J 42028 RCH BOSNIEN UND DIE HERZEGOWINA KREUZ UND QUER WANDERUNGEN VON HEINRICH RENNER ZWEITE REICHILLUSTRIERTE AUFLAGE DLETRIpH REIMER (ERNST VOHSEN) VERLAG IN BERLIN Heinrich Renner: Purch Bosnien und die Hercegovina. purch Bosnien UNP PIE HercegoVina KREU£ UNP QUER WANDERUNGEN VON heinrich renner MIT 54 VOLLBILDERN 300 ABBILDUNGEN IM TEXT VON W. L. ARNDT, E. ARN DT- C E P LI N U. A. SOWIE NACH PHOTO GRAPHISCH EN AUFNAHMEN UND EINER GENERALKARTE BOSNIENS MIT ROUTEN UND S TR ASSENZÜGEN MIT CARTON: EISENBAHNVERBINDUNGEN BOSNIENS MIT EUROPA ZWEITE IN WORT UND BILD ERGÄNZTE UND VERMEHRTE AUFLAGE. m BERLIN 1897. VERLAG VON DIETRICH REIMER (ERNST VOHSEN). t ht, OU J)as focht der Uebersetzung in frerrjde Sprachen ist vorbehalten. državna\ [IICEJSKA KNJIŽNICA! /A v UUBUANl / 030 001-19-3 Vorwort zur II. Auflage. Wenig über ein Jahr ist verflossen, seit das vorliegende Werk in die Oeffentlichkeit hinaustrat, um die landschaftlichen Schönheiten Bosniens und der Hercegovina, die Vergangenheit des Landes und seine durch rastlosen Fortschritt gekennzeichnete Gegenwart der Kenntniss eines grösseren Publikums zu vermitteln. Bücher und besonders Reisewerke, die zufolge ihres hohen Preises nur in die Bibliotheken und in die Hände weniger Privaten gelangen, haben grossentheils ¿ihren Zweck verfehlt, daher war es unser Bestreben, das Buch in der Ausstattung hochgediegen, in grosser Auflage zu billigem Preise herzustellen. Der in der Reiselitteratur fast beispiellose Erfolg hat uns Recht gegeben und bei der anerkennenden Kritik, die dem Werke von der Tages-, wissenschaftlichen und Fachpresse aller Länder zu Theil wurde — der hierdurch der beste Dank dargebracht sei — hegen wir die feste Zuversicht, dass auch die gegenwärtige zweite Auflage dem schönen Bosnien-Hercegovina neue Tausende von Freunden zuführen wird. Ein Jahr ist wohl nur eine kleine Spanne Zeit im Menschen- und noch mehr im Völkerleben, aber gerade in einem so mächtig aufstrebenden Lande, wie es dieses Balkangebiet unter der Verwaltung des österreichisch-ungarischen Kaiserstaates ist, bietet schon eine so kurze Periode mannigfache Neuerungen, viele Errungenschaften auf kulturellem, wirtschaftlichem und wissenschaftlichem Leben. Diese mussten der neuen Auflage einverleibt, statistische Zahlen bis in die jüngste Gegenwart ergänzt werden. Einige neue Reiserouten, wie die in das Sandschak Novibazar, das zwar nicht unter österreichisch-ungarischer Verwaltung steht, aber in den Hauptorten neben den türkischen auch österreichisch-ungarische Garnisonen besitzt, wurden aufgenommen. Gerade das Sandschak zeigt am besten den kulturellen Einfluss des gegenwärtigen Bosnien auf die noch türkischen Grcnzlande. Dann führt uns diesmal der Weg auch in die romantische, sang- und liederreiche nordwestliche Krajna, das von zahllosen Burgruinen gekrönte Gebiet an Kroatiens Grenzen mit seinen berühmten prähistorischen Fundorten. Ebenso wurden die Abschnitte über die deutschen Kolonien und den Salz- und Kohlendistrikt reicher illustrirt. Der Text erweiterte sich dadurch um fünf Druckbogen, die Zahl der Illustrationen stieg um mehr als 60. Ausserdem wurde der 2. Auflage eine grosse Karte beigegeben, die sämmtliche Routen und Strassenzüge enthält und auch die Konfiguration des Terrains durch Höhenkurven wiedergiebt, sodass jeder Reisende einen vortrefflichen Führer sowohl zur Erreichung des Landes in dem im Karton befindlichen Eisenbahnkärtchen von Europa, als auch zur Bereisung des Landes selbst erwirbt. So möge denn das Werk in seiner neuen erweiterten Gestalt zum zweitenmale den Weg in die Welt antreten; möge es für Bosnien werben in den Reihen Aller, die reisen können und reisen wollen, möge es aber auch ferner wie bisher Eingang finden in politischen, wissenschaftlichen, land- und forstwirthschaftlichen wie industriellen Kreisen, damit sich die Erkenntniss immer mehr Bahn breche: Bosnien ist unter seiner heutigen Verwaltung nicht nur das vorgeschrittenste Land des Balkans, es ist neben der »stolzen Bosna« auch die »glückliche Bosna« geworden! Berlin, im September 1897. Der Verfasser und die Yerlagshancllung. Einführung zur L Auflage. Bevor Oesterreich-Ungarn kraft des im Berliner Vertrage erhaltenen Mandates itn Jahre 1878 zur Besetzung Bosniens und der Hercegovina schritt, waren in dem seit Jahrhunderten wie verschlossenen Lande nur wenige europäische Reisende erschienen. Diese Wenigen waren meist in amtlicher Eigenschaft in Bosnien gewesen und sie hatten sich redlich bemüht, in von ihnen veröffentlichten Werken die Kenntniss des Landes dem Auslande zu vermitteln. Dem grossen Publikum blieben jedoch diese Gefilde gänzlich unbekannt; das bosnische Dornröschen schlief noch den jahrhundertelangen Zaubcrschlaf und es fand seine Auferstehung erst, als die kaiserlichen Truppen die Grenzen überschritten und die neue Aera einleiteten. Jetzt wurde das Dickicht, das um Dornröschens Schloss wucherte, gelichtet und nach rastloser und schwerer Arbeit von nicht zwei Jahrzehnten steht Bosnien bekannt und geachtet vor der Welt. Was in diesem Lande geleistet wurde, ist fast beispiellos in der Kolonialgeschichte aller Völker und Zeiten und die nachfolgenden Schilderungen, wenn sie auch mehr für den Touristen geschrieben sind, der die landschaftlichen Reize der »goldenen Bosna« kennen lernen will, sollen doch auch ein Bild geben von dem Bosnien einst und jetzt. Es fehlt heute nicht mehr an umfangreichen wissenschaftlichen und an Reisewerken über dieses prächtige Gebiet der Balkanhalbinsel. Das vorliegende Werk erhebt daher auch keinen Anspruch auf besondere Gelehrsamkeit, es soll in ihm nur in zwanglosem Geplauder erzählt werden, was ich bei oftmaligen Reisen in dem Lande, das ich wie eine zweite Heimath liebe, gesehen und erlebt; es soll Interesse und Verständniss in weiteren Kreisen erwecken, die beim Antritt einer Reise nicht ganze Bibliotheken durchstudiren wollen und können. Eines hat mir die Feder geführt: Unauslöschliche Liebe zu Bosniens Bergen und Thälern, zu seinen grünen Matten und romantischen Städten, zu seinem kräftigen Volke und dessen Eigenart. Sodann aber auch unbegrenzte Hochachtung vor den Männern, die als Kulturträger in amtlicher Stellung jene Fortschritte zeitigten, die heute diese Provinzen so hoch über die meisten anderen Länder des europäischen Südostens erheben. Wenn ich heute hinausblicke in den grauen Nebel des nordischen Winters, denke ich mit Sehnsucht an Bosniens Urwälder, an das Paradies jedes Naturfreundes. Und der Bosna, der Drina, der Narenta und des Vrbas Wellen rauschen mir ein verlockendes Lied von Gottes freier Natur in der Schweiz des Balkans. Möge mein Sehnen recht bald von Vielen getheilt werden, mögen bald Tausende sich jenes eigentümlichen orientalischen Lebens erfreuen, das, von unsagbarem Reiz, früher nur wenigen bevorzugten, mit Glücksgütern gesegneten Sterblichen zu schauen ermöglicht war. Heute führen drei Bahnlinien mitten in diese fremde Welt, die sich jedem ins Herz schmeichelt, der noch Gefühl für Schönheit, für unverdorbene Natur, dabei aber auch Sinn für moderne Thatkraft besitzt. Ich mache jetzt den Führer im Lande. Wer Lust hat und nicht immer ausgetretene Pfade wandeln will, der folge mir! Berlin, im Winter 1895/96. Heinrich Renner. Inhaltsverzeiehniss. Seite Auf der Bosnabahn..............................i Abseits vom Schienenwege ...............................28 Im Eisenbezirke . .................•......37 Sarajevo...........................47 Leben und Treiben in der bosnischen Hauptstadt.............59 Aus dem bosnischen Leben und Lieben....... ............84 Die Neuzeit in Sarajevo ......................97 Eine Perle Bosniens .......................106 Ina Drinagebiet . ....................................122 Von Gorazda nach Foca............................134 An der Grenze des Paschaliks Novibazar................155 Im Sandschak Novibazar ......................165 Eine Flossfahrt auf der Drina....................186 Eine alte bosnische Bergwerksstadt.............................217 Nach Zwornik.........................227 Idyllische Fahrten........................238 Die Romanja und der Glasinac ...................253 Von Sarajevo nach Mostar.....................272 Die hercegovinische Hauptstadt . ......*............297 Blagaj und die Bunaquelle.....................3J7 Längs der montenegrinischen Grenze.................325 Im Garten der Hercegovina ...........................356 Ueber Dalmatien ins Narentathal...................372 Durch das Ramathal nach Jajce .........................400 Die Königsstadt Jajce .......................420 Jajce und Umgebung in der Gegenwart .................445 Von Lasva über Travnik nach Jajce..................456 Im Vrbasthal nach Banjaluka....................47° Banjaluka . ........ ..................485 In den Kolonien ............................501 Von Banjaluka nach Kostajnica ...........................515 Ein Abstecher in die westliche Krajna .................523 Nach Tuzla..........................539 Der Salz- und Kohlendistrikt ....................553 Verzeiehniss der Illustrationen. Seite Denkmal in Bosnisch-Brod .............................l In tler Savegegend ..............................2 Eisenbahnbrücke in Bosnisch-Brod ...............................3 Dorfmoschee mit türkischem Friedhof ...............................5 Schweinehirtin an der Save bei Bosnisch-Brod......................7 Kopf eines Mohammedaners ..........................8 Ansicht von Doboj...........................9 Zuckerfabrik Usora . .................................13 Nachtreiherkolonie im Bezirke Tesanj......................15 Strasse in Maglaj ........................ij Maglaj von der Nordseite .......................................ig Totalansicht von Zenica..........................21 Vranduk ...........................23 Centrai-Strafanstalt in Zenica....................25 Papierfabrik in Zenica ..........................25 Kohlenwerk, nebst Eisen- und Stahlwalzwerk in Zenica ................26 SchhissVignette: Namenszug auf einem Diplom des Sultans Ghazi Ahmed Chan ... 27 Kopfleiste: Altbosnische Inschrift . ..........................28 Mühle bei Janjici ............. ...............28 Siegel aus Sutjeska ...........................30 Ein Hadzija (Mekkapilger) aus Visoko ........... ......31 Kloster in Fojnica ........................32 Bauernbursche singt zur Tamburica (Motiv aus Kiseljak)...........33 Katholisches Kloster in Kresevo (Winterbild).....................34 Vor der Kirche in Kresevo.............. .......35 Altchristliches Siegel aus Komusina.....................36 Bosnische Eisenerzeugnisse...........................37 Anfangs Vignette: Bosnischer Bauer..................37 ■Gewerkschaft Dubostica ...........................38 Stadtansicht von Vares...........................39 Altbosnische Erzaufbereitung bei Cevljanovic...............41 Eisenwerk in Vares ....... ...............42 Altbosnisches Eisenwerk (Majdan) bei Vares . ..............44 . Seite- Frau aus der Gegend von Zenica...................45 Anfangsvignette: Bosnisches Mädchen.................47 Landesregierungspalais in Sarajevo..................49 Landes-Museum und katholische Kathedrale in Sarajevo...........50 Türkische in Sarajevo geprägte Nothmünze aus Kupfer (Mangura) . .......52 Panorama von Sarajevo...........................56 u. 57 Moschee im Bazarviertel .........................58- Anfangsvignette: Männlicher Einwohner ..................59 Strassenbild aus der Carsija.....................59 Lastträger (Ilamal) aus Sarajevo.................. . 61 Junger Zigeuner aus Sarajevo....................61 Bosnische Kunsterzeugnisse .....................62 Begova-Dzamija in Sarajevo .....................63. Inneres des landesärarischen Teppich-Webeateliers in Sarajevo..........64 Motiv aus der Begova-Dzamija.......... ..........65 Motiv an der Begova-Dzamija....................67 Rathhaus in Sarajevo......... ..............68 An der Miljacka (Bendbaschi)......................................69 Im türkischen Viertel........ . . .............72 Miljackathal mit dem Visegrader Thor in Sarajevo . . ...........74 Wasserfall Skakavac bei Sarajevo...................75 Eingang zur Sinan-Tekija in Sarajevo.................76- Scheriats-Richterschule in Sarajevo..................77 Bosnischer Derwisch .......................79 Ambona (Predigerstuhl) in der alten orientalisch-orthodoxen Kirche in Sarajevo ... 8i Markthalle in Sarajevo.......................82 Bosnische Frauentypen .......................84 Von der Strasse (Moschee).....................85 Türkischer Friedhof auf Alifakovac ..................86 Guslar............................87 Liebesidyll in der Ilercegovina....................89 Alter jüdischer Friedhof bei Sarajevo .......................96 Bosnische Kunsterzeugnisse in Initial C.................97 Zigeuner-Dzambas (Pferdemakler) aus Sarajevo..............9& Landesspital in Sarajevo......................101 Touristenhaus in Trebevic......................!o4 Observatorium auf der Bjelasnica ...................105 Landwirthschaftliche Station Butmir ......................106 Initiale A (Bauer zu Pferd).....................106. Bad Ilidze...........................io7 Bauer aus dem Sarajevskopolje....... .............io9 Hotels und die Quelle in Bad Ilidze..................no Am Rennplatz in Ilidze......................111 Bosnaquelle..............................112 Sonntag-Nachmittag an der Bahnstation in Ilidze..............114 Bauernrennen in Ilidze ............................115 Park von Ilidze........................... »Zur Gesundheit!« (Christliche Bauern aus der Umgebung von Sarajevo.) . . . . . 119- Crocus Vilmae (Fiala)........*..............121 Kopfleiste: Einheitnische Typen...................122 Anfangsvignette: Einheimische Typen..................122 Kozija-Cuprija (Ziegenbrücke) bei Sarajevo ................123 Tragthier mit lleu beladen.....................124 Blick von Pale auf die Romanja-Planina.................125 Han bei Pale ..........................125 Praca-Defili .................................126 Bauer im Alltagskostiim (Karolinensattel)................126 Praca mit der Kanjen-Plariina....................127 Rast bei der Feldarbeit (Pale)....................129 Wölfe vor Beginn des Treibens auf der Ranjen-Planina...........130 Alter Mohammedaner aus Gorazda ..............,.,..131 Junger Mohammedaner aus Gorazda......................132 Weber ...............................133 Korantext auf einem Säbel...........................134 Anfangsinitial: Kaffeetrinkeuder Bauer.........................134 Bosnische Bäuerinnen............. .......... Moschee ........................... Holzverkäufer........................... Städterin aus Foca....................... . 140 Totalansicht von Foca.......................141 Partie aus FoCa.........................143 Der Uhrthurm (Sahat-Kula) in FoSa..................j46 Dzenaza (Todtengebet) vor der Moschee................J49 Kopf eines Knaben........................ Auf der Zelengora. (Zwischen Foca und Gacko) .............153 Bettler............................... Picea Omorica Pancie.......................x^j Eckvignette: Baumgruppe ......................x^5 Alter Bauer aus Cajnica......................157 Stadtansicht von Cajnica ..........................159 Siegel des Despoten Stefan auf der goldenen Bulle desselben.........164 Oesterreichischer Soldat auf Patrouille im Sanclschak Novibazar ........ 165 Metalkasattel..........................166 Totalansicht von Plevlje....................168 u. 169 Fliegendes Kaffeehaus im Sandschak..................xyx K. u. K. Kaserne bei Gotovusa....................173 Orientalisch-orthodoxes Kloster Sveti Trojica (Dreifaltigkeit) bei Plevlje ...... 175 Prijepolje im Sandschak.........................177 Brücke bei Prijepolje...........................179 Postfahrt mit Bedeckung im Sandschak.............. . . . iSi Jerinaburgruine bei Bistrica zwischen Priboj und Prijepolje..........182 Priboj (Militärlager).......................183 Türkische Kaserne in Priboj.....................185 Felspartie an der Drina......................186 Flossfahrt auf der Drina.......................188 Stadtansicht von Visegrad......................191 Brücke in Visegrad........................192 Gemse aus den Gebirgen an der Drina ................. Auf den Ausläufern des Crni Vrh (Pinus Leucodermis-Gruppe).............200 Schluchtmündung des Zepaflusses............. ......201 Alte Brücke über die Zepa .....................204 Am Slap im Drinathal.......................207 »Frohe Tage.« (Lammbraten am Spiesse.) . ...............209 Auerhahnbalz in den Wäldern an der Drina...............211 Im Drina-Defile.........................215 Vignette auf dem Titelblatt einer Evangelien-Uebersetzung aus der alten Bergwerksstadt Olovo von 1586, gedruckt in Venedig in altkroatischer Sprache......217 Stadtansicht von Srebrenica .....................220 Ockerfabrik in Srebrenica......................222 Crni Guberquelle bei Srebrenica ...................224 Bosnischer Mohammedaner ......................225 Denkstein »Angjelia« bei Oprasic ...................226 Pinus Leucodermis (Antoine) ....................227 Brücke über die Drinaca......................228 Stadtansicht von Zwornik......................229 Zwornik, am Eingang vom Thor aus gesehen.............. . 231 Ausgesprengte Strasse bei Divic zwischen Srebrenica und Zwornik........232 Divic mit dem Blick nach Serbien ................... 233 Kolotanz...........................234 Kopf eines Eingeborenen......................237 Prämiirte Kälber.........................238 Flüchtige Wildschweine im Drinacagebiet................239 Darinkafelsen zwischen Nova-Kassaba und DrinaSa.............241 Moschee am Felsen Kuslat zwischen Nova-Kassaba und Driuaea........242 Tanzender Zigeunerknabe......................243 Im Waldgebirge................................244 Strasse in Vlasenica............................246 Stadtansicht von Vlasenica.....................247 Mädchen aus l'odromanja ......................24S Orthodoxes Grab bei Han Pjesak...................249 Bürgermeister von Sokolac ..................... 250 Bettelndes Bauernmädchen .....................251 Han auf der Romanja-Planina ....................253 Mohammedanischer Bauer aus Rogatica.................255 Bei den Ausgrabungen am Glasinac beim Dorfe Sokolac.......,...256 Bauernanwesen im bosnischen Waldgebiet......................257 Adlerfelsen auf der Romanja-Planina (Orlova Stiena)...............258 Han Obhogjas am Glasinac .....................259 Bauer aus der Umgebung von Rogatica.....................260 Bauernhaus auf dem Glasinac .........................261 Markt in Rogatica........................262 Kaserne in Podromanja ..........................263 Gendarmerie-Kaserne Naromanja.................. . 264 Bogomilenfriedhof Vlagjevina im Bezirk Rogatica ..................265 Am Brunnen in Rogatica vor dem Abdest (Waschung vor dem Gebet)......267 Ilodza aus Rogatica.......................268 Waldpartie auf der Romanja-Planina....... ...........269 »Gute Rast«. (Bauer aus Mokro) ......................270 Blick von iler Romanja-Planina gegen Mokro...............271 Im Bazar von Sarajevo ..........................272 Station Ivan mit Tunnel......................... Zwischen dein Ivan und Konjica......................275 Die Lukaschlucht.......................>277 Mühle bei Konjica in der llercegovina........«........27& Konjica................................281 Christliche Bäuerin aus Konjica ...... .............283 Im Narenta-Defilé mit dem Blick auf den Prenj..............284 Katholikin von der Zec-Planina .........................285 Am Fusse des Prenj................................287 Landes-Hôtel in Jablanica.....................289 Im Narenta-Defilé........................ 291 Flussansicht von Mostar..................... .........293. Hôtel Narenta in Mostar . .....................295 Im Bazar von Mostar.......................297 Die alte Brücke in Mostar .....................299 Eingang zur alten Mostarer Brücke..................302 Im Brückenviertel . .......................3°.^ Partie am Flusse in Mostar .....................3°5 Moschee in Predhum (Mostar)....................306 Karagjoz-Moschee in Mostar.....................30& Im Brûckenviêrtel von Mostar....................310 Ein Bild aus Mostar . ......*......................311 Partie aus Mostar ........................312 Weinbaustation bei Mostar.....................313 An der Narenta (Mostar)......................314 Schlussvignette: Kopf eines Arbeiters.....................316 Forellenfang mit der Hand im Bunaflusse bei Blagaj ..................317 Bunaquelle ..........................319 Thekia an der Bunaquelle.....................320 Särge im Innern des Türbe.....................320 Burg Stjepanograd .........................321 Kafedzija in Blagaj........................323, Militärpostwagen an der Grenze ...................325 Rückkehr vom Markte.......................................326 Nevesinje und das Nevesinjskopolje ...................32S Fojnicka Cuprija bei Gacko.....................329 Ansicht der Stadt Gacko ......................332 Mohammedaner..................................................334- Arbeiten an der Kline bei Gacko . ...........................335 Cemerno.....................................337 Aus der Sutjeskaschlucht......................... Im Sutjeska-Defilé. (Zwischen Gacko und Foca).............342 Stepen................................ Cisterne in der Ilercegovina..............................347 Golobrdo bei Korito-.......................348 Ansicht von Korito ....................... . 3S0, Neubilek ...........................352 Cepelica...........................353 Mosko............................354 Quelle der TrebinjCica.......................355 Tabakarbeiterinneil in Trebinje ....................356 Gradina bei Trebinje . . . . •..................358 Stadt Trebinje.........................359 Weinbaustation Lastva.......................361 In der Suttorina..............."..........364 Denkmal auf der Orjenska Lokva zur Erinnerung an den Besuch des Kronprinzen Rudolf 365 Gendarmerieposten Konjsko am Wege vom Lastvathal nach Grab in der Zubci . . . 366 Defensiv-Kaserne in Grab (Zubci)...................367 Kopfleiste: Motiv aus dem hercegovinischen Karst ............372 Anfangsvignette: Mohammedaner zu Pferd ...............372 Iii Canosa...........................376 Ilafen von Neum in der Enklave Kiek.................379 Enteneinfall. Motiv aus der Umgebung von Metkovic............380 Burgruine bei Metkovic......................381 Der Ilafen vou Metkovic an der Narenta................383 Pocitelj............................387 An der Strasse in Capljina.....................389 Ansicht von Capljina, von der Narenta aus gesehen.............390 Kloster Zitomisljic........................391 Grosse Eiche in Zitomisljic . ...................392 Bogomilenfriedhof bei Stolac.....................393 Ueberfuhr an der Narenta.....................395 Kurze Rast. Motiv aus Gabella.......................396 Kosorska-Cuprija (römische Brücke über die Buna) unweit Blagaj........398 Altes Siegel aus Vid (Narona) vom 15. Jahrhundert............399 Anfangs Vignette: Lämmergeier....................400 Eingang ins Ramathal .......................401 Seferov-Han im Ramathal.....................402 Im Ramathal..........................403 Bauer aus dem Rainathale bei Prozor.................405 Mädchen aus Prozor ...........................406 Stadt und Burg Prozor......................- 407 Am Makljensattel........................409 Ansicht von Bugojno.......................411 Total-Ansicht von Dolnji-Vakuf ...................413 Bosnischer Franziskaner. Motiv aus dem Ramathale bei Prozor........415 An der Eisenbahn bei Dolnji-Vakuf..................416 Vijenac vor Jajce mit der Burgruine..................417 Zwischen Dolnji-Vakuf und Babinpotok.....................419 Altes Thor und Kaffeehaus in Jajce..................420 Felseneinschnitt vor Jajce .........................422 Jajce mit den Plivafällen ..................'.'.., 426 Altes Stadtthor in Jajce......................428 Festungsthor in Jajce..................*.....430 Medvedkula in Jajce...........................433 Lukasthurm in Jajce .......................^ Metjef (mohammedanische Religionsschule in Jajce) .............447 Am Plivafall ...... . „_ ...... — * -..............45° Kozluk, Vorstadt von Jajce........... Jezero mit dem Touristen-Pavillon . . . ................. Siegel des Klosters Labostin in Duvno.................455 Kopfleiste: Altbosnische Inschrift bei Kaostice..............456 Travnik.............................. 7 Neue Medresse in Travnik.....................461 Livno. (Partie am Flusse).....................462 Alpenhof auf der Krug-Planina (bei Livno)...................463 Landwirtschaftliche Station Livno..................464 Livno. (Partie bei der Quelle)....................466 Station Oborci mit dem Komar.....................468 Bauer............................469 Daphne Blagayana........................470 Auf der Strasse Jajce-Banjaluka...................471 Von der Strasse Jajce-Banjaluka. (Vor dem Tunnel.)............473 Auf der Vrbasthalstrasse.......................474 Partie von der Strasse im Vrbasthal..................475 Von der Strasse im Vrbasthal....................476 Burg Krupa................... ......477 Ruine Krupa von Norden......................478 Enge Tjesno an der Strasse Jajce-Banjaluka...............479 Zveiaj............................482 Auf der Strasse im Vrbasthal............^¡^ Am Park im Banjaluka............. Totalansicht von Banjaluka............................^^ Stadttheil am Vrbasflusse in Banjaluka........... Vor einem Ducan (Verkaufsgewölbe)....................491 Festung in Banjaluka......................................^^^ Ferhad Pascha-Moschee in Banjaluka..............................^ Trappistenkloster Maria-Stern .........................g Vrbasbriicke in Banjaluka................. Auf dem Wege zur Stadt . .........................j Die Kolonie Windthorst im Entstehen........ ........... Kolonistenhaus in Windthorst ................... Rindertypus aus Windthorst .........................507 Bosnischer Schweinehirt ...................... Katholische Kirche in Windthorst ...................5x1 Deutscher Kolonist aus Windthorst..................512 Schulkindergruppe aus der Kolonie Windthorst..............514 Titelvignette: Süsse Ruhe.....................515 Ansicht von Prjedor.......................516 Falkenjagd auf Wachteln......................519 Schlussvignette: Schweinekoben....................522 Anfangsvignette: Baumgruppe................. . . . 523 Kopfleiste: Altbosnische Grabinschrift.................523 Stadt Krupa..............................525 Mühlen in Spahici bei Bihac....................527 Ansicht von Bihac........................528 Altes Thor in Bihac.......................530 Dorf Ripac bei Bihac (der erste prähistorische Pfahlbau in Bosnien).......53 c Burgruine Sokolac bei Bihac....................533 Das den gefallenen Soldaten 1878 gesetzte Monument in Zegar bei Bihac.....5.34 Türken an der Quelle ......................535 Ruine Brekovica bei Bihac.................. ... 536 Unafluss mit Mühlen in Baksais...................537 Koksofen im Kohlenwerk Kreku...................539 Stadt Gracanica..........................541 Partie aus dem Sprecathal.....................543 Zwischen Olovo und Kladanj....................544 Brennende Halde........................545 Im Hof der Spiritusfabrik Dolnja-Tuzla............■.....547 Im Kohlenwerk.........................548 Ansicht der Stadt Dolnja-Tuzla....................549 Zigeuner als Lastträger (Hamal) in Dolnji-Tuzla..............551 Förderungsthurm im Kohlenwerk Kreka.................553 Bauern auf dem Markte in Tuzla.................,.554 Kohlengrube an der Kreka.....................556 Totalansicht des Kohlenwerkes Kreka bei Dolnja-Tuzla...........557 Siminhan mit Saline.......................559 Landwirtschaftliche Station Modric..................560 Salzsiederei in Gornja-Tuzla zur Türkenzeit...............561 Bohrungen im Salzwerke Dolnja-Tuzla.................563 Einheimischer Reiter beim Wettrennen .....................564 Waldpartie im bosnischen Waldgebiet.................567 Die im Buche wie in der dem Werke beigegebenen Karte angewendete Schreibweise der geographischen und Eigennamen ist die in Bosnien-Hercegovina gebräuchliche. C (c) wird wie z im Deutschen gesprochen, c wie tsch, c etwas weicher, mehr an tsj anklingend, s wie seh, z wie das französische j in jardin. Auf der Bosnabahn. Ueber die grosse eiserne Savebrücke fährt der Zug der ungarischen Staatsbahn um Mitternacht in den Bahnhof von Bosnisch-Brod ein. Ob man von Wien, Budapest oder Agram kommt, stets hat man lange Strecken Tieflandes durchzufahren und cjer erste Eindruck, den man von Bosnien empfängt, ändert in landschaftlicher Beziehung nichts an diesem Bilde. Brod liegt noch im Savethale und der etwa 2000 Bewohner zählende Ort bietet dem Reisenden wenig Interessantes. Aber die ersten Minarets weisen wie schlanke Finger zum Himmel, sie zeigen, dass wir das Gebiet des Islams betreten haben. Der Bahnhof liegt etwas abseits vom Orte; die Waggons müssen hier gewechselt werden, denn die 269 km lange Strecke Brod-Sarajevo ist schmalspurig gebaut und die Wagen sind bedeutend kleiner als auf den normalspurigen Bahnen, dabei aber sehr bequem eingerichtet und von peinlicher Sauberkeit. Es bestehen Plätze I., II., III. und IV. Klasse. Fremde fahl *en durchwegs erster oder zweiter Klasse, auch die bosnischen Kaufleute und die mohammedanischen Grundbesitzer (die Begs) würden es unter ihrer Würde halten, eine niedrigere Klasse zu benutzen. Die Fahrpreise sind massig, für die unteren Klassen geradezu fabelhaft billig. Die Verwaltung wird von der in Sarajevo etablirten Direktion der bosnisch-hercegovinischen Staatsbahnen geführt. Denkmal in Bosn,-Brocl. In Bosnisch-Brod, das die Türken auch Busud nennen, wahr- s ' - , jp^'i-.., ■ scheinlich weil auf den ursprünglichen türkischen Karten in Folge eines zuviel gesetzten Punktes in der arabischen Schrift ein Druckfehler entstand, überschritt im Jahre 1697 Prinz Eugen von Savoyen die Save auf seinem kühnen Zuge nach Sarajevo. Hier vollzog sich auch am 29. Juli 1878 der Uebergang der österr.-ungarischen Truppen unter FZM. Frhr. v. Philippovic und im Jahre 1885 betrat Kaiser Franz Joseph hier den bosnischen Boden. Ein Monument erinnert an diesen geschichtlichen Augenblick. In dem Städtchen zeigen zwei kleine Moscheen und eine neuerbaute orientalisch-orthodoxe Kirche tlie Mischung der Bevölkerung an. Wer aber das alte Brod gekannt hat, das aus einer langen schmutzigen Gasse bestand, wird doch überrascht sein, wenn er heute den Ort betritt, die modernen Gebäude amtlicher und privater Bestimmung sieht, wenn er den geschäftlichen Aufschwung gewahrt, der sich vollzogen hat und noch stetig vollzieht. Die Häuser der Mohammedaner sind zwar noch immer die gleichen, sie sind meist aus Holz und hier in der Niederung, die Ueberschwemmungcn ausgesetzt ist, auf hohen Pfählen erbaut, sie zeigen noch immer wenig Symmetrie und äusseren Putz, aber das ist türkische Sitte und im Einzelnen beginnen Mohammedaner auch schon auf europäisch gebaute Häuser Werth zu legen. Niemals darf diesen jedoch die besondere Frauenabtheilung mit den Holzgittern vor den Fenstern (Muscharabiehs) fehlen, ebensowenig, meist an der Gartenseite, die sogenannte Divanhane, ein Balkon, der wieder mit einem feinen Holzgitter umschlossen ist und wohl die Aussicht, nicht aber den Einblick gestattet. Den ersten Begriff vom fremden orientalischen^Leben empfängt der Reisende in der Bahnhof-Restauration, wo er'gewöhnlich eine Stunde Wartezeit hat. Da sitzen schon die einzelnen Typen der Bevölkerung: Der hochgewachsene mohammedanische Grundbesitzer in sackartigen breiten Hosen, die an den Unterschenkeln eng geschlossen sind, der türkischen farbigen Jacke, clem breiten Shawl (Pojas) um den Leib, um den Fez das Turbantuch gewunden. Neben ihm sieht man den orthodoxen Kaufmann, cler sich in der Kleidung, soweit er nicht schon gänzlich europäisirt ist, ähnlich, nur in dunklen f ärben trägt, dann den Spauiolen, die verschiedenen Vertreter des Bauernstandes, bei denen man an der Kleidung fast stets die Konfession erkennen kann, und dazwischen die Uniformen des Militärs und der Civil-beamten. Vereinzelt tauchen auch in den Wartesälen türkische Frauen auf, tiefverschleiert mit Feredschi. und Jaschmak, in plumpen gelben Stiefeln, Iiis e nb a Ii n briic k e in Hosn.-Brod. einer Kleidung, die alle etwa vorhandenen Reize peinlich verhüllt. Essen und Trinken ist jedoch schon ganz abendländisch und die erste Stunde ;mf bosnischem Boden ist noch Niemandem langweilig geworden. Wer der Landessprache nicht mächtig ist, kann sich deutsch vorzüglich verständigen und dies nicht allein auf den Bahnrouten, sondern bei allen Behörden des Landes, in den Gasthäusern, bei vielen Kaufleuten und schliesslich bei den zahlreichen Eingewanderten. Unter der jüngeren bosnischen Generation giebt es schon eine Anzahl deutschsprechender Personen und zwar, ohne dass ein behördlicher Zwang ausgeübt worden wäre. Von Brod aus durchzieht die Bahn das Savethal auf 2 Meter hohen Dämmen im flachen lehmigen Boden mit ziemlich starker Humusschicht: sie berührt die Stationen Siekovac (auch Dampferstation der Saveschifffahrt zwischen Sissck und Semlin) und Novoselo und gelangt dann ins Ukrina-thal, das schon von den Hügelausläufern der Vu&jak-Planina durchzogen ist. Dann wird Dervent erreicht, eine an der Ukrina gelegene Stadt von beinahe 5000 Bewohnern. Gerade während der Okkupation im Herbst und Winter von 1878 auf 1879 war die gesamnite Gegend meilenweit überschwemmt, sodass Kähne von der Save bis nach Dervent kommen konnten. Dervent selbst liegt recht malerisch auf zwei Hügeln, doch ist der neue Theil der Stadt in der Ukrinaniederung erbaut. Bis zum Jahre 1886 befand sich hier die militärische Direktion der Hosnabahn, che sie nach Sarajevo verlegt wurde. In Dervent befindet sich eine landesärarische Wein- und Obstbaustation ; der Obstbau wird hier bevorzugt. Von Dervent an steigt die Bahn in zahlreichen Windungen die Höhen hinan durch das BiSnjathal gegen Vrhovi. Die ganze Bahntrace Dervent-Vrhovi liegt im Rutschgebiete, weshalb grössere Einschnitte vermieden werden mussten. Von Vrhovi entwickelt sich dann die Bahn in dem sehr coupirten Terrain mittels einer Doppelschleife und Ausfahrung der Seitenthäler derart auf die Wasserscheide zwischen dem Save- und Bosnagebiet, dass sie diese bei Han Marica erreicht. Es ist ein wundervoller Anblick, der sich von hier auf die Saveniederung, wie auf die Gebirgszüge der Motaica und des Vuöjak bietet. Ueberall ist die Gegend gut angebaut, und erfreulich ist der Fleiss der Bosnier, die bis in die Höhen die Felder bestellt haben. Sie arbeiten ja auch heute noch viel weniger als die Bauern in unseren Ländern, die landwirtschaftlichen Neuerungen finden aber nach und nach Eingang bei ihnen und die Landesregierung sorgt durch landwirtschaftliche Stationen, durch Einführung besserer Arten Rindviehes, moderner Pflüge etc. für den erforderlichen praktischen Unterricht. Die Bauern schaffen eben jetzt lieber als ehemals, wo sie der Willkür der Grundherren oder der Steuerpächter ausgesetzt waren, die ihnen anstatt des gesetzlichen Drittels und des Zehnten oft mehr als die Hälfte des Bodenertrages abnahmen, sonstiger Willkürlichkeiten gar nicht zu gedenken. Die bosnische Agrarfrage, das Pachtsystem, war die Ursache der steten Unzufriedenheit und der letzten Erhebung unter türkischer Herrschaft. Nun besteht zwar auch heute noch das von den Türken eingeführte, bereits reformirte Agrargesetz vom 14. Sefer 1276 (nach der Hedschra) in Kraft, aber die Ausführung desselben wird von den Behörden streng überwacht. An und für sich ist es ganz human und erträglich. Auch die Begs und Agas (die Grundherren) sind mit der neuen Handhabung zufrieden, weil ihnen nicht allein der gesetzliche Antheil des Bodenertrages sicherer zufliesst, sondern weil die Knieten (Erbpächter) mehr und rationeller arbeiten und immer weitere Flächen dem Anbau unterzogen werden. Uebrigcns kaufen sich immer mehr Bauern los, sie werden Freibauern mit eigenem Besitz. Dorfmoschee mit türkischem Friedhof. Das bosnische Grundrecht ist ein so eigentümliches, dass eine kurze Darlegung an der Hand der vorzüglichen Ausführungen des Sektionschefs Herrn Eduard Ritter von Ho-rowitz (»Die Bezirks-Unterstützungsfonds in Bosnien und der Herce-govina«) gestattet sein möge. Der Grund und Boden ist Eigenthum des Grundherrn, der mit demselben durch alle Arten der Eigen-thumsübertragung inier vivos und post mortem allerdings nur unter gewissen Beschränkungen verfügen kann. Trotz dieser Einschränkung gleicht sein Eigentumsrecht im Allgemeinen dem europäischen Rechtsbegrifft'. Die Nutzung seines Besitzes ist dagegen für den Grundherrn an eine bestimmte Form gebunden. Auf dem grundherrlichen Boden sitzt der Kinet oder richtiger die Kinetenfamilie (die Zadruga, die Hauskommune) als erbberechtigter Pächter. Solange die Zadruga oder erbberechtigte Familiengenossenschaft des Knieten besteht, bleibt das Pachtverhaltniss aufrecht, es sei denn, dass gröbliche Pflichtvernach-lässigung seitens des Knieten dasselbe gewaltsam bricht. Der Kniet hat dem Grundherrn gegenüber die Pflicht, sein Bauerngut (Ciftlik) »ordnungsmässig«, d. i. als guter Hausvater zu bewirtschaften und ihm nach der Ernte einen aliquoten Theil der geernteten Gewächse, und zwar meist den dritten Theil (Tretina) in natura zu übergeben. Solange der KmeL diesen beiden Verpflichtungen nachkommt, kann der Grundherr weder ihn noch seine Rechtsnachfolger von dem Gute verdrängen. Ebenso kann der Grundherr seinen Einfluss weder auf die Art der von dem Kmeten angewendeten Wirthschaftsmethode noch auf die Bewirtschaftung selbst ausüben. Er kann z. B. nicht verlangen, dass der Kniet eine bestimmte Getreideart anbaue, dass er zweimal pflüge statt einmal u. dgl. Auf seiner Wirtschaft ist. der Ivmet sein eigener Herr. Fahrnisse und Vieh bilden sein Eigenthum und letzteres ist mit keiner Giebigkeit belastet. Häufig ist auch das Haus mit Nebengebäuden Eigentum des Kmeten, während dasselbe ebenso oft dem Grundherrn gehört und gleichfalls ein Pachtobjekt bildet, jedoch ohne dass der Kniet eine besondere Leistung zu geben hätte. Endlich ist die einzelne Bauernwirtschaft eine unteilbare, sie kann nur getheilt werden, wenn Kniet und Grundherr sich zur Theilung verstehen und die Behörde die Theilung bestätigt. Ohne Einverständniss des Kmeten kann auch keine Einzelparzelle vom Ciftlik abgelöst werden und bei Vernachlässigung der Wirthschaft kann nur die Behörde die Entfernung des Kmeten verfügen und durchführen. Aus dem Geschilderten geht hervor, dass in Folge der Unteilbarkeit der Bauerngüter, in Folge der namhaften Beschränkungen, die das bestehende Recht dem Gutsherrn auferlegt, die Bildung grösserer Wirtschaften auch rechtlich erschwert, wenn nicht unmöglich gemacht wird. Grosse Besitze sind allerdings zahlreich, allein sie bestehen durchweg nur aus einer grösseren Anzahl zinspflichtiger Bauerngüter, welche demselben Grundherrn gehören, deren einzelne bis zü 400, ja 600 Kmetengüter ihr eigen nennen. Neben diesem eigentümlichen Agrarsystem besteht aber auch freies Grundeigenthum. (Nach der amtlichen Bevölkerungsstatistik von Bosnien und der Hercegovina nach der Aufnahme von 1895 waren mehr als 47 pCt. der bäuerlichen Bevölkerung freie Hauern, die auf eigenem Grund und Boden sitzen und Niemandem Zins zahlen.) Aber auch dieser Grundbesitz ist durchweg und ausnahmslos Kleinbesitz. Die mohammedanischen Grundbesitzer haben es von jeher verschmäht, sich mit dem Ackerbau selbst direkt zu befassen, und es für entsprechender gehalten, ihr Land durch Knieten bearbeiten zu lassen. Die Grundherren besitzen oft einzelne »kmetenfreie« AUodialgüter (sogenannte Begluk) mitten unter den Kmetengriinden. Diese sind ziemlich unbedeutende Parzellen; meist gehört dazu der Platz, wo das Herrenhaus (Konak oder Cardak) nebst Garten sich befindet und noch einige Stücke Feld und Wiese, In früherer Zeit galt dieser Besitz als Villeggiatur und ward im Wege des Frohndienstes seitens des Kmeten bestellt. Das hat sich nun freilich geändert und auch die Bildung weiterer Freibauerngüter wird immer mehr begünstigt und gefördert. Im Grossen und Ganzen musste die Regierung jedoch das bestehende System, das auch in den Steuern auf die reine Naturalwirtschaft aufgebaut war, aufrecht erhalten, bis sich von selbst ein Uebergang fand. Dieser ist mit der Umwandlung der Naturalsteuer (des Zehent) in Geld angebahnt, und der Bauer, der nur für seinen Bedarf anbaute und erst verkaufte, wenn ihn die bitterste Geldnoth drängte, muss jetzt schon langsam von der Natural- zur Geldwirthschaft übergehen. Was der Bauer bisher an Kolonial-waaren, Konsumartikeln etc. brauchte, nahm er stets bei einem und demselben Kaufmann in der Stadt auf Kredit, dem er dann auch gewöhnlich seine überflüssigen Bodenerzeugnisse oder Erträge der Viehzucht brachte. Er musste riesige Prozente zahlen und konnte eigentlich nie zu einem gewissen Haarvermögen gelangen. Für immer blieb er in der Hand seines Gläubigers, der ihm übrigens keineswegs nach europäischer Sitte gänzlich den 1 lals abschnitt, denn dann wäre seine Forderung überhaupt verloren gewesen. Durch die neuen Verhältnisse, wie sie sich seit der Okkupation herausbildeten, ward aber jener Hedarf, der von jeher bestanden hatte, gesteigert und neue Bedürfnisse traten allmählich hinzu. Die eingeführten Waaren wurden bedeutend billiger. Die Sicherheit des Eigenthums, die Erleichterung des Verkehres, der Fall der Zollschranken, welche Bosnien und die Hercegovina von Oesterreich-Ungarn abgesperrt hielten, die grosse Menge der neu entstandenen Kommunikationen, insbesondere die Eisenbahnen und die vorzüglichen Strassen, führten den Wagenzug im Innern des Landes auf Wege, die er früher nicht einzuschlagen vermochte, und lenkten ihn bis hinauf in die abgelegensten Hochgebirgsthäler. Einzelne Mittelpunkte des Handels, die früher bestanden, aber auch ein Monopol des gesammten Waaren Verkehrs mit europäischen Einfuhrartikeln besessen hatten, sind dadurch allerdings geschädigt worden, ebenso sind — wie es im grossen Wirtschaftsleben nicht zu vermeiden ist — einzelne einheimische Handwerks- und primitive Kleinbetriebe durch die Einfuhr billiger Massenartikel zu Grunde gerichtet worden. Allein auch dem kleinsten Krämer sind die grossen Centren der Industrie zugänglich geworden, und um weit geringere Preise gelangt der einheimische Konsument jetzt zu den ihm notwendigen Erzeugnissen. Weiter ist ein Faktor hinzugetreten, dessen Bedeutsamkeit nicht genug hervorgehoben werden kann: die leichtere und bessere Verwerthbarkeit der eigenen Produkte und der Ausgleich der Preise der Rohprodukte im Lande selbst. Durch die Vertilgung des Räuberwesens (selbst die entferntesten Gebirgsgegenden Bosniens sind heutzutage sicherer, als irgend eine europäische Grossstadt), die Sicherung des Rechtsschutzes und durch die zahllosen Strassenbauten hat sich dieser Umschwung vollzogen. Einen Kornwucher kann es heute im Lande nicht mehr geben; gegenwärtig sind die Getreidenotirungen von Sissek, Triest, Fiume und Budapest auch für Abschlüsse maassgebend, die sich tief im Innern des Landes abspielen. Ganz dasselbe gilt vom Viehhandel, seit es nach unsäglicher Mühe und mit grossen Opfern gelungen ist, die Rinderpest bis auf die letzte Spur zu vertilgen. Durch die Erleichterung des Absatzes der eigenen Produkte, durch die Möglichkeit, die Kauflust befriedigen zu können, sind aber auch in den an den Verkehrsstrassen gelegenen Bauernhäusern Bedürfnisse entstanden, die man früher kaum vom Hörensagen kannte. Wo früher ein Holzbecher genügte, findet sich jetzt ein Glas; die Petroleumlampe ersetzt den bisher gebräuchlichen Kienspahn (den Luz), eisenbeschlagene europäische Bauernwagen verdrängen das alte prähistorische Vehikel mit den kreischenden Holzrädern. Glasfenster halten ihren Einzug; sie verdrängen den Holzladen, die getrocknete I hierhaut. Ziegeldächer entstehen in clen Ebene n an Stelle der mit mächtigen Schindeln gedeckten primitiven Behausungen. Der Bedarf hält überall seinen Einzug, er niacht sich in Hausrath und Gewandung, vielfach aber auch in Putz und Flitterkram geltend. Zur Befriedigung dieser Bedürfnisse braucht der Bauer Geld. Er arbeitet besser, nimmt grössere Bodenflächen unter Kultur, vermehrt seinen Viehstand. Er würde aber nie aus den Händen seines städtischen Gläubigers kommen, besonders grössere Anschaffungen würden 'hm sehr schwer fallen und ihn unverhältnissmässig belasten, wenn nicht die gegenwärtige Landesregierung eine Einrichtung geschaffen hätte, die dem Bauer einen billigen Kredit ermöglicht. Zu türkischer Zeit war der gesetzliche Zinsfuss (obwohl der Koran seinen Anhängern das Zinsennehmen überhaupt verbietet) zwölf vom Hundert, doch war Geld um diesen Preis Schweinehirtin an der Save bei Bosn.