üsroüos m iii>!verriktiis ki>j!ri>ici v l.jiib^iin! auf dem weißen Nil. Ans den Original - Mannscripten des General - Vikars von Central - Afrika, bearbeitet Von V ' . V. LLVIs- Grkrelär und GefchästSleüer des h!stor. Vereines für Krain -c. Laibach, L 8 3 I. Druck und Verlag Von Ignaz v. Klcinmaur und Frdor Bamberg. Es gibt in Central-Afrika Paradieft, dir mit dcr Zeit dir Civitisation aussnchen " wird zum Besten der Menschheit. Johannes v. Müller. 119062 G i n l e i t tl it g M* as Innere von Afrika mit seinen muthmaßlichen Reichthü- mern und Naturschönheiten ist uns noch immer unbekannt, und die wenigen Nachrichten, die wir von einzelnen Reisenden, beson¬ ders in neuester Zeit hierüber erhielten, scheinen nur dazu geeignet, das Interesse für diese unbekannten Länder noch mehr zu steigern. Dre von unserem Landsmanne Di Ignaz Kn oblech er, General-Vikar der Mission in Central-Afrika, in das Innere dieses Welttheils gemachte Reise hat einen Vorzug vor allen bis jetzt unternommenen; denn er drang so weit vorwärts, als vor ihm noch kein Europäer gekommen war! Wenn schon die Erstlingsversuche der Mission in C h a rt h u m von so günstigen Erfolgen gekrönt sind, was läßt sich erst in der Folge erwarten? dieß um so mehr, da an der Spitze derselben ein Mann steht, der durch die ausgebreitcten Kenntnisse in allen zu seinem hohen Berufe erforderlichen Fächern, verbunden mit fester Willenskraft, ausgezeichnet ist. Sein lebendiges Vertrauen in die göttliche Vorsehung und den himmlischen Beistand, so wie seine glühende Nächstenliebe, lassen die Realisirung der hohen Aufgabe hoffen; nur muß die Wichtigkeit dieser Mission richtig aufgefaßt und gehörig gewürdiget werden. Es ist aber auch die Lösung zweier der wichtigsten Fragen, welche die Wissenschaft und Humanität im gegenwärtigen Jahr¬ hunderte aufgeworfen, durch das glückliche Fortschreiten dieser I* 4 Mission wesentlich bedingt; diese Fragen sind: »Enthüllung des Innern von Afrika" und »definitive Abschaf¬ fung des Sklavenhandels", — Fragen, zu denen sich die europäischen Mächte gemeinschaftlich die Hände gereicht haben. Die klimatischen und sonstigen topographischen Verhältnisse dieses Weltheiles stellen bis zur Stunde einer genügenden wissen¬ schaftlichen Forschung Hindernisse entgegen, die erst dann über¬ schritten werden können, wenn der Reisende im tiefen Binnen¬ lande Afrika's Ruhepuncte finden wird, wo er von überstandenen Reisebeschwerden sich erholen, seine Sammlungen und Beobach¬ tungen ordnen, für die fernere Richtung seiner Reise vor der Hand Erkundigungen einziehen, seine Maßregeln darnach treffen, und so wohlgemut!) und neu gestärkt seine ohnehin Opfer und Selbstentsagung fordernde Reise fortsetzen kann. In dem näm¬ lichen Grade, als nun diese Stationen vorwärts schreiten würden, würde auch die wissenschaftliche Forschung msoferne erleichtert werden, als es sich die Mission gewiß höchst angelegen seyn ließe, dieselbe zu unterstützen. Was die edlen Bestrebungen der europäischen Mächte zur Abschaffung des Sklavenhandels und der Sklaverei nn Allge¬ meinen betrifft, so dürfte es wohl schwer halten, für den Erfolg dieses Strebens einen Maßstab voraus zu bestimmen. Deßunge- achtet dürfen hier die sogenanntenG azu a's oder Sclavenjagden, welche die ägyptische Regierung in Ost-Sudan als ein förmliches Kriegssystem eingeführt hat, nicht übergangen werden, und ist auch leider zu bemerken, daß dieselben trotz der Aufgebote ihrer Mas. der Königin von Großbrittanien, und trotz der galanten Versicherungen Mehmed A l i's, jährlich, obschon nach Umständen mit verschiedenem Erfolge, bis zur Stunde betrieben werden. Die menschenfreundlichen Versuche Ihrer brittischen Majestät sind daher an einer schroffen Klippe gescheitert, und dürften ohne strengere Demonstrationen bis in ferne Zukunft nichts als »fromme Wünsche« bleiben. Doch selbst dann, wenn es den Großmächten 5 durch ernstliches Einschreiten gelingen würde, diese schändlichen Sclavenjagden einzustellen, und dem Sclavenhandel in den ägyptischen Dominien ein Ende zu machen; selbst dann, wenn kein goldgieriger Menschenmäcklcr in den Negerländern erscheint, um von den Aeltern ihre Kinder, von Brüdern ihre Schwestern um Spielzeug u. dgl. cinzuhandeln , oder harmlose Knaben und Mädchen, die ihre Heerden weiden, oder arglos ihrer Feldarbeit obliegen, diebisch wegzürauben: selbst dann wird dieses Unge¬ heuer von Menschenentehrung nicht von der Erde vertilgt werden. Die Sclaverei kann in ihrem heimathlichen Horste durch keine -Verordnungen aufgehoben werden. Diese Aufhebung kann nur auf dem Wege der Belehrung und Uebcrzeugung herbeigeführt werden, und dieß nach und nach herbeizuführen, ist die jedenfalls schwierige Aufgabe der Mission, eine Aufgabe, die ohne dieser sicherlich nicht erreicht werden kann. Der Missionär wird stufen¬ weise ander Veredlung dieser vernachlässigten Natursöhne arbeiten, die Rohheit ihrer Sitten nur nach und nach abschnben, ihre hef¬ tigen Leidenschaften nur allmälig bändigen, den zwischen nach¬ barlichen Stämmen wüthenden Haß ausrotten, und die im nichtvermeidlichen Kriege rasende Grausamkeit mildern müssen. -Vor Allem müssen aber den Negern wenigstens allgemeine Be¬ griffe über Menschenwürde beigebracht werden; denn nur dann erst wird das Ungeheuer der Sclaverei zu Grabe gelegt werden.»*) Damit jedoch die Mission diese große, selbstgewählte Auf¬ gabe möglichst zu realisiren vermöge, bedarf sie der kräftigsten Unterstützung; eine Unterstützung, die nicht bloß von Privaten ausgehen kann, sondern die Aufmerksamkeit der Negierung im hohen Grade auf sich ziehen sollte. Vorzüglich dürfte der wegen seiner großartigen und wohlthätigen Schöpfungen so sehr gerühmte und geachtete Minister des Handels, Se. Excellenz Carl Frei¬ herr von Bruck, diesen Gegenstand seiner speziellen Beach¬ tung würdigen. Mit wahrem Vergnügen lasen wir auch in *) Worte des hochw. Hm» General-Vikars. « einer vor nicht langer Zeit erschienenen Broschüre *) diese wich¬ tige Stelle: »Aber nicht bloß aus die Nordküste von Afrika, sondern auch tiefer hinab und in das Innere dieses großen Weltthei- les sind Bruck's Blicke gerichtet , um den österreichischen Handel auszudehnen und den österreichischen Fabrikaten einen vergrö¬ ßerten Markt zu verschaffen. Hier bietet sich insbesondere die große Ländermasse des Sudan dar, welche, außer Gold, Kupfer, Lhierhäuten und Fellen, einen solchen Uebcrffuß an Gummi, Baumrinden, Senna, Elfenbein, Straußenfedern und Ebenholz liefert, daß fast ganz Europa mit diesem Bedarf ver¬ sehen werden mag, und wohin seit Aufhebung der Handels¬ und Gewerbsmonopole in Aegypten der Handel ungehindert betrieben werden kann. Dazu ist besonders Oesterreich durch seine Häfen am adriatischen Meere, durch seinen ohnehin so lebhaften Verkehr mit Alexandrien und durch den Umstand befähigt, daß es sowohl die dort begehrten Manufactur Erzeug¬ nisse**) besitzt, als daß die österreichischen Marien-Theresien- Lhaler daselbst eine allgemein gangbare Münze sind. Auch können von Sudan aus Handels-Unternehmungen mit den benach¬ barten freien Negerstämmen und in das tiefere Innere von Afrika leicht eingeleitet werden. Damit die österreichischen Kaufleute zu Spekulationen nach dem entfernten Sudan immer mehr und mehr ermuthigt werden, war die Aufstellung eines österreichischen Consulates dazu unerläßlich, und Se. Majestät *) „Die Männer der Gegenwart/' Neue Folge IV. Carl Freiherr den Bruck. — Leipzig, Costcnol'le und Rcmmclmann d850. **) Nam-ntlich böhmische GlaSw aren, vcnetiauische Glasperlen, geringere Linen- und Wvllwaren, Waffen, Eiscnplattcu, Metillidraht Aus Deutschland gehen insbesondere Nürnberger Spielsachen und Bern¬ stein dahin. Nebrigcns gehört der Boden in den Ländern des Südens zum fruchtbarsten der Welt, und ist zur Hervorbringung ron Zucker, Kaffeh, In¬ digo, Baumwolle und anderer Colonialproducte Wohl geeignet, bietet sonach auch hierin dein Handel und der Industrie Curopa's große Aussichten. 7 genehmigten den bezüglichen Antrag des Herrn Handelsministers. Zum Sitze des Consulates wurde CH ar tum gewählt, welches am Zusammenflüsse des blauen und weißen Flusses liegt, von denen jeder bei dieser Stadt so mächtig ist, daß er mit den größten Segelbarken befahren werden kann. Chartum ist die Hauptstadt Scnaar's, die Residenz des türkischen Statthalters in Ost-Sudan, hat ein sehr gesundes Klima, und steht durch jene beiden Flüsse mit Central-Afrika und Abyssinien, durch Karavanenstraßen mit den Hauptörtern Kordofans, Dangolos, des Königreiches Tigre und mit anderen Ländern in Verbindung. Das Consulat zu Chartum ist dem österreichischen General- Consulate zu Alexandrien untergeordnet. Sollen diese Ideen mehr als Projecte verbleiben, d. h. sollen sie in Wirklichkeit in's Leben treten, so ist, als der Grundstein hierzu, die Mission von Central-Afrika zu betrach¬ ten, und ich glaube den ausgesprochenen Wunsch zur Unter¬ stützung derselben nochmals wiederholen zu müssen. Eine der ersten und nothwendigsten Bedingungen ist die, daß das Haupt der Mission, der hochwürdige Herr General- Vikar Di'. Ignaz Knob lecher, in eine von den Türken minder abhängige Stellung, vorzüglich bei seinen noch vorzu¬ nehmenden Expeditionen in das tiefere Innere des Landes, versetzt werde. Zu diesem Zwecke ist der Herr General-Vikar gesonnen, sich eigene Segelbarken anzuschaffen, um auf diese Weise nicht auf die jährlichen Expeditionen beschränkt zu seyn. Uebcrdieß sind die Türken wegen ihrer, bei den jährlichen Expe¬ ditionen verübten Grausamkeiten von vielen Negerstämmen gehaßt und gefürchtet, und eine selbstständige Expedition würde sicherlich bei den Eingebornen eine willkommenere Aufnahme finden. Ein zweiter Plan des Herrn General-Vikars geht dahin, Knaben von verschiedenen Negerstämmen anzukaufen, in Char¬ tum eine Art Collegium zu organisiren, wo die armen Jungen, nebst der religiösen Ausbildung und Veredlung, auch mit ver¬ schiedenen Handwerken der eivilisirten Völker, so wie mit allge- 8 meinen Grundbegriffen in der Landwirthschaft, im Feldbau u. s. w. bekannt gemacht würben. Haben diese Zöglinge im Verlaufe einiger Jahre eine für ihre beschränkteren Zwecke genügende Aus¬ bildung erhalten, so kehren sie zu ihren Stämmen zurück, unter¬ weisen ihre Stammgenossen, leiten sie nach und nach auf die Pfade der Civilisation, werden Beglücker ihrer Brüder und Verbreiter der Aufklärung und Humanität.— Wer kann die segensreichen, wahrhaft unberechenbaren geistigen und mate¬ riellen Folgen einer derart systematisch auf dem großen Felde der Civilisation fortschreitenden Mission auch nur annäherungsweise bestimmen! Doch vor Allem thut kräftige Unterstützung Noch, und der Herr wird den Aposteln seinen Segen verleihen, damit sie gleich Sternen die finstere Nacht des Geistes jener Armen erleuchten. Laibach am 10. October 1850. I-i-. V F. Klun. V o r w o r t zur zweiten Auflage. -Das stets steigende Interesse, dessen sich unser berühmte Landsmann Ignaz Knoblecher seit der Rückkunft aus seiner Missions-Station zu Chartum in Afrika nach Europa mit vollem Rechte erfreut, und die große Theilnahme für den hohen Zweck dieser Mission, machen eine neuerliche Auflage dieses Schriftchens wünschenswerth. Nicht bloß vom religiösen Standpunkte, auch vom wissen¬ schaftlichen und commerziellen ist die Befestigung der gegründeten Mission in Eentral-Afrika eine wohl zu beachtende Frage, und lebhafte Freude erregten allerorts die Zusicherungen der gro߬ artigen Unterstützungen der Mission von Seite der kaif österrei¬ chischen Regierung. Möge das so kräftig begonnene Werk gedeihen und segens¬ reiche Früchte tragen. j)r. V. F. Klun. >^)ereits im Jahre 1846 wurde von Sr. Heil. Gregor XVI. cin apostol. Vikariat in Ecntral-Afrika errichtet. Verschiedene cingctrrtenc Hindernisse verzögerten jedoch die Ankunft des Provikars mit seinen Begleitern jn Ehartum, der Hauptstadt von Nigrilicn, wo sie erst im Februar 1848 anlangten. Der Provikar, der rühmlich bekannte Pater Ryllo, kam bedeutend erkrankt in Ehartum an, da er die ganze Reise hin¬ durch an einer Dissentcric litt, und an deren Folgen er leider am 17. Juni desselben Jahres starb, ohne die Befriedigung zu genießen, die ungläubigen Stämme der Schwarzen gesehen zu haben, welche außer des ägyptischen Bereiches liegen und den Haupkgegenstand des Vika¬ riates bilden sollten. Durch den Ankauf eines eben nicht kleinen Hauses und Gartens hatte er noch das Vergnügen, die Mission in 6 Har¬ tum begründet zu sehen; eine Mission, die wegen ihrer Lage zum Sitze des apostolischen Vikars bestimmt zu. seyn scheint. Auch erlebte er noch eine kleine Frucht in der Versammlung einiger christlichen Waisen, welche ohne dieser Gründung keine christliche Erziehung hätten genießen können. Vor seinem Hinscheiden übertrug der Provikar seine Vollmachten deni I)r. Ignaz Kn oblech er, ehemaligen Zöglinge der Propa¬ ganda, welcher von derselben später auch als Vikar ernannt wurde. Dieser sah cs alsbald ein, daß, um zum Hauptziele zu gelangen, kräf¬ tige finanzielle Hilfsmittel, so