauptsächliche Möglichkeiten um voranzukommen. Ich denke dabei nicht au das materielle Vorankommen. Dafür gibt es nur zwei Möglichkeiten: ehrlich oder unehrlich-Böse Zungen behaupten, die letztere führe in Afrika schneller zum Ziele. Für das andere Fortkommen steht ihnen die Eisenbahn, das Auto und das Pferd zur Verfügung. Die Eisenbahn hat den Fehler, daß sie meistens nicht dahin fährt, wohin man selbst zu gehen hat. Das Auto gehört hier zwar nicht zu den Luxusgegenständen, hält aber hartnäckig an alten Traditionen fest. Nicht als ob die hiesigen Autos alte Modelle wären, allein die Preise sind so hoch wie in der Apotheke. So bleibt dann für den armen Missionär vornehmlich das dritte Beförderungsmittel •— der Gaul. Indes — da liegt gerade für mich der Hase im Pfeffer. Auf der Farm haben wir drei Pferde. Eines gehört eigentlich dem Apostolischen Präfekten in Lydenburg. Aber der ist so arm, daß er nicht einmal einen Gaul halten kann. Es ist eine Stute. Von dieser werde ich Ihnen gleich noch etwas sagen müssen, denn sie hat wie alle weiblichen Wesen ihre besonderen Mucken. Diesmal kommt sie für mich nicht in Betracht. Außerdem darf nicht übersehen werden, daß mein Körpergewicht für dieses zierliche, dämliche Ding auch zu groß ist. Im letzten Monat haben wir einen Grauschimmel erworben, der nur gewohnt war, einer Burendame zu dienen. Der arme Kerl ist so mager, daß man alle Rippen zählen kann. Von einem Weideplatz heißt es wohl auch wie so oft in Südafrika: „Viel Steine gab's und wenig Brot." Somit ist auch er nicht geeignet, eine so „gewichtige Persönlichkeit" wie mich zu tragen. Es blieb mir also nichts anderes übrig, als auf den dritten Gaul mich zu wagen. Das Wort „wagen" ist hier ganz am Platz. Nicht daß der „Braune" ein unbändiger Bukephalos wäre, aber er ist so hoch, daß man glauben möchte, wenn man auf ihm sitzt, man befände sich im zweiten Stockwerk. Es ist deshalb auch nicht zu verwundern, daß P. Zorn, sein Herr, in allbekannter Findigkeit einen Eukalyptusbaum niedersägte und nun von dem Baumstumpf aus in den Sattel klettert. Bei mir ging es nun allerdings nicht so einfach zu. Da ich immer bestrebt bin, mit der Praxis auch die Theorie zu verbinden, begab ich mich in den Reitkurs zu P. Schöpf. Sie wissen ja, daß er drei Jahre hindurch Kaplan in den Südtiroler Alpen war und in Ausübung seiner Pflichten oft im Sattel saß. Außerdem weiß er ein Buch auswendig, das den schönen Titel führt: „Mysterien der Hippologie", auf gut deutsch: „Anleitung, wie man nicht vom Gaul purzelt". Ich gestehe Ihnen zu meiner Beschämung, daß ich in dieser Wissenschaft nicht gar große Fortschritte machte. Schon die erste Lektion hatte ihre Schwierigkeiten, als P. Schöpf anfing, folgendermaßen zu dozieren: „Wenn Sie auf ein Pferd steigen wollen, sind vor allem a ch t Punkte zu berücksichtigen." Überrascht fragte ich ihn: „Und wieviel Punkte sind zu beobachten, wenn man herunterfallen will?" In aller Ruhe erwiderte er: „Nur einer; Sie brauchen einfach die Knie nicht an den Sattel zu drücken." Wie recht er hatte, werden Sie weiter unten erfahren. Um es Ihnen aber zu verraten, will ich bekennen, daß dieses ungleiche Verhältnis von acht zu eins mich einstweilen abschreckte. Vorhin habe ich Ihnen auseinandergesetzt, daß es für den „weißen Mann" drei hauptsächliche Bewegungsmöglichkeiten gäbe. Es bleibt mir nur zu erwähnen, daß es noch zwei nebensächliche gibt. Der Anstand und die Damit Sie sich aber keinen falschen Vorstellungen hingeben, will ich etwas deutlicher sein. Die Hauptsache an jedem Wagen sind die Räder. Fehlen sie, so bleibt es beim Schlitten. Nun, mein Wagen hat zwei hohe Räder, die durch eine eiserne Achse miteinander verbunden sind. Vor Jahren war diese Achse nicht zerbrochen und die darüberstehende Feder auch nicht. Doch Zeiten ändern sich. Heute kann man das nicht mehr sagen. Zwischen den Rädern, von denen ich einstweilen nur Gutes sage, ist Meine letzte Fahrt. Achtung vor der weißen Farbe verbietet zwar, daß Sie auf einem gewöhnlichen Esel reiten, deren es hier viele gibt, aber Sie dürfen allenfalls auf einem Wagen fahren, der von Mauleseln gezogen wird oder Sie können zu Fuß gehen. Das letztere ist jedoch hier stark verpönt. Nicht lauge her, sagte zu mir ein guter Freund der Mission in Lydenburg, als er mich auf Schusters Rappen durch die Stadt gehen sah: „Nur Narren und Bettler gehen zu Fuß." Flugs brachte er sein Auto und führte mich heim auf die eine Stunde entfernte Farm. Da die Leute hierzulande mich nicht für einen Bettler halten und ich selbst nicht als Narr gelten will, benütze ich