-Brod. nicht zu haben. Der kaufmännische Kredit bei rein kommerziellen Transaktionen rechnete mit 18 pCt. und selbst gegen Primasicherheit konnten vermögende Leute sich nur mit 24 pCt. mühsam Geld verschaffen. Der Bauer aber zahlte für seinen Personalkredit beim christlichen Kaufmann (meist griechisch-orthodoxen Bekenntnisses und im Lande nur »Serbe« genannt) oder beim Spaniolen (Israeliten spanischer 1 lerkunft) für einen Dukaten einen Groschen die Woche. Ein Groschen ist ein Piaster türkisch, etwa 9 Kreuzer. Das macht im Jahre etwa ioo pCt. und dieser Satz ist in diesem Geschäftsverkehr noch immer die Regel. Wie der Bauer, der nicht lesen, schreiben oder rechnen konnte, sonst noch übers Ohr gehauen wurde, wollen wir hier nicht erörtern, es würde den Rahmen dieser Darstellung weit überschreiten, doch möge Jeder, der sich für diesen Punkt interessirt, Belehrung in dem oben angeführten Werke von Ritter von Horowitz suchen. So kam denn die Landesregierung auf die Idee, Bezirks-Unter-stützungsfonds zu gründen. Im Jahre 1886 wurde bei dem über den Bezirk Gacko in der Hercegovina hereingebrochenen Nothstande der erste Versuch gemacht. Drei Jahre hindurch hatte die Regierung dem vom Nothstande heimgesuchten Bezirke grössere Summen zu Darlehnszwecken gespendet. Als Gacko wieder um Staatshilfe nachsuchte, wurde dem Bezirke der Antrag gemacht, die Regierung werde die bereits gespendeten Ililfs-gelder von 5000 fl. zu einer Hilfskasse hergeben, sie sei auch bereit, durch weitere fünf Jahre alljährlich tooo fl. in diese Kasse einzuzahlen, falls auch der Bezirk sich verpflichte, die gleiche Summe durch dieselbe Zeitperiode hindurch seinerseits in diese Kasse beizusteuern, sodass nach tünf Jahren eine Summe von [50000. zusammengebracht wäre. Diese Kasse kam zu Stande; es wurde ein Statut ausgearbeitet, in dem genau festgestellt wurde, unter welchen Bedingungen die eines Darlehns bedürftigen Bauern Gelder in kleinen Beträgen erhalten können. Es werden Darlehen gegeben zum Lebensunterhalte, zur Bezahlung von Wucherschulden, zur Beschaffung von Saatkorn und Viehfutter, zur Anschaffung des unumgänglich notwendigen Arbeitsviehes und zur Anschaffung des Wirthschaftsgeräthes, falls dasselbe gänzlich mangelt. Diese Darlehen werden mit 4 v. H., diejenigen, die zur Verbesserung der Wirtschaft, Ameliorirung des Bodens, zum Ankaufe von Grundstücken etc. bestimmt sind, werden mit 6 v. H. verzinst. Die Einrichtung, die sich in Gacko glänzend bewährte, wurde nun auch in anderen Bezirken eingeführt, es wurden die noch aus türkischer Zeit an einzelnen Orten bestehenden Hilfskassen, die sogenannten »Menafi-Sanduks«, zugezogen und überall von der Landesregierung das Gründungskapital gegeben. Heute sind sie in fast allen Bezirken des Landes vor- — s ■f o q o Q n o a Í q o t s u V banden und haben sich als ausserordentlich segensreich erwiesen. Gerade der kleinste und ärmste Bauer kann sich mit den Darlehen in seinem Wirthschaftsbetriebe helfen und sich auf eine höhere Stufe bringen. Auf Schritt und Tritt drängen sich Wahrnehmungen des wirtschaftlich en Fortschrittes Demjenigen auf, welcher das Land von früherher kennt und darum glaubte ich den vorstehenden Hinweis nicht unterlassen zu sollen. Der fremde zum ersten Male in Bosnien Reisende ist ja nicht im Stande, sofort zu sehen, was mit grosser Ucberlegung, unter Anpassung an Landessitten und alte Ueberlieferungen, unter Schonung konfessioneller Eigenheiten, in so kurzer Zeit geschaffen wurde. Bosnien und die Hercegovina zählten zur Zeit der Uebernahme der Verwaltung durch Oesterreich-Ungarn 1336091 Einwohner, während die Volkszählung des Jahres 1895 1 568092 Seelen aufweist. Von dieser Gesammt-Einwohnerzahl entfallen auf diejenigen, welche sich vorzugsweise mit der Landwirtschaft befassen, 1 385 305 Seelen, worunter 5832 Gutsbesitzer (Begs und Agas) und 27 642 als deren Angehörige, 86 869 Freibauern und 437665 als deren Angehörige, 88971 Pächter (Knieten) und 510888 als deren Angehörige; sonstige bei cler Landwirtschaft tätige Personen und zwar 17 256 Familienhäupter und 33671 als deren Angehörige, Von dem Gesammt-Flächeninhalte Bosniens und der Hercegovina von 5 102 700 ha entfielen zur Zeit der Okkupation schätzungsweise auf Kulturboden einschliesslich Hutweiden 1811300 ha und auf Waldland - 727 200 ha, wogegen heute 2335894 ha Kulturland und 2681910 ha Waldland vorhanden sind. Von dem Kulturland, das sich sonach seit jener Zeit um rund 525000 ha vergrössert hat, entfallen 1 030248 ha auf Ackerland, 39413 auf Gärten, 33:246 aufwiesen, 5760 auf Weingärten und 929 226 ha auf Hutweiden. • ... Von Han Marica aus senkt sich die Bahn, sie tritt in clas Veliianska- und dann in das anmutige Bosnathal ein, um dieses bis Sarajevo nicht mehr zu verlassen. Zuerst wird das nur von Mohammedanern bewohnte Städtchen Kotorsko erreicht, dann windet sich die Bahn lr» einem engen Defile, knapp zwischen dem Flusse und der nach Sarajevo führenden Fahrstrasse, bis- sie am linken Bosnaufer die Station Doboj erficht. Gleich beim Austritt aus dem Defile steht rechts auf einer Anhöhe grosses eisernes Kreuz, das FML Graf Szäpäry, Befehlshaber des dritten Armeecorps, den in den Kämpfen bei Doboj gegen die Schaaren des Mufti von TaälidSa 1878 Gefallenen errichten licss. Doboj selbst berührt wie ein Stück Mittelalter. Auf hohem steilen Bcrgkegel erhebt sich die alte verfallene Burg der einstigen Bane von Usora, mächtig und malerisch. Ein Besuch der Ruine, der von der CarSija (dem Marktviertel) aus wenig Mühe, wenn auch einiges Steigen erfordert, ist ungemein lohnend. Nach Osten fällt der Blick über die Bosna in die malerische Wald- und Gebirgsgegend des Spreöathales; nach Süden verfolgt das Auge eine Zeitlang den Schienenstrang, von dem sich die Linie nach Tuzla und Siminhan hier östlich abzweigt, nach Westen und Südwesten aber thürmt sich eine dunkle Gebirgskette über der anderen auf. Eine Kuppe drängt förmlich die andere; vom lichten Blau bis zum dunkelsten Grün und Schwarz sind alle Schattirungen in der Färbung, Spiegelung und Bewaldung vertreten, bis am äussersten 1 lorizont die schneebedeckten Kuppen der Vuiija-und Vlasiö-Planina in der Travniker Gegend das prächtige Panorama begrenzen. Einst hatte die alte Burg als Sperre des Bosna- und des Spreöa-thales eine hohe Bedeutung; 1697 wurde sie vom Prinzen Eugen von Savoyen auf seinem kühnen Zuge nach Sarajevo erobert, 1717 abermals vom General Petrasch besetzt. Die alte Tiirkenstadt in Doboj mit ihren drei Moscheen (DXamija ist der richtige Ausdruck) hat sich noch wenig verändert, aber in der Niederung erheben sich überall neue europäische Gebäude, industrielle Anlagen, hinter dem Bahnhofe ein stattliches Hotel mit Restauration und längs der ganzen Bahnstrecke bis nach der nächsten Station Usora glaubt man durch ein nettes europäisches Dorf zu fahren. Das war einst anders in Doboj, und noch im Jahre 1886, als die Bahn nach Tuzla eröffnet wurde, wusste man nicht, wo man sein Haupt hinlegen sollte. Die Station Usora liegt wenige Kilometer hinter Doboj an der Einmündung des gleichnamigen Flüsschens in die Bosna. Einst standen hier, wo eine Brücke als Bindeglied der Brod-Sarajevoer 1 Iauptstrasse über die Usora führt, zwei einsame Häuser auf einer Berglehne, nicht weit von der westlichen Abzweigung der Strasse nach der Kreisstadt Tesanj. Heute ist dies anders geworden. Usora ist ein wichtiger wirtschaftlicher Mittelpunkt. Eine grosse Zuckerfabrik ist gegründet worden, und hier und in Prnjavor befinden sich die Hauptniederlassungen der »Bosnischen Holzexploitation« der Triester Firma Morpurgo und Parente. Die letztere schloss mit der Landesregierung 1886 einen langjährigen Vertrag wegen Ausnützung der kolossalen Eichenbestände, die sich in westlicher Richtung in den Wäldern zwischen Bosna und Vrbas finden. Die Stämme werden zu Fassdauben verarbeitet, die ihren Weg meist nach Frankreich nehmen. Früher lieferten die slavonischen Wälder diese Dauben; gegenwärtig sind sie an altem Hol/, zu gelichtet, um dem Bedarfe genügen zu können, und da tritt Bosnien in die Bresche, das genug überreife Bestände hat. Die letzte Wintererzeugung des genannten Hauses wurde auf 8 Millionen Stück französische Fassdauben und 150 000 Eimer deutsches Binderholz geschätzt. Die Erzeugung einer einzigen Agramer Holzfirma in Bosnien wird gleichfalls für 1895 auf 4 Millionen Fassdauben und 50—60000 Eimer Binderholz geschätzt. An den leicht zugänglichen Stellen des Landes wurde allerdings schon unter osmanischer Herrschaft die Ausnutzung vorgenommen; es war aber Raubwirthschaft, denn bei dem Mangel wirklicher Forstorgane wurden Zuckerfabrik U s o r a. die Wälder in Bausch und Bogen verkauft und rücksichtslos niedergeschlagen. Glücklicherweise hinderten die mangelnden Verkehrswege eine wei tere Verwüstung. Jetzt dient die Entfernung der Waldriesen zur Erhaltung des jungen Bestandes und gleichzeitig zur Schaffung von Ko m m unikat ionen in Gegenden, die noch lange solcher entbehren würden. Die genannte Triester Firma hat nicht allein eine eigene Linie von Usora mit der Station Doboj hergestellt — wie es ja bei allen grössenen Fabriken in unseren Ländern der Fall ist — sie musste auch sehr solide ausgeführte Schleppbahnen für Verfrachtung des Holzes nach den 1 iauptschlägen bauen, und diese dringen immer weiter nach Westen vor, sodass sie wohl eines schönen Tages die Bahnlinie Banjaluka-Doberlin erreichen werden. Heute hat die Usorabahn — wie sie genannt wird — bereits eine Länge von 40,3 Kilometern. Endet der Kontrakt mit der Firma, so fällt die Bahnanlage der Landes regierung zu, die dann schon für den weiteren Ausbau sorgen wird. Von hervorragendster Bedeutung für die bosnische Volkswirtschaft ist jedoch der durch die angelegte Zuckerfabrik und Raffinerie bedingte Rübenbau geworden, eine Kultur, welche der bosnische Bauer gar nicht kannte. Im Jahre 1894 aber erstreckte sich der Rübenbau bereits auf i t Bezirke und 6 Exposituren, d. h. auf 17 Distrikte mit einer Anbaufläche von über 2000 Hektaren und einem Ernteergebniss von über 300 000 q Rüben. Jetzt ist der Rübenbau für den Einheimischen kein unbekanntes Gebiet mehr; während früher nur auf das Erträgniss des Kukuruz und der Zwetschke gerechnet wurde, hat sich in diesen Landestheilen der Bauer schon daran gewöhnt, wenigstens so viel Rüben anzubauen, dass er für gewisse Zwecke ein bestimmtes Erträgniss gesichert hat. Es waren bisher 6 Ockonomiebcamte und gegen 40 Rübenvorarbeiter zur Anleitung der Pflanzer zu einer rationellen Kultur aufgestellt, sind auch Prämien für jene Pflanzer ausgesetzt, welche ihre Rübenfelder der notwendigen Herbst-ackerung zeitgemäss unterworfen haben. Unter die Pflanzer wurden 1894 für Rübenbau 320000 fl. ausgezahlt, ein Zeichen, dass die Zuckerindustrie, wenn die Rübenkultur stetig fortschreitet, zu einer hohen Wichtigkeit in Bosnien gelangen kann. Mit der Zuckerfabrik ist eine grosse Mastviehanstalt verbunden, welche die Thiere auf die österreichisch-ungarischen Märkte liefert. Die Zuckerfabrik - Gesellschaft (Aktien - Gesellschaft für Verarbeitung und Verwertung landwirtschaftlicher Produkte) wurde 1892 mit einem Aktienkapitale von 1 Million Gulden ins Leben gerufen. Durch den Rübenanbau vollzieht sich zwischen Doboj und Zenica auch die Ansiedelung von 400 bis 500 Auswandererfamilien, unter denen sich besonders Tschechen befinden, die, weil sie in Russland das Ziel ihrer Wünsche nicht fanden, sich in Bosnien eine bessere Zukunft zu gründen hoffen. Ein Ausflug von Usora oder von Doboj aus mit der Militärpost nach Teäanj ist lohnend. Auf guter Fahrstrasse über Turski-Malinovac, Trnovaca, an einigen kleineren mohammedanischen Dörfern vorüber, wird die ziemlich ausgedehnte Stadt, die nach der Volkszählung von 1895 6736 Bewohner zählt (nach der Volkszählung von 1885 5809 Ew.), in ihrer Mehrzahl Bekenner des Islams, erreicht. Noch sind die Wälle der einstigen alten Veste gut erhalten, und stolz erheben sich auf einem steilen Fels-kegel im Süden die Reste der alten Burg der Baue von Usora. Zum ersten Male eroberten die Türken 1463 die Festung, doch wurde sie ihnen noch im selben Jahre vom König Mathias Corvinus entrissen, und erst 1520 setzte sich der Mohammedanismus beständig hier fest. Prinz Eugen, der edle Ritter, nahm sie zwar am 1. November 1697 durch Ueberrumpelung, aber er konnte sie auf seinem Streifzuge nicht halten, er konnte nur zerstören, und auch da widerstanden ein Wartthurm und Nachtreiherkolonie im Bezirke Tesanj. (Ewald Arndt.) A SA die festen Mauern zum Theile bis heute, wo I esanj abseits der grossen Verkehrswege liegt. Hinter Usora übersetzt die Bahn die Bosna sind und sogar noch von einzelnen Begs zur Jagd benützt weiden. Nunmehr sind am »Falkenstein« nur mächtige Adler in unzugänglichen Horsten angesiedelt. — 'S Auf eiserner Brücke wechselt die Bahn wieder das Bosnaufer; sie tritt in eine ziemlich weite, gut angebaute Ebene, die von Höhenzügen begrenzt wird. In Station Maglaj hält der Zug, einem in Bosniens neuester Geschichte sehr bekannten Orte. Die malerisch gelegene Stadt mit 3000 meist mohammedanischen Bewohnern liegt am rechten Ufer der Bosna, sich an den Fuss des Ozren und seiner Ausläufer anschmiegend. Schon von Weitem wird ein grosses, gut erhaltenes Kastell mit mächtigen Thürmen auf einem steilen Bergkegel über der Stadt sichtbar. Dann aber tritt, ganz am Flusse, das imposante Minaret einer der schönsten Moscheen des Landes vor Augen, um die sich freilich türkische Holzhäuser in alter Schäbigkeit gruppiren. Weiter aufwärts am Flusse erst stehen villenartige Gebäude von Grossgrundbesitzern. Aber gegen einstmals hat sich in Maglaj viel geändert. Das linke Bosnaufer ist ganz europäisch geworden; hier steht ein grosses Militär-Barackenlager, von dem aus eine neue Brücke über die Bosna führt. Am Brückenkopf steht ein Obelisk, das Denkmal für die am 3. August 1878 gefallenen Husaren. Doch heute wollen wir nicht mehr düstere Erinnerungen wecken; vorüber sind die Zeiten der Stürme und Kämpfe; wir freuen uns der wirtschaftlichen Arbeiten einer neuen, friedlichen Zeit. Und weiter führt die Bahn zwischen dem grünen Bergrücken des Sikola-Brdo und der im steinigen Bette schäumenden Bosna nach Süden. Es ist ein malerisches Defile, begrenzt von dem Blezna und dem Pazaric, I lügeln von über 600 m Höhe. Dann breitet sich ein saftig-grünes Thal aus, an dessen Beginn die Station Klobarica, an dessen Ausgang — II km weiter — die Station Zavidovic liegt. Links von ihr ist der Ein- V gang in das wildromantische Krivajathal. Dann wird Zep£e erreicht, ein in Bosniens älterer und neuerer Geschichte oft genannter Ort, bei dem auch 1878 ein Treffen stattfand. Es ist ein wunderlieblicher Kessel, in dem die kleine Stadt liegt, und am Bahnhofe wird ausgezeichnetes Obst verkauft. Spottbillig sind jene Früchte, die Bosnien jährlich Millionen Gulden einbringen: die Zwetschken, welche als »türkische Pflaumen« in gedörrtem Zustande in die ganze Welt gehen. Haupt-Ausfuhrort ist die Stadt Brcka an der Save, die neuerdings durch eine Brücke mit dem slavonischen Ufer verbunden wurde, von wo Eisenbahnverbindung besteht. Die Posavina, die fruchtbare Ebene des bosnischen Nordostens, liefert die höchsten Erträgnisse, doch sind die Zwetschkengärten — oftmals förmliche Wälder — im ganzen Lande zu finden. Die Stadt Zepöe bietet wenig Sehenswertes, dabei aber doch etwas, das, eine Errungenschaft der Gegenwart, jetzt in vielen Städten und Dörfern des Landes als ein Wahrzeichen gelten kann: eine schöne Volksschule. Wo einst ein altes, verfallenes Kastell als Zwing-Uri der Feudalzeit stand, erhebt sich jetzt ein helles, freundliches Gebäude, mit hohen Zimmern und Strasse in Maglaj. weiten Fenstern, damit Gottes Sonnenlichtvoll hineinsehen kann in die Klassen der »Narodna osnovna Skola« — der öffentlichen Volksschule. In ihr .sitzen die Kinder mohammedanischen, orientalisch-orthodoxen und katholischen Bekenntnisses friedlich neben einander; in diesen Schulen wird der Keim zu jener Versöhnung und Verbrüderung gelegt, die dem bosnischen Volke von jeher mangelte. Von den ältesten christlichen Zeiten an zerrissen Religionskämpfe das sonst so kerngesunde Volk, und als in den steten Bekehrungskämpfen zwischen Orthodoxen und Katholiken sich die Masse des Volkes den Patarenern oder Bogomilen in die Arme warf (die man ■am besten als die Protestanten Bosniens bezeichnen kann), weil deren •einfache Glaubensregeln und ihr jeder Ceremonie abholder Maglaj von der Nordseite. Gottesdienst dem einfachen Sinne des Waldvolkes am meisten zusagten, da wurden Kreuzzüge veranstaltet. Ungarns Könige wurden zu Vollstreckern des päpstlichen Willens ausersehen, und wenn auch stets weltliche Zwecke mit verbunden wurden, konnte es doch nicht ausbleiben, dass das bosnische Volk geschwächt, in seiner Widerstandskraft immer mehr gelähmt wurde. Die Bane, Zupane und Könige des Landes standen bald auf katholischer, bald auf bogomilischer Seite; im Namen des Gottes der ewigen Liebe wurde das Land verheert, Thronwirren thaten das Weitere, der Hass der Söhne eines Volkes gegen einander nahm immer zu, bis schliesslich die Osmanen an den Grenzen standen und nun leichtes Spiel hatten, in Bosnien festen Fuss zu fassen. Der langjährige Widerstand, den einige feste Plätze leisteten, zeigt, dass es den Türken kaum gelungen wäre, das Reich zu unterjochen, wäre ihnen eine einheitliche Nation gegenübergestanden. Aber froh, den steten Verfolgungen zu entgehen, traten die Bogomilen meist zum Islam über; der im Innern seines Herzens und auch vielfach äusserlich patarenisch gesinnte Adel folgte dem Beispiele, wo er nicht selbst voranging, und so vollzog sich die Mohammedanisirung Bosniens und der Hercegovina rascher und gründlicher, als in jedem anderen Balkanlande. Es ist nicht meine Aufgabe, hier eine Geschichte der Bogomilen zu schreiben, dies ist von berufener Seite zum Thcil geschehen, aber erwähnen muss ich diese Periode, denn auf allen Wanderungen im Lande stösst man auf die Grabdenkmäler der Bogomilen, grosse sarkophagartige Steine von oft kolossalen Dimensionen, bald mit, bald ohne Gravirungen. Fast alle Funde sind in der Sarajevoer Museumszeitschrift (»Glastiik zemaljskog muzcja u Bosni i Hercegovini«), von der auch vier Bände in deutscher Ueber-setzung vorliegen, mit Abbildungen und Beschreibungen erschienen, und Interessentenkreise müssen auf diese Quelle verwiesen werden. Die mohammedanische Zeit, die eine Rajah schuf, die rechtlos war, konnte die religiösen Grundsätze nicht ausgleichen, sie konnte sie nur noch vertiefen. Denn der zum Islam übergetretene slavische Bosnier wurde ein fanatischerer Mohammedaner, als sein osmanischer und asiatischer Genosse, und gerade Bosnien blieb bis zur Okkupation der Sitz des sogenannten Alttürkenthums. Als Sultan Mahmud in den zwanziger Jahren unseres Jahrhunderts die Janitscharen niedermetzeln Hess und administrative wie militärische Reformen einführen wollte, da erhoben sich die bosnischen Mohammedaner; unter Hussein Berbirli Aga, dem genialen Kapitän von Gradaiac, säuberten sie das ganze Land von den osmanischen Beamten und Soldaten. Mit den Albanesen unter Mustapha Pascha von Skutari vereinigt, zog das bosnisch-albanesische Heer gegen den »Giaursultan« von Stambul, und es wäre vielleicht, da der russisch-türkische Feldzug von 1828—29 erst beendet war, der verwegene Plan geglückt, wenn nicht der Grossvezier Zwietracht in das Lager der Aufständischen gesät hätte,. 'ï o i a 3 2 ti o a i q 3 i s a t j v j o sodass Bosnier wie Albanesen auf getrennten Wegen wieder in die Heimath zogen. Aber es dauerte Jahre, ehe die bosnischen Empörer gebändigt waren, ehe Hussein Berbirli Aga, der »Zmaj bosanski« (der Drache Bosniens), wie er sich nannte, auf ungarischem Boden eine Zuflucht suchte. Und dann kam 1839 unter Sultan Abdul Medschid die Verkündigung des Hattischerifs von Gülhane', der die Gleichberechtigung der Rajah mit den Mohammedanern in feierlichster Weise aussprach. Wieder loderte der Aufstand in hellen Flammen auf; der Vali wurde vertrieben, Bosnien regierte sich selbst! Da kam 1849 nach der Niederwerfung Albaniens Vranduk. Omer Pascha nach dem revoltirenden Lande. Am 30. Oktober 1850 schlug V 4 _ er das Heer der Begs bei Zepöe in einer entscheidenden Schlacht; alle Gefangenen wurden erbarmungslos geköpft oder ertränkt, ein Theil zierte die Bäume der Strasse nach Maglaj. Dann wurde das Blutgericht in allen Theilen des Landes fortgesetzt; in Sarajevo wurden selbst die Unterhändler, die ins Lager kamen, auf der Gorica gehängt. Damals sank die Bliithe des alten bosnischen Adels in den Staub und er konnte sich nie mehr zu der früheren Macht erheben. Der Hat-i-Humayum vom Jahre 1856 stiess mehr auf passiven Widerstand. Sorgten doch die ottomanischen Beamten dafür, dass den Christen ihr Recht nicht wurde. Dafür griff die Hercegoviner Rajah 1875 zu den Waffen, sodass nie Ruhe und Ordnung in dem unglücklichen Lande eintrat. Dem Aufstande in der Hercegovina folgte im gleichen Jahre ein verheerender Bürgerkrieg in Bosnien, der mehr als rooooo Christen veranlasste, sich vor den Mohammedanern in die österreichisch-ungarische Monarchie zu flüchten, und der schliesslich zur Okkupation im Jahre 1878 führte. Wohl beschritten die Mohammedaner den Kriegspfad, sie kämpften an verschiedenen Orten mit grossem Heldenmuthe gegen die kk. Truppen, aber ihr Widerstand wurde gebrochen und für Bosnien-Hercegovina begann eine neue Zeit. Die Erregung hat sich längst gelegt, gerechte Gesetze, vollkommene Religionsfreiheit, Achtung der Sitten und Gebräuche haben bei den Mohammedanern einen grossen Umschwung hervorgebracht. Sie können heute als in jeder Beziehung treu und verlässlich bezeichnet werden, und wenn sich in so Manchem noch der Groll gegen seine einheimischen christlichen Mitbürger regen mag, die jetzt die gleichen Rechte gemessen, so ist auch dies nur eine Uebergangszeit, und die Empfindungen sind erklärlich. In die jüngere Generation muss der Keim der Zusammengehörigkeit gelegt werden und dazu tragen die Schule und der Militärdienst bei. Mit der ersteren ging es nicht so schnell, denn es bestanden und bestehen eine Anzahl konfessioneller Schulen, auch höheren Grades, und die Mohammedaner hatten im ganzen Lande ihre mit den Moscheen verbundenen Lehranstalten. So wurden denn nach und nach öffentliche allgemeine Volksschulen eingerichtet, an denen nur der Religionsunterricht getrennt ertheilt wird. Anfangs misstrauisch aufgenommen, hat sich diese Einrichtung sehr segensreich erwiesen, und heute existiren schon zweihundert solcher Schulen, abgesehen von Gymnasien und Handelsschulen, aut die wir an geeigneter Stelle zu sprechen kommen. Und wo man immer reist, in Ost und Süd, in West und Nord, überall entstehen neue Schulen, nicht allein als Stätten der Bildung, sondern auch der Ausgleichung und Versöhnung. Wenn daher auch Zep£e eine reizende Umgebung besitzt, wenn auch der 597 m hohe Orlovik des Besteigens werth ist, — die für mich anregendste Sehenswürdigkeit blieb die Volksschule. Die Bahnstrecke von Zepie bis Zenica wechselt zwischen wildromantisch und lieblich in jäher Folge. Bald kommt ein Stück der grünen Steiermark, bald ein Theil der Tiroler Alpen. Dicht hinter Zepöe vollzieht die Bahn wieder den Wechsel aufs rechte Ufer der Bosna. Immer höher erheben sich die Berge; die Ruöanjska Kosa und der Orlovik treten ganz nahe an den Fluss heran; die Bahn und die Fahrstrasse sind buchstäblich in die Felsen gesprengt. Hei Station Han Begov wurden beim Bahnbau alte Gräber aufgedeckt und Münzen aus der Zeit Tvrtko I. (1353—139O gefunden. In grossem Bogen umzieht die Bahn den reichbewaldeten Tulak und erreicht Nemila in wundervollster Gebirgsgegend. Nach wenigen Kilometern wird auf hohem, schroff gegen den Fluss abfallendem Berge plötzlich eine von eineni Kastell überragte Ortschaft sichtbar, welche die Strasse sperrt und die Bosna beherrscht. Es ist das berüchtigte Vranduk, das unzählige Male von Ungarn, bosnischen Herrschern und Türken erobert werden musste. Noch i 503 ging hier die Grenze zwischen Ungarn und der Türkei. Prinz Eugen nahm 1697 das Kastell, nachdem er vorher mit seinen Reitern aul dem anderen Bosnaufer eine Umgehung vorgenommen. 1878 leistete es keinen Widerstand, obschon ursprünglich die Aufständischen die Verteidigung beschlossen hatten. Es ist ein unsagbar trostloser und verwahrloster Ort in der imposantesten Gegend; die an die Felsen geklebten zerfallenen Häuser gleichen durchweg Ruinen. Und immer höher erheben sich zu beiden Seiten die Berge. Der Vepar links und der Lisac rechts engen die Bosna gänzlich ein, die im schmalen steinigen Hette schäumt und rauscht, bis sich auf einmal ein breites und liebliches Thal öffnet, von grünen Hügeln umschlossen: Zenica. Hier hatten wir 1878 in der gastlichen Franziskanerpfarre einen gemütlichen Nachmittag verlebt. Aber das einstige Zenica ist schon lange nicht mehr zu erkennen. Nach allen Seiten hat es seine Glieder gestreckt, grosse Rauchfänge zeugen von industrieller Thätigkeit. Das sehenswerteste Gebäude in oder richtiger ausserhalb Zenica ist die grosse Central-Strafanstalt, die nach dem progressiven (irischen) System eingerichtet und in einer idyllischen Landschaft, umgeben von schönen Anlagen, gebaut ist. Die Sträflinge werden mit industriellen und landwirtschaftlichen Arbeiten beschäftigt. Fs gehört der Anstalt ein bedeutender Grundkomplex, der angebaut wird; ausserdem sah ich aut kahlen Bergabhängen den Beginn einer neuen Waldkultur. In künstlich geschaffene Gruben wurden Bäumchen Central-StrafanHtalt in Zenica. Papierfabrik in Zenica. gepflanzt und dort werden sie gepflegt und begossen. Es sind bereits 2000 Stück Zwetschkenbäume und Nussbäume gepflanzt worden. Arbeiter sind die Sträflinge, die sich ihrem Aussehen und ihrer heiteren Laune nach in sehr erträglicher Lage zu befinden scheinen. Freilich, sind in der Anstalt alle Errungenschaften der modernen Kultur in sanitärer Beziehung eingeführt. In Zenica besteht eine Papierfabrik, die zum grossen Theil den Bedarf der Behörden des Landes deckt, aber auch anderweitige Bestellungen annimmt und ausführt. Ein Kohlenbergwerk, das ursprünglich durch den Kohlen-Industrie-Verein, seit 1884 aber von der Regierung ausgebeutet wird, besitzt noch grosse Zukunft (1895 betrug die Förderung 520000 q bei einer Arbeiterzahl von 250), da die Kohlenflötze äusserst ausgedehnt sind und die Kohle sogar im Bette der Bosna offen zu Tage tritt. Auch hat die Regierung ein grosses Walzwerk errichtet. Was Zenica jedoch ein so freundliches Aussehen verleiht, ist das viele frische Grün der Gärten, welche die weissen modernen und die dunkeln Holzhäuser der ein heimischen Bauart umschliessen. Schlanke Minarets lugen aus buschigen Baumgruppen hervor, Gastwirthschaften mit netten Gärten sind an allen Ecken und Enden zu finden, wie auch an Hotelunterkunft kein Mangel ist. In Zenica ist sehr viel geschehen; die Stadt dürfte sich bald zu einem industriellen Mittelpunkte entwickeln; wenigstens ist viel im Werden begriffen und noch mehr geplant. Den Bahnhof Zenica verlassend, durchschneidet die Bahn einen Theil des 6 Kilometer langen Thaies, das im Norden und Nordosten von den Ausläufern des Lisac, im Westen von der 1008 Meter hohen Riiica, im Kohlenwerk, nebst Eisen- und Stahlwalzwerk in Zenica. Süden vom Katun, Zera£evic und SveÖaj begrenzt wird. An der Strafanstalt vorbei tritt die Bahn in das Defile der Rukavica und erreicht die Station Janjici, einen hübschen Ort von einem halben Tausend Bewohnern mit einem guten Gasthause. Die kommende Strecke ist durch die bizarren Formen der Sandsteingebilde an den rechtsseitigen Bergabhängen sehr interessant, doch dauert die Fahrt nur kurze Zeit bis zur Station Lasva, wo sich die Strecke nach Travnik, Bugojno und Jajce abzweigt, jener Linie, über die in nicht zu ferner Zeit der Verkehr von Dalmatiens grösstem Seehafen, von Spalato, in das bosnische Netz fluthen wird. Hinter der LaSvabriicke wird der einzige, 45 m lange Tunnel der Bosnabahn passirt, dann die Stationen Gora und Kakanj-Doboj erreicht. Von der an der V Einmündung des Trstenicathales liegenden Haltestelle Catiöi aus bieten sich lohnende Ausflüge nach dem ältesten Franziskanerkloster Bosniens, Sutjeska, und nach der Ruine des alten Königsschlosses Bobovac. Bis Sutjeska geht eine Fahrstrasse, während anderthalb Stunden weiter nach Bobovac nur ein Reitweg führt. Die Schlussvignette ist der Namenszug auf einem Diplom des Sultans Ghazi Ahmed Chan (1127 n. d. Hedschra, 1714 n. Chr.) Abseits vom Schienenwege. Sutjeska (Suceska) liegt ungemein malerisch am südlichen Fusse des Te&evo. Der Ort zählt etwa 50 Häuser und doch war er einst die Residenz bosnischer Herrscher, die sich liier in dem prächtigen Thale, das im Osten vom Brojsinovac und der Vuija-Jama, im Westen nächst dem Te^evo von einer Reihe mächtiger Felswände begrenzt wird, einen prächtigen Palast erbaut hatten. Durch seine Ruinen dringt heute bei Regenwetter der Urvabach; aus den öden Fensterhöhlen sieht das Grauen, und hier wie in den mächtigen Quadern von Bobovac hält das Käuzchen nächtliche Klage über die glänzenden Tage, die einst das Gemäuer gesehen, aber auch über die Unthaten, über Die Kopfleiste enthält eine altbosnische Inschrift unter Dzipe. (»Ase ovoi Kamenie uzvuce Radovan Bratol s Krstijaninom Sradi za Zivota na se.« Zu deutsch: f »Diesen Stein wälzte Radovan Bratol mit einem Christen [d. h. Angehörigen der Bogumilensekte] her. Er fertigte ihn zu seinen Lebzeiten an.«) Mühle bei J a n j i c i. Lüge und Verrath, die am bosnischen Königshofe gebräuchlich waren und die den Sieg der Osmanen mit ermöglichten. Nur ein Zeuge der grossen Vergangenheit hat sich erhalten: das Franziskanerkloster, das, in einem dichten Eichenhaine gelegen, durch Berge und Hügel von allen Seiten geschützt, alle Stürme siegreich überwunden hat. Im 14. Jahrhundert dürfte das Kloster gegründet worden sein, jedenfalls bald nachdem die Jünger des heiligen Franz von Assisi ihren Weg nach Bosnien genommen. Nach der Eroberung Bosniens durch Sultan Mehmed II. und Zerstörung der alten Königsburg 1464 erwirkten die Franziskaner in Su-tieska einen Schutzbrief, der ihnen das fernere Verweilen gestattete. Wie nun Fra Raphael Bari^iö in den »Wissenschaftlichen Mittheilungen« des Sarajevoer Museums erzählt, zerstörten unter der Regierung Sulejmans II. die zum Islam übergetretenen Patarener unter Führung Hassan Beys (von 1521 —1531 Statthalter in Bosnien) das Kloster, gleichzeitig mit denen in Fojnica, Kresevo, Visoko und Konjica. So ganz gründlich scheint die Zerstörung nicht vollzogen worden zu sein, denn nach 30 Jahren stand es wieder fertig da, wobei eine Bestechungssumme von 900 Dukaten an die türkischen Beamten die religiösen Betlenken der Bekenner Mohammeds beschwichtigte. Aber 1658 brannte das Kloster ab, nur die Kirche blieb erhalten. Nach sechs Jahren war es abermals aufgebaut und eine an der westlichen Pforte befindliche Steinplatte giebt heute noch davon Kunde. »Hoc Mo ste. Minor. Babte Dni Dicatv. A. 1658. Solo Ecvat. Reedificarvt P. P. Svtiske Anno 1664. Gvardianatv P. Fra Michaelis Bresanin. Assistente R. P. F. Stephano glvmichich.« Die schlimmste Katastrophe brach jedoch nach der Niederlage der Türken unter den Mauern von Wien über das Kloster herein, als es in Folge von Steuern und Brandschatzungen so in Schulden versank, dass Kirchenparamente und heilige Gefässe versetzt, die Beschläge und Schlösser der Thüren abgerissen und verkauft werden mussten. Wegen der steten Verfolgungen verliessen die Ordensbrüder mit Erlaubniss des Veziers das Kloster, umgaben es mit einer dichten Dornhecke und Hessen in dem leeren Gebäude nur einen Wächter zurück. Sechszehn Jahre lebten die Mönche theils in Höhlen, theils als Weltliche verkleidet unter den Bauern, denen sie die Tröstungen der Religion trotz aller Verfolgungen spendeten. Elend, Verfolgung und Hungersnoth brachten 1686 eine Anzahl Patres dazu, gegen 20 000 ihrer Glaubensgenossen über die Save auf kroatisches Gebiet zu flüchten. Im Klosterarchiv zu Sutjeska finden sich in der Chronik des Fra Bono Benic sehr interessante Aufzeichnungen über jene Leidensperiode: »Volk und Priester nährten sich von Gras und Baumrinden und verkauften ihr letztes Kleid für ein Stück Brot. Viele starben vor Hunger.« Aber es kamen auch wieder bessere Zeiten. 1698 wurde das Kloster neuerdings bevölkert, es blieb jedoch arm, denn clie Mehrzahl der katholischen Pfarrkinder hatte in Kroatien eine neue Heimath gefunden. Die Mauern verfielen, Erdbeben und herabfallende Felsstücke brachten Schaden, eiserne Schliessen und Zäune mussten vor dem Einfallen schützen. So blieb es bis zum Jahre 1821, wo der in Travnik residirende Vezier Dschellaleddin Pascha gegen einen Bakschisch von 15770 Groschen eine Erweiterung und Ausbesserung des Klosters gestattete; eine abermalige Erweiterung wurde 1831 vorgenommen (Bestechung 8256 Groschen 20 Para). 1888 wurde ein Neubau aufgeführt, der wieder viele interessante Reste der Vergangenheit beseitigte; wenn auch nicht in architektonischer, so doch in geschichtlicher Beziehung ein Verlust. Die Klosterbibliothek ist eines Besuches werth. Da finden sich einige tausend Bände alter kroatischer Werke, italienische und lateinische theologische und klassische Schriften, die griechischen Klassiker in allen möglichen Ausgaben u. s. w. Was aber das künstlerische Interesse erregen muss, ist das Originalportrait des bosnischen Königs Stefan TomaSevic-Ostojic in geschnitztem Rahmen. Das Bild zeigt den König im Panzer, mit silberdurchwirktem, mit Goldborten eingefasstem Mantel, dessen Schulter-theil mit Hermelin verbrämt ist. Er trägt die Krone auf dem Haupte, das Scepter in der Hand. Das echt siidslavisch markante Gesicht zeigt kräftige, gesunde Farbe, schwarze Augen mit schön geschwungenen Brauen, eine hohe, gewölbte Stirn. Lippen und Kinn beschattet üppiger schwarzer Bartwuchs. Am rechten Rande des Bildes befindet sich eine altbosnische Inschrift, welche den Namen und Titel des Königs anzeigt, darunter die lateinische Uebersetzung: »Tomae Re Bosne et Argentine.« Links über der rechten Schulter befindet sich das Wappen. Ausserdem ist im Kloster eine Bleistiftcopie des Portraits der bosnischen Königin Katharina vorhanden. Das Original wurde einstmals aui kroatischen Boden nach Djakovar geschickt. Ausserdem eine Anzahl sehr bemerkenswerther Gemälde auf der feinen bosnischen Leinwand (Bez) mit altbosnischen Inschriften, theils die Madonna und Christus, theils Provinziale der Ordensprovinz darstellend. Andere Bilder und Kunstgegenstände wurden auf Veranlassung des Bischofs Strossmayer von Djakovar am Ende der Fünfziger Jahre nach Agram »gerettet« und befinden sich jetzt dort im stidslavischen Museum. Für Bosnien sind sie jedenfalls verloren. In Siegel aus Sutjeska: S. MIN1STRI GNL1S TOTIUS ORDS FRANC. (Siegel des Generalministers des gesammten Franziskanerordens.) Wahrscheinlich von 1340. der nördlich von Sutjeska, am rechten Ufer des Baches Trstivnica gelegenen Klosterkirche St. Johannes der Täufer befinden sich sehenswerthc altitalienische Altäre und das Grab des vorletzten bosnischen Königs Stefan TomaS, der 1460 auf dem Felde von Bilaj von seinem eigenen Sohne und seinem Bruder Radivoj erdrosselt wurde. Das Skelett wurde bei einem Umbau 1858 in einem Steinsarge entdeckt; neben ihm lagen ein eisernes Scepter und einige alte silberne Brustknöpfe. Der Sarg trägt gegenwärtig die Inschrift: »Urna continens ossa Stephani Thomae regis Bosnae (7 1460) ex antiqua ecclia translata a. dn. 1859 cura custodis antiquitatum patriae. 1\ M. N.«. Und an der Westseite des Presbyteriums steht ein kleiner Thurm, an dem geschrieben steht: »Prvi u Bosni posta de gg. 1860.« (Der erste in Bosnien er richtete 1860.) Vier kleine Glocken sind in ihm untergebracht, die ihr Geläut erschallen lassen durften, als der Gebrauch von Glocken noch bei schwerer Ahndung verboten war. Heute ertönen diese Klänge im ganzen Lande; die .Mohammedaner haben sich längst daran gewöhnt und es wäre nur zu wünschen, dass ihre sonoren Töne auch bis in die fernsten Zeiten Duldung und religiösen Frieden den Kindern des gleichen Volkes verkünden. Von Catici aus führt die Bosnabahn immer in prächtigster bewaldeter Hügellandschaft nach Visoko, einem ausgedehnten Städtchen von etwa 3900 Bewohnern. Der Ort mit seinen 13 Moscheen liegt am linken Bosnaufer, während die Bahnstation sich diesseits befindet. Bau Stefan Tvrtko ertheilte von hier aus am 1. September 1355 den Ragusanern das Privilegium der Handelsfreiheit; am 15. Juni 1402 bestätigte hier König Stefan Ostoja die Privilegien von Zara und Sebenico, und zwei Jahre später fand in Visoko der bosnische Magnatentag statt, auf welchem Stefan Ostoja abgesetzt und die Königskrone Tvrtko II. übertragen wurde. Die Ruinen der Königsburg und eines alten Franziskanerklosters liegen auf dem Grad (»der Festung« im Bosnischen), zu dessen Ersteigung beschwerliche anderthalb Stunden erforderlich sind. Visoko ist gegenwärtig überwiegend mohammedanisch und besitzt eine blühende Lederindustrie. Ein Hadžija (Mekkapilger) aus Visoko. scrcm Vormarsche gegen Sarajevo während der Okkupation nicht wenig, hier gute Verpflegung und Getränke zu finden, wie das Hotel auch folgende deutsche Inschrift neben einer türkischen und bosnischen aufwies: »Das ist des Zuckerbäcker Ali Aga Hotel. Hier bekommt man Wohnung, gutes Essen und Gerste.« Ob das letztere Wort nur ein Schreibfehler für Getränke war, oder ob es sich auf die Verpflegung der Pferde bezog, konnte ich nicht ergründen. Aber Kiseljak mit den bewaldeten Hängen der Cvetnica, der Krusovska Kosa und der Stogic-Planina bildete lange einen Lichtpunkt in meinen Feldzugs-Erinnerungen. Später trübte sich das Bild etwas, denn bei einem zweiten Aufenthalt bei strömendem Regenwetter im Oktober fand ich wohl in einer von einem Prager errichteten provisorischen Kneipe eine elende Talgsuppe, aber keinen Platz, wo ich hätte mein Haupt hinlegen können. So Von hier zweigen sich Fahrstrassen nach dem Sauerbrunnen Kiseljak (einer altberühmten bosnischen Sommerfrische) und nach dem Franziskanerkloster Fojnica ab. Der erstere Ort liegt ungemein malerisch an der Brod-Sarajevoer Poststrasse. Schon in türkischer Zeit fanden sich hier die reichen serbischen und spaniolischen Familien von Sarajevo ein, um den dem Rohitscher ähnlichen Säuerling zu trinken, der für Jedermann umsonst aus der Erde quoll. Von einer Brunnenverwaltung war keine Rede, von besonderen Anlagen oder einer Kurtaxe auch nicht. Die reichsten Kurgäste hatten ihre eigenen Häuser, andere wohnten in den zwei grossen Hans (türkische Einkehr-Wirthshäuser), dritte unter Zelten. Eines der Gasthäuser konnte sogar europäischen Ansprüchen genügen, und es im-ponirte uns bei un- Kloster in Fojnica. talische Sommerlager ist verschwunden und das ist in gewisser Richtung zu bedauern. Dass das Kisel-jaker Sauerwasser seinen Markt gefunden hat und in übernachtete ich, nass zum Auswinden, aut der schmalen Bank einer Badekabine an der Fojnica und sehnte mit steifen^Glie- A dem den Morgen herbei. Jetzt giebt M es ein Kurhaus, europäische Logir- ™ häuser und alle möglichen Bequemlichkeiten. Aber das alte gemüthliche orien- : -¿_J Bauernbursche singt zur Tamburica. (Mntiv aus Kiseljak von W. Leo Arndt.) Tausenden von grossen Flaschen als Tafelgetränk versandt wird, ist dagegen eine erfreuliche Errungenschaft der Neuzeit. Nebenbei erwähnt, hat Bosnien einen Uebcrfluss an Sauerwässern im ganzen Lande, doch dienen diese meist nur dem Bedürfnisse der in der Nähe einer Quelle Wohnenden. Von Kiseljak führt eine Fahrstrasse am Ufer der Fojnica nach der gleichnamigen kleinen Stadt, dem Centrum einer alten Eisenindustrie und des Quecksilber-Bergbaues. Die Lage des Ortes direkt unter dem Gebirgs-stocke des Stit ist reizend; eine wahre Waldidylle. Mohammedaner und Katholiken sind hier in gleicher Stärke vertreten; sie hatten sich nie befehdet, was dem Einflüsse der Franziskaner zuzuschreiben war, die hier ein berühmtes Kloster besitzen. Aui einem Felsen am Flusse, von dem man eine entzückende Aussicht über das ganze Thal geniesst, liegt das mächtige Gebäude zum heil. Geist. Im Klosterarchiv befinden sich die interessantesten bosnischen und türkischen Dokumente, unter ihnen der für die Katholiken in Bosnien hochwichtige Atname (Freibrief) des Sultans Mahmud II. Als nach dem Niederbruch der bosnischen Selbstständigkeit und nach dem Falle von Jajce der letzte König Stefan Toma&evic gefangen genommen, geschunden und geköpft worden war, als die grausamsten Christen Verfolgungen eingeleitet wurden, wagte es der Vorsteher des Klosters von Fojnica, Angelus Zvizdoviö, vor den furchtbaren Erobcrer zu treten. Im Feldlager von Milodraz (1463) bat er um Schonung und freie Religionsübung für die Katholiken und er erhielt nachstehenden Atname ausgestellt: »Ich, der ich bin der Sultan Muhamed Chan, thue zu wissen Allen und Jedem insbesondere, wie sich meine Gnade und meine Gunst bezüglich der bosnischen Mönche — Inhaber dieses kaiserlichen Fermans — manifestirt hat. Ich habe befohlen, dass Niemand dieselben beunruhigen oder hindern dürfe, oder sich in die Angelegenheiten ihrer Kirche einmengen. Ich befehle, dass sie ungestört in meinem Reiche bleiben und dass Jene, welche davongegangen oder geflüchtet, frei und sicher seien und bei ihrer Rückkehr ohne Furcht in meinem Reiche verweilen und ihre Klöster bewohnen dürfen. Weder meine kaiserliche Person noch meine Minister, oder irgend Jemand von meinen Leuten und Völkern soll sie beunruhigen, belästigen oder misshandeln dürfen, weder an ihren Personen, noch an ihren Gütern und Kirchen. Wenn sie aus dem Auslande welche Person immer hereinführen wollen, soll es ihnen erlaubt sein. Aus diesem Anlasse habe ich dieselben mit meinem grossherrlichen Ferman begnadigt und ich leiste den feierlichen Eid und schwöre bei dem grossen (j-otte, dem Schöpfer des Himmels und der Frde, bei den sieben Büchern, bei dem grossen Propheten, bei den 124000 Heiligen und bei dem Säbel, welchen ich trage, dass Niemand im Widerspruche mit Vorstehendem handeln dürfe, solange diese Mönche meinen Befehlen und meinem Dienste gehorsam sein werden.« Dieser Freibrief brachte mancherlei Begünstigungen für die katholische Kirche in Bosnien, und wenn er auch blutige Ausbrüche des Fanatismus nicht immer verhindern konnte, ermöglichte er doch die Organisation der Franziskaner im Lande auch in den schwersten Zeiten, Aber das Fojnicaer Kloster besitzt noc^ ein interessantes Dokument, die alte Copie des ehemaligen Wappenbuches der bosnischen Adeligen von 1340. In dieser Copie sind die Wappen jener Familien erhalten, welche in Folge des türkischen Einfalles auswanderten und in der Fremde den Namen und das Wappen Katholisches Kloster in lvresevo, (Winterbild,) Vor der Kirche in Kresevo. Bauern kehren nach dem Gottesdienst heim. (W. Leo Arndt.) ihres Geschlechtsadels bewahrten; weiteres jener Familien, welche nach dem Uebertritte zum Islam zwar ihre Familiennamen in den Hintergrund treten Hessen, jedoch die Tradition ihres Adels aufrecht erhielten; schliesslich auch solcher Familien, deren Andenken sich im Laufe der Zeit verloren hat. Das Wappenbuch ist auf grobes Papier in Gross-Quartformat gemalt und enthält 141 Blätter. Auf der ersten Seite des ersten Blattes ist die Muttergottes, von Wolken umgeben, gezeichnet, unterhalb des Bildes ein grosser Halbmond und quer die Wappenzeichen zweier kreuzweis liegenden Balken; oberhalb dieser je ein gekröntes Mohrenhaupt. Auf der anderen Seite dieses Blattes befindet sich in den Wolken das Christusmonogramm und unterhalb desselben die Heiligen Cosmas und Damianus. Die erste Seite des zweiten Blattes trägt den Titel des Wappenbuches, während auf der zweiten Seite der Heilige Hieronymus, vor dem Kreuze knieend, dargestellt ist. Das dritte Blatt giebt ein Tableau der Wappen aller slavischen Staaten auf dem Balkan; darauf folgen auf separaten Blättern 10 Wappen dieser Länder und 126 Blätter mit Adelswappen. Auf dem letzten Blatte 3* sind wieder die Wappen einiger Familien zu einer Gruppe vereinigt. Auf dem Titelblatte finden wir folgende in altbosnischer Schrift (in der Bosan£ica) verfasste Zeilen: »Rodoslovje bosanskoga aliti iliriökoga i sarpskoga vla-danja zajedno postavleno. Po Stanislavu Rubiicu popu; na slavu Stipana Nemaönica cara Sarbölena i BoSöana 1340.« (»Stammtafel der bosnischen, beziehungsweise der illyrischen und serbischen Herrschaft, zusammengestellt vom Popen Stanislaus Ruböiö zu Ehren des Stefan Nemanjic, Kaisers der Serben und Bosnier 1340.«) Es haben sich über das Alter des Buches, der Copie eines früheren Werkes, und über die Authenticität verschiedener Wappen schon gelehrte Streite entsponnen, doch haben sie zu einem abschliessenden Urtheil noch nicht geführt. Für unsere Darstellung sind diese Erörterungen müssig; wir registriren das Vorhandensein und freuen uns des interessanten Dokumentes. Thatsache ist, dass manche der bosnischen Begs trotz ihres mohammedanischen Glaubens noch die Traditionen ihrer christlichen Vergangenheit bewahrt haben und ihre Adelsbriefe und Dokumente von einstmals besitzen. Mir selbst sagte Heg Rajkovic in Sarajevo, dem ich eine Copie des Wappens aus dem Buche von Fojnica zeigte: »Ah, moj grb!« (Ah, mein Wappen!) Ein Zeichen, dass die Kenntniss desselben in den abgelaufenen türkischen Zeiten nicht verloren ging. Südlich von Kiseljak, in ungemein romantischer Wald- und Gebirgs-einsamkeit liegt noch ein grosses und berühmtes Franziskanerkloster: KreSevo, das gleichfalls manches wichtige Dokument aus alter Zeit bewahrt. Die Schlussvignette zeigt ein altchristliches Siegel aus Komusina, das 1S77 gefunden wurde. Im Eisenbezirke. in fruchtbares Thal durchfährt die Bosnabahn von Visoko nach der Station Podlugovi. Von hier führt eine im November 1895 eröffnete Zweigbahn von 24'/2 Kilo-^ meter Länge nach dem Städtchen Vares mit seinem Eisenwerk. In dem engen Thal der Stavnja ist es zwischen mächtigen, sich unaufhörlich neben- und hintereinander auftürmenden Bergen gebettet, gleichsam den Mittelpunkt bildend in dem Gebiete der unermesslich reichen Schätze, die in dem Innern jener Gcbirgs-stöcke ruhen. Die Schätze sind Eisenerze von besonderer Güte, und da die Katholiken von Vares (dem Mohammedaner ist der Bergbau antipathisch) es von Alters her versuchten, Bruchstücke jener Schätze zu heben und zu verarbeiten, so heftete sich allmählich der Ruf grosser Betriebsamkeit in der Eisenindustrie an den Namen Vares. Als die Save noch den hermetischen Grenzverschluss gegen das Abendland bildete — schreibt die bekannte bosnische Schriftstellerin Fräulein Milena Mrazovic in der »Bosn. Post« —, war das Varesaner Eisen hochberühmt und viclbegchrt. Nicht nur im Lande selbst und auf dem ganzen Balkan war es seiner Güte und Billigkeit wegen ohne Konkurrenz, es fand seinen Weg auch nach Asien und hatte eine bedeutende Ausfuhr nach Arabien und Aegypten. Mit der Okkupation fiel diese blühende Eisenindustrie plötzlich in sich zusammen. Den durch die Besetzung geschaffenen neuen Lebensbedingungen konnte sie nicht Stand halten, und auch die beispiellose Genügsamkeit des bosnischen Volkes war kein Mittel gegen die plötzlich hereinbrechende Fluth der abendländischen Grossindustrie und in den unwirklichen Schluchten der Stavnja zeigte sich die Noth. Dies war auch nur allzu natürlich. Während bereits ein Schienenstrang die Landeshauptstadt mit dem Saveufer und dem österreichischungarischen Bahnnetze verband, führte aus dem Bosnathal über mehr als 30 Kilometer ein mühsam zu erklimmender Saumpfad nach Vares. In diesem Verstecke hauste einsam für sich der bosnische Hüttenmann, fremd allem modernen Handel und Wandel. Er gewann und schmolz das Erz mit zäher Beharrlichkeit bis auf den heutigen Tag genau so, wie es die Väter vor Jahrhunderten gethan. Das bedächtige Tragthier brachte das Erz von den Abbausteilen nach den längs der reissenden Stavnja erbauten unzähligen »Majdans«, wo das Eisen auf die denkbar primitivste Weise gewonnen wurde. Solch ein Majdan ist nur eine russige kleine Holzhütte, vereinigt aber doch einen Hochofen, einen Frischofen und ein Hammerwerk in sich. Der aus Lehm gemachte bosnische »Hochofen« — Kalama genannt — ist an 4 m hoch und hat einen Inhalt von ungefähr 4^ 2 cbm. Man füllte ihn, zündete ihn an, und nach dem Abstich war auch schon der Ofen in die Brüche gegangen und musste wieder frisch gemacht werden. Auf diese Weise waren in Vares zwei Ofen-Campagnen in der Woche usuell, denn je 3 Tage benöthigte man stets zum Wiederaufbau des »Hochofens«. Das Gebläse besteht aus zwei Blasbälgen, die durch ein hölzernes Wasserrad bedient wurden. Der »Frischofen« ist ein ge wohnliches Schmiedefeuer und das »Hammerwerk« ist ein gleichfalls durch ein kleines Mühlrad in Bewegung gesetzter, gegen 3 m langer Hammer, neben dem der Mann auf dem Erdboden kauert und auf das glühende Eisenstück losklopfen lässt. Und «.loch erzeugten die Leute auf diese höchst primitive Weise Eisen von vorzüglicher Güte; allerdings bedienten sie sich dazu des leichter schmelzbaren Rotheisensteines, der 55 bis 65 pCt. Eisen und darüber enthält, und liessen die grossen Lager von Brauneisenstein unbentitzt. Gewerkschaft Dubostica - 3S - no a' iipistiinpbis Noch stehen diese Majdans in Varci> und wieder wird fleissig darin gehämmert. Aber die Kalamas sind daraus verschwunden, denn ungefähr 3 km südlicher stehen heute inmitten einer modernen grossartigen lliitten-anlage zwei neue gewaltige Hochöfen, die nun schon seit einer Reihe von Jahren ununterbrochen das Eisenerz aus den Bergen zum Schmelzen bringen und auch all die gewerbfleissigen Varesaner mit billigem Roheisen versorgen. Von der Kalama zum modernen Hochofen! das ist einer jener gewaltigen Sprünge, wie man sie nur in Bosnien auf allen Gebieten sehen kann. Die ersten Arbeiten zur Feststellung des Erzreichthums wurden 1886 in Angriff genommen und ergaben ein geradezu glänzendes Ergebniss. Die Hauptlagerstätte befindet sich zwischen den Orten Zvijezda im Osten und Borovica im Westen in einer Ausdehnung von 15 km Luftlinie. Die Mächtigkeit variirt zwischen 20—25 m. Die Lagerstätte besteht zumeist aus Rotheisenstein, der in den meisten Fällen durch Eisenspath unterlagert wird. Nur im Osten ist Brauneisenstein, der 45 — 55 pCt. Eisen enthält, eingelagert. Es ist durchweg gutes reines Erz, hauptsächlich Blauerz. Die Quantität wird auf viele Millionen Tonnen geschätzt. Im Jahre 189a wurde die Lagerstätte in Przici im Tagbau in einer Mächtigkeit von 25 Millionen Meterccntner aufgeschlossen. Wie ein gewaltiger Steinbruch liegt sie da inmitten der herrlichsten Fichten- und Buchenwälder. Die Förderung hinab zu dem Hochofen geschieht mittelst einer grossartigen Bremsberganlage, die auch für den Export ausreichend wäre und die ein Förderquantum von einer Million Meterccntncr bewältigen kann. Die Altbosnische Erzaufbereitung bei Cevljanovic (Vares). Eisenwerk in Vares. Anlage besteht aus 4 km Horizontalbahn und vier Bremsbergen, die eine Gesammtlänge von 800 m haben. Gegenwärtig arbeitet man auch auf Eisensteingewinnung bei dem kaum einen Kilometer vom Werke entfernten, in einem schmalen Seitenthale der Stavnja gelegenen Orte Potoci, woher auch die alten VareSaner Hütten seit 400 Jahren ihre Erze bezogen. Das stark manganhaltige Erz ist wichtig für Weisseisenerzeugung. Zwischen den schönsten Nadelholzbeständen kommen von Präcici die beladenen Hunde von den Bremsbergen herabgesaust, um knapp hinter einem weitläufigen Fabriketablissement zu halten. Auf einer schmalen, mühsam dem Flusse abgerungenen Terrainstufe erhebt sich hier, eng umschlossen von himmelanstrebenden immergrünen Berglehnen, das landes-ärarische Hüttenwerk VareS. Es ist eine ganze Stadt, die seit dem Jahre 1890 erstanden ist. Seitdem ist die träumerische Waldruhe von hier verschwunden, denn Tag und Nacht faucht der Hochofen, pusten die Dampfmaschinen, klopft, hämmert, sägt und bohrt es in den verschiedenen Werkstätten, und ein feiner, dichter, alles durchdringender Kohlenstaub trübt die sonst balsamische Luft. Gleichsam das Centrum des ganzen Werkes bildet der in die Giesserei hineingebaute erste Hochofen, der am 18. August 1891 zum ersten Male feierlich angelassen wurde. Er liefert bei guter Holzkohle 170 Metercentner Weisseisen pro Tag. Dazu gehört eine Anlage von zwei eisernen Lufterhitzern, mittelst welchen eine Lufttemperatur bis 500 Grad erreicht werden kann und die mit den Ab- gasen des Hochofens geheizt werden. Die Abgase dienen überdies noch zum Heizen der zwei je 54 qm grossen Kessel der Röstofen-Anlage. Diese hat die Herausschaffung des Schwefels aus den Erzen, sowie das Mürbebrennen der sehr harten Blauerze zum Zwecke. Der Hochofen wird mit Holzkohle betrieben, selten nur mit Coaks; die nöthige Verbrennungsluft wird durch ein 6opferdiges Gebläse mit Compound-Maschine mit Kondensation angesaugt und so den Winderhitzern, beziehungsweise dem Hochofen zugeführt. Im Jahre 1895 wurde eine eigene Vareler Eisenindustrie-Aktiengesellschaft gegründet, die vorhin erwähnte Flügelbahn und ein zweiter Hochofen erbaut. Die Hochöfen erzeugen Graueisen und zwar tiefgraues und hellgraues manganfreies, sowie Giesserei-Roheisen; zu dem letzteren gehört das hellgraue manganhaltige und das halbirte, zwischen Weiss- und Graueisen stehende Roheisen für Hartgusszwecke. Von Weisseisensorten wird erzeugt: hochmanganhaltiges, spiegeliges und strahliges Eisen, mittelstrahliges gewöhnliches, sowie lückiges Weisseisen für Zwecke der zum Betriebe gehörigen Frischhütte in Dabravina. Das manganhaltige, strahlige und gewöhnliche Weisseisen wird dem Walzwerke in Zenica für seine Puddelöfen zugeführt. Im Jahre 1895 betrug die Produktion 37612 q Roheisen und Guss-waare; die Produktionsfähigkeit ist auf 100000 q jährlich erhöht. Beim Bergbau und bei der Hütte waren 441 Arbeiter beschäftigt. Unmittelbar an die Hochofen-Anlage schliesst sich der zweite Betrieb der I lütte, die Giesserei, an. Diese ist in einer ungeheuren, äusserst solid konstruirten Halle untergebracht und genügt für ein Produktionsquantum von 1 5 000 Metercentner Gusswaare verschiedenster Art, sowie für 20000 Metercentner Rohrguss (Wasserleitungsrohre). Von der inneren Einrichtung sind nennenswerth: 2 Cupolofen-Anlagen zum Umschmelzen des Roheisens mit 3 Oefen und 2 Wassertonnen-Aufzügen; dann ein grosser freistehender Drehkrahn von 80 Metercentner und 2 Laufkrähne von 40 und 60 Metercentner Tragfähigkeit. Für die Rohrgiessereien sind besondere Krahnvor-richtungen vorhanden. Ausser drei doppelten Gussgruben für Rohre ist noch eine tiefe Gussgrube für Säulen- und Walzenguss vorhanden. Das Werk hat ferner 2 Tiegelöfen für Metallguss und 2 Temperöfen für Hartgussräder. Es würde zu weit führen, alle technischen Vorrichtungen einzeln zu nennen; es sollte nur gezeigt werden, was in kurzer Zeit geschaffen wurde. Die Giesserei ist ungemein beschäftigt, und es lohnt eine Aufzählung gewisser Arbeiten, weil sie einen Begriff von anderen industriellen Anlagen im Lande geben, die entweder schon geschaffen, oder noch im Werden begriffen sind. So fabrizirte man hier die Wasserleitungsrohre für die Saline in Dolnji-Tuzla, die Säulen der neuen Travniker Tabakfabrik, die Rohre für das Kohlen werk in Zenica und für die Soda- und Ammoniakfabrik in Bukinje, die Laternenträger für die Bahnstrecken LaSva-Travnik, Travnik-Bugojno etc. Zum Fein- und Kunstguss der Hütte gehören die Balkonträger des Touristenpavillons in Jczero, die Geländerstäbe für das Sarajevoer Rathhaus u. s. w. Der dritte Betrieb des Werkes ist die Maschinen-Werkstätte, die sich bereits zu einer Maschinenbau-Anstalt entwickelt hat. Sic beschäftigte im Jahre 1894 fünfzig Arbeiter. In Verbindung damit steht eine Modelltischlerei, eine Modellir- und Ciselir-Werkstätte. Trotz der kurzen Zeit ihres Bestandes hat die mechanische Werkstätte schon tüchtige Leistungen aufzuweisen. Die in der Posavina verwendeten Cazenille'schen Zwetschken-Dörröfen wurden sammt den nöthigen Montirungsarbeiten hier erzeugt, da die Werkstätte auch Kesselschmiede und Bördelarbeiten auszuführen in Altbosnisches Eisenwerk (Majdan) bei Vareš. (I Iamtnerwerk.) der Lage ist. Ferner lieferte sie noch komplette Radsätze und ganze Sägewerks-Einrichtungen, Armaturen für das Kupferwerk Sinjako etc. Zu den Hauptanlagen des Werkes gehört noch ein 1 Kilometer höher an der Stavnja gelegener grosser Kohlenbarren mit einem Fassungsraume von 24 cco Kubikmeter, der mit dem Werke durch ein Geleise verbunden ist, während bei dem Hochofen selbst zwei kleine Kohlenbarren zu ie 1200 Kubikmeter Inhalt sich befinden. Das Frisch- und Hammerwerk Dabravina kann als vierter Betrieb des Hüttenwerkes Vares gelten. Es liegt 121/2 Kilometer von diesem entfernt, dort, wo die Stavnja aus ihrem Defile heraustritt und sich ihr Thal langsam gegen die Bosna zu weiten beginnt. Maassgebend war für die Wahl des Anlageortes der grössere Bedarf an Wasser für den Betrieb. Das Frau aus der Gegend von Zenica. kleine Werk besteht aus einem geräumigen Hauptgebäude mit Kohlenbarren, der einen Fassungsraum von 700 Kubikmeter hat, und Arbeiterwohnungen. In der Hütte sind zwei Frischfeuer und ein Vorwärmeofen im Betriebe, in denen das in Vare» erblasene lückige Roheisen mittelst des Grobhammers und eines Streck- und Zeughammers zu verschiedenen Schmiedewaaren verarbeitet wird. Diese Hiitte soll bedeutend erweitert und zur Herstellung von Pflügen, Schaufeln, Krampen und Zeugwaaren aller Art eingerichtet werden, während der grössere Zeug- und Streck-hammer zur Erzeugung von Schraubstöcken, Ambossen. Sperrhornen, Schiffsankern, von Transmissionswellen, Achsen, Kurbeln und geschmiedeten Maschinenteilen bestimmt bleibt. Um Pflugbleche erzeugen zu können, wurde ein mit Generatorgas -geheizter Glühofen erbaut. Wie erwähnt, hat der immer grösser werdende Betrieb des I liittenwerkes zur Anlage einer ganz neuen Stadt geführt. Amts- und Administrationsgebäude, Arbeiterhäuser, Magazine, Laboratorium, Spital, — alles wächst aus dem Boden. Für die Bevölkerung von VareS und die der ganzen unwirtlichen Berge ringsum ist die plötzlich im Stavnjathale erblühende Grossindustrie zu einem wahren Segen geworden. Die Hältte der Leute lebt direkt, die andere indirekt von ihr. Von den alten »Kalamas« findet man kaum eine noch; ihr letzter Abstich war gekommen und man hat •die stürzenden nicht mehr aufgebaut. Aber in den Majdans wird fleissig gearbeitet. Sie beziehen jetzt das fertige Roheisen von dem Hüttenwerk und dies kommt ihnen unvergleichlich billiger zu stehen, als früher, wo Jeder für sich das Erz gewann und schmolz. Sie hämmern nach wie vor clie landesüblichen Hufeisen und Hufnägel, Stielpfannen und Deckel, jetzt auch Schienennägel. Sie schmieden alles sauber und schön, mit jener .Sorgfalt, welche den bosnischen Arbeiter auszeichnet, und obwohl alles Handarbeit ist, sind die Gegenstände wegen der unendlichen Genügsamkeit des Erzeugers konkurrenzfähig. So hat der flammende Widerschein des I lochofens neues Leben in die dunkeln Schluchten der Stavnja gebracht, hoffentlich bringt er für immer Glück und Wohlstand...... Von VareS kann man in sehr bewaldeter Gegend nach Dubo&tica gelangen, wo Chromerz gewonnen wird. Die Bosnabahn aber fuhrt von Podlugovi weiter nach VogoSca, wo sich eine 22,5 Kilometer lange Montan- V ° bahn zu dem in Privatbesitz befindlichen Manganbergwerke Cevljanoviö bis Ivanöici abzweigt. Es dürfte nicht uninteressant sein, gleich hier zu erwähnen, dass seit dem Jahre 1880 ununterbrochen weitere Schürfungen im Lande vorgenommen wurden und zwar auf Gold bei Travnik, auf Blei und Silber bei Srebrenica, Ljubija und Borovica, auf Quecksilber und Antimon bei Fojnica (Cemernica, Pogorelica und Zec-Planina), auf Fahlerze in MaSkara, bei Gornji-Vakuf und Kresevo, auf Manganerze bei Ivanjska und Konjica und auf Chromerze im Krivajathale, bei Zepie und auf der Borja-Planina, endlich auf Kohlen in der Majevica bei Gornja-Tuzla und bei Gacko. Von diesen Schürfungen stehen zur Zeit im Betriebe jene auf Blei und Silbererze bei Ljubija, auf Fahlerze in Ma^kara und auf Kohlen in der Majevica und bei Gacko. .....Wir verlassen mit der Bahn den Eisendistrikt; zum ersten Male wird vom Zuge aus der hohe Trebevic hinter Sarajevo sichtbar; wir passiren noch einige freundliche Dörfer, sehen das griechisch-orientalische Priesterseminar Reljevac rechts liegen und dann breitet sich vor unserem Blicke das stundenlange Sarajevskopolje aus, begrenzt vom Igman, an dessen Fusse die Bosna entspringt, der Bjelasnica, dem Trebeviö, dem 1 lum und im Hintergründe mit dem Blick auf den PaSin Brdo. Bosniens Hauptstadt selbst sieht man freilich, wenn man mit der Bosnabahn anlangt, nicht von Weitem. Man geniesst nicht den wundervollen Anblick der von der Ebene auf drei Seiten hoch in die Berge ansteigenden, von 100 Minareten überragten Stadt, die von der Festung (dem Kastell) im Hintergrunde gekrönt wird. Den vollen Eindruck erhält man nur, wenn man auf der Poststrasse von dem reizenden Badeorte Ilidze durch das Sarajevskopolje sich Sarajevo nähert. Aber auch bei der Bahnfahrt längs der weiten Ebene bemerkt man die Nähe der grossen Stadt. Ueberall Landhäuser in türkischem Stile, Sommerfrischen mohammedanischer Grossgrundbesitzer, dazwischen europäische Gebäude und neue Anlagen. Auf den Fahrstrassen lebhafter Wagenverkehr, daneben ganze Karawanen von Tragthieren, beladen mit allen möglichen Waaren, mit Erzeugnissen des Feld- und Gartenbaues. Die Volkstrachten werden immer mannigfaltiger und bunter, auch Frauen sind in grösserer Anzahl zu sehen, zum Theil schon türkische Hanums in Feredschi und Jaschmak. Endlich hält der Zug; es ist Mittag geworden, wir befinden uns auf einem grossen europäischen Bahnhofe, wo ein unbeschreiblich reges Treiben herrscht. Es beginnt der erste Schritt ins »goldene Bosna-Saraj«. Sarajevo. nmuthiges Sarajevo! wie ein Diamant aus der Umfassung von Smaragden liebst du dich aus dem Grün der Ebene zu dem deiner Berge empor!