wie eine größere Anzahl von Mitar¬ beitern nöthig sey. Er schrieb dießfalls mehrere sehr warme Briefe an die Propaganda in Rom. von der er jedoch, wegen der obwaltenden politischen Umwälzungen, kaum soviel erhalten konnte, als zur Fri- stung des Lebens und zum Unterhalt zweier Priester nebst einem Laien¬ bruder unentbehrlich war, weßhalb bis zum Oktober 1849 an ein weiteres Vordringen nicht einmal zu denken war. Der leichteste Weg, um zu den später genannten schwarzen Nölkerstämmen zu gelangen, ist der auf dem weißen Flusse (Bahr el Abiad), welcher sich bei Ehar tum mit dem blauen (Bahr el Asrak) vereiniget und den großen N i l bildet Die Regelmäßigkeit der Winde, die in einem Semester von Norden, und im andern von Süvcn wehen, sowie das periodische Wachsen und Fallen der Gewässer sind die Ursache, II daß man bloß im November die Fahrt auf demselben unternimmt, um unter die Schwarzen zu gelangen. Um diese Zeit fahren die Schiffe von CH art um ab, welche der General-Gouverneur zum Einkäufe von Elephantcnzähnen und andern Waren hinabschickt. Im Oktober desselben Jahres war der Missionär I)v. Angelus Vinko nach Eharkum zurückgckehrt. Er hatte sich bei der ersten Expc- dikion befunden, und mußte sich nun nach Europa begeben, theils um seine Gesundheit wieder herzustellen, theils um Beiträge für die Mission zu sammeln. — Den ersten Zweck erreichte er vollkommen, aber den zweiten nur sehr geringe, da der Krieg eben in Italien rvüthetc, und das Land verarmen machte, so daß, außer einigen Kirchencrfordernissen, das Uebrige nicht den Werth von 200 st. erreichte, wovon ein Theil in Geld, ein Theil in Waren, um sic mit den Schwarzen am weißen Flusse cinzutauschen, bestand. — Ungeachtet der so großen Beschränktheit an Mitteln und an Missionären beschloß der Bikar, schon in Ungeduld die Zeit erwartend, vorwärts zu drin¬ gen, sich der bevorstehenden Expedition anzuschließcn, und aus Man¬ gel eigener Schisse eines in Micthe zu nehmen, was ihm auch, jedoch nur unter harten Bedingungen, gelang. Er offenbarte seinen Ent¬ schluß dem Pascha, Gouverneur der Provinzen, und ersuchte ihn, seinen Leuten den Auftrag zu geben, ihn nicht zu belästigen, wie schon früher die Europäer stets belästiget wurden, wenn sie zu Schiffe diese Reise unternahmen.— Der Gouverneur Hal cd Pascha machte tausend Einwendungen. Nach mehreren Discuffioncn siegte endlich der Bikar, vertraute bas Haus und die Zöglinge in Eharlum der Sorge des Missionärs Cajetan Zara, beließ ihm den Laienbruder als dessen Gesellschafter, und reifete am 13. November um 2 Uhr Nachmittags mit den zwei Missionären Or. Angelo Binco und I)r. Emanuel Pede montc ab. Die erste Nacht peitschte ein heftiger Nordwind die Wogen, daß die Schiffe beständig her und hin schaukelten; deßungcachtet schliefen wir die ganze Nacht. Der Morgen war kühl, und wir mußten uns gegen den scharfen Nordwind mit den Mänteln sichern. Das Schiff, das wir gestern in EHartum zurückgelassen hatten, hatte uns um 10 Uhr Vormittags eingeholt; die Trommel rief nun die zerstreuten Soldaten und Schiffsleure zusammen. Alle Segel wurden hierauf aufgerollt, und die kleine Flvtillc von sieben Schiffen segelte in Reihe durch den wogenden Strom. Unser Schiff, ein leichter Segler, befand 12 sich bald voran, und der kais. Adler Oesterreichs flog den türkischen Halbmonden bald so weit voran, daß wir sie bald anS dem Gesichte verloren. Des Abends hielten wir vor Sonnenuntergang am rechten Ufer unter einem Mimosenwalde, und übernachteten allein an dem einsamen Ufer, dessen Stille nur durch das Geschrei der gegenüber übernachtenden Störche unterbrochen wurde. Diese Nacht sahen wir zum ersten Male das südliche Kreuz über dem Horizonte. — Am nächsten Morgen hatten wir abermals Nordwind, der jedoch minder stark als gestern war. Das rechte Ufer hatte stets eine höhere Lage als das linke, und war, mit Ausnahme von wenigen Strecken, mit dichten Mimosenwäldern bedeckt. Mächtige Schlingpflanzen win¬ den sich aus dem mit Sand überschütleten Aluvialboden, uni die harten Dornenstämme herum. Einige wenige Stücke Landes, wo man die Bäume ausgehauen hatte, waren bebaut; jedoch mangelt in dieser Jahreszeit urbares Land an dem User des mächtigen Stromes, dessen Ufer in dem Maße, als sich das Wasser in das eigene Bett zurück¬ zieht, bebaut werden. — Fahrendaus dem weißen Flusse verläßt man die Staaten des Pascha von Aegypten aus dem linken Ufer bei¬ läufig unter 13° 20h und ans dem rechten unter 12° 10' nördlicher Breite; das linke Ufer gehört somit über zwei und einen halben Grad tiefer den B a k a r a-Arabern, und das rechte durch fast drei Grade den Wilden, den sogenannten D i n ka. Die Inseln jedoch, welche in diesem Flusse liegen, sind Eigenthum anderer Wilden, welche Schilluk heißen. Da sowohl die Araber als die Dinka Hirten sind, so weideten sie uni diese Jahreszeit ihre Hccrdcn im Innern, wo sich auch von dein vorhergegmigenen Negen hinreichendes Wasser befindet, um dieselben zu tränken. Es waren daher sowohl die Ufer, als auch die Inseln der Schilluk verlassen, und wir fuhren bis zum 28. November, ohne eine lebende Seele zu sehen, außer hie und da einen Wilden, der entweder floh, oder sich zu verbergen suchte. Die Ursache dessen ist die beständige Furcht, in der die armen Wilden bei Annäherung der Türken leben, da sie von Letzteren, besonders bei dieser jährlichen Expedition, sehr übel behandelt'werden. Von dieser schlechten Behandlung hatten wir leider ein Beispiel noch innerhalb der Staaten des Pascha. Die Schiffe blieben am 15. Nov., um halb 2 Uhr Mittags, bei Woad Shelayö stehen, um dort die Nacht zuzubringen. Hier erblickt man im Süden die Berge von Torra. Auch sahen wir die ersten Affen von grünlich-grauem Pelz und schwär- 13 zem Gesichte, von niedlicher kleiner Statur, unter den Bäumen am rechten User. — Vor dem Berge von Torra erweitert sich das Strombett gegen Westen in unübersehbarer Ferne; das Uier ist in derselben Richtung ungemein nieder, ohne Bäume, und man hat einen wahren Seehorizont. Woad Shelayü ist die Werste der Schiffe, die den blauen und weißen Fluß und den Nil bis Berber befahren. Diese Schiffe sind jedoch viel schwerfälliger, als die man in Aegypten baut, da sie aus dem Sunt-Holze, das aus dem südlich gelegenen Gebiete der Schilluk gebracht wird, verfertigt werden. Unsere' Expe¬ dition war fast den ganzen Tag beschäftigt, theils die letzten Provi¬ sionen an Bord zu nehmen, theils das noch Fehlerhafte an Tauwcrk, Segcltüchcrn und Rudern in gehörigen Stand zu setzen. Die früher zurückgebliebenen Schiffe kamen uns hier nach, und brachten uns die Nachricht von 2 Arabern, daß die Schilluk in 40 Kähnen sich den Arabern genähert, um Vieh u. d. g. wegzustehlen. Der Comman- dant der Schiffsmannschaft läßt die Schiffe naher an einander rücken, um gegen einen Anfall in Bereitschaft zu scyn. In der Nacht wur¬ den wir durch cincn fürchterlichen Lärm aus dem Schlafe erweckt. Einige Schiffer und Soldaten stiegen an's Land. Auf ein Mal. erblickte man Hochaufschlagende Flammen; bald darauf erscheint bei dem Schiffe der Missionäre ein armer Knabe, von beiläufig 6 Jahren, mit schmerzlichem Wehgeschrei, vom Kopfe bis zu den Füßen fast gebraten. Der Missionär Vinco wusch ihn mit einem wohlthueudcn Wasser, und als am andern Morgen der Vater zum Schiffe kam, berichtete er, daß sich das Kind bereits besser befände; bei der Rück¬ kehr hingegen erfuhr man, daß der kleine Unglückliche wenige Tage nach unserer Abfahrt gestorben scy. Der Urheber dieses Brandes und des Mordes war ein Soldat, welcher bloß zu seiner Unter¬ haltung jene Hütte, in welcher der arme Knabe schlief, in Brand gesteckt hakte. Man kümmerte sich um diese empörende Grausamkeit nicht mehr, als ob der Soldat allenfalls ein Huhn gebraten hätte! Als sich bei der Rückkehr die Schiffe dem Lande näherten, und der Anführer der Expedition erfuhr, die Bewohner hätten beim neuen Gouverneur in Ehartum Klage darüber geführt, hielt er cs für gerathen, seinen Rücken zu decken, und über den Soldaten eine Strafe zu verhängen. — Die Gegend war hier an den beiden Ufern in dem Maße von Landthieren und Vögeln mehr bevölkert, als sich der Mensch in derselben weniger aufhält. Die Affen liefen zwischen 14 Vögeln am User auf und ab, und spielten an den dornenreichen Bäumen miteinander. Schaaren von Vögeln, besonders Wasservögel, sammelten sich am sandigen Strande, und schienen uns mit ihrem Geschrei begrüßen zu wollen, als wir bei ihnen vorüberfuhrcn. Am 18. traten wir in die einsamen, aber erhabenen Regionen des weißen Stromes, der sich, dichtbewachsenc Inseln umschäumeno, emporwälzt. Die User sind tausendjährige Urwälder, die, wie auch die Inseln, mit ihren schirmartigen Bäumen knapp ans dem Strome heraussteigen, und mit Tausenden von prächtigen Vögeln, geschmei¬ digen Affen u. d. g. bewohnt sind, indeß in den Krümmungen des Stromes die gewaltigen Nilpferde in Menge Hausen, und die Vor- übcrfahrenden mit Schnarchen begrüßen, indem sie Kopf und Rücken aus dem Wasser cmporheben, und beim platzenden Niedertauchcn eine Menge Wasser in die Höhe spritzen. — Den nächsten Tag erhob sich um 1 Uhr Mittags ein heftiger Wirbelwind, der alle Schiffe umzu- stürzen drohte, und den mittleren Mastbaum in der Wurzel abriß. Wir landeten allsogleich am rechten Ufer, die Zimmerleute machten sich an's Werk, hieben einen Baum um und zimmerten einen neuen Mast, da der frühere nicht mehr zu brauchen war. — Hier hörten wir auch Frösche mit schlagender Stimme. — Während man auf den Schiffen mit dem Ausbessern der Segelstangen beschäftigt war, stieg ich mit einigen Begleitern an's Land. Diese Insel könnte man mit einem schönen Haine vergleichen, der rings mit Wasser umgeben ist, dazwischen Canäle und Teiche; im Innern derselben ist der von Gänsen, Störchen, Jbisvögeln u. f. w. wimmelnde Boden mit hohem Grase bedeckt. — Wir erblickten Fußtritte in dem getrockneten Bo¬ den, und als wir gcgcn den nördlichen Theil der Insel uns wende¬ ten, sahen wir enge Fußsteige, die sich in verschiedenen Richtungen kreuzten. Wir trafen hierauf ein gänzlich verlassenes Dorf, und die noch brennenden Feuer konnten als Beweis dienen, daß die Bewoh¬ ner in diesem Augenblicke entflohen seyn mußten. Die Hütten waren klein, aus Dura-Stängeln gebaut, und mit einer Thür aus der nämlichen Materie zugelehnt. Vor jeder Hütte war ein kleiner nied. sicher Raum, schön rein und mit einem pöllerartigcn Kruge, tief in den Boden gesenkt, versehen, wo sie verschiedene Fruchtkörner reinigen und zerstoßen, um daraus die Speisen zu bereiten. Die Neger hatten bei ihrer Flucht alle ihre Gcräthschaftcn in den Hütten gelassen. Die Schiffsleute, die mich begleiteten, begannen in die Häuser zu dringen, 15 und die armseligen Geräthschaftcn zu rauben; Einer aus ihnen, damit noch nicht zufrieden, zerbrach aus boshaftem Muthwillcn einen Krug aus Lehm. Bei diesem Lärmen lief der Vikar hinzu, bestrafte den Böswilligen auf der Stelle, und zog dann alle aus dem Dorfe hinaus. — Es ist sich durchaus nicht zu wundern, wenn die Neger allen Weißen in so hohem Grade abhold sind, da sie von Letzteren mit wahrhaft thicrischcr Grausamkeit behandelt werden, so daß sie es für besser halten müßen, im Kriege mit den feindlichen Thieren von der Jagd zu leben, als den Boden zu bebauen und die mühsam erworbene Frucht Andern überlassen zu müssen, oder durch ihren Wohlstand vielleicht noch mehr raubsüchtigc Habgier herbeizulocken. Wie bald würden diese» sogenannten wilden Neger anders werden, wenn sie menschlicher behandelt würden. — Die Insel Omleham ist eine kleine, sehr niedliche Insel, dicht mit hohen Mimosen bewachsen, und rings um die Insel zieht sich wie ein bunter Teppich eine Menge von den üppigsten Wasser- und Schlingpflanzen herum. Hier sahen wir auch die ersten phönixartigen Bogel. Am 21. erhoben sich vor unseren Augen die schönsten Insel¬ gruppen, die am Strande von den blühendsten Schlingpflanzen cin- geschlossen sind. Die Landschaft wird stets anziehenden Der mächtige Strom erweitert sein Bett und umschlingt die Menge Eilande, die in üppigster Vegetation prangen. Grüne Wasser- und Schlingpflanzen bilden zwischen den im Wasser wachsenden Sträuchern undurchdring¬ liche Wälle, zwischen denen sich bloß die zerstreut wohnenden Insu¬ laner und die Nilpferde, die des Nachts auf die Weide ziehen, enge, schlängelnde Wege gebahnt haben. In der Milte dieser Wälle erheben sich die schattenreichen Mimosen, welche die Eilande vor den brennen¬ den Sonnenstrahlen schützen, und in dunkler Dämmerung angenehme Kühle gewähren, wo Affen, Vogel und Neger der Ruhe genießen. Die Endpuncte der Inseln sind mit dem frischesten Grün eingesäumt; — es sind wahrhaft paradiesische Landschaften. — Den nächsten Tag bekam die Gegend einen anderen Charakter. Die Eilande fan¬ gen an, mit Schilfrohr und dem Gebüsche des Schwimmholzes (Ambay) bedeckt zu scyn. Die prächtigen Urwälder von Mimosen engen nicht mehr das Flußbett ein, ein weiter Anblick öffnet sich. Schilfgras wächst an bedeutenden Strecken längs der beiden Ufer stromeinwärts, und