meistens den Wagen zum Fahren. ein Kasten eingebaut mit einem breiten Sitzbrett in der Mitte, so daß unter Umständen vier minderjährige Personen darauf Platz finden können, vorausgesetzt, daß zwei nach vorn und zwei nach hinten schauen und dabei Rücken gegen Rücken stemmen, auf daß sie ihren Sitz behaupten. Dieser Wagen diente einst den Kindern des früheren Besitzers der Farm, um täglich mit zwei wirklichen Eseln den vier Meilen langen Weg zur Schule nach Lydenburg zu fahren. Der Kasten ist also auch nicht mehr neu. Da er aber später noch grün angestrichen wurde, so merkt man nicht auf den ersten Blick, daß die rechte Seite nur noch durch einen krummen Nagel gehalten wird. Die zusammen-- geflickte Deichsel beweist, daß sie zum Ganzen paßt. Sie kennen den Grundsatz der Ästhetik, daß Abwechslung eine Augenweide bedeutet. Dieser Grundsatz gilt auch hier in Afrika, wo es sehr viele Abwechslungen gibt. Wer daher mit mißtraurischem Ärger meinen Wagen betrachtet, wird sofort zufriedengestellt, wenn sein Blick auf mein Gespann fällt. Es sind zwei prächtige Maulesel. Ich setze voraus, daß Sie den Unterschied zwischen Maultier und Maulesel kennen. Beim Maultier ist die Mutter eine Pferdstute und der Vater ein Esel, beim Maulesel ist es umgekehrt. Maulesel sind daher kleiner, zierlicher. Mein Gespann besteht aus einem „er" und einer „sie". Er heißt „Braun", sie „Fuchs". Warum sie nicht Füchsin heißt, weiß ich nicht. Bruder Karl Schmidt hat sie beide aus dem Zustand der Wildheit den Gesetzen des Gehorsams unterworfen. Pater Schöpf hat den Braun noch mit den Künsten des Zirkus bekannt gemacht. Mau kann daher von den beiden alles verlangen, was man sich billigerweise von zivilisierten Eseln erwarten darf. Kurz, es freut mich immer, mit ihnen auszusahren. Und der Wagen! Wenn ich auf der steinharten Straße von Lydenburg dahin fahre, dann rasselt es nicht wie bei einem gewöhnlichen Wagen, sondern es rattert und knattert wie bei einem Maschinengewehr. Der Grund oder vielmehr die Gründe sind mannigfach. Die Radnaben sind ausgelaufen und teilweise mit Blechstücken ergänzt; die Speichen baumeln hin und her; die eisernen Radreifen sind für die eingeschrumpften Holzteile zu weit. Da es nun einmal in Afrika über Stock und Stein gehen muß, so sind diese eisernen Reifen jetzt eher alles andere als rund. Erinnert man sich dabei, daß der Wagenkasten auf einer zerbrochenen Feder ruht, so begreift man gut, daß eine Fahrt in diesem vorsintflutlichen Vehikel leicht den Gedanken an das Vergängliche alles Irdischen aufkommen läßt. Obwohl ich schon im nächsten Monat wieder nach Europa zurück muß und den Lieblingswunsch hege, daß mein Fuhrwerk bis dahin dem zerstörenden Zahn der Zeit widerstehe, meint der besorgte Pater Schöpf immer wieder: „Ich fürchte, daß sich noch vorher auf Kutsche ,Futsche' reimt. Ich bin zwar zuversichtlich; indes — ,Mit des Geschickes dunklen Mächten ist kein ewiger Bund zu flechten.'" (Fortsetzung folgt) DBDS Wilde Runde. QCQP' □ODO Erlebnis in Südwestafrika. □□□Dü Eines Tages im Jahre 1908 ritt ich auf meinem kleinen, dunklen Hengst Zwartboy von meiner Farm ab in den Busch. Am vorhergehenden Tage hatte die Regenzeit mit einem tüchtigen Gewitter ihren Anfang genommen. Ich war daher in heiterster Stimmung, denn die Zeit der wolkenlosen, sonngequälten Dürre hatte in diesem Jahre ordentlich an meiner Geduld gerüttelt. Doch nun war der Regen ja gekommen — in letzter Minute sozusagen vor dem völligen Versiegen der Brunnen; aller Jammer war vergessen, das Leben schillerte in den rosigsten Farben. Mit meinem Ritt ver- band ich natürlich einen besonderen Gedanken; es sollte eine Art Regenfestritt werden. Sein Ziel war ein in der entferntesten Ecke der Farm gelegenes, großes Bley, das, wenn es von den zusammenströmenden Wassern gefüllt war, den Eindruck eines Sees erweckte. Welche Freude der Anblick einer solchen Wasserfläche im Herzen eines Südwestafrikaners zu erwecken imstande ist, kann nur der ermessen, der persönlich die Schrecknisse und Qualen der Dürre dieses Landes erlebt hat. Fröhlich also trabte ich in den hellen, regenfrischen Morgen hinein. Ich nahm zunächst die große nordwärts führende Pad, auf der ich etwa eine Stunde dahinritt. Doch bald begann meine heitere Stimmung sich zu mäßigen, denn ich bemerkte, daß auf diesem Teil der Farm augenscheinlich sehr viel weniger Regen gefallen war als in der Umgebung des Farmplatzes. Der Boden hier schien nur so eben angefeuchtet zu sein und auch das hörte schließlich auf. Das trockene hohe Gras brach krachend unter den Hufen des Pferdes, ringsum der Busch