« Es giebt nicht bald eine schönere Lage, als sie Bosniens Hauptstadt bietet. Von allen Seiten ist sie gedeckt; durch den Hum und Gradanj im Norden, den Mali Orlovac und die Hrastova Glava im Osten, die Kapa, den Dragulac und den Debelo Brdo im Süden. Hinter diesen Kuppen erhebt sich das Gebirgsmassiv des Trebevic, Sarajevo förmlich abschliessend, sodass meist nach Südosten, nach den türkischen Ländern, nur ein schmaler Reitweg als Verbindung übrig blieb, der sich in schwindelnder Höhe an den Hängen des Trebevic, auf einer Seite begrenzt von dem steil abfallenden Flussbette der Miljacka, hinzog. Das änderte sich im Laufe der Zeiten so weit, dass die Häuser sich auch nach der Ebene im Westen hin ausdehnten, aber nie weiter, als sie noch direkt von den Gebirgen flankirt und gedeckt wurden. Heute ist das ganz anders. Wenn man aus dem Bahnhofsgebäude tritt, glaubt man sich in einer modernen, erst im Bau begriffenen Stadt, mit wenig Anklängen an den Orient. Der Bahnhof der Bosnabahn liegt weit draussen vor der Residenz, dort wo sich noch vor wenigen Jahren Wiesen und Felder ausdehnten, wo an der Landstrasse nur vereinzelte Kaffeebuden oder einige Bauernhäuser in den Zwetschken-gärten von Pofaliö vorhanden waren. Heute hat der »Zug nach dem Westen« hier eine fabelhafte Ausdehnung gewonnen. Fürs Erste ist für Fahrgelegenheit gesorgt. Eine elektrische Bahn führt bis ins Herz der Stadt in die Ferhadija-Strasse; saubere europäische Fiaker harren in grosser Anzahl der Reisenden, die Omnibusse mehrerer Hotels warten auf Kundschaft. Einstmals kam nur von Brod aus manchmal ein fremder Reisender zu Wagen mit der allwöchentlich verkehrenden österreichischen Post, oder türkische Frauen in den landesüblich gewesenen »Arabas mit vorsündfluth-lichen Holzrädern. Sonst vollzog sich der Fremdenverkehr zu Pferd und zu Fuss. Ein einziges halbwegs abendländischen Begriffen entsprechendes Hôtel, von eine 11 Griechen geleitet, stand auf der Stelle, wo sich heute das mächtige »Hotel Europe« in der Franz Josef-Strasse erhebt, sonst waren nur türkische Hans (Einkehr-Wirthshäuser) vorhanden, die an Bequemlichkeit und Reinlichkeit viel zu wünschen übrig Hessen. Auf die dazu gehörigen Stallungen wurde mehr gesehen, als auf die Behausung der Menschen, und nur in den gegenwärtig nicht mehr vorhandenen, dem abgebrannten »TaSli-Han« im Besistan und dem »Makedonski Han«, gab es besondere nume-rirte Zimmer für die Gäste. Sonst machten es sich alle gemeinsam auf den drei Seiten der Wände eines Zimmers einnehmenden Minderluks (hölzerne Pritschen, mit einem Teppich oder einer Decke bedeckt) bequem. Für etwaiges Bettzeug musste jeder Reisende selbst sorgen, wie es ja noch heute in weiten (regenden des Orients und auch in abgelegeneren Theilen Bosniens und der I lereegovina üblich ist. Gegenwärtig findet der Reisende dieselbe angenehme Unterkunft wie in allen Hauptstädten Europas; »Hôtel Europe« (ersten Ranges), »Kaiser von Oesterreich«, »Austria«, »Radetzky« und verschiedene kleinere Wirtschaften befriedigen alle Ansprüche und die Bedürfnisse der verschiedensten Klassen. Für des Leibes Nahrung und Nothdurft aber wird nicht mehr in den nach der Strasse zu offenen Garküchen, sondern in guten Restaurationen und Bierhäusern gesorgt. Haben wir den Bahnhof der Bosnabahn verlassen, so bleiben wir zuerst ganz im europaischen Theil, stets auf dem rechten Ufer der Miljacka (der Lieblichen), welche die gesammte Stadt durchzieht und die von sieben theils steinernen, theils eisernen Brücken im Stadtgebiet überspannt wird. Wir passiren das einen Umfang von 32 Hektaren fassende Militär-Barackenlager mit hübschen Baumgruppen und Gartenanlagen, dann rechts die staatliche Tabakfabrik mit dem Direktionsgebäude, grossen Werkstätten und Magazinen. Es werden hier Hunderte von einheimischen Mädchen beschäftigt, und wird ein Besuch der Fabrik nach eingeholter Erlaubniss gern gestattet. Etwas weiter steht das Direktionsgebäude der Bosnabahn in einer hübschen Gartenanlage, gegenüber links das Militärspital und dahinter am Fusse der Gorica das Lagerspital. Hier ist schon Kampfterrain, und wo heute eine Anzahl kleiner Kaffees und Wirthshäuser steht, tobte am 19. August 1878 der Strassenkampf am heftigsten. Wir überschreiten den die Strasse querenden Ko^ovabach auf einer Brücke und befinden uns in kurzer Zeit an einem idyllischen Punkte unter mächtigen Linden. Halb verdeckt von ihnen, am murmelnden Hache, erhebt sich die Ali Pascha-Moschee. 1 lier war erbittert gekämpft worden. Und immer überraschenderwird das Bild. Auf dem alten Musallah-Platze erhebt sich der in vornehmem Renaissancestil erbaute Palast der Landesregierung, daneben ein zweites neues grosses Amtsgebäude mit der Regierungsdruckerei. Gegenüber zieht sich, eine steile Berglehne hinan, der Stadtpark, einst nals ein weiter türkischer Friedhof. Die Grabsteine sind auch jetzt noch unter üppigem Grün und im Gebüsch verborgen. Erst beim weiteren'Vordringen in die Stadt tritt der Orient wieder in seine Rechte. Da stehen neben europäischen Häusern solche türkischen Stiles, eine Moschee inmitten eines pittoresken, aber verwahrlosten türkischen Friedhofes, und von Mauern umschlossen lugt aus einem Garten das von der englischen Philanthropin Miss Irby geleitete Waisenhaus für bosnische Mädchen — eine Schöpfung aus osnrmischer Zeit — hervor. Ein Blick auf den Strassenverkehr zeigt jedoch das echt morgenländische Völker-und Trachtengemisch. Darin hat sich Sarajevo das Gepräge einer orientalischen Stadt bewahrt. Noch heute sieht es hier viel türkischer aus als in Sofia und Philippopel; noch immer überwiegt die Landestracht; Turban und Fez haben den Vorzug, Fercdschi und Jaschmak der mohammedanischen Frauen sind in den Strassen häufig, trotz der stets überhandnehmenden europäischen Frauenkleidung. Diese hat die meisten Eroberungen gemacht. Die bosnischen Serbinnen und Katholikinnen der besseren Stände legen selbst das so kokett auf don dunkeln Haaren sitzende Fez theilweise ab und setzen wahre Ungethüme von Hüten auf, unter denen ihre eigentümliche Schönheit gar nicht zur Geltung kommt. Nur der Mohammedaner bleibt der Tracht seiner Väter treu und auch an den jüdischen Damen spanischer 1 lerkunft ist dieser schöne konservative Zug zu beobachten. Arn Ende der Cemalu Sa-Strasse, die wir bisher verfolgt haben, biegen wir rechts in die Franz Josef-Strasse ab, die gegenwärtige Hauptverkehrsader der nichtbosnischen Bevölkerung. Hier erblicken wir zuerst das schöne kk. Militär-Casino, in dem während des Winters Concerte, Bälle und andere Landesregierungs-Palais in Sarajevo. gesellige Unterhaltungen stattfinden. Ein hübscher Garten, der sich bis zur Miljacka ausdehnt, bietet im Sommer bei Militärmusik einen angenehmen Zusammenkunftsort der eleganten Welt. In unmittelbarer Nachbarschaft steht der imposante Bau des Obergymnasiums und der Präpa-randie, die leuchtenden Zeugen der neuen Kulturära. Unfern links erhebt sich der massive, aber im Ganzen wenig Interessantes bietende Kuppelbau der griechisch-orientalischen Kirche. Durch die Rudolfsgasse links abbiegend befinden wir uns nach wenigen Schritten vor dem katholischen Dom, einem mächtigen Steinbau im romanisch-gothischen Stil. Die beiden hohen Thürme spitzen sich pyramidenförmig zu, die beiden rückwärtigen Oratorien sind mit Eckthürmchen versehen. Das Innere ist dreischiffig, das Sanctuarium Landesmuseuin und katholische Kathedrale in Sarajevo. schliesst achteckig ab. Die drei Schiffe sind durch je vier von Säulen getragene Bogenöffnungen getrennt. Der Dom wurde 1889 eingeweiht. Die alte katholische Kirche in türkischer Zeit stand in einem Hofe im sogenannten Latinluk — im katholischen Viertel —, dicht an der Miljacka. Von aussen verrieth die umschliessende Mauer keineswegs die Bedeutung des Gebäudes und das niedrige Kirchlein bot nur spärlichen Raum. Da kam der furchtbare Brand des Jahres 1879 und mit ihm sank auch das Heiligthum der Katholiken in Asche. Es wurde dann neben dem sogenannten »neuen Konak«, der Wohnung des Landeschefs, auf dem Platze, wo bis dahin der alte Konak gestanden, eine kleine Kirche errichtet, die auch jetzt noch benutzt witd. Neben dem Dom links befindet sich das ausgedehnte Gebäude des Pensionsfonds der bosnisch-hercegovinischen Landesbeamten, in welchem das Postamt und das Landesmuseum untergebracht sind. Das für Fremde stets, für Einheimische dreimal in der Woche geöffnete Museum (für mohammedanische Frauen ist ein eigener Besuchstag eingeführt) entstand aus ganz kleinen Anfängen, aus einem privaten Museumsverein, der auf Anregung des gemeinsamen Reichs-Finanzministers v. Källay durch Dr. Makanec gegründet wurde. Gegenwärtig ist das Museum eine der ersten Sehenswürdigkeiten, und die 1894 beim Archäologenkongress in Sarajevo versammelt gewesenen fremden Gelehrten haben dieses Zeugniss in allen Sprachen bestätigt. Dank der türkischen Besetzung des Landes blieb die Erde Bosniens, über die unzählige Völkerstürme mit ihrer Kultur im Laufe der Jahrtausende dahinbrausten, bis in die jüngste Zeit jungfräulich unberührt. »Hätte Allah wollen, dass die Schätze des Innern gehoben werden, so hätte er sie auf die Oberfläche gelegt,«- sagt der Osmanli, und darum wurde bis vor Kurzem der Bergbau in der Türkei nur unter den grössten Schwierigkeiten gestattet. Ein Aufwühlen der Erde nach »alten Sachen< kennt der Mohammedaner überhaupt nicht, es müsste sich denn um einen vergrabenen Schatz handeln, und nur in Aegypten sind die Araber und Fellachen zu selbstständigen Ausgräbern geworden. Bosniens Boden ist aus diesen Gründen eine unerschöpfliche Fundgrube für Entdeckungen aus allen Perioden. Wir wollen gegenwärtig nicht auf die neolithischen Ausgrabungen in Butmir und Sobunar, auf diejenigen in Jczerine u. s. w. eingehen, auch nicht auf die einzig in der Welt dastehenden Aufdeckungen auf dem Gräberfelde der Hochebene Glasinac, wo noch Tausende und Abertausende vorgeschichtlicher Gräber der Oeffnung harren. Gelehrte Federn haben hierüber lange Abhandlungen geschrieben und auf so Manches werden wir im Laufe unserer Reiseschilderungen umfassender zurückkommen. So viel ist gewiss, dass Bosnien noch durch viele Jahr zehnte der Wallfahrtsort für sämmtliche Alterthumsforscher bleiben wird. Und was entdeckt wurde, ist erst ein verschwindender Bruchtheil dessen, was im Lande zu finden ist. »Wo Du es anrührst, ist es interessant, unter jeder Scholle findest Du eine neue Kulturschicht,« könnte man angesichts der steten überraschenden Entdeckungen sagen, die hier gemacht werden. Von allen diesen Schätzen giebt das Landesmuseum einen umfassenden Begriff. Einst aus vier Zimmern bestehend, nimmt es heute schon das Zehnfache ein, und es ist zu hoffen, dass der Bau eines eigenen Museums nicht mehr lange auf sich warten lässt. Das Landesmuseum besteht aus zwei Abtheilungen: der archäologisch-historischen und der naturwissenschaftlichen. Die erstere gliedert sich in die prähistorische, die römische, die mittelalterliche, die Münzen-, Gemmen- und Siegelsammlung, wie in die ethnographische Sammlung. Die naturwissenschaftliche 4* — 5r — Abtheilung theilt sich in die anthropo logische,die zoologischen, die botanischen und die mineralogisch - geologischen Sammlungen. Aus der reinen Bronzezeit sind Funde aus dem Ramathale,. aus Tesanj, Maglaj etc. besonders be-merkenswerth, dann diejenigen aus der Hallstätter Periode, die Tausende von Funden aus den Tumuli von Glasinac, die aus der La-Tene-Zeit etc. Wenn auch die Sammlung römischer Alterthtimer an Zahl der Gegenstände hinter der prähistorischen Sammlung zurücksteht, so bietet sie dennoch ein übersichtliches Bild der Kulturverhältnisse des Landes zur Zeit der römischen Herrschaft, wo Bosnien eine der Hauptverbindungsadern nach den unteren Donaugegenden und nach dem Goldenen Horn bildete. Die römischen Strassenzüge in Bosnien sind vom Baurath Philipp Ballif in einem umfangreichen Werke nach seinen eigenen Erhebungen und Erforschungen dargelegt worden. (»Römische Strassen in Bosnien und der Herzegowina« von Philipp Ballif, bosn.-herzeg. Baurath, Wien, Carl Gerold.) Die Münzensammlung verleiht dem Museum einen besonderen Werth. Mit Ausnahme einer im 17. Jahrhundert in Sarajevo geprägten türkischen Noth-miinze und der während der Regierung der bosnischen Baue und Könige geprägten Münzen war das Land von jeher auf den Gebrauch fremden Geldes angewiesen. Neben den sehr seltenen bosnischen und sonstigen siidslavischen Münzen finden sich aber auch äusserst werthvolle Stücke der Republik Ragusa, und bei Krupa fand man karthagische Münzen von bedeutendem numismatischen Werthe. Neben den zoologischen, botanischen und geologischen Sammlungen möchten wir aber den höchsten Werth auf die ethnographische Sammlung legen, die nicht nur das Volksleben in Bosnien und Hercegovina, sondern auch das der übrigen Balkanländer in lebensgrossen Typen in naturgetreuer Darstellung zeigt, ausserdem aber die Eigentümlichkeiten der Wohnungen wiedergiebt. Es ist unmöglich, auch nur einen Begriff von der Reichhaltigkeit des Museums zu geben; es müsste ein Katalog abgeschrieben werden, der schon am nächsten Tage lückenhaft wäre, denn nicht täglich, nein stündlich mehren sich die Schätze, die Bosniens Boden nach Sarajevo liefert. Das Museum allein ist eine Studienreise werth. Das Sammeln in einem Lande, wo die Schätze förmlich auf der Strasse liegen, wäre aber noch nicht das Bemerkenswertheste. Erstaunens werth ist es dagegen, dass in einer ehemals türkischen Provinz, die vier Jahrhunderte für die europäische Kultur verschlossen war, eine wissenschaftliche Zeitschrift erscheint, dic-sich ähnlichen Veröffentlichungen in den vorgeschrittensten Ländern kühn Türkische, in Sarajevo geprägte Nothmünze aus Kupfer (Mangura). an die Seite stellen kann. Der »Glasnik zemaljskog muzeja u Bosni i Hercegovini« erscheint seit 1888 und er bietet eine Fülle wissenschaftlichen Materials mit vorzüglichen Abbildungen, das auch den nicht Südslavisch verstehenden Gelehrten durch eine deutsche Uebersetzung zugänglich gemacht wird, von der einstweilen vier Bände vorliegen. Leiter dieses Unternehmens und Direktor des Landesmuseums ist Hofrath Konstantin Hörmann (auch Ehrenmitglied der anthropologischen Gesellschaft in Berlin und vieler anderer gelehrter Gesellschaften Deutschlands), Kustos Dr. Ciro Truhelka und für die naturhistorische Abtheilung Kustos Othmar Reiser. Da fast alle fremden Reisenden die Bekanntschaft des Museumsdirektors machen werden, ziemt es sich, diesen gleich hier vorzustellen. Hörmann, »die Vorsehung des Archäologentages«, wie ihn Professor Dr. Virchow nannte, ist seit dem Beginn der Besetzung des Landes in Bosnien thätig. Genau vertraut mit der Sprache und den bosnischen Verhältnissen, voll Liebe zum Lande und Volke erfüllt, leistete Hörmann in allen Zweigen der Verwaltung die erspriesslichsten Dienste. Dabei arbeitete er ununterbrochen litterarisch und heute bewegt sich seine Thätigkeit vorwiegend auf litterarisch-wissenschaftlichem Gebiete. Seine umfassende Mitarbei t an der Museumszeitschrift nur erwähnend, muss auf ein Werk von ihm hingewiesen werden, das eine Perle der südslavischen Litteratur bildet. Es sind dies die »Volkslieder der Mohammedaner in Bosnien und der Hercegovina« (»Narodne pjesne muhamedovaca u Bosni i Hercegovini«, sabrao Kosta Hörmann). In diesen Ländern ist es das Volkslied, das jenes Empfinden zum Ausdruck bringt, welches die Bosnier in den letzten Jahrhunderten der türkischen Knechtschaft bewegte und bestürmte. In den Liedern tritt wohl auch die epische Breite der serbischen Dichtung hervor, aber doch sind sie wesentlich verschieden von denen der Serben. Sie athmen Freiheitsdrang und Freiheitslust, sie rufen zum Kampfe, sie jubeln beim Sieg. Und dabei sind sie doch wie die Waldblumen, die in den dunkeln Wäldern und Schluchten ihrer schönen Heimath blühen. Wer sich an ihrem Dufte erfreuen will, muss sie aufsuchen, er muss die oft schwer zugänglichen Stesre und Weo-e wissen, die ihn zum Liederschätze des Volkes führen. Den Schlüssel zum Herzen des mohammedanischen Volkes aber fand und besitzt auch heute noch Hörmann, und seine Gattin Olga giebt einer Menge mohammedanischer Mädchen Unterricht in allen wissenswerthen Gegenständen, um auch das weibliche Element des Islam einer höheren Kultur entgegenzuführen. Die bisherigen Ergebnisse sind hocherfreulich, und die jungen Mädchen hängen mit Verehrung an der lieben gebildeten Dame, die das Ideal einer Hausfrau ist. So wirkt in Bosnien der gebildete Beamte mit seiner Gattin als Kulturträger, und Oesterreich-Ungarn hat in seiner Kolonialarbeit Erfolge aufzuweisen, die beispiellos in der Geschichte der Besetzung eines fremden Landes sind. Aber auch auf direkt journalistischem Gebiet ist Kosta Hormann thätig. Er leitet die seit Anfang 1895 erscheinende grosse illustrirte Zeitschrift »Nada«, ein belletristisches Blatt im Stile der Leipziger »Illu-strirten Zeitung«. Wohl giebt es in Kroatien und Serbien Familienblätter, die sich höchst anständig repräsentiren, es fehlte aber immer noch ein Organ, das sich nur mit Angelegenheiten der südslavischen Länder be-fasste. Das ist mit Gründung der »Nada«, die in lateinischen und cyrillischen Lettern erscheint, glänzend gelungen. Es ist ein Vereinigungspunkt für die Schriftsteller südslavischer Zunge geschaffen, in der sie voll zur Geltung kommen, und die Illustrationen des Blattes, an denen u. A. V die Deutschen Gebrüder W. Leo Arndt und Ewald Arndt-Ceplin grossen Antheil haben, sind mustergiltig. Und dieses Unternehmen rief die bosnische Landesregierung ins Leben! Jene Regierung, die in den Delegationen von jungtschechischer Seite oft die heftigsten und ungerechtesten Angriffe erfuhr. ¡Es genügt nicht, Bosnien im Fluge in ein paar Tagen zu durchreisen; man muss das Land früher gekannt, man muss dort gelebt und immer wieder verkehrt haben, um die Fortschritte feststellen zu können, die auf Schritt und Tritt zu bemerken sind. Dann erst wird man der riesigen reformatorischen Thätigkeit des Ministers v. Kailay und seiner Mitarbeiter gerecht werden. Ein Blick auf die litterarische und journalistische Entwicklung des Landes bietet überhaupt sehr viel Interessantes. Die erste Buchdruckerei entstand 1866 in Sarajevo als Privatunternehmung. Sie wurde kurze Zeit nach ihrer Gründung von der damaligen türkischen Regierung angekauft und in eine Vilajetsdruckerei umgewandelt. Im selben Jahre begann die Regierung die Herausgabe einer Amtszeitung »Bosna« in türkischer und bosnischer Sprache, die bis zur Okkupation einmal wöchentlich erschien. Im Jahre 1866 erschien in Sarajevo auch ein unabhängiges politisches Wochenblatt, unter der Redaktion des ungarischen Staatsbürgers Sopron, unter dem Titel »Bosanski Vjestnik«, das nach kaum einjährigem Bestände einging. Im Jahre 1869 entschloss sich Schacir Efendi zur Herausgabe eines offiziösen politischen Blattes »Gjulšeni Saraj« (Sarajevski Cvjetnik). Dieses Blatt, in dem die türkische und bosnische Sprache paritätisch vertreten waren, erlosch mit dem 1872 erfolgten Tode seines Herausgebers. Von sonstigen literarischen Erzeugnissen aus der osmanischen Periode sind nur einige türkische Salnames (Kalender), dann einige cyrillisch gedruckte Fibeln, einige kleine Volkslieder-Sammlungen und eine bosnischtürkische Grammatik erwähnenswerth. Mit der Uebernahme des Landes in die Verwaltung der österreichisch-ungarischen Monarchie musste ein neues Amtsblatt geschaffen werden. Es entstand die »Bosansko -Hercegovačke Novine«, die zweimal in der Woche in bosnischer Sprache mit lateinischen Lettern erschien, bis 1879 auch cyrillischer Text dazukam. 1881 wurde der Titel in »Sarajevski List« verändert und das Blatt erscheint auch heute in lateinischen und cyrillischen Lettern. Schon im Oktober 1878 war auch ein Unternehmen in deutscher Sprache ins Leben getreten, eine zunächst nur für Zeitungen bestimmte »Bosnische Correspondenz« (Herausgeber H. Renner und J. LukeS). Anfangs autographirt, dann gedruckt, erschien sie fast ein Jahr und sollte dann in ein deutsches Tagblatt umgewandelt werden. Es blieb aber bei einer Nummer der »Okkupation«, da die Verhältnisse für ein solches Unternehmen noch nicht genügend konsolidirt waren. Erst am 1. Januar 1884 gründete Dr. Makanec die »Bosnische Post« in deutscher Sprache, die Anfangs einmal, dann zweimal in der Woche, seit Mai 1896 täglich — auch in einer bosnischen Ausgabe — erscheint. Sie war stets vorzüglich redigirt, und die bosnische Schriftstellerin Fräulein Milena Mrazovic, in deren Besitz das Blatt nach dem Tode des Dr. Makanec übergegangen war, verstand es meisterhaft, Text und Feuilleton anziehend zu gestalten. Jetzt ist Eigenthümer Joh. Bapt. Schmarda. 1883 regte sich das journalistische Leben auch in der Hercegovina. In Mostar erschien ein Lokalblatt in bosnischer Sprache, der »Bosiljak«, der in den »Novi hercegovaöki Bosiljak« und schliesslich in »Glas Hercegovca« umgeändert wurde und jetzt zweimal wöchentlich erscheint. Im April 1885 begann in Sarajevo das politische Wochenblatt »Prosvjeta« in cyrillischer Schrift unter Redaktion eines Lehrers zu erscheinen. Das Blatt stellte sich die Pflege der Interessen des orthodoxen Elementes zur Aufgabe, hörte jedoch schon 1888 zu erscheinen auf. Der Wettstreit auf dem Gebiete des Geisteslebens bewog einige mohammedanische Notable von Sarajevo, im Jahre 1884 ein politisches Blatt in türkischer Sprache und Schrift zu gründen. Es erscheint unter dem Titel >Vatan« (das Vaterland) als Wochenblatt. Zur Vertretung der speziellen Interessen der bosnischen Mohammedaner erscheint seit 1891 auch ein politisches Wochenblatt in bosnischer Sprache und lateinischer Schrift, der »Boänjak«. Die früheren Zustände und der Mangel an Buchdruckereien im Lande hatten das Aufkommen einer heimischen Litteratur fast vollständig unterbunden, doch gab es schon einzelne Bosnier, die auf litterarischem Gebiete Hervorragendes leisteten. Nach dem aus der Hercegovina stammenden Fra Andrija Ka£id-Miov>iö, dessen »Razgovori ugodni naroda slovinskoga« eine Perle in dem Schriftenschatze der siidslavischen Völker bilden, erschien von Fra Jukic unter dem Pseudonym Slavoljub Bosnjak eine Geschichte Bosniens (1851) und eine Sammlung von Erzählungen aus dem bosnischen Volksleben (1858) in Agram. Ihm folgt als Dichter der noch lebende Franziskaner-Ordenspriester Fra Grgo Martic, dessen epische Dichtungen, besonders »Osvjetnici« (Die Rächer), zu hohem Ruf gelangten. Eine eigenartige Erscheinung von ganz hervorragender Bedeutung tritt zu jener Zeit hervor, nämlich, dass die Bewohner Bosniens und der Hercegovina in Folge jahrhundertelanger Abgeschlossenheit in urwüchsiger Reinheit ihre Sprache erhalten und eine unvergleichlich reiche Volkspoesie bewahrt haben, die später, als sich die Verbindungen mit den stammverwandten Ländern besserten, das Grundkapital zum Aufbau zweier Litteraturen, der serbischen und der kroatischen, lieferten.*) Vuk Stetanovic-Karad2i6, Vuk Vröeviö, Petranovic, Gjuro Daniöic, Ljudevit Gaj nebst vielen anderen Sprachforschern und Sammlungen der Produkte der Volkspoesie förderten unermessliche Schätze gerade aus diesen zwei Ländern ans Tageslicht und die gehobenen Schätze gaben *) »Bosnien und die Hercegovina auf der Millenniums-Ausstellung in Budapest im Jahre 1896.« Herausgegeben vom Ansstellungsbureau der b.-h. Landesregierung. Panorama V (Ansicht von N o r d ^ der Sprache, deren sicli die serbische und kroatische Litteratur bedient, das gegenwärtige Gepräge. Eine schriftstellerische Regung im Lande beginnt in grösserem Maassstabe erst nach dem in seinen Wirkungen für das Okkupationsgebiet segensreich gewordenen Jahre 1882 durch das rasche Entstehen von Druckereien und Buchhandlungen. Zuerst wurden mehrere kirchliche Blätter, dann die »Bosanska Vila« als belletristisches n Sarajevo gegen Südost). Organ gegründet, sodann der an anderer Stelle in seiner wissenschaftlichen Bedeutung bereits gewürdigte »Glasnik zemaljskog muzeja«. In rascher Folge erschienen wissenschaftliche und volkstümliche Werke, ganz abgesehen von den vielen für die Schulen erforderlichen Lehrbüchern und den orientalisch-orthodoxen Kirchenbüchern, und mit dem Erscheinen der oben erwähnten illustrirten belletristischen Zeitschrift »Nada« kommt ein mächtiger Schwung in Bosniens litterarisches Leben. Mohammedaner betheiligen sich hervorragend mit Beiträgen; Namen wie: Mehmed Beg Kapitanoviö, Osman Mazhar Pascha Cengic, Savfet Mirza Heg BaSagic, gewinnen einen guten Klang. Und jeder Monat, jedes Jahr bringt neue Blüthen der bosnischen Litteratur auf allen Gebieten der Wissenschaft und Belletristik. E Leben und Treiben in der bosnischen Hauptstadt. ine vorzügliche Gelegenheit zu vergleichenden Studien bietet sich in Sarajevo, wenn man vom Museum nur ein paar Schritte in der Ferhadija-Gasse^ weitergeht. Da ist man im spaniolischen Viertel der CarSija — des allgemeinen Bazars — und man erhalt den ersten Eindruck von Sarajevo als Verkehrsmittelpunkt. Hier weiss man erst, was das I Iandelsviertel einer grossen orientalischen Stadt bedeutet. Die neuen Strassen werden in Sarajevo breit angelegt, macadamisirt oder gepflastert, selbst mit Trottoirs zu beiden Seiten. Kaufläden nach europäischer Sitte mit weiten Schaufenstern zeigen die Waaren des Abendlandes, grosse Wiener Kaffeehäuser (Café Europe, Café Kunerth), in denen alle möglichen Zeitungen aufliegen, laden zum süssen Nichtsthun ein. Nur die CarSija hat sich unverfälscht erhalten. Die scchszig und mehr Gässchen, aus denen sie besteht, sind noch echt türkisch. In den niederen, nach der Strasse zu offenen Läden (Ducans) sitzen die Geschäftsleute und die Handwerker wie früher mit gekreuzten Beinen und warten auf Käufer, obwohl die Spaniolen sich auch theilweise in grosse Läden anderer Stadttheile gezogen haben. Die Mohammedaner hegen noch immer keinen Konkurrenzneid, und wenn die verlangte Waare nicht vor- Strassenbild aus der Carsija. banden ist, wird der Käufer freundlichst an den Nachbar verwiesen. v In die Carsija hat sich übrigens meines Wissens noch kein fremder Geschäftsmann als Miether eines Gewölbes verirrt. Es heisst, er würde auch schwerlich eines erhalten, denn hier hat der Vakuf seinen Grundbesitz und im Bazarviertel würde der mohammedanische Kirchenfond nicht dulden, dass sich Eindringlinge festsetzen. Da müsse jeder Miether einheimisch sein, die Religion bleibe Nebensache. Ich weiss nicht, wie weit diese Annahme begründet ist, glaube eher, dass es einem europäischen Geschäftsmann nicht passt, sich in die kleinen engen Gelasse zu setzen, die keinen Raum zur Entfaltung, nicht einmal zum ordentlichen Stehen bieten. Aber selbst wenn die Gerüchte begründet wären, würde ich dies der Vakufverwaltung nicht verdenken. Mindestens in den gedeckten Gängen des Besistan — der grossen steinernen Verkaufshalle — müssen das heimische Gewerbe und die heimische Industrie einen Schutz finden. Für die nicht bosnischen Geschäftsleute sind die Franz Josef-Strasse — die einstige Galata Sokak —, die Cemalusa-, die Ferhadija-, Rudolf- und andere Strassen cla. Wo früher nur die Wohngebäude wohlhabender und reicher Leute standen, da reiht sich jetzt Laden an Laden. Das ist nicht mehr orientalisch, denn in einer echt türkischen Stadt ist das Handels viertel ganz abgeschlossen, wie sich auch die Gewerbe nach einzelnen Gassen scheiden. Der Orientale wird nie sein Wohnhaus mit dem Geschäftshause verbinden. In ersterem will er gänzlich ungestört, Herr seiner selbst und seiner Familie sein. Die Geschäfte vollzieht er in V seinem Ducan in der Carsija. Dort sitzt er von früh bis zum Sonnenuntergang, bis der Muezzin vom Minaret Akschäm verkündet. Dann schliesst er seine Bude und wandert nach Hause. Itn Laden aber empfängt er auch seine Bekannten, hier bewirthet er mit schwarzem Kaffee Kunden und Freunde, hier wartet er mit Cigaretten oder Tschibuk auf. Ein ausgebreiteter Teppich ist sein Ruheplatz, im Winter tritt ein Mangal, ein metallenes Hecken mit glühenden Holzkohlen hinzu, über denen er sich von Zeit zu Zeit die Hände wärmt. Eine Katze ist häufig der Gesellschafter. Er hat stets Zeit, auch beim Verkauf drängt oder beeilt er sich nicht, und das beschauliche Leben wird nur durch die Gabetzeiten unterbrochen, wo er die vorgeschriebenen Waschungen vornimmt und in die nächste Džamija geht. Dabei ist es nicht etwa 'still in der Caršija; es pulsirt und hastet volles Leben, und an Markttagen ist ein Drängen und Stossen in den engen Gassen, das schier beängstigend wird, wenn Tragthiere mit ihren Lasten oder Fuhrwerke den Verkehr hemmen. Das Pflaster ist schändlich, durchwegs runde, abgeschliffene Steine, sogenannte Katzenköpfe, bald hoch, bald niedrig, ausgetretene Gruben, in die der Fuss versinkt. Ganze Strassen enthalten nur Gemüseläden. Da sind Berge von Melonen, Gurken, Paprika, Melengani, Zwiebeln, Krautsorten und Obst aufgeschichtet, in anderen wird .. das Fleisch immer offen auf yj^^Wh der Strasse verkauft, überall W^Brafir hängen abgebalgte Lämmer; jflft iraMr dazwischen ist wieder ein Brot- jff^jjßjJjjLg, laden, in dem der türkische Bäcker der Ekmekd/.ija — /fcJrT die ungesäuerten flachen Brote " , • ' fj.- y ( vor den Augen des Publikums § $ bäckt, dann kommt eine Gar- fP' * ^^ küche, oder ein kleines dunkles j f Kaffee, in dem gleichzeitig ein Barbier die Köpfe rasirt. Von Zeit zu Zeit schreien wandernde - r Verkäufer mit lautem Gebrüll ihre Waaren aus, Händler mit Getränken drängen durch die Lastträger (Hamal). Menge und der Kafedzia eilt mit der kupfernen Kaffeekanne und einzelnen Tassen zu seiner Kund- y schaff, die ihre Läden nicht verlassen kann. Die Carsija ist auch der Sammelplatz der Strassenbettler, wie sie früher der Hauptvereinigungspunkt für die zahlreichen herrenlosen Hunde war, die jetzt so ziemlich beseitigt sind. In den Kaufläden überwiegen die europäischen Waaren, doch sind auch noch orientalische Stoffe, bosnische, türkische und persische Teppiche zu finden. Von grossem Reiz ist die feine bosnische Leinewand, die sogenannten Bez-Gewebe mit Gold- und Silberfäden oder durchbrochenen, prächtigen Mustern, die sich schon im Auslande einen Markt verschafft haben. Ausserdem die Tauschirund Filigranarbeiten, die hübschen Kupfergcfässe und -Schüsseln, die Kaffeekannen und Services, Räucherbehälter u. s. w. Sie werden meist verzinnt und mit den reizendsten Mustern und Arabesken verziert, sie können aberauch versilbert, vergoldet oder in der reinen dunklen Kupferfarbe geliefert werden. Alle diese echt bosnischen Erzeugnisse sind von so eigenartiger Schönheit, mitsolchem künstlerischen Geschmack gearbeitet, Junger Zigeuner aus Sarajevo. dass sie jedem, auch dem stolzesten, Haushalt zur Zierde gereichen. Messer und Scheeren sind in verschiedenen Läden in vorzüglicher Güte gearbeitet; sie sind oft damascirt, mit ausgelegten Klingen und Beingriffen. Die Scheere ist die lange, schmale mittelalterliche, die Fingerringe auf Federn, mit konkaven Schneiden, wie sie derzeit nur noch im Orient und in Norwegen gebräuchlich ist. In Bosnien wird sie im alltäglichen Verkehr bereits durch unsere Muster verdrängt. Von besonderer Güte sind die bosnischen Lederwaaren für den täglichen Bedarf, die mit Stickereien verziert werden, wie auch die einheimischen Kleidungsstücke geschmackvolle Schnüremuster aufweisen. Es liegt in der Natur der Dinge, dass viele der bisherigen bosnischen Gebrauchsgegenstände ihre Formen ändern müssen, dass sie durch ausländische Waaren verdrängt werden. Da ist es nicht genug anzuerkennen,'dass die Landesregierung wenigstens so viel als möglich dafür sorgt, das Kunstgewerbe zu erhalten und neu zu beleben und diesen Artikeln weitere Absatzgebiete im Auslande zu verschaffen. Das ist ihr besonders mit den Erzeugnissen der Tauschirkunst, den Inkrustationen mit Gold und Silber auf Holz, mit den Arbeiten der Treibe- und Gravirkunst in Kupfer und Edelmetallen gelungen. Die Landesregierung errichtete eigene kunstgewerbliche Regierungsateliers in Sarajevo, Foöa und Livno, in denen die alte Kunst erhalten, gepflegt und auch für Gegenstände des modernen Gebrauches praktisch zur Anwendung gebracht wird. Durchweg sind es mohammedanische Jünglinge, die von den alten Meistern in ihrer Kunst ausgebildet werden. Die schönen Arbeiten haben auf der Gewerbeausstellung in Wien, wie auch in Berlin, Paris und London viel Beifall gefunden, und auf den alljährlichen Weihnachtsausstellungen bosnischer Erzeugnisse in Wien finden sich Gegenstände von höchster Vollendung, von zartester Eleganz. Man staunt über die feinen Formen, die reizenden Farben-zusammenstellungen, die geschmackvollen Zeichnungen auf den Vasen, Honbonnieren, Kassetten, Spiegel- und Photographie-Rahmen, Staffeleien, Paravents, Lese- und Koranpulten, den Tellern, Tassen, Leuchtern, Bürsten, Cigarettenspitzen, Hutnadeln, den Broschen, Doppelnadeln, Manschettenknöpfen, Besteckkassetten, Tintenzeugen, Sonnenschirmen, Man telschli essen, Falzmessern, Schirm- und Stockgriffen, den Fächern, Tischen, Tabourets, den Cigarrenetuis, Feuerzeugen, Bechern, Uhrketten, Aschenschalen, Becken, Kannen, Krügen, Mokka- und Punschservices etc. Auch für die Teppichweberei hat die Regierung am Bistrik cin eigenes Atelier, eine Fabrik errichtet, in der Smyrna-, Perser- und bosnische Teppiche mit prächtigen einheimischen Mustern gewebt werden. Eine Menge Mädchen aller Konfessionen finden hier Anleitung und lohnende Beschäftigung. Die Teppichweberei als Gegenstand des Hausfleisses stand ehemals in Bosnien auf bedeutender Höhe. Der Teppich bildet bekanntlich das Haupteinrichtungsstück der orientalischen Wohnung, auch in Bosnien wurde daher die grösste Sorgfalt auf die Erzeugung dieses wichtigen Artikels verwendet. Der allgemeine wirtschaftliche Verfall unter türkischer Herrschaft hatte aber auch diesen Industriezweig nicht unberührt gelassen, und seit der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts waren gute Arbeiten eine Seltenheit. Das billigste Wollmaterial wurde verarbeitet und Anilinfarben verdrängten die alten guten Wollfarbstoffe. Die Landesregierung wendete diesem Industriezweige ihr Augenmerk zu. Mit Rücksicht auf die nicht liegov.i-D7. amija in Saraj evo. zu vermeidende Konkurrenz des europäischen Marktes musste mit weitgehendster Vorsicht vorgegangen werden, und daher wurde die Wiederbelebung der Teppichweberei nicht sofort auf das ganze Land ausgedehnt, sondern vor allem nur ein Regierungsatelier in Sarajevo gegründet, das einerseits die Aufgabe hatte, durch Zurückgreifen auf die alten guten Muster, durch eine sorgsame Auswahl des besten einheimischen Wollmaterials und guter Farbstoffe tadellose Erzeugnisse herzustellen, sowie unter Benützung von fremdländischem, feinem Materiale durch die hervorragende Kunst Inneres des lanclesärarischen Teppich-Webeateliers in Sarajevo. (Im Vordergrunde vertikaler Stuhl für persische, im Hintergrunde horizontaler Stuhl für gewebte Teppiche. fertigkeit der bosnischen Weberinnen auch den westeuropäischen Anforderungen entsprechende Erzeugnisse auf den Markt zu bringen, andererseits aber Absatzgebiete ausserhalb des Landes zu erobern. Der Werth der bosnischen Teppiche liegt hauptsächlich in deren orientalischem Charakter. Um diesen mit Sicherheit und Raschheit auf-zufrischen, erschien es am zweckmässigsten, auf die eigentliche Heimstätte dieser Kunst, den Orient selbst und insbesondere Persien zurückzugreifen. Demzufolge wurde für das Regierungsatelier für Teppichindustrie ein persischer Maler angeworben, dem die Aufgabe übertragen ist, nicht nur die alten Muster in ihrer ehemaligen klassischen Reinheit herzustellen, sondern auch neue, echt orientalische Vorlagen für Teppiche zu entwerfen. In kürzester Zeit wurden die besten Ergebnisse erzielt, sodass die Zahl der Arbeiterinnen von Monat zu Monat vermehrt werden musste. In der jüngsten Zeit hat man in diesem Atelier auch das Knüpfen von Teppichen mit bedeutendem Erfolge in Angriff genommen. Das Atelier ist mit allen erforderlichen Hilfsmitteln ausgestattet; an der Spitze stehen fachmännisch gebildete Leiter (Techniker H. Panitschek und Chemiker Hoffmann), und Ende 1895 bestand das Personal aus 2 Werkmeistern, 2 Untermeistern, 4 Abrichterinnen, 6 Spulerinnen, 95 Arbeiterinnen, 3 Färbergehilfen und 28 Anfängerinnen. Für die Hebung und Erhaltung der Bez-Fabrikation und der Stickerei wird in der Weise Sorge getragen, dass die von der Landesverwaltung errichtete Faktorei den einzelnen tüchtigen Arbeiterinnen Webstühle unentgeltlich zur Verfügung stellt und ihnen ausserdem das Material, Garne und Seide, vorschussweise an die Hand giebt. Die fertiggestellten Arbeiten werden, ohne Rücksicht auf den Absatz, von der Landesverwaltung abgekauft, und der Weiterverkauf erfolgt wie bei den Erzeugnissen des landes-ärarischen Regierungsateliers. Ende 1895 standen 466 von der ärarischen Faktorei in den Bezirken Sarajevo, Mostar, Bugojno, Travnik, Stolac und Trebinje an Bez-Arbeiterinnen vertheilte Webstühle in Verwendung. In der Carsija, sich von der Franz Josef-Strasse bis in die Fer-hadija hinziehend, liegt der vorhin bereits erwähnte grosse Besistan. Er ist bombenfest gebaut und hat alle grossen Brände, von denen Sarajevo heimgesucht wurde, siegreich überstanden. Nur die dazu gehörige Karawanserei, der Tasli-Han, wurde 1879 ein Raub der Flammen, und noch heute liegt sie in Trümmern. Wenn wir den Eingang von der Franz Josef-Strasse benutzen, stossen wir zuerst auf diesen weiten Trümmerplatz, auf dem einige Stallungen errichtet wurden. Rechts treten wir sodann durch eine ziemlich niedere Thür; einige Stufen geht es abwärts, und es empfängt uns ein mystisches 1 lalb-dunkel, an das sich das Auge erst gewöhnen muss. Dann bemerkt man ein Verkaufsgewölbe neben dem anderen, im Hauptgang wie in zwei Kreuzgängen, wohl über hundert. Die Miether sind nur Mohammedaner und spanische Juden, welche meist Textilstoffe feilhalten. Hier kaufen die türkischen Frauen mit Vorliebe, und an heissen Tagen oder auch bei schlechtem Wetter lässt es sich in diesen kühlen Räumen prächtig spazieren, plaudern, feilschen und dazu Kaffee trinken. Da kommt, wenn man die nöthige Geduld und Ausdauer besitzt, beim langsamen Fragen so manches kostbare alte Begova-Dzamija. Motiv aus cl e r Gewebestück, so manche wundervolle Goldstickerei aus irgend einem Harem zum Vorschein, es finden sich auch noch echte duftige Stoffe von Mossul und Bagdad, goldgestickte Schuhe wie für die zarten Füsschen einer -Huri im siebenten Himmel des Propheten. Aber erst nach und nach breitet der Mohammedaner seine Schätze aus, ein Stück nach dem anderen holt er aus irgend einem Versteck. Kr ist auch nicht unwillig, wenn kein Kaufabschluss erfolgt. Er wartet ruhig weiter, während die Spaniolen mit lautem Geschrei Kunden anzulocken suchen. Und haben wir den Besistan durchquert, so empfängt uns wieder das Gewühl der Strasse, dem wir nun zu entrinnen suchen, um das stolzeste mohammedanische Bauwerk Sarajevos zu bewundern. Es ist die dicht beim Besistan gelegene imposante Begova-Dzamija, das mächtige, von Ghazi Husrev Beg erbaute Gotteshaus, das nicht nur in Bosnien den ersten Rang einnimmt, sondern in der ganzen Welt des Islam hochgeschätzt wird. Die Moschee steht in einem von niederen Mauern umschlossenen Vorhofe, wo sich unter einer mächtigen, Jahrhunderte alten Linde der für die rituellen Waschungen bestimmte monumentale Brunnen befindet. Das Innere der Moschee — eines gewaltigen Kuppelbaues — zieren nur Koran Sprüche an den Wänden und orientalische Arabesken. Dem Eingang gegenüber in der Richtung nach Mekka, befindet sich die Kibla, ein Steinblock, der das Grabmal des Propheten versinnbildlichen soll. Auf dessen linker Seite die Kanzel für den Prediger, auf der rechten Seite die »Mimben, d. h. die Kanzel, von welcher herab das Freitagsgebet für den Chalifen und bei gewissen Gelegenheiten auch das Gebet für den Kaiser und König Franz Josef gesprochen wird. Der Boden der ganz neu restaurirten Moschee ist mit einem prächtigen Teppich bedeckt. Direkt neben dem Gotteshause steht die Grabkapelle des Erbauers. Ein Hodscha führte uns in das Gemach, in dem der Sarg Husrev Begs und seiner Gattin (nach einer anderen Version seines Dieners) steht, mit schwarzen goldgestickten Tüchern bedeckt. Ein Teppich überspannt den Boden, die Wände sind mit Koran Sprüchen geschmückt. Zwei alte Moslims kauerten am Sarge und beteten. Sie Hessen sich nicht einmal durch das von den Stiefeln hervorgebrachte Geräusch stören, obwohl sie hören mussten, dass Ungläubige das I leiligthum betraten. Im Vorhofe, nächst dem Brunnen, befindet sich ein säulenförmig gestalteter Stein, an dessen oberem Ende durch die Mitte eine Rinne läuft. Es ist der sogenannte »Arschinstein«. Ein Pascha soll wahrgenommen haben, dass die Kaufleute verschiedene Arschine (Ellenmaasse) gebrauchten. Diesem Unfuge steuerte er dadurch, dass er den Arschinstein, dessen Rinne genau die Länge einer türkischen Elle hat, als Kontrolmaass im Hofe der Dzamija anbringen liess, damit die Käufer sich überzeugen können, ob sie betrog'en worden sind. Im westlichen Theile des Hofes steh'" ganz für sich der hohe viereckige Uhrthurm mit seinem 24 Stunden zeigenden Zifferblatt. Gegenüber, an der Nordseite der Moschee, befindet sich die KurSum-Medresse (»bleierne Hodscha-Schule«), ein altes ebenerdiges Gebäude mit hübschem Säulenhofe. Die Studirenden erhalten eigene kleine Zellen von mehr als bescheidener Einrichtung; jedenfalls wird der Geist durch nichts vom Studium abgelenkt. Schreiten wir weiter nach Osten fort, in der Richtung gegen das Kastell, so kommen wir zu einem grossen neuen Gebäude maurischen Stils in rothen und gelben Ziegeln (roth und gelb sind die bosnischen Landesfarben), das einen im-ponirenden Eindruck gewährt. Es ist das Rathhaus, in dem der Sarajevoer Gemeinde-ra.th seine Sitzungen hält. Nach dem Gemeindestatut vom io. Dezember [883 beruht die Verwaltung der Stadt auf repräsentativer und autonomer Grundlage. An der Spitze steht ein Bürgermeister nebst einem Vicebürgermeister, die von der Landesregierung ernannt werden und denen ein Regierungskommissar als kon-trolirendes Organ zur Seite ge- J , : . ^ r- ■ 1 Motiv an der B egova-Pzaunja. geben ist. Der Gemeinderath, zu einem Drittel ernannt, zu zwei Dritteln gewählt, besteht aus 24 Mitgliedern, und zwar dem Zahlenverhältnisse der Konfessionen entsprechend aus 12 Mohammedanern, 6 Griechisch-Orthodoxen, 3 Katholiken und 3 Juden. Die Wahl erfolgt auf drei Jahre. Wähler ist jeder bosnische oder österreichisch-ungarische Staatsangehörige, der seit einem bestimmten Zeitraum in Sarajevo wohnhaft ist und nach Immobilien 2 Fl., an Erwerbssteuer 9 Fl. oder vom Schankrechte 25 Fl. Steuer zahlt. Das passive Wahlrecht bedingt das Dreifache dieses Census. Die Intelligenz übt das Wahlrecht ohne Steuercensus. Die Konfessionen wählen nicht unter sich, sondern jeder einzelne Wähler kann nach dem festgesetzten Zahlenverhältniss für alle Wählenden stimmen. Die Exekutivorgane des Bürgermeisters in den einzelnen Stadtbezirken sind die Bezirksmukthare. Gegenwärtiger Bürgermeister ist Mehmed Beg Kapetanovid, einer der reicheren Grundbesitzer des Landes, der sich schon ä la franca kleidet. Die anlässlich des Archäologenkongresses in Sarajevo weilenden Gelehrten hatten Gelegenheit, ihn in seinem Hause bei echt orientalischer Gastfreundschaft kennen zu lernen; die Wenigsten aber werden gewusst haben, dass Mehmed Beg ein Dichter und dass auch ein Band bosnischer Sprüchwörter von ihm unter dem Titel »Narodno Blago« erschienen ist. Diese Sammlung von 4300 Sprüchwörtern ist ein imponirendes Stück jahrelanger Rath haus in Sarajevo. unverdrossener Arbeit. Die Vorrede zu dem Buche ist ein litterarisches Meisterstück voll Kraft und Schönheit des sprachlichen Ausdruckes; sie selbst gleicht einem Strausse aus heimischen Blüthen der, mit bosnischen Sprüchlein gebunden, den Leser erfrischt und zur Lektüre einladet. Es dürfte vielleicht nicht unangemessen erscheinen, einige der gebräuchlichsten Sprüchwörter hier wiederzugeben, da sie ein Spiegelbild des Volkscharakters bieten. Es ist selbstverständlich, dass das Leben und Treiben der Thiere, ganz besonders der Hausthiere, zu Beobachtungen und zu Vergleichen den meisten Anlass giebt. So heisst es vom Hunde: »Der Hund bellt auch auf den Kaiser« oder »Auf den Armen bellen auch die Hunde«. Auch sagt man vergleichsweise vom Geduldigen; »Er bellt erst, wenn man ihm auf den Schweif • tqosuqpnäg) b^obCjij^ Jap uy tritt«, oder wenn von kleinen Hindernissen grosses Aufsehen gemacht wird: »Ueber niedere Planken springen auch die Hunde.« Ein ganzes Landschaftsbild liegt in dem Ausspruch: »Wer viel im Dorfe umgeht, den beissen die Hunde, oder er trifft auf ein Mittagsmahl.« Das Rind kommt in allerlei Varianten vor: »Es ist sehr schwer, tollen Kühen die Schweife zu binden.« »Heini Reichen sind auch die Ochsen gescheidt.« »Wer den Halfter spart, verliert das Kalb.« Weit höher im Ansehen steht das Pferd: »Wo man Hengste anspannt, haben Esel nichts zu thun.« »Wähle ein Pferd mit breitem Hals und ein Mädchen von schlankem Wuchs.« »Pflege das Pferd wie deinen Bruder, aber reite es, als ob es dein Feind wäre.« Der beste Käse ist nach der Ansicht des Bosniaken der Schafkäse; darum sagt er: »Den Käse nur vom Schaf, die Milch nur vun der Ziege, die Butter nur von der Kuh.« Die Mohammedaner in Bosnien reden nie vom Schwein, aber dafür behaupten die Christen: »Eine reine Sau ist niemals fett«, oder sie sagen, wenn von einem Schmierfink die Rede ist: »Kleide eine Sau in Gold, so steigt sie doch in die Pfütze.« Ein sehr charakteristisches Wort ist: »Der Gast und der Fisch taugen am dritten Tag nichts mehr.« Von Grünschnäbeln sagt man: »Wenn die Eier gackern, müssen die Hennen schweigen.« Am originellsten sind die Sprüchwürter, welche das weibliche Geschlecht betreffen: »Frauen sind ein Uebel, das man nicht entbehren kann.« »Frauen, Feuer und Meer, man weiss nicht, welches das Aergere war'.« Mit beissendem Spotte sagt das Volk; »Die Frau ist gut, die keine Zunge hat« und »Was die Frau nicht hört, wird sie auch nicht veiter erzählen.« Dass Weiberthränen auch in Bosnien nicht unbekannt sind, deuten die Worte an: »Die Frau hat stets einen Beutel Thränen bei sich.« »Die Frau vertraut auf ihre Thränen, wie der Dieb auf einen falschen Eid« und »Die Frau lacht, wenn sie kann, und weint, wenn sie will«. Nachdem es heisst: »Frauen schelten, wo Männer mit dem Säbel dareinschlagen«, ist es nicht zu verwundern, wenn der Volksmund erklärt: »Jung heirathen ist zu früh, alt heirathen ist zu spät.