die doppelte Reihe von Bäumen, die sich theilS einzeln, theils gruppenweise über die niederen Gebüsche erheben, 16 zeichnen die doppelte Gränzlinic zwischen dem Strombette und dem testen Lande. Die Bäume sind theils Tamarinden, theilsSyco- moren, theils andere uns unbekannte, doch größte,itheils fruchttragend. Am 23. erblickten wir gegen Westen einen kegelförmigen Berg in blauer Ferne, und drei andere in der Richtung von Südsüdost in noch größerer Entfernung, die sich von Osten nach Westen gegen den Strom hinzogcn. Diese Berge bezeichnen die nördliche Gränze der Dinka-Neger am rechten Ufer des Flusses, indessen das linke noch immer zum Gebiete gerechnet wird, das die wandernden Araber in der trockenen Jahreszeit mit ihren zahlreichen Heerde» durchziehen. In der Mittagshitze landeten wir am rechten Ufer, nahe dem west¬ lichen Ende des Berges Npumar, den ich bestieg. Ungeheuere FelS- blöcke sind über einander gethürmt, in dm Zwischenräumen wächst hohes Gras und andere Pflanzen. Das Ersteigen desselben ist sehr beschwerlich, und wir fanden in den grasrcichcn Fugen kein einziges Thierchen. Die Sonnenhitze verjagt jedes lebende Wesen von der erhitzten Fclscnmasse. Wir selbst athmcten kaüm vor der Hitze, die über unseren Köpfen brannte, und die von den Felsen zu einer sie¬ denden Temperatur emporsticg. Die Aussicht aus demselben gleicht der auf einem Felsenriffe mitten im Meere. Mit Ausnahme der zwei in der Nähe stehenden Berge und einer kurzen Bergkette, die sich in SSO. in kaum bemerkbarer Höhe über den Horizont erhebt, ist dieser kreisförmig. Nach allen Seilen hin findet das Auge keinen Ruhepunct. Ueberall eine gleichförmige Ebene von Mimosen, die neben dem blauen Firmamcnte dunkel erscheinen. Die Ebene durch¬ schneidet der mächtige Strom, der aus SSW. herkommt. Längs des Randes sind die Bäume höher und kräftiger, und an vielen Puncten sah man Rauchsäulen am Gestade emporsteigen, die den Eingebornen die Annäherung der Expedition verkünden, worauf sie sich in's Innere mit all ihrer Habe zurückzichen. Die Hitze, die am Berge herrscht, die Stille der Natur, der Anblick über die unerme߬ liche Savanne, wie auf unbegränzter See. Die Luftspiegelungen ließen uns täuschende Bilder von Bäumen und andern Gestalten den Fluß herankommen, die sich eben so schnell entfernten und durch andere Bilder ersetzt wurden. — In geringer Entfernung erblickten wir den Berg Tesafan. Am 27. November kamen wir zu den festen Wohnplätzen der Schilluk-Neger. Außer den Inseln, zwischen den Dinka und den 17 Bakara, bewohnen die Schilluk auch das linke Ufer bis zu jenem See, in welchem sich der aus dem Westest kommende weiße Fluß sammelt. Man sagt, sie bewohnen sieben Tausend Dörfer, und man bemerkt, wenn man am Flusse hinabfährt, in der That deren viele und große, die meisten an einander gelegen. Sie sind, als Wilde, gute Ackerbauer und Hirten, und nähern sich am meisten unter Allen der Zivilisation. — So große und so schöne Felder, als die dec Schilluk, sieht man nirgends längs des Flusses. Sie bauen Fisolen, Sesam (das Sisamkrauk) und vor Allem Dura (eine Art der 6ra- miu-woa foirroissiinn) an, welch' letztere Frucht als Hauptnahrung in Afrika angesehen werden kann. Daraus werden Brot, sowie andere Speisen bereitet; aus dieser Frucht machen sie die Merisa, ein berau¬ schendes Getränk, das in Masse genossen wird. Diese Art der ^i-runi- nacoa ist in Europa fast unbekannt; nur im Königreiche Neapel findet man dieselbe hie und da bei irgend einem Freunde der Agrikultur, und nennt sie IV1i»ü<>no. — Die Hütten der Schilluk sind die höch¬ sten und bestgcformtesten. Mehrere hundert Häuschen mit kegelförmigen Dächern, in einem großen Vierecke an einander gereiht, zeigen dem Wanderer den in ganz Inner-Afrika, vom indischen bis zum atlan¬ tischen Ocean, verbreiteten Typus der Neger-Wohnungen. An den Gestaden des Senegal und Gambia, an denen des Niger und des doppelten Niles erblickt man dieselben Formen im materiellen und gesitteten Leben. Die S ch i ll u k - Neger gehen, ohne Unterschied des Alters, wie andere Wilde, nackt herum; aber ihre Frauen und Mädchen sind mit Fellen bedeckt, so daß man sagen kann, daß sie, außer der Brust, anständig bekleidet sind. Sie tragen ihren Kopf gänzlich geschoren und unbedeckt, während die Männer, und darunter vorzüglich die im Kampfe tapfern, ihre kurzen und wolligen Haare schmücken. — Ucber ihre Religion konnten die Missionäre nichts Be¬ stimmtes erfahren, da sie nicht Kenntniß ihrer Sprache hatten; aber es scheint, daß in jedem Dorsc ein B a u IN, um welchen herum sie eine Mauer errichten, und auf dem sie ihre Schmucksachen hängen, der Gegen¬ stand ihrer Verehrung sei. Ihre Verstorbenen begraben sie, während fast alle übrigen Wilden die Tobten in's Wasser werfen, nachdem sie die Leich¬ name früher an ein Bündel getrockneten Schilfrohres gebunden haben. Am 28. November traf die Expedition unter 10" nördlicher Breite zum ersten Male mit den Schilluk zusammen. Die Schiffe hielten am linken Ufer an. Unser Dolmetsch, Mohamed Aga, ein 2 ,8 ursprünglicher Dinka-Neger, begab sich an's Land; er wurde jedoch zurückgewicsen, und wir setzten unsere Reise fort. Lom Weiten sah man zuerst nur wenige, dann immer mehrere Wilde, alle mit Lanzen bewaffnet, welche jenseits eines Teiches Halt machten. Der Dragoman der Schiffe stieg aus,, begab sich zu denselben, und verhandelte mit ihnen um Ochsen, als Tausch gegen allerlei Glaswaren. Als der Handel geschlossen war, sah man die Schwarzen nach allen Richtun- gen hinlauscn, ja, ich könnte sagen, fliegen, worauf sie in kurzer Zeit mit ihren Ochsen zurückkehrten. Größtentheils sind die Wilden im Laufe ungeheuer schnell; ihr Lauf ist zudem jenem der Gazelle ähnlich, wenn diese ihre Sprünge machen. Die Thiere wurden nun abgeliefert, und dann machten sic sich Muth, über den Teich zu setzen. Sie näherten sich den Schiffen, und unterhielten sich freundschaftlich so lange, dis die Thiere geschlachtet wurden, worauf die Reise sort? gesetzt wurde. Im Lande der Schilluk ist Den ab die Residenz des Königs, seit Kaka, wo er sonst residirte, von den Türken überfallen worden war. Die Gegend ist eine der fruchtbarsten am Nil; der Boden würde unter allen tropischen Colonialländern in jeder Hinsicht einen der ersten Plätze einnehmen können. Daß die Luft nicht ungesund ist, dafür liefert die nervige Entwickelung und kräftige Constitution der Eingcbornen den besten Beweis. Man kann auf jede der gese¬ henen Ortschaften im Durchschnitte gegen 500 Wohnungen, und auf jede Wohnung wenigstens 5 Individuen zählen, was die Zahl 17,500.000 Unterthancn geben würde, wenn die vbangegcbene Zahl von 7000 Dörfern richtig wäre, was aber auf jeden Fall übertrieben seyn muß. Man ist übrigens mit der Statistik der Schilluk-Neger zu wenig bekannt, um ihre Zahl nur einigermaßen angeben zu können. Man sieht nur längs dem Strome durch mehr als eine» Breitengrad sehr ansehnliche Ortschaften dicht neben einander am linken Ufer hin, und man versichert dasselbe auch von den vom Flusse entfernteren Strecken. Um daher ein mögliches Urtheil über diesen Stamm zu fällen, kann man sie zu einer Zahl von l — 3 Millionen anschlagcn. — Den folgenden Tag hielten wir in Waw an. Dieß ist eine große Ortschaft, und man gewahrte hier weder Mißtrauen noch Furcht; denn während am ver¬ gangenen Tage nur starke und bewaffnete Männer beim Handel erschienen waren, kamen hier Leute jeden Alters und beiderlei Ge¬ schlechtes herzu. — Wir waren sehr erstaunt, als Frauen und Mäd- I» chcn ganz rein und sittsam bekleidet waren, indessen die Männer und Knaben, vom ältesten bis zum jüngsten, ganz nackt und mit Asche grau und röthlich über alle Thcile des Körpers bestreut, hin- und Herzogen. Das weibliche Geschlecht hat kurze Vortücher mit einem Schafpelze, das ihnen über einer Schulter zusammen geheftet, über den Leib bis zu den Knien hrrabrcicht. — Die Körper-Constitution dieser Leute, obschon sie für die Höhe etwas unproportionirt scheint, da sie sehr schlank sind, ist doch trefflich entwickelt. Sie sind sehr leicht gebaut, und wie alle Wilden zum Laufen geeignet. In Betreff der Moralität sind diese Leute nicht so weil zurück, als man beim ersten Anblicke annehmcn würde. Der Todtschlag wird durch ein Ur- theil von Seite des Königs bestraft. Der Ehebruch ist unter ihnen etwas höchst Seltenes, und wird, wenn beide Thcile sich nicht durch die Flucht gerettet haben, mit dem Tode bestraft. Die Männer nehmen sich, nach Vermögensumständen, eine bis sechs Frauen, welche abgesondert in ihren Hütten wohnen, Tabak rauchen und ihre häus¬ lichen Arbeiten verrichten, indcß die Männer ihre Heerden weiden, auf den Fischfang und die Jagd ausgehen, und im Allgemeinen den größeren Theil des Jahres außer dem Hause znbringen. — Bei diesen Wilden versah sich die Expedition mit Fleisch, Geflügel und Hülscn- früchten. — Man findet dortlands zwar auch Elcphanten, aber alle Zähne derselben müssen dem Könige übergeben werden, welcher sie hierauf den im Innern reifenden Handelsleuten verkauft. Dieser Kö¬ nig ist der einzige unter den Häuptlingen der Wilden, welcher eine gewisse Auszeichnung sich vorbehält, während alle übrigen keinen Unterschied zwischen sich und dem Volke machen. Am 2. December fuhren wir den ganzen Vormittag bei umwölk- tem Himmel. Die Ufer stellen eine niederigcs weit ausgedehnte Fläche dar, wo das Wasser nur langsam fortrinnt, und das Negcnwafscr einen bedeutenden Theil des JahreS stagnirt. Der Strom zertheilt sich in mehrere Aeste, von denen die meisten mit den üppigsten Gra- minaceen überdeckt sind, die in -der trockenen Jahreszeit den Heerden der Schilluk als fette Weideplätze dienen. Nach drei Uhr Nachmittags erreichten wir die Mündung des Sowbat, der quer von der Halb- inscl von Senaar über das Gebiet der Dinka in den weißen Fluß sich ergießt. Die Breite des Sowbat beträgt ungefähr eine Meile vor seiner Einmündung in den weißen Nil IVO Meter. Dieser nörd¬ lichste Nebenfluß des weißen Nil s gibt Letzterem einen guten Geschmack, 20 Ani 3. erblickten wir eine Heerde Giraffen in einem blätterlosen Mimosenwaldc, die ihre Hälse hoch über die Bäume erhoben; und dann 18 Elephanlen, die sich gemüthlich im hohen Grase unterhielten. Beim Anblicke der Schiffe hoben sie ihre Rüssel in die Höhe und spritzten Wasser in die Luft, während sie mit ihren weiten Ohren klafften. Eine Anzahl von weißen Reihern saßen ihnen auf dem Kopf und Rücken.— Das Strombett war hier breiter als gewöhnlich, und zum Theilc mir hohem Grase bedeckt. Am linken Ufer zog sich auch heute die Reihe der Schilluk-Ortschasten unter schönen Gruppen von riesenhaften geästeten Palmen, später ohne allen Schatten, dahin. Auch bemerkten wir in gerader südlicher Richtung einen Berg, der viele Spitzen am Rücken hatte. Auf diese Art wurde die Reise bis zum 4. December fortgesetzt, und an mehreren Orten Einkäufe auf die früher genannte Weise besorgt. An diesem Tage aber endeten die Ortschaften der Schilluk am Ufer. Die Schilluk sind sehr geschickte, kräftige Jäger und Fischer, die ihre engen, langen und leichten Kähne mit bewunderungswürdiger Gewandtheit handhaben, sich deren bei der Jagd der Nilpferde bedienen, und bringen sie auf dem Rücken in ihre nicht selten entfernten Wohnungen. Die Sklaven, die von diesem Stamme nach Chartuni und nach Nubien kommen, werden für dumm gehalten, und nur zu groben Arbeiten verwendet. Die Schilluk verkaufen nie ihre Angehörigen, und jene, welche im Handel vorkommen, sind arme Gefangene, die den Bakara oder den Dinka in die Hände sielen. Auch wird den Schilluk Faulheit und ein besonderer Hang zum Stehlen vorgewvrfen. Kann aber wohl ein ganzer Stamm mit einem solchen Ruse gebrandmarkt werden? Zudem ist der Sclave im fremden Lande nie das, was der freie Neger in seiner Heimat!) ist. Die Einig¬ keit und politische Verbindung unter einem Könige, der sie durch eigene Ortsvorsteher, deren Devutirte sich alle 3 Wochen bei ihm versammeln, regiert, macht sie stark und den Feinden fürchterlich.