war grau und tot. In schwerer Stimmung ritt ich mechanisch meinem Ziele zu, um festzustellen, ob denn auch dort wirklich keine Spur der belebenden Feuchtigkeit zu finden wäre, obwohl ich mir natürlich sagen mußte, daß daran gar nicht zu denken sei. Doch das hartnäckige, verärgerte Hirn hielt bis zum letzten Augenblick zäh an seinem Wunsche fest. Dabei sind derartig scharf abgegrenzte Strichregen, zumal im Anfang der Regenzeit, in Südwestafrika gar nichts Seltenes. Ich hätte also beruhigt umkehren können. Doch es trieb mich unhemmbar weiter zu dem Bley. Natürlich war das Bley trocken, wie es nur je sein konnte; ich sah es bereits aus der Ferne ganz deutlich, mußte jedoch, dem inneren Zwange gehorchend, dicht heranreiten, um mich kopfschüttelnd davon zu überzeugen. Es genügte mir sogar nicht, meine Feststellung vom Pferde aus zu machen; nein, ich stieg ab, warf Zwart-boh die Zügel über den Kopf und begann ringsum den völlig ausgedörrten Lehmboden zu untersuchen. Ich befand mich etwa zehn Meter von dem Pferde entfernt, das — dazu abgerichtet, mit übergeschlagenem Zügel seinen Platz nicht zu verlassen — geduldig dastand. Plötzlich jedoch warf es den Kopf auf und schnaubte mit geblähten Nüstern, während sein ganzer Körper zu beben begann, nach der gegenüberliegenden Seite des Bleys hin. Ich wandte mich um und erkannte im gleichen Augenblick drei in der grellen Sonne bunt aufleuchtende, längliche Flecke, die sich in mäßiger, doch gleichbleibender Geschwindigkeit auf mich zu bewegten. „Wilde Hunde!" fuhr es mir blitzartig durchs Gehirn. Ich wußte, was das zu bedeuten hatte. Der wilde Hund ist in seiner stumpfsinnigen Hartnäckigkeit und Mordlust das gefährlichste Raubtier der Kolonie. „Zwartboy!" rief ich das erregte Pferd an, „Zwartboy — hoo!" Für Sekunden kämpften Dressur und Instinkt in dem kleinen Hengst. Doch ehe ich ihn erreichen konnte, warf er sich kurz auf der Hinterhand herum und galoppierte mit hochgestelltem Schweif über den harten, dröhnenden Boden davon. Es blieb mir nur wenig Zeit zur Überlegung. Die Bestien hatten bereits die Mitte des Bleys erreicht und befanden sich in etwa sechs Meter Entfernung von mir; ich sah ihre gesteckten Leiber, ihre geöffneten Rachen. In meiner Nähe befand sich glücklicherweise ein nicht all zu hoher, ziemlich knorriger Dornbaum, dessen Auswüchse es mir ermöglichten, seinen untersten Ast zu erreichen, mich emporzuschwingen und mich so, als die Hunde schon auf wenige Sprünge herangekommen waren, in Sicherheit zu bringen. Mit heiserem Schnaufen stürmten sie gegen den Baum an und begannen gierig und ungeschickt daran emporzuspringen. Ihre Augen funkelten mordlustig, die ungeheuer starken Gebisse schlugen klappend aufeinander. Meine Lage war nicht beneidenswert. Wenn nicht ein Zufall mir zu Hilfe käme. . . Aber welcher Zufall sollte mir wohl hier im einsamen Dornbusch zu Hilfe kommen!? In meiner Rocktasche trug ich einen kleinen Revolver, den ich nun hervorzog, um festzustellen, daß er nur zwei Patronen im Magazin hatte. Gut — ich wollte schießen! Kurz entschlossen nahm ich den Kopf der größten der Bestien aufs Korn und drückte ab. Die Hand zitterte mir vor Erregung, der Schuß streifte das Tier an einem der aufrecht stehenden Ohren. Ein wütendes Geheul, wildes Schütteln des Kopfes, so daß die Blutstropfen bis zu mir heraufspritzten, war die Antwort. Fast wäre ich von meinem Ast herabgeglitten und kam nun zur Besinnung. Die letzte Patrone wollte ich mir für den äußersten Fall aufheben. Meine Situation war verzweifelt. Wohl hegte ich die geringe Hoffnung, daß man mich von der Farm aus suchen würde, falls das Pferd direkt auf den Platz zurückgelaufen sein sollte. drang ihr mißtrauisches Knurren zu mir herauf. So vergingen Stunden. Der Himmel verfinsterte sich immer mehr, und ich sah die Zeit kommen, da ich unfreiwilliger Zeuge davon werden würde, wie sich das Bley durch die zusammenströmenden Wassermasfen füllte. Ich überlegte gerade wieder, ob ich nicht doch Basutosrau beim Mahlen des Kaffernkorns. (Phot, von F. Pröbstle, P. S. C.; Doch wann konnte das geschehen? Jedenfalls würde zum mindesten der Vormittag darüber vergehen und bis zum Nachmittag konnten neue Gewittergüsse, deren Anzeichen in Gestalt dunkler Wolken bereits am Horizont drohten, meine Spuren verwischt haben. Die wilden Hunde am Fuß des Baumes hatten indessen wohl die Nutzlosigkeit ihres Springens und Kratzens eingesehen und sich im Schatten niedergelegt. Bisweilen wälzten sie sich unzufrieden vor Hunger hin und her, und bei der geringsten Bewegung, die ich machte, die letzte Patrone