« Dass eine gute Mitgift nie verachtet wird, zeigt der Satz: »Am Freitag bist du mir die Schöne, am Samstag die Wackere, am[ Sonntag frage ich: Wieviel Geld hast du?« Die Geschichte hat aber ihren Haken, denn: »Hat die Frau Geld, bleibt der Zank nicht aus.« Von wenig idealem Sinn zeugt das Sprüchwort: »Weib, Kind und Hund muss man schlagen« doch heisst es auch wieder: »Nur ein Zigeuner schlägt sein Weib, ein rechter Mann thut es nicht.« Dass der Teufel selbst einem bösen Weibe nicht gewachsen ist, ist auch bei uns bekannt, doch sagt der Bosnier noch: »Eine fürsorgliche Hausfrau, ein Singvogel und Quellwasser, nichts Besseres giebt's auf der Welt«, oder etwas einschränkender: »Frauen sind wie Blumen, einige duften, andere nicht.« Nur die Mädchen von Sarajevo scheinen in allen Punkten eine Ausnahme zu bilden, denn von ihnen sagt das Sprüchwort: »Wer Eine aus Sarajevo freit, dem thut's nimmer lim Vater und Mutter leid.« Mit diesem tröstlichen Ausspruch nehmen wir Abschied von Mehmed Beg und dem Sarajevoer Rathhause, statten der »Kiraet-Hane«, cler hübschen mohammedanischen Lesehalle, einen kurzen Besuch ab und lenken dann unsere Schritte nach Bendbaschi, um uns Erholung zu gönnen. Bendbaschi ist ein Kaffeehaus mit einem vielbesuchten Garten. Die Miljacka tritt dort zwischen den Felsen ins eigentliche Stadtgebiet ein und fliesst dann in breitem Bette gegen Westen. Vor sich, über dem Flusse, hat man einen stillen türkischen Stadtthcil, im Vordergrunde eine kleine Moschee mit prächtigen Cypressen und Pappeln, hinter sich die Bäume des Gartens, rechts hört man noch gedämpft den Verkehr des Handelsviertels, soweit er sich über die Schech-Schahinbrücke Vollzieht. Im Garten und direkt an und über dem Wasser stehen Pavillons, wie sie die Mohammedaner zum Kefhalten lieben und wie sie fast überall an hübschen Punkten zu finden sind. Hier ist eines der lauschigsten Plätzchen von ganz Sarajevo, und in alter Zeit habe ich unzählige Male hier gesessen, geträumt und auch gearbeitet. Ueber und neben dem rauschenden Wasser sitzend, flössen die Gedanken ganz anders als in der dumpfen Stube, und zu jedem Satze sangen die Vögel ihr Lied, als wollten sie Beifall spenden. Das regste Leben herrscht jedoch in Bcndbaschi in den Nächten des Ramazan. Da ist der Garten durch farbige Lampions erleuchtet, arabische Musik und Gesang ertönen, und die so ernsten Moslims werden lebendig, während sie bei Kaffee und Scherbet sich ergötzen, Nargileh (Wasserpfeife) und Tschibuk dazu schmauchend. Das sind die Tage und Nächte, die sich ins Herz schmeicheln, die in der Erinnerung fortleben und an die man auch in späterer Zeit mit heisser Sehnsucht denkt. — Und wenn wir längs des Bergabhanges weitergehen, die neue Strasse, die später in Serpentinen auf die Höhe zur Festung — zur sogenannten »gelben Bastion« — führt, entlang, so finden wir noch einige Kaffees mit Gärten, aber keiner besitzt für den Fremden jenen intimen Reiz, wie Bendbaschi. Wenn ich nach Sarajevo komme, zieht mich mein Herz bald immer aus dem geräuschvollen Leben und Treiben in die alte Stadt, den »Grad«, den man von Bendbaschi aus auf einem ziemlich steil ansteigenden Wege schneller als auf der Serpentinenstrasse erreicht. Hier, hoch oben am Berge, kann man versichert sein, noch einen Theil des alten Bosna-Saraj zu finden. In dieser von Festungsmauern umfriedeten Stadt durfte sich einst kein Christ ansiedeln; heute ist das anders geworden, aber das unverfälschte mohammedanische Gepräge hat der Ort behalten, wenn auch schon bei einem kleinen, echt türkischen Kaffeehause deutsch aufgeschrieben steht: »Hier sind Tabak und Cigarren, sowie Bier zu haben.« Da schreitet man noch durch die engen Gassen mit dem holperigen Pflaster und weicht den Pfützen aus, die sich vor einigen Häusern gebildet. Hin und wieder begegnet man einem Moslim, der verwundert und misstrauisch den Fremdling mustert, der ohnedies nur verstohlen die Augen auf die vergitterten F'enster, auf die Muscharabieh richtet, Im türkischen Viertel. hinter denen vielleicht dunkeläugige Schöne ihr Haremsdasein vertrauern. Selbst die Mädchen, die in Sarajevo bis zum heirathsfähigen Alter unverschleiert gehen, ziehen hier ein gestreiftes Tuch vor das Gesicht, sobald sie dem Europäer begegnen, der es wagt, die Ruhe zu stören, in die Abgeschiedenheit des muselmannischen Mittelalters einzudringen. Wie jetzt, muss es hier auch ausgesehen haben, als die Stadt durch die beiden früheren Edelleute Sokoloviö und Zlatarevic um die Mitte des 16. Jahrhunderts gegründet wurde. Nicht in der Ebene, oben am Berge, geschützt von allen Seiten, entstand das heutige Sarajevo, das sich erst nach und nach längs der Miljacka erstreckte, als die türkische Herrschaft schon befestigt, als die prächtige Begova-Dzamija erbaut worden war. Es hat zwar schon in den Zeiten der Römer in der Ebene von Sarajevo eine Stadt »Ad Matricem« gegeben; diese lag aber wahrscheinlich in der Nähe der Bosnaquellen, nicht weit vom Bade Jlidze, und das mittelalterliche Vrh-Bosna soll sich ebenfalls dort, mehr gegen Blazuj zu, erhoben haben. Es war der Sitz des katholischen Bischofs, während die Zupane ihre Residenz aui der festen Burg Starigrad hatten, die im Osten vom heutigen Sarajevo hoch auf dem felsigen Thalrande der wildromantischen Miljacka-schlucht sich erhob und von deren einstigem Glänze nur clie Ruinen von Grundvesten und Mauern zeugen. Und auch als längst die gegenwärtige Stadt bestand, da war sie nicht die eigentliche Hauptstadt Bosniens, nicht der Sitz der türkischen Vali. Die stolzen und trotzigen Bewohner gestatteten dem Pascha, wenn er Sarajevo berührte, nur einen Aufenthalt von zweimal vierundzwanzig Stunden; sonst residirte er in Travnik. Die weltliche Verwaltung Sarajevos ruhte in den Händen des einheimischen Adels. Erst nach dem Aufstande von 1831/32 schlug der Vezier Kara Mahmud seinen Sitz in der Stadt auf und Hess die Goricahöhe befestigen, doch blieben die späteren Gouverneure wieder in Travnik, bis 1850 Omer Pascha für immer die Macht der Begs brach und Sarajevo dauernd zur Landeshauptstadt machte. Und alle die zahlreichen Brände, von denen Sarajevo im Laufe der Jahrhunderte heimgesucht wurde, sie vernichteten nur immer die Unterstadt — die Varos. Der »Grad«, die Festungsstadt, blieb verschont, auch dann, als 1697 Prinz Eugen seinen historisch denkwürdigen Zug bis Sarajevo ausführte und die Stadt aus Strafe niederbrannte. Dieselben alten Häuser sahen damals das Flammenmeer aufsteigen; sie sahen ein gleiches 1879, und es muss sie förmlich ein Gefühl der Unzerstörbarkeit überkommen haben, weil sie aus allen Nöthen heil hervorgingen. Einen schönen Anblick bieten diese Häuser nicht, aber im Innern sind sie stets sauber gehalten. Was mich aber in den alten Türkenhäusern der Festungsstadt, die ich sehen konnte, wohlthuend berührte, das waren die wohlgepflegten Gärtchcn, die lauschigen Haine und Hecken, clie man nie hinter den verfallenen Mauern vermuthet hätte. Dazu Vogelgezwitscher überall, in jedem Husch eine Nachtigall — »süss flötet der Bülbiil in den Rosengärten«, wie der arabische Dichter singt. Da wäre es gut gewesen, eine Zeitlang auszuruhen von der Erdenwanderung, dem müden Kopfe Erholung zu gönnen und von einer Fatma oder Mejra bedient, bei schwarzem Mokka aus 1 laschisch süsses Vergessen zu trinken. Doch bald ist man wieder ins europäische Dasein versetzt. Das Militär erinnert an das Abendland, Miljaekath.il mit dem Visegrader Thor und am Visegrader Thor in Sarajevo. steht cin städtischer Be- amter, dervon den Bauern, die Vieh zum Markte bringen, die Verzehrungssteuer einhebt. Wir gehen schnell einige Schritte ins Freie, um wieder echt bosnisches Leben zu athmen. Am Wege liegt ein altes türkisches Kaffeehaus, ein Lieblingsort der Muselmanen. Eine Veranda hängt förmlich über einem Abgrund und eine vielhundertjährige Linde beschattet den ganzen Platz. Der Blick fällt von hier weit ins Miljacka- und in das MoSöanicathal, wo sich bei den Quellen der Mosfianica die technischen Anlagen der Sarajevoer Wasserleitung — auch einer ganz neuen Schöpfung — befinden. Dann schweift das Auge über die wundervolle Gebirgsgegend, durch die sich tief unten die neue Strasse nach Mokro, am jenseitigen Bergabhange die alte Strasse über Alifakovac nach der Kozija Cuprija — der Ziegenbrücke — schlängelt. Dort ist es angenehm, »Kef« zu halten und, während die Rauchwölkchen des feinen Trebinjers in die Lüfte steigen, zu träumen. Von der »Gelben Bastion« oder noch besser von der im nordöstlichen Winkel des Kastells gelegenen »Weissen Bastion« aus, oder auch von Alifakovac am linken Miljackaufer muss man aber Sarajevo sehen in einer Bajram-nacht. Sobald Ak&am verkündet, der Glaubensspruch »La ilah il Allah. Mohammed rasül ullah« von den Minarets in sonoren Tönen verhallt ist, da flammen überall die Lichterkränze an den Moscheen und Minarets aut. Förmliche Guirlanden kleiner Lämpchen, oft türkische Schriftzeichen bildend, ziehen sich von einem Mauernkranz zum anderen, und Sarajevo bietet mit seinen mehr als hundert DLamijen den Anblick eines Märchens aus Tausend und eine Nacht. Weit hingestreckt sieht man von der Höhe die ohnedies sehr ausgedehnte Stadt; man glaubt sie um ganze Stunden verlängert. Ringsum aui allen Berglehnen dasselbe Bild. Inmitten grüner Gärten immer wieder die Lichter einer Moschee, die Häuser nur so weit beleuchtend, dass man ihre Umrisse sieht. Wer diesen Anblick einmal genossen, wird ihn nie vergessen; er wird ihm eine der schönsten Erinnerungen für das ganze Leben sein. Durch die Ploia-Ulica vom Kastell absteigend, statten wir der Scheriats- Richterschule, einem wundervol 1 e n m au ri sch e n Bau, der von der gegenwärtigen Verwaltung errichtet wurde, einen Besuch ab. Hier wird das mohammedanische Recht studirt, das heisst die auf das Ehe-, Familien- und Erbrecht der Islamiten bezüglichen Bestimmungen des Scheri, die in Bosnien nach der geltenden Gerichtsverfassung noch zur An- Wasserfall Skakavac bei Sarajevo. Wendung gelangen. Das Scheri — das Gesetz — ist der Inbegriff aller die Dogmatil, den Ritus, das öffentliche und private Leben der Mohammedaner betreffenden Vorschriften. Die Grundlage des Scheri, die Urquelle des moslemischen Rechtes, ist der Koran als die Verkörperung aller Vorschriften für sämmtliche Lebensbeziehungen der Mohammedaner in ihrer Gesammtheit, sowie eines jeden Einzelnen im privaten wie im öffentlichen Leben. Den einfachen patriarchalischen Verhältnissen des Volkes, dem der Religionsstifter entstammte, angepasst, erscheint es selbstverständlich, dass mit der allmählichen Verbreitung das Islam die Vorschriften des Koran nicht ausreichend sein konnten, um in allen auftauchenden dogmatischen, rituellen und rechtswissenschaftlichen Fragen als leitende Norm zu dienen. Es wurde demnach auf die Ueber- ■oAa fujBg ai r fia - HT3uig jiiz StiuSm^i Scheriats-Richter schule in Sarajevo. lieferung aus dem Leben des Propheten, nämlich auf dessen nicht schriftlich niedergelegte, nur mündlich gegebene Lehren und dessen Handlungen (Hadis und Sunnet) als zweite Rechtsquelle zurückgegangen. (Das »Justizwesen Bosniens und der Hercegovina« von Eduard Eichler, Regierungsrath der Landesregierung in Sarajevo. Wien, kk. Hof- und Staatsdruckerei.) Hierzu kommen als dritte Rechtsquelle die einstimmigen Entscheidungen und Beschlüsse der ersten Imame, d. i. der vier ersten Nachfolger Mohammeds (Chalifen Abubekr, Omer, Osman und Ali) und der Mutschtehiden, zu denen insbesondere die Stifter der einzelnen Sekten und ihre vorzüglichsten Schüler gehören (Idschmai ummet) und wurde endlich in vierter Linie auf die Rechtsquelle »Kijas«, das heisst auf die in analogen Fällen ergangenen Entscheidungen der Rechtsgelehrten des Islam zurückgegangen, welche im Geiste der vorigen drei Quellen bis auf die Fetwasammlungen (Responsensammlttngen) der letzten Jahrhunderte erlassen sind. Diese speziell von der Sekte der Sunniten anerkannten Quellen moslemischen Rechtes laufen aus in den Lehren des grossen Iinam Abu Hanife und seiner ebenfalls berühmten Schüler Jussuf und Mohammed, welche im S. Jahrhundert unserer Zeitrechnung lebten und welch ersterer der Gründer des nach ihm benannten Zweiges der Sunnitensekte, der Hanefiten (auch Azemiten genannt), jener Sekte ist, welche im osmanischen Reiche zur herrschenden ward. Es kann nicht im Rahmen dieser Darstellung liegen, die Einzelheiten des Scheriatgesetzes noch näher zu erörtern; es genügt, anzuführen, dass die Scheriats-Richterschule in Sarajevo also die mohammedanische Rechtsakademie ist. Von hier aus empfiehlt es sich, zur Logavinahöhe hinaufzusteigen und dem Kloster der heulenden Derwische — der Sinan-Tekija — einen Besuch abzustatten. Diese Fanatiker, die in Bosnien wenig Achtung gemessen, sind an europäischen Besuch gewöhnt, und sie geben an Donnerstagen Abends ihre religiösen Uebungen gegen Eintrittskarten selbst den Augen fremder Damen preis. Das alte Derwischkloster liegt in einer stillen Gegend und es sieht baufällig und zerfallen aus. Man wird still, ohne Fragen empfangen, eine Holztreppe in clie Höhe geleitet und nun aufgefordert, ruhig auf einer breiten hölzernen Gallerie Platz zu nehmen. Sobald sich der Blick etwas an das herrschende Dunkel gewöhnt hat, sieht man sich in einer weiten kuppelgedeckten Halle, clie nur durch einige Kerzen matt erleuchtet ist. Vor der Kibla, der Gebetsnische, steht ein hagerer Greis mit weissem Barte, in gelblichem Kaftan und im grünen Turban der Scheichs. Vor ihm im Kreise etwa zwanzig Anhänger in der gewöhnlichen bürgerlichen Kleidung der bosnischen Mohammedaner. Plötzlich beginnt die Andacht, der »Zikr« (ausgesprochen Sikr). Der Scheich — Edhem Evan£ikovic mit Namen — singt mit schneidender, lang tremolirender Stimme das Glaubensbekenntniss, welches auch der Muezzin fünfmal des Tages von der Höhe des Minarets verkündet. Dreimal nacheinander, immer eindringlicher, geht der Ruf: »Allah akbar!« — Gott ist der Grösste — nebst dem Glaubensspruch durch Mark und Bein. Die Derwische bewegen kurz und langsam den Kopf, jede Neigung mit einem schweren Athemzuge begleitend. »Hajja al es-salat!« (Kommet zum Gebete), ruft der Alte. »Hajja al el fahla!« »Auf zum Heile (zur Befreiung)!« »Allahu akbar, la ilahe ill'Allah!« Alle Sätze werden wiederholt und die Derwische gerathen in ein immer schnelleres Tempo. Tiefer, schleuniger bewegen sie die Köpfe, denen schon der ganze Oberkörper folgt; die Athemzüge werden immer lauter. Noch ein Ruf, — das Athmen wird zum Keuchen. Athmen und Bewegungen geschehen bei allen gleichzeitig auf einmal, ganz im Takte. Schon berühren die herabhängenden Arme den Boden, das Keuchen wird zum lauten »Hu«, soviel als »Er«, Gott. Die Extase beginnt. Einige Fez und Turbane fliegen weg, über den Kopf und wieder zurück werfen sie clie langen, auf dem rasirten Schädel in der Mitte stehengebliebenen Haarsträhnen. In das »Hu« des Chores, das immer ächzender wird, mischt sich das »Allaha« eines oder des anderen Verzückten. Der Schweiss rinnt vom Gesicht, manchem steht der Schaum vor dem Munde; einer wird hochroth, der andere leichenblass. Nun springt ein Jüngling in clie Mitte des Halbkreises und beginnt, sich mit ausgestreckten Armen wie eine Spindel im Kreise zu drehen. Immer rascher und rascher. Der Halbkreis unterbricht die Verneigungen, einen Augenblick verschnauft clie Gesellschaft. Dann drehen die Derwische zuerst den Kopf, dann den ganzen Oberkörper ruckweise abwechselnd nach rechts und links. Diese Bewegungen vollziehen sich mit steigender Geschwindigkeit, begleitet von wilden »Hu-Hu«-Rufen, während sich der Jüngling unausgesetzt mit gegen den Himmel gerichteten Blicken und ausgebreiteten Bosnischer Derwisch. (Von \V. Leo Arndt.) Armen um seine eigene Achse dreht. Bleicher und immer bleicher wird er. Schon ist er fahl wie der Tod. Die Augen schliessen sich. Den Zuschauern schwindelt, denn länger als eine halbe Stunde dauert das grausame Spiel. Jetzt und jetzt glaubt man, müsse der Fanatiker zusammenbrechen, aber immer wieder ertönt der monotone Gesang des Scheich. Da hört das Geheul gleichzeitig mit den Bewegungen auf; einige der Derwische stürzen zu Boden — der »Zikr« ist zu Ende. Während nun einer der Derwische die Lichter der Reihe nach auszulöschen beginnt, nähern sich die Uebrigen, einer nach dem anderen, mit dem Zeichen der innigsten Verehrung dem noch immer vor der Kibla stehenden greisen Scheich und verbeugen sich tief vor ihm. Nach der Verbeugung wird Jeder von ihm zweimal umarmt, und während der Verabschiedete sich still entfernt, tritt der Nächste an den Scheich heran. Die einfache Natürlichkeit dieser stummen Scene ist unbeschreiblich. Und immer düsterer wird es in der Halle; ein Licht nach dem anderen ist erloschen, ein Derwisch nach dem anderen hat sich entfernt, bis nur noch der Scheich zurückbleibt, der oberste Vertreter seines Ordens. Noch lange gellt uns der Ruf: »Hu hu, Allah akbar!« in den Ohren. V In der östlichen Fortsetzung der Cemalusa-Strasse liegt ganz versteckt hinter einer festungsartigen Mauer die alte serbische Kirche der heil. Erzengel. Sie stammt aus der Zeit der Gründung Sarajevos durch clie Türken und sie zeigt wie der christliche Glaube sich beugen, wie er sich scheu Ambüna (Predigerstuhl) in der alten rientalisch-orthodoxen Kirche in Sarajevo. hinter dicken Mauern verbergen musste. Da ist nichts von dem äusseren Prunk der modernen Gotteshäuser; fast in den Boden gesunken, jedenfalls tiei in den Grund gebaut, ist das Kirchlein, als wolle es sich noch kleiner machen, um ja nicht die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, nicht die Begehrlichkeit der Türken oder ihren Fanatismus zu reizen. Der Bau ist ganz aus behauenen Steinen aufgeführt; er hat die Form eines unregelmässigen Quadrates und weist keinerlei Schmuck auf. Der Fussboden liegt einen Meter tiefer als das Niveau der Umgebung, das Gewölbe erhebt sich nicht über 8 Meter. Im Innern der Kirche herrscht Dunkel; nur sieben kleine übereinanderliegende Fenster lassen einen Lichtschimmer Markthalle in Sarajevo. einfallen. An das Kirchlein knüpft sich ein interessanter alter Brauch, der wohl auch bald in Vergessenheit gerathen wird. Im Vorhofe finden sich am Ostermontag die heiratsfähigen serbischen Mädchen in vollem Putz ein, geziert mit dem ganzen Schmucke aus Gold- und Silbermünzen, aus dem ihre Aussteuer besteht. Es ist ein Heirathsmarkt in offener Form und er erklärt sich aus der früher nothwendigen Abgeschlossenheit, denn schöne Mädchen durfte man vor den Türken nicht sehen lassen. Auf der Str asse verhüllten die meisten ihr Gesicht wie die Mohammedanerinnen und so war es nicht gerade leicht, eine Bekanntschaft zum Heirathen zu machen. Bei den reichen Klassen sorgte dafür allerdings die Geschäftsbekanntschaft des Vaters oder eine alte Verwandte, welche die Vermittlerin machte. In derselben Strasse steht auch der Tempel der spanischen Juden, in dessen Besitz sich ein kostbarer Thora-Talmud und viele werthvolle Teppiche befinden. Die Spaniolen, wie sie genannt werden, gelten als die Nachkommen der aus Spanien vertriebenen Israeliten, die 1576 von der türkischen Regierung auch in Bosnien angesiedelt wurden. Es kamen damals 30 Familien nach Sarajevo, doch vermehrten sie sich im Laufe der Jahrhunderte ganz bedeutend und gründeten auch andere Niederlassungen in Travnik, Tuzla, Mostar, Banjaluka etc. Ihre Sprache ist noch immer das Spanische, doch sind sie — wenigstens die männlichen Mitglieder — auch der Landessprache und anderer europäischer Idiome mächtig. Ihr Geschäftsgeist hat ihnen meist Wohlstand verschafft, auch gemessen sie eines guten Rufes bei der andersgläubigen Bevölkerung. Frauen und Mädchen kleiden sich noch orientalisch und zeichnen sich oft durch hervorragende Schönheit aus. Erwähnt möge hier noch die dem Stadtbahnhofe gegenüberliegende neue Markthalle sein, ein Gebäude von sehr gefälliger Bauart. Wie bereits gesagt, scheidet die Miljacka — gewöhnlich ein lammfrommes Wasser, zu Zeiten ein wilder Bergstrom — Sarajevo in zwei ungleiche Hälften. Das Geschäftsviertel befindet sich auf dem rechten Ufer, wo jetzt ein solider Quai — der Appel-Quai — den Fluss eindämmt und wo eine elektrische Bahn den Verkehr nach der Ebene vermittelt. Die Elektricitäts-werke sorgen zugleich theilweise für Beleuchtung der Stadt und Gebäude. Ueber die sogenannte »Lateinerbrücke« (Latinski most) wenden wir uns auf die linke Uferseite, wo einst der Sitz sämmtlicher türkischen Behörden war. Da sehen wir zuerst die Careva-Dzamija — die Kaiser-Moschee — eines der ältesten Gotteshäuser Sarajevos, wenngleich architektonisch keine Besonderheiten bietend. Es war stets die offizielle Moschee, auf deren Minaret an Freitagen die 1 lalbmondsflagge wehte. In ihrem Rücken, durch einen hübschen Garten mit weitem Vorhofe getrennt, steht der neue Konak, der gewesene Palast des Vali von Bosnien, erst 1868 erbaut Heute ist er die Residenz des Landeschefs und kommandirenden Generals. Dem Konak-liofe gegenüber erhebt sich das stilvolle Palais des Obergerichtes mit einem schönen, von offenen Korridors umgebenen gedeckten Hofe, welcher das Oberlicht durch ein Glasdach mit gelben Scheiben erhält. Unweit davon befindet sich am Bistrik das bereits erwähnte Regierungsatelier für Teppichweberei. Die grosse von Omer Pascha 1851 erbaute Militärkaserne steht unweit des Konaks auf dem Philippoviö-Platz — einst At-Mejdan —, und hinter ihr beginnt der Aufstieg in die stillsten aller Türkenviertel, in die aber europäische Familien auch bereits einzudringen beginnen. Aus dem bosnischen Leben und Lieben. t An der »Tekija der sieben heiligen Brüder« — einem Derwischkloster mit den Grab-mälern von sieben Brüdern, die angeblich in alten Zeiten auf Befehl eines Paschas geköpft wurden — vorüber führt ein halsbrecherischer Weg längs des Bistrik-Baches in clie Bergeshöhen hinauf. Es ist die orientalische Kalderma, auf der man schreitet, clie mit grossen Steinen gepflasterten Wege, clie im Laufe der Jahrhunderte ausgetreten, durch die Tragthiere mit förmlichen Gruben versehen wurden. Die Steine schliffen sich ab, und es ist ein waghalsiges Turnen erforderlich, eine solche Bergstrasse zu Fuss zu passiren. Daran haben sich die Bosnier längst gewöhnt; nachgebessert ist an den Strassen in früherer Zeit nichts worden, und auch die Sarajevoer Stadtverwaltung hat bisher weder Zei" noch Geld gefunden, einen erträglichen Weg in jene Höhen anzulegen, auf denen Hausbesitzer wohnen, clie aus Armuth keine Steuern zahlen können. Es ist eines der interessantesten Quartiere, die man in Sarajevo besuchen kann, allerdings - S4 mit Beschwerden verbunden, aber es bietet Einblick in Verhältnisse, die sich schwerlich anderswo finden, in Häuserbauten, wie man sie in dieser Gebrechlichkeit in einer Hauptstadt kaum vermuthen würde, und doch auch wieder in lauschige Winkel voll wundervoller landschaftlicher Schönheit. Und ein Blick von der Höhe entschädigt für alle Mühen und Strapazen. Nicht allein auf die Stadt, meilenweit schweift das Auge in die Ebene und die sie umsäumenden Berge. Es ist eine entzückende Phantasie in Grün. Was zuerst dem Fremden auf allen Gängen in und um Sarajevo auffällt, sind die vielen, mitten zwischen den Häusergruppen liegenden türkischen Friedhöfe. Es dürfte ihrer wohl ein halbes Hundert geben, und da sie in keiner Weise gepflegt werden, machen sie meist den Eindruck einer trostlosen Wildniss. Es fehlen die Cypressen, die in südlicheren Ländern des Islam den Verfall mit harmonischem Schatten verschleiern, und kahl und nackt stehen die Steinpfeiler, clie sich schief, krumm oder ganz eingesunken an beiden Schmalseiten der Gräber befinden. Jeder Stein zeigt an, welchem Stande der Verstorbene angehörte. So bezeichnet auf den alten Friedhöfen der eiförmige Turban das Grab eines Janitscharen, der gespitzte das eines Derwisch, der niedere Turban jenes eines Kaufmannes. Einzelne Denkmäler enthalten zeilenlange Inschriften und selbst kleine Säulentempel sind über den Grabstätten berühmter Persönlichkeiten errichtet. Der Friedhof auf Alifakovac ist in dieser Beziehung sehenswerth. Immer gleich bleiben sich aber die Denksteine für weibliche Personen. Ein oben spitzzulaufender bezeichnet die Ruhestätte irgend einer Gattin oder Mutter, selten nur wird ihr ein Wort liebevoller Erinnerung gewidmet. Und doch wäre es verkehrt, daraus auf Gefühllosigkeit der bosnischen Mohammedaner schliessen zu wollen. Es giebt vielleicht kaum ein innigeres, ein mehr auf das Häusliche gerichtetes Familienleben, als bei den dortigen Moslims. Vielweiberei ist gestattet, aber in Wirklichkeit [kaum bekannt. Es dürfte kaum einige Dutzend Mohammedaner in Bosnien geben, die mehr als eine Frau besitzen, und wo dies der Fall ist, muss jeder Frau ein eigener Hausstand eingerichtet werden. Das verursacht Kosten, und am Ende hat auch der Mohammedaner meist mit einer Frau mehr als genug. Gardinenpredigten sind durchaus nicht unbekannt; im Hause führt clie Frau das Regiment; meist ist sie [sehr fleissig und wirthschaftlich, und diejenigen Türkinnen, die auf seidenen Polstern dahinträumen, Scherbet trinken, Cigaretten rauchen und im siisseti dolce far niente den Tag verbringen, sind seltener zu finden, als bei uns jene Frauen, die nicht nöthig haben, sich um die Wirtschaft zu kümmern. Die Mohammedanerinnen in Bosnien sind jedoch schlimmer daran als ihre europäischen Schwestern; ihnen fehlen Theater und Concerte, sie haben keine öffentlichen Vergnügungen. Nur gegenseitige Besuche können die Langeweile ausfüllen und Ausflüge auf schön gelegene Punkte der Umgebung, wo dann »Teferiö« (mit Picknick zu übersetzen) gehalten wird. Was aber an den bosnischen Mohammedanerinnen zu loben ist, das ist ihre Ordnungsliebe, Arbeitsamkeit, ihre Fertigkeit in Handarbeiten, besonders Stickereien und — nicht zuletzt — die musterhafte Erziehung, die sie ihren Kindern angedeihen lassen. Besser erzogene Kinder als die türkischen, und zum grössten Theil gilt dies auch für die christlichen Kinder in Bosnien, können in keinem Lande gefunden werden. Unbedingter Gehorsam, Achtung und Ehrfurcht vor den Eltern bis ins späteste Alter sind die Grundbedingungen, und Verletzung eines dieser Grundsätze ist ein Verbrechen, das den Betreffenden von jeder Gesellschaft ausschliesst. Die Schulbildung ist noch verhältnissmässig selten, die Bildung des Herzens und Gemiithes meist vorhanden, und es scheint, als ob in dieser Richtung der Islam eine sehr erziehende Wirksamkeit ausgeübt hätte. Ueberhaupt macht man sich in Europa — auf dem Balkan spricht man von den über der Donau und Save liegenden Ländern stets als von Europa — von dem internen mohammedanischen Leben ganz falsche Vorstellungen. Man glaubt den Schilderungen irgend welcher Touristen, die, oberflächlich oder garnicht sehend, ihre Erzählungen mit nicht erlebten Abenteuern ausschmücken, lieber, als den wirklichen Kennern, die freilich so manches Geheimnissvolle ihres Nimbus entkleiden und ohne Weiteres schreiben, dass auch clie Moslims trotz cler Polygamie und der Abgeschlossenheit der Frauen Fleisch von unserem Fleisch sind, dass sich bei ihnen alles das findet, was wir in unserem Volksleben beobachten. Nur ein grosser Theil der Laster mangelt, und das ist entschieden kein Fehler. In » t n Türkischer Friedhof auf Alifakovac. Bosnien, wo sich türkische und altslavische Sitten mit einander mischen, wo man im Mohammedanismus noch unsere mittelalterlichen Gebräuche findet, ist ein Studium entschieden am lehrreichsten. Es wird sehr erschwert durch die Abgeschlossenheit und Verschlossenheit der betreffenden Kreise und es bedarf weiblicher Mithilfe, um hinter die eigcnthümlichen Sitten und Gebräuche, besonders in Frauenkreisen zu kommen. Eine der schönsten Sitten, sicherlich ein Ueberrest aus christlicher Zeit, ist aber das »Aschyklik«, der Damendienst oder die »süsse Minne«. Es ist das in österreichischen oder bayerischen Ländern gebräuchliche »Fensterin«, und wenn es auch weniger am Fenster, meist an Gartenzäunen stattfindet, so erfüllt es doch den gleichen Zweck. Zur Landessitte — zum Adet — gehört, dass türkische Frauen und Mädchen am Freitag oder auch am Montag immer in grösserer Anzahl und ohne männliche Begleitung die vorhin geschilderten Teferiö-Ausflüge unternehmen. Mit Akschäm (Sonnenuntergang) ist die Rückkehr geboten, und jetzt entwickelt sich in den Hausgärten, an den Hinterthüren der Häuser oder von den vergitterten Muscharabiehs aus (»Muschebak« sagt der Bosnier) ein geheimnissvolles Treiben. Am Tage der »süssen Minne« ist es dem jungen Manne gestattet, sich der Dame seiner Bekanntschaft, die er vielleicht als unverschleierten Backfisch flüchtig geschaut, in allen Ehren zu nahen und ihr in Form rechtens den Hof zu machen. Das geschieht so züchtig, so zart, dass man die Mohammedaner wegen ihres Anstandes bewundern muss. Ueber ein ganz leises Flüstern kommt das Aschyklik nie hinaus, ein Kuss ist fast unmöglich, und nur wenn die Leidenschaft die Grenzen überschreitet, wenn sich einer Verehelichung Hindernisse in den Weg stellen, dann wird eine Entführung verabredet, die der Landessitte entspricht, aber nicht mehr recht gebräuchlich ist. Und es ertönen hin und her süsse Licbeslieder, die den schönsten Klängen des Abendlandes nichts nachgeben. Da ist das bosnische Volk, wenn auch religiös, doch nicht national geschieden, und die Frauen- und Liebeslieder gelten für Mohammedaner wie Christen. Guslar. Ueberhaupt ist das siidslavische Volk reich an Liedern. Während aber die Epik wenig Gefälle hat, die Handlung meist verflacht oder im Sande verläuft, ist der lyrische Schatz ein wunderbarer. Die epischen Stücke, wie sie von den bosnischen Barden zur Gusla in einer fremdartigen, halb singenden Weise mit eigenthümlichem Rhythmus recitirt werden, handeln vom Alltagsleben und den Thaten der Helden; die Siege, wie die Niederlagen werden mit Breite geschildert, aber keine Freude schwelL die Brust des Sängers, kein Kummer zerdrückt ihm das Herz. Wie anders die Volkslyrik! Es ist fast unglaublich, dass diese duftenden Blüthen auf demselben Boden wuchsen. Schelmische Laune, pathetische Leidenschaft, ausgelassener Freudenüberschwang, süsse Melancholie, muthiger Trotz und hingebungsvolles Anschmiegen: für jede Regung des Gemüthes hat diese Lyrik ihre eigenen süssen Melodien. Welche innige Empfindung kommt nicht in dem Gedichte zum Ausdruck: »O Uu Mädchen wunderschön! Wasche nicht die Wange Dein, Dass sie schneeig glitze nicht! Hebe nicht die Braue fein, Uass Uein Auge blitze nicht! Hüll' den weissen Nacken ein, Dass mir nicht das Herze bricht.« Und welche eigenthümliche Liebessehnsucht klingt nicht aus dem Liede: »Wenn ich denke, süsses Liebchen, An die Rothe Deiner Wangen, Dann, mein Seelchen, hab' ich immer Nur nach rothein Wein Verlangen. Doch wenn Deine dunkeln Augen In den Sinn mir, Liebchen, kommen, Wird um keinen Preis ein and'rer Als der dunkle Wein genommen. Und aus Trauer, auch aus Freude, Trinke, singe ich und weine, Wanke endlich heim, beseligt Von der Liebe — und vom Weine.« Und wie feurig klingt es nicht, wenn der Geliebte spricht: »So ein Kuss von Deinen Lippen, Wenn dieselben feurig küssen, Kann, mein holdes, theures Mädchen, Selbst ein Wermuthsmeer versüssen. Darum küsse, holder Engel! Küsse endlos! Nicht versage! Dass je eher Du versüssest All das Herbe früh'rer Tage!« Liebesidyll in .1er Hercegovina. Oder welche Gefühlswärme kommt nicht zum Ausdruck, wenn der Verehrer singt: »Wenn ich heimlich Dich begleite, Hinter Dir beseligt schreite, Geh' ich meines Glückes Spur, — Aber selten, selten nur! Wenn Du mich ans Herz gezogen, Deinen Arm um mich gebogen: Lag ich in der Edenflur, — Aber selten, selten nur! Wann vverd' ich Dich immer küssen, Herzen können, nicht mehr missen? — So wie ich es heute kann? — Sage, Liebchen, sage wann?« Und der bosnische Sänger mohammedanischen Ursprungs lässt sein Mädchen sprechen: »Meine Augen — Falkenaugen sind es, Jeder lobt und liebet diese Augen! Doch vor Allen liebt sie Osman Aga. Also spricht dann Osman Aga's Mutter: »Mädchen, schöne Bula Du, o Mädchen! Schmink' nicht weiss und rosig mehr die Wangen, Nicht verlocke fiirder meinen Osman! Ins Gebirge will ich geh'n — ins grüne, Will aus Föhren dunkle Höfe bau'n dort, Will den Sohn einsperren in den Höfen!« Darauf antwortet das Mädchen: »Immerhin, o Theure, Osman's Mutter! Meine Augen — Falkenaugen sind es, Die erschliessen Deine Föhrenhöfe, Führen mich zu Osman Aga dennoch!« Und wie süss klingt nicht die Liebesklage EI-Abd-Mustafa's, gedichtet von Potur Uskufi aus Dolnji-Skoplje, die der ehemalige preussische Konsul in Sarajevo Dr. Otto Blau in den »Abhandlungen für die Kunde des Morgenlandes« übersetzt hat: Wo bist Du geblieben, mein trautestes Lieb? Lang' schon ist's her und ich sah Dich nicht! Bei Allah, Du bist mehr als das Leben mir lieb. Lang' schon ist's her und ich sah Dich nicht! Lang' schmacht' ich, o Herz, Dich einmal zu umfah'n, Ich seufze, seit Dich meine Augen nicht sah'n; Mein Herz sehnt nach Dir sich, o glaube daran! Lang' schon ist's her und ich küsste Dich nicht! — 9t — [ch sag' Dir: o Du meine Seele und Wonne, Du bist wie ein Sträusslein von Rosen so schön. O flieh' nicht von mir, meine strahlende Sonne! Lang' schon ist's her und ich sah Dich nicht! Dem Blatte gleich welk' ich, mein Herzblatt, um Dich. Mein Auge weint Ströme von Zähren um Dich. O Kaduna (Herrin), vor Kummer verzehre ich mich! Lang' schon ist's her und ich herzte Dich nicht! Die Wange Dein blüht wie ein Waldröslein roth, Schwarzdrossel zum Schmuck ihren Frohsinn Dir bot. Wer Dich liebt, dem thät' eine Schlinge wohl noth! Lang' schon ist's her und ich umschlang Dich nicht! Verbirg Dich vor mir nicht, o komm' doch heraus, Sonst hauch' ich mein Leben noch ohne Dich aus! Wo bist Du mein Schatz, sprich, wo hältst Du jetzt Haus? Lang' schon ist's her und ich küsste Dich nicht! Usku fi wird für den bedeutendsten der älteren mohammedanischen bosnischen Dichter gehalten. In Konstantinopel sind seine Dichtungen in türkischer Sprache und Schrift erschienen. In Skoplje am Vrbas zeigt man noch sein ehemaliges Heim und auf der Ruine von Prusac, von der man einen prachtvollen Ausblick auf das blühende Thal und die Höhen der Cardak-Planina geniesst, sein Lieblingsplätzchen. Und welcher Zauber liegt nicht in jenen Versen, die gleichfalls türkischen Ursprungs sind: Ich will nicht, dass der Mond Dein Antlitz sieht, Wenn er zur Nacht an Dir vorüberzieht, Und dass des Tages Sonne Dich erwärmt, Indess sich Mehmed weinend um Dich härmt. Ich will nicht, dass der Regen Dich ergötzt, Wenn alle andern Blumen er benetzt. Ich will nicht, dass Dich Deine Mutter liebt, Und dass sie ihrem Kinde Küsse giebt! Ich will Dein Mond und Deine Sonne sein, Und dürstet Dich, bin ich der Mundschenk Dein. Ich will Dich lieben, jetzt und immerdar, Und will allein Dir küssen Mund und Haar. Oder in jenen: Du waschendes Mädchen am plätschernden Fluss, Nur eine Minute mir schenke Und lüfte den Schleier zum freundlichen Gruss, Damit ich der Einen gedenke- Die meiner Seele Glück. Ich reise so traurig durch's blühende Land, Die Schritte zur Ferne ich lenke. Lass' drücken die hennarothfärb'ge Hand, Damit ich der Einen gedenke: Die meiner liebe Glück. Erschrick nicht, du Spröde, und grolle mir nicht, Zu Boden die Augen nicht senke, Wenn zärtlich ich küsse Dein rosig' Gesicht, Damit ich der Einen gedenke: Die meiner Seele Glück. Die Kleidung der verschiedenen bosnischen Bevölkerungsklassen ■wird dem Fremden manche Räthsel zu lösen geben. Wie jedes Naturvolk, hat auch das bosnisch-hercegovinische einen besonderen Hang zu prunkvollen Gewändern, und ist das Bedürfniss nach Schmückung beim Manne in gleicher Weise entwickelt wie bei der Frau. Die Kostümformen sind ebenso zahlreich, als malerisch; die Unterschiede werden durch religiöse, klimatische und traditionelle Gründe bedingt. Vor Allem müssen die Stadtkostüme von denen des Landvolkes unterschieden werden. Die ersteren .sind feiner ausgeführt, reicher ausgestattet und zeigen merkliche, durch Standesverhältnisse bedingte Verschiedenheiten. Am meisten zeichnet sich •durch Prunkhaftigkeit die Kleidung der Mohammedanerin aus. Die Richtung der Mode geht hier nicht dahin, die Körperformen zur Geltung zu bringen, sondern sie möglichst zu verhüllen und mit reichen, in Farben und im Schmuck bunt schillernden Stoffen zu umgeben. Die wichtigsten Kleidungsstücke sind dabei die Dimije, eine weitfaltige, oft aus den kostbarsten Stoffen hergestellte, ,'mit Goldborten und Stickereien verzierte Pluderhose, die bis zu den Knöcheln reicht; die Jederma, ein kurzes, ärmelloses Leibchen, das den Busen eng umschliesst, und der Fermen, ein ebenfalls ärmelloses, jedoch vorn offenes Leibchen, das mit reicher -ornamentaler Goldstickerei derart übersäet ist, dass man mitunter kaum ■den eigentlichen Stoff erkennen kann. Diese Kleidungsstücke tragen sowohl Mädchen als Frauen; die folgenden aber dienen als Unterscheidung. Jede mohammedanische Frau besitzt in ihrer Toilette mindestens eine Anterija, die ihr bei der/I lochzeit vom Bräutigam übergeben wird und die .sie bei festlichen Gelegenheiten benützt. Es ist dies ein langer Mantel mit schmalen, langen, unten geschlitzten Aermeln, gewöhnlich aus Seide, Sammet oder Brokat und so reich mit Gold ausgenäht, dass der Metallwerth eines solchen Stückes oft mehrere hundert Gulden beträgt. Ausser der Anterija besitzt die verheirathete Frau auch die Curdija, eine kurze; pelzverbrämte Jacke mit langen Aermeln. Ein besonders wichtiges Unterscheidungsmerkmal zwischen der mohammedanischen Frau und dem Mädchen bildet der Kopfputz. Das Mädchen lässt ihr Haar in Zöpfen frei über den Nacken hängen und schmückt es mit Blumen, Goldmünzen und dem üblichen Fez (der rothen türkischen Kappe). Die Frau hingegen trägt das Haar halbverhüllt. Der Fez bekommt oben einen tellerartigen, mit Perlen, Gold, Münzen oder anderem Schmuck reichverzierten Scheiteldeckel, den sogenannten Tepeluk. Von diesem herab hängt ringsum über das Haupt eine breite Seidenfranse, und um das Ganze wird, den Tepeluk freilassend, ein dunkles Tuch — die Jemenija — geschlungen. Niedere Schnabelschuhe, Pantoffeln oder weite gelbe Saffianstiefel vollenden die Haustoilette der Mohammedanerin. So prunkvoll die Kleidung, so reich ist oft der übrige Schmuck. Ein wichtiges Stück ist der Gürtel mit einer grossen, schöngeformten, mit Perlen oder Filigranarbeit geschmückten Schliesse. Sonst sind noch Ringe, Armbänder, Ohrgehänge, Colliers, Diademe etc. gebräuchlich. Nie ist der Mohammedanerin der Schmuck reich und schwer genug. Sie zeigt aber diesen Reichthum nie auf der Strasse, sie ist gänzlich verhüllt durch einen langen, meist schwarzen, bis zur Erde wallenden Mantel (Fered/.a), der selbst die Fingerspitzen nicht sehen lässt, denn auch diese dürfen einem fremden Auge nicht gezeigt werden. Der Kopf wird derart in weisse Tücher eingehüllt, dass nur vor den Augen ein schmaler Schlitz zum Durchblicken übrig bleibt. Die Kleidung der Frauen der anderen Religionsbekenntnisse ist von der mohammedanischen Frauentracht abgeleitet. Die spanischen Jüdinnen unterscheiden sich nur wenig von den Mohammedanerinnen; nur die Haartracht ist insofern verschieden, als sie die Fransen des Kopftuches lang über die Schultern wallen lassen. In früheren Zeiten trugen die Spaniolinnen auch einen der Feredza ähnlichen Strassenniantel aus rother Seide und verhüllten das Gesicht mit weissen Tüchern. Die Tracht der Christinnen, wenn sie auch aus ähnlichen Bestandteilen besteht, ist einfacher und wenngleich kostbar im Stoffe, in der Farbe bedeutend matter und ruhiger. Die katholischen Frauen, die mit Mohammedanerinnen immer in regem Verkehr stehen, nähern sich auch in der Kleidung mehr diesen, während die orientalisch-orthodoxen sich etwas von den ursprünglichen Trachtenvorbildern entfernen und namentlich die Dimije (Pluderhosen) nur bei Mädchen oder jungen Frauen gestatten. Die Bestandteile des Männerkostüms sind die weite Pluderhose (Salvare) mit daran befestigten oder separaten Gamaschen (Tozluke), der DXemadan, ein ärmelloser Leib, der die Brust bis zum Halse bedeckt; unter diesem eine Gjecerma, ein Aermelleib aus leichtem Stoffe; dann ein kurzer reichverzierter ärmelloser Rock (Fermen) und darüber in der rauhen Jahreszeit ein kurzer, mit Pelz verbrämter Mantel (Gunj). Ein besonderes Prachtstück des reiferen Mannes ist die Dolama, ein bis zu den Knien reichender weiter reichfaltiger Schoossrock. Charakteristisch ist bei den Männern die Kopfbedeckung. Burschen und junge Männer oder europäisirte Mohammedaner tragen nur den Fez. Aeltere Männer winden ein Turbantuch darum. Die Farbe eines solchen ist verschieden. Der Hodza (Geistliche) und Schriftgelehrte tragen es schneeweiss, die Mekkapilger gelblich-weiss mit reicher Seidenstickerei (Achmedija); die Derwische grün. Der Reiche nimmt einen seidenen Trabolos, der Aermere benützt ein rothes oder einfach geblümtes Wolltuch. Bei Christen ist der Turban roth oder dunkelfarbig und selten geblümt. Während sich beim Kostüm des Städters immer der gleiche Typus mit ganz geringen Unterschieden wiederholt, zeigt die Kleidung der Landbevölkerung die mannigfachsten Lokalverschiedenheiten, auch bei Frauen, doch lassen sich, wenn von den slavonischen, dalmatinischen und montenegrinischen Grenzgebieten abgesehen wird, wo fremde Bekleidungsformen ihren Einfluss geltend machen, folgende drei Hauptgebiete unterscheiden: Die Krajna (Nordwesten Bosniens), wo die Frau ein langes, am Brustlatz und an den weiten Aermeln reichgesticktes Hemd und darüber einen dunkeln Zobun — eine oft bis zu den Knien reichende, mit Schooss-theilen versehene Jacke aus Loden — trägt und den Kopf mit einer grossen weissen Okruga (Kopftuch) verhüllt. Den Mangel an Reichthum in der Bekleidung ersetzt ein oft fabelhaft gewichtiger Münzenschmuck, der in Form von Brustlätzen (Gjerdan), von Zopfgehängen am Gürtel oder an der Mütze getragen wird. Das mittelbosnische Frauenkostüm unterscheidet sich durch die Anwendung der Pluderhosen, die nur bei alten Frauen durch eine bis zur Erde wallende Anterija ersetzt werden; ferner durch den kürzeren, je nach der Gegend, schwarz, roth oder braun gefärbten Zobun. Der Kopfputz ist ähnlich dem der Mohammedanerin, nur ist der Tepeluk tellerartig, die Fransengarnitur reicher, oft mit Goldquasten, und um die Jemenija — das um den Fez geschlungene Kopftuch — werden unzählige Blumen, Flitter und Silberagraffen gehangen. Die herce-govinische Frauentracht zeichnet sich durch blendende Weisse aus. Der Zobun ist nur kurz, wie der ärmellose Rock; die Pluderhosen vertritt ein bis zur Erde reichender schwerer weisser Lodenrock. Dazu tritt reicher Münzen-und Metallschmuck. Eigenthümlich gestaltet sich in denverschiedenen Gegenden die Schürze. Am schönsten ist sie in der Krajna, wo sie Teppichmuster als Stickerei zeigt und mit langem Fransenbesatze verziert ist. In Mittelbosnien ist sie einfach, in der Hercegovina ein schmaler brauner Wollstreifen. Im Spreöathal trägt man gar zwei Schürzen, vorn und rückwärts, während im Drinagebiete clie Schürze zu einem schmalen, mit Fransen besetzten Streifen zusammenschrumpft. * * Und so schreiten wir aus den Höhen Sarajevos wieder in die Strassen zur Miljacka hinab und statten dem Ghazi-Isa-Bade einen Besuch ab. Hier ist Alles neu und modern, aber die Einrichtung des türkischen »Hamam« ist geblieben. Ein anderes Bad befindet sich unweit der katholischen Kathedrale und dieses ist noch gänzlich im ehemaligen Zustande. Von aussen betrachtet, ist dieses Badeliaus nur durch seine über verschiedenen Theilen der Bedachung sich erhebenden Kuppeln und durch ein grösseres Portal von einem gewöhnlichen besseren Wohnhaus zu unterscheiden. Durch eine mit einem schweren Vorhange bedeckte Thür betritt man das Vorgemach oder clie Vorhalle, welche sehr geräumig und hoch ist. Rings an den Wänden ist eine durch mehrere Stufen zu ersteigende hölzerne Estrade angebracht, die durch senkrecht gestellte hölzerne Gitterwände in mehrere Räume getheilt ist. Diese Abtheilungen, deren Boden für clie ärmere Klasse bloss mit einem Teppich bedeckt ist, dienen zum Auskleiden. Badegäste, die einem höheren Stande angehören, und deren Aeusseres eine bessere Bezahlung hoffen lässt, finden in dem angewiesenen Auskleideraume, der auch, auf Wunsch durch eine hölzerne Gitterthür abgeschlossen werden kann, einen Divan. In der Mitte der Vorhalle befindet sich ein Bassin mit einem Springquell. Ist nun der Badegast in den Auskleiclekäfig getreten, so wird ihm durch den Badediener eine weite farbige Schürze und ein grosses weisses Tuch gereicht, das zur Bedeckung des Ober- und Unterleibes dient. Ein paar Pantoffeln — sogenannte »Nanule« —, die nur aus einer zolldicken, hölzernen Sohle und aus daran genagelten zollbreiten ledernen Riemen bestehen, vervollständigen die Badetoilette. Der Gebrauch der hölzernen Pantoffeln ist unbedingt nothwenclig, da die Baderäumlichkeiten mit Steinplatten bedeckt sind, die unterirdisch erhitzt werden. Alter jüdischer Friedhof bei Sarajevo. fC p Die Neuzeit in Sarajevo. 1(1 konsequent verfolgen wir wieder den Weg nach Westen. Gehen wir von dem Ghazi-Isa-Bade über den Philippoviö» J^^i^K Platz, so kommen wir in die Terezija-Strasse, in der sich das k. k. Militär-Knaben-Pensionat befin-¿^^SSyL, det, in dem bosnische Zöglinge und solche von Beamten und Offizieren die Grundlage zum Be-/¿il suche von Truppenschulen und Kadettenanstalten ' österreichisch-ungarischen Heeres erhalten. Die Anstalt, clie auch mit einem Externat verbunden ist, hat bisher sehr segensreich gewirkt. J Und schreiten wir weiter, so kommen wir längs des Wassers, durch neue im Entstehen begriffene Stadttheile an Stelle ehemaliger baufälliger Hütten, nach einem etwas abseits gelegenen kühlen Grunde — nach Kovaöiö. Dieser Punkt ist für alle Biertrinker (und welcher Deutsche wäre dies nicht) von historischer Bedeutung, er ist die Geburtsstätte der bosnischen Bierbereitung. Und das Bier hat in Bosnien schnelle Verbreitung gefunden. Die Hercegovina produzirt vorzüglichen Wein; in Bosnien macht man aus den Zwetschken Slivovitz, den meist leichten Branntwein (Rakija), das Bier musste aber erst eingeführt und zu einem der Nationalgetränke erhoben werden. In den Städten ist dies gelungen, und zwar datiren clie Anfänge schon aus türkischer Zeit. Wer heute erfährt, dass in Sarajevo drei Brauereien bestehen, die jetzt als Aktienbrauerei in ein grosses Unternehmen vereinigt sind, wird kaum an eine frühere türkische Stadt denken. Und andere Brauereien sind in Mostar, Banjaluka, Tuzla u. s. w. entstanden, selbst in dem kleinen Visegrad hatte ein aus Serbien gekommener Deutscher eine kleine Brauerei gegründet. Sarajevo aber war schon eine Bierstadt, ehe clie schwarzgelben Fahnen auf dem Kastell wehten. Zigeuner-Dzainbas (Pferdemakler) aus Sarajevo. Fünfzehn Jahre vor der Okkupation etwa errichtete ein unternehmender Israelit aus Gradiika, Feldbauer, die erste Brauerei in Kovaöic. Das erzeugte nicht geringe Aufregung; alle religiösen Bande des Islam schienen gelöst, der Vali von Bosnien war der erste Gast in der Brauerei, der das vom Koran nicht verbotene Getränk mit einem Becher voll goldener Liras bezahlte. Und sie kamen alle nach und nach und kosteten das internationale Getränk. Es wurde ein Drängen in den beschränkten Räumen der Brauerei und im Freien, und alle nationalen und religiösen Streitigkeiten wären vielleicht ertränkt worden im goldenen Gerstensaft, wenn die bosnischen Christen sich in die Gläser so versenkt hätten, wie die Mohammedaner. Da kam das Verhängniss. Dsr Bach, welcher der Brauerei das Wasser lieferte, wurde abgeleitet. Die Streitigkeiten dauerten lange Zeit, Feldbauer konnte den Prozess nicht zu Ende führen, — so ging das Brauhaus ein und der Pionier zog von dannen. Nun kam aber die schreckliche bierlose Zeit über das stolze Bosna-Saraj. Erst als in Lukavica jenseits des Trebevic ein noch heute bestehendes, mehr als primitives Brauhaus errichtet wurde (das Getränk ähnelte dem Kärtner »Steinbier«), besserten sich die Verhältnisse etwas. Dann kam ein Slovcner Gerdoutsch, der im Jahre 1870 die Brauerei in Kovačič wieder eröffnete. Für die Biertrinker von Sarajevo begannen nun goldene Zeiten. Am Tage sassen die türkischen Offiziere und Beamten im kühlen Grunde des Kovačič-Brdo, am Abend kamen die verschiedenen Konsule und Konsulatsbeamten, am Sonntag aber sorgte die Fremdenkolonie, hauptsächlich die ziemlich starke österreichisch-ungarische, dafür, dass das Brauhaus nicht in Vergessenheit gerieth. Und wenn die Tage der Fastnacht kamen, da ertönte aus den oberen Wohnräumen Musik, da drehte sich Alles, was europäisch war, im lustigen Reigen. Man kannte damals noch nicht den Kastengeist. Jeder Fremde war dem anderen gleich, die Konsule standen mit ihren Staatsangehörigen auf gutem Fusse, und die gesammte Fremdenkolonie bildete eine grosse Familie, die sich gegenseitig unterstützte und sich gemeinschaftlich unterhielt. Das waren die Glanztage des Brauhauses von Kovačič, und wenn auch der mehrjährige Aufstand in Bosnien und der Hercegovina, wie der russisch-türkische Krieg manchmal einen grellen Misston in das harmonische Zusammenleben warfen, so hatten die Fremden doch weniger darunter zu leiden, und die Krajna sowohl, wie die Zubci und die Suttorina waren ja weit von Sarajevo entfernt. Was brauchte man sich beim Bier um die Schlächtereien zu kümmern, die an den Grenzen vorkamen? Die Truppendurchzüge nützten dem Brauhause. Bald war arabischer, bald anatolischer oder rumelischer Besuch da. Die Brüder Albanesen stellten sich so gut ein wie die bulgarischen Pomaken, und die Nubier verschmähten ebensowenig das braune »schwabische« Getränk, von dem der Prophet noch nichts wusste. Hier verkehrten Mustafa Assim und Mazhar Pascha, Hafiz und Osman Pascha, der »Löwe von Plewna«, Sulejman Pascha, der durch seinen blutigen Zug durch Montenegro und seine Forcirung des Schipka-passes bekannt gewordene General. Hier war aber auch vor seinem bei Muratovica erfolgten Heldentode der melancholische Mustafa Dschellal-Eddin Pascha täglicher Gast. Nie sprach er mit Jemand. Vielleicht dachte er an sein polnisches Vaterland, vielleicht ahnte er sein Ende voraus! Da kam clie Okkupation! Die kaiserlichen Truppen überschritten die Save, in Sarajevo organisirte der Revolutionsausschuss den Widerstand. Die Wogen der Bewegung gingen hoch. Niemand dachte an einen Besuch des Brauhauses; Hadži Lojo war der Volkstribun der Hauptstadt. Oeffentlich wurde ausgetrommelt, dass ein Christenkopf nur noch einen Para koste, Tag für Tag gingen die angeblichen Verteidiger ihres Vater- landes nach Vrandruk und Zenica ab. Das österreichisch-ungarische Generalkonsulat hatte man schon am 30. Juli 1878 gezwungen, die Stadt zu verlassen, sich mit den Staatsangehörigen über Mostar nach Metkovic zu wenden. Wer konnte, schloss sich der Karawane der gezwungenen Auswanderer an und unser Brauer von Kovačič war unter den Fliehenden. Gleich den anderen Geschäftsleuten verschloss er einfach die Gebäude und empfahl seinen Besitz dem Schutze des Himmels. Als aber der Besitzer nach der Besetzung Sarajevos zurückkehrte, fand er zerstörte Braupfannen und nur die Trümmer seiner Habe..... Da kam der Winter. Das Brauhaus wurde wieder eröffnet, und eine wahre Wallfahrt begann auf dem damals elenden Wege mit seinen Löchern und Untiefen, seinen schadhaften Brücl j j p a | o ] | gewesen seien, und dass er damals die Inschrift auf dem einen Grabsteine noch sehr deutlich habe lesen können. Sie hätte gelautet: »Turhani Emin« mit dem Sterbejahr 869. In der Nähe der erwähnten Grabstätten finden sich auch viele Bogomilengräber mit grossen viereckigen Steinen und Platten, von denen aber keiner Ornament oder Inschrift aufweist. Jedenfalls zeigen die Ueberreste der Vorzeit, dass Ustikolina einst eine bedeutendere Stadt war; heute ist es ein kleiner Ort, der sich durch regen Tabakbau auszeichnet. Kein Haus ist ohne die grünen Schnüre, und im üppigsten Flor standen auf den Feldern die saftiggrünen Pflanzen mit den mächtigen Blättern. Die Bewohner gemessen einen besonderen Ruf als geschickte Tabakpflanzer, der Anbau nimmt im ganzen D&emat von Jahr zu Jahr zu und die betreffenden Grundstücke sind wahre Musterplantagen. Nach einer Stunde erreicht man von Ustikolina aus die bedeutende Stadt Fo£a am Zusammenfluss v der Cehotina mit der Drina. Schon der erste Anblick beim Herankommen an die Stadt ist ein im-ponirender. Zu beiden Ufern des Flusses grosse neue Gebäude, militärische Anlagen, als ob man das Weichbild einer Festung beträte. Eine neue eiserne Brücke führt über die Drina, und wir passiren zuerst das Militärlager mit seinen mächtigen Defensiv- Städterin aus Foca. befestigungen. Dann fahren wir durch einen Theil v der Carsija, an Moscheen und Kaufläden vorbei, durch enge und holperige Gassen, und halten endlich vor einem sehr hübschen europäischen Gebäude, das sich als »Hotel Gerstl« präsentirt. Gegenüber liegt das geschmackvoll gebaute Bezirksamt. Die Restauration war ganz nach Wiener Muster, Küche und Keller Hessen nicht das Mindeste zu wünschen übrig, nur klagte der Wirth über die angeordnete Verminderung der Garnison, da ihm dadurch ein grosser Theil seiner täglichen Gäste entgehe. Ich begriisste dies als ein Zeichen der Ruhe und Ordnung auch in jenem Gebiete, das noch 1882 zu den aufrührerischsten und turbulentesten gehörte. Die Forts, oder wie sie hier genannt werden »Defensivkasernen« rings um die Stadt auf den verschiedenen Höhen geben ein recht kriegerisches Bild. Hier, eingekeilt zwischen Novibazar und Montenegro, kam die Bevölkerung nur mit der Büchse und dem Handschar in der Hand zu ruhiger Arbeit, vorausgesetzt, dass sie sich nicht selbst in Aufständen erging. Im Beginn der Insurrektion von 1881/1882 hatte die kleine Garnison, die damals nur 200 Mann betrug, schwere Kämpfe zu bestehen, und es mag nicht heimlich in Foöa gewesen sein, wenn von allen Bergen, welche die Stadt wie ein grüner Kranz umsäumen, die Wachtfeuer der Aufständischen loderten. I leute ist das anders U O A I l[ 3 IS Uli JE JO L geworden, und alle Personen, mit denen ich in Berührung kam, drückten ihre Zufriedenheit mit den gegenwärtigen Verhältnissen aus. Nach kurzer Rast begann ich meinen Rundgang durch die Stadt — eine eigentlich hercegovinische Stadt —, doch wurde der Bezirk Foöa seit dem Jahre 1880 vom liercc-govinischen Kreise Mostar abgetrennt und dem Kreise Sarajevo zugewiesen. Ich kannte Foöa von früher her noch nicht, sodass sich der Unterschied zwischen einst und jetzt für mich nur an den neuen Gebäuden und europäischen Verbesserungen ermessen liess. Es war gerade Markttag, daher Gelegenheit, die prächtigen Gestalten der Gebirgsbewohner zu bewundern, die aus der Zelengora, selbst aus Monte-Parthie aus Foca. negro und Novibazar gekom- men waren. Es ist ein stolzer Menschenschlag, diese Hercegoviner. Schlank gewachsen wie die Tannen oder wie die bosnischen Buchen, mit Muskeln von Stahl und Sehnen von Eisen, der Haltung eines geborenen Befehlshabers, mit dem schönen siid-slavischen Profil, Adlernase und Falkenblick bildet Jeder den echten Typus des Junak — des Helden. Dabei ist clie Kleidung weit knapper, netter als bei den bosnischen Bauern und zum Theil auch reinlicher. Die schwarze, schirmlose seidenumränderte Kappe, auf deren rothem Deckel sich meist ein gesticktes Wappen befindet, steht den kühnen Gesichtern gut. Auch die Frauen sind von hoher stolzer Haltung und haben oft recht hübsche Gesichter. Foia ist berühmt wegen seiner Woll- und Lederwaaren, ganz besonders aber wegen seiner Eisenarbeiten. Einstmals, als noch die Handzare eine Hauptwaffe der Bevölkerung bildeten, war diese Industrie bedeutend ausgedehnter; heute beschränkt sie sich auf Messer mit eingelegten Griffen. Dafür ist das Kunstgewerbe durch wundervolle Arbeiten in Gold- und Silberfiligran glänzend vertreten und in einem von der Regierung —• ähn- lieh wie in Sarajevo und Livno — errichteten Atelier werden alle Zweige der sogenannten »Fotaner Kunstarbeit« durch einige alte Meister jüngeren Kräften gelehrt. Der Haupttheil der Stadt liegt am linken Ufer der Cehotina, über die zwei hölzerne Brücken führen. Einige Strassen ziehen sich in sehr malerischer W eise die Berge hinan, und einzelne der alten Häuser zeigen eine recht originelle Bauart. Am rechten Ufer liegen einige stille Viertel; hier sind die schönsten und ältesten Moscheen des Landes, monumentale Bauten aus der Glanzzeit der Osmanen, mit Bleidächern, die im Sonnenschein wie Silber glänzen, mit Kuppeln von riesigen Dimensionen und Minarett von imposanter Höhe. Vor allen zeichnet sich die Aladza-Moschce aus, clie ungefähr 2000 Schritte vor der Mündung der Cehotina in die Drina gelegen ist. Den Namen Aladza (»die Bunte«) erhielt das Gotteshaus von seinem reichen Karbenschmuck. Oberhalb des Einganges nennt eine arabische Aufschrift den Erbauer und die Zeit des Baues: o) er-*" ollü-lj ua.