— Das Ufer ist hier mit sehr hohem und dichtem Grase bewachsen, welches so lies in de» Fluß hinein wächst, daß man das User gar nicht besteigen kann. Dieses Gras bedeckt die beiden Ufer ohne Unter¬ brechung von 9° 26' bis 6" 50', d. i. den äußersten Süden der Schilluk, den ganzen der Noör, und die Hälfte jenes der Kyk. Es ist überaus dicht, hat oft anderthalb Manneshöhcn, und scheint auf den ersten Anblick weich; doch überzeugte sich einer der Missionäre bald des Gcgentheils. Er betrachtete einen Stängel in der Nähr, 21 fühlte aber bald einen scharfen Stich, und sah fast die ganze Hand mit ganz kleinen Stacheln bedeckt. Bei genauer Besichtigung ergab cs sich, daß der Stiel und die Adern dieser Pflanze üppig damit besetzt waren. Sie ist aber zugleich ein doppelter Beweis der Vor¬ sehung, indem sie einerseits als Schutzmauer für die Wilden gegen Anfälle vom Ufer aus dient, andererseits aber dienen die Körner in Ermanglung anderer Speisen als Nahrungsmittel. — Den nächsten Tag pastirten wir bei günstigem Winde den See, von den Bakara der Gazellen-See (Bahar el Gazal) genannt. Er war damals wegen des außerordentlich niederen Waffcrstandcs sehr klein, uns man konnte wegen des großen Grases nicht einmal die Mündung des Flusses, der von Westen dem Hauptarme des weißen Flusses zufließt, gewahr werden. Aus dem See wieder in die Strömung des Flusses gekommen, fand man das Bett des Ufers sehr enge, theils wegen des oberwähnten Grases, theils wegen der häufigen Zcrtheilungcn in viele Kanäle, welche hierdurch unzählige Inseln bilden, von denen sehr viele nur die Wasserhöhe erreichen und von dieser bedeckt sind. Der Fluß strömt in dieser Strecke durch tausend Krümmungen, so daß häufig die Hinteren, gegen Süden laufenden Schiffe die Vorbern schon nordwärts zusteuern sahen. Bei hohem Wasscrstande müssen jedoch viele dieser Krümmungen wegen des niederen Bodens verschwin¬ den. Zu einer solchen Zeit muß dieser wahrlich außergewöhnliche Fluß in einem großen Theile seines Laufes das Bild eines weiten, ufer¬ losen Meeres bieten; denn da bildet sich aus der Unzahl von niederer Landstrichen, Inseln, Kanälen, den vielen Seen, den sehr vielen gro߬ artigen Teichen nur ein einziges Ganze! — Es ist überflüssig zu erwähnen, das jene große Menge von Wasserpflanzen und Sümpfen in einem so heißen Klima sowohl die Luft als das Wasser ungemein verderben, und daß in diesen Gegenden die Fieber besonders vvrwalten. Auch kann man sich leicht vorstcklen, daß cs hier eine Unzahl von Insekten gebe: aber die Menge derselben wird nur derjenige beur- tdcilcn können, der Augenzeuge davon gewesen. Kaum verschwinden die letzten Strahlen der Sonne, so wird man gewahr, daß die ganze Atmosphäre von Gölsen überfüllt zu seyn scheint, und wohl muß es Jeder bedauern, der sich nicht allsogleich hinter den gegen den Zudrang dieser Insekten errichteten Vorhang flüchtet und jeden Zugang sorg¬ fältig verschließt. Auch leidet man viel von den Verfolgungen einer gewissen Art von Fliegen, welche bei Sonnenaufgang den Golfen 22 folgen. Diese Fliege iü beiläufig zwei Mol so groß als die sogenannte Noßfliege, und das Blut fließt tropfenweis, wenn man von derselben gestochen wird. — Diese höchst unglücklichen User, die man für menschliche W sen unbewohnbar halten müßte, sind nichts dcstowenigcr von Wilden bewohnt, welche Noür heißen. ES ist zwar allerdings wahr, daß sich ihre Wohnungen in einiger Entfernung vom Ufer befinden; sic scheinen aber auch im Uebrigen weniger gesellig als andere Wilde zu sevn, indem wir gar kein Dorf, sondern nur hier und da in mäßigen Entfernungen zerstreute einzelne Hütten sahen. In früheren Expeditionen erhielt man von ihnen Elephantenzähnc; da jedoch die Türken mehrere Räubereien begangen, nähert sich keiner von diesen Wilden mehr den Schiffen. Sie sprechen dieselbe Sprache, wie die Schilluk, so wie sich derselben auch die Kyk, die Eliab und die Bor bedienen. Am lv. Dezember verließen wir das Gebiet der Novr, und betraten jenes der Kyk. Dieses Volk scheint fast bloß von der Fi¬ scherei zu leben; ihre Dörfer sind klein, elend ihre Hütten, und als Folge ihrer Beschäftigung verbreitet sich fast überall ein fast uner¬ träglicher Gestank. Sobald sich die Expedition einem Dorfe nähert, so fliehen die Fischerschiffc, überfüllt von jungen Frauen, Knaben und Mädchen, wie der Blitz, um sich in irgend einem der nächsten Dörfer zu verbergen. Der Grund dieser Furcht liegt darin, daß die Türken hier Knaben und Mädchen zu rauben pflegen, um sie ent¬ weder als Sclaven zu behalten, oder in Ehartum zu verkaufen. Deß- ungeachtet seht dieses Bolk seinen Tauschhandel mit Elephantcn- zähncn fort. Dießmal jedoch fand man sehr wenig Zähne, sowie auch eine nur sehr geringe Anzahl von Einwohnern, besonders aus den ersteren Dörfern, erschienen war. Als man um die Ursache dieses Mangels fragte, erfuhr man, daß ein Eogiur (ein Wahrsager) im Lande hcrumging, und seinen Stammgenossen verbot, Elephantenzähnc der Expedition zu bringen; ja er bedrohte Jeden mit dem Tode, der cs wagen würde, das Gebot zu übertreten , oder mit den Türken auch nur zu sprechen. — Nachdem man dieses, sowie auch den nicht weit entfernten Wohnsitz des Eogiur erfahren hatte, bericthen sich die Anführer der Schiffe, ob man sich nicht desselben bemächtigen, und ob man List oder Gewalt hiezu anwenden sollte. Alle Stimmen waren für ja, ausgenommen jene des Vikars, der schon vermöge seines Standes ein Feind alles Blutvergießens, was in einem solchen Falle 23 unausbleiblich war, sich dagegen aussprach. Uebrigens fand es der Vikar ganz natürlich, daß einer aus den Wilden bei seinen Lands¬ leuten sich verwendete, jede Verbindung mit den Türken abzubrcchen, nachdem von Letzteren in den vergangenen Jahren so viele Räubereien und Grausamkeiten verübt worden waren. Für dießmal gaben die Schiffsführer dem Wunsche des BikarS nach, indem cs ihnen für ihre anderweitigen Absichten zu wichtig schien, sich ihm folgsam zu bezeigen. -- Nun wurde die Reise fortgesetzt, und am 13. landeten die Schiffe bei einem Dorfe, wo man dem Eogiur weniger Glauben geschenkt hatte, und wo man einige Elephantcnzähne erhielt; doch dauerte der Mangel an selben bis zum Dorfe Angwtzn, welches wir am 22. December erreichten. Angwün ist ein kleines Dörfchen zwischen dem Flusse und einem See. Die Hütten der Eingcbornen sind elend, kein Baum erhebt sich in der ganzen Ortschaft. Die Physiognomie ist gemildert, sic scheinen nicht so dumm zu sein, als die bloß unter den Bäumen lebenden Neger. Hier bekamen wir den Solüb zuerst zu Gesichte; es ist dieß eine sehr kleine Erdäpfel-Gat¬ tung, wovon sich die Neger nähren. Die Haut ist röthlich und der Geschmack ist wie der unserer Erdäpfel, nur etwas wässerig und säuerlich. — Hier ist der Sitz dcS Häuptlings der Kyk, von dem wir nicht bloß wegen der Freundschaft, die sein Vater stets gegen diese jährliche Expedition bewiesen, sondern auch deßhalb, weil er feierlich von der Expedition vor zwei Jahren auf seines Vaters Po¬ sten erhoben ward, auf festliche Weise empfangen wurden. Diese cbcngcnanntc Expedition hatte einen Europäer zum Führer, der, um einerseits die Wilden mehr abhängig zu machen, andererseits aber ihnen eine hohe Idee von der Macht der civilisirten Nationen bcizubringen, die Gelegenheit, daß ihr Anführer kurz vorher in einem Kampfe getödtct wurde, wohl zu benützen wußte. ES wurde eine möglichst zahlreiche Versammlung der Wichen zusammenbcrufcn, und unter Kanonendonner wurde die Ernennung des SohneS zum Häuptlinge der Kyk verkündet; zugleich wurden von einem großen Blatte Pa¬ pier die furchtbarsten Drohungen herabgelescn, wenn irgend Jemand cS wagen sollte, bei der Fischerei, der Viehzucht oder auf den Wei¬ den dem Häuptlinge sich zu widersetzen. Diese Scene wurde von den Wilden, und insbesondere von dem Ncuerwähltcn, mit ungeheuerem Ernste ausgenommen. Trotz dieser großen Festlichkeit aber blieb der Häuptling Jedem aus dem Volke ganz gleichgestellt, ausgenommen 24 einer gewissen Art Achtung, die inan eben vor seiner Persönlichkeit und seiner hohen Statur besitzt. Nach der herzlichsten Aufnahme bewies er seine Dankbarkeit da¬ durch, daß er sich alle mögliche Mühe gab, Elephantcnzähne Herbri¬ zuschaffen ; auch blieb er beim Umtausch der Waren fortwährend zu¬ gegen. Gegen Niemanden aber bezeugte er ein so großes Zutrauen, als gegen den ältesten Missionär. Die Augengläser, die dieser trug, sowie sein langer, fast ganz weißer Bart mußten auf Jenen einen solchen Eindruck gemacht haben. So oft er ihn sah, ging er ihm nach, und ergriff ihn bisweilen bei der Hand; doch konnte kein Ge¬ spräch unter den Beiden angeknüpft werden, da Einer des Andern Sprache nicht verstand. Der Missionär kehrte auf das Schiff zurück, wohin ihm auch der Häuptling folgte. Nun wurde der auf dem User befindliche Bikar herdeigerufen, welcher sogleich einen Dragoman zu zu suchen befahl. Unterdessen ergriff Jener bald den Bikar, bald die Missionäre bei der rechten Hand, und küßte sie zu wiederholten Malen. Sobald der Dragoman erschienen, erfuhr man die Ursache dieser außergewöhnlichen Erfurchlsbezeigungen. Beim Anblicke des Missionärs schwebte nämlich demselben wieder das Bild eines sehr gefeierten Wahrsagers vor, und er bat, von der gewöhnlichen Sitte der Wilden, welche immer um Schmucksachen bitten, abgehend, statt um irgend einen Talisman, um Gewährung von vier seiner Wünsche. Der erste Wunsch war, daß er viele Kinder erzeugen würde; der zweite, daß alle Jene, welche seinen, Baker getödtet und ihn verwundet hatten, sterben würden, (er trug noch eine große Wunde am Kopse, die ihm schon vor drei Monaten mittelst einer Lanze ge- schagen wurde, und die einen unerträglichen Gestank verbreitete); der dritte, daß er bei jedem Zusammentreffen mit seinen Feinde Sieger bleiben würde, und der vierte, daß er ihn von seiner Wunde heilen möge. — Der erste Gedanke der Missionäre war jener, den der Häuptling zuletzt aussprach, und um den er sich weniger zu kümmern schien, Der Kopf wurde ihm rein gewaschen, und über die Wunde ein hei¬ lendes Pflaster gelegt, wovon ihm auch soviel gegeben wurde, daß er durch mehrere Tage dasselbe wechseln konnte. Um nicht mehr auf diesen Gegenstand zurückkehrcn zu müssen, erwähne ich nebenbei, daß wir ihn bei unserer Rückkehr vollkommen hergestellt fanden. Da ihn jedoch diese Sache, im Verhältnisse zu den übrigen gestellten Wün¬ schen, am. wenigsten zu interessiren schien, fand er cs auch nicht der 25 Mühe werlh, hiefür seinen Dank auszusprcchen. — Nachdem man obige Eur am Kopse vorgcnommen, wiederholte er neuerdings seine übrigen Wünsche, und die Missionäre waren um eine genügende Antwort in nicht geringer Verlegenheit; dieß umsomehr, da die geringen Kennt¬ nisse des Häuptlings und des Dragomans eine überzeugende Beleh¬ rung unmöglich machten. Da siel es dem Vikar ein, ihm ein Bild- niß der unbefleckten Mutter Gottes zu geben, welches ihm um den Hals gehängt wurde, worüber er sich sehr befriedigt zeigte. Auf seine Frage, ob diese Medaille in vorkommenden Fällen mit ihm sprechen würde, antwortete der Vikar, daß sic ihm in allen Nöthen helfen werde Bei unserer Rückkehr fanden wir, daß er den langen und weiten Anzug, mit dem wir ihn bekleidet, abgelegt hatte; deßunge- achtct aber behielt er das Bildniß am Halse. — Er begleitete die Expedition bis an die Gränze des Gebietes der Kyk, und durch seine Verwendung erhielt man" mehr Elephantenzähne, als in den andern Dörfern, obwohl dermal die Ausbeute im Verhältnisse zu andern Jahren geringer war, da die Reden des Evgiur die Elephan- jagd bedeutend vernachlässigen machten. Am 25. kamen wir zwischen die Negerstämme Help ab und die Bor, kiese auf dem rechten, jene auf dem linken Ufer des Flus¬ ses, und die Missionäre feierten nach Thunlichkeit die Geburt unseres Herrn. Fahnen wurden auf den Schiffen aufgchißt, und zwar die französische, als die eigenthümlichc des Schiffes, und die öster¬ reichische, als Nalionalfahne des Vikars. Am Morgen und am Abende gab man einige Schüsse mit der kleinen Kanone, die man am Bord hatte. Auch die andern Schiffe bewiesen uns diese Aufmerk¬ samkeit, daß sie ihre, mit dem Halbmond gezierten Fahnen aufpflanzten. Die Help ab und die Bor sind viel geselligere Nationen als die früheren. Sic wohnen in großen Dörfern, haben einen sehr gro¬ ßen Viehstand, vorzüglich an Hornvieh; ihr Gemüth ist heiterer, fröh¬ licher Natur. Auch diese Stämme verbargen ihre Söhne und Töch¬ ter, aus Furcht, daß sie ihnen geraubt würden. An Elephantenzähne» erhielt man Heuer eine nicht geringere Menge, als in andern Jahren, da jener Eogiur zu diesen Stämmen nicht gekommen war. — Im Westen von den Helyab und ihnen sprachverwanbt, wohnen im In¬ nern die Stämme der Dunye, Gwa, Atwot, Waja, Ma- dar, Low, Arol; sie sind mit den Helyab oft in Fehde, ob¬ schon sie gleichen Ursprunges mit ihnen sind. 26 Am 27. waren wir unter 6" It? 44" nördlicher Breite ange- kommen. Hier thcilt sich der Fluß in zwei Hauptarme; eine ganze Gruppe von Inseln, deren Zahl man nicht angeben kann, und von denen die erste und die letzte die größten scheinen, gewährt eine an¬ genehme Abwechslung. Den nördlichen und den nordwestlichen Theil bewohnen die Help ab, den südöstlichen und den südlichen die Zhir. — Bei diesen beiden Armen des Flusses pflegt sich die Expedition zu trennen, und es wurde beschlossen, daß drei Schiffe den westlichen, vier hingegen, und darunter das Schiff des Vikars, den östlichen Arm verfolgen sollen. Da bereits die Dunkelheit einzubrechcn begann, so entschloß man sich, noch gemeinschaftlich in einem am linken Ufer, genau bei der Spaltung des Flusses in die beiden Arme, gelegenen Dorfe der Hclyab zu übernachten; allein sobald wir dazu Miene machten, entfernten sich die Einwohner, damit sie doch ohne Furcht übernachten würden, und die Schiffe landeten ein jedes an der Seite der Insel, welche ihrer zukünftigen Richtung zugekehrt war. Den näch¬ sten Tag sahen es die Missionäre ganz wohl ein, daß die Wilden vollkommenen Grund dazu hatten, die Nähe der Schiffe zu fliehen; denn als sie am Strome weiter