daranwenden sollte, um eins der Raubtiere zu töten oder wenigstens schwer zu verwunden. In diesem Augenblick bemerkte ich, wie die drei Bestien langsam den Kopf hoben und in einer bestimmten Richtung die Luft einzogen. Es war totenstill um mich her, — die große Stille vor dem Unwetter, und so konnte ich nach einiger Zeit ein leichtes Getrappel und Zweigeknacken im Busch vernehmen. Die Hunde waren aufgesprungen und standen, leise mit ihren buschigen Ruten wedelnd, dicht neben- einander zu meinen Füßen. Bald darauf schob sich am Rande des Bleys ein schwerer grauer Körper aus dem Busch; ein zweiter sehr viel kleinerer folgte. Ich erkannte eine Kudu-Kuh mit ihrem wohl vor wenigen Tagen geborenen Kalb. Die wilden Hunde setzten sich langsam in Trab. Die Kudumutter verhoffte für Sekunden und stürmte sodann, gefolgt von ihrem Jungen, in den Busch zurück. Wie lange würde das kleine Tier diesen Lauf aushalten? Der unerbittlichen Spursicherheit und Ausdauer der hungrigen Raubtiere würden seine jungen 2. Kapitel. Die Haufsah kommen! Die Sonne hatte beinahe den höchsten Punkt am Himmel erreicht, als die Karawane ins Dorf zog. An den Wegen drängten sich zahlreich die vielen Neugierigen, die mit allerlei stillen Wünschen aus die vielen Lasten schauten, die in Matten, Kisten, großen Körben und in anderer Verpackung dahergetragen wurden. Die meisten Träger trugen ihre Lasten auf dem Kopfe, andere aus den Schultern oder auf tun Rücken Es waren wenigstens zweihundertfünfzig Träger, ohne die Aufseher und diejenigen, die als Ersatzmannschaften für Kranke und Übermüdete die Karawane begleiteten. An langen Stangen trug man sorgfältig zwei Schwerkranke in Hängematten daher. Zum Schutz gegen die heiße Sonne, vielleicht auch, um sie den Blicken der Neugierigen zu entziehen, hatte man sie über und über mit dichten Tüchern verhängt und verschleiert. Moyamu ließ den Rest der Karawane vorbeimarschieren und schloß sich dann als letzter dem Zuge an. Seine lange Gestalt und die weiten Haussahkleider, noch mehr aber seine stolze Haltung, flößten den Schwarzen Achtung ein; sie grüßten ihn wie einen ihrer Stammesgroßen, während er nur leicht den Kopf zum Gegengruß neigte. Auf Befehl des Häuptlings war ein seitlich gelegenes Gehöft mit etwa 40—50 Hütten freigemacht und gereinigt worden. Große Haufen Brennholz und trockenes Gras waren Beine wohl kaum gewachsen sein . . . Doch ich war durch ein Wunder gerettet. Nachdem ich noch eine kurze Weile in der Nähe des Baumes gewartet hatte, machte ich mich aus den Heimweg. Gewitter krachten am Himmel und es blieb kein trockner Faden an mir, doch am Spätnachmittag erreichte ich wohlbehalten die Farm. Zwartboy war erst kurze Zeit zuvor von den Schwarzen bemerkt worden, und sie waren just dabei, des Langen und Breiten darüber zu debattieren — was wohl aus mir geworden sein könnte. L. v. Reppert. für die Nacht aufgeschichtet. Die Lasten wurden losgepackt. Töpfe, Kalabassen, Koch- und Küchengeschirre kamen zum Vorschein, und bald brodelte und zischte es lustig auf dem kleinen Feuerchen. Das Mahl war schnell bereitet, und dann begaben sich einzelne Trägertruppen auf den Marktplatz, auf dem schon reges Leben herrschte. Die großen Sprachtrommeln verkündeten den Beginn des Marktes. Von allen Dörfern strömte das Volk herbei. Die Bandarimänner betrachteten die ausgelegten Kostbarkeiten, gingen von einem Verkäufer zum andern. Die Wahl war schwer. Da blitzte und glitzerte es; da stach so manches Schöne in bie Jlugen; aber zuerst galt es, einen allgemeinen Überblick über die seilgebotenen Gegenstände zu erhalten. Einzelne Händler verkauften nur Schmuck und Ziersachen: Glasperlen, Arm- und Beinringe ans Messing, Amulette aus feinstem Leder, Ohren- und Nasenringe. An anderen Verkaufsständen gab es Prachtvolle Gürtel aus Leoparden- und Affenfell, sowie kleine und große Armtaschen mit schön gefärbten Mustern und Verzierungen zu kaufen. Dort zogen die schönsten Dolch-, Jagd- und Buschmesser mit kostbaren Scheiden und Schwerter mit Messinggriffen die Aufmerksamkeit auf sich. Wieder andere Händler hatten große und lkeine Bogen, Pfeile, Pfeilspitzen sowie einfache und wertvolle Pfeilköcher vor sich liegen. Wohl ein ganzes Dutzend Händler saßen bei ihren Salzsäcken. Salz ist bei den Schwarzen ein seltenes und deshalb vielbegehrtes Gewürz. Die Der RäuptlmgssoPm von SandarL Der Roman eines Schwarzen von P. Johannes Emonts, 8. 