-'M JLa^lj L-ft^r-JÜl JLA ^.JÜ ^}Jj^ J^*1 l» ^jtfjli wJJl i_¿iL*» J^ll^ »Dieses schöne Gotteshaus, den Ort des Gebets, erbaute der barmherzige Hassan, Sohn des-Jussuf, und eine unbekannte Stimme setzte ihm den Tarih (Tarih = Zeitpunkt der Erbauung): O Alleinherrscher der Welt, dies Werk soll dir genehm sein!« Das Jahr der Erbauung ist 977 n. d. Hedschra (1549 n. Chr.). Vom Erbauer Hassan Nazir weiss das Volk nur, dass er Celebija (Hofjunker) im Dienste des Sultans war und dass er in dem Orte Vakuf bei Celebic (Gemeinde Tetima) geboren wurde. Man sagt, dass er sein ganzes Vermögen dieser Moschee vermacht habe, worauf auch der Name seines Geburtsortes zurückgeht. Heute gehören der Moschee nur zwei Kmetenansässigkeiten in diesem Orte; das übrige Vermögen sollen sich die Verwandten des Hassan Nazir und andere ihm nahestehende Personen vor 200 Jahren angeeignet haben. Rechts von der Moschee — wir folgen der eingehenden Beschreibung des Gotteshauses ¡11 den vom Landesmuseum herausgegebenen »Wissenschaftlichen Mittheilungen aus Bosnien und der Hercegovina« — steht ein in sehr schönem Stile erbautes Turbe (Grabdenkmal), in welchem der Sohn des Erbauers, Ibrahim, der noch bei Lebzeiten seines Vaters starb, begraben liegt. Die Aufschrift auf dem Denkmal lautet: »Hier ruhet der gefallene (getödtete) Ibrahimbeg, Sohn des Hassan Nazir-Celebija, gestorben im Jahre .... (hier fehlt ein Stück des Steines) und neunhundert.« An der Südseite der Moschee befindet sich ein gut erhaltenes, aus weissem Marmor hergestelltes Grab, in welchem der Erbauer der Aladza-Dzamija ruht. Die türkische Aufschrift lautet: üWb j\ ü^Vljb üUV> J ¿Ml> ^ »Mit Hilfe der Engel hat den bitteren Kelch geleert, von dem Jeder auf dieser Welt kosten muss, und ist aus dem Hause des Elends in jenes der Seligkeit und Zufriedenheit übersiedelt: der gottbegnadete, gottselige Nazir Hassan, Sohn des Sinan, Ende des Monats Zilhidze 960.« Somit hat der Erbauer der Moschee drei Jahre nach deren Vollendung das Zeitliche gesegnet. Der hohe Titel »Celebije«, welchen von Anfang an die Sultane selbst führten, sowie i:ig weg. Die Stadt konnte sich nur nach oben entwickeln und gewährt den Anblick eines vor uns aufgerollten plastischen Ortsplanes. Im Mittelpunkt des Ganzen befinden sich zwei Gotteshäuser: auf der Höhe die serbische V Wallfahrtskirche, in der am tiefsten gelegenen langen CarSija eine berühmte alte Moschee. T-> r- V Es war Sonntag, als wir in Cajnica ankamen, die meisten Läden des Marktviertels gesperrt, dafür aber ungemein viel Bauernbevölkerung anwesend, die dem Gottesdienste beigewohnt hatte. Dadurch schien es, als ob das Städtchen von 300 Häusern und etwa 1800 Bewohnern sich mindestens verdreifacht hätte. In einem netten Gasthause fanden wir sofort einige Serben, die sich erboten, uns in ihr Heiligthum zu geleiten# Cajnica ist eine Art von Mariazell für die serbische Bevölkerung in Bosnien, der Hercegovina, Montenegro und dem Paschalik Novibazar. Auch aus dem benachbarten Königreiche Serbien kommen am Tage Mariä I liminel-fahrt, am 27. August (15. a. St.) Hunderte von Wallfahrern hierher. So war es schon unter türkischer Zeit, und gegenwärtig, wo vollste Sicherheit herrscht, wo die Christen keinerlei religiösen Beschränkungen unterliegen, sind die Wallfahrtstage grossartige Volksfeste geworden. Die Kirche selbst sieht mit ihren vierzehn Blechkuppeln eher einem türkischen Bade, als einem Gotteshause ähnlich, und nur die zahllosen Kreuze, die nach der Okkupation überall angebracht wurden, lassen die Bestimmung erkennen. Mit Recht schreibt daher Dr. M. Hoernes, dem wir bei der sachlichen Schilderung der Wallfahrtskirche folgen, »sie sei eines jener Produkte neuserbischer Kirchenbaukunst, denen die Ehre einer kritischen Beleuchtung versagt werden müsse; sie sei nur dadurch merkwürdig, dass sie von einem einheimischen Meister gebaut wurde.« Ueber dem reich bemalten Portale der Ostfront liest man in serbischer Sprache folgende Inschrift, die uns belehrt, dass wir in diesem Gotteshause eine Frucht des Hat-i-Humayum vor Augen haben: »Mit Gottes Hilfe ward diese Kirche zu Ehren der Gottesmutter am 28. Juni 1857 begonnen laut Erlaubniss des grossen Kaisers Sultan Medschid und Einwilligung des hercegovinischen Metropoliten Gregorius. Beendet aber und eingeweiht wurde sie von dem bosnischen Metropoliten Ignatius im Jahre 1863, Die Aufsicht über den Bau hatten der Klostervorsteher Anton Postiö, der Priester Tanas Nekomadanovid, der Priester Josef Tanovid und der Schriftführer Priester Dmitri Popoviö. In der Stadt Cajnica am 15. August geschrieben von Peter Neimartodorovic.« Der Baumeister und die Werkleute haben sich in Gestalt primitiver Reliefskulpturen an den Ecken des Gebäudes verewigt. An einer derselben liest man in cyrillischer Schrift: »StaniSa lvrul, geboren zu Ljubinje, begann im Jahre 1857 mit Gottes Hilfe den Bau dieser Kirche der Gottes-gebärerin.« Daneben sieht man ein gesatteltes Ross, das über ein Hinderniss hinweg auf ein Ziel zu sprengt. Das Innere des geräumigen Gotteshauses bietet ein Gemisch von neuen und alten Kostbarkeiten, reich geschmückten und trostlos kahlen Stellen. Die grösste Merkwürdigkeit ist ein uraltes Gnadenbild Maria, das bis zum Ende des 16. Jahrhunderts im Kloster Banja bei Priboj am Lim bewahrt und nach Einäscherung desselben hierher gerettet wurde. Es ist der Sage nach ein Werk des Evangelisten Lukas und soll völlig gleich sein mit den beiden anderen Bildern desselben Meisters, die sich auf dem V Berge Athos und in Jerusalem befinden. Das Bild in Cajnica — oder vielmehr die beiden Bilder, denn die Holztafel ist auf beiden Seiten bemalt — zeigt vorn Maria mit dem Kinde, hinten den Täufer Johannes, bärtig, Daumen und Zeigefinger der rechten Hand zusammendrückend. Soviel zu erkennen, sind es sehr alte, aber keineswegs vorzügliche byzantinische Gemälde. Man sieht zwar unter dem Glas nur die geschwärzten Gesichter der Originale, doch sind auf den massiv silbernen und theilweise vergoldeten Platten, welche das Uebrigc schützend verhüllen, die darunter liegenden Theile der Bilder in getriebenem Basrelief nachgeformt. Das schön geschnitzte Stufenzelt des Bildes, sowie die Kanzel und der Bischofsstuhl, endlich die zierliche Bemalung der mittleren Kuppel sind von einem renommirten griechischen Meister aus VeleS in Makedonien um den Preis von iooo Dukaten hergestellt. Die Ikonostas, die dreithürige Zwischenwand, welche nach orthodoxem Ritus den Altarraum (Tempion) vom Mittelschiff der Kirche trennt, ist dicht mit Bildern von sehr verschiedenem Werth und Alter, einer Auswahl aus den massenhaft aufgespeicherten Votivgaben der früheren Klosterkirche, behängt. Merkwürdig wegen der schönen und feinen Ausführung ist ein Bild, welches zwei Brüder Taskalovic aus Novibazar 1875 vollendet und gewidmet haben. Es stellt den Tod der heil. Maria in Verbindung mit einer Legende dar, wonach ein habgieriger Jude den Mantel der vom Sterbebett zum Himmel entrückten Jungfrau erfasste und nicht losliess, bis ihm der Erzengel Gabriel mit dem Schwerte die Hand abhieb. Die alte Wallfahrtskirche, dicht neben der neuen, ist ein nur wenige Fuss über dem Erdboden erhabener kellerartiger Bau von ganz schmucklosem Aeussern und eigentlich beispiellos verwahrlostem Innern. Durch ein enges und niederes Pförtchen, auf ausgetretenen halsbrecherischen Steinstufen, gelangt man in das einstige Heiligthum, das heute nur eine Art Rumpelkammer bildet. Es ist ja richtig, dass die Baubewilligung für christliche Kirchen in Bosnien an clie Einhaltung gewisser sehr beschränkter Dimensionen gebunden war, wodurch die Erbauer genöthigt wurden, ihre Gotteshäuser halb unterirdisch anzulegen, damit wenigstens der Innenraum eine entsprechende Höhe erreichte; es konnte also kein besonderer Glanz entfaltet werden, selbst wenn die Mittel vorhanden gewesen wären. Dass man aber das alte Gotteshaus, das Jahrhunderte lang die Christen unter eleu schwersten Bedrängnissen in seinen Mauern versammelte, das die flehenden Gebete ganzer Generationen um Errettung und Hilfe, nicht selten die flammenden Racheschwüre zum Kampf gegen den Erbfeind ausziehender Tscheten vernahm, so verwahrlost, zeugt von einer Pietät-losigkeit, von einem Mangel an Gefühl, der den Cajnicaer Orthodoxen kein gutes Zeugniss ausstellt. Die alte dunkle Kirche enthält einige alte Kirchenstühle, eine Menge Votivgeschenke, Bilder und alte Bücher, aber das Meiste in Kisten, bestaubt und zerfressen — ein wahrer Jammer. Nur die alten Brustgürtel aus dreifachem Leder, ringsum mit Messing- oder Silberplatten, vorn mit Achatstücken oder farbigen Steinen besetzt, haben der Zerstörung widerstanden. Oft über ein Kilogramm schwer, sind diese Gürtel auch Widmungsgeschenke, an die sich blutige Erinnerungen knüpfen. Diese Gürtel wurden von serbischen Frauen, denen die Türken den Mann getödtet, angelegt, Handschar und zwei Pistolen hineingesteckt und dann zogen die rachsüchtigen Wittwen, getreu den Gesetzen der Blutrache, auf Schleichwegen umher, bis es ihnen gelang, den Mörder oder einen von .seiner Sippe zu erlegen, worauf der Gürtel als Weihegeschenk dem Kloster Cajnica gestiftet wurde. Um beide Kirchen zieht sich ein unregelmässiger Hof, der weitläufige Klostergebäude mit 1 lolzgalerien in seine Steinmauern einschliesst. Die Anlage war festungsartig und gut zur Vertheidigung geeignet, doch erwähnt die Geschichte nichts von besonderen Bedrängnissen, denen die Cajnicaer Orthodoxen von den heimischen Mohammedanern ausgesetzt gewesen wären. Nur erzählte der Küster, zwei Jahre vor der Okkupation wären die Türken ins Kloster gekommen und hätten gegen 500 Kilo Pergamentschriften und Bücher weggenommen und verbrannt. Man wird gut thun, gerechte Zweifel in diese Angabe zu setzen, denn von anderer Seite wird behauptet, die Geistlichkeit habe aus Unverstand und Unkenntniss selbst Kisten voll halbvermoderter Handschriften auf den Mist werfen lassen. Wer die durchschnittliche geringe Bildung der orthodoxen Popen und der Kaludjer (Mönche) kennt, wird diese Barbarei für leicht möglich halten. Von dem Wallfahrtskloster, dem jetzt ein Thurm angebaut wird, stiegen wir wieder in die untere Stadt hernieder, vorüber an einer sehr hübschen Volksschule, einem Casino und netten militärischen Anlagen. Auch eine besondere orthodoxe Schule besteht seit Langem, an der ein Lehrer aus Süd-Ungarn wirkt. Wir statteten nun der Moschee einen Besuch V ab, die vor vier Jahrhunderten von Ghazi Sinan Pascha, dem aus Cajnica gebürtigen berühmten Vezier Bosniens, erbaut wurde. Er zerstörte das Kloster Banja und gab durch Uebertragung des wunderthätigen Marien- V bilcles nach Cajnica, ohne es zu wollen, den Anstoss, dass seine Vaterstadt ein christlicher Wallfahrtsort wurde. Die Moschee ist ein prächtiger Kuppelbau, im Innern neu restaurirt. Der Hodscha (Geistliche) führte uns selbst 11« ins Gotteshaus und erklärte uns dessen Geschichte. Neben der Moschee befindet sich das Tlirbe (Mausoleum) Sinan Paschas nebst den Grabstätten seiner Frau und seiner Söhne. Durch die Marktstrasse fliesst in einem schmalen Graben eiskaltes klares Gebirgswasser; am Ausgange der Stadt, auf einer Höhe, steht aber über einer Quelle ein schöner moderner Brunnen, ein Bauwerk der jetzigen Zeit. Durch seine entzückende Lage, seinen Wald- und Wasserreichthum, durch seine erfrischende Gebirgsluft wäre Cajnica zu einem Sommeraufenthalt oder zu einem klimatischen Kurort wie geschaffen, allerdings gehören solche Pläne einstweilen noch zu den Träumen. Schlussvignette: Siegel des Despoten Stefan auf der goldenen Bulle desselben. Im Sandschak Novibazar. Von Cajnica führt eine prächtige Fahrstrasse in romantischster Wald-und Hochgebirgsgegend nach dem noch in türkischer Verwaltung befindlichen Sandschak Novibazar, obwohl seit 1879 österreichisch-ungarische Truppen gemeinsam mit türkischen den Garnisondienst versehen. Das Limgebiet — wie es in Bosnien meist genannt wird — ist ein interessantes Stück Land, nicht nur in landschaftlicher Beziehung. Staatsrechtlich, politisch, militärisch und gesellschaftlich herrschen hier die eigenthümlichsten Zustände, und es verlohnt, einen Blick dorthin zu thun. Die täglich verkehrende Fahrpost zwischen Sarajevo und Plevlje über Cajnica macht einen Besuch leicht und angenehm. Als wir Anfang September 1879 unter General Killi6 zur Besetzung des Sandschaks aufbrachen, sah es hier allerdings ganz anders aus als heutzutage. Die Strasse nach der Grenze Hess Alles zu wünschen übrig, alle Augenblicke sperrten gefallene Baumstämme — wahre Riesen des Waldes — den Weg, und an unzähligen Stellen wütheten Waldbrände, was als Urbarmachung des Bodens für Ackerbau bezeichnet wurde. Die entzückende Urwaldvegetation ist geblieben; stundenlang erfreuen Nadelholzwälder Auge und Herz, aber auf glatter Fahrstrasse rollt der Wagen ohne jedes Hinderniss der »türkischen Grenze« am Metalkasattel zu. Hier beginnt der sonderbare Eindruck der gemischten Militär-Verwaltung. Eine österreichisch-ungarische Kaserne blickt auf eine türkische; neben cler Halbmondsfahne hockt der osmanische Zolleffendi mit seinen Zaptiehs (Gendarmen); sie sehen zu, wie ungarische Soldaten exerziren. Hier, wo einst eine einsame Grenzkaraula stand, ist jetzt ein ganzes Grenzdörfchen mit niedrigen Holzhäusern entstanden, in denen Geschäftsleute hausen, die für alle Bedürfnisse der beiderseitigen Truppen und auch der Reisenden sorgen. Hier werden die Pässe revidirt und die Zollabfertigungen vorgenommen. Waffen, Uniformen und Tabak für die Soldaten dürfen Mctalkasattel. zollfrei von Bosnien eingeführt werden, alle anderen Waaren unterliegen dem 8y2prozentigen Werthzolle. Auch Bosnien bringt dem Sandschak gegenüber den österreichischen Zolltarif für die Türkei in Anwendung. So romantisch Metalka im Sommer erscheint, wo es den schönsten Luftkurort bildet, so rauh ist es im Winter. Auf iooo m Seehöhe fällt der Schnee zeitig und der Wind heult mit oft vernichtender Gewalt. Da heisst es ununterbrochen Schnee schaufeln für die österreichisch-ungarischen Truppen, damit die Post den Weg frei findet, eine Beschäftigung, um die sich die Türken natürlich nicht kümmern. »Ueberhaupt müssen die Soldaten in diesen Gegenden Alles sein: Erbauer von Strassen und Brücken, Kasernen, festen Blockhäusern und Wasserleitungen, Kunst- und Gemüsegärtner, Post- und Telegraphenbeamte, Gendarmerie und Strassenpolizei, Köche und Musiker, Bäcker und Fleischer, daneben auch durch Zufall landwirtschaftliche Wanderprediger, die den Bewohnern des Sandschaks nützliche Winke geben.« So urtheilte mit Recht der militärische Bericht- erstatter der »Kölnischen Zeitung« im Orient, Herr von Mach, der im Herbst 1896 diese Gebiete bereiste und der die vorzüglichen Eigenschaften der kaiserlichen Truppen, ihren Takt im Verkehr mit der Bevölkerung, die Liebenswürdigkeit des Offizierkorps und die allgemeine Gemüthlichkeit nicht genug loben kann. Selten verirrt sich ein europäischer Civilreisender in diesen Erdenwinkel, dafür wird jeder Fremde von den liebenswürdigen Offizieren der Besatzungstruppen mit um so grösserer Zuvorkommenkeit empfangen. Es wird nicht leicht, sich dem angenehmen Kreise zu entziehen, der am liebsten Dauerbesuch sehen möchte. Vom Metalkasattel an wird die Gegend kahler, später fast Karstgebiet, aber Alles ist sehr gut angebaut, auch erst seit dem Einflüsse des Nachbarstaates. Im Blockhause Boljanic ist wieder eine Offiziersklippe zu umschiffen. Es liegt hier eine Halbkompagnie, die eine förmliche kleine Festung gebaut hat, aber auch mit Baumgruppen und Gartenanlagen. Herr von Mach schreibt über diese Thätigkeit der österreichisch-ungarischen Offiziere, die mit dem Nützlichen stets das Angenehme verbindet: »Wer die ersten Bäumchen setzte, hat gewusst, dass er ihre Blüthen nicht mehr sehen würde, und wer die ersten Blumenanlagen schuf, hat gewusst, dass er sie nur im ersten Jahre gemessen konnte. Und dennoch möchte man glauben, dass ein einziger Wille hier gewaltet hat. Und das ist auch der Fall. Nur hat derselbe Wille bei Vielen, wenn nicht bei Allen, bestanden und besteht weiter. Auch das Symbol hierfür fehlt nicht. Gegenüber Boljanitsch auf der steilen Lehne eines kahlen Berges, steht es geschrieben. Dort liest man die in weissen Steinen sauber ausgelegten riesengrossen Buchstaben F. J. I. Die Gleichmässigkeit des österreichischungarischen Offizierkorps in Pflichtgefühl, in ernster Auffassung des Dienstes und heiterer Auffassung des Lebens hat Angesichts des wilden Kampfes der Oesterreicher in Civil etwas geradezu Rührendes, weil vor ihren Trägern die Welt gross und weit liegt, während tief unten in mürrischem Gedränge kleines Volk um Kleines schreit. Wo immer man clie Offiziere des verbündeten Landes bei Ernst und Heiterkeit unter ihnen beobachten kann, dort begreift man von neuem, dass Oesterreich nur in ihrem Lager ist. Man spottet im Deutschen Reiche nicht selten über die österreichische »Gemüthlichkeit«; wir glauben, mit Unrecht. Hier in Bosnien, und namentlich im Sandschak, bedurfte man ganzer Männer, um das zu leisten, was man in Krieg und Frieden geleistet hat. Das Leben ist ernst in dieser weltfernen Ecke, und ein kleiner Vorrath von »Gemüthlichkeit« kann im Verkehr mit den Türken nur nützlich sein. Wenn wir dem Gefühle des Neides gegenüber den österreichisch-ungarischen Kameraden Raum geben könnten, so würden wir sie um diese geschmähte Gemüthlichkeit beneiden.« Boljaniö war einst ein einsanier Han, ein türkisches Einkehr-Wirthshaus, wo man zur Noth bescheidenen Ansprüchen Erfüllung verschaffte. Jetzt ist um das Blockhaus eine kleine Ortschaft entstanden. Eingeborene und Leute von jenseits der Save haben sich angebaut und leben von den Truppen. Hier und dort hört man einen Eingeborenen Deutsch, Ungarisch oder Rumänisch radebrechen, und die Bauart der Häuser, die Lebensführung der Bewohner beginnt europäische Einflüsse Totalansicht von Plevlje. (Nac zu verrathen. Hin und wieder, besonders wo Strassenausbesserungen vorgenommen werden, findet sich ein fliegendes Strassen-Kafifeehaus, das sich stets guten Zuspruches erfreut. Und nun kommen wir zu einem Punkte, der uns von 1879 in lieber Erinnerung geblieben ist durch einen Rasttag und eine gemiithliche Kneiperei in lustiger Gesellschaft. Das »Lager an der GotovuSa« hiess es, und ein Han hiess »Han Kovaö«. Jetzt ist Goto-vuSa eine Station der kaiserlichen Truppen, welche die Strasse sichert. Dem Blockhaus gegenüber steht die Schenke, die auch dem Kommandanten unterstellt ist. Früh Morgens geht eine Patrouille halbwegs nach Plevlje, eine andere halbwegs nach Boljaniö, um die Post zu erwarten und die Strasse zu beobachten. Abends rücken sie wieder ein, — das ist das Leben in GotovuSa. Immer an Hügellehnen entlang wird endlich Plevlje erreicht, das türkische TaSlidia, das durch seinen streitbaren Mufti, der mit Freiwilligen nach Tuzla zog, sich im Okkupationsfeldzuge einen Namen erwarb. Es ist eine in der Ebene an der Cehotina gelegene Stadt, die von niedrigen Kuppen begrenzt wird. Einst von ganz türkischer Bauart, ist sie heute schon von einzelnen modernen Häusern durchsetzt; um die militärischen österreichischen Gebäude hat sich eine eigene europäische Stadt gebildet, Oer pi, notographie von A. Rückert.) wo man im Gasthof »Tašlidža« eine erträgliche Unterkunft finden kann. Sind die Offiziers-Fremdenzimmer nicht besetzt, so wird dem ankommenden Fremden mit grösster Zuvorkommenheit dort ein Logis angeboten, was mit vielen Annehmlichkeiten verbunden ist. Es ist ein sehr hübsches Casino gebaut worden, von dessen Standort man über den ganzen Ort blickt, und in dessen von jedem neuen Regimente vervollständigten Garten kein Mensch die Nähe der Türkei ahnen wird. Das Kasino ersetzt hier den Offizieren das Haus und clie Familie, denn im Allgemeinen ist es nicht beliebt und durch eine verjährte Vorschrift sogar verboten, die Offiziersdamen ins Limgebiet mitzunehmen. Eine Ausnahme machen, wie es scheint, die dauernd im Sandschak angestellten Offiziere des Stabes. Das Casino ist mit Zeitungen reichlich versehen, Küche und Keller sind auf das Billigste bestellt, denn da Oesterreich-Ungarn keinen Zoll für die Durchgangswaaren nach dem Sandschak erhebt, so stellt sich bei dem niedrigen türkischen Zoll der Preis der ausserösterreichischen Weine und anderer Waaren viel billiger als in Oesterreich-Ungarn, Dazu kommt, dass die Gehälter im Sandschak in Gold ausgezahlt werden und für Verheirathete doppeltes Wohnungsgeld berechnet wird, so dass die materielle Lage der Offiziere eine sehr gute ist. Auch den türkischen Truppen geht es hier besser als im gesammten Halbmondsgebiet. Gute Beispiele haben die lässigen ottomanischen Sitten geändert, und so wird hier dem Militär der Sold wirklich regelrecht gezahlt; die Verpflegung ist gut, sogar die Uni-formirung in Ordnung. Weil diese Vortheile den türkischen Soldaten Dank der Anwesenheit der österreichisch-ungarischen Truppen zu Gute kommen, ist vielleicht das Einvernehmen so gut. Aber auch mit allen Behörden und mit der Bevölkerung — die zum Theil schon albanesisch ist — kommen fast nie Missverständnisse vor. Besonders der Mutesarif von Plevlje und gleichzeitig türkischer Militärkommandant des Sandschaks, Ferik Sulejman Pascha, der seit Beginn der gemeinsamen Besatzung seinen Posten bekleidet, hat jederzeit den richtigen Takt bewiesen. Die Zahl der von Oesterreich-Ungarn im Sandschak zu haltenden Truppen ist durch Vereinbarung auf 5000 Mann festgesetzt; thatsächlich beträgt die Zahl etwa 2000 Mann. An türkischen Truppen stehen in dem besetzten Limgebiet: 2 Bataillone in Plevlje, 1 Bataillon in Prjepolje, 1 Kompagnie in Priboj; im Ganzen ebenfalls höchstens 2000 Mann. Die Anordnung ist keinesfalls derart,1■) dass in jedem besetzten Orte eine Scheidelinie zwischen den beiderseitigen Truppen besteht; im Gegentheil, ausserhalb des eigentlichen »Lagers«, wo die Kommandanten und die Behörden ihren Sitz haben und die Hauptmasse cler Truppen liegt, giebt es inmitten der türkischen Stadt österreichisch-ungarische Kasernen und Anstalten. Voll Staunen sieht der anatolische Rekrut clie schmucken Ungarn vom 2. Regiment unter Hornmusik durch die holperigen Gassen marschiren und auf das Kommando »Habt Acht!« die Steine stampfen, als ob sie zerschmettert werden sollten. »Gefällt Euch das nicht?« fragen wir einen grauen Tschausch, cler sich seine Stiefel auf der Strasse flicken lässt und barfüssig neben dem Schuster hockt. Ohne sein Gesicht zu verziehen, erwidert er: »Her memleketin adetine riajöt etmeli.« (Man muss eines jeden Landes Gebräuche achten.) Das ist die Weisheit des Türken; Andere achten, ohne sich die Mühe zu geben, sie kennen zu lernen, — und im Uebrigen — achte auch mich und lass mich in Ruh'! Und doch ist der arbeitende Türke ein braver, brauchbarer Kauz, clen man — freilich auf besondere Weise — und nicht durch »Hosnische Wanderbriefe.« Kölnische Zeitung, 6. Dezember 1896. Fliegendes Kaffeehaus im Sandschak. (Von W. Leo Arndt.) Reformpläne am grünen Tisch, vorwärts schleppen kann. Die Offiziere der türkischen Garnison haben allmählich Manches von ihren Kameraden von der Donau angenommen. Nur in Stambul haben wir noch so gut gekleidete Offiziere angetroffen. Nicht selten sieht man die Türken in dem Casino zu Gaste; freilich geben sie sich keiner lauten Fröhlichkeit hin, denn das Bewusstsein, die Einladung nicht erwidern zu können, drückt sie. Vertrauten Umgang meiden sie; man scheint ihn nicht gern zu sehen Die österreichisch-ungarischen Soldaten griissen jeden türkischen Offizier; nicht das Gleiche geschieht von Seiten der türkischen Soldaten gegenüber den österreichischen Offizieren, ja sogar nicht gegenüber ihren eigenen Vorgesetzten, obgleich die Vorschrift es verlangt. Hierin absichtlichen Ausdruck mangelnder Achtung zu sehen, wäre weit gefehlt. Der Muselman denkt so: »Wie kann ich, cler Untergebene, mich in so roher Weise einem Hochstehenden bemerkbar machen! Störe ich nicht seine Gedanken oder seinen Kef, wenn ich ihn veranlasse, mir zu danken! Giebt er mir ein Zeichen, dass er mich sieht und erkennt, so werde ich ihm den schuldigen Selam nicht vorenthalten!« So gehen also der unbegreifliche 1 ürke und der österreichische Offizier aneinander vorüber, ohne sich zu kennen. Eigentlich war schon vom ersten Tage des Einmarsches an ein erträgliches Einvernehmen vorhanden. Wir waren auf Widerstand gefasst gewesen, und als ein solcher bis Plevlje nicht erfolgte, fürchtete man ihn hier, wo damals eine weit grössere Garnison als heute in einem Zeltlager am südlichen Ausgange der Stadt auf einem Hügel lag. Der Kommandant kam mit Offizieren dem kaiserlichen Befehlshaber v. Killic entgegen, überreichte einen Protest gegen die Besetzung, machte aber keinerlei Miene zur Eröffnung von Feindseligkeiten. Wir marschirten damals durch die ganze Stadt, rechts und links von wildblickenden Bewohnern flankirt, zum grossen Theile Arnautcn, weil es Markttag war, und die Situation war gar-nicht behaglich. Es geschah jedoch nichts, und nach Abhaltung eines Feldgottesdienstes im Angesicht des türkischen Lagers erfolgte der Rückmarsch K. u. K. Kaserne bei Gotovusa. nach dem Lagerplatz an der Cehotina, wo wir leider nur Regengüsse auszuhalten hatten. Mit der serbischen Bevölkerung war ein Verkehr bald angebahnt, aber sonderbarer Weise hat gerade sie im Sandschak, der die Anwesenheit cler österreichisch-ungarischen Truppen erst die Möglichkeit geistiger Entwicklung und ungestörter Arbeit verschafft hat, sich am wenigsten diesen genähert. Es wirken da verschiedene Einflüsse aus Serbien und Montenegro, auf die wir uns hier nicht einlassen wollen..... Besondere Sehenswürdigkeiten bietet Plevlje nicht, ausser einer schönen Moschee mit einem mächtigen Minaret. Das Leben ist wie in jeder türkischen Stadt, der Strassenverkehr ausserordentlich mannigfaltig. Die verschiedensten Volkstypen kommen da zusammen, und wer Kostümkunde studiren will, findet hier reiche Gelegenheit; selbst clie Fustanella fehlt nicht. An Alterthiimern ist Mangel, es ist zu viel in den Völkerstürmen vernichtet worden, und die türkischen Behörden sehen die Durchforschung ihres Gebietes, wie es durch Geographen, Archäologen, Ethnologen und andere Männer der Wissenschaft geschieht, nicht gern. Sie befürchten Unheil aus der nie ganz verstandenen Thätigkeit der Forscher und suchen sich durch seltsame Mittel zu helfen. Einem Archäologen, der nach Plevlje kam, ist — wie v. Mach erzählt — folgendes tragikomische Geschichtchen zugestossen: Mit vieler Mühe und nach langen Schreibereien wird endlich von der türkischen Behörde dem Gelehrten die Erlaubniss gegeben, Ausgrabungen vorzunehmen. Leute werden angeworben, Geräthe angekauft, Pferde gemiethet, und eines schönen Morgens setzt sich der Zug unter dem Befehl des Gelehrten in Bewegung. Von Weitem sieht man hinter dem Zuge die rothen Fes einiger Zaptiehs auftauchen. Man trifft auf dem Platze ein; der Gelehrte misst die Entfernungen aus, steckt clie Linien ab, entwirft eine Skizze. Die rothen Fes sind näher gekommen, ländlich ist Alles fertig, die Arbeiter sind angestellt mit dem Spaten in cler Hand; der Mann der Wissenschaft giebt das Kommando zum Beginn der Arbeit, nachdem er noch einmal grösste Behutsamkeit eingeschärft hat, da plötzlich tauchen die Fes ganz in cler Nähe auf. Die Zaptiehs treten hervor: »Dur! Jassäk!« (Halt! Verboten!) Der erstaunte Gelehrte zieht lächelnd clie ihm ertheilte schriftliche Erlaubniss aus der Tasche; doch der Tschausch der Zaptiehs entscheidet mit der Würde eines Salomo: »Effendim, wir wissen, dass du graben darfst, aber jene dort« — er deutet auf clie Arbeiter — »haben keine Erlaubniss und werden nicht graben.« Und dabei ist es auch geblieben. Nur der verdienstvolle Arclüiolog des Landesmuseums in Sarajevo, Dr. Carl Patsch, hat im Jahre 1894 im Auftrage der Museumsdirektion und ausgerüstet mit den nöthigen behördlichen Bewilligungen, clie epigraphischen und archäologischen Denkmale dieses Gebietes neu aufgenommen. Die Alterthiimer der durchforschten Gegenden befinden sich in der kläglichsten Verfassung (Bericht in den »Wissensch. Mitth. des bosn.-herc. Landesmuseums«, 4. Bd.). Als ein Glück muss es für sie bezeichnet werden, wenn sie in eine Džamija oder in ein mohammedanisches Haus gekommen sind. Dort sind sie wenigstens vor jenem brutalen Vandalismus sicher, dem sie sonst oft genug ausgesetzt sind. Grabplatten, Reliefs und Statuen werden zu einem Baue zusammengetragen, um zerschlagen und ihres Schmuckes entkleidet in die Mauern eingefügt zu werden oder als Tritt- Orieutalisch-orthodoxes Kloster Sveta Trojica (Dreifaltigkeit) bei Plevlje. steine oder Thürpfosten im Stalle zu dienen. Seit einiger Zeit haben sich die Offiziere der so arg misshandelten Zeugen einer besseren Vorzeit angenommen; was halbwegs transportirt werden kann, wird in das Lager von Plevlje gebracht und dort im Parke aufgestellt. Der Sandschak Novibazar war, wie clie Ueberreste zeigen, in römischer Zeit gut besiedelt, und italische Kultur hat auch hier den äusseren Lebensformen ihre Signatur aufgedrückt. Er besass römisch geordnete Städte, aber, wie die iiiirischen Namen beweisen, mit einem grossen, an den alten Sitten festhaltenden Prozentsatz der alteinheimischen Bevölkerung. Diese verehrte römische und orientalische Götter, unter denen sich jedoch epichorische bargen, und errichtete einer Panto, Testo, Vencio oder Tritano römisch geformte Grabmäler. Der Hauptfundort bei Plevlje ist drei Viertelstunden entfernt am Veleznicabache gelegen; die Stelle führt noch heute den Namen »Alt-Plevlje« (Staro-Plevlje) und befindet sich auf einem vom Dorfe Komine sich sanft senkenden fruchtbaren Hügelhange. Ruinen durchsetzen auf eine beträchtliche Ausdehnung hin die Aecker und Wiesen. Dass sie römischen Ursprungs sind, hat Hoernes nachgewiesen, es stand hier ein römisches Municipium S . . . . Wie der Name vollständig gelautet hat, ist unbekannt. Mommsen und Hoernes sind geneigt, hierher das Stanecli der Peutinger'schen Tafel zu verlegen, TomaSek suchte hier das vom Ravennas genannte Sapua. Was richtig ist, kann sich erst einmal zeigen, wenn entscheidende Funde gemacht werden. Einstweilen musste man sich damit begnügen, die an den verschiedensten Punkten zerstreuten und theilweise eingemauerten Fundstücke abzubilden und zu beschreiben, was in der Sarajevoer Museumszeitschrift geschehen ist. Dicht hinter Plevlje verlässt die Heerstrasse clie Ebene und zieht sich einen verkarsteten Felsrücken hinan. Dann durchschneidet sie das sogenannte Vogelfelcl, einst einer der berüchtigtsten Winkel des Sandschaks durch die Einfälle der montenegrinischen Kolaschinzen, jetzt ganz sicher, und steigt über clie Babinje-Planina bis zum Blockhause Jabulca (1291 m); von dort senkt sie sich schnell über 800 m in das Thal der SeljaSnica und führt neben diesem Flüsschen bis zum Lim, wo sie sich scharf nördlich wendet und das Limufer bis Prjepolje verfolgt. Der Ausblick ist überall ein wundervoller und clie Bewaldung aller Höhen nimmt zu, je mehr man sich dem Lim nähert. Jabuka ist die einzige österreichisch-ungarische Station zwischen Plevlje und Prjepolje, von einer halben Kompagnie besetzt. Einst war hier ein türkisches Zeltlager, und in früheren Zeiten hatten wir die Gastfreundschaft des kommandirenden Jusbaschi genossen. Jetzt ist es eine wahre Kulturidylle mit parkartigen Anlagen auf cler mehr als luftigen Höhe. Alle Stationen sind unter einander mit Fernsprecher verbunden, dessen Verwendung auch für ausserdienstliche Plaudereien gestattet ist, um clie einsamen Offiziere nicht ganz ohne Gedankenaustausch mit Ihresgleichen zu lassen, v. Mach erzählt sogar in cler »Kölnischen Zeitung« von telephonisch gegebenen Konzerten, und am 18. August, dem Geburtstage des Kaisers Franz Josef, soll clie Volkshymne telephonisch allen musik-losen Stationen übermittelt worden sein. Von Jabuka hat man einen wundervollen l7ernblick über das rechte Limufer und weit ins Land bis zu den nordalbanesischen Alpen, die trotzig ihre Häupter ins Blaue strecken. Hübscher Eichenwald nimmt uns zu beiden Seiten der Strasse auf, zur Linken öffnet sich das schmale felsige Seljanithal unter dicht bewaldeten Höhen, vor uns liegt das breitere, sorgsam angebaute Thal der Seljasnica und in der Ferne schimmert das Silberband des Lim, von steilen Höhen begrenzt. Je mehr der Weg in mraq aiipjBj) -ifrqospu^s uu 3f|odafta^ die Niederung sich zieht, um so bebauter wird die Gegend; die Einwohner scheinen durchwegs wohlhabend zu sein, die Häuser der Ortschaften sind rein und freundlich, was schon wieder dem fremden Einflüsse zuzu- Brilcke bei Prijepolje. (Von Ewald Arndt.) schreiben ist. Endlich ist der Lim erreicht, der stolze Fluss, der im montenegrinisch-albanesischen Wetterwinkel bei Gusinje seinen Ursprung nimmt und nun im mächtigen, weitzerklüfteten Bette seine Wässer der Drina zuwälzt, clie er vor ViSegrad erreicht. Man ist schon ziemlich nahe an Prijepolje, ehe man den Ort in seiner Ausdehnung vor sich sieht. Zuerst einige Minarets und ein paar hochgelegene Häuser, das eine von einem Wall umgeben und unscheinbar in der Farbe, das andere grell weiss getüncht. Unterhalb des ersten Hauses grüssen, wie überall bei den Stationen im Sandschak, die weissen Buchstaben F. J. I., die Initialen des Kaisers Franz Josef. Hier ist die sogenannte »Jägerwacht«, die äusserste Stellung der österreichisch-ungarischen Truppen nach Osten. In dem weissen Hause liegt die türkische Garnison, ein Tabor Nizam. Am linken Ufer des Flusses ist seit der Besetzung eine österreichische Soldatenstadt entstanden, mit Gartenanlagen geschmückt. Hier sind Kommandantur, Hauptwache, Post- und Tclegraphen-amt, Spital, Kaserne und Magazine. Von hier führt eine grosse hölzerne Brücke über den Lim nach dem rechten türkischen Ufer. Am Brückenkopf gähnt ein breites Thor, dessen beide Seiten aus thurmartigen Häusern gebildet werden, die über der Thüröffnimg miteinander durch einen Mittelbau verbunden sind. Rechts steht die türkische, links die kaiserliche Wache. Prijepolje ist eigentlich nur eine einzige lange Strasse, zu beiden Seiten mit Verkaufsgewölben und Kaffeebuden besetzt. Es ist ein ungemein reger Verkehr, noch immer wird mit Tragthieren die Verbindung nach Süden, nach Salonichi, unterhalten, d. h. nur bis zu den nördlichsten Stationen der Mitrovica-Salonichi-Eisenbahn. Fanden wir doch in Prijepolje in einem serbischen Verkaufsgewölbe schon 1879 Dreher'sches Flaschenbier, das über Salonichi eingeführt worden war. Auf dem rechten Ufer liegen noch drei kaiserliche Kasernen, der »weisse«, »blaue« und cler »gelbe Han«; ihre Hinterfronten blicken auf den Lim, wo noch ein kleiner Platz zu militärischen Uebungen bleibt. Um die Verbindung mit dem jenseitigen Ufer abzukürzen, ist eine militärische Fähre vorhanden. Limabwärts liegt das Casino der österreichisch-ungarischen Offiziere, ihre eigentliche Heimath in diesen Gefilden, wo sie einen Hausstand nicht führen können. Hierher werden die türkischen Offiziere ge-aden, mit denen ein gut kameradschaftliches Verhältniss besteht, während die mohammedanische Bevölkerung sich geradeso wie die serbische sehr zurückhaltend benimmt. Etwa 6 km östlich von Prijepolje liegt in dem schönen Thale der MiloSeva das altberühmte serbische Kloster Milosevo, das Jahrhunderte lang in Ruinen lag, und clie Burgruine Hissardschik. Ich habe beide nicht besuchen können und gebe daher clie Schilderung v. Mach's, dem es nach Ueberwindung mannigfacher vom türkischen Kajmakam gemachter Schwierigkeiten 1896 möglich wurde, dorthin zu gelangen und zwar in Begleitung des Kajmakams. Der Weg führt im Thale der MiloSeva dahin; hinter dem sauber und reich in die Waldberge blickenden Kloster steigt man die Uferhöhen cler MiloXeva hinan. Bald ist das Dorf Hissardschik er- rcicht. Die Bewohner, durchweg Mohammedaner, haben sich schon versammelt und blicken missmuthig auf die Ankömmlinge. Nicht leicht wird es dem Kajmakam, die Leute zu beruhigen. Sie wollen durchaus nichts davon wissen, den Wanderern die Besteigung des Burgberges, auf dessen hoher Spitze die romantische Ruine in dem MiloSevathale thront, zu gestatten. Erst nachdem klingende Münze die Worte des Kajmakams erläutert, willigen sie ein. Ein steiler Ziegenpfad windet sich den überaus zerklüfteten Kegel hinan. Terrassenförmig liegen Burgmauern übereinander. Mehrere recht gut erhaltene Thürme schauen altersgrau, wie das Gestein, über die Mauertrümmer und weit hinein in das Thal. In einem Graben Postfahrt mit Bedeckung im SandscIiak. liegen zwei eiserne Steinmörser, Bombarden mit langem Pulverraum und kurzem, breitem Geschossraum. Sie stammen anscheinend aus der Zeit des vierzehnten Jahrhunderts. Schildzapfen sind nicht vorhanden, dagegen eiserne spiralartig um die Rohre gezogene Reifen und an diesen Ringe. Vielleicht haben die beiden alten Kameraden die Burg gegen die Türken vertheidigt, als diese auf ihrem Eroberungszuge nach der Schlacht auf dem Amselfelde sich auch bald gegen die Hercegovina und Bosnien wandten. Selten hat ein Fremder die alte prächtige Ruine besucht; auch unser Kajmakam gestand, dass ihm ohne die Wanderer niemals in den Sinn gekommen wäre, von hier oben sein Reich zu überblicken. Um von Prijepolje nach Priboj — in den dritten Garnisonsort — und damit wieder an die bosnische Grenze zu kommen, muss die Strasse am rechten Limufer eingeschlagen werden. Sie steht unter türkischer Ver- Jerinaburgruine bei Bistrica zwischen Priboj und Prijepolje. (Ewald Arndt.) v , waltung, ist daher nicht entfernt so gut als die von Cajnica nach Plevlje führende, doch für leichteres Fuhrwerk passirbar; auch sorgt das kaiserliche Militär für Verbesserung und Beseitigung etwaiger Hindernisse. Unmittelbar am Lim läuft die Strasse entlang, an steilen Hängen, zwischen dichtem Waldesgrün. Die Gegend ist zu Ueberfällen wie geschaffen, aber türkische und österreichische Patrouillen gehen die Strasse ab und die Post fährt unter Bedeckung. Der Reisende wird als Poststiick behandelt. Zwei Mann vorauf, zwei Mann mit dem Führer hinterdrein, wird durch die Stadt marschirt. Am Ausgange hält der Zug; der Führer kommandirt »Laden!« und mit 20 Schuss in den Gewehren geht es bergauf iti clie Wälder am Lim. Die Einheimischen sehen clas Laden der österreichischen Gewehre und sie sollen es jedenfalls sehen. Dadurch ist die Sicherheit cler Strasse verbürgt, und es weiss sich auch Niemand auf einen Angriff zu erinnern. Aber Vorsicht ist auf ottomanischem Gebiete nie ausser Acht zu lassen. In zahlreichen Windungen senkt sich clie Strasse gegen Han Bistrica, wo •(ia3ts\IBJÏIÎK) fo^Hd der Bach gleichen Namens in den Lim mündet. An ihm entlang führt ein Reitweg nach Nova-VaroL Neben dem Han haust ein türkischer Wachtposten, Albanesen, prächtige Gestalten. Auf hohem Bergkegel sieht man die alte Ruine der Jerinaburg. Endlich wird in einer fruchtbaren Ebene der kleine Ort Banja mit einer vielbenutzten heissen Quelle und den Ruinen des Klosters gleichen Namens, das 1876 im serbisch-türkischen Kriege zerstört wurde, sichtbar. In den Trümmern »garnisoniren« türkische Soldaten, während die österreichisch-ungarische Station aus einem festen Blockhause besteht. Von hier führt eine ebene Fahrstrasse nach Priboj, dem nördlichsten Standort der Türken. Die kaiserlichen Anlagen bestehen aus mehreren leichten Baracken, in denen die Mannschaften wohnen, die Kanzleien und die Pferde untergebracht sind. Für die Offiziere giebt es eine besondere Baracke, die ausser den Wohnräumen auch die Fremdenzimmer und das Kasino enthält. Ein sauberer Garten schliesst sich an den Bau; das Ganze ist von einem Holzgitter umgeben. Ueber dem Städtchen liegt ein Posten in einem Blockhause und ein anderer bewacht am Lager die Fähre über den Lim. An dem Grenzpunkte Uvac wird Abschied vom Sandschak genommen; an der Limbrücke steht der letzte türkische, jenseits auf bosnischem Gebiet der kaiserliche Posten, — man ist wieder in einem wirklichen Stück Europa, in das die prächtige Fahrstrasse nach Visegrad führt. Türkische Kaserne in Priboj. Eine Flossfahrt der Drina. Die Drina ist einer der mächtigsten Ströme Bosniens, der Grenzfluss zwischen Serbien und dem f ^^ Okkupationsgebiete. Sie cnt- mm steht etwa vier Stunden südlich "wKp- J ^ von Foöa, aus dem Zusammen- flusse der Tara und Pliva dicht an ? * ^Z&ipK jfe der montenegrinischen (irenze, bei dem ßjj. . i ""'j^PP^' Dorfe Hum, wird durch die Sutjeska, die ^J/ ' Bjelava, Bistrica und Cehotina nach kurzem Laufe verstärkt, nimmt ihren Weg anfangs nach Nordosten und dann direkt nach Norden, bis sie bei Ra£a in die Save mündet. Von der Mündung bis nach Zwornik hinauf, ist sie einen beträchtlichen Theil des Jahres für grössere Fahrzeuge schiffbar, und die bosnische Landesregierung hat einen besonderen Dampferverkehr von Bröka an der Save bis nach Zwornik eingerichtet. In ihrem Oberlaufe verhindern Felsbänke, Klippen und Stromschnellen einen geregelten Schiffsverkehr. Es können während des höheren Wasserstandes wohl Flachboote und Flösse verkehren, einen Theil des Jahres jedoch nur unter grossen Schwierigkeiten. Schon im Jahre 1865 liess die türkische Vilajetsregicrung Studien wegen Sprengung der hauptsächlichsten Verkehrshindernisse anstellen, es wurden auch Geldmittel angewiesen, aber die Ausführung der Arbeiten unterblieb, clie erst die Gegenwart wird vornehmen müssen. Der Fluss durchströmt landschaftlich hochinteressante Gegenden und darum ist eine Fahrt auf der Drina ein Genuss, wie er sich in solcher Eigenart nicht so leicht wieder bietet. Das Fahrzeug ist aber nur das gewöhnliche, aus Baumstämmen zusammengefügte Floss und auf besondere Bequemlichkeit muss von vornherein verzichtet werden. Unsere Drina-fahrt fiel Anfang September, in die Zeit sehr niedrigen Wasserstandes, und daher dehnte sich die sonst auf zwei bis drei Tage berechnete Tour von Gorazda nach Lubovija auf fünf Tage aus. Sie bot aber mit ihren Zwischenfällen einen so eigenen Reiz, dass sich kein Tourist von einer Wiederholung der Fahrt abschrecken lassen sollte. 1 )ank der Zuvorkommenheit der bosnischen Behörden hatte der Leiter der Bezirksexpositur in Gorazda die Zusammenstellung eines Flosses veranlasst, und so konnte die Reise eines Montagsmorgens in Gesellschaft eines liebenswürdigen Forstadjunkten angetreten werden; meine Frau als die erste europäische Dame, welche die gesammte Flossfahrt auf der Drina unternahm. Auf dem Flosse, das aus mächtigen Baumstämmen bestand, war aus Brettern eine Art erhöhten Podiums mit zwei Bänken und einem Tisch errichtet worden, das Gepäck war so gut als möglich vor Nässe geschützt, und am Steuer wehte die bosnische rothgelbe Flagge lustig im Morgenwinde. Die Verpflegung hatte Hotelier Ohlelä in Gorazda in vorzüglicher Weise besorgt. Eine Anzahl gebratener Enten, Schinken, Käse, ganze Brote, Flaschenbier, eine Batterie von Bouteillen Wein, Obst, wie mehrere Büchsen Conserven sollten für des Leibes Nahrung und Nothdurft sorgen. Ein leichter Nebel lagerte über dem Flusse, als wir gegen 7 Uhr früh unser Fahrzeug bestiegen. Die beiden Flösser, echte Mohammedaner aus Cajnica, waren bereits seit Langem beschäftigt, die letzte ordnende Hand anzulegen und noch immer einen schwarzen Kaffee zu trinken. Unter herzlichen Abschiedsworten der Beamten und Offiziere von Gorazda, die uns das Geleite zum Flussufer gegeben, wurde die Fahrt angetreten. Fast lautlos glitt unser Floss dahin und es schien, als würden wir nur langsam vom Flecke kommen. Mit peinlichster Aufmerksamkeit wurde von den Flössern das Fahrwasser beobachtet und es war ein hoher Genuss, wenn wir zwischen Felsblöcken in eine tiefere Rinne einlenkten, das gebrechliche Fahrzeug tief in den weissen Gischt tauchte, wenn die Wellen hoch über den Stämmen zusammenschlugen. Immer höher erhoben sich Ufergebirge, meist bewaldet; von Zeit zu Zeit wurden einzelne Häuser sichtbar, einige Reiher strichen über das Wasser, sonst herrschte geheimnissvolle Stille. Bei Mu&ici erfolgte auf einmal von steiler flöhe ein Zuruf, ein weisses Tuch wird zum Gruss geschwenkt — es ist ein befreundeter Hauptmann, der uns zu Pferde auf dem Landwege bis hierher noch das Geleite gegeben. Da kommt eine Biegung des Flusses; wir tauchen in einen Strudel, ein letztes »Zivio!