fuhren, bemerkten sie die Uebcrrestc eines Dorfes, und man sagte ihnen, dasselbe sey bei einer früheren Expedition von den Türken verbrannt worden. An diesem Tage bekamen wir endlich nach einem langen Zwischen¬ raum, an der nördlichen Gränze des Gebietes der Bor-Neger, einen sehr schönen, im üppigsten Grün prangenden Wald, der sich am rechten User gegen Süden hinzieht, zu Gesichte. Die Dolcbpalme wächst zwischen dem Hcliab, dem Anderab, Tamarinden und anderen tropischen Bäumen, die theils mimoscnartig, theils mit lanzcnförmigcm Laube bedeckt sind. In der Savanne zeigte sich nur hier und da irgend ein einsamer Wasservogel; hier aber zwitscherten eine Menge Vögel, die mit dem buntesten Gefieder bedeckt sind. Bevor das Gebiet der Helyab und der Bor verlassen wurde, mit welchem zugleich die Dialecte und Veränderungen der Sprache der Schilluk endigen, versahen sich die Schiffe mit Dragvmanen aus solchen Eingebornen, welche die Sprache der Zhir und der Bary (die bei beiden Stämmen die nämliche ist), sowie etwas Arabisch ver¬ standen; wenn aber das Arabische nicht hinreicht, so verständigen sie sich mittelst der früheren Dragvmanen. Der Vikar hatte von Char- tum aus einen jungen Menschen, dem Stamme der Bary angehö- rr rend, in Dienste ausgenommen; dieser redete mittelmäßig arabisch und war in der Folge den Missionare» von großem Nutzen. Die Hel hab sind von hoher, schlanker Statur, breit geschultert, mit gewölbter Brust, den Kopf hoch cmportragend. Manner und Weiber größtentheils mit fliegendem Haar, das in kleinen Locken herabhängt. Ihre Stirn ist hochgcwölbt, die Nase nicht stark hervor¬ ragend, etwas gedrückt, mit breiten Nasenlöchern. Der Mund ist weit, die Lippen nicht dick Sie sind ganz mit Asche überdeckt, wo¬ mit sie anch ihr Vieh, das sie so sehr lieb haben, einreibcn. Sic sind ausschließlich Hirten, nähren sich von Milch und dem Fleische abge¬ standener Rinder und Schafe. Argwöhnisch sind sie besonders gegen die Türken, unter einander aber scheinen sie sich zu lieben, obwohl sie bisweilen für sehr geringe Sachen Zank und Kampf unter sich anzettcln. Die vcrheirathetcn Weiber sind um die Lenden mit Häuten bedeckt, die Mädchen haben nur ein Kalbsfell über die Schulter hängen, das unter einer der Achseln herabhängt. Die Weiber zieren sich mit eisernen dicken Ringen an beiden Händen und Füßen, die bis zu den Ellbogen und den Knien reichen; andere haben Ketten von feinerer Arbeit, die kreuzweise über Rücken und Brust langen. Ihr wolliges Haar ist 4 —S Finger lang; an der Stirne haben sie entweder eine Reihe von Glasperlen, oder ein Band aus dem Blatte irgend einer Grasart. > Als wir am 29. am rechten Ufer an's Land stiegen, kam eine sehr große Menge von Schwarzen, von sehr schönem, hohem Schlage, aus dem Gehölze heraus. Sie waren schön gebaut, von sammctschwar- zer Farbe, die in der Sonne erglänzte, von starken Muskeln, einer imponircnden und zugleich anziehenden Physiognomie, — ganz das unverdorbene Werk der Natur! Ihre glatte Stirn ist hoch und schön gewölbt, das Gesicht rundoval von proportionirter Länge, die Nase nicht breit, klein und etwas adlerartig gebogen. Sie setzten sich auf den Boden und sangen ein nationales Kriegslied. — Am Abende sahen wir eine Heerde von mehr als dreißig Nilpferden, die sich zu¬ sammen im Flußbctke befanden. Am letzten Tage des JahreS langte die Expedition in dem Ge¬ biete der Zhir an, und hier änderte sich die ganze Scene. Das Volk kam in Menge von den Dörfern unseren Schiffen entgegen, und als diese erreicht wurden, begleiteten Frauen jeden Alters, Mädchen und Knaben längs des Users die Schiffe, sangen, und begleiteten ihren 28 Gesang durch ein abgemessenes Händeklatschen. Die Worte des Ge- sanges lauteten: Mata da do-to, Mata da do-to, und wurden mit solch angenehmer Harmonie gesungen, wie man sie sicherlich bei einem wilden Volke nicht erwarten würde. Dieses ist die Art ihrer Be¬ grüßungen , und heißt: »Sultan, befind' dich wohl!« — „Sultan befind' dich wohl!« Dieser Gesang wurde nur dadurch zeitweise un¬ terbrochen, daß sie die hier und da aus dem Schiffe an's Ufer ge¬ worfenen Glaswaren aufzuklauben sich beeilten, worauf sie aber all- soglcich die Schiffe einznholen bemüht waren. — So begleiteten sie uns bis zu ihrem Dorfe, wo sie sich etwas aufgehalten haben moch¬ ten; denn nachdem wir vorbcifuhren, folgten sie in weit größerer Entfernung, als früher beim Entgegenkommen. — Die große Ver¬ traulichkeit dieses Volkes, sowie der Bary, rührt daher, baß die Tür¬ ken bei ihren früheren Expeditionen hier nicht die gewohnten Spuren ihrer Grausamkeit und ihrer Räubereien hinterlassen haben. Daß sie dieses nicht thaten, dieß will man dem Ruse der Tapferkeit, welchen diese unter allen übrigen wilden Stämmen genießen, zuschrciben; die Türken aber gehören zu jener Classe, welche der Dichter-Heros Danke Alghicri beschrieben, indem er sagt: Die stbcrkeckc Schaar, die dann in Wnth nur übergeht, Wenn Jemand vor ihr flieht; doch wenn man Zähne zeigt, Vielleicht auch nur die Bors', — besänftigt wie ein Lämmchen steht. *) In ihren Dörfern und ihren weiten Umzäunungen, hinter wel- che sie ihre zahlreichen Rinder treiben, fanden wir beim Landen Leu¬ te jeden Alters und beiderlei Geschlechtes. Um sine freundliche Erin¬ nerung zurückzulassen, vcrtheilte der Vikar unter die Kinder allerlei kleine Glaswarcn. Die Väter und Mütter brachten dieselben frei¬ willig herzu, ja bisweilen zogen sie diese fast gewaltsam bei den Hän¬ den herbei, wenn die Kinder sich wegen der solchem Alter natürlichen Schüchternheit zurückzogen. — An diesem Tage verursachte der nie¬ dere Stand des Wassers, welches in jene vielen Kanäle vertheilt ist und di« obcrwähnte Inselgruppe bildet, viel Langeweile, bis die Ex¬ pedition in die Lage versetzt wurde, die Weiterreise fortzusctzen. Seit dem ersten Tage der Trennung der Schiffe wollte jene Abtheilung, *) k,'ollraootata solüatta clio s'iuilrav« Oictoo a obi kugg«, oll a vbi wo-ilr-» il ctillta Ovvor I» borim, como »gnel sl 29 die den östlichen Arm hinaufschiffte, von zwei Kanälen jenen rechter Seits befahren, sowie dieses bei andern Expeditionen der Fall war; aber kaum waren die ersten Schiffe einen Buchsenschuß weit hincin- gesegelt, als sie die Unmöglichkeit, weiter zu fahren, einsahen. Ein Glück war es für sie, daß das zahlreich versammelte Volk durch tür¬ kische Brutalität noch nicht ausgebracht war, wie cs die früheren Stäm¬ me waren. Wäre dieses nicht der Fall gewesen, sie hätten sicherlich umkehren müssen; Versandungen waren, man kann sagen, Schritt für Schritt, und nicht selten war es nothwendig, daß die ganze Beman¬ nung der Schiffe in's Wasser stieg. Dicht gedrängt an einander wa¬ ren die Schiffer am Vvrder-^und am Hintertheile, sowie an den Sei¬ ten des Schiffes; mit den Füßen stemmte man sich fest am Beete des Flusses und mit dem Rücken an das Schiff; auf einen gemein¬ schaftlichen Schrei hoben sie das Schiff auf, während Hunderte von Wilden mit einem starken Schiffstaue dasselbe um einen Schritt wei¬ ter zogen. Nun setzten sich die Schiffer neuerdings in die obige Stel¬ lung, auf die nämliche Weise wurde abermals ein Schritt gethan, und dieses wurde so lange fortgesetzt, ins das Schiff zu schwimmen begann. Man wollte nun diese gefälligen Wilden belohnen, doch war dieses keine geringe Aufgabe. Kaum hatten sie den Strick ausgelassen, als sic in ein lautes Freudengeschrei ausbcachcn; sie drängten sich auf jene Seite des Schiffes, wo der Vertheiler der Glaswaren sich befand; sie preßten sich, streckten Einer über den Andern die Hände aus, so daß von jenen Glaswaren mehr ins Wasser sielen, als in ihren Hän¬ den verblieben. Man mußte daher auf eine andere Weise dke Ver- theilung vornehmen. Der Vertheiler stieg auf einen Mastbaum des Schiffes, und warf von dort, wo er minder tiefes Wasser gewahrte, zeitweise eine Hand voll von jenen Glaswaren herab. Nun sah man hier eine Schaar Wilder, die sich hcrunterbückte, eine andere, die herum¬ lappend eifrig suchte; wieder Andere hoben eine Faust voll Sand oder Koth aus dem Flußbetts und suchten die Glaswarcn aus. Da über- dieß Niemand ein Geräts) hatte, wo er dieselben hätte verwahren kön¬ nen, nahm jeder Alles in den Mund, was er fand. Dieses Geschäft dauerte zwei bis drei Stunden, während welcher Zeit sich langsam die Suchenden verloren. — Nachdem das erste Schiff auf die obige Weise sortgezogen, oder vielmehr sortgetragcn wurde, begann man mit dem zweiten die nämliche Arbeit, und so nach und nach mit den übrigen. 30 In dieser Gegend begrüßten die Missionäre den ersten Jänner, und das Neujahr erwiederte mit einem unvorhergesehenen starke» Un- gewittcr; Siegen, Blitz und Donner kam in reichlichem Maße. Dieß war ein außergewöhnliches Ereigniß, denn cs fehlte noch mehr als ein Monat bis zum Eintritte der jährlichen Regenzeit. Am folgen¬ den Tage drohete. abermals ein Ungewitter, doch kam es nicht heran- gezogen. An diesem Tage (am 2. Jänner) begann in weiter Ent¬ fernung, in südwestlicher Richtung, ein Gebirge sichtbar zu werden, welches Niercanyi heißt. Es liegt im Gebiete der Bary, nicht weit vom Flusse, wo die Wilden eisenhältiges Erz graben. Dieß war der erste Berg, den man bemerkte, nachdem jener im Rücken gelassen wurde, welcher auf den Landkarten unter dem Namen Tefafan vorkommt, gewöhnlich aber der »B e r g der D i n k a« deßwegen heißt, weil er im Lande dieses Negerstammcs, und zwar am rechten Ufer unter 10" 35' nördlicher Breite gelegen ist. Wenn man das Land der Zhir betrachtet, so gewahrt wan, daß sie nicht bloß ein Hirtenvolk sind, sondern auch Ackerbau treiben, und darin nur wenig den Schillert nachstehen. Ihre Hütten sind rund, mit Lehm verkleb¬ tes Rohr dient zu Wänden, und kegelförmige Dächer, fest gebaut, schützen vor den heftigen Regengüssen. Diese Leute scheinen sehr gut- müthig, doch wissen sie das Ihrige zu vertheidigen, sind tapfer, wis. scn Bogen und Pfeil trefflich zu handhaben, und sind stets bereit, den Diebstahl an ihren Hcerdcn mit dem Tode zu bestrafen, worin eben ihre gegenseitigen Fehden bestehen. Sic scheinen mehr geweckt, sind stets in Bewegung und sitzen nicht, wie die Kyk, stundenlang auf einen Gegenstand hinstarrend. — Am 3. Jänner kam der Haupt, ling von Bajo zu mir, um mich in sein Haus einzuladcn; er bat mich zugleich, in seinem Lande zu bleiben und dasselbe zu regieren. Ich versicherte ihn, daß ich wicderkehren und ihm Leute bringen wer¬ de, die sich bei ihm ansiedeln und das Volk in allem Erforderlichen unterrichten werden, und daß sie hierauf Niemand mehr beunruhigen werde. Er stellte sich damit zufrieden und bat mich zu wiederholten Malen, mein Wort künftiges Jahr zu erfüllen. In dieser Jahreszeit sah man hier Scsamfelder; auch werden Bohnen und die bereits er¬ wähnte Dura in Menge angebaut. Gartenpflanzen haben die Wil¬ den keine, mit Ausnahme der Kürbisse, die jedoch hier tie Größe ei¬ ner ganz kleinen Gurke haben, und welche mit großem Vergnügen nach einer so langen Entbehrung des frischen Gemüses von uns ge- 31 »offen wurden. — Besonders angenehm überraschte mich der Anblick von einer Art einfacher Harfen, wie sie in meiner Heimat Krain—üblich sind. Hier braucht man sie zum Trocknen der Simsimhalme, und dienen zugleich als Beweis der Fähigkeiten dieser Bewohner zum Ackerbaue. Am siebenten Tage erreichten endlich die vier Schiffe das Ende der besagten Inselgruppe, sowie des äußerst anstrengenden Schiffens, und fanden dort die andern drei Schiffe, welche die frühere Nacht hier eingetroffcn waren. Hier ist die Gränze der Zhir und der Bary. Bor noch nicht langer Zeit standen diese beiden Stämme unter der Herrschaft eines einzigen Häuptlings, dem Vater der beiden Brüder, die gegenwärtig die getrennten Theile des Volksstammes der Bary regieren und, wenigstens dem Anscheine nach, in großer Harmonie mit einander leben. — Die Zhir hingegen wollten bei dem Tode des erwähnten Häuptlinges keinen der Söhne als Regenten anerkennen, und leben jetzt ganz zersplittert; jedes Dorf mit seinem Gebiete steht nämlich unter einem besonder» Häuptlinge, der Mugä heißt. Natür¬ lich entstehen bei dieser Spaltung häufig Streitigkeiten zwischen den abgesonderten Dörfern, und vorzüglich mit jenen aus dem entgegen¬ setzten Ufer des Flusses. Am 9- kam Nighila, der jüngere der vberwa'hntcn Brüder, die Schiffe zu besuchen. Er wurde unter festlichem Schießen mit der kleinen Kanone und der Gewehre von allen Schiffen begrüßt. Er hatte ein Kleid aus rothem Tuche an, welches jedoch schon die Far¬ be verloren, da es noch ein Geschenk einer der früheren Expeditionen war. Dißmal gab man ihm ein Paar weite Beinkleider, eine weiße Tunika, und ein Oberkleid aus rothem Tuche. Sv lange er sich bei den Schiffen befand, legte er die Kleidung nie ab; doch wurden wir versichert, daß er nach deren Abfahrt nackt, wie alle klebrigen, herum- geht. Er entfernte sich nicht einen Augenblick von uns, er aß und schlief auf dem Schiffe der Missionäre, und lobte ungemein die Eu¬ ropäer im Vergleiche zu den Türken. — Nighila ist ein Mann von sehr hoher Statur, hat ein