0. J. (Fortsetzung.) kostbaren und einfachen Pfeifen aus Messing und Ton zogen ebenfalls die Blicke vieler Männer auf sich. Sandalen und prachtvolle Ledersachcn, ganze Ballen europäischer Stoffe und bunte Lendentücher, vielerlei Kopfbedeckungen für die gewöhnlichen Leute, wie auch für die Bigleute und Vornehmen fanden sich an vielen Stellen vor. Das Feilschen und Handeln begann. Die Händler verlangten hohe Preise, die Käufer setzten eine viel kleinere Summe dagegen. Die Salzhändler fanden zuerst Käufer und konnten bald der Nachfrage nicht schnell genug nachkommen. Nun dursten die ersten Frauen und Mädchen mit ihren Tanschgegenständen herbeikommen. Die Eisenhacken, die die Frauen für die Feldarbeit benötigten, waren ebenfalls sehr begehrt. Das Marktleben gestaltete sich immer lebhafter, je später es wurde. Meist ging es Tausch gegen Tausch. Die Hausfah begehrten vor allem Erdnüsse, Mais, Durra, Palmöl in starken Kalabassen, Honig und namentlich Kolanüsse. Die Kolanuß ist im ganzen Sudan.eine äußerst begehrte und geschätzte Ware, da sie wie keine andere Frucht kräftigt und stärkt und die Lebensgeister wachhält und anregt. Auf den weiten Reisen in der Sonnenglut gbt sie Ausdauer, behebt die Schläfrigkeit, erfrischt und belebt die Müden. Eine Last getrockneter oder frischer Kolanüsse ist im Innern Afrikas ein wahrer Reichtum. Für drei Lasten dieser begehrten Nüsse kann man oben bei Kusseri drei bis vier Pferde, einen Esel und ein Rind kaufen. Nachdem der Lebensmittelbedarf der Haussah gedeckt war, verlangten sie nur noch Kola und Maria-theresientaler, die im ganzen Lande bis in die große Sandwüste hinein im Verkehr waren und heute noch sind. Die Haussah schienen kauflustiger zu sein als die Bandari. Früher feilschten sie oft stundenlang um einen kleinen Preisunterschied, heute hatten sie Eile, und die Bandari wußten bald die günstige Gelegenheit auszunützen. Ganze Lasten Kola, die in der Ebene üppig gediehen, wurden noch schnell durch Diener und Frauen herangeschleppt und vorteilhaft gegen Werkzeuge, Salz, Schmuck oder Stoffe eingehandelt. Es war ein Markttag von ganz eigener Art. Während aber draußen auf dem großen Marktplatz das Leben und Treiben immer lauter, geschäftiger und reizvoller wurde, war es im großen Häuptlingsgehöft ruhig und still. Sonst wimmelte es hier von Menschen. Heute war es anders: Das Häuptlingsgehöft lag wie ausgestorben. Mbämbä, der Häuptling, hielt wie alltäglich sein Mittagsschläfchen, ihn störte das Marktleben nicht. Die Diener hatten strenge Weisung, niemanden vorzulassen. Gewöhnlich brachte der Häuptling diese Ruhepause in dem kleinen Privaigehöft zu, das aus acht schön und äußerst regelrecht gebauten Hütten bestand. Die erste Hütte war Schlashütte, die zweite Wohnhütte. In der dritten bewahrte Mbämbä seine Kostbarkeiten und Schmuckgegenstände auf. Die vierte Hütte diente als Vorratsraum; zwei waren bestimmt für die beiden Lieblingsfrauen, die den Häuptling bedienten und seine königliche Küche besorgten. Die beiden letzten waren die Waffen- und Medizinkammern, die nichts als Lanzen, Messer, Pfeile, Bogen und Kriegsschilde, die heilige Kriegstrommel und die Kriegsmedizin, altertümliche Masken und seltsame Zauberdinge bargen. Unter Todesstrafe durfte kein Bandarimann ohne ausvrückliche Erlaubnis Mvämbäs eine dieser Hütten, ja auch nur den Platz betreten. Nach etwa einer Viertelstunde hörte man einige dumpfe Gongschläge, das Zeichen, daß die Mittagsruhe beendet sei. Der Diener trat ein, warf sich auf den Boden und wartete auf des Häuptlings Befehle. „Ist der Markt gut besucht?" — „Großer Häuptling, wie ich höre, sollen bereits sehr viele Bandari versammelt sein. Der Markt ist schon in vollem Gange und noch immer strömen die Leute von allen Seiten herbei." — „Du kannst nachher auch hingehen. Heute wird mich ohnehin niemand besuchen." — „Doch, großer Häuptling, es ist schon jemand da." — „Das hätte ich nicht gedacht; wer denn?" — „Dschembana und sein Freund Debu." —• „Versteh' ich nicht, daß die beiden heute nicht den Markt besuchen I Was mögen sie haben? Jedenfalls etwas von Wichtigkeit. — Daß sie gerade diese Zeit auswählen, wo sonst niemand zu mir kommt...! Sage ihnen, daß ich sie erwarte." — „Wo, großer Häuptling? Auf dem Empfangsplatz?" —■ „Nein, sie mögen nur gleich hieher kommen. Nachher ziehst du die Türen zu, wenn sie bei mir sind." Bald standen die beiden Besucher vor der offenen Schiebetür, wagten aber nicht, einzutreten. Dschembana räusperte sich, um dem Häuptling ihre Anwesenheit mitzuteilen und von ihm aus nähere Aufforderung zum Eintreten zu erhalten. „Na, Dschembana, nur keine Furcht! Nur herein!" Die beiden traten schüchtern ein. Schon wollten sie sich auf den Boden werfen und kniend ihr Anliegen vortragen, als Mbämbä gütig und