« und wir sind wieder allein. So währte die Fahrt stundenlang. Gegen Ii1/» Uhr — wir befanden uns gerade an einer wildromantischen Stelle zwischen schroffen Felsen, aus denen nur hin und wieder einzelne mächtige Bäume und niederes Gestrüpp sprossten — gab es einen mächtigen Knall, wie von einem Kanonenschusse, das Floss krachte in allen Fugen, die festen Verbindungen zwischen den einzelnen Stämmen waren am Hinter-theil gesprungen, und es hatte den Anschein, als sollten wir ein unfreiwilliges Bad in der Drina nehmen. Wir waren auf eine verborgene Klippe "BuiiQ jap jnc jjqEjssou aufgefahren, aber gleich wieder flott geworden. Unsere Flösser sorgten sofort mit bewundernswerther Schnelligkeit für Wiederbefestigung der einzelnen Stämme, und weiter ging die Fahrt. Hoch oben in einer Kamm-Einsattlung wurde das Dorf DraboSilje sichtbar, überall auf den Abhängen weideten Heerden, und laute Jodler stiegen von den kleinen Hirten in die Lüfte, entferntere Kameraden auf das Floss —- eine Abwechslung im ewigen Einerlei — aufmerksam machend. Mit doppeltem Appetit wurde das Mittagessen eingenommen, und mehr als ein Glas stieg auf das Wohl des schönen Landes, das sich im Sonnenglanze an beiden Ufern ausbreitete. Die Felsen waren oft so glatt abgeschliffen, als ob sie bearbeitet und polirt wären; unten waren sie vom Wasser unterwaschen und bildeten mächtige Höhlen. Manchmal engten sie den Strom von allen Seiten ein, dass man sich auf einem Binnensee zu befinden glaubte. Bei Gradina zeigten sich interessante geologische Schichtbildungen. Auf einmal ertönen laute »Merhaba« auf dem linken Ufer; Felder und Häuser werden sichtbar, eine Moschee mit Minaret steht in malerischer Lage und in beherrschender Position eine neue Gendarmerie-Kaserne. Es ist der mohammedanische Ort Megjegje. Kaum waren wir an ihm vorübergefahren, als wir festsassen. Wir waren auf eine Schotterbank gerathen und obwohl unsere Fährleute ins Wasser sprangen und das Floss flott zu machen suchten, gelang ihnen dies nicht. Aber schon nahte Hilfe. In Megjegje hatte man unsere Noth bemerkt; ein Türke legte die Kleider ab, sprang ins Wasser und schwamm auf uns zu. Er tauchte unter das Floss und mit einem mächtigen Ruck schob er dasselbe von der verhängnissvollen Stelle. Wir hatten wieder tieferes Fahrwasser; unser Helfer aber war, ohne erst einen Dank abzuwarten, zurück ans Ufer geschwommen. Kurz hinter Megjegje öffnet sich rechts ein (wundervoller Blick ins Limthal, wo der Lim in die Drina mündet, dann geht es an dem schön am Berge gelegenen Dorfe Orahovci vorüber in flotter Fahrt bis Visegrad. Es war bereits dunkel geworden, denn wir hatten über zwölf Stunden zu dieser Strecke gebraucht. Hier empfing uns der Bezirksvorsteher nebst einigen anderen Herren, wir wurden — ein Hotel giebt es nicht — im Offiziersfremdenzimmer untergebracht, in dem ein behagliches Feuer im Ofen loderte und bald sassen wir inmitten einer gemüthlichen Gesellschaft im einzigen Gasthause. Für den nächsten Tag hatte uns der Bezirksvorsteher seine Begleitung angekündigt, da er im Gebirge einen amtlichen Besuch abzustatten hatte. Auch ein Oberlieutenant wollte von der Parthie sein, desgleichen ein Gendarmerie-Wachtmeister, der nach Syrmien auf Urlaub ging und der den Umweg über Sarajevo durch die Flossfahrt zu ersparen hoffte. Visegrad macht, wenn man sich der Stadt nähert, einen sehr stattlichen Eindruck. Die quaiartigen Uferränder, der breite majestätisch dahin- fliessende Strom, eine mächtige alte Brücke über denselben, unmittelbar jenseits die Reste der Ruinen einer alten türkischen Karawanserai, daneben eine Kaserne, von der Stadt selbst nur zahlreiche hohe Giebel zwischen Baumwipfeln, dahinter der stolze Ruinenkegel der Burg Starigrad, all das verspricht einen interessanten Ort, der aber nur in seiner Marktstrasse einen rein städtischen Charakter trägt, wo jetzt auch ein schönes Amtsgebäude steht. Visegrad liegt in seinen Haupttheilen zu beiden Seiten der Rzava, eines im Winter und Frühling gewaltig anschwellenden Flusses, der unterhalb Visegrad in die Drina fällt; alle Bergkuppen und Felswände umher sind noch mit ehemals türkischen Forts (Karaulas) gekrönt, die nach Serbien ebenso Respekt einflössend hinübersehen, wie die Wachthäuser vom Javor und Zlatibor auf Visegrad herunterschauen. Einstmals war ViSegrad nur ein Uebergangspunkt an der Drina, den sich clie christlichen Landesherren durch Erbauung eines festen Schlosses sicherten. Seine Bedeutung wuchs, als die Türken zur Herrschaft kamen. Damals entstand die berühmte Brücke und dies jetzt in Ruinen liegende Karawanserai, ein Prachtbau mit luxuriösen Badeanlagen, Wohnräumen und Stallungen: beides Werke des Mehmed Pascha Sokoloviö, cler als Grossvezir Sokolly zu den hervorragendsten Staatsmännern des osmanischen Reiches gehörte. Seine Amtszeit fällt in die Jahre 979—991 cler Hedschra, clie Erbauung der Brücke 979- Visegrad lag nicht nur in der Nähe seiner Stammburg Sokol, sondern auch an der grossen Heeresstrasse, die von der Provinzhauptstadt nach der Reichsresidenz führte, und war der erste grössere Ort, den der Osmane von Stambul aus auf bosnischem Boden betrat. So waren Brücke und Palast — wie Hoernes sich ausdrückt — gleichsam Denkmäler des patriotischen Stolzes, mit welchem der Bosnier seine geliebte Heimath den herrschenden Osmanen gegenüber in ein günstiges Licht zu stellen suchte. Dass er es erreicht hat, sehen wir mindestens aus der Erwähnung der Brücke im geographischen Werke des Hadzi Chalfa (»Rumeli und Bosna«, deutsch von Hammer) und daraus, dass die Unerschütterlichkeit dieses Bau Werkes in südslavischen Ländern sprichwörtlich geworden ist, wie die Redensart: »ostade kao Cuprija na Vi&egradu« (das steht wie die Brücke auf Visegrad) bezeugt. Die Brücke überspannt mit elf Spitzbögen, die gegen clie Mitte bedeutend ansteigen, in einer Länge von 170 und einer Breite von 6,3 m die Drina. Die Spannweite cler Spitzbögen schwankt zwischen 13,7 und 18,6 m. Ein auf gründliche Studien basirtes Gutachten spricht sich dahin aus, dass der Brückenbau von Visegrad volle Bewunderung verdiene, die noch durch die Erwägung gesteigert werde, dass den damaligen Baumeistern, meistens Ragusanern, nicht jene Hilfsmittel cler Technik zu Gebote standen, welche heute clie Bewältigung der schwierigsten Arbeiten erleichtern. Aelter sei zwar die Narentabriicke in Mostar, erbaut 1 566, schöner ■p^jííasi^ BOA iqcnsnBipBJs Brücke in Visegrad. und grossartiger aber jedenfalls die Drinabrücke in Visegrad. (»Das Bauwesen in Bosnien und der Hercegovina«, herausgegeben von der Landesregierung, Wien 1887.) Inmitten der Brücke, oberhalb der noch erhaltenen Ruhebänke, stand bis zum Jahre 1886 ein aus Eichenholz erbautes stockhohes Häuschen. Dieses früher als Unterkunft der Brückenwache verwendete Gebäude wurde im bezeichneten Jahre wegen Baufälligkeit entfernt, was übrigens auch aus ästhetischen Gründen gebilligt werden kann. Der in der Brücke eingemauerte Inschriftstein giebt Kunde davon, dass die Brücke vom Grossvezier Mehmed Pascha Sokolovic im Jahre 979 n. d. H. (1571 n. Chr.) erbaut worden sei. Die in türkischer Sprache abgefasste Inschrift lautet in der Uebersetzung: »Mehmed Pascha, zur Zeit dem Asaf*) vergleichbar, Hat durch seine erhabene Persönlichkeit die Welt verherrlicht. Er verwendete sein Vermögen auf Stiftungen zur Ehre Gottes. Niemand wird behaupten wollen, dass das Vermögen, so verwendet, verschleudert worden sei. Lebenslang hat er Gold und Silber zu Stiftungen gewidmet, Denn es war- ihm bekannt, dass diese ein schönes Andenken hinterlassen. Ueber die Drina in Bosnien erbaute er eine grossartige Brücke. Eine Reihe von Bögen spannte er über diesen Fluss, Diesen tiefen Fluss, dessen Gewässer reissend sind. *) Asaf war Rathgeber Saloinons des Weisen. Seine Vorgänger konnten Aehnliches nicht erbauen; Nach Gottes Rathschluss that es aber der Pascha, Damit sein Name mit Ehrfurcht und Dank genannt werde. Er baute diese Brücke, die ihres Gleichen nicht hat auf der Welt. Gewiss wird Niemand sagen, dass das Geld, so verwendet, vergeudet sei! Von Gottes Gnade erhoffe ich, dass des Erbauers Leben im Glück verlaufen und durch keinerlei Ungemach getrübt sein werde. Badi*) welcher sah, wie der 13au beendet wurde, schrieb nieder den Tarih;**) Gott möge diesen Bau, diese wunderbar schöne Brücke segnen! 979« (== 157 0- Die zweite, gegenwärtig ziemlich beschädigte und an einigen Stellen nicht zu entziffernde Brückeninschrift lautet nach dem Türkischen: »Zur Zeit Sultan Murads, des Sohnes Sultan Selims, fasste der Wohlthäter Mehmed Pascha den Entschluss und hat auf dem Flusse Drina eine grosse Brücke mit vieler Mühe unter eigener Aufsicht (Leitung) erbaut. Gott gebe, dass sein Bau fest, das Glück seines Lebens ihm aber immer treu bleibe, und dass seine Wünsche auf beiden Welten fruchtbar sind. . (unleserlich) Solche Werke . . . (unleserlich) . . . die Bewunderer dieses soll für den Erbauer zu Gott beten. . . . (unleserlich) . . . Brücke erbaute, möge Gott segnen. Im Wasser . . . (unleserlich) . . . hielt er die Perle der Perlmutter gleich: Ich erbaute die Brücke auf diesem Gewässer, ich Mehmed Pascha. 985« (= 1577). Die Reste des Geburtshauses von Mehmed Pascha Sokoloviö sind noch heute im kleinen Dorfe Ravanci zwischen der grossen und der kleinen Varda unweit des Städtchens Rudo sichtbar. Als Baumeister der Brücke wird ein Meister Mitar oder Rade genannt, und es knüpfen sich an ihren Bau eine Menge Volkssagen, die sich zum grössten Theile auf die Bauopfer bei den Südslaven — auf die Einmauerung menschlicher Wesen — beziehen. Eine der schönsten gereimten Sagen veröffentlicht Hofrath Hörmann in seinen »Narodne pjesne Muhamedovaca u Bosni i Her-cegovini«: »Dreien Kaisern diente Mehmed Pascha, Drei der Thürme voll mit Gold erwerbend. Ueberlegend nun dacht er im Innern, Was er mit dem grossen Schatz beginne: Ob er ihn den Armen schenken solle Oder gar dem Flusse Drina opfern, Oder Bosnien damit beschenken. Und nachdenkend, hat er dies beschlossen Bosnien will ich damit beglücken, Eine Brücke ihm zuerst erbauen!« *) Badi ist der Name des Dichters dieses Chronogrammes. **) Tarih ist Zeitangabe. Die türkischen Schriftzeichen des letzten Verses geben durch Addition ihres Zahlengehaltes als Summe das Jahr 979 nach der Iledschra. Und er beginnt die Ausführung seines Entschlusses, indem er dem Baumeister Mitar den Befehl sendet, derselbe möge Alles zum Bau einer Brücke über die Drina bei Visegrad vorbereiten und hierauf den Bau beginnen. Ausserdem »Hundertdrei der besten Meister sammele Und auch tausend frischer Werkgesellen, Die den kalten Stein beschaffen werden.« Dieser Befehl findet aber bei dem Meister Mitar keinen Beifall, da er ihn für unausführbar hält: »O bei Gott, du Soko Mehmed Pascha, Wenn am weiten Visegrader Felde Tovar du an Tovar Goldes häuftest Und auf jede Last drei Beutel Goldes, Und dein Schatzmeister versuchen wollte Diesen unschätzbaren Schatz zu zählen, Kaum wiird' für den Bau der Brück' er reichen,« Der Pascha jedoch beruhigt ihn und versichert, dass er alle Kosten des Brückenbaues, und wenn sie noch so ungeheuer wären, tragen und beschaffen werde. Auf dies hin schreitet Meister Mitar an das grosse Werk, indem er Bauleute sammelt und alles Nöthige an Ort und Stelle schaffen lässt. Er selbst aber »Schwingt sogleich sich auf den starken Rappen Und erscheint vor Visegrad der Veste. In den Fluss treibt er den starken Rappen Um der Drina Tiefe auszuforschen: Ob es möglich sei, die Brücke bauen. Doch als nun der Rapp' inmitt des Flusses, Nicht kann er sich von der Stelle rühren. Mitar treibt mit Peitsche und mit Sporen, Doch das Ross, es steht wie angewurzelt. Mitar schlägt mit dreifach starker Geissei, Doch das Ross, es steht wie angewurzelt.« Vom Ufer aus bemerkt der Pascha das unerklärliche Ungemach des Meisters, und er wirft ihm einen Talisman zu, den der Meister auch glücklich auffängt und seinem Pferde um den Hals bindet, worauf dasselbe sogleich das Ufer erreicht. Jedoch »Mit sich zieht er eine weisse Vila,*) Deren goldig Haar sich umgeschlungen Um des Rappenrosses Vorderfüsse, Denn den Meister wollte sie ertränken Und mit ihm den edlen starken Rappen. Sie nun zog der Rappe auf das Festland, Und als Meister Mitar sie erblickte, Riss er rasch das Schwert von seinem Gürtel, Um das Haupt ihr von dem Rumpf zu trennen.« *) Vila ist eine südslavische Fee. Doch die Vila beschwört ihn, sie am Leben und frei zu lassen, dafür verspricht sie ihm ihre Hilfe beim Baue der Brücke. Mitar lässt sich überreden und schenkt ihr die Freiheit. Er beginnt den Bau und hat schon sieben lange Jahre darauf verschwendet, ohne auch nur den mindesten Fortschritt erzielt zu haben. Was er am Tage erbaut, das wird ihm Nachts durch unsichtbare und unbekannte Macht wieder zerstört, sodass endlich der Pascha selbst ungeduldig wird und ihn auffordert, er möge doch die Vila, die ihm ihren Beistand versprochen, anrufen und sie um Abwendung der dem Baue entgegentretenden Hindernisse bitten. Mitar befolgt diesen Rath; die Vila erhört auch seinen Ruf, antwortet ihm aber: »Gott mir helfe, Bruder Meister Mitar, Aber ich kann Dir nicht Beistand leisten, Denn es dulden's nicht die Vilen-Schwestern.« Sie giebt ihm jedoch einen Rath, dessen Befolgung den Bau der Brücke ermöglichen werde: er möge zwei Jungfrauen in die Grundpfeiler der Brücke einmauern. Mitar thut dies und siehe, das Tags über Erbaute wird nicht mehr Nachts vernichtet, die Arbeit kann ohne Unterbrechung und ¡Störung fortgesetzt werden; im neunten Jahre steht das Bauwerk vollendet da. »Triib und brausend aber kam die Drina Und vom Berg brach sie die schlanke Fichte. Diese stürmte gen die Brückenpfeiler, Und die Brücke, — sie begann zu wanken.« Mehmed Pascha erschrickt; er befürchtet den Einsturz der Brücke. Mitar meint, die Drina sei empört, weil man ihr noch keine Gaben dargebracht habe, und werde sich sicher beruhigen, wenn man dieses Versäumniss gut mache. Hierauf häuft Mehmed Pascha einen Haufen Goldes inmitten der Brücke auf und opfert ihn dem Flusse. Mit einer silbernen Schaufel schüttet er den Schatz »nach allen vier Seiten« in die Wogen. Mitar aber lässt sich an einem Seile über die Brüstung der Brücke hinab und zerschmettert mit einem kraftvollen Axtschlage die Fichte. »Aus der Fichte aber sprang ein Blutstrahl, Aus der Fichte tönte eine Stimme: »Bleiben wird die Brücke auf der Drina, Bleiben wird sie bis zum End' der Zeiten!« Und der Fluss nahm wieder seinen gewöhnlichen Lauf. Da nun also die Brücke vollendet und keine Gefahr mehr für sie besteht, übergiebt sie der Pascha dem Verkehre, nicht aber, ohne einen Brückenzoll bestimmt zu haben. Die Bosnier wissen den Schatz, den sie erhalten, zu würdigen, aber der Zoll behagte ihnen nicht, und so apostrophirt bald ein Fuhrmann den Pascha: »Höre mich, o Soko Mehmed I'asclia! • Wohl hast Wunderbares Du verrichtet, Eine Brücke hast gebaut Du, Pascha, Aber einen Fehler auch begangen: Angeordnet einen Zoll, den harten, Für den Wand'rer zwei Dinare, Für den Reiter aber vier Dinare. Und wer vier Dinare nicht besitzet, Dem wird Ross und Sattelzeug gepfändet. — Als dies hörte Soko Mehmed Pascha, Hat mit Recht den Zoll er aufgehoben.« Hier heisst es bei der Darbringung des Bauopfers nur, dass zwei Jungfrauen eingemauert wurden. In einem anderen Volksliede wird überhaupt nur von einer Frau gesprochen. Die erste, welche sich Morgens dem Baue nähern würde, sollte in die Pfeiler eingemauert werden. Unglücklicherweise war es die junge Frau des Meisters selbst, die trotz alles Flehens von den Bauleuten ergriffen wurde und das furchtbare Schicksal erlitt. An alle Burgen und Brücken des Landes knüpfen sich ähnliche Sagen, und noch Anfang der siebziger Jahre unseres Jahrhunderts, als die Trebinjaner eine Brücke über die Trebi njčica bauen wollten, stahlen sie auf Ragusaner Gebiet eine Kindesleiche, um sie in das Fundament zu vermauern! Am rechten Ufer der Drina steht auf einem kegelförmigen Berggipfel am Nordende eines Höhenzuges, der die Drina begleitet und mit dem gegenüber liegenden senkrechten Abfall der 700 Meter hohen Butkova-Stjena ein enges Flussdefile bildet, clie alte Burg Starigrad, das heisst, clie geringen Ueberreste der einstigen Akropolis von Višegrad. Ein von Gebüsch umwucherter Schutthaufen und ein zackiger geborstener Mauerrest etwas tiefer, das ist von jenem Bollwerk übrig geblieben, welches der Stadt den Namen gab. Fast alle Mauern zeigen sich als Fortsetzungen natürlicher Felswände. Auf einer Felsenklippe unterhalb steht aber ein alter Thurm, den die Volkssage mit dem serbischen Nationalhelden, dem Königssohne Kraljevič Marko in Verbindung bringt. Der Thurm ist kreisförmig gebaut, clie Mauern 1,90 m stark, clie Höhe heute noch 8 m, aber dem Erdgeschoss ist die Plattform erhalten, und da der untere Theil keinen eigenen Zugang hat, so musste der Weg zu demselben nothwendig über die Plattform führen. Mit dem oberen Theile von Starigrad stand der Thurm durch eine 1 m breite festgemauerte Gallerie, deren Reste noch sichtbar sind, in Verbindung. Der Zweck des Thurmes war offenbar der Auslug in das Drinathal. Unterhalb des Bauwerkes werden einige Vertiefungen in der Felswand, als »Markosstuhl« (Markovo sjedalo), Markos »Fusstapfen« (Markove stope) und ganz nahe an der Drina die Hufspuren seines Pferdes »Scharac« gezeigt. Der Durchmesser der Hufspuren ist 30 und 35 cm und die Breite zwischen den Vorderbeinen 1 '/2 m. Marko soll im Thurme neun Jahre als Gefangener geschmachtet haben. Als ihm endlich die Stunde der Befreiung schlug — so erzählt die Sage — durchbrach er das Dach des Thurmes und schwang sich in einem Satze hinüber aufs jenseitige Ufer der Drina. Eine andere Burgruine, an die sich viele Sagen knüpfen, liegt unweit des Weges nach Priboj. Wenn man diesen Weg, die Riava 10 km lang von ViSegrad aufwärts verfolgt, sieht man jenseits des Flusses auf einem bei 500 Fuss hohen Felsen die verfallenen Reste einer ausgedehnten Baulichkeit. Darunter, diesseits des Flusses, die Grundmauern einer zerstörten christlichen Niederlassung und etwas entfernt die einer Moschee oder christlichen Kirche. Es sind die Ruinen von Dobrunj, einer Burg, die sammt ihrem Suburbium sotto Dobrunj in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts als Handelsplatz öfter genannt wird. Als die Türken vor der Veste erschienen — so erzählt Hoernes — befand sich auf derselben Jerina (Irene), die Gemahlin des Despoten Georg Brankoviö (1427—I455)i welche sich in den Führer der Belagerungstruppen verliebte und demselben heimlichen Einlass in die Burg versprach, wenn er sie zum Weibe nehmen und gegen seine bisherigen Waffenbrüder vertheidigen wolle. Der Türke willigte scheinbar ein und begehrte nur, sammt seinen Schätzen in die Burg aufgenommen zu werden. Auf 200 Rossen wurden die letzteren bei Nacht heimlich gebracht; doch als sich das Thor hinter ihnen geschlossen, entstiegen den vermeintlichen Schatzkisten 200 bewaffnete Feinde, welche die schwache Besatzung überwältigten, dass Schloss den Ihrigen Öffneten und die verrathene Verrätherin gefangen hinwegführten. Die Geschichte weiss von diesem Vorfalle natürlich nichts. Georg Brankoviö gelangte erst mit sechzig Jahren in den Besitz des Despotats. Seine Gemahlin Jerina, eine griechische Prinzessin, überlebte ihn und sollte während der Minderjährigkeit ihrer Söhne die Regentschaft führen, wurde jedoch von dem jüngsten derselben, Lazar, mit Gift beseitigt. Das Volkslied, in dem Jerina öfter vorkommt, behandelt sie mit entschiedener Ungunst als eine verhasste Person, der alle möglichen Frevel angedichtet werden, darunter auch Landesverrath durch Vermählung ihrer Tochter mit dem Sultan (KaradXid II., 80 und 499). Als ihre Heimath wird Ragusa angegeben; ihre Vermählung mit Georg Brankovid erscheint als ein grosses nationales Ereigniss. Doch aus der geschichtlichen Vergangenheit reisst uns die lebendige Gegenwart, und wir sehen in Visegrad überall neues Leben aus den Ruinen blühen. Der bisher geringe Geschäftsverkehr nach Serbien und dem Paschalik Novibazar beginnt sich zu heben, und es ist bezeichnend *x;niJQ jap aï uaSiiqaf} uap snc asuxaf) 19g Auf den Ausläufern des Crni Vrh. (Pinus leucodermis-Gruppe.) für die verschiedenen Sicherheitsverhältnisse in den beiden Grenzländern, dass" die Serben aufathmen, wenn sie bosnischen Boden unter den Füssen haben. Wir hatten für den nächsten Morgen clie Weiterfahrt auf dem Flusse beschlossen, doch regnete es in Strömen, sodass eine ernste Berathung stattfand, ob nicht ein Warten geboten sei. Gegen 7 Uhr schien sich das Wetter zu bessern, und so ging es denn mit frischem Muthe vorwärts. Unser Floss, das am Abend unterhalb Starigrad [hatte anlegen müssen, war früh bis zur Drinabriicke vorgedrungen, und hier vollzog sich die Einschiffung der wesentlich 'vergrösserten Reisegesellschaft. Wir hatten schon einige Male auf eine glückliche Fahrt angestossen, als sich plötzlich wieder der Himmel zu verfinstern begann und ein Unwetter niederging, S c h 1 u c h't in ü n d u n g des Z e p «i f 1 u s s e s, wie es ärger nicht sein konnte. Aber um so wildromantischer zeigte sich die Gegend. Rechts und links traten die Felswände immer näher an den Fluss, immer stiller wurde es in der Natur, nur hoch oben in den Lüften kreisten einige Adler. Wie unser forstmännischer Begleiter sagte, ist hier überall Bären- und Gemsenrevier. Anderthalb Stunden von Viäegrad entfernt, mündet ein mächtiger warmer Bach am rechten Ufer in die Drina. Es ist der Banjski-Potok, der Ausfluss einer starken Quelle von 28 Grad Reaumur mit schwach salzigem Geschmack, aber ganz reinen und geruchlosen Wassers. Ein altes steinernes Brunnengehäuse überwölbt ein aus massiven Quadern hergestelltes Bassin. Die Anlage ist uralt, und clie Bewohner der Umgebung hegen noch heute das grösste Zutrauen zur Heilkraft dieser Naturspende; sie benutzen clie Quelle bei den verschiedensten Anlässen zur Bade- oder Trink-Kur. Der 508 m hohe Berg, in welchem die Thennenschlucht liegt, heisst bei den Anwohnern Banjsko-Brdo, der Badeberg. Eine zweite Therme von gleicher Temperatur und Mächtigkeit findet sich eine halbe Stunde von der ersten entfernt in derselben Schlucht. Hoch oben auf einem Berge wird das türkische Dorf Milo§evi<5 sichtbar; in einer Einsattlung zeigen sich Adlerhorste, an den Felswänden sieht man Höhlen, einige mit künstlichem Gemäuer, clie von der Bevölkerung für alte Gefängnisse erklärt werden. So ging es bei andauerndem Regenwetter stundenlang fort. Links hatten wir die Ausläufer des Crni Vrh und der 1288 m hohen Snje^nica, dann passiren wir die sogenannte Metnaluka, eines der wildreichsten Terrains der Gegend, auch von Bären bevölkert. Sodann kommen wir zur Einmündung des Baches Suchidol und bald darauf hatte unsere Fahrt für diesen Tag ihr Ende erreicht. Das Wetter besserte sich nicht, und da unsere Flösser erklärten, beim Mali Bug — einem Katarakt — müssten wir aussteigen, da möglicherweise das Floss zerschellen könne, sie würden allein versuchen, durch clie wilde Fluth zu kommen, so beschlossen wir, die Umgehung über Staribrocl anzutreten. Das Dorf liegt auf einem Plateau, über das clie Drinastrasse nach Visegrad führt. Es ist ein alter, vielbenutzter Weg, wahrscheinlich schon in römischen Zeiten angelegt worden, aber nur für Reiter und Fussgänger passirbar. Doch ist die Anlage einer Fahrstrasse projektirt. Unser Aufstieg nach Staribrod bei strömendem Regen über Steingeröll war gerade nicht angenehm, aber bald fanden wir in einem bosnischen Bauernhause gastliche Unterkunft. So sassen wir um das stets offene Heerdfeuer in dem einzigen grossen Räume, der Wohn- und Schlafzimmer wie Küche zugleich bildet, und der in der Höhe bis unter das steile Dach reicht, wo dem Rauch durch einige Luken ein Ausweg gelassen ist. Da keine Aussicht auf Besserung cler Witterung war, beschlossen wir, hier zu übernachten. Unser Wirth war ein ziemlich wohlhabender Mann, er besass viel Vieh, das, von den Kindern gehütet, sich auf der Weide befand. Seine Frau Ljubica hatte eine hohe prächtige Gestalt nebst einem geradezu klassischen Profil, und sie suchte in* jeder Weise für das Wohlbefinden ihrer Gäste zu sorgen. Stühle gab es nicht. Die Pritsche, die einen grossen Theil des Küchen- und Wohnraumes in einem bosnischen Bauernhause einnimmt und die Nachts als Lagerstätte dient, wurde frisch Alte Brücke über die Žepa. gewaschen, mit Stroh und dann mit neuen Decken, die im Hause angefertigt waren, belegt. Hier sass ein Theil der Gesellschaft. Eine Truhe diente einem anderen als Ruheplatz, und nur meine Frau erhielt einen niedrigen Schemel nach Art cler Schusterstühle. Es wurde von unserem mitgebrachten Proviant gegessen, getrunken, schwarzer Kaffee gekocht. Die Unterhaltung war sehr lebhaft, da immer neue Besucher aus den umliegenden Häusern kamen, die sich clie Fremden ansehen wollten. Unsere Flösser waren auch eingetroffen und lagerten auf dem Erdboden am Feuer, das mit starken Scheiten stets genährt wurde. An allen Wänden und auf Stangen über dem Feuer aber hingen die nassen Kleider, Regenmäntel und Plaids, die Luft durch die nassen Dünste nicht gerade verbessernd. Hier mussten der Bezirksvorsteher und cler Oberlieutenant Abschied nehmen. Ihr Dienst erlaubte kein Uebernachten; sie hatten noch einen dreistündigen Gebirgsmarsch vor sich, che sie zu dem Orte gelangen konnten, wohin sie Pferde vorausgesandt hatten. So trennten wir uns denn mit lebhaftem Bedauern von den liebenswürdigen Herren und versuchten dann, uns clie Zeit durch Rauchen und Erzählen zu verkürzen. Unser Wirth brachte aus dem Garten frische Zwetschken und Wallnüsse, und es liess sich eigentlich ganz behaglich hausen, wenn die Gesammtlage auch einen etwas feldmässig wilden Anstrich hatte. Um unseren Proviant für die nächsten Tage zu schonen, wurde zwei Haushühnern der Garaus gemacht und sie am Spiesse gebraten, dazu vorzügliche Kartoffeln in der heissen Asche gebacken. Ein Kochen der Kartoffeln oder eine andere Zubereitungsart kennt cler bosnische Bauer nicht. Und dann kam die Ruhe! Der Hausherr, cler sich neben das P'euer niedergestreckt, unterhielt dieses clie ganze Nacht. Auf der Pritsche lagen wir Mann neben Mann, selbstverständlich angezogen und mit eigenen Sachen zugedeckt; am Feuer schnarchten die mohammedanischen Flösser. Draussen aber regnete es unaufhörlich weiter. Ich musste an die armen Kinder unseres Gastfreundes denken, die am Abend mit dem Vieh nach Hause gekommen waren, in Wasser gekochte kohlschwarze Nudeln, ein Stück Brot und ein paar Pflaumen bekommen hatten, und die dann in das Kukuruzfeld gehen mussten, um die Frucht vor Wildschweinen zu. bewahren. Sie hatten nur Leinenhosen und Hemd, ein Stück einer aus Ziegenhaaren gewebten Decke und damit genug. Ein Beil war zur Vertheidigung bestimmt. Es ist unbeschreiblich, wie genügsam Menschen und Thiere in Bosnien sind. Auch die Thiere haben nur in seltenen Fällen beim Bauer Ställe; sie bleiben Sommer wie Winter im Freien. Erst in neuerer Zeit beginnen die Landleute nach und nach Ställe oder wenigstens nothdürftige Unterkünfte herzurichten. Der Morgen tagte nicht besonders hoffnungsreich. Dicker Nebel lag auf den Bergen und in cler Richtung des Flusses, aber es regnete wenigstens nicht. So nahmen wir Abschied von Staribrod, drückten unseren Haus-wirthen die Hand und begannen den Umgehungsmarsch zur Drina. Unsere Bemannung sprang mit dem Gepäck über Stock und Stein. Aus Vorsicht hatten wir schwere Kotzen geborgt, um erforderlichenfalls ein Wetterdach errichten zu können. Unser Fahrzeug- hatte den Katarakt ohne Unfall passirt, um 6 Uhr früh ging es abwärts vom Malibug. Die Gegend war entzückend. Schroff hoben sich hinter uns die Hänge der Rujnik Planina empor, vor uns rechts den 1341 111 hohen Rogopek, links die Zlatarica und die Tesla Planina. Hoch oben aber in den Schluchten wurde von Zeit zu Zeit ein Dorf oder einzelne Häuser sichtbar, über den Staragorske Stjene Razdolje, rechts in bezaubernder Lage Dolnji-Stitarevo, Aber unsere Fahrt dauerte nur einige Stunden, dann musste sie wieder unterbrochen werden. Vor uns lag der Slap, eine Felsenenge von gigantischen Formationen, wo das ganze Flussbett von Felsklippen starrt. Nur ein schmales Rinnsal ermöglicht bei gutem Wasserstande das Passiren, und doch kommt es häufig vor, dass das Floss in dem brausenden Gischt zerschellt, dass die einzelnen Stämme weiter unterhalb aufgefangen und das Floss neu zusammengesetzt werden muss. Die Flösser lassen hier meist ihr Fahrzeug leer laufen, sie selbst schlagen den Landweg zur Umgehung des Slap ein. Es ist dies ein bedeutendes Hinderniss für die Schifffahrt, und die Regierung beschäftigt sich mit dem Gedanken der Sprengung der hauptsächlichsten Verkehrshindernisse. Die Kosten sind allerdings ziemlich bedeutend. V Auch wir mussten vor der Einmündung der Zepa in die Drina am linken Ufer aussteigen. Unser bisheriges Floss blieb bis zu höherem Wasserstande liegen, denn jenseits des Slap erwartete uns bereits ein anderes Fahrzeug mit steirischen Flössern. Zwei Flösser aus der grünen Steiermark haben sich in diesem Theile Bosniens angesiedelt; sie schlagen Bauholz aus den unermesslichen Urwaldungen und bringen es zum Verkauf nach den Savegegenden, meist nach Schabatz und Belgrad. Da sie über kein grösseres Kapital verfügen, die Stämme der Forstverwaltung aber baar bezahlen müssen (freilich wenig genug), so ist ihr Geschäft mühsam und nicht besonders lohnend. Erst der Bau einer grossen Holzriese wie in den heimischen Bergwäldern könnte es ertragreicher machen. Die bosnische Bevölkerung nennt die beiden Steirer »Sterci«, jedenfalls ab- V geleitet von »Stajerci«, so aber mehr an den steirischen Sterz erinnernd und daher auch nicht schlecht gewählt. Diese Flösser erwarteten uns ^ V — selbstverständlich ohne ihr Fahrzeug — vor der Zepamündung, und da sie einen Weg längs des Ufers, auf dem von einem Stein auf den andern gesprungen werden muss, für »Europäer« mit ihren Fussbekleidungen als absolut unpassirbar bezeichneten, hiess es die Höhe hinanklettern. Es war ein entsetzlicher Geröllweg, kaum für Gemsen oder Ziegen einen •jBqiruijQ uii du j g ray sicheren Tritt bietend. Auf der linken Seite eine Felswand, rechts fast stets Abgründe und Abstürze, dazu das Gestein vom Regen nass und glitschig. Es war ein unangenehmer Aufstieg, und, wie wir später erfuhren, hätte es etwas vorher erträglichere Punkte gegeben, um die Strasse auf dem Gebirge zu gewinnen. Unsere Begleiter halfen aber mit Kraft und Geschick über die schwierigen Stellen hinweg. Endlich erreichten wir einen Fusspfad, die Reste einer gepflasterten Strasse, und da bot sich ein wundervoller Anblick. Mitten in der Wildniss führt eine prächtige steinerne Brücke in einem einzigen kühnen Bogen über die Zepaschlucht. Tief unten wälzt der wilde Gebirgsbach seine reissenden Fluthen der Drina zu, oben aber zeigt das Gebilde von Menschenhand die einstige türkische Baukunst, Sokoloviö Pascha hat auch diese Brücke, wahrscheinlich zu der gleichen Zeit wie diejenige in Visegrad errichten lassen, und noch heute geht über sie, so schlecht der Reitweg ist, clie Hauptverbindung cler Drina-Ufergegenden. ^ Auf einem Plateau liegt das zerstreute Dorf Zepa, wo wir bei einer Quelle ruhten, um dann den Abstieg längs der Ausläufer der Sjemaö-Planina anzutreten. Es dauerte geraume Zeit, bis wir unser zweites Floss erreichten, das erst etwas bequem hergerichtet werden musste. So errichteten »Frohe l äge.« (Lammbraten am Spiesse.) wir zuvor eine Art Freilager am Flusse und hielten ein lukullisches Mahl, zu dem uns die Sonne von oben ihre wärmsten Strahlen sandte. Vergessen waren alle Strapazen und Beschwerden der letzten Stunden. In der Berg- und Waldeinsamkeit fühlten wir uns glücklich und die smaragdgrünen Wellen der Drina rauschten ein Schlummerlied. Hier nahmen wir Abschied von unseren Gorazdaer Flössern, clie noch das Gepäck auf das neue Fahrzeug übertragen hatten und clie nun den Marsch in clie Heimath zu Fuss antraten. Sie hatten sich in jeder Beziehung bewährt; und es that uns förmlich leid, sie scheiden zu sehen. Dann bestiegen wir wieder unser »Schiff«, und vorwärts ging es in die hier rauschende Fluth. Die Gegend ist hoch interessant, an den Kazanpass der unteren Donau erinnernd. Vier Stunden -lang fährt man zwischen steilen Felswänden, die oft unterwaschen sind und tiefe Höhlen zeigen. Todtenstille herrscht in der Natur, nur Geier und mächtige Adler schweben in den Lüften, während hin und wieder ein Fischreiher über dem Wasser streicht oder auf einer Sandbank ohne jede Scheu ausruht. Die Felswände selbst sind wenig bewaldet, doch wachsen Schwarzkiefern, riesige Nussbäume und auch Silber-linden oft mitten aus dem Gestein, an Stellen, wo das Auge nicht den mindesten Halt gewahrt. Auf den Höhen aber ist dichte Waldvegetation, meist Steinbuche, Kiefer und Weissdorn. Wir haben, von cler Einmündung des Bausniökabaches angefangen, rechterseits jetzt das Königreich Serbien, dessen Ufergebirge auf weite Strecken sich ziemlich kahl zeigen. Anfangs hat der Fluss noch einen streng nördlichen Lauf; links wird er von dem 1094 m hohen Jasenovac, dann von der 1246 m hohen Zvjezda, hinter cler sich der Igrisnik (1518111) erhebt, begrenzt. Dann springt die Javor-Planina scharf gegen den Strom vor, der einen weiten Bogen nach Osten beschreibt. Es war schon ziemlich spät am Tage geworden, als wir an cler mächtigen Kuppe cler Ljutica (1243 m) vorüber, deren äusserste Hänge eine umfangreiche Burgruine mit zwei zerfallenen Wachtthürmen tragen, gegen Klotievac zulenkten. Eine gefährliche Stelle wollten unsere Flösser nicht bei Dämmerung passiren, und so legten sie vorzeitig am Ufer an, während es für uns hiess, einen Marsch von dreiviertel Stunden nach der Finanzwach-Kaserne in Klotievac zurückzulegen. Fremde Reisende, die von der Regierung empfohlen sind, finden in solchen Gegenden, wo keine Gasthäuser oder nur clie landesüblichen Hans vorhanden sind, in den Gendarmerie- oder Finanzwach-Kasernen Unterkunft und Verpflegung gegen einen billigen Tarif, Es ist dies eine nicht genug anzuerkennende Vergünstigung, und besonders bei der Gendarmerie ist man ganz vorzüglich aufgehoben. Wir hatten einen unangenehmen Aufstieg vom Ufer zur Höhe, fanden dann aber einen Fussweg, den wir nicht verfehlen konnten. Hierauf überschritten wir einen Bach auf einem einfachen Baumstamme als Brücke, über einen zweiten konnten Auerhahnbalz in den Wäldern an der Drina. wir erst setzen, nachdem aus einer nahen türkischen Mühle einige Balken requirirt worden waren. Nicht lange darnach erreichten wir unser Tagesziel. Die Finanzkaserne war ein schönes, grosses Gebäude, das einen Hügel krönte und weithin auf das serbische Drina-Ufer einen Rundblick erlaubte. Die Aufnahme war freundlich, Zimmer und Betten rein und gut, aber ausser Milch war zur leiblichen Stärkung nichts zu bekommen, auch war keine Köchin vorhanden. Wir hatten jedoch noch Enten und Gulyasch-Konserven, Wein und Trauben, sodass ein köstliches Mahl hergerichtet wurde. Dann stieg der Duft vorzüglicher bosnischer Cigaretten in die kühle, aber würzige Nachtluft, bis uns endlich der Traumgott umfing. Der nächste Morgen sah uns mit dem Tagesgrauen auf den Beinen. Einen steilen Pfad ging es durch thaufrische Wiesen und niedriges Gestrüpp ziemlich senkrecht zur Drina hinab, wo unser Floss bereits angelegt hatte. Wir hatten heute kaum 15 Minuten gebraucht. Die Sonne tauchte gerade hinter den serbischen Grenzgebirgen auf, als unser Floss sich in Bewegung setzte. Das Ufer ist hier anfangs auf bosnischer Seite niedriger als auf serbischer; das Wasser hat wenig Gefälle und schleicht ziemlich träge dahin. Unsere Flösser hatten eine schlechte Unterkunft gehabt, auch früh noch keinen Sterz machen können, sodass sie griesgrämig in die Welt sahen. Diesem Missmuth wurde aber bald abgeholfen. Unser forstmännischer Begleiter, selbst ein Steirer, errichtete aus einigen grossen Steinen einen provisorischen Herd auf dem Hintertheile des Flosses; clie Hälfte eines leeren blechernen Petroleumbehälters wurde darauf gestellt und in diesem Feuer angemacht, das lustig flackerte. Dann bewies der eine der Flösser seine Kochkunst, sodass auch ihr Magen sich bald gesättigt zeigte, besonders als wir durch einen Liter Wein dafür sorgten, dass der fette Sterz besser verdaut werden konnte. Die serbische Seite ist dem äusseren Anblick nach weit civilisirter; dort sieht man überall Anbau und Felder, sogar eine Fahrstrasse längs des Ufers. Die Befreiung von türkischer Herrschaft hat ihre Früchte getragen. Wenn man freilich der Sache tiefer auf den Grund gehen wollte, würde man bald erkennen, wie trügerisch diese serbische Civilisation ist und wie viel mehr die bosnische Bevölkerung Grund hat, mit ihren Verhältnissen zufrieden zu sein. Nach einigen Stunden Fahrt erreichten wir Gjurgjevac, dessen neue Gendarmeriekaserne schon von weither sichtbar ist. Hoch über dem Orte liegen ausgedehnte Mauerreste einer alten Burg; am serbischen Ufer in den Felsen das Dorf Branovina, wo einstmals Weinbau betrieben wurde. Bei Pernoöac, unweit davon, aber nahe am Flusse gelegen, ist dies heute noch der Fall. Dort steht eine stattliche Säge nebst einer Holzriese. Die Gegend wird beiderseits belebter; die Berge treten mehr zurück, clie jähen, schroffen Abstürze sind seltener, die sanfteren Abdachungen häufiger. Hin und wieder tritt auf bosnischer Seite eine Moschee in den Vordergrund, besonders malerisch in dem Dörfchen Gornji-Pefii. Bei Barakovac starrt der Fluss voll Klippen; nur eine kleine Fahrrinne blieb bei dem niederen Wasserstande, doch entging unser Fahrzeug allen Fährlichkeiten. Längs des serbischen Ufers wäre leichteres Fahren gewesen, doch scheuten unsere Flösser diese Seite, da Chikanen serbischer amtlicher Organe nicht gerade zu den Seltenheiten gehören. Das Gelände ist rechts und links niedrig und schön bewaldet, in Serbien wie ein gepflegter Park. Hier bekamen wir seit Tagen den ersten Wagen zu Gesicht, der in schlankem Trabe dem Städtchen Bajna-BaSta zustrebte. Der Ort selbst, der dem bosnischen Skeliani gegenüber liegt, ist nicht sichtbar, er liegt etwas landeinwärts, am Ufer steht nur eine serbische Karaula (Wacht-haus) und eine Mehana (Gasthaus). Auf bosnischer Seite ist eine neue Gendarmerie-Kaserne erbaut, und da hier eine Ueberfuhr besteht — wie der Name des Ortes anzeigt — ist auch eine Finanzwache stationirt. Auf den Feldern stand Tabak, der übrigens auch schon um Klotievac angebaut wurde. »Deutsche Worte hör' ich wieder!« konnten wir auf einmal ausrufen; nur kamen sie nicht, was weniger zu verwundern gewesen, vom bosnischen, sondern vom serbischen Ufer. Unsere Begleiter waren von einem kleinen lebhaft gestikulirenden Herrn, der gerade einigen Serben das Gegentheil von Schmeicheleien an den Kopf geworfen hatte, erkannt worden. Es war ein Wirth aus Srebrenica, den Holzgeschäfte hierher geführt hatten und der sich mit uns auf Distanz lebhaft unterhielt. Immer lieblicher wurden die Ufer, saftig grüne Matten dehnten sich bis zum Wasser aus, reizende Baumpartien, in denen serbischerseits hübsche Ziegelhäuser standen, konnten an Schweden erinnern. Da der Abend hereingebrochen, landeten wir eine halbe Fahrstunde unterhalb Fakovic, in dessen Finanz-Kaserne wir auf gastliche Unterkunft hofften. P2s stand uns aber noch ein wenig angenehmer Nachtmarsch bevor. Ueber einen schlechten Geröllweg hatten wir die Anhöhe erklommen, aber nun trat die Dunkelheit mit aller Macht ein, der Fusspfad war nicht mehr sichtbar, zudem begann es zu regnen. Ueber Stock und Stein, immer in der ungefähren Richtung der Kaserne ging es vorwärts, über Stoppelfelder, an langen Trockenschuppen für Tabak vorüber. Einmal stolperten wir über Stricke, mit denen Rinder im Freien angepflockt waren, aber wir erreichten eine breite Fahrstrasse und damit hatten wir gewonnen. Bald befanden wir uns unter Dach, doch mussten wir von unseren Vorräthen zehren. Trübe brach der fünfte Morgen unserer Argonautenfahrt herein. Ein leichter Sprühregen, der sich bald in einen ausgiebigen Guss verwandelte, schien uns eine wenig angenehme Fahrt zu versprechen. Nach clem üblichen Frühmarsch zum Floss versuchten wir, ein Regendach zu irnpro-visiren, was theilweise gelang. Erst gegen 8 Uhr traten wir die Fahrt an. Es herrschte etwas gedrückte Stimmung, besonders da unsere Weinvorräthe ihrem Ende nahten und wir aut Sparsamkeit angewiesen waren. Die Gegend wurde auf beiden Seiten flacher, gut bebaute Felder, zahlreiche Häuser, hie und da kleine Kirchen neuer Bauart wurden sichtbar, oft grüsste uns freundlicher Zuruf der Bewohner, und auch Serben riefen uns Im Drina-Defile. ihr: »Sretan put!« (Gluckliche Reise!) zu. Im Flusse traten immer mehr Sandbänke, kleine Inseln und Schotterbänke auf, und unsere Flösser begannen besorgte Gesichter zu machen. Dafür besserte sich das Wetter, und um 10 Uhr leuchtete die Sonne in voller Klarheit. So wurden die Schlangenwindungen der Drina bei Tegare überwunden; links grüssten uns die Waldgebirge der Srebrenicaer Gegend, rechts winkten die hohen Häupter der Azbukova-Planina. So waren wir glücklich bis in die Nähe von Voljevica gelangt, als unser Floss auf einmal auf einer Schotterschicht festsass. Flugs sprangen unsere Flösser ins Wasser und versuchten, das Fahrzeug flott zu machen, aber dieses wich und wankte nicht. Da war guter Rath theuer, besonders als die angestrengten Bemühungen sämmt-licher Fahrenden zwei Stunden lang vergeblich blieben. So nahe am Ziele zu scheitern, wäre doch ein zu schmerzliches Ende der prächtigen Wasserpartie gewesen. Das Schicksal hatte es auch anders beschlossen, es war uns noch einmal günstig. Es wurde mit vereinten Kräften ein Drehen des Flosses versucht. Lange rührte es sich nicht, dann ein plötzlicher Ruck, ein Krachen und Knirschen in den Stämmen, und langsam glitten wir von der Stelle. Noch einige kleine Hemmnisse suchten uns zwar aufzuhalten, aber bald befanden wir uns in besserem Fahrwasser und nach 3 Uhr Nachmittags legten wir am Ufer in Ljubovija an. Die Wassertour war trotz des niedrigen Wasserstandes geglückt! Das Floss wurde am Lande befestigt, da es hier vorläufig liegen bleiben musste, wir aber suchten clie auf einer kleinen Erhöhung an der Fahrstrasse Zwornik-Srebrenica liegende Gendarmerie-Kaserne auf, wo wir mit offenen Armen empfangen wurden. In den schön gepflegten Gartenanlagen sassen wir bald bei schäumendem Bier, und clie Köchin bereitete einen vorzüglichen Mailänder Risotto. Ljubovija besitzt eine ungemein malerische Lage. Die Drina ist sehr breit, und am serbischen Ufer in einer ausgedehnten Ebene liegt der serbische Ort gleichen Namens, im Vordergründe ein Wachthaus, Zollgebäude und eine Mehana. Hier findet ein ziemlich reger Verkehr zwischen beiden Ufern statt, weshalb auch in Bosnisch-Ljubovija eine Finanzkaserne und umfangreiche Lagerräume erbaut sind. Ueberhaupt macht cler Ort mit seinen vielen neuen Gebäuden — darunter ein grosser türkischer Han — einen wohlhabenden und freundlichen Eindruck. Wir blieben bis zum Einbruch der Dämmerung, dann bestiegen wir einen mittlerweile besorgten Wagen und rollten in schlankem Trabe unserem nächsten Ziele, cler alten Bergwerksstadt Srebrenica zu, die in zwei Stunden erreicht wurde. Am Wrege liegen einige gut gebaute ausgedehnte Dörfer mit Läden, Cafes, Kirchen und Moscheen, rechts und links cler Strasse wohlbestellte Felder, zum Theil mit Tabak bepflanzt. Bewaldete Höhen, über die sich immer höhere Kuppen erheben, begrenzen auf allen Seiten den Blick. Es ist ein entzückendes Meer von Grün. Endlich verengt sich das Thal — wir sind in Srebrenica! Eine alte bosnische Bergwerksstadt. Srebrenica ist ein kleines, etwa 1500 Bewohner zählendes, malerisch gelegenes Gebirgsstädtchen, durch das sich die Krizevica und der CiSevac-Bach schlängeln. Hoch über der Stadt steht auf einem Trachytgrate ein kleines türkisches Fort und noch höher eine schöne, ausgedehnte, mittelalterliche Burgruine mit zwei Thürmen. Wem die Stadt ihre Entstehung verdankt, ist unbekannt; 1376 wird sie (wie Professor Dr. Jireiek in seinem Werke: »Die Handelsstrassen und Bergwerke von Serbien und Bosnien während des Mittelalters«, Prag 1879, angiebt) zuerst genannt, wo sie bereits ein lebhafter Handelsplatz war und eine ragusanische Ansiedlung besass. Im Jahre 1410 wird Srebrenica von den Ungarn erobert. 141t —1440 ist es in serbischem, 1440—1443 in türkischem Besitze und wird 1443 wieder von den Bosniern eingenommen. Dies gab jedoch Veranlassung zu einem langen Kriege zwischen Serbien und Bosnien um den Besitz des wichtigen Bergwerksortes, wobei die Stadt durch wiederholte Eroberungen sehr viel zu leiden hatte. Seit 1417 bestand in dem Silber, Blei und Kupfer produzirenden Srebrenica (die Silberstadt) eine Münzstätte. Das Franziskanerkloster, einst das Hauptkloster des Ordens und mitten in der Stadt gelegen, erscheint schon 1425 in Ragusaner Urkunden und wurde 1686 zerstört. Von ihm erhielt clie bosnische Kirchenprovinz den Namen »Bosna Argentina«. Ragusaner gab es hier noch am Ende des 15. Jahrhunderts. Im Anfange des 16. Jahrhunderts ging der Bergbau vollständig ein. Im Jahre 1881 wurde der alte Bergbau durch clie Gewerkschaft »Bosnia« wieder Kopfleiste: Vignette auf dem Titelblatt einer Evangelien-Uebersetzung aus der alten Bergwerksstadt Olovo von 1586, gedruckt in Venedig in altkroatischer Sprache. erweckt und die vorgenommenen Detailstudien, die Untersuchung der überall vorhandenen Schlackenhalden, erbrachten den Nachweis, dass bei Srebrenica ein räumlich ausgedehnter und sehr lebhafter Bergbau betlieben worden sei, dessen Mittelpunkt sich in dem heutigen Dorfe Gradina befand. Hier war das Centrum unter der römischen Kaiserzeit, während das Dorf Sase und die Stadt Srebrenica die Hauptansiedlungen der Bergleute des Mittelalters waren. Zur Kenntniss der alten römischen Ansiedlung kam man ganz zufällig durch Münzen- und Inschriftenfunde. Im Jahre 1883 wurde der Bergmeister Ludwig Pogatschnig, der die Untersuchung der alten Gruben am Kvarac leitete, aufmerksam, dass in Gradina zur Eindämmung des Wassergrabens bei einer kleinen Hausmühle ein kannelirter Gesimsstein verwendet war, den der Mühlenbesitzer einem in der Nähe gelegenen Steinhaufen entnommen hatte. Bei weiterer Umschau fand er Bruchstücke eines Inschriftsteines, die zusammengestellt eine Ära mit folgender theilweise verstümmelter Inschrift ergaben: »I(ovi) o(ptimo) m(aximo) et Genio loc(i) pro salute imp(eratoris) M(arei) A(ntonii) Gor(diani) Pii Fel(icis) Aug(usti) n(ostri) . . . tus v(ir) e(gregius) proc(urator) eius devotus numini maiestatique eius.