lebhaftes Auge, einen sehr geweckten Geist, und entwickelt stets eine sehr große Thätigkeit. Man sagt, und es ist jedenfalls auch zu glauben, daß er bei Kämpfen immer den Andern vorangeht, und gleicht auf diese Weise dem Könige der Thiere. Sein Volk liebt und achtet ihn, und diese Achtung und Liebe sind, nebst seinen persönlichen Eigenschaften, die einzige, Auszeichnung vor den 32 Stanimgenoffcn. Im Ucbrigen bewohnt er eine einfache Hütte wie die Andern aus dem Volke, bedient sich zu Allem der eigenen Hän¬ de, und trägt stets selbst seinen kleinen Stuhl, aus den er sich nöthi- genfalls setzt. Dieß sind die einzigen Wilden, welche die Gewohnheit haben, auf ganz kleinen Stühlen zu sitzen. Sic verfertigen dieselben aus einem einzigen Stücke eines Baumstammes mittelst ihrer Lanzen, und schmücken sic bisweilen dadurch, daß sie dieselben mit Glaswer¬ ken einfassen. Am I I. kamen zum Nighila mehrere seiner Frauen, Söhne und Töchter. Von den Töchtern und Frauen hatte jede ihren Korb auf dem Kopse, worin sich die Gcräthschaften zum Kochen und die Erfor¬ dernisse ihrer Toilette befanden. Eine der bejahrteren hatte um ihre Hüften ein rothes Fell, welches bis an die Knie reichte; die übri¬ gen Frauen und Töchter hatten als Gürtel einen schmalen Lcderrie- men, an dem ein Gewebe von Spagat und kleinen eisernen Ringen, welches das Aussehen eines groben eisernen Gewebes hatte, hing; andere hatten sehr dichte Fransen aus kleinen Ketten oder Lcderric- men. Von rückwärts hängt ein gleichfalls aus Lcderriemen, etwas dünner als ein Rvßschweif, verfertigtes Bündel fast bis auf die Fu߬ gelenke herab; dieß ist die einzige Bekleidung der dortigen Königinen und Prinzessinen. Als Schmucksachcn tragen sie Halsbänder aus Glas¬ perlen, eiserne Braceleten und Reife aus dem gleichen Metalle, und zwar so viele und so schwere, daß sic davon Wunden bekommen. Deßungeachtct können sic sich nicht entschließen, diesen Schmuck ab- zulegen. Am nämlichen Tage kam auch Schioba, der ältere Bru¬ der des Nighila, begleitet von einer Schaar seiner Frauen, die Schiffe zu besuchen. Was sein gutes Gemüth betrifft, gleicht er sei¬ nem Bruder; doch steht er ihm an Kraft nach, und mehr noch an Muth. Darin dürfte vielleicht der Grund der Trennung und der seiner geringeren Herrschaft liegen. Die Bary sind unter allen Wil¬ den, welche sich längs des Flusses bis zu diesem Punkte vorsinden, diejenigen, welche am meisten Geist zeigen. Damit ich mich jedoch in dieser Beziehung nicht zu sehr ausdehne, will ich nur von ihren Arbeiten in Eisen sprechen. Sie besitzen in ihren hier und da auf ihrem Gebiete zerstreut liegenden Bergen reiche Eisenberg- werke, die einer der Vorfahren dieser beiden Brüder, und zwar der siebente in aufsteigendcr cinie, entdeckt halte. Man muß bei Beur- theilung ihrer geistigen Fähigkeiten auch Las berücksichtigen, daß sie 33 fast gar keine Instrumente besitzen, und es ist nur zu bewundern, daß sie bis jetzt sich noch nicht mit solchen versehen haben; ja, man wäre gcnöthigct anzunehmen, daß ihr äußerst geweckter Geist ihnen den Mangel derselben noch nicht fühlen ließ. — Sie haben keinen Blasbalg, aber sic ergänzen denselben mittelst zweier, aus gebrann¬ tem Lehm Verfertiger runder Gefäße, welche unten convex sind. An einer Seite des Gesäßes ist eine Röhre. Sie bedecken die Ocffnung dieses Gefäßes mit einem weichen Felle, welches mittelst eines dünnen Strickes rings herum am Gefäße befestiget ist; eS ist jedoch nicht ge¬ spannt, sondern hohl, und reicht fast bis auf den Grund des Gefä¬ ßes. In der Mitte des Felles machen sie ein Loch, woran sie ein Stäbchen befestigen, welches die Ocffnung nicht vollkommen schließt, sondern der äußeren Lust Zutritt gestattet. An der Spitze des Stäb¬ chens, welches am Felle angebracht ist, befindet sich aus hartem Le¬ der ein Kreis, der jedoch breiter als die vbbeschriebcne Oeffuung ist, und dec als Klappe dieses Blasbalgcs der Wilden dient. — Nun noch die Art des Gebrauches desselben: Im Schatten irgend eines gro¬ ßen Baumes graben sie eine kreisförmige Grube aus, und eröffnen auf der einen Seite derselben einen Kanal, der des der Bindung in die Grube von einer aus rohem Lehme gemachten kleinen Brücke be¬ deckt ist. Jene Grube ist die Schmiede, welche sic mit Kohlen an- füllen. In dem besagten Kanale aber bringen sie in der möglichsten Nähe der kleinen Lehmbrückc die oberwähnten Röhren der beiden be¬ schriebenen Gefäße zurecht, und ein Junge des Schmiedes hebt und stößt mit möglichster Schnelligkeit und steter Abwechslung die beiden Stäbchen nieder. Wegen der an dem Ende der Stäbchen befindlichen ledernen Kreise öffnet sich beim Heben, und schließt sich beim Nieder¬ drücken die in der Mttte der Haut angebrachte Ocffnung. Auf diese Weise wild die dort ausgenommen«: Luft hier hinausgetrieben, und zwar die ganze unterhalb der kleinen Brücke. Diese Gattung Blas- balg bringt allerdings nicht jene Wirkung hervor, wie unsere euro¬ päischen; aber es wird dadurch ein ununterbrochen stärkerer Lufthauch, als durch letztere erzeugt. — Um das Feuer stärker anzufachen, be¬ spritzen sie nicht dasselbe mit Wasser, wie bei uns, sondern streuen eine gewisse, zu Pulver geriebene Erdart darauf. — Sie haben keine Zange, um das glühende Eisen aus dem Feuer zu ziehen, sondern sie schneiden zu diesem Zwecke einen frischen Ast von dem gastfreundli¬ chen Baume, und spalten denselben, je nachdem sie cs benöthiaen. 3 34 Als Amboß dient ein stocher, sehr harter Stelo, und statt des Ham¬ mers bedient man sich gleichfalls anfänglich eines harten Steines, mit dem sie der Arbeit die erste Form geben; hierauf wird mit einem cy- linderförmigen Eisen, welches sie an dem einen der beiden Steine wohl befestigen, die frühere Form feiner ansgearbeitet. Bon Schraubenstök- kcn, Eisenscheercn, Feilen, Zicheiscn, Eiscnbohrern u. dgl. haben sie feinen Begriff. Wer würde es nun glauben, daß mit so wenigen und so unvollkommenen Werkzeugen Tausende der verschiedensten Arbeiten verfertiget werden, mit denen nicht bloß die andern wilden Völker¬ schaften , sondern selbst die arabischen Hirten und Kamehlführer, die Türken und die Barbaren von Sudan versehen werden! Der Acker¬ bau und die Fischerei erhalten davon ihre Werkzeuge; die Eitelkeit dec Manner und Frauen ihre Schmucksachen für den Kopf, die Ohren, den Hals, die Arme, die Hüften und die Füße. Das Eisen muß überdieß in Stangen und Platten von jeder Dimension, sowie die Oberfläche in verschiedenen Arten bearbeitet werden. In keiner Art aber stehen sie so hoch, als in der Verfertigung von Waffen. Wenn man in den Museen von Europa ihre Pfeile und ihre Lanzen bewun¬ dert, so kann man es kaum glauben, daß diese ohne Feile und ohne Hammer so vollkommen verfertigt werden konnten; ja ich bin gewiß, wenn so manchem der besseren Waffenschmiede bloß die rohen Werk¬ zeuge jener Wilden zu Gebote ständen, er würde sich in nicht gerin¬ ger Verlegenheit befinden, ähnliche Gegenstände hervor zu bringen. — Dieses Volk ist ferners das geselligste und das zuvorkommendste unter allen, welche die Ufer des Flusses bewohnen, so daß die Missionäre nicht die mindeste Uebertreibung in jenen Lobsprüchen fanden, welche der französische Reisende Hr. vr. Arnaud und Andere, die vor ih¬ nen hier gewesen, diesem Volke spenden. Deßhalb schien cs dem Vi¬ kar und seinen Begleitern ganz angemessen, den bereits in Chartum entworfenen Plan, den er bis auf diesen Tag verborgen gehalten, in Ausführung zu bringen. Dieser Plan bestand darin : sobald man ge¬ wahr würde, daß in moralischer Beziehung bei diesen Wilden das Leben der Missionäre gesichert sey, so sollten sich unter denselben vr. Angelo Vinko und vr. Emanuel Pedemonle niederlaffen, um die Bekehrung der Schwarzen in Ecntral-Afrika in Wirklichkeit zu beginnen; doch für jetzt unter dem Vorwande, als studiere Vr. Vinko die geo¬ graphische Beschaffenheit jener Länder, vr. Pedemonte aber verlege sich auf die Cultivirung jener Erdstriche, und wolle sie mit neuen 35 Produkten bereichern, zu welchem Zwecke er reich mit verschiedenen Fruchksamen versehen war. Diese Absicht der beiden Missionäre wurde dem Nighila und dein Schioba, so wie den Häuptern der Schisse, denen dieß wegen der alten Freundschaft, die sie mit Nighila unter? hielten, nicht verborgen bleiben konnte, mikgetheilt. Die beiden Bru¬ der bezeigten eine große Zufriedenheit damit, und Jeder der Beiden wollte sie bei sich behalten. Die Anführer der Schiffe jedoch gaben sich alle mögliche Mühe, ihnen dieses abzurathen, und diese Falschen gaben vor, keinen andern Beweggrund hiezu zu haben, als das Vor¬ aussehen der Gefahr, in der sich das Leben der Missionäre unter so barbarischen Stämmen befinden würde. Am Morgen des 14. Jänners waren die Schiffe unter 4" 50" nördlicher Breite, nicht mehr weit von jener Stelle entfernt, an der die anderen Expeditionen stehen geblieben waren, weil hier erzählt wird, daß etwas weiter hinauf ein Katarakt sich befindet, der un¬ möglich Passirt werden kann. Dicßmal aber beschloß man, weiter zu fahren, so weit als es nur möglich wäre, und wenn nicht weiter, so doch bis zum Katarakte. Hier aber breitete sich der Fluß wie ein See aus; man versuchte in verschiedenen Richtungen die Weitcrfahrt, aber der außerordentlich niedere Wasserstand hinderte die bereits be¬ ladenen Schiffe an allen Stellen. Man entschloß sich endlich, drei derselben, und darunter jenes des Vikars, zu entladen, und auf diese Art die Fortsetzung der Reise zu versuchen. Nach einer Arbeit von etwas mehr als einem halben Tage waren die Waren abgeladcn, und wir fuhren fort, begleitet von Nighila. Der Missionär Eman. Pcdemonte aber blieb hier zurück, um den geeignetsten Ort für die neue Niederlassung auszusuchen. — Zuerst erkundigte er sich um die Wohnung des Nighila, und wie weit dieselbe vom Flusse entfernt wäre. Er erachtete es nämlich als nothmeudig, zuerst dieselbe zu be¬ suchen, um zu sehen, ob man dessen freundschaftlichen Antrag, daß die Missionäre bei ihm wohnen würden, annehmen könne. Schioba antwortete ihm, daß sich das Haus des Nighila in Belegnan, in der Nähe eines östlich sichtbaren Gebirges befinde; doch sey die Entfer¬ nung zu groß, als daß er vor Einbruch der Nacht zu den Schiffen zurückkehren könnte. Deßungeachtet machte sich der Missionär mit ei¬ nigen Wilden, die zur Familie des Nighila gehörten und zu ihren Hütten zurückkchrcn wollten, alsogleich auf den Weg, der zu Fuße zurückgelegt wurde, da weder diese noch andere Wilde irgend eine Art 36 von Wagen kennen. Das Schlimmste dabei war, daß er ihrem flüch¬ tigen Gange kaum zu folgen vermochte, und die Bitten, sie möchten etwas langsamer gehen, wohl wenig halfen, da sie in kurzer Zeit je¬ desmal zu ihrem gewöhnlichen Laufe zurückkehrtcn. Sie gaben sich zwar alle Mühe, ihn über diese Anstrengung zu trösten, und wo sie in einiger Entfernung eine Hütte bemerkten, gaben sic vor, dieß wäre die Wohnung des Nighila; wenn man sie jedoch erreichte, zeigte cs sicb, daß dieß nicht der Fall war, da man bei derselben vorbcieilte. Man war schon so weit gekommen, daß man jeden Baum der nahen Gebirge unterscheiden konnte, doch war die Wohnung des Nighila noch immer nicht sichtbar. Die Sonne stand schon bedeutend tief, und es blieb kaum noch so viel Zeit übrig, um zu den Schiffen zurückge- langen zu können. Uebrigcns reichte die nur noch geringe Entfernung schon hin, um beurtheilcn zu können, daß die Lage jenes Ortes für die neue Niederlassung nicht geeignet sep, da derselbe derart unter dem Berge gelegen war, daß die Hitze dort gewiß unerträglich seyn mußte. Zu diesem kam noch das überaus schlechte Wasser, welches man in Cistcrnen aufbcwahrt. Hierüber verschaffte er sich die traurige Uebcrzeugung, als er von großem Durste geplagt war, und auf dem Wege einem Weibe begegnete, welches in einem Kürbisse Wasser hatte. Er kostete von demselben nur sehr wenig, da es weißlich war und ei¬ nen höchst widrigen Geschmack hatte. Diese wenigen Tropfen reichten jedoch schon hin, daß er sich durch zwei Tage unwohlssühlte. Er ent¬ schloß sich nun, am Ufer des Flusses zu wohnen, kehrte zurück, und zwei aus der Familie des Nighila hatten die Gefälligkeit, ihn zu den Schiffen zurück zu begleiten. — Die übrigen drei leeren Schiffe segelten unterdessen weiter. Nachdem sie jene Stelle, die sie früher aufgehaltcn, unter Anstrengung passirt hatten, ging die Fahrt ohne alle Hindernisse fort, und wir übernachteten an jener Stelle, welche das Ende der früheren Expeditionen war. Den Morgen wurden die Segel gespannt, und zu Mittag waren wir schon bei dem obcrwähn- tcn gefürchteten Katarakte, der bis zu dieser Zeit noch von keiner Expedition überschritten worden war. Der Herr Di-. Arnaud mußte an dieser Stelle halten, obwohl er den lebhaf¬ testen Wunsch hegte, weiter vorwärts zu dringen. — Diese seine Be¬ gierde fand jedoch sowohl an der Furcht der Schiffsbemannung, als auch an dem bösen Willen der Schiffshäupter, welche absichtlich un¬ ter den Untergebenen die Furcht zu nähren sich bemühten, einen un- 37 übcrwindlichen Widerstand. — Hier breitet