freundlich sagte: „Bleibt stehen! Dschembana, mein Junge, und Debu, sein Freund, sind nicht wie die anderen und so sollen sie heute auch anders von mir gehalten werden." — „Ich danke dir, großer Häuptling!" sagte Dschembana. — „Heule bin ich dein Vater, Dschembana. Hörst du?" — „Ja, mein Vater." — „Ihr seid nicht zum Markt?" — „Nein." — „Das muß eine besondere Bewandtnis haben. Ihr wollt mich allein sprechen?" — „So ist es. Ich hatte etwas Wichtiges mit dir zu beraten und möchte nicht, daß andere dabei sind. Seit einigen Monaten, da mein Freund Zendini oben im Gebirge bei der Jagd verunglückte, trage ich mich mit dem Gedanken, den gefährlichen Zufälligkeiten des Lebens zu begegnen. Wie leicht ist man von einer feindlichen Lanze oder einem vergifteten Pfeile getroffen wie Zendini, der sofort starb, und Saliboko, der nun krank in seiner Hütte liegt! So bin ich denn zum großen Zauberer und Medizinmann gegangen, daß er mir eine starke, nie versagende Medizin gegen all diese Zmälligkeiten und gefährlichen Begegnungen bereite. Jeder Bandarimann hat seine Mevizin, auch ich verlange nach der meinen; aber nun kommt mein Anliegen." — „Ich höre, Dschembana. Du bist der Stolz meines Alters, und ich werde dir keine berechtigte Bitte abschlagen." — „Der Zauberer will mir eine Medizin verschaffen, aber er hat mir ausgetragen, das Blatt eines bestimmten Medizinstrauches zu holen und es mit eigener Hand abzupflücken. Im ganzen Bandarigelnrge und in der weiten Ebene gibt's diesen Srrauch nicht. Der Zauberer weiß aber, daß er in dem kleinen Prioatgehöft des Jamongahäuptlings steht. Dieses Blatt gehört notwendigerweise zu meiner Medizin; ohne es ist sie wirkungslos. Und auch nur dann hat sie Kraft, wenn das Blatt einen Tag' und eine Nacht in der heiligen Kriegstrommel gelegen hat und acht Tage und acht Nächte mit unserer heiligen Kriegsmedizin zusammengebunden war. Darf ich um die Gunst bitten?" — „Deine Bitte ist schon gewährt, mein Dschembana. Du selbst sollst das Blatt in die Zaubertrommel legen. Ja, du selber sollst es an die heilige Kriegsmedizin anbinden, wenn du glücklich mit dem teuren Gegenstand aus Jamonga heimkehrst. Aber wie denkst du in den Besitz des wertvollen Blattes zu kommen?" — „Ich weiß selber noch nicht, mein Vater, wie ich es anstelle. Schon dreimal war ich in dem feindlichen Dorfe, ohne mein Ziel zu erreichen. Dürfte ich meinen Vater um einen Rat bitten?" — „Du wirst dein Ziel erreichen, und ich will dir gern einen Rat geben. Du, mußt Klugheit mit Mut, Nachdenken und Überlegung mit Tatkraft, List mit körperlicher Tüchtigkeit verbinden. Dann erst wirst du dein Ziel erreichen. Wie du das tust, mußt du selber wissen. — So, nun geh und hole dir das Blatt vom heiligen Medizinstrauch von Jamonga! Wenn du es bringst, sollst du dich beständig meiner Gunst erfreuen, bringst du es nicht, dann brauchst du niemals mehr unter meine Augen zu treten." Mbämbä gab den beiden ein Zeichen, daß sie sich ohne Gruß und sonstigem Zeremoniell entfernen sollten. Das war ein eigenartiger Nachmittag für die beiden Freunde. Sie waren so glücklich wie nie im Leben. Sie dachten nicht daran, sich nun auch den Markt anzuschauen und am Abend mit dem ganzen Volk sich dem lustigen Freudentaumel bei Palmwein, Gesang und Tanz hinzugeben. Wichtiger als der Besuch des Marktes war ihnen die Vorbereitung ihres schwierigen Unternehmens. In der Hütte Dschembanas überlegten sie Mittel und Wege und sannen auf eine kluge List, die vielleicht da etwas vermöchte, wo Mut und selbst Waghalsigkeit allein nichts ausrichten konnten. Mit eintretender Dunkelheit war das rege Marktleben beendet. Die Leute aus den entfernten Ortschaften konnten unmöglich wieder in ihre Dörfer zurückkehren, dafür waren die Sumpfwege zu schlecht und zu gefährlich. So blieben sie int Hauptort bei Freunden und Bekannten oder gaben sich dem tollen Nachttrubel hin, der jedesmal den Markttagen folgte. Fast niemand dachte ans Schlafengehen und so ging es fort bis gegen Morgen. Dschembana und Debu hatten auch lange zusammen gesessen und überlegt. Nun schliefen sie bereits, ehe die andern ans Schlafen dachten. In der Frühe des folgenden Morgens wollten sie nach Jamonga aufbrechen. Ihren Plan hatten sie fertig, mit einer klugen List Hostien sie ihr Ziel zu erreichen und in spätestens vier bis fünf Tagen mit dem heiligen Medizinblatt heimzukehren. Noch vor Sonnenaufgang machte sich die Karawane am andern Morgen auf den Weg. Mit größter Eile und so leise, daß die schla- senden Bandari ihr Ausrücken nicht bemerkten, zog sie davon. Geheimnisvoll lag es über dem nächtlich