« Gelegentlich der Vorarbeiten für eine Freifahrung der grossen Blei-schlackenhalde in Gradina entdeckte der Bergmeister 1884 einen Denkstein von hohem archäologischen Werthe. Derselbe bildet einen Würfel von 1,14 m Höhe, 0,69 m Breite und 0,45 m Dicke. Die Schriftfläche ist von einem einfach profilirten Rahmen eingefasst und lautet nach cler Lesung des Professors Dr. v. Domaszewski: »L. Donatio . . Eroti viro ex equestribus turmis egregio procuratori metallorum Pannoniorum et Dehnatiorium, mirae integritatis et bonitatis M. Aar. Rusticus v. e. ducenarius amico praestantissimo«. Der Stein ist demnach ein Ehrendenkmal des Lucius Domitius Eros, procurator metallorum Pannoniorum et Delmatiorum. Domitius war nach dem angeführten Titel der oberste Leiter der Bergbaue von ganz Dalmatien und Pannonien, d. h. der heutigen Länder Dalmatien, Bosnien und des Landes westlich der Donau vom Einflüsse der Theiss bis an den Wienerwald, dann der östlichen Theile von Steiermark und Krain. Es muss somit Srebrenica während cler römischen Kaiserzeit ein Hauptpunkt des Bergbaues in diesem ausgedehnten Gebiete gewesen sein. Nun galt es aber, die genaue Lage der römischen Niederlassung selbst zu entdecken. Die Gewerkschaft »Bosnia« liess durch Monate Grabungen in Gradina veranstalten, und da stiess man bald auf ein Mauerfundament, das an einigen Stellen bis zu 2 J/2 m unter der Grasdecke lag. Es wurden die Umrisse eines rechteckigen Gebäudes von 51 m Länge und 19,5 m Breite aufgeschlossen, dessen Hauptfront gegen Norden gerichtet war und welches an der Südseite in der Mitte eine halbrunde Apsis und an jeder Seite derselben einen rechteckigen Anbau besass. Aus der Form des Mauerwerkes konnte man ferner ersehen, dass an der Westseite des Gebäudes ein späterer Zubau vorgenommen wurde, welcher die ursprüngliche Symmetrie des Ganzen störte. Der Bau bedeckt eine Fläche von 910 qm und besitzt drei Eingänge, nämlich ein breites T'hor an der nördlichen Hauptfront und zwei schmale Thüren an der Südseite. Man fand bei der weiteren Grabung zwei grosse Inschriftsteine, die zum ersten Male den Namen des alten römischen Municipiums erkennen Hessen: »Imp. Caes. M. Aurel. Severo Alexandro pio fei. invicto Aug. pont. max, trib. pot. X. pat. p. cos I indulgentissimo principi ordo mun. Dom. d. d. p. p. dedicante Jul. Tacitiano v. e. proc. Aug. n. numini eius devotissimo et dicatissimo«. »Juliae Mamaeae Aug. matri Imp. Caes. M. Aur. Severi Alexandri pii fei. invic. Aug. et cast. et Senat ac patr. ordo mun. Doinav. d. d. p. p. dedicante Jul. Tacitiano v. e. proc. Aug. (n.) devotissimo numini eoruin«. Es sind dies zwei Ehrensteine des Kaisers Alexander Severus und seiner Mutter Julia Mammaea, errichtet von dem Municipium Domav. . . aus öffentlichen Geldern und geweiht von dem Prokurator Julius Tacitianus, welcher wahrscheinlich Prokurator der Bergwerke war. Stellenweise sind die Inschriften dieser zwei Steine durch nachträgliche Ausmeisselung undeutlich geworden, und es mag diese Verstümmelung im Jahre 235 nach dem Sturze des Kaisers Alexander Severus durch seinen Nachfolger Maximus erfolgt sein, zu welcher Zeit nach römischem Brauche alle dem Festeren geweihten Denkmale umgestürzt werden mussten. Der Fund dieser zwei Steine war wichtig, weil aus ihnen sich der Name des Municipiums, wahrscheinlich Domavia, ergab, das bis dahin gänzlich unbekannt war. Man fand noch eine 12 cm hohe, gut erhaltene Broncestatue der Venus sammt dem dazu gehörigen Postament aus Bronce. An der Statue sah man Stellen, wo noch cler Formsand angebrannt war und am Postamente solche, welche nicht gut ausgelaufen waren. Es hatte daher den Anschein, dass-diese beiden Gussstücke als Ausschuss verworfen worden seien, und Bergmeister Pogatsclmig schloss daraus, dass entweder in dem geöffneten Gebäude selbst oder in dessen nächster Nähe eine Metallgiesserei beziehungsweise eine Hütte bestanden habe. Westlich vom Haupteingange stiess man auf einen Bleikuchen im Gewichte von 6700 g, auf dessen Oberfläche die Zahl XX eingeschlagen stand, offenbar jene Form, in welcher die römische Hütte in Domavia das Blei zur Versendung brachte. Die Zahl XX bedeutet wahrscheinlich 20 römische Pfunde und dürfte dies das Normalgewicht für die Bergwerksprodukte gewesen sein. Zwanzig römische librae entsprechen zwar nur einem Gewichte von 6549 g, aber das kleine Uebergewicht des Kuchens von 151g dürfte theils auf eine Ungenauigkeit der Gussform, theils auf die Oxydation des Bleies an der Oberfläche zu- rückzuführen sein. Ausserdem wurden Münzen, die bis zum Jahre 340 reichen und sonstige Gegenstände in reicher Zahl gefunden, sodass der Beweis erbracht war, man habe hier eine bedeutende römische Bergwerksstadt entdeckt. Erst im Jahre 1890 ermöglichte die bosnische Landesregierung durch Bewilligung von Geldmitteln die Fortsetzung der Ausgrabungen in Gradina in grösserem Umfange, und wurde Bergrath Radimsky mit der Leitung der Arbeiten betraut. Vor allem war es nöthig, einen Ueberblick des Umfanges der alten römischen Ansiedlung zu erhalten, was natürlich, da das Terrain bebaut war, nur mit grosser Vorsicht und Geduld zu erreichen war. Im Osten und Südosten des sogenannten Grad wurden ausgedehnte römische Gebäuderuinen entdeckt und auf einem Plateau am rechten Ufer des Sasebaches, unweit von seinem Zusammenflusse mit dem Majdanski Potok, ein Rechteck von etwa 2500 Quadratmetern Fläche, an dessen Umfange häufiges Mauerwerk mit dem ziegelgemischten römischen Mörtel beobachtet werden konnte und in dem ein römisches Castrum vermuthet wurde. Im Jahre 1891 wurden weitere Ruinenhügel sowohl in den Thälern des Majdan- und Sasebaches, als auch auf der Anhöhe, welche das heutige Dorf Gradina trägt, entdeckt, und eine Aufnahme aller dieser Punkte ergab einen vollständigen Plan der Römerstadt Domavia. Stadtansicht von Srebrenica. Es war ein wundervoller Septembermittag, als wir von Srebrenica aus die Fahrt nach Domavia antraten. Der Weg führt auf der Strasse gegen Ljubovija fast anderthalb Stunden, dann zweigt er rechts ab und führt in schnurgerader Richtung zwischen gut bebauten Feldern zu einem Han und mehreren Häusern, wo der Wagen stehen gelassen und der Weg zu Fuss angetreten werden musste. Anfangs zwischen prächtigen saftigen Wiesen, an einigen Bogomilensteinen vorbei, führt er dann an den Abhängen des Kv arac entlang, alle Augenblicke einen Bach kreuzend, der entweder auf einem Baumstamme überschritten oder durchwatet werden muss. Soviel ist gewiss, dass der etwa fünfviertelstündige Weg nach Gradina an Bequemlichkeit viel zu wünschen übrig lässt und dass nach dem alten Domavia einst eine bessere Strasse geführt haben muss. Die Gegend selbst aber ist wunderschön; überall dunkle Laubwälder, üppige Matten und, wo sich ein Fernblick bietet, clie Aussicht auf clie Höhenzüge an der Drina und die in dunklen Tinten sich abhebenden serbischen Grenzgebirge. Bald konnten wir unseren Fuss auf den Boden Domavias setzen, das gänzlich verschollen war, dessen Namen keine Geschichte nennt, wenn nicht jetzt die Steine selbst für sein einstiges Bestehen Zeugniss ablegen würden. Die Erhöhung zum alten Castrum hinansteigend, begriisste eine junge Bäuerin unsern Begleiter, Herrn Bergverwalter Kolb, cler ihr wohl bekannt war, und sie versprach, uns bald Kaffee dorthin zu bringen, wo einst die alten Römer sich dem clolce far niente hingegeben: nach den Ruinen des Bades. Dort begriisste uns der heutige Leiter der Ausgrabungen, Herr Worliczek, cler uns bald als sachkundiger Führer diente. Die öffentlichen Gebäude, die Curia, das Tribunalsgebäude, die öffentlichen Bäder sind vollkommen freigelegt, und das Hypocaustum — die grosse I Ieizanlage — ist vorzüglich erhalten. Man wandert heute in den Strassen der alten Stadt, clie Umrisse cler Gebäude sieht das Auge, das Ganze selbst muss clie Phantasie gestalten. Wann Domavia zerstört wurde, erzählt keine Chronik; dass es nach 340 geschah, bezeugen die gefundenen Münzen. Gründlich war die Zerstörung jedenfalls, denn die Ausbeute an kleineren Funden, an Metallobjekten ist nur gering. Entweder haben sich die römischen Provinzialen vor den andringenden Barbaren, den Avaren und später den Gothen, freiwillig zurückgezogen, und dann nahmen sie sicher ihr bewegliches Eigenthum, namentlich ihre Habe an Metallgegenständen soweit als möglich mit, oder sie wurden von den Feinden mit Gewalt verdrängt. Im letzteren Falle folgte zweifellos eine vollständige Ausraubung und Zerstörung der Gebäude. Wie in Domavia gewüthet wurde, zeigen die sämmt-lich umgestürzten und theilweise zerschlagenen Ehrensteine in der Curia, von welchen der des Kaisers Septimus Severus sogar in seinen Bruchstücken aus verschiedenen Räumlichkeiten des Gebäudes zusammen ge- sucht werden musste. Auch die vielen, aber sämmtlich kleinen Fragmente der lebensgrossen Broncestatue, die auf dem Piedestale der Apsis stand, sprechen fiir einen gewaltsamen Untergang. Der Schwerpunkt der erzielten Resultate liegt darin, dass der Bestand und die Ausdehnung einer unbekannten römischen Bergwerksstadt in Gradina nachgewiesen ist, welche eine Burg, sowie eine Ober- und eine Unterstadt besass. Unter den bisher gefundenen Inschriftsteinen, wovon 6 leider nur in Fragmenten erhalten sind, finden sich zwei Aren, deren eine dem Jupiter und der Juno, die andere dem Jupiter und dem Genius des Ortes geweiht war, 6 Ehrensteine von Kaisern und deren Verwandten, 2 Ehrensteine von kaiserlichen Pro- Ockerfnbrik in Srebrenica. kuratoren, 2 Steine, die sich auf die Wasserversorgung und eine Restau-rirung cler öffentlichen Bäder beziehen, endlich ein Grabstein. Ferner sind die Namen von sieben hohen Würdenträgern bekannt geworden: Marianus Julianus, procurator Augusti; L. Domitius Eros, procurator metallorum Pannoniorum et Delmatiorum; M. Aurelius Rusticus, Ducennarius; Julius Tacitianus, procurator Augusti; C. Julius Silvianus Melanio, procurator Augusti; Valerius Super, procurator argentariarum; Aurelius Verecundus, procurator argentariarum. Den Funden in Domavia, die sich jetzt grössten-theils im Museum in Sarajevo befinden, ist daher eine besondere Wichtigkeit beizumessen und die fortgesetzten Ausgrabungen dürften noch manche Ueberraschung bringen. Und als die Barbaren über Domavia daliingebraust waren, herrschte Jahrhunderte lang Stille auf der Stätte des einst so grossen Verkehres. Auf den Ruinen wuchs Gras, es wuchs Wald, und schliesslich verdeckte eine Wildniss die Bergwerksstadt. Aber selbst in den Zeiten cler steten Völkerwanderungen, in denen Bosnien unzählige Male verheert wurde, bis sich schliesslich die Stämme der Kroaten und Serben festsetzten, muss sich die Tradition von Mineralschätzen erhalten haben. Ein halbes Jahrtausend nach der Vernichtung Domavias lassen die bosnischen Bane wieder schürfen am Kvarac und um Srebrenica. Sie trafen nicht die alten Stellen, aber es ist nur ein Zufall, dass nicht sie bereits wieder Domavia entdeckten. Deutsche Bergleute waren es hauptsächlich, die in jener Zeit des Mittelalters dem bosnischen Bergbaue ihre Dienste widmeten. Sachsen sind es gewesen, und der Name des heutigen Ortes »Sase« (Sachse) hat ihr Ge-dächtniss bewahrt. Sie kamen theils aus Siebenbürgen, theils aus der Gegend von Freiberg in Sachsen, wenigstens ist eine Urkunde erhalten, in welcher von dort gekommenen Bergleuten besondere Vergünstigungen zugestanden werden. Ebenso waren sächsische Bergwerksansiedlungen in Olovo, wo auf Blei geschürft wurde, entstanden. Da kam die Eroberung des Landes durch die Osmanen. Der Bergbau schlief ein, und immer stiller wurde es in dem schönen Winkel zwischen Drina und Jadar. Nicht einmal die Kriegsunruhen belästigten dieses Gebiet. Es lag abseits von der grossen Heerstrasse und in den Wäldern suchte man weder Schätze, noch die Nachkommen der alten Bergleute, die ohnedies kein Metall mehr verborgen hatten. Nur Schlackenhalden erzählten von der alten gewerbsreichen Zeit, und als die neue Aera anbrach, als Oesterreich-Ungarn Bosnien zu einer neuen Auferstehung verhalf, da erstanden auch die Bergwerke von Srebrenica aus ihrem halbtausendjährigen Schlafe. Die Ausbeute lohnte sich aber nicht; der Betrieb wurde nach mehrjährigen Bemühungen wieder eingestellt und nur die staatliche Ockerfabrik liefert ein gutes Erträgniss. Dafür hat aber Srebrenica durch ein anderes flüssiges Produkt seiner Berge einen Weltruf gewonnen, durch das Wasser der Guberquelle. Früh Morgens war es, als wir uns von der Stadt aus auf den Weg machten, um eine der interessantesten neuen Anlagen in Bosnien zu besichtigen. In südlicher Richtung führt eine gutgebaute Fahrstrasse, immer bergan steigend, durch eine entzückende Waldlandschaft nach der Heilquelle des Crni Guber, des einzigen natürlichen arsen-eisenhaltigen Wassers in Europa. Immer zur Rechten den Gebirgsbach, zur Linken den Westabhang der Ausläufer des Kvarac, zieht sich der Weg etwa 3/* Stunden zu Fuss in einen förmlichen Gebirgskessel, der, von drei Seiten durch steile Hänge umschlossen, ein mässiges Plateau von überraschender Lieblichkeit bildet. Die üppigste Waldvegetation, von der jungen Birke bis zur vielhundertjährigen Buche und Eiche, entzückt das Auge, und in das Rauschen der Waldriesen mischt sich das leise Flüstern der Tannen und Fichten, die einen berauschenden bruststärkenden Wohlgeruch ausströmen. Im Waldteppich aber, ganz im Gegensatze zum sonstigen bosnischen Urwald, eine Fülle der schönsten Blumen in allen Farben, von der Erica bis zur Genziana. Darüber eine leuchtende Sonne, Vogelgezwitscher von allen Zweigen. Und in dieser das Herz berückenden Gegend erhebt sich eine Reihe von Gebäuden, die eine grosse Kuranstalt darstellen. Hoch oben am Berge befindet sich die Arsenquelle, die nach dem Füllhause geleitet ist, von wo das Wasser zur Versendung nach Europa gelangt. In langen Sälen wird von unzähligen einheimischen Mädchen, Frauen und auch Männern gearbeitet. Hier werden nur Flaschen mit besonderen Apparaten gespült, dort wird das Wasser gefüllt, jede Flasche genau geprüft und, falls das Wasser nicht Krystallklarheit zeigt, zurückgestellt. In einem anderen Saale wird nur etikettirt, eingepackt und schliesslich Kisten zur Versendung bereit gemacht. Es ist ein grossartiges Fabriksunternehmen, und wenn man erwägt, dass schon jetzt eine Million Flaschen des segenbringenden Wassers zur Versendung gelangt, das grossentheils durch die bekannte Firma Heinrich Mattoni (Wien, Karlsbad, Franzensbad) bis in die entferntesten Gegenden, hauptsächlich auch nach Amerika, England, Dänemark, Holland und Schweden, verschickt wird, lässt sich leicht ermessen, welche Zukunft dieser Quelle noch beschieden ist. Das Guberwasser enthält nach der vom k. k. Professor der medi-cinischen Chemie und k. k. Obersanitätsrathe Dr. Ernst Ludwig in Wien vorgenommenen chemischen Analyse in ioooo Theilen: Chlornatrium Crni Giiber^ueile bei Srebrenica. 0,017, schwefelsaures Kalium 0,166, schwefelsaures Natrium 0,037, schwefelsaures Calcium 0,209, schwefelsaures Magnesium 0,219, schwefelsaures Eisenoxydul 3,734, schwefelsaures Mangan 0,009, schwefelsaures Zink 0,078, schwefelsaures Aluminium 2,277, freie Schwefelsäure 0,093, saur. phosphorsaures Calcium 0,010, Arseniksäureanhydrid 0,061, Kieselsäureanhydrid 0,648, Lithium, Kupfer-Spuren, organische Substanzen 0,074. Summe der festen Bestandtheile 7,539- Gebraucht wird das Wasser gegen Krankheiten, die auf abnormer Zusammensetzung des Blutes beruhen (Anämie, Chlorose); Schwächezustände nach erschöpfenden Krankheiten, ferner Malaria, Wechselfieber und denselben folgenden Kachexien; Krankheiten des weiblichen Genitaltraktes und deren Folgezustände; Hautkrankheiten; Nervenkrankheiten; gewisse Formen von Neubildungen (Lym phome). Hat nun die Brunnenanstalt Crni-Guber schon jetzt eine grossartige Bedeutung erlangt, so miisste dieselbe noch mehr wachsen und sie könnte Srebrenica zu einem bedeutenden Kurorte machen, wenn der Brunnen direkt als Trinkquelle eingerichtet würde. In dieser idyllischen Gegend würde bald Leib und Herz des Kranken gesunden, Srebrenica aber könnte jenen Aufschwung nehmen, den es seiner Lage nach in jeder Weise verdient. Allerdings ist dies Zukunftsmusik, denn heute ist die Verbindung noch zu beschwerlich. Erst wenn von Bröka an der Save die Bahn nach Tuzla, von dort eine Zweigbahn nach Zwornik geführt würde, wäre ein solcher Plan zu realisiren oder wenn die Regulirung der Drina einen beständigen Dampferverkehr nach Zwornik oder besser nach Ljubovija ermöglichte. Die bosnische Landesregierung hat schon so viel unmöglich Scheinendes' in Thatsachen übersetzt, dass wir auch der obigen Idee die Verwirklichung nicht absprechen. Wie sagte doch ein Gendarm auf einem einsamen Gebirgsposten: »Gott und unserer Landesregierung ist nichts unmöglich!« Nach unseren Erfahrungen im Lande sind wir derselben Ueber-zeugung, daher wünschen wir Srebrenica, dass es bald ein besuchter Kurort sei. Die heutige kleine Stadt hat etwas an sich, das sich ins Herz schmeichelt. Nicht clie pittoreske Lage allein macht dies, sondern auch 15 I 1 I Bosnischer Mohammedaner. die Eigenart ihrer Bewohner, die ausserordentlich zuthunlich sind. Für uns fand sich eine wundervolle Oase im Gasthause Edbauer im »Kegelklub«, dem Kasinozimmer. Es ist nur ein einziger kleiner Raum und Abends sitzen die Beamten, Offiziere und Fremden ziemlich dicht gedrängt, aber selten werden sich auf so beschränktem Räume so viel Gemüthlichkeit, Humor, Witz und dabei Verstand zusammenfinden, als hier. Die Bierverhältnisse könnten freilich bessere sein, aber wenn Aktienbier aus Sarajevo ankommt, ist Jedermann doppelt vergnügt. Die Stadt selbst ist nett und reinlich. Ein grosses Spital, clas aber damals noch keinen Kranken hatte, grusst am Eingange des Ortes. Eine stattliche serbische Kirche würde einen weit besseren Eindruck machen, wenn auf dem rings um sie gelegenen Friedhofe die Grabkreuze nicht den geschmacklosen Schmuck der nationalen serbischen Bänder (blauweissroth) tragen würden. Ein hübscher neuer Konak als Amtsgebäude und eine Schule vervollständigen das Bild der Gegenwart. Schlussvignette: Denkstein »Angjelia« bei Oprasic. Nach Zwornik. Avdi Beg hatte seinen Wagen zur Fahrt nach Zwornik gesandt. Iis war eine wirkliche Kalesche, nur über alle Maassen verwahrlost. Dafür waren Pferde und Kutscher um so besser. Es war ungefähr 6l/4 Uhr früh; dichter Nebel lag über der Gegend und der Herbst hatte schon stark seinen Einzug gehalten. Noch ein Winken, ein letztes »S Bogom!« (Mit Gott!) clie Pferde ziehen an, wir sind wieder auf cler Landstrasse. Es geht denselben Weg nach Ljubovija zurück, den ruius Leuco dermis. • , • , t- , . ~ , . , (Antoine.) wir kel "er ^ a"rt nach brebremca verfolgt haben, nur ist es Sonntag und überall wandern Bauern und Bäuerinnen im Sonntagsschmuck zur Kirche. Bald ist Ljubovija erreicht, — ein Gruss hinauf zur Gendarmerie-Kaserne und dann weiter. Da erscheint die Sonne über den Kuppen der Azbuka, mit goldenem Scheine clen weiten Wasserspiegel der Drina vergoldend. »Drina voda zeleni« (grünes Wasser der Drina) heisst es im serbischen Liede, und wirklich glänzt es im Strahle der Morgensonne wie Smaragd. Es ist eine genussreiche I^ahrt, und stellenweise könnte man sich in Madagaskar glauben. Ganze Wälder von Farrcnkraut stehen in den Lehnen längs der Strasse. Das ist nicht unsere heimische bescheidene Pflanze, das sind förmliche Bäume, manneshoch, wie aus vergangenen Weltperioden übriggeblieben. Es ist ein imposanter Anblick, der sich dem Gedächtniss unauslöschlich einprägt. Dann kommen gut bestellte Tabakfelder, Häuser auf beiden Ufern. Und wie auf bosnischer Seite auf wohlgepflegter Fahrstrasse unser Wagen dahinrollt, verfolgen auf serbischer Seite landesübliche Bauern- wagen ein gleiches Ziel, wahrscheinlich das bis zum Berliner Vertrage in türkischem Besitz befindliche Mali-Zwornik, das letzte Zwinguri auf serbischem Boden. In Drina6a, am Einflüsse des durch die Drinaöa verstärkten Jadar in die Drina, wird Halt gemacht. Ein hübsches Wirthshaus nimmt uns in seine gastlichen Schankräume auf. Hier treffen wir das, was jetzt in ganz Europa äusserst modern geworden ist: »nothleidende Landwirthe«. Türkische Grundbesitzer klagen über die niedrigen Zwetschkenpreise! Da die Menge den Preisausfall deckt, haben wir kein Mitleid; wir besichtigen den im Aufschwung begriffenen Ort mit seiner Gendarmerie- und Finanzkaserne, und dann geht es über die Drinaöabriicke nach Zwornik weiter. Immer pitto- Brüeke über die Drina6a. resker wird die Gegend; wundervolle Felspartien zeigen sich auf beiden Utern des Flusses; überall Grün, überall Wald und Obstgärten. Da plötzlich bei einer Biegung des Weges öffnet sich ein Blick auf unser heutiges Ziel. Auf hohem Felsen liegt die alte Feste Zwornik, drohend nach dem serbischen Ufer. Und dort ganz friedlich Klein-Zwornik und Sakkar inmitten von Gärten mit drei Moscheen, den einzigen (ausser Belgrad) im eigentlichen Königreich Serbien. Hohe Thore führen durch die Festung in die wirkliche Stadt Zwornik, die nach einem Brande fast ganz neu erbaut ist. Vor dem »Hotel zur Stadt Wien«, einem wahren Prachtbau, halten wir. Bald befinden wir uns in mit Teppichen belegten Räumen, wie sie die europäischen Grossstädte nicht besser bieten, wir sitzen dann in einer Restauration ganz wie in Wien, deutsch ist die Bedienung, und wenn nicht ein Blick auf die Strasse uns zeigen würde, dass wir in Bosnien sind, könnten wir nicht glauben, uns in einer alten türkischen Festung zu befinden, die einstmals kaum die bescheidenste Unterkunft bot. J¿ 5 u O N O -C y «j a ci T3 C3 C/i Zwornik, am Eingang vom Thor aus gesehen. Zwornik zählt etwas über 3000 Bewohner, ist aber ein ungemein betriebsamer und lebhafter Ort. Die Stadt zieht sich langgestreckt zwischen dem steilen Gebirge - und cler Drina hin. Ihre Lage ist prachtvoll. Wie erwähnt, liegt am Südende der Stadt die eigentliche Festung, welche clie Wegenge vollständig absperrt und durch Thürme und Schutzmauern mit cler nahezu senkrecht über ihr auf einer Spitze des Velavnik emporragenden Cita-delleverbunden ist. Dieser66oFuss hohe Punkt muss erklommen werden, wenn man die Lage Zworniks in ihrer ganzen Romantik gemessen will. Hinter uns kahles Gebirge, über welches der Weg nach Tuzla führt. Nach vorn schweift der Blick über nahezu senkrecht abfallende Festungsmauern und dringt in die eigentliche, die Wegenge absperrende Burg, von welcher sich flussabwärts in langer Linie die Stadt hinzieht. Vor uns aber das silberne Band der Drina, darüber hinaus unter den serbischen Bergen Mali-Zwornik. Heute haben clie Festungsbauten Zworniks wenig Bedeutung, aber in ihrem mittelalterlichen Zustande wohl erhalten, bieten sie ein interessantes Bild der damaligen Befestigungskunst. Ehemals war Zwornik allerdings der Schlüssel zu diesem ganzen Theile des Landes. Nach der türkischen Besetzung wurde es von kaiserlichen Heeren wiederholt belagert. Im Jahre 1688 durch Ludwig, Markgraf von Baden, eingenommen, wurde es 1689 von den Türken wieder zurückerobert. Im Jahre 1717 erlitt General Petrasch hier eine schwere Niederlage. Mehr als 1000 Mann fielen, 300 geriethen in Gefangenschaft, und auch diese liess Osman Pascha Küpriili über die Klinge springen. In der Burg Zwornik blieb aus dieser Zeit bis heute eine österreichische Kanone, die nun ihren alten Herren wiedergegeben ist. Alte Sagen umrauschen die verwitterten Mauern der Burg Zwornik, und besonders ein Bilcl ist es, das den Kenner der bosnischen Geschichte nicht verlässt, wenn er von hier auf das Wasser der Drina schaut. Eine rothe Marmortafel in den Mauern der Burg, auf der sich eine Frauengestalt und eine unleserlich gewordene altbosnische Inschrift befinden, erinnert an die schönste Herrin von Zwornik, an Jelena, die im Volksmunde nur »Prokleta Jelena« (die verfluchte Helene) genannt wird. Es ist eine wilde Geschichte, die Milena Mrazoviö in ihrem »Selam« (Berlin, Deutsche Schriftstellergenossenschaft) zu einer wirkungsvollen Novelle verarbeitet hat. Jelena regierte angeblich allein auf Burg Zwornik, als Bosnien noch immer den Zankapfel zwischen Ungarn, Serbien und den bosnischen Theil-fiirsten bildete. Sie war weit und breit berühmt wegen ihrer Schönheit und ihres jungfräulichen Stolzes, der jeden Freier abwies. Drei Brüder des edlen Vuk Jugovid irrten bereits aufweiten Abenteurerzügen im Schmerze über ihre hoffnungslose Liebe zu der Burgherrin, und Vuk Jugovic selbst — der Held — verweilte , . ...........lange Nächte am ien- Ausgesprengte Strasse bei Divic zwischen ° J ' , . „ ., seitigen Ufer der Drina, Srebrenica und ¿wor 111 k. schmachtende Blicke hinübersendend auf die Gärten der bosnischen Semiratnis, die sich, von starken Mauern umgeben, auf senkrecht in die Drina abfallenden Felsen ausbreiteten. Ganze Tage, lange Nächte weilt die Königin in diesen Gärten, aber Muley, der treue Mohr, der die Pforte des Burggartens bewacht, lässt ausser ihr Niemanden ein. Das Falkenauge Vuk Jugovic's entdeckt wohl hoch oben in der Felsenmauer über der Drina noch eine andere Thür, dicht bedeckt von wilden Divic mit dem Blick nach Serbien. Rosen, — wer vermöchte aber dort hinaufzudringen? Hat es vielleicht der Unglückliche versucht, dessen Leichnam Vuk einst in der Morgendämmerung mit einer Rosenknospe zwischen den Fingern die Drina hinabschwimmen sah? Und der Fährmann weit unterhalb der Festung hatte so oft einen Leichnam zu beerdigen, cler stets die Rose vor seinem Tode gebrochen hatte! Bei einem Festmahle cler Königin, als diese die geladenen Helden ihrer Lustbarkeit bei den Weinkrügen überliess, um sich einsam in die kühlen Gärten zurückzuziehen, stiehlt sich Vuk Jugovie, cler neben der Königin gesessen hatte und seinem Herzen nicht mehr zu gebieten vermochte, ihr nach. Vergebens bestürmt er Jelena mit seiner heissen Liebe. Als sie ihn an der Thür des Gartens zum letzten Male zurückweist, fleht Vuk sie an, ihn wenigstens in den Garten eintreten zu lassen. »Begehre es nicht, Vuk Jugoviö«, spricht die Königin mit starrem Antlitz, »denn sobald du eintrittst, bist du mein und kannst mich nimmermehr verlassen, so lange du lebst!« Da aber Vuk nicht ablässt, sie mit heissen Bitten zu bestürmen, und betheuert, class er nichts sehnlicher wünsche, als stets um sie zu sein, verspricht sie mit einem tiefen Seufzer und betrübten Angesichtes, ihm zu willfahren, vorher aber möge er zu seinen Genossen zurückkehren und ihnen erklären, dass er gleich seinen Brüdern in die weite Welt auf Heldenabenteuer gehe..... Unbeschreiblich selig war Vuk in "zuTjqojo^ dem zauberhaft schöneil Garten, denn Jelena war hier nicht kalt, nicht stolz mehr, sondern erwiderte seine heisse Liebe mit fiebernder Gluth. Nur dass nach den ersten Wochen die Königin immer seltener und auf immer kürzere Zeit kam. Vuk wurde aber immer bleicher und trauriger in seiner einsamen Gefangenschaft. Als er nach Monaten in einer finsteren Nacht abermals wie schon oft die Fürstin bat, ihm die Freiheit zurückzugeben, dringt Waffcnlärm und Getöse aus der Burg in den Garten und voll Entsetzen meldet Muley, dass Vuk Jugovic s getreuer Schildknappe, von dem Verdachte ergriffen, dass dieser von der Königin gefangen gehalten werde, an der Spitze einer empörten Schaar seinen Herrn überall in der Burg suche. Jelena lässt ihr Schwert holen, um den Meuterern selbst entgegen zu treten. Den Beistand Vuk's lehnt sie ab, weil ihre Ehre verbietet, dass ihr Geliebter hier getroffen werde. Sie verlangt sogar Vuk's Flucht. »Entferne dich durch diese Thür!« spricht die Fürstin, einen gewaltigen Felsblock von der Gartenmauer entfernend. Ein entsetzlicher Angstschrei ertönt, die eindringenden Empörer haben Muley niedergeschlagen, und im selben Augenblick erleuchtet ein zuckender Blitz die finstere Nacht. Vuk, schon an der Thür stehend, erblickt die Drina viele hundert Fuss tief unter sich. — »Jelena, bin ich der Erste, der dieses Weges geht? Jelena, du ermordetest meine Brüder?« — »Ja, Vuk Jugovic, weil ich ihre Liebe bis zum Ekel genossen habe, wie die der Anderen und auch deine.« — »Jelena, Heissgeliebte, nun bist du ein Kind des Todes, sei verflucht!« Mit Riesenkraft umfasst Vuk die Fürstin. Jelena will aber nicht allein sterben, und die eintretenden Bewaffneten erscheinen im selben Augenblicke, als beide bei dem schrecklichen Ringkampfe vereint in die Drina stürzen....... Ausser verschiedenen Kaufläden und einigen Moscheen bietet Zwornik nichts Bemerkenswerthes; es ist nur der Reiz der historischen Erinnerung, der es umfliesst. In einem Wirthsgarten am Drina-Ufer Hessen wir uns eine Zeitlang nieder. Hier schoben Mohammedaner, Serben, Soldaten und selbst Zigeuner miteinander Kegel! Es war wohl die allgemeine Brüderlichkeit, aber doch kein angenehmes Bild. Aus einem militärischen Wachzimmer hörten wir meisterhaftes Tamburicaspiel. Das war schöner, und die melancholischen Melodien schmeichelten sich ins Herz hinein. So war es mittlerweile dunkel geworden, als wir auf unserem Rundgange vor einem grossen türkischen Gehöfte stehen blieben, in dem ein geradezu tolles Treiben herrschte. Zigeunermusik ertönte, Tanz und Gesang. Wir hatten erst einige Augenblicke zugehört, als wir von einem jungen Mohammedaner, der sehr fein gekleidet war, eingeladen wurden, ins Innere zu kommen und an der Festlichkeit theilzunehmen. Es war die Vorfeier einer türkischen Hochzeit. Der Sohn des Hauses, ein reicher Beg, verheirathete sich mit V einer Dame aus der Gegend von Brika, die ihm 200 Ciftluks (Kmeten- giiter) mitbrachte, und da hier Geld zu Geld kam, wurde Alles bewirthet, was sich einfand. Es ist dies türkischer Brauch, aber hier konnte man doch sagen, dass zwei Drittel von Zwornik an dem Gelage theilnahmen. In einem riesigen Hofe waren Bänke aufgestellt, auf denen Offiziere, Civil-personen, Mohammedaner aller Schattirungen Platz genommen hatten. Das war anscheinend die Honoratiorenecke, denn hier wurde nur Bier verzapft, und der Bräutigam bediente selbst die Gäste. In den anderen Theilen des Hofes lagerte Jung und Alt, männlich und weiblich bei Bier und Kaffee und unter einem Vorbau sassen auf Minderluks einige ehrwürdige Greise um ein offenes Feuer, bei dem sie sich selbst ihren Kaffee bereiteten. Inmitten des Hofes tanzte aber eine heitere Gesellschaft beim Spiele einer Zigeunerkapelle Kolo — den bosnischen Rundtanz — der bald mit einem echten Csardas, von Soldaten aufgeführt, abwechselte. Mitten in diesem Treiben sah man geschäftig eine tolle Figur: den sogenannten »Tschausch«, den Lustigmacher. Es war ein türkischer Zigeuner, der sein Gesicht mit Kohle noch besonders geschwärzt hatte. Ueber der Schulter trug er ein Lammfell, auf dem Kopfe eine Fellmütze mi1 einem langen Fuchsschwanz, in der Hand eine Peitsche. So trieb er sich unter gellenden Ausrufen unter den Anwesenden umher oder er trat auf die Strasse, den Kindern * zum Gespött dienend. An den Fenstern der Frauengemächer des Hauses bemerkte man aber, soweit dies bei den Muscharabiehs möglich war, weibliche Gestalten, die sich an dem lauten Treiben ergötzten. Diese allgemeine Bewirthung dauert bis zu dem Tage, an dem die junge Frau ins Haus gebracht wird. Sobald ein Mohammedaner sich zur Heirath entschlossen hat, verlangt er das Mädchen durch die Vermittlung zweier Verwandten oder zweier Freunde, welche die Braut hinter verschlossener Thür befragen, ob sie dem Salih oder Mehmed, Sohn des und des, als Frau folgen wolle. Natürlich ist dies nur leere Formalität, denn die näheren Vereinbarungen sind längst zwischen den Familienvätern getroffen. Erfolgt die Bejahung, so verfügen sich die Verwandten sammt den Zeugen zum Kadi, wo sich mittlerweile der Bräutigam mit seinem Imam, sowie der Imam der Braut eingefunden haben, während die Braut selbst die Verhandlungen zu Hause abwartet. Beim Kadi werden nun die gegenseitigen Einwilligungen, die Verpflichtungen bezüglich der Erhaltung der Frau im Falle einer Trennung u. s. w. festgesetzt, sodann durch die beiden Imams Braut und Bräutigam als vor Gott wie Adam und Eva, wie Mohammed und Chadidscha vereinigt erklärt. Diese Erklärung wird dreimal wiederholt, womit die eigentliche Vermählungsceremonie beendet' ist. Nach diesem gerichtlichen Verbindungsakte werden die beiden Imams und die Geladenen, sowie die Braut vom Bräutigam mit Geschenken bedacht, welche diese erwidert. Diese gegenseitige Aufmerksamkeit, welche auch die Uebersendung verschiedener Hauseinrichtungsstücke, wie Teppiche, in sich begreift, wird durch mehrere Tage fortgesetzt und endet mit der Zustellung des Hausservice in das Haus der Braut, worauf diese endlich, nachdem sie sich einer mehrstündigen Toilette im Bade unterzogen, von den Verwandten des Bräutigams in einer Araba oder in einem modernen, aber zugemachten Wagen (in Gebirgsgegenden zu Pferde) abgeholt wird. Erst nach einem gemeinschaftlich eingenommenen Mahle und nach einem vom Imam gesprochenen Gebet und Segen tritt die Braut in die Rechte einer Hausfrau und beginnt ihr zurückgezogenes Haremsleben. Entführungen von Mädchen, wie sie einst gebräuchlich waren, kommen heute nur noch selten vor. Idyllische Fahrten. In Zwornik hatten wir für die Fahrt nach Vlasenica, unserem nächsten Ziele, einen Wagen gemiethet, der uns in sechs Stunden dorthin bringen sollte. Um 6 Uhr früh verliessen wir das altersgraue Zwornik durch das Festungsthor und verfolgten bis Drinaia die an der Drina führende Strasse, die wir bereits, von Srebrenica kommend, zurückgelegt hatten. Hier zweigt sich cler Weg ins Jadarthai ab, immer am rechten Ufer des tief eingeschnittenen Flüsschens führend. Es ist eine äusserst genussreiche Fahrt inmitten steten Grüns, wie in einem wenig gepflegten wildromantischen l'ark. Hohe Felswände säumen lange Zeit die eine Seite der Strasse ein, und auf steilem Kegel erblickt man plötzlich eine kleine Moschee, die einen ungemein malerischen Anblick bietet. Hinter ihr liegt allerdings das Dörfchen KuSlat, von dem aber kein Haus wahrzunehmen ist. Aus dieser schwindelnden Höhe war vor etwa einem Jahre ein Kind direkt auf die Strasse gefallen, hatte sich aber seltsamerweise nicht im Mindesten verletzt. In Nova-Kassaba, einem Orte von etwa 400 Bewohnern, machten wir Fütterungsstation. Ueber eine sehr nübsche neue Brücke gelangten wir in den betriebsamen Ort, den man als eine Tabakstadt bezeichnen könnte. An allen Häusern hingen clie langen Schnüre mit den aneinander gereihten Blättern und eigene Gerüste waren zum Trocknen des Tabaks in grosser Anzahl aufgestellt. Ausser einer alten Moschee mit einem hübschen Minaret enthält der Flecken nichts Bemerkenswerthes. Wir kletterten im Han (dem Einkehrwirthshause) auf die hölzerne Divanhane, — Balkon würde man Kopfleiste: Prämiirte Kälber. - 23S •(ipnjy pjBMg TsiqaSrncuiJf^ lu? 3UF3MlPSPT!A\ j in unseren Ländern nicht ganz zutreffend sagen — und erquickten uns an vorzüglichem Kaffee. Ich hatte in einem Tabaksladen einige Einkäufe gemacht und war gerade auf einem Rundgange durch die Ortschaft begriffen, als mir der Besitzer — ein Muselmann — athemlos nachgelaufen kam. Er hatte sich beim Wechseln verrechnet und mir einen Kreuzer zu wenig herausgegeben. Den trug er mir nun nach! Die Sonne brannte heiss vom Himmel, als wir unsere Weiterfahrt antraten. Unsere Pferde waren die letzten Tage entschieden überangestrengt gewesen, denn sie wollten nur langsam vorwärts, und unser Kutscher konnte sie weder im Guten noch im Bösen zu einer, schnelleren Gangart veranlassen. So blieb nichts übrig, als ihnen ihren Willen zu lassen und die Zeit durch Naturbetrachtungen auszufüllen. Das gelingt in dieser reizenden Gegend vorzüglich. I linter Nova-Kassaba, wo wir auf das linke Ufer des Jadar übergegangen sind, erweitert sich das bis dahin enge Thal zu einem weiten fruchtbaren Kessel. Ueberall sieht üarinkafelsen zwischen Nova-Kassaba man gut angebaute Fei- u nd Drina ca. der, weidende Heerden und vereinzelte Gehöfte. Bei Vrtoöe und JeliSte muss einst eine grössere Niederlassung gewesen sein, denn mächtige Bogomilensteine finden sich überall zerstreut, doch weisen sie keinerlei Skulpturen auf. Wir stiessen hier auf eine wandernde Horde von Zigeunern, unter denen eine Frau durch ihre majestätische Schönheit und ihr prächtiges blauschwarzes Haar Bewunderung zu erregen geeignet war. Sie bot sich zum Wahrsagen an, doch verzichteten wir auf diesen Genuss. Wie wir erfuhren, waren es sogenannte »Karawlachen«. Im Bezirke Vlasenica unterscheidet die Bevölkerung nämlich drei Arten von Zigeunern: weisse, braune und die Karawlachen. Die erstgenannten zwei Arten sind Mohammedaner und nennen sich am liebsten »Türken», sie werden aber von den einheimischen Mohammedanern nur »Ciganin« oder verächtlich »Firaun« genannt. Die weissen werden zwar in den Dzamijen — allerdings ganz im Hintergründe— gelitten, die braunen jedoch (£ergaSi gurbeti), die als unrein gelten, in den Moscheen gar-nicht geduldet. Die dritte Art sind orientalisch-orthodoxe Zigeuner, die angeblich vor etwa 100 Jahren aus der Walachei nach Bosnien eingewandert sind und von der Bevölkerung schlechtweg »serbische Zigeuner« genannt werden. Sie selbst nennen sich » Karawlachen«, wo-Moschee am Felsen Kuslat zwischen Nova-Kassaba runter man in Bos- und Driiiaca. • • i i> men eigentlich Rumänen versteht. Sie haben es nicht gern, wenn man sie Zigeuner nennt, indem sie auf die vielen zwischen ihnen und den mohammedanischen Zigeunern bestehenden Unterschiede hinweisen. Abgesehen von dem Religionsbekenntnisse unterscheiden sich clie Karawlachen zunächst durch ihre rumänische Umgangssprache von den zigeunerisch redenden mohammedanischen Zigeunern, dann durch einen höheren Bildungs- und Gesittungs- grad, weshalb sie auch von der einheimischen Bevölkerung mehr geachtet werden. Im Bezirke Vlasenica bewohnen sie eine geschlossene Ortschaft, Purkovic in der Gemeinde Gojöin im oberen Sprefathale, und zählen 175 Seelen in 23 Häusern. Sie gehören zu der griechisch-orthodoxen Pfarre in Lovnica und werden von ihrem Pfarrer als anständige, nüchterne, friedliebende, fleissige und sparsame Leute geschildert. In Religionssachen weisen die Karawlachen gewisse Eigenthümlichkeiten auf. Sie gehen selten in die Kirche, obwohl zu Taufen, Trauungen und Beerdigungen stets cler Pope zugezogen wird. Sie feiern das bloss bei den Serben vorkommende Fest des Hauspatrons, und zwar die heilige Petka. Die heilige Communion empfangen sie seit vielen Jahren nicht, weil angeblich vor etwa 30—40 Jahren mehrere Karawlachen, welche in Lovnica zur Communion gingen, unmittelbar darauf plötzlich verschieden sind. Das landesübliche Fluchen kommt bei den Karawlachen selten vor; in höchster Aufregung wird cler Fluch auf einen indifferenten Gegenstand bezogen. Bei den Behörden sind sie äusserst seltene Gäste und erscheinen in cler Regel nur im Passbiireau. Auch sind sie pünktliche Steuerzahler. Sie heirathen fast ausschliesslich untereinander und wird clie Frau von clem Bräutigam gekauft. Der Preis wird in Baarem an clie Eltern cler Braut entrichtet und ist sehr verschieden. Ein gewisser Pero Kostic aus Purkoviö, ein nicht besonders wohlhabender Bauer, zahlte z. B. für seine Frau Toda baare Tanzender Zigeunerknabe. •o S j t q a 3 p \ v \\ "i T 200 fl. Bei der Wahl der Frau wird vornehmlich auf ihre Geschicklichkeit in cler Beschäftigung des Mannes gesehen, daher Ehen mit Serbinnen äusserst selten vorkommen. Ihren Frauen wird Sittenreinheit nachgerühmt. Ihre Familienverfassung ist clie der übrigen Bosnier, bald Hauskommune, bald Einzelwirtbschaft. Die Tracht ist jener der griechisch-orthodoxen Bauern des oberen Spreöathales gleich, bloss die herumziehenden Musikanten tragen »fränkische« Kleider. Die Karawlachen von Purkovic sind insgesammt Feldbauern und zwar nach Kmetenart; einige Familien haben kleinen Eigenbesitz. Neben dem Feldbau und der Viehzucht ist ihr Haupterwerb clie Holzindustrie, ausserdem liefern sie herumziehende Musikanten, Tänzerinnen und Bärentreiber. Sie schnitzen Gegenstände für bäuerliche und selbst bürgerliche Haushaltungen, und zwar Löffel, Schüsseln, Spindeln, Spulen, Leuchter, Waschtröge, Kinderständer und dgl. Im Winter werden diese Artikel in den Wohnungen cler Karawlachen verfertigt, und nehmen an der Erzeugung Männer, Weiber und Kinder theil. Der Sommer bringt eine entsprechende Arbeitstheilung mit sich. Ein Theil des Dorfes zieht, nachdem clie Felder bestellt sind, in die mit Erlen bestockten Wälder, schlägt dort Zelte und Drechselbänke auf und fabrizirt clie erwähnten Gegenstände aus dem frisch gefällten Holze direkt an Ort und Stelle. Andere, meist ältere Frauen, wandern mit cler fertigen Waare von Ort zu Ort und tauschen dieselbe ein, selten gegen Baargcld, häufiger gegen Getreide, Leinwand, Wolle, Butter. Diese Frauen befassen sich zugleich mit Kurpfuschen und Wahrsagen und sind bei dem Landvolke, besonders den Frauen und Mädchen, gern gesehene Gäste. Die Instrumente, deren sich clie Karawlachen bei der Holzschnitzerei bedienen, sind sehr primitiv und bestehen vor Allem aus cler Hacke und cler Säge, dann einer eigentümlichen Drechselbank (terdLij), bei cler nebst dem bekannten Drucke mit dem Fin.se des Arbeiters ein frischer, bogenartig gespannter langer Ast den Dienst eines Motors versieht. Ausserdem kommen in Anwendung »duba£« und »mali dubaö«, eine Art mit Hammer kombinirte Hacke, ein Messer zum Aushöhlen der Löffel, grosse und kleine 1 "eilen und das bosnische Generalwerkzeug — clas Messer. Mit ihrer Musik und dem Tanz halten clie Karawlachen den Vergleich mit den ungarischen Zigeunern nicht aus. Sie spielen zwar gleich jenen ohne Noten, bloss nach dem Gehör; es fehlt ihnen jedoch die staunens-werthe Raschheit im richtigen Auffangen einer einmal gehörten Melodie. Ihre Instrumente sind Geige, Cello, manchmal auch clie Trommel in der Form eines Tamburins. Ihre Musik trägt den unverkennbaren Stempel der rumänisch-slavischen schwermiithigen Weisen. Die Harmonie besteht in der Regel aus Terzen, zu welchen sich oft die Oktave des Grundtones gesellt. Die Melodie ihrer Originalkompositionen ist abwechslungsreicher, als jene der bosnischen Bauernlieder, der Rhythmus lebhafter. Die Karawlachen spielen alle südslavischen Volkslieder und gelten als Meister im Vortrage aller Koloarten. Sie spielen auch europäische Tonstücke, so vor Allem die österreichische Volkshymne, den »Szözat«, Märsche, Tänze, sogar frisch aufgefangene Wiener Gassenhauer — Alles jedoch in ihrer Art: Alles in Moll, Alles in Terzen und mit der ihnen eigenthümlichcn Färbung, sodass ihre Produktionen auf die Dauer ein musikalisches Ohr zur Verzweiflung bringen können. Ihr Tanz, soweit derselbe als Vorführung für Zuschauer bestimmt ist, besteht aus einem gleichmässigen Hüpfen auf der Stelle bei gerader und steifer Haltung des ganzen Körpers, wobei es hauptsächlich auf das kräftige rhythmische Stampfen auf den Fussboden anzukommen scheint. Bessere Tänzerinnen bringen in diese eintönige Bewegung eine Abwechslung hinein, indem sie sich von Zeit zu Zeit um ihre eigene Achse drehen, einen oder beide Arme in die Höhe strecken und durch das Schnalzen der Finger die fehlenden Castagnetten ersetzen. Manchmal singt die Tänzerin gleichzeitig ein Lied, meist erotischen Inhalts. Tanzen die Karawlachen zu eigenem Vergnügen, dann ist es der bosnische Bauernkolo. Das Geschäft der Bärentreiber ist im Niedergang begriffen, seit die bosnische Landesregierung mit Recht die Ausstellung der Reisepässe für Bärentreiber eingestellt hat. Die Karawlachen verstehen es jedoch, das Gesetz auf die einfache Weise zu umgehen, dass sie den Pass unter einem anderen Vor-wande lösen, eventuell ohne Reisepass sich ins Ausland begeben, sich dort junge Bären verschaffen und dann die ersehnte Wanderung antreten. Denn obwohl die Karawlachen in Puratoviö feste Wohnsitze haben, stellt sich bei ihnen von ,, Strasse in vlasenica. Stadtansicht von Víase nie a. Zeit zu Zeit der ihrer Rasse eigenthlimliche Drang zum Wandern ein. Ohne die geringsten geographischen Kenntnisse durchziehen sie fremde Länder und ferne Welttheile und bleiben dabei in Verbindung mit ihrer bosnischen Heimath. So weilen — wie wir in der »Bosn. Post« lesen — zwei Familien und ein Stellungspflichtiger in Südamerika, und vor zwei Jahren ist eine alte Karawlachin in Nizza als Bettlerin gestorben..... Wir hatten die wandernden Karawlachen bald hinter uns gelassen und lenkten aus der fruchtbaren Ebene wieder in schön bewaldetes Hügelland ein. Kuppe erhob sich über Kuppe, bis der Horizont von schwarzen Hochgebirgen begrenzt wurde. Es ist eine Gegend voll der reizendsten Motive für Landschaftsmaler und ein Paradies für Fusswanderer, die nicht nur Werth auf gute Schenken und frisch angezapftes Bier legen. Die Strasse steigt in zahlreichen Windungen gegen Vlasenica an, clas schon 700 Meter hoch förmlich im Grün vergraben liegt. Das ist eine Kleinstadt, welche das Entzücken jedes Naturfreundes erregen muss, ein Bild, wie man es in der Schweiz und Tirol selten, mit der Urwaldvegetation aber kaum irgendwo in Europa — ausser auf dem Balkan — findet. Gleich am Eingang in die Stadt steht ein hübsches einstöckiges Gebäude in einem Vorgarten: das »Hotel Zukowik«. Hier fanden wir bei zuvorkommendster Bedienung eine vorzügliche Aufnahme und sehr gute Küche. Frisches Bier that uns nach der Hitze des Tages wohl. Da schon ein zur Weiterfahrt bestellter Wagen bereit stand, besichtigten wir sofort die Stadt, die in ihrer Lage allerdings das Schönste bietet. Vlasenica hat etwa 2000 Bewohner, darunter gegen 1400 Mohammedaner, für die mit Unterstützung der Landesregierung eine neue Moschee in maurischem Stile erbaut wurde. Die Griechisch-Orthodoxen besitzen eine Kirche. In förmlichen Terrassen ziehen sich die einzelnen, sehr ausgedehnten Theile der lang gestreckten Ortschaft an den Berglehnen hin, meist von Obstgärten umgeben. Eine Kaserne auf einem Plateau nächst der Moschee domiuirt die Stadt. Unser Kutscher Suljo— ein brauner Zigeuner — hatte während unserer Abwesenheit seinen Wagen so bequem als möglich hergerichtet, und auf einer neuen vorzüglichen Serpentinenstras.se ging es die Hänge der Javor-Planina, die sogenannte Ploia hinan. Eine Zeitlang erhält man noch wundervolle Fernblicke über das gesammte Jadargebiet bis gegen Zwornik, im Westen gegen Kladanj bis zum Debelo-Brdo (1314 Meter), ein Anblick von überwältigender Grossartigkeit und Anmuth. Dann empfängt uns die Majestät des Urwaldes. Himmelhohe Buchen bilden mit reichem Untergehölz ein undurchdringliches Dickicht. Ueberall liegen wegen des Strassen-baues gefällte oder durch Windbrüche geworfene Riesen jieben ihren noch in voller Pracht aufrecht stehenden Genossen, von Moos bewachsen und bereits neues frisches Leben aus ihren vermodernden Stämmen spriessend. Hier steht noch Holz für Jahrhunderte, vorläufig auch noch in voller Ruhe, bis durch Bahnen eine auswärtige Verwertlnmg möglich ist. Und auch da werden Bosniens Bergwälder nicht gelichtet werden, weil der Holzreichthum ein geradezu enormer ist. An der Strasse arbeiten Steinklopfer und Strasseneinräumer; sonst herrscht Stille, es ist wenig Verkehr und es scheint, dass die Bauern mit den Tragthieren noch immer die alten Reitwege ziehen, deren Spuren zeitweise aus dem Waldesdunkel auftauchen. Auch Vogelgezwitscher ist nicht zu hören, nur der heisere Schrei einer Krähe unterbricht manchmal das grossartige Schweigen in der Natur. Direkt an mächtigen Abgründen und Abstürzen führt unser Weg, aber starke Geländer sichern die Strasse. Nach zweistündiger Fahrt von Vlasenica ab öffnet sich plötzlich das Walddickicht, und eine ausgedehnte Alpenweide mit zahlreichen Heerden bietet dem entzückten Auge eine angenehme Abwechslung. Wir sind auf der Kraljevo Gora. Ueberall liegen zerstreute Gehöfte, cler Han Napogled ladet zur Einkehr ein, und Hirtenbuben begrüssen das Gefährt mit lauten Juchzern, während starke Wolfshunde uns eine Strecke das Geleit geben. Es ist ein Bild aus den Schweizer Gebirgen, verbunden mit cler Lieblichkeit steirischer Sennenpoesie. Der Buchenwald weicht hier dem Nadelholz, und bald umfängt uns wieder das geheimnissvolle Flüstern der Tannen M ä d c h e n aus P o d r om a n j a und Schwarzkiefern, deren mächtige Stämme so Manches erzählen könnten von vergangenen Tagen, als diese Gegend noch ein Paradies für Räuber und Freibeuter war; und heute fährt ein europäisches Ehepaar mutterseelenallein und unbewaffnet mit einem Zigeuner durch diese Waldwildniss und hegt nicht die geringste Furcht vor einem Ueberfall. Die Räuberromantik ist in Bosnien ausgestorben, die Gendarmerie hat für absolute Sicherheit gesorgt! Nach etwa anderthalbstiindiger Fahrt sehen wir wieder Gebäude. Auf einem Hochplateau, »tannenumrauscht, von Orthodoxes Grab bei Han Pjesak. (Von Ewald Arndt.) Winden umtost«, stehen bosnische und europäische Häuser. Iis ist Han Pjesak und die gleichnamige Gendarmerie-Kaserne nebst einem Forsthause in lyoo Meter Höhe. Während unser Kutscher sich im Han einquartirte, wartete unser in der Kaserne die liebenswürdigste Aufnahme. Man braucht sich unter einer Kaserne nicht ein Gebäude wie iti unseren Grossstädten vorzustellen mit einem Belagraum für ganze Regimenter. Die Kaserne Pjesak ist nur ein starkes Blockhaus aus Holz, aber geschmackvoll und geräumig gebaut mit verschiedenen Nebengebäuden, Ställen etc. und einem in der Anlage befindlichen Garten. Der kommandirende Wachtmeister, ein geborener Grenzer, empfing uns mit freundlichem Grusse und geleitete uns durch das Mannschaftszimmer in das Fremdenzimmer, das eine entzückende Ansicht bot. Bald waren wir mit Flaschenbier versorgt, und nach einiger Zeit stand ein vorzügliches Mahl aui dem Tische, wie wir es in dieser Wildniss nie erwartet hatten. Besonders eine Mehlspeise, von der alten tüchtigen Köchin »Gendarmennudeln« genannt, war eine Delikatesse, und wir verfehlten nicht, der Köchin unsere volle Anerkennung auszusprechen. Dann gaben wir uns noch eine Zeitlang der Lektüre hin; wir fanden kroatische Familienblätter, schön jahrgangweise gebunden. Dass aber auch die edle Musica gepflegt wird, bewiesen verschiedene an der Wand hängende Tamburicas und das kroatische Liederbuch von Kuhaö-Koch mit Noten. Um einen Wiener Ausdruck zu gebrauchen, fühlten wir uns hier sehr mollig; als wir doppelte wollene Bettdecken erhielten, wussten wir aber auch, dass hier die Nächte sehr kühl zu werden pflegen. Unser Schlaf war herrlich. Als wir gegen 5 Uhr früh erwachten, glaubten wir uns in einer Winterlandschaft zu befinden. Der Reif hatte Bäume und Matten mit einer zarten Silberdecke überzogen, die unter den Strahlen der aufgehenden Sonne bald wich und in einen dichten Thau überging, cler wie Tausende von Diamanten glänzte und glitzerte. Es war empfindlich kalt, aber ein Morgenspaziergang in dieser Höhe ein Genuss, wie er dem Grossstädter ja nie zu Theil wird. Die Ileerden hatten im Freien in Umzäumungen genächtigt; sie erhoben sich aber zum Morgenfrühstück. Hier bemerkte ich neben tüchtigen Wollschafen unter den Rindern bereits Thiere grösserer Gattung, die augenscheinlich nicht bosnischer Abstammung waren. Nach einem ausgiebigen Friih- Bettelndes Bauernmädchen. (W. Leo Arndt.) stück und nachdem wir uns mit kräftigem Handschlag von den Wächtern cler Landessicherheit verabschiedet, fuhren wir um 6 ^s Uhr weiter nach Südwesten. Suljo war guter Laune, ungemein gesprächig, und die Pferde gingen im schönsten Trab in der thau-frischen Landschaft. Wald wechselte mit Alpenhochweiden ab, stellenweise bis Mrkalje hatten wir wieder Urwald mit tausenden von gebrochenen oder gefallenen Stämmen. Die höheren Kuppen der Vraoönik Planina zur Rechten, der Studena Gora zur Linken wurden nur zeitweise sichtbar. Was einen sehr angenehmen Eindruck machte, waren die vielen kleinen Wasserläufe und Bächlein, die Verbiirger der Fruchtbarkeit. In Han Haniö, wo sich wieder eine Gendarmerie-Kaserne befindet, machten wir kurzen Halt. Dann ging es über das weite Plateau cler Kopita-Planina. Hier verschwindet cler Wald. Anfangs giebt es noch vereinzelte Felder und Wiesen, dann tritt cler Karst in seine Rechte. Ueberall kommt der nackte Stein hervor, oft an alten Seeboden erinnernd. Das spärliche Gras dient noch immer zahlreichen Schaf- und Ziegenheerden zur Nahrung, deren Genügsamkeit man bewundert. Die wenigen Häuser, auf clie man stösst, reichen mit ihren Dächern zur Erde, und sie sind obendrein mit grossen Steinen beschwert, ein Zeichen, dass die Winde mit verheerender Gewalt über clie weite Hochebene brausen. Gegen II Uhr Vormittags kamen wir nach Sokolac, einem grösseren geschlossenen Orte mit einer griechischen Kirche und einem Kloster. Die drei Kuppeln des Letzteren, ganz im russischen Zwiebelstil erbaut, sind mit Blech bedeckt und grellroth angestrichen, sodass sie in cler vegetationslosen Gegend aus grosser Weite sichtbar sind. Einen erfreulichen Eindruck machte es, ganze Reihen von Kindern aus der Schule kommen zu sehen, und alle grüssten freundlich clie Fremden. An der Strasse liegen einige Einkehrwirthshäuser und mehrere Kramläden. Gegen Mittag erreichten wir Podromanja mit seiner frei auf einem Hügel stehenden grossartigen Militärkaserne. Das ist eine förmliche Festung, wie man sie sonst nur noch in der Hercegovina findet, mit Vertheidigungsthürmen und dicken Mauern, das Terrain weithin beherrschend. Wir sind im alten Räubergebiet der Romanja - Planina, — doch verschollen und vergessen sind die Heiduken, und nur noch Sagen und Lieder erzählen von der einstigen wilden Zeit, die allerdings noch vor anderthalb Jahrzehnten bestand. Die Romanja und der Glasinac. Hier auf dem Hochplateau ist der Schauplatz des Novak-Sagenkreises, einer ganzen Reihe bosnischer Räuberlieder, über die Johann v. Asboth in Han auf der Romanja-Planina. seinem »Bosnien und die Hercego- vina« (Wien, Alfred Holder) sehr interessant berichtet. Im ersten Liede zecht der alte Novak beim Knez Bogosav und erzählt diesem, wie er Räuber wurde. Jerina, die Gattin des serbischen Despoten Paul Brankovid, nahm ihn während des Baues der Burg Semendria als Taglöhner in Arbeit, bezahlte ihm aber keinen Heller Lohn. Dann schrieb sie eine Steuer aus zur Vergoldung der Thiirme. Drei Eitra, d. h. dreihundert Stück Dukaten, sollte jeder Hof bezahlen. Novak kann die Steuer nicht zahlen, er nimmt seine Axt und flieht in die Romanja-Planina. Ein reisender Türke, dem er im Wege steht, peitscht ihn. Novak erschlägt den Türken und eignet sich nach landesüblichem Brauche die bei ihm gefundenen drei Beutel Dukaten, seine Waffen und sein Pferd an. Seither sagt er: »Die Planina ist mein Alles, Meine Heimath, mein Vermögen. Giebt mir und den Raubgenossen Nahrung, Kleidung, was wir brauchen. Ich erjag' mir reiche Heute, Weiss geschickt den Feind zu fliehen, Scheue nichts und wag' das Schlimmste, Fürchte Gott allein, den Schöpfer.« Als eines Tages Wein und Tabak zu Ende gehen, beschliessen Novak und sein Genosse Radivoj, Grujo — den Sohn Novak's — zu verkaufen. Der möge dann sehen, wie er wieder frei werde. Als Kaufleute verkleidet bringen sie ihn auf den Markt nach Sarajevo. Eine türkische Jungfrau bietet zwei Tovars (Pferdelasten) Waaren für den Jüngling, dem selbst die Mädchen nicht an Schönheit gleichkommen. Aber eine Wittwe kauft ihn um drei Tovare. Das Mädchen verflucht sie: »Nimm den Sklaven, Djafer liegin, Doch nicht lange freu' Dich seiner, Eine Nacht nur, dann verschmachte.« Die Begin (Grundherrin) lässt Grujo waschen und mit einem Abendmahl bewirthen, dann weist sie ihm das weiche Bett. Am Morgen des nächsten Tages kleidet sie ihn mit eigener Iland in prächtige Gewänder und stattet ihn aus mit glänzender Rüstung. Die Agraffe allein ist iooo Dukaten werth. Der Griff des Schwertes wäre mit drei Burgen des Sultans nicht bezahlt. Grujo sehnt sich nach der Jagd, und mit dreissig Mann Begleitung zieht er aus. Im Walde der Romanja fällt er mit einem Streiche den Anführer cler Bewachung und flüchtet sich zurück zu seinem Vater. Als Novak zu altern beginnt, verlassen ihn Radivoj und seine Genossen, er bleibt allein mit seinen Söhnen Grujo und Tatomir. Aber cler Mohr Mehmed und dreissig seiner Mannen erschlagen clie Genossen Radivoj's und nehmen diesen selbst gefangen. Novak sieht clie Türken herankommen; neben Mehmed den gefesselten Radivoj und auf jeder türkischen Lanze einen Christenkopf. Novak schiesst den Mohren vom Pferde, befreit Radivoj und ihrer vier mähen alle Türken nieder. »Sag' mir Bruder Radivoj doch: Kann nicht ich, der alte Novak, Ueberbieten dreissig Helden?« V Einst liess Beöir Pascha Cengiö aus der Zagorje dem Knez von Grahovo durch einen Ii rief entbieten, er solle dreissig Zimmer mit dreissig Mädchen bereithalten, im weissen Thurme aber für den Pascha selbst ein Lager rüsten und seine Tochter Ikonia im Schlafgemache des Pascha lassen. Grujo Novakovid und seine dreissig Genossen verkleiden sich hierauf als Mädchen; so erwarten sie den Pascha und sein Gefolge und metzeln während cler Nacht alle Türken nieder. Nur gegen den alten Griechen Manojlo aus Sofia kann selbst Novak nicht aufkommen. Manojlo hat bereits Radivoj, Grujo und Tatomir verwundet. Jetzt treibt er Novak vor sich her, dessen Schwert an dem Panzer des furchtbaren Griechen zerbrochen ist. Da tritt die Vila der Romanja — die gütige Fee — die mit Novak Bunclesbrüderschaft geschlossen hat, selbst auf und berückt in Gestalt eines schönen Mädchens den Griechen. Novak wirft ihm seinen Streitkolben nach, cler ihn erschlägt. Grujo behält nun clie Braut Manojlo's, die Tochter desPalatins, für sich. Dieser Bund aber nimmt ein schlechtes Ende. Die schöne Maxima verräth den schlafenden Grujo dreien Türken. Als nun aber die Türken und auch Maxima eingeschlafen sind, schneidet der kleine Sohn Grujo's die Fesseln seines Vaters entzwei. Grujo bringt die drei Türken um, gräbt Maxima bis an die Brust in die Erde, bestreicht sie mit Pech, Schwefe] und Pulver, begiesst sie mit Branntwein und zündet sie an. Vergebens fleht die Frau zu dem ruhig zechenden Grujo, ihr schwarzes Haar zu schonen, das er so oft gestreichelt, ihre schwarzen Augen, die er so oft geküsst, ihr weisses Antlitz, desgleichen er auf der Welt nicht mehr finde. Erst als das Feuer schon den Busen erreicht und der kleine Sohn Grujo's den Vater anfleht, den weissen Busen zu schonen, der ihn ernährt, löscht Grujo das Feuer und begräbt die Frau. .....So zog einst der Wanderer mit Bangen seine Strasse durch die Romanja-Planina, und schon clie Türken legten überall Karaulen (Wacht-häuser) zum Schutze der Strassen an. Aber immer erhielten sich clie Banden, verstärkt durch politische Flüchtlinge, die bei der Bevölkerung Unterkunft und Unterstützung fanden. Noch 1882 waren in der Romanja Aufständische, denen aber bald das Handwerk gelegt wurde. Heute ist alles ruhig und friedlich, Jedermann wandelt ungestört seine Strasse, die Kaserne in Han Podromanja, die Posten auf dem Glasinac und oben im Gebirge erinnern aber jederzeit daran, dass das Auge des Gesetzes wacht, dass es eine Wiederkehr cler alten Zustände nicht duldet. In einem Gasthause, direkt an der Strasse, hielten wir Mittagsrast. Es ist ein kleines freundliches I lauschen, in dein gute wenn auch beschränkte Unterkunft zu haben ist. Sonst besteht Podromanja nur aus vereinzelten Häusern und einer Moschee. Weit und breit sieht man keinen Baum, — für clie Geschosse cler Kaserne ist ein ungehindertes Schussfeld vorhanden. Von Han Podromanja zweigt sich in südöstlicher Richtung die Fahrstrasse nach Rogatica ab, die über clie Hochebene von Glasinac führt, einen cler berühmtesten archäologischen Fundorte der Erde. Seit dem Archäologenkongresse in Sarajevo 1894 ist cler Name Glasinac überall bekannt geworden, er wird in allen wissenschaftlichen Zeitschriften genannt, und die Welt erwartet noch viele Aufschlüsse von den Geheimnissen, die Mohammedanischer Bauer aus Rogatica. in den Tumulis des Glasinac verborgen sind. In den Zehntausenden von Gräbern, die auf dem Glasinac verstreut liegen, verbirgt sich ein grosser Theil unserer alten Geschichte, und die Funde, die hier gemacht werden, können allein ein grosses Museum füllen, sie sind einzig in ihrer Art. Und wenn auch im Volke Sagen gingen von einer mächtigen untergegangenen Stadt, von einem grossen Volke, das einst clie Ebene bevölkerte, wenn auch manchmal Funde an seltenen Schmuckgegenständen und Münzen ganz zufällig gemacht wurden, so blieb diese Kunde doch in der Wildniss cler Romanja-Planina verborgen. Keiner der Barbarenstämme, clie in den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung über Bosniens Gefilde verheerend brausten, nicht die späteren slavischen Einwanderer, nicht die Türken hatten clie Grabesruhe der alten Helden gestört, die einst den Glasinac bevölkerten, erst cler neuesten Zeit blieb die Erschliessung einer ganz fremden Kulturwelt vorbehalten. Als im Jahre 1880 cler Bau der Strasse von Sarajevo nach Visegrad in Angriff genommen wurde, nahm man auf der Hochebene Glasinac das Schottermaterial mit leichter Mühe aus den dort massenhaft vorhandenen Grabhügeln, wobei viele alte Bronzegegenstände, selbst ein Kesselwagen in Gestalt eines Vogels und eine schöne Oinochoe gefunden wurden. Der Leiter des Strassenbaues sandte clie Stücke an das naturhistorische Hofmuseum nach Wien, aber clie ferneren Ausgrabungen wurden nicht planmässig betrieben, bis endlich im Jahre 1888 die bosnisch-hercegovinische Landesregierung Arbeiten im grossen Maassstabe anordnete, die, ununterbrochen fortgesetzt, eine ständige Post in den wissenschaftlichen Arbeiten des Landesmuseums bilden. Hei den Ausgrabungen am Glasinac beim Dorfe Sokolac. Die Hochebene Glasinac erscheint durch ihren flachen und einförmigen Charakter als auffallende Unterbrechung in dem abwechslungsreichen Berggebiete Mittelbosniens. Das Plateau wird von einem mächtigen, im Durchschnitte 900 Meter hohen Karststocke gebildet, welchen an der West- und Südseite die schroff emporsteigenden Felsen der Romanja-Planina überragen. Die höchsten Spitzen dieses Gebirges, welches sich gegen Glasinac zu einer Terrasse (Na-Romanja) abstuft, erreichen eine bedeutende Höhe, so die Velika Stiena 1615 m, Orlova Stiena 1507 m und Veliki vrh 1328 m. Dieses Gebirge bildet gegen Mokro zu steile Felswände, an welche sich an der Siidecke die Bogoviöke Sticne anschliessen, wodurch sc**. IIa uer 11 a ii w es e 11 im bosnischen Wahl gebiet ;-T:U9PS BAOJJQ) -Buinqj-tfaEuiOH jap JRE nasjajj^p y Han Ob ho g-ja! am Glasinac. es sich zu einem natürlichen Bollwerk des Glasinac gestaltet. Im Südosten ist cler Uebergang ins Thal der Prača minder schroff, immerhin führen nur enge Schluchten dahin, während sich das Plateau im Nordosten iti ein sanftes welliges Hügelsystem auflöst. Nur ein geringer Theil des Plateaus ist vollkommen eben: der sogenannte »Ravni Glasinac«, an den sich im Norden und Südosten kleinere flache Mulden anschliessen. Diese Theile sind von dichtem Moorgrund überzogen, durch welchen sich ein träger Bach — die Rešetnica — schlängelt, um bald in versteckten Karstlöchern zu verschwinden. Nur nach starkem Regen und nach der Schneeschmelze erreicht er einen eigentlichen Abfiuss in einem weiten Felsen-schlunde bei Paviči, den das Volk »Megara« nennt. Der weitaus überwiegende Theil cler Landschaft ist sanftwelliges Hügelland, dessen ausgedehnte, nur stellenweise von Tannenhainen unterbrochene Weidegründe grosse und vorzügliche Heuvorräthe liefern. Dieses Gebiet erscheint daher wie geschaffen für eine Bevölkerung, deren Hauptbeschäftigung und Erwerbsquelle die Viehzucht war. In dieser Beziehung nimmt Glasinac noch heute in ganz Bosnien den ersten Rang ein, und es ist nicht zu verwundern, wenn sich hier die meisten und reichsten Denkmäler aus prähistorischer Zeit finden. Diese Denkmäler kommen iti so überwältigender Anzahl vor, dass sie selbst dem Landschaftsbilde einen eigenthiimlichen Ton verleihen und auch clem flüchtigen Beobachter den grossen Unterschied zwischen der einstigen Kultur und dem jetzigen Verfalle eindringlich vor Augen führen. Dieser Verfall scheint ein jäher, nur durch wenige Uebergangsstufen vermittelter gewesen zu sein. Aus römischer Zeit besitzen wir — ich folge hier den hochinteressanten Ausgrabungsberichten des Herrn Custos Dr. Čiro Truhelka in den »Wissenschaftlichen Mittheilungen aus Bosnien und der Hercegovina« (Wien 1893) — die Spuren einer Strasse, clie über das Plateau ins Drinača-thal führte. Die Erbauung dieser Strasse, clie ins 3. Jahrhundert 11. Chr. fällt, wird vom Volke cler sagenhaften Königin Jerina zugeschrieben die ihre Unterthanen durch solche und andere Frohnden unsäglich gedrückt haben soll. Die Tradition ist vielleicht auf eine im Mittelalter erfolgte Er- neuerung und Umlegung der Strasse zurückzuführen und sie wird wohl mit jener identisch sein, welche clie Ragusaner Karawanen über Mokro und Glasinac nach Zwornik führte. Auch clie häufiger vorkommenden mittelalterlichen Grabmonolithen sind im Vergleiche zu anderen Gegenden nicht sehr zahlreich, während die in Bosnien sonst so häufigen mittelalterlichen Burgen, mit Ausnahme der im Fraiathale liegenden, gänzlich fehlen. In mittelalterlichen Urkunden wird Glasinac selten erwähnt. Professor Konstantin Jirecek fand den Namen in Ragusaner Urkunden aus cler Zeit von 1404 bis 1430 nur elf Mal genannt. Nach jenen Quellen war Glasinac ein Besitz des Grosswojwoden Sandalj Hranic, der hier ein Zollamt besass. Von den heutigen Ortschaften werden nur Mokro und Obre erwähnt. Ausserdem wird öfters einer Kirche gedacht, deren Standort Jireiek nach Angaben des Ingenieurs Stratimirovic auf jenen Crkvina genannten Felsen versetzt, auf welchen nach dem Okkupationsfeldzuge inmitten eines grossen mittelalterlichen Friedhofes Bauer aus iler Umgebung von Rogatica. den bei Senkoviöi gegen clie Schaaren des Mufti von TaslidSa Gefallenen ein Denkmal in Gestalt eines Obelisken errichtet wurde. In allen Urkunden wird Glasinac nur als Durchgangsgebiet erwähnt, und es besass demnach im Mittelalter niemals den Rang eines Kulturcentrums, den es ersichtlich in vorgeschichtlicher Zeit einnahm. Die wichtige Handelsstrasse lockte höchstens verwegene Strassenräuber oder Haiduken in die wald- und höhlenreiche Romanja-Planina, und von dieser Romantik haben wir früher einige Proben aus der Volkspoesie gegeben. Nur in strategischer Hinsicht blieb die Bedeutung des Glasinac als clie Bauernhaus auf dein Glasinac. eines Bollwerkes zwischen dem Westen und dem Osten Bosniens unverändert, und in dieser Eigenschaft hat das Plateau wiederholt in Kämpfen, die über das Schicksal Bosniens entschieden, eine geschichtliche Rolle gespielt. Wie sich aus der Terrainschilderung ergiebt, ist die Hochebene Glasinac von Natur aus stark geschützt. Aber die Sicherheit, welche das Gebirge den einstigen Bewohnern bot, wurde noch durch eine systematisch angelegte Kette von Wallburgen erhöht.*) An allen halbwegs praktikabeln *) Wir möchten gleich hier erwähnen, dass Professor Dr. Hoernes anstatt »Wallburgen« lieber »Ringwälle« sagen möchte, da er den alten lllyriern keine so hohe Entwicklung zugesteht, dass sie offene Ansieillungen und kurrespondirende Fluchtburgen besessen hätten. Das heutige Volk nennt diese Ringwälle »gradine« und bezeichnet sie damit unbewusst richtiger. Ob nun das slavische Wort »grad« ursprünglich mit dem deutschen gart = Zaun, Umfassung (dänisch gaard, Hof, grösseres Stadthaus; englisch yard, Hof; lateinisch hortus usw.) identisch ist oder nicht, wahrscheinlich sind die Gradine auf dem Glasin;ic doch nichts wesentlich Anderes, als die der Landesnatur gemäss aus Klaubsteinen hergestellten Umzäunungen und Abgrenzungen jenes Raumes, der innerhalb des Gemeindelandes oder allgemeinen Weideplatzes als Sonderbesitz an Grund und Boden gelten sollte. Es ist dies die »Hofstätte« (in Urkunden des deutschen Mittelalters »Hofreite« oder »area« genannt), wo nach jener älteren Gesellschaftsordnung die Einzelfamilie ungestört schaltete und hauste. Wenn unten Moor und Weide, steiniger Grund und flüchtig bestelltes Ackerland mit einander abwechseln, ohne dass dem Einzelnen oder der Einzelfamilie ein Sondereigenthum daran zukäme, während der grosse undurchdringliche Wald und die rauhen Gebirgshänge den Gemeinbesitz des ganzen Stammes schützend um-schliessen und ihm seine natürliche Grenze setzen, stehen dort oben innerhall) des steinernen Geheges die Hütten der Einwohner im Kreise um den Mittelraum gereiht. Die Anlagen sollten daher statt »Ringwälle« oder »Burgen« lieber »Runddörfer« heissen. Kofiatica. A-"- " 'l" 'ull'M^llun den Anhohen mit Ringwällen gekrönt, und es gestaltete sich die Hochebene mit der Zeit zu einer riesigen Festung, die ihren Bewohnern fast absoluten Schutz gegen feindliche Ueber-fälle bot. Schon auf der Romanja-Planina trägt die 1331 m hohe Spitze des Veliki vrh unter den Ruinen einer türkischen Karaula die Ueberreste einer Wartburg, von welcher sich ein weiter Ausblick in clie westliche Landschaft erschliesst. Von diesem Punkte bis zum Kamme des Kopitogebirges ist clie ganze Nordlinie mit Wallburgen besetzt. Wir finden den Sabinski Grad bei Schahbegovici, andere bei Bukovik und Palez; eine grosse Wallburg an cler Pritojska Kosa, eine kleine bei Gradic. An diese schliesst sich eine Reihe von Wallburgen, welche die Ebene Ljuburiöpolje dominiren. Die Nord- und Ostseite dieses Thaies wird von den Wallburgen am Gradina-hiigel, am Südabhange des KotariSte, oberhalb Kosutica, clie Südseite von der Burg auf cler Rasovaöa und den beiden Ringwällen auf dem Berge Ma£i oberhalb Staroselo beherrscht. Von KoSutica an erstreckt sich in südöstlicher Richtung als natürliches Bollwerk das Kopitogebirge, an welches im Süden die in das Rakitnicathal führenden Schluchten Dolovi und Berek anschliessen. Obwohl der Zugang zum Glasinac an dieser Seite nur dem mit der Oertlichkeit vollkommen Vertrauten möglich ist, finden wir auch hier an den wichtigsten Punkten Wallburgen; so am steilen Felsen der Laznica, weiter südlich bei Oskoplje und eine kleine Thalburg zwischen beiden bei Prasiiöi. Den Zugang aus dem Rakitnicathal über Ivanpolje beherrschen die Wallburgen bei Kovanje, zwei bei Senkovici, zwei am Kreiberge oberhalb Staroselo, die feste Burg am Vitanj und der sogenannte Hreljin Grad jenseits cler Plieschkuppe, Von Vitanj bis zum Südrande cler Romanja-Planina, bis zu den sogenannten Wänden von Bogovici, ist auch fast jede Anhöhe besetzt, und wir finden Wallburgen bei Buljukovina ober- halb Bjelosaüci (die Velika- und Mala-Gradina), am Pliesch oberhalb Podromanja und am Gradinahügel unweit von Bogovici. Innerhalb dieses Festungsgürtels befinden sich noch Wallburgen am Puhovac, westlich von der Ortschaft Sokolac, in Sokolac selbst, wo clie St. Eliaskirche auf den Ruinen einer Wallburg stellt, und zwei bei Kusaöe. Die Anlage aller dieser Wallburgen ist eine höchst primitive. Wo es cler Raum gestattete, wurde die einfachste Grundrissform — die eines mehr oder minder regelmässigen Kreises — gewählt und cler Raum durch eine Anschüttung von Klaubsteinen, wie sie die nächste Umgebung bot, eingefasst. Die ursprünglichen Maasse dieser Wälle lassen sich nach dem vorhandenen Materiale nur annähernd bestimmen. Kaserne in Podromanja. Geradezu verblüffend ist auf dem Glasinac die Zahl der Hügelgräber, cler Tumuli. Dr. Truhelka schätzte sie anfangs auf 20000, doch überzeugte er sich bei genaueren Forschungen, dass diese Schätzung zu gering sei und die fünffache Zahl der Tumuli angenommen werden dürfte. Alle Rücken des östlichen Hügellandes sind mit zahlreichen kleineren oder grösseren Tu-mulis übersät, und es reiht sich eine Nekropole an die andere. Der westliche Theil des Glasinac, d. h. die Terrasse des Na-Romanja und cler Ravni Glasinac, haben keine Tumuli. Nur zwei befinden sich in der Ebene südlich von Sokolac. Aber diese sind Erdhügel mit Massengräbern ohne Beigaben und stehen allem Anscheine nach in keinem Zusammenhange mit den anderen Nekropolen. Die Westgrenze des Nekropolengebietes wird durch eine nahezu halbkreisförmige Linie, welche dem Rande der Ebene im Nordosten, Osten und Süden folgt, bezeichnet. Das ganze wellige Hügelland, welches von dieser Linie umschlossen ist, ist mit Hügelgräbern übersät, die in dichter Reihenfolge bis zum Knezinathal, Kopitogebirge, Rakit-nica- und Praöathal reichen. Ausserhalb dieser Zone kommen Tumuli in nördlicher Richtung sporadisch, in südöstlicher aber häufiger und in grösseren Gruppen vor. Namentlich findet man Nekropolen auf den Anhöhen, welche den Kessel von Rogatica einschliessen. Die äussersten Ausläufer dieses Grabhügelgebietes reichen aber viel weiter und können im Osten bis an die Drina, im Westen bis zur Bosna verfolgt werden. Am dichtesten stehen clie Hügelgräber am Ostrande der Ebene von Glasinac. Je weiter sie davon entfernt sind, desto geringer werden sie an Zahl und Grösse. Die Form der Hügelgräber ist clie eines regellos aus Klaubsteinen hergestellten Aufwurfes, welcher der Gestalt eines flachen Kegels nahekommt. Die Grössen der Hügel sind verschieden; der Durchmesser an cler Sohle variirt von 5 bis 30 ja 40 Meter, die Scheitelhöhe von 0,4 bis 4 Meter. Am zahlreichsten sind clie kleineren Hügelgräber, während grosse vereinzelt auf den hervorragendsten Plätzen erscheinen und gewöhnlich den Mittelpunkt einzelner Grabhügelgruppen bilden. Die Tumuli von Glasinac enthalten Skelett- oder Brandgräber und nicht selten Beides unter einem Hügel. Der Leichnam oder die verbrannten Reste desselben wurden nie in die Erde versenkt, sondern immer auf den flachen Boden oder bei Terrassengräbern auf die Steinpflasterung gelegt und mit zusammengeklaubten Steinen so lange überschüttet, bis ein dem Herkommen entsprechender Hügel entstand. Bei einer solchen Bestattungsweise ist es erklärlich, dass die Skelette und aller halbwegs gebrechliche Inhalt nach kurzer Zeit in Trümmer gingen. Die Knochen zerbrachen, die Gefässe und Eisensachen zerfielen in Fragmente, und wohlerhalten blieben nur solche Bronzen oder Thongefässe, die durch einen glücklichen Zufall in die Spalten zwischen grösseren Steinen zu liegen kamen. Meist haben clie Skelette die Richtung von Ost (Kopfende) nach West, so dass das Gesicht des Todten der aufgehenden Sonne zugekehrt war. Wo die Leichen verbrannt wurden, fanden sich die Brandreste nie in einer Urne Gendarmerie-K a s e r 11 e Na rom an j a. •(jpttiy pi«Ava) ud|}uJ3o>] ^ j. i ¿a tj uit u ni A3 [3t; joqpaijjuajjuioJuoti Am Brunnen in Rogatica vor dem Ab de st (Waschung vor «lein Gebet). oder in einem anderen Behälter geborgen, sondern wie die Skelette stets auf dem Urboden oder auf einer Steinpflasterung niedergelegt. Die zweifache Bestattungsart erklärt sich vielleicht daraus, dass die Feuerbestattung das Privilegium einer bevorzugten Kaste, etwa der Krieger, bildete. Dafür spricht der Umstand, dass bei den Ausgrabungen fast ausnahmslos in allen Brandgräbern Waffen gefunden wurden, während die Skelettgräber nur geringere Funde lieferten und, wo solche reichlicher vorhanden waren, sich als Frauengräber erwiesen. Die Funde bestehen aus Lanzen (die »Sibyna« der illyrischen Stämme), Schwertern und Messern, Streitäxten, eisernen Trensen für Pferde, Bronzehelmen, Panzerfragmenten, Bronzegürteln, Schmucksachen, Armbändern, Fibeln, darunter zweischleifige Bogenfibeln, die eine für die Glasinac-Kultur typische Form darstellen. Es ist eine Bogenfibel mit viereckiger Fussplatte, bei welcher der Uebergang vom Bügel zur Nadel einerseits und zum Fuss andererseits durch je eine Schleife vermittelt wird. Ferner fanden sich interessante runde Schliessen (Zierscheiben), Arm- und andere Ringe, Schmucknadeln und Knöpfe aus Bronze, Ohrringe, Glas-, Email- und Bernsteinperlen und bemerkenswerthe Steinobjekte, auch Thongefässe sehr Hodza aus Rogaticu. origineller Form. Die Funde befinden sich im Museum in Sarajevo und sie werden tagtäglich vermehrt, so dass sie ein genaues Bild der prähistorischen Illyrier zu bieten vermögen. Ueber die Zeit cler Bliithe des Glasinac konnten allerdings die auf dem Archäologenkongress in Sarajevo versammelten Gelehrten zu keinem abschliessenden Urtheil gelangen, und wir wagen auch gar keine selbstständige Vermuthung. Nach den bei den letzten Arbeiten gesammelten Erfahrungen reicht die Anlage der Tumuli und somit auch clie Besiedlung des Glasinac von der ersten Eisenzeit über die La Tcne-Periode bis in clie Völkerwanderungszeit hinein. Jedenfalls ist ein so ausgedehntes Nekropolengebiet bisher in Europa einzig dastehend. Auf dem Wege nach Rogatica und um diese Stadt selbst finden sich zahlreiche römische und bogomilische Grabsteine. Mommsen hat schon einen in seiner Sammlung beschrieben, andere sind von Dr. Blau und Waldpartie auf der Romanja-Plunina. Dr. Hoernes näher bestimmt worden. Unter den Bogomilensteinen sind einige bemerkenswerth wegen der sonst sehr selten vorkommenden Aufschriften. So lautet die eine, die auffallenderweise von rechts nach links zu lesen ist: »Va ime otca i sina i sv. duha. Ovdi leži Vlatko Vladjevič koji neimaše otca, ni mater, ni sina, ni brata niti i jednog čovjeka, osim greha (?). Obidje mnoge zemlje o kod kucje pogibe. 1 na njega usijece kamen njegov vojvoda Miotoš i družina s Božijoin poinoču i knezu Pavla milošču, koji pohrani Vlatka, spomenuv Bogu.« (»lin Namen des Vaters, des Sohnes und des heil. Geistes. Iiier ruht Vlatko Vladjevič. lir hatte weder Vater noch Mutter, noch Sohn, noch Geschwister, noch sonst Jemanden, nur seine Sünde. [Vielleicht, nach bogomilischer Auffassung, seine Gattin.] Viele Länder hat er durchzogen und ist d:ihei:n gestorben. Diesen Stein haben auf ihn sein Wojwode Miotosch und seine Anhänger (Genossenschaft) verfertigt (gewälzt) mit Hilfe Gottes und iler Gnade' des Fürsten Paul, der Vlatko begrub, Gott anrufend.«) »Gute Rast«. (Bauer aus Mokro.) Rogatica selbst ist ein ungemein freundlicher und betriebsamer Ort. Er ist vorwiegend mohammedanisch, jeder Mensch ist ein Frommer, jeder Zweite ein Schriftgelehrter oder ein Hadzi (Mekkapilger), jeder Dritte ein Hafiz (vom glücklichen Gedachtniss, d. h., welcher den Koran auswendig kann), ein Hod£a (Geistlicher) oder ein Kadi. Dort sind sogar die mohammedanischen Frauen unterrichtet Man würde aber fehlgehen, wenn man glauben würde, diese mohammedanische Gelehrtenstadt kümmere sich nicht um weltliche Bedürfnisse. Der Bezirk Rogatica liefert die besten Pferde, er besitzt in seinen Stierstationen von der Landesregierung geschaffene Einrichtungen zur Hebung der Rindviehzucht, die mustergiltige Ergebnisse liefern. Die jedes Jahr stattfindenden Prämiirungen fs. Abbildung Seite 238) liefern hierfür den besten Beweis. Für Forscher auf dem Glasinac ist Rogatica ein geradezu idealer Aufenthaltsort. Vom Han Podromanja steigt die nach Sarajevo führende Fahrstrasse in zahlreichen Windungen das Gebirge hinan. Anfangs herrscht noch Karstgegend, dann beginnen dichte Waldungen. Bei Han Naromanja (1376 m) haben wir den Kamm erklommen und erfolgt der Abstieg auf zahllosen steilen Serpentinen bis Mokro. Stundenlang sieht man die weite fruchtbare Ebene wie ein prächtiges Panorama vor sich liegen. Hin und wieder stehen am Wege einzelne Gehöfte. Mokro ist ein ausgedehnter Ort, cler einst grössere Bedeutung besass. Hier rekrutirten sich clie »Helden« der Planina, heute ist ihnen das Handwerk gelegt. Damit sie aber nicht rückfällig werden, liegt eine kleine Garnison hier. Bis Han Derventa führt die Strasse mit nur geringen Steigungen zur Einmündung auf die Strasse Sarajevo-Gorazda. Dann beginnt wieder der steile Anstieg im wildromantischen Miljackathale, das wir früher kennen gelernt haben. Der Abend war bereits hereingebrochen, als wir unter dem Kastell in die bosnische Hauptstadt einfuhren. Die kleinen Pferde unseres Suljo hatten clie 100 Kilometer glänzend zurückgelegt. Blick von der Romiinja-Planina gegen Mokrjo. Der Bahnzug, cler uns nach der Hauptstadt der heldenmüthigen, aber blutigen 1 lercegovina bringen sollte, verlievssSarajevo gegen Mittag. Zuerst durchzieht er die Ebene bis zum Bade Ilidze, dann übersetzt er V die Zeljeznica auf einer neuen Eisenbrücke und erreicht die Station Blazuj. Der kleine Ort, der sich durch neue I läuser und Zubauten fortdauernd vergrössert, liegt in einem hübschen wohlkultivirten Thale. Direkt über ihm streckt der 1248 m hohe Igman sein bewaldetes Haupt in die Lüfte. Hier hatten wir 1878 den letzten Tag vor der Einnahme von Sarajevo Im Ha zur von Sarajevo. gelagert, aber es sind ganz kuriose Wandlungen seit jener Zeit über Bosnien und über diese Gegend dahin gegangen. Wohin man blickt, sieht man die Errungenschaften cler Neuzeit, regen Verkehr. Und ist nicht die Eisenbahn, clie jetzt Blazuj berührt, der mächtigste Beweis des kulturellen Fortschrittes? Zweimal clie Zujevina (die säuselnde) übersetzend, gelangen wir acht Kilometer weiter nach I lad^ici. Grosse Brettsägen und 1 Iolzlager zeugen von industrieller Verwerthung der Schätze des Waldes. Von Sarajevo nach Mostar. Junge mohammedanische Mädchen winkten dem Zuge ein Willkommen zu. Längs der Zujevina führt die Bahn durch gut angebautes Gelände bis Pazaric, einem langgestreckten Dorfe mit europäisch gebauten Landhäusern für Sommerfrischler. Der Ort liegt ungemein malerisch, und der Anblick auf die dunkeln Kuppen der Bjelasnica, in deren Wäldern Bären und Gemsen noch eine gute Zufluchtsstätte finden, bietet ganz besondere Reize. Den grossartigsten Ausblick auf diese Gebirgskette hat man jedoch von der nächsten Station Tariin aus, die man nach Ueberwindung einer kleinen Station Ivan mit Tunnel. Wasserscheide unter theilweiser Benutzung des Zahnstangensystems erreicht. Taröin bietet durch seine Umgebung interessante Partien für Hochtouristen, und gerade die Bjelasnica mit ihren bis zu 2063 m ansteigenden Spitzen wäre näherer Erkundung werth. Bei der Station Rasteljica beginnt cler grosse Aufstieg auf den Ivan, die 15 155 m lange Zahnstangenstrecke des eigentlichen Ueberganges. Die Steigung ist ziemlich stark; zu einer Seite tief eingeschnittene Schluchten, an der anderen den Koröabach. Jeder Blick bietet neue überraschende Fernsichten. So erreichen wir clie Station Ivan mit der Wasserscheide zwischen dem Schwarzen und clem Adriatischen Meere. Eine Gedenktafel erinnert an den Bahnbau: »Gewidmet dem Andenken des verewigten Herrn Hermann Johann Kaut, Ban- ts inspektor der bosnisch-hercegovinischen Staatsbahn 1891.« Zur eigentlichen Passhöhe (1010 m) führt von der Station aus eine neu angelegte, einen Kilometer lange Fahrstrasse. Dort oben befindet sich die Kolonie Ivan, zum Theil angesiedelte Südtiroler. Hier war einst, so lange noch der Tragthierverkehr zwischen Mostar und Sarajevo bestand, ein wichtiger Haltepunkt. Eine feste türkische Karaula sorgte für die nöthige Sicherheit, einige Hans für Unterkunft. Jetzt ist, seit die Fahrstrasse erbaut wurde und durch den Bahnbau ganz neue Anlagen geschaffen sind, eine kleine Villenkolonie entstanden, die inmitten prächtigen Buchenwaldes für Sommergäste guten und genussreichen Aufenthalt bietet. Für Touristen befindet sich in der Bahnstation ein Touristenzimmer und eine gute Restauration. Direkt nach dem Verlassen cler Station fährt der Zug in einen Tunnel von 648 m Länge mit dem geringen Gefälle von 3°/oo. Wir sind in cler Hercegovina, und förmlich wärmere Lüfte wehen um das Haupt. Der Blick fällt beim Hinaustreten aus dem Tunnel auf ein ungemein liebliches, von sanften Hängen mit grünen Matten umsäumtes Thal; nach rückwärts blickend auf die Höhen des Ivan und auf clie steile, langgestreckte Felswand cler dicht bewaldeten Preslica. Wir folgen dem Oberlaufe cler Tresanica, die hier Bradina Rjeka genannt wird, und kommen nach cler Station Bradina. Die gleichnamige kleine Ortschaft liegt in äusserst malerischer Umgebung, inmitten von Eichen- und Buchenwäldern. Ein kleines europäisches Gasthaus sorgt für Stärkung. Interessant ist der Ausblick auf den Duboski-Potok mit der 1743 m hohen Lisina-Gruppe. Die Bahn tritt jetzt in eine lange Thalenge ein. Ueberall sieht das Auge grossartige Schluchten, steile Abhänge, clie schönen Wasserfälle von Unter-Bradina. Ein kleiner Tunnel (103 m) wird durchfahren, dann die Ortschaft Sunje passirt, und nun bietet sich eine Ueberraschung nach der anderen. Ueber hohe Steinmauern, durch tiefe Felseinschnitte, durch fünf Tunnels ist der Weg gebahnt. Immer imposanter erheben sich am Horizonte die Riesen cler hercegovinischen Gebirgswelt, der Prenj bei Jablanica stets im Vordergründe. Die Vegetation ist bereits südlicher geworden; ungemein häufig ist die Edelkastanie. Da wieder ein Tunnel und gleich darauf eine Brücke von ganz eigenartiger Konstruktion, welche die wilde Lukaschlucht übersetzt. Das ist ein imposanter Anblick. Und immer neue Einschnitte, neue Tunnels. Dicht an den Felsen und am steilen Abgrunde die Bahn, als kühnes Gebilde von Menschenhand. So erreichen wir die Station Brdjani mit herrlicher Rundsicht. Auf cler Lehne des eigentlichen TreSanicathales dahin-fahrend, haben wir tief unter uns das PravoSnicathal und die Fahrstrasse Mostar-Sarajevo, vor uns den schneebedeckten Prenj. Und abermals fahren wir in Tunnels, durch das TreSanicathal zur Station Podoroiac, wo von cler Hercegovinaer Seite der eigentliche Ivanaufstieg mit ununterbrochener Zahnstangenanlage und Steigungen bis zu 60 Prozent beginnt. Hier wird die "Eoifaoxf pun utjaj map asqosi.w^ Tre'-anica übersetzt; in tiefem Einschnitt, vorüber an interessanten Felspartien, mit dem Blick auf romantische Schluchten und die ringsum anstrebenden Berge treten wir in das Thal der Narenta und erreichen die Stadt Konjica. Die Station liegt abseits des eigentlichen Ortes in erhöhter Lage, sodass man einen vorzüglichen Ausblick über die gesammte Gegend ge-niesst. Die Stadt Konjica liegt in einem Kessel zwischen hohen Bergen, an beiden Ufern der Narenta, die hier in ihrem tief eingeschnittenen, aber mit Geröll bedeckten Bette meist so seicht dahinfliesst, dass sie im Sommer durchwatet werden kann. Eine schöne steinerne Bogenbrücke, deren Erbauung die Christen dem König Hvalimir gegen Ende des 7. Jahrhunderts, die Türken aber richtiger dem Vezier Achmed Sokoloviö (171 5) zuschreiben, verbindet die beiden Stadttheile. Der grössere westliche war früher nur von Mohammedanern bevölkert; heute aber wohnen hier die meisten Fremden. Gegenwärtig hat Konjica ungefähr 2000 Bewohner. Es haben sich in diesem einst durch den Fanatismus seiner Bevölkerung berüchtigten Die Lukaschlucht. Orte eine Menge Fremde niedergelassen, und mehrere Gasthäuser (»Elephant«, »König von Ungarn«, Kaiser von Oesterreich« und besonders die Bahnhofrestauration) bieten ganz gute Verpflegung. Als ich im Jahre 1885 einmal in Konjica übernachtete, genoss das Gasthaus »zum Kaiser von Oesterreich« durch seine dicke Wirthin, die »Schmauswaberl« in cler ganzen Hercegovina einen wohlverdienten Ruf. Nicht etwa durch die Schönheit cler Wirthin, denn diese war sehr negativer Natur, sondern durch die vorzügliche Küche. Die Lachsforellen aus der Narenta wurden unter ihrer Hand zu einer Delikatesse, welche das Herz jedes Feinschmeckers befriedigen musste. Der Fluss — hier eigentlich nur Neretva genannt _ liefert diese Forellen in grossen Mengen, darunter solche von 10 und mehr Kilo Gewicht. Mühle bei Konjica in der Hercegovina. Konjica war im Mittelalter ein wichtiger Grenzort zwischen Bosnien und cler Grafschaft Chlum. Hier soll im Jahre 1446 der bosnische Landtag abgehalten worden sein, cler so scharfe Beschlüsse gegen die Bogomilen fasste, dass 40000 von ihnen nach der Hercegovina auswanderten. Der Landtag sollte überhaupt in Glaubenssachen Ordnung schaffen, die unbot-mässigen Vasallen zum Gehorsam, das königliche Ansehen in Achtung bringen. Stefan Kosaia, der Lehensträger von Chlum (Hum), hatte sich der bosnischen Oberhoheit entzogen, unter jene des deutschen Kaisers gestellt und das Herzogthum von St. Sava errichtet. Dieser Akt sollte nun ungültig erklärt werden, Herzog Stefan und alle übrigen Lehensträger und Wojwoden dem Könige den Eid der Treue leisten. Das auf dem Landtage zu Konjica erlassene königliche Patent lautet: »Wir Stefan Tomas, durch die Gnade Gottes König von Bosnien und Serbien u. s. w. erklären hiermit und thun zu wissen allen, welche es angeht: Die Glieder Unserer allgemeinen Versammlung, abgehalten in Konjica, Unsere Prälaten und Magnaten, haben Uns zu Unserer Prüfung mehrere Verordnungen unterbreitet und Uns gebeten, dieselben zu bestätigen und zu sanktioniren und unter diesen die folgenden Artikel: Art t. Die Manichäer (Bogomilen) sollen keine neuen Kirchen bauen noch die verfallenden restauriren. — Art. IL Die der katholischen Kirche geschenkten Güter sollen ihr niemals abgenommen werden. — Art. III. Derjenige, welcher, das Schwert ziehend, einen Menschen tödtet, soll mittelst königlichen Dekretes verhaftet und eingekerkert werden und seine Güter zur Hälfte dem Fiskus, zur Hälfte den Söhnen oder Erben des Getödteten verfallen. — Art. IV. Die Käthe, Sekretäre, Wojwoden und Grafen des Hofes sollen bei Antritt ihres Dienstes in die Hände des Königs den Eid der Treue leisten. — Art. V. Der Herzog von St. Sava soll illegitim erklärt sein, wenn er nicht durch den König von Bosnien ernannt wird. Nach so gethaner Ernennung soll der Herzog den Eid der Treue in die Hände Sr. königl. Majestät leisten. — Art. VI. Blutschande und Verführung einer Blutsverwandten sollen mit dem Tode bestraft werden, — Art. VII. Die Verräther des Vaterlandes und ihres Herrn sollen gestraft werden gleich den Hochverräthern, desgleichen die Falschmünzer und diejenigen, die ohne Berechtigung Münzen schlagen, — Aus diesem Anlasse wollen Wir, dass die vorstehenden, mit dem Einverständnisse Unserer Prälaten, Wojwoden und Edlen dieses Königreiches, gleichwie Unseres gewöhnlichen Käthes festgesetzten Verordnungen durch die Beisetzung Unseres königlichen Siegels, legalisirt und sanktionirt werden. Gegeben zu Konjica unter der Obsorge des hochwürdigen Vaters in Jesu Christo, des Herrn Wladimir Wladimirovic, Bischofs von Kresevo, Unseres lieben und getreuen königlichen Sekretärs für die Narentaner Kirchen des griechischen Ritus, am Tage des Festes des heil. Johannes des Täufers, im Jahre Unseres Herrn 1446 und im dritten Unserer Regierung.« Die erhoffte Ruhe trat nicht ein, und es währte nicht lange, so war die ganze Hercegovina und mit ihr Konjica in der Gewalt der Türken. An die Stelle der christlichen Unduldsamkeit trat der mohammedanische Fanatismus. Aus den Wäldern und Schluchten kamen die gehetzten Bogomilen zum Vorschein, sie wurden Islamiten und erlangten die leitenden Stellungen. Einzelne Familien behielten aber stets den Glauben ihrer Väter, und erst kurz vor der Okkupation trat in Dobaöani bei Konjica die letzte dort lebende Bogomilenfamilie Helez zum mohammedanischen Glauben über. In Konjica war es auch, wo die zur Zeit der Insurrektion von 1878 aus Sarajevo ausgewiesenen Oesterreicher mit dem Generalkonsul Wassitsch in der Nacht aufgehalten und mit Niedermetzelung bedroht wurden. Nur der Intervention der von HadXi Lojo beigestellten Bedeckung, besonders den Bemühungen des alten Posttataren Derwisch Aga, welcher erklärte, nur über seine Leiche führe der Weg zu den Flüchtlingen, clie ihm anvertraut seien, war es zu danken, dass die Weiterreise nach Metkovic fortgesetzt werden konnte. Die Umgebung von Konjica ist wildromantisch, besonders cler Borke-See ist eines Besuches werth. Der See, vom Volke »Boraöko Jezero«, auch kurzweg »Jezero« genannt, liegt nach den im Frühjahr 1892 vorgenommenen barometrischen Messungen 405 m über der Adria in einer grossen Mulde, die einerseits von der Crnagora, andererseits von den Ab- hängen des bis 1055 111 hohen Rückens Tranjine (auch Dolovska strana genannt), endlich von den Abhängen des bis 860 m hohen Plateaus, auf dem die Ortschaft Borke sich ausdehnt, begrenzt wird. Er ist 20 km in südöstlicher Richtung von der Stadt Konjica entfernt. Nachdem man auf einem verhältnissmässig guten Reitwege den Ort verlassen und den imposanten Einblick in das von den schneebedeckten Spitzen der BoraSnica, PosluSnik, Motika, Orti£, Kapa etc. umgrenzte Bjelathal genossen hat, beginnt der etwas steile, jedoch sowohl für Reiter wie für Fussgänger leicht überwindbare Aufstieg auf den Vrbassattel, von wo man auf der alten türkischen Heerstrasse, die von Sarajevo über Lipeta-Karaula nach Mostar und Nevesinje führte, das Plateau, auf dem die Ortschaft Borke liegt, erreicht. Die abgeholzten Lehnen der BoraSnica, an denen in den siebziger Jahren eine englisch-französische Kompagnie nicht gerade zum Vortheil cler Waldbestände gehaust hat, sowie die in cler Ferne sichtbaren v V Spitzen des Osobac (2026 m), PosluSnik (1744 m), Zivanj und Crvanj umgrenzen den Horizont. Nach etwa einer Stunde erreichen wir den steilen Rand des Plateaus, von dem der clie Abwässer der Borasnica führende BoraEki Potok in engen Schluchten und Kaskaden herabstürzt. Noch einige Schritte und es eröffnet sich uns ein wundervolles Bild. Durch saftig-grüne Gesträuche auf der Dolovska strana, tiefgrüne Waldbestände auf der Crnagora begrenzt, zeigt sich in der Tiefe der dunkelgrüne, spiegelglatte See, ein wahres Meeresauge, so verschieden in seiner Farbe von den übrigen hercegovinischen Seen, wie Place, Bäk und Derjansko Jezero. Auf steilen Serpentinen erreichen wir in etwa einer halben Stunde (4 Marschstunden von Konjica) das Seeufer. Der wohl-thuende Schatten der Erlenbestände und die kaum durch den Schrei eines Buchhehers getrübte Stille nebst dem Blicke auf clie ruhige, leicht gekräuselte Seefläche sind cler Lohn für clie kleinen Reisestrapazen. Der jetzige See bildet nur den kleineren und unteren Theil des grossen Beckens, welches, von der Crnagora (Jelovina), Tranjina, Ostra und KoSutica umgrenzt, steil gegen clie Narenta abfällt. Die Konfiguration spricht dafür, dass ursprünglich das ganze Becken vom See ausgefüllt war, der von den zahlreichen dort befindlichen Quellen und dem Schneewasser aus dem umliegenden Gebirge gespeist wurde und erst nach und nach einen stärkeren Abfluss gegen die Narenta durch den Sisticabach, der sich zwischen die Ko&utica und Jelik einzwängte, erhielt. Im Laufe der Zeit wurde cler obere Theil des Sees durch das Gerolle und herabgeschwemmte Erde verschüttet und diesem Schicksal geht leider auch der heutige See entgegen. Nach cler neuesten Aufnahme misst der See 26,42 l lektar, seine grösste Länge ist 786 m, seine grösste Breite 402 m. Nach einer unter den orthodoxen Bewohnern verbreiteten Sage soll der heilige Sava die Gegend, um die Bewohner wegen schlechter Auf- •c o t f a o nähme, die er bei ihnen gefunden hatte, zu strafen, in einen See umgewandelt haben. Die Sage giebt dem See eine unermessliche Tiefe, in welcherUeberreste der einst blühenden Ortschaft gelegen sein sollen. Bis heute nennt die Bevölkerung die einzelnen Buchten des Sees »Kuce« (Häuser) und will in den in der Tiefe sichtbaren Baumstämmen Ueberreste der Häuser erkennen. Nach den genauesten Tiefemessungen hat man jedoch nur die grösste Tiefe mit 17,10 Meter gefunden, im Durchschnitt 13—-15 Meter. In den mohammedanischen Bevölkerungskreisen von Konjica ist über die Entstehung des Borkesees folgende Sage verbreitet, die Regierungsrath Heermann mittheilt: In uralter Christliche Bäuerin aus Konjica. Zeit, als noch die Heiligen auf dieser sündhaften Welt zu wandeln pflegten, stand dort, wo gegenwärtig der Borkesee liegt, ein blühendes Städtchen, dessen Name leider Niemandem mehr bekannt ist. Die Bewohner dieses Städtchens waren mit allen irdischen Reichthiimern gesegnet, doch waren sie im Herzen verdorben und so geizig, dass bei ihnen die Gebote der Gastfreundschaft und der Nächstenliebe nicht mehr eingehalten wurden. Diese Sünden führten endlich zu ihrem Verderben. Nach Gottes weisem Rathschlusse kam einst ein heiliger Mann in diese Stadt und bat um Speisung und Obdach. Höhnend wiesen ihn aber die Reichen ab; Niemand wollte seinem Flehen willfahren. Als er vergeblich an alle Thüren geklopft hatte, kam er zu der abseits der Stadt gelegenen Hütte der einzigen Armen dieser reichen Gemeinde. Es war das eine arme Wittwe, die ausser ihrem Häuschen, einem Gärtchen, einer Kuh und einem Pferde nichts mehr ihr Eigen nannte, als einen Sohn, cler eben im besten Jünglingsalter stand. Mutter und Sohn waren Gott ergeben, fromm und für fremdes Leid empfänglich. Sie nahmen den armen Wanderer gastfreundlich auf und theilten mit ihm das frugale Mahl und Obdach. Am nächsten Morgen, als sich der heilige Mann zur Weiterreise anschickte, sprach er zur Mutter und deren Sohn: »Mit Gottes Beistand werde ich diese Stadt wegen der Sünden ihrer Bewohner strafen. Nehmet eure Habseligkeiten und verlasset diesen dem Untergange geweihten Ort. Zieht gegen Nordwest und verfolgt den Fluss, zu dem ihr kommen werdet. Dort, wo euer Pferd mit dem rechten Im Narenta-Defile mit dem Blick auf den Prenj. Vorderhufe den Boden dreimal schlagen wird, dort siedelt euch an; Gottes Segen wird euch dort belohnen.« Sofort befolgten Mutter und Sohn diesen Rath, und bald waren sie weit von der Stadt und dem bei ihrer Hütte verbliebenen Wanderer. Als sie den letzten Blick der Heimath zuwendeten, erfasste Schreck ihre Herzen: sie sahen eben, wie die Stadt unter dem Wehgeschrei ihrer Bewohner in die Erde versank und ein aus zahlreichen Quellen hervorsprudelnder See das neue Becken erfüllte. Der heilige Mann verschwand zu gleicher Zeit vor ihren Blicken. So war der Borkesee entstanden. Mutter und Sohn zogen weiter und verfolgten den Flusslauf (Narenta), den ihnen der heilige Mann bezeichnet hatte. Nach mehrstündigem Wandern blieb plötzlich das Pferdchen stehen. Das Mütterchen munterte es durch den Zuruf: »Hajde, hajde, moj konjicu!« (Geh', geh , mein Pferdchen!) auf, doch das Pferd rührte sich nicht von der Stelle. Auf einmal scharrte es mit dem rechten Vorderfusse dreimal die Erde. Jetzt erkannten Mutter und Sohn, dass sie an dem ihnen von dem heiligen Manne bezeichneten Flecke angelangt seien. Dort bauten sie sich eine Hütte, und bald darauf ver-heirathete die Mutter ihren Sohn. Das Anwesen gedieh von Tag zu Tag, denn es ruhte Gottes Segen auf dieser Familie. Zu ihr gesellten sich die Verwandten cler jungen Frau, und bald entstand ein blühender Ort, dem zur Erinnerung an das Pferdchen, welches durch sein Scharren die Stelle zu dieser Ansied-Katholikin von der Zec-Planina. lung bezeichnete, der Name »Konjica« gegeben wurde. Ein direkter Ausflug von Konjica in das romantische Bjelathal, dessen Lage wir oben andeuteten, ist gleichfalls zu empfehlen. Hier werden sehr hübsche Holzschnitzereien und Ilolzgcräthe, hauptsächlich clie Truhen, in denen die Landbewohner ihre Kleider und Werthsachen aufbewahren, angefertigt. Die gesammte Gegend vom Ivan bis Konjica, Jablanica und Mostar ist ein landschaftliches Paradies, dem eine grosse touristische Zu kunft zu wünschen wäre. Es giebt keine Worte, um die vielen eigen-thümlichen Reize der Landschaft zu schildern. Von Konjica geht clie Bahn eine geraume Zeit in einer weiten Ebene bis zu der 9 km weiter gelegenen Haltestelle Lisiöiö. Dann beginnt wieder die hochinteressante Gebirgsgegend. An der Einmündung cler Neretvica in die Narenta liegt am linken Ufer das Dorf OstroLac mit der gleichnamigen Station. Die ganze Gegend ist reich an Bogomilengräbern und anderen Denkmälern mittelalterlicher Kultur. Zunächst dem Bahnhofe führt eine eiserne Strassenbrücke über clie Narenta und vermittelt die Verbindung des Bahnhofes mit der Strasse Sarajevo-Mostar, die sich von hier aus parallel mit cler Bahn, aber stets am entgegengesetzten Ufer des Flusses hinzieht. An schönen bewaldeten Höhen, dem Idbar und der auch im Sommer noch schneebedeckten Zec-Planina, die mit der prächtigen serbischen weissrindigen Kiefer bestanden sind, vorüber, gelangt man nach der Station Rama, nachdem vorher die Neretvica und der Tos£anica-Bach übersetzt wurden. Der Eingang in das wundervolle und fruchtbare Ramathal selbst, das wir auf einer späteren Tour kennen lernen werden, wird nur auf einen Augenblick sichtbar. Der Name des Thaies kommt seit dem 12. Jahrhundert im ungarischen Königstitel vor, während er im bosnischen Titel fehlt. Den Ungarn war Rama, als das Gebiet zwischen Kroatien und der 1 Iercegovina, gleichbedeutend mit Bosnien, daher die Ausdrücke in alten Urkunden: »Rama seu Bosna« oder »Bosnense regnum, quod et Ramam vocamus«. Der Ramafluss wird am Eingange des Thaies auf einer Eisenbrücke übersetzt, dann gelangt die Bahn in eine Thalenge, in welcher clie Narenta als echter Bergstrom schäumend und tosend im tiefen steinigen Bette dahin-braust; auf hoher Brücke wird clie wildschöne Doljankaschlucht übersetzt, worauf wir die Station Jablanica erreichen. Von Konjica bis Jablanica ist die Gegend sehr fruchtbar. Ueberall sieht man edle Obstsorten, Kirschen, Pflaumen, Kastanien, Wallnüsse und besonders viele, aber meist wilde Birnen. Auch die Häuser sind weit freundlicher als in den südlicheren Theilen der Hercegovina, wo es oft in den Dörfern nur Steinhöhlen zum Wohnen giebt; anders kann man die roh aufgerichteten menschlichen Behausungen, die jeder Bequemlichkeit entbehren, nicht nennen. Iiier aber sind noch Holzbauten, hohe Dächer, weisser oder bunter Anstrich. Die Holzzäune und die grüne Umgebung machen das Bild eines deutschen Gehöftes. Jablanica selbst besteht aus zwei Theilen, Dolnja- (Unter-) und Gornja- .(Ober-) Jablanica. Iis liegt in einem herrlichen Hochthale, um das sich Bergkuppe über Bergkuppe thürmt. Im Nordwesten die 1648 m hohe Kuppe cler Raulja, im Westen clie Tri-naca (2045 m)- Weiter rückwärts die mächtigen Wände der Velika Cvrstnica (höchste Spitze 2227 m) und im Osten clie gewaltige Prenj-Planina mit dem 2102 m hohen Lupoglav. Das ist schon wild zerklüftetes Karstterrain, das bis in den Sommer hinein mit Schnee bedeckt ist. Der imposante Gebirgsstock reicht von der Drezanjka-Miindung bis gegen Konjica hinauf. Seine Abdachungen fallen nach Westen ungemein steil ab, während cler nördliche Hang sanfter ist und üppige Kulturen wie Weideplätze trägt. Der Name Prenj soll auch Weide im Altillyrischen bedeuten. Jablanica ist ein Paradies für Touristen und für Sommerfrischler, und in richtiger Erkenntniss der bevorzugten Lage und cler ausserordentlich günstigen klimatischen Verhältnisse hat die Landesregierung hier ein grosses Hotel mit 19 schön eingerichteten Zimmern, vorzüglichen Restau- •fua-ij sap assnj uiy rations- und Gesellschaftsräumen erbauen lassen. Es liegt mitten in einem herrlichen, wenn auch noch jungen Parke dicht neben der Bahnstation und bietet nach allen Seiten die wundervollste Fernsicht. Es ist im Sommer bereits sehr gut besucht, und Parteien aus Mostar und Sarajevo weilen oft Monate hier; es werden sogar Romane erlebt und Verlobungen gefeiert, wie das Fremdenbuch mit seinen oft recht drolligen Herzensergüssen verräth. Der Touristenverkehr ist sehr bedeutend, darunter vorzugsweise Dänen und Franzosen mit hocharistokratischen Namen. Aber auch Hochtouristen haben die Gipfel des Prenj und der Cvrstnica bestiegen, darunter zu botanischen Forschungen der Direktor des botanischen Gartens zu Berlin, Dr. Engler, der einen begeisterten poetischen Hymnus auf Jablanica ins Fremdenbuch schrieb. Jäger finden noch eine reiche Ausbeute, namentlich einen vortrefflichen Gemsstand, im Prenj-, Moharnica-und Dreznica-Gebiete auch zahlreiche Bären und Lämmergeier. Die Verpflegung im »Hotel Jablanica« ist eine musterhafte, die Preise, von der Landesregierung festgestellt, durchwegs mässig. Um die Bahnstation und das Hôtel hat sich nach und nach eine förmliche Villenkolonie entwickelt; es sind die Wohnhäuser der verschiedenen Beamten, des Bahn- Land e s -11 ô t e 1 in Jablanica. ingenieurs, Forstinspektors usw. Eine Kaserne beherbergt den bewaffneten Schutz, doch ist er bei der Bevölkerung nicht mehr nöthig. Die Leute sind sehr zuvorkommend und finden bei dem gesteigerten Verkehr ihr gutes Auskommen. Als ich vor langen Jahren das erste Mal nach Jablanica kam, da sah es hier ganz anders aus; in einem Hnn fand ich türkisches Unterkommen mit sehr viel Ungeziefer. 1885 traf ich ein grosses Truppenlager. Eine Kärntnerin hielt ein Gasthaus, das mehr einer grossen Kantine glich, das aber doch schon gutes Essen bot. Im Jahre 1888 war eine Art Fremdenkolonie durch den Bahnbau entstanden; neben den grossen Militär-und Arbeiterbaracken hielten sich viele Kantinen, ein ordentliches Gasthaus, mehrere Kaffeebuden, einige Krämer, und auch ein böhmischer Schuhmacher war schon angesiedelt. 1894 hatte sich aus den provisorischen Fortschritten der dauernde entwickelt. Jablanica ist ein Luftkurort ersten Ranges und in vieler Hinsicht wird man an schweizerische und Tiroler Sommerfrischen in den Hochalpen erinnert. Durch die bequeme Verbindung mit Sarajevo und Mostar, sowie durch die regelmässigen Diligence-fahrten durch das Ramathal nach Prozor und Bugojno zum Anschluss an clie dortigen Bahnlinien nach Jajce und Travnik-LaSva besitzt Jablanica aber einen grossen Vorzug vor seinen in Tirol und cler Schweiz gelegenen Rivalen und es ist ihm ein bedeutender Aufschwung sicher. Jablanica, dessen Bevölkerung meist mohammedanisch ist, nimmt im Islam eine eigene Stellung ein, weil hier die Frauen nicht verschleiert gehen. Schon bei cler Einführung des Mohammedanismus scheinen clie Frauen hier clie Hosen angehabt zu haben, clie sie allerdings sichtbar auch heute noch tragen ; sie verweigerten clie Annahme von Feredscha und Jaschmak, blieben cler alten Kleidung treu und tragen sie heute noch. Da der Türke den Volksgebrauch — das Adet — stets achtet und ihn als Gesetz betrachtet, so blieben auch die Vorkämpferinnen der Frauenrechte von Jablanica stets unbehelligt. Von verschiedenen Seiten wird dieses Festhalten cler Frauen an ihrem alten Rechte als eine Nachwirkung des bogomilischen Glaubens bezeichnet. Dass hier ein grosser Mittelpunkt dieser Sekte war, wird durch die zahlreichen Grabsteine bewiesen. Die Häuser der Einheimischen sind in Jablanica grossentheils aus schwarzweissen Lavaschlacken erbaut und mit den Platten jenes Thonschiefers gedeckt, der neben dem Jurakalk in dieser Felsengegend das herrschende Gestein bildet und mit seinen phantastischen Gestaltungen und Schichtungen das enge Defile, in welchem unten das Wasser cler Narenta rauscht, fast so erscheinen lässt, als ob es von übermenschlichen Händen künstlich erbaut worden wäre. Und in das Narentabett ist von cler modernen Technik buchstäblich clie Bahn gesprengt und aufgemauert. Es giebt wenige so waghalsige und so interessante Bauwerke in Europa. Von Jablanica abgehend, kommt der Zug auf einer Brücke von bemerkens- werther Eisenkonstruktion auf das linke Narenta-Ufer, passirt einen Tunnel und windet sich eine Zeitlang zwischen sanfteren Berglehnen und cler dahin-brausenden Narenta. Dann übersetzt er auf einem grossen Viadukt mit 5 Bogenöffnungen clas Glogoänica-Thal, durchfährt den gleichnamigen Tunnel, beschreibt mehrere grosse Kurven und lenkt in ein breiteres Thal. Abermals wird ein Tunnel passirt, der unter den Ausläufern des auf dieser Seite zerklüfteten Prenj-Gebirges angelegt ist. Ueberall sind Wasserfälle, so unmittelbar unter cler Fahrstrasse die starke Quelle Praporac (auch I in Narenta - 1 )e f i 1 e. Komadina-Quelle genannt), die in mächtigem Sturze zum Flusse hinabrauscht. Jetzt gelangen wir abermals in einen Engpass von 3 km Länge mit gewaltigen, bis 600 m hohen senkrechten Felswänden auf beiden Seiten, dann auf einer Brücke neuerlich aufs andere Ufer cler Narenta und an Steilschluchten und Bergparthien von besonderer Schönheit vorüber nach der Station Grabovica. Durch mehrere kleine Tunnels erreicht man eine merkwürdige Strom-enge, clie man glaubt mit einem Sprunge übersetzen zu können. Das eigentliche Felsufer unter den steilen Wänden ist überall aus Konglomeratgestein gebildet und mit Geröll bedeckt, doch ist jeder Fusstritt brauchbarer Erde für clie Kultur erobert, mit grosser Mühe eingezäunt und mit Steinmauern umfriedet. In den höheren Lagen des Narentabettes aber finden sich ausgewaschene natürliche Höhlen, die trotz ihres gefährlichen Aussehens zu Ställen benutzt und mit Thüren von Flechtwerk primitiv geschlossen werden. Zwischen wieder höher ansteigenden bewaldeten Bergen erreichen wir Dre^nica, hinter welcher Station auf einer Eisen-brücke die Drezanjka übersetzt wird. Ein kurzer Einblick bietet sich in das enge Felsenthal dieses Flüsschens, in die Wildniss, aus der es sich der Narenta zuwindet. Wenn man einem schmalen Ziegenpfade folgen will, kommt man nach drei Stunden zu dem Orte Dre^nica, der von allen Dörfern des Landes die eigenthümlichste Lage hat. Eingeengt von den furchtbarsten, mehrere tausend Fuss hohen Felswänden, die den Dorfbewohnern auch zur Sommerszeit nur kurze Stunden des Tages den Anblick der Sonne gönnen, scheint es, von oben gesehen, auf dem Boden eines