sich neuerdings der Fluß über die Maßen aus, das Wasser fließt wegen der großen Neige des Beetes ungemein reißend, und hier und da ragen Klippen bis über die Oberfläche hervor. Wei dieser großen Ausdehnung des Flusses und bei so vielen Kanälen war cs unvermeidlich, daß eine Erforschung ver¬ anlaßt werde, um zu erfahren, welche Stellen hinreichendes Wasser hätten, um die Schiffe zu tragen. Der Führer jenes Schiffes, auf welchem sich der Bikar befand, stellte sich abermals, wie gewöhnlich an allen gefährlichen Stellen, an die Spitze des gewagten Unterneh¬ mens, und beendigte es ohne Hindernisse, während die beiden andern Schiffe aus der Furche des ersteren segelten. Sein Muth, sowie seine Gewandtheit und Kcnntniß in der Schifffahrt verdienen es sicherlich, daß hier sein Name als desjenigen verzeichnet werbe, welcher der Erste diese gefürchtete Stelle passirte, und zur Erhöhung dieses Ruhmes möge noch bcigefügt werden, daß der Wasserstand vielleicht noch nie so nie¬ der war, als eben in diesem Jahre. Dieser Treffliche heißt Solci- man Abu-Zaid, gebürtig aus Wadi el Ken ns, einer nubischen Provinz, von der die besten Schiffer kommen. Möge diese kurze No¬ tiz die Stelle eines Denkmales vertreten, welches ihm sicher an dem Platze, wo er so glänzende Beweise seines Muthes gegeben, errichtet werden würde, wenn er einer der civilisirten Nationen angeboren wür¬ de, da durch Belohnung der Verdienste Andere zur Nachfolge angc- spornt werden. — Nachdem diese Stelle überschritten wurde, schiffte man glücklich weiter, als nach wenigen Meilen der ganze Fluß durch Sandbänke gesperrt war, und nach genauer Untersuchung ergab cs sich, daß ganz nahe an den beidern Ufern hinreichende Tiefe war, woraus wir an der linken Küste weiter fuhren. Nachdem wir auch aus diesem engen Kanale gekommen, fuhren wir durch vier Meilen ohne Hindernisse fort, worauf wir wieder zahlreiche Felsenriffe, die an vielen Stellen des Flusses hervorragten, vor uns sahen; doch war diese Passage weder gefährlich noch besonders mühevoll. — Wir hat¬ ten noch hinreichend Zeit, um die Schönheiten der sehr bevölkerten Gegend zu genießen, und hielten beim Dorfe Toki man an. Wir hatten wahrlich den Wunsch der Bewohner errathen, denn kaum wa¬ ren die Schiffe stehen geblieben, als die Neuheit und das für sie Wunderbare der Erscheinung eine große Menge herzulockte. Sie hat¬ ten zwar von Einzelnen ihrer Stammg-enoffen, die wegen des Ver¬ kaufes von Elephantenzähnen die nördlicheren Gegenden besuchten, 38 gehört, daß es auch weiße Menschen gebe; allein gesehen hatten sie noch nie einen Weißen. Man kann sich daher die Verwun¬ derung derselben Vorsteven, als sic das erste Mal weiße, bebarlcte und vom Kopfe bis zum Fuße bekleidete Männer erblickten. Nicht geringer war ihr Staunen beim Anblicke so schwerer Schiffe, welche mittelst der weiten und großen Segel, mit solcher Leichtigkeit auf dem Flusse dahin eilten. Keine Sache aber erzeugte bei ihnen eine so freu¬ dige Ueberraschung, als die Töne einer Harmonika, welche der Vikar mit sich hatte. Mit gespannter Aufmerksamkeit bewunderten sie dw Bewegungen der Hände und Finger, und sie konnten nicht begreifen, auf welche Weise die ans das Vergnügen berechneten Tone hcrans- kämen. Ein Häuptling des Landes, hingerissen vom Uebermaßc dcS natürlichen Gefühles, näherte sich dem Vikar, und erklärte sich bereit, ihm die Herrschaft des Dorfes zu überlassen, sobald er dort zu blei¬ ben sich entschließen würde. Diese waren die ersten Wilden, bei denen man dieses Gefühl für Musik vorfand, und welches so allgemein bei den Wilden in Amerika bemerkt wird. Auch ihre Landsleute unter dem Katarakte fanden ein Vergnügen daran, besonders aber dlig Hila und Schioba; alle übrigen wilden Stämme hingegen hörten der¬ selben mit größter Gleichgültigkeit zu. Diese Harmonika ward hierauf ein höchst willkommen aufgenommcncs Geschenk für Nighila. Am 16. Jänner sichren wie am frühen Morgen ab, und erreich¬ ten nach einer zweistündigen Fahrt das am linken Ufer des Flusses gelegene Dorf Logweck, welches seinen Namen von einem einsam stehenden Hügel, der sich beiläufig tausend Schritte vom Ufer in westlicher Richtung unter 4« 10' nördlicher Breite erhebt, erhalten hat. Ich halte den Wunsch, denselben zu besteigen, um eine Skizze von der Umgebung aufzunchmen, und einige Eingeborne begleiteten mich dorthin. Von dort genoß man einer weiten Fernsicht, hier das Terrain erhoben, dort tief gelegen; die ganze Fläche ist thcils von einzeln stehenden Hütten, thcils von kleinen Dörfern — besonders längs des Ufers — bevölkert. Uebcrall erheben sich Bäume, doch nie in solcher Nähe, daß sie einen Wald bilden würden. In weiter Ferne erblickt man gegen Südwest die Berge Regs und Rigi, der eine nahe am andern, welche in jener Richtung die Gränze des Gebietes der Bary-Ncgcr bilden. Der Fluß, der zwischen den beiden strömt, entspringt nach der Aussage -der Eingebornen etwas weiter unten in der nämlichen Richtung, beschreibt hieraus eine Curve, die sich an- 39 sanglich gegen Osten hinzieht, und sich dann gegen Norden wendet, bis er den kleinen Berg erreicht. Nicht weit davon liegt gegen Osten der Berg Kerck, wo Eisen in großer Menge gegraben wird; hinter demselben erblickt man in verschiedenen Entfernungen hohe Berge, de¬ ren ungeheure Ebenen von den U ang wa r a - Negern, welche Feinde der Bary sind, bewohnt werden. Weit im Norden hinauf erblickt man den bereits erwähnten Ni ercan y. Gegen Osten erhebt sich eine Gruppe von Bergen, unter denen sowohl wegen der Höhe als wegen der Lange besonders der B e l e g n a n hervorragt. Aus allen wird Eisen, wenn gleich in verschiedenen Quantitäten, gegraben. Hinter dieser Gruppe ragen die Spitzen -des Gebirgszuges L a gwaya her¬ vor, in deren Nähe die Bary wohnen, und welche hier an die Bary und dort an die Galla gränzen. Gegen Süden, aber we¬ gen der Entfernung fast kaum bemerklich, sieht man eine lange Kette von Höhen, von denen die Neger jedoch nicht wußten, wem sic ge¬ hören. — Obwohl früher bestimmt worden war, so weit gegen die Quellen vorzudringen, als es die Beschaffenheit des Wassers nur zu¬ lassen würde, und so weit die Wasserstraße fahrbar wäre, sing man jedoch jetzt die Beschwerlichkeiten des Rückweges zu überlegen an, und entschloß sich, die Rückreise anzutreten. Am 17. Jänner wurde die¬ selbe bewerkstelligt, und am folgenden Tage langten wir bei den vier andern Schiffen an. — Der erste Gedanke der Missionäre war, hier zu landen; allein Nighila und mehr noch Schioba hatten inzwi¬ schen ihre Gesinnung geändert. Dieser verweigerte es offen, er wolle sie durchaus nicht bei sich, und jener wollte sie nicht in Belegnan haben, wohin er sie früher eingeladcn hatte; er bestimmte jedoch für sie das Dorf Berigia, wo seine Mutter ihre Wohnung hatte. Ob¬ wohl diese Sinnesänderung uns Alle sehr befremdete, schien es uns dennoch das Geratenste, nicht zu widersprechen, und sich in diesen Willen zu fügen. Am 18. hielten daher alle Schiffe an, um in Be¬ ri g i a auszustcigen, und hier überraschte es uns nicht minder, daß Nighila die Missionäre nicht begleitete, was er doch bis jetzt immer gethan hatte. Er kam zu unserem Schiffe, nahm Abschied von uns, und sagte, daß er den Weg nach jenem Dorfe zu Lande machen wolle, wo wir ihn bei unserer Ankunft schon finden würden. Dicß erregte bei uns sogleich den Verdacht, daß hierbei die Türken die Hand im Spielen haben müßten; dieser Verdacht wurde nur noch vermehrt, als wir beim Hinauffahren nirgends eine Nachricht über die Reise des 40 Nighila erhielten. Nach zwei Tagen langten wie in Gheri, ei¬ nem nm rechten Ufer, eine Meile oberhalb Berigia gelegenen Deese an, wo wie landeten, um Erkundigungen über Nighila cinzuhvlcn. Nachdem man auch hier nichts über denselben erfahren konnte, un¬ terlag cs nunmehr wohl keinem Zweifel, daß diese seine Sinnesände¬ rung die Folge irgend einer Cabale von Seite der Schiffshäuptlinge sey, und daß Nighila nur auf ihre Verwendung jene fälschliche Ver¬ abredung festgcstekkt habe. Die Falschheit stand zu sehr im Wider¬ spruche mit der natürlichen Einfalt, die den Missionären sowohl an ihm als an den übrigen Wilden stets so sehr gefiel. In dieser Ueber- zeugung beharrten wir in unserem Vorhaben, uns dort auszuhalten, indem wir meinten, daß wir den Nlghila gar leicht von seiner ent¬ gegengesetzten, uns nachkhciligcn Ansicht abbringen würden. Der Mis¬ sionär I)o. Angelo Vinko begab sich bei Berigia an'S Land, um zu sehen, ob von Nighila irgend ein Befehl hinsichtlich unser dort angclangt sey, und im Falke dieß nicht geschehen wäre, mit dem Häuptlinge des Ortes in Betreff der Niederlassung sich einzuvcrstän- digen. In Gheri war kein Ortsvorsteher, da der letzte kürzlich ver¬ storben war; der Missionär E w a n n e l P c v e m o n te aber hatte bei seiner ersten Reise mit einem sehr leutseligen Schmide Bekannt¬ schaft gemacht, von dem er auch die vberwähntcn Kenntnisse hinsicht¬ lich der Bearbeitung des Eisens in diesen Gegenden erlangt hatte. Da dieser Missionär in diesem Handwerke einigermaßen allgemeine Kenntnisse besitzt, hatte er mehrere Werkzeuge für dieses Handwerk bei sich, rind hielt es sür zweckenentsprcchend, von denselben jetzt Ge¬ brauch zu machen. Er suchte den besagten Schmid auf, und brachte denselben hernach zum Schiffe. Erzeigte ihm alle Werkzeuge, setzte ihm deren Gebrauch auseinander, und sagte ihm, er wäre gesonnen, sich hier nicdcrzulassen, und sie würden sich derselben als gute Freunde gemeinschaftlich bedienen. Der Schwarze zeigte sich bei dem Anblicke derselben nicht wenig verwundert und erfreut, dieß um so mehr, nach¬ dem er den Entschluß des Missionärs, sich hier niederzulassen, ver¬ nommen hakle. Sie stiegen nun gemeinschaftlich an's Land, und Je¬ ner unterrichtete Alle, denen er begegnete, von der Absicht des Mis¬ sionärs. Endlich gelangte man zur Werkstätte des Schmidts unter einen großen Baum, um welchen sich eine große Anzahl Wilder ver¬ sammelte, und Alke bezeugten eine große Freude darüber, die beiden Missionäre unter sich haben zu können. Nun kehrte Pedemonte 41 zum Schiffe zurück, wo zu derselben Zeit auch Vinko angelangt war, der in Berigia weder einen Auftrag von Seite des Nighi- l a, noch de» Häuptling des Ortes, um mit demselben hinsichtlich der Niederlassung sich cinzuvcrständigen, angctroffen hatte. Obwohl das Volk dort große Bereitwilligkeit, sie aufzunehmen, gezeigt hatte, so wollte cs doch in Abwesenheit des Oberhauptes nichts beschließen. Der Missionär ließ deßhalb dort einen Diener zurück, damit ihn die¬ ser alsoglcich in Kcnntniß setze, sobald Jener anlangen würde. — Un¬ terdessen glaubten der Vikar und die Missionäre von der günstigen Stimmung, die sie in Gheri gesunden, Gebrauch machen zu sollen. Das Schiff wurde soviel nur möglich in die Nähe des besagten gro¬ ßen Baumes gebracht, und man begann das Gepäcke und die Provi¬ sionen, mit denen man sich bis zur nächsten Expedition versehen hatte, abzuladen. Zum Baume kam auch ein alter, starkbeleibter Schwar¬ zer, der Häuptling einer benachbarten Ortschaft. Er saß auf seinem kleinen Sessel, umgeben von einer großen Schaar Zusehcr, und sah ruhig der schon zu Ende gehenden Arbeit zu, als sich diesem Kreise einer der Schiffshäuptlinge wit einem Dragoma» näherte. Dieser trat in die Mitte, nahm den alten' Neger bei der Hand und führte ihn auf die Seite. Dieses bemerkte Pedemonte, verließ die Wa¬ ren, wo er Wache gestanden hatte, und eilte den Beiden nach, um zu hören, um was cs sich handle; dcnn er halte von jenem Bary- Neger, der als Diener bei uns war, bereits in Etwas die Sprache erlernt. Kaum hatte er die beiden erreicht, als sie sich trennten, ohne daß er nur Ein Wort erfahren hätte; als jedoch der Negerhänptling den Missionär gewahr wurde, nahm er den Dragoman bei der Hand, und deutete ihm mit den Augen, als ob er ihn fragen wollte: „Ist Dieser derjenige?« — Der alte Neger nahm seinen Platz ein, und der Missionär den Seinen. Es waren aber nicht zwei Minuten ent¬ schwunden, als sich von allen Seiten ein Gemurmel erhob, und der ganze Kreis in bunter Verwirrung sich her und hin bewegte Ans diesem Gewirre trat Einer stolz hervor, und bedeutete dem Missio- näk, sich auf das Schiff zurück zu begeben; und als dieser sich die Mühe gab, Jenen zu besänftigen, traten zwei Andere mit der nämli¬ chen Forderung gegen ihn. Besorgt sucht der Missionär den befreun¬ deten Schmid unter der Schaar, allein dieser war verschwunden, und schon begann das ganze Volk wie mit Einer Stimme zu schreien: ?<> Icibo, w kilw! (Aus das Schiff, auf das Schiff!) Der Missio- 42 när sah es nun cin, daß jeder weitere Versuch unnütz sey, setzte all- sogleich den Vikar davon in Kenntniß, und man begann in diesem Augenblicke Alles wieder auf das Schiff zurück zu tragen. Während diese Arbeit verrichtet wurde, begab sich der Vikar unter den großen Baum, und fragte mit größter Bekrübniß, was sie denn von seinen Begleitern befürchteten; und als ihm Niemand darauf antwortete, be. gann er ihnen die Vortheile auseinander zu setzen, die sie durch die neuen Ansiedler erlangen würden. Sic horchten ihm stillschweigend und aufmerksam zu, in ihren Mienen konnte man Furcht und Reue lesen, — und diesen nämlichen Tag sollte man noch die Wirkung dieser Ansprache sehen! — Nachdem Alles wieder aus's Schiff zurück¬ gebracht worden war, und die Missionäre den Schiffshäuptlingen zu erkennen gegeben hatten, daß sie die von ihnen gelegten Schlingen durchblickten, beschleunigten sie die Abreife ihres Schiffes, um in Be- rigia früher und nicht mit den übrigen Schiffen cinzutreffen. Letztere strengten sich jedoch gleichfalls an, nachzukommen, was ihnen auch fast vollkommen gelang, alS sic beiläufig noch zwei Stunden vor Sonnen¬ untergang dort anlangten, und wo wir erfuhren, daß der Häuptling des Ortes noch nicht cingetroffen sey. Hier umringten die SchiffS- führcr den Vikar und läugneten cS rund ab, auch nur den mindesten Antheil an dem Volkstumulte in Gheri gehabt zu haben. Sie ersuch¬ ten ihn, den Häuptling des Ortes abzuwarken, und versprachen zu¬ gleich, diesen auf Kosten der Expedition zu begleiten, sowie auch we¬ gen der beabsichtigten Niederlassung mit ihm zu unterhandeln. Diese weitläufigen und sicherlich auch hinterlistigen Anträge wies der Vikar zurück, indem er ihnen bedeutete, daß die Verhandlung von ihm selbst geleitet und geschlossen werden müsse. — Während man hier auf den Häuptling wartete, kam von Gheri eine Deputation von zehn Wil¬ den, welche aussagten, daß man das frühere Betragen bereue, und die Missionäre einlade, zurückzukehren. Unter diesen Abgeordneten be¬ fand sich auch der obenerwähnte Schmid. Sie erzählten uns, daß der Dragoman in jenen wenigen Worten, die er mit dem alten Nc- gcrhäuptlingc gesprochen, diesen versichert hatte, daß diese Weißen, die sich hier nicdcrlassen wollten, zwei böswillige Zauberer seyen, welche das Regnen verhindern würden; auf diese Weise würden die Neger weder Dura für ihre Speisen, noch Getränke, noch Weideplätze für ihr Vieh haben. Und wenn in einer solchen Zeit die beiden Weißen auch nichts mehr zu essen hätten, so würden sie sich von den Kindern 43 dcr Eingebornen nähren. Sv leicht ist cs, diesen Wilden, diesen wahr¬ haften Naturkindcrn, Etwas aufzuschwätzen! Die Missionäre glaub¬ ten diesem Ansuchen nicht willfahren zu sollen, da sic bereits den Be¬ wohnern von Berigia ihren Aufenthalt zugcsagt hatten; übcrdicß konnten sie siche,lich mehr auf das Wort eines Häuptlings, als auf die Einladung eines herrenlosen Volkes bauen; sie hatten im ersteren Falle mehr Garantie für ihre persönliche Sicherheit. — .Gegen Abend langte endlich der Häuptling an, und der Vikar besuchte denselben in seiner Hütte. In dcr Nähe dcr Hauslhüre setzte sich Jener ans seinen kleinen Sessel, und versammelte um sich herum alle Bewohner des OrtcS, damit sie an dieser Verhandlung Theil nähmen. Im großen Kreise faßen Einige auf ihren Sesselchen, Andere in kniender Stellung auf ihren Fersen; hinter den Männern standen Mädchen, Frauen und Knaben jeden Alters im wirren Durcheinander. Auch dcr Vikar setzte sich auf seinen kleinen Sessel, und begann mit lauter Stimme theils selbst, theils durch seinen Dragoman, jenen jungen Bary-Neger, den er alS Diener bei sich hatte, die Absicht seiner beiden Begleiter aus¬ einander zu setzen, und die Vorlheile, die aus dieser Niederlassung für das Dorf erwachsen würden, im klaren Lichte ihnen vorzuführen; — Alle horchten in stiller Aufmerksamkeit zu. Nachdem der Vikar geendet hatte, nahm der Häuptling das Wort und erklärte, daß er seinerseits zufrieden wäre, wenn sie hier verblieben; doch müsse man früher noch die Versammlung befragen. Nun wendete sich dcr Vikar an alle An¬ wesende, und richtete die bezügliche Frage an sie, woraus Alle ein¬ stimmig sich für einverstanden mit dcr Niederlassung erklärten. Als der Vikar hierauf fragte, ob eine Hütte im Dorfe zu vergeben wäre, antwortete man ihm, daß zwar vor der Hand keine leer stände, doch würde man bald eine Herrichten, da dieß nur eine Arbeit von zwei Tagen wäre. — Während dieses verhandelt wurde, begann es bereits dunkel zu werden, und der Vikar munterte die Versammlung auf, den Beschluß bis auf den nächsten Morgen reiflich zu überlegen, um wel¬ che Zeit er an diesem Orte erscheinen würde, um eine bestimmte Ant¬ wort zu erhalten. Ganz befriedigt kehrte er nun auf das Schiff zu-' rück, und vertröstete zugleich seine Gefährten auf einen glücklichen Erfolg. Diese Nacht dachten die Missionäre ruhig schlafen zu können, denn während derselben hatte man keinerlei Ränke von Seite dcr Schiffshäuptlinge zu befürchten, indem cs als Gesetz dcr Expeditionen cingeführt ist, zur Nachtzeit niemals mit den Wilden etwas zu un- 44 Erhandeln. Sobald die Nacht eil,bricht, muß sich die ganze Schiffs- bcmannung ans die Schiffe zurückziehcn, und längs denselben werden am Ufer Schildwachen ausgestellt, welche sich die ganze Nacht zuru- fen. Auch war zu vermuthcn, daß die Türken es nicht ein zweites Mal unternehmen würden, da ihr erster Versuch bei Ghcri ihnen mißglückt war. — Kaum war der Tag angebrochen, als sich der Häuptling von Berigia den Schiffen näherte, bevor noch der Bikar sich auf den Weg gemacht hatte. Bei der Ankunft des Negers stieg der Bikar an's Land; der Alte nahcte sich mit einer eisernen Glocke und sagte: »Diese wirst du deiner größten Kuh umhängen." Der Bikar nahm das Geschenk an, machte ihm ein Gegengeschenk, und fragte ihn, warum er ihn nicht im Dorse erwartet hätte, wie sie cs doch den Abend vorher verabredet hatten. Zugleich bedeutete er ihm, daß dieses nicht der zur Unterhandlung geeignete Ort sep, und er wolle ihn sogleich in das Dorf begleiten. Während er jedoch in das Schiff zurückging, um einige Kleinigkeiten zu holen, war der Neger- Häuptling vom User verschwunden. Obwohl über diese Entfernung höchst verwundert, begab sich dennoch der Bikar nach dem Dorfe; al¬ lein er sand dort nicht den Häuptling, und von den Bewohnern nur sehr wenige. Die zwei Ven Bikar begleitenden Missionäre begannen jenen Flüchtling zu suchen, was endlich auch dem vo. Angelo Binko gelang; doch kostete es Letzterem nicht wenig Mühe, Jenen zu bewe¬ gen, sich zu einer Unterredung zum Bikar zu verfügen. Endlich hiehcr gebracht, setzte er sich, wie Abends vorher, auf seinen kleinen Stuhl, . doch umgaben ihn dicßmal nur wenige Männer und Frauen. Ob¬ wohl man sich alle erdenkliche Mühe gab, den Grund dieses räthsel-- haften Benehmens zu erfahren, konnte man nicht ein einziges Wort als Antwort erhalten. Nach langem Bitten sagte er endlich, daß er Furcht vor den beiden Weißen habe, die sich hier nicderlafsen woll¬ ten. Als man nun auf alle mögliche Art in ihn eindrang, auch den Grund dieser Furcht zu offenbaren, erzählte er endlich, daß in der Nacht ein Dragoman von den Schiffen gekommen sey, der die beiden Weißen als zwei gefährliche und böswillige Zauberer geschildert hätte. Hier hatte der Dragoman die nämlichen böswilligen, Furchterregen¬ den Mährchen ausgestreut, wie Tags zuvor in Ghcri. Die Worte des Häuptlings wurden von andern Bewohnern des Ortes bestätiget, und in Gegenwart des Bikars und der Missionäre bezeichneten die Schwarzen eben denselben Dragoman als den Verleumder, der auch 45 in Eher,' jene Verleumdungen ausgcstreut hatte. Der Bikar wollte gegen dieses feile Werkzeug türkischer Bosheit Klage erheben, doch sah er, daß die Schiffshäuptlingc sehr warm die Partei des Beschul¬ digten ergriffen und er konnte cs klar einschen, daß nicht der Drago¬ ma» der Urheber der Bosheit wäre. Auf diese Weise treten die Tür¬ ken ihre eigenen Vorschriften mit Füßen, um nur ihren Zweck zu er¬ reichen. Der Vikar und die Missionäre sahen es nun deutlich ein, daß cs ihnen wegen der böswilligen Gesellschafter bei dieser Expedition unmöglich wäre, sich unter den Wilden niederzulaffcn; denn wollten sie einen ähnlichen Versuch machen, so würden zweifelsohne die Tür¬ ken ihre boshaften Kunstgriffe wiederholen. Deßhalb rciseten sie noch an demselben Tage, am 21. Jänner, mit den übrigen Schiffen wei¬ ter, entschlossen, nach Chartum zurückzukehren. — Am 23. erreichten die Schiffe die südliche Gränze der Helyab, als sich plötzlich am Ufer der Ruf: „Nighila, Nighila!» erhob. Zwei Schiffsmänner be¬ eilten sich nun, dem Vikar die Ankunft des Nighila anzuzcigen. Nicht lange darauf erschien Nighila im Schiffe des Vikars, nicht mehr in jener Bekleidung, die er kurz vorher zum Geschenke erhalten, sondern mit einer einfachen Leinwandbcklcidung um seine Lenden. Er versicherte, die Schiffe nur deßhalb verlassen zu haben, weil ihn die Türken vertrieben und ihm üderdieß tausenderlei Sachen über den Vikar und dessen Begleiter erzählt hätten; doch, fügte er bei, kenne er die Türken und auch die Europäer. Er schloß seine Ansprache mit der Einladung, die beiden Missionäre möchten mit ihm in seine Staa¬ ten zurückkehrcn. Auch die Schiffsanführcr munterten die Missionäre hierzu auf, indem sic hartnäckig bei ihrer heuchlerischen Maske ver¬ harrten. Nach reiflicher Ueberlegung entschlossen sich jedoch der Vikar und die Missionäre für das Gegcntheil. Sie hatten für's Erste keine Transportmittel, um ihre Sachen an jene Stelle zu bringen. Sie hätten allenfalls mit dem Schiffe zurückfahren müssen, wozu man wenigstens vier Tage brauchte, und ebensoviel würde man für die Rückfahrt benöthigen. Hierdurch hätte man sich alle Verantwortlich¬ keiten gegenüber dem Pascha von Ehartuin und der Schiffseigenthü- mcr zugezogcn, besonders wenn die Expedition bis zum neuerlichen Steigen des Wassers sich nicht hätte zurückziehcn können, was der¬ malen zu befürchten war. Dadurch wäre leicht ein nicht zu berechnen¬ der Schaden enstanden, um so mehr, da die Schiffe für ein so langes Ausbleiben mit Lebensmitteln nicht hinreichend versehen waren. Halte 46 der Bikar ein eigenes Schiff gehabt, so hätte er die Rückfahrt jeden¬ falls wagen können; so aber nöthigte ihn der Pachtcontract, gleich¬ zeitig m t den übrigen Schiffen zurückzukchren. Für's Zweite konnte man kaum erwarten, daß bei allen Anwohnern hinsichllich der Mis¬ sionäre in so kurzer Zeit eine Sinnesänderung eingctreken sey. End¬ lich standen ihnen auch wenig Mittel zu Gebote, besonders demjeni¬ gen, der die Hebung der Agrikultur zur Aufgabe hatte, indem er viel zu wenig an Glaswarcn und sonstigem Spielzeuge bei sich hatte, um die Wilden zur Arbeit bewegen zu können. Man dankte somit dem Nighila für, die freundschaftliche Einladung, und suchte ihn durch Ueberreichung mehrerer Geschenke zu beschwichtigen. Schließlich beur¬ laubten wir uns bei ihm, und versprachen, nächstes Jahr mit größeren Geschenken wieder zu kommen. — Als wir weiter fuhren, entdeckte der Anführer eines Schiffes, welches nicht dem Pascha in Eharkum gehörte, einer» der Missionäre, daß sich die Sache in der That so verhielt, wie es die Wilden berichtet hakten. Er gab als Grund hierzu einen vom Pascha dem Oberhacrpte seiner Schiffe und der ganzen Ex¬ pedition gegebenen Auftrag an, der diesem bedeutete, unter jeder Bedingung die drei Europäer nach Ehartum zurück zu bringen. Der Oberanführer, der weder böswillig noch hinreichend energisch war, die¬ sen unsere Freiheit beschränkenden Auftrag selbst zu vollführen, be¬ traute damit einen untergebenen Anführer, und zwar eben denselben, der in Gheri mit jenem Dragoman den alten Neger so gegen uns gestimmt hatte. Als die Expedition in jenem Theile des Territoriums der Kyk anlangte, wo nach den früheren Aussagen jener obcrwähnte Cogiur sich aufhielt, faßten die Schiffsführer neuerlich den Plan, sich seiner zu bemächtigen. Sie schickten ihm, ohne dem Vikar etwas davon zu sagen, verschiedene Glaswarcn mittelst anderer Wilden zu, und luden ihn mit der Versicherung zu den Schiffen ein, baß er bei seiner An¬ kunft größere Geschenke erhalten werde. Als der Vikar dieses erfuhr, protestirte er allen Ernstes dagegen, sich hier aufzuhalken, und führte als einen Hauptgrund die ungesunde Gegend, so wie den obgcmeldc- tcn Umstand wegen des niederen Wafserstandcs an, und knüpfte daran die Besorgniß, daß die Schiffe in dieser Jahreszeit vielleicht den Weg nach Ehartum gar nicht beenden könnten. Die Anführer konnten auf diese Gründe nichts einwenden, und ergaben sich darein, lieber auf die entsendeten Geschenke zu verzichten. Auf diese Weise wurde die Reise 47 ohne irgend einen Unfall, außer den des bisweilen sehr niederen Was- serstandes, fortgesetzt. Am 7. März erreichten wir endlich Chartum, und wie sehr freuten wir uns, den Missionär Gaetano Zara, den Laienbruder und unsere armen Zöglinge in bester Gesundheit anzu- treffen! Diese Reise des Vikars hatte ihm die Uebcrzcugung von der Gutnu'ithigkeit der besuchten wilden Stamme verschafft, und anderer¬ seits ihm die Weisung gegeben, eine künftige Expedition soviel mög¬ lich unabhängig zu unternehmen, da es sich die Türken von einer Seite zur Aufgabe machen, jeder Niederlassung hindernd in den Weg zu treten, andererseits aber die alljährigen türkischen Expeditionen ge¬ haßt und gefürchtet sind. Mögen lebhafte kräftige Unterstützungen das segensreiche Begin¬ nen fördern helfen!