stillen Aufbruch. Erst durch Jdembu, den Brückenwächter, erhielt Mbämbä Nachricht von dem frühen Abmarsch. Da der Preis für die Lebensmittel recht ansehnlich war, kümmerte er sich nicht weiter darum. Er war zufrieden mit Moyamu. „Kassini, der Gehöftaufseher, wünscht dringend mit dir zu sprechen", sagte der nochmals eintretende Dschindar sodann. — „Führe ihn auf den Platz nebenan." Der Gehöftaufseher war eine etwas ängstliche Natur. Zitternd und bebend stand er vor der schwarzen Majestät. „Was hast du so früh zu melden?" — „Im Haussahgehöft ist etwas nicht in Ordnung. Eine Hütte scheinen die Haussah verzaubert zu haben. Sie ist verschlossen, und drinnen hört man geheimnisvollen Geisterspuk." Mbämbä ergriff seine Lanze, ries einige handfeste Dschindar herbei, die sich ebenfalls mit Lanzen bewaffneten, und bald stand er vor der geheimnisvollen Hütte. Die Tür war verschlossen. Von Zeit zu Zeit vernahm man tatsächlich ein leises, eigenartiges Geräusch, das sich beinahe wie das Stöhnen eines Kranken anhörte. Die Begleiter hielten ihre Lanze bereit. Mbämbä ließ mit einem Messer die Lianen durchscheiden, die die Tür verschlossen. Etwas ängstlich und beinahe zögernd schaute er durch die offene Tür und bemerkte zwei kranke Haussah, die auf einer Matte am Boden lagen. Eintretend fragte er: „Wer seid ihr?" — Keine Antwort. — „Was fehlt euch?" Die Kranken antworteten nicht, sie stöhnten nur. Einer verlangte leise und mit äußerst schwacher Stimme Wasser. Kassini holte schnell Wasser und ließ die Kranken davon nehmen. Ihr ganzer Körper glühte in heftiger Fieberhitze. Die Augen lagen tief in den Höhlen und waren geschlossen. Aus dem Munde floß ihnen dunkler Schaum. Über und über waren sie mit dunklen Eiterbläschen bedeckt. Ein scharfer Geruch ging davon aus, so daß Mbämbä unwillkürlich zurücktrat und die Hütte verließ. Ein grausiger Verdacht stieg in ihm auf. „Die Haussah sind fortgegangen aus Angst vor den Kranken, also muß es eine gefährliche Krankheit sein; Sie ist gewiß ansteckend. Vielleicht haben die beiden Leute den .umgehenden Tod', dem Moyamu und seine Leute durch schleunige Flucht entgehen wollen." Kaum hatten die Gedanken Mbämbäs sich mit dem umgehenden Tod beschäftigt, als er auch die ganze Größe der Ge- fahr für sich und seinen Stamm erkannte. Eine fürchterliche Aufregung bemächtige sich seiner. — Und wenn seine Vermutung Wirklichkeit wäre! Wenn der umgehende Tod durch diese beiden Kranken ins Dorf käme! Dann ständen traurige Zeiten bevor. Dann würde er selber vielleicht ichon in wenigen Tagen ein Toter sein! Kalter Schweiß stand auf seiner Stirne. Der ruchlose Moyamu hatte ihn betrogen und den ganzen Stamm in die größte Gefahr gebracht. Die Zornesader schwoll Mbämbä auf der Stirn. Seine Wut machte sich in Worten Luft. Er schimpfte, fluchte, verwünschte sich, der sich hatte betrügen lassen. „Was macht ihr hier, ihr faulen Gaffer!" schrie er dann plötzlich wütend den bestürzt dreinschauenden Leuten zu, die unterdessen herbeigeeilt waren. „Ihr grinsenden Affen, ihr stinkenden Ratten! Fort aus meinen Augen! Wer nicht sofort verschwindet, den werde ich peitschen lassen, daß seine Haut in tausend Fetzen herabhängt. Kassini, du zitternder Hund!" rief er dem vor Schreck bebenden Gehöftvorsteher zu, „eile zum großen Zauberer Membula, daß er sofort mit seinen sämtlichen Medizinen hieherkomme und die Kranken beschwöre!" Mbämbä war schrecklich anzusehen. So wütend und tobend war er noch nie gewesen. Schimpfend, fluchend, wie ein Verrückter mit der Lanze um sich schlagend, den armen Dschindars Stöße und Schläge verabreichend, schritt er in sein Gehöft zurück. Membula eilte schnellstens mit seinen Medizinen und Zaubermitteln zu den beiden Kranken. Im verlassenen Haussahgehöft angelangt, umschritt er langsam und feierlich die Hütte der beiden Kranken, geheimnisvolle Sprüche murmelnd ; er trat nun rückwärts in die Hütte ein und spuckte auf den Boden und gegen die Wände, schaute sich dann die beiden Kranken an. öffnete ihnen die geschlossenen Augenlider, nahm aus seiner Armtasche ein kleines Medizinfläschchen und verrieb den Inhalt auf deren Stirn, streute etwas wie graue Asche dazu, rollte in schnellen Kreisen seine Arme um die beiden armen Leute, hing jedem wohl ein Dutzend Amulette um den Hals und begann in eintöniger Weise zu singen. Dann stand er auf und drehte sich langsam und feierlich im ringelnden Zaubertanz, sprang aber allmählich schneller und schneller um die beiden Kranken herum, hob und senkte die Arme, ballte die Fäuste, spreizte die Finger, schnalzte mit der Zunge, schrie wie ein wildes Tier, miaute und fauchte wie eine Katze, bellte wie ein Hund, ahmte sonstige Tiere nach und schloß jedesmal mit den Worten: „Ihr scheußlichen Mächte, ihr dunklen Wichte! Meine Zauberkraft macht euch alle zunichte! Hahn — Hahi! Haha — Mani!" Der schnelle Tanz, mehr noch der unausstehliche Geruch, der von den kranken Haussah ausging, benahmen dem Zauberer fast den Atem. Er flüchtete hinaus und hockte vorder Hütte auf dem Boden, aber seine Lippen bewegten sich fortwährend in leisen Zauber-sprüchen. Als er so dasaß, näherte sich ihm ein Mann bis auf einige Schritte und räusperte sich, als wenn er etwas zu melden habe. Membula ließ sich nicht stören; erst als der Mann sich immer lauter räusperte, fragte er zornig: „Wer wagt es, meine Zauberhandlnug zu stören?" — „Der Bote des Häuptlings", antwortete ängstlich der Mann. — „Was will der Häuptling?" — „Er wird es dir selber sagen. Er verlangt dich zu sprechen." Mem-bula folgte dem Boten und trat in das Häupt-lingsgehöft, wo er sogleich mit der Frage empfangen wurde: „Warst du bei den Kranken, Ngachib (Zauberer) ?" — „Ich habe die Gei- ' ster der Krankheit gebannt." — „So droht unserem Dorfe keine Gefahr?" •— „Unserem Dorfe — Gefahr? Welche Gefahr?" — „Was, du fragst mich, wo du mir antworten solltest! Hast du sie nicht bemerkt: Die Gefahr des umgehenden Todes?" Der Zauberer senkte den Blick vor dem zornig werdenden Mbümbä. Er erschrak sichtlich bei diesem Wort. An den umgehenden Tod hatte er überhaupt nicht gedacht. „Der Tod wird nicht umgehen, großer Häuptling, meine Zauberkunst wird ihn hindern", sagte nun der Ngachib mehr ans Angst vor dem drohenden Blick Mbämbäs als in Zuversicht auf seine Zauberdinge. — „Es soll mich freuen, aber merke dir dies : Beginnt der furchtbare Tod int Dorfe umzugehen, dann wird mein Zorn dich zu finden wissen." Membula floh in sein Gehöft. Der umgehende Tod beschäftigte und erschreckte ihn, jene ansteckende, pestartige Krankheit, die von Zeit zu Zeit in irgendeinem Stamme oder einer Gegenv auftauchte und von Gehöft zu Gehöft, von Ort zu Ort sich ausbreitete und unzählige Todesopfer forderte. Sollte sie wirklich in Bandari sein . . .? Vor seiner Zauberhütte setzte sich Membiila nieder und stützte nachdenklich den Kopf in die beide Hände. Lange hatte der Zauberer dagesessen. Endlich sprang er vom Boden auf, schlug sich vor die Stirn und rief zur gegenüberliegenden Hütte: „Etschi, schnell, bring mir einen gutglühenden Feuer-brand!" Der Knabe erschien und schwang in schnellen Kreisen ein brennendes Holzscheit. Der Zauberer nahm es und schnitt eiligst davon, den Brand von Zeit zu Zeit in schnellen Kreisen um sich drehend, bannt er noch heller auftobere. Ha, jetzt hatte er ein sicheres Mittel gefunden! — „Mit Feuer werde ich den umgehenden Tod bannen!" Mit neuer Kraft schwang er das glühende Scheit. Tausend Funken sprühten, eine helle Flamme schlug auf und Membula lachte grimmig. Ein Kind huschte über den Weg, sah die scheußliche Zaubergestalt und stieß ein fürchterliches Angst-geschrei ans. Und je schneller es lief und je lauter es schrie, desto grimmiger stürmte hinterher die wüste Leopardengestalt des Zauberers. Endlich war er im Gehöft angelangt. Schnell drang er in die Hütte ein und stand vor den 1 Kranken. In wenigen Augenblicken hatte er trockenen Bambus an seinem Scheit angezündet. Die flammenden Brände hielt er abwechselnd dem einen, dann dem anderen Kranken an die nackten Fußsohlen und an die eingefallenen Lenden. Ha, tote er die Opfer seiner grausamen Lust anstierte. Furchtbar waren die Qualen der Gefolterten. Klägliches Stöhnen und Gewimmer, dann wieder wilde Schmerzens-schreie entfuhren ihren Lippen. Ader Membula weidete und ergötzte sich an ihrer Qual. Er sah und hörte nichts als nur seinen feurigen Brand und die armen Opfer seiner grausamen Lust. Die beiden fi anten Hanssah stöhnten, jammerten, wimmerten. Die Qualen waren zu grausig, als daß sie sie länger hätten ertragen können. Die schmerzlichen Zuckungen wurden immer schwächer, das Wimmern verstummte — der feurige Geselle hatte seine schaurige, gräßliche Arbeit getan. Wie ein Wahnsinniger rannte Membula hinaus, schleuderte die brennenden Bambus auf das trockene Hansdach, das sofort hell aufflackerte und die toten Hanssah unter den brennenden Trümmern begrub. Bald stand das ganze Gehöft in Flammen. (Fortsetzung folgt.) Eigentümer, Herausgeber und Verleger: Kongregation der Missionäre Söhne des heiligsten Herzens Jesu. Verantwortlicher Schriftleiter: P. Al. Wilfling, Missionshaus Graz, Paulustorgasse 10. — Universitäts-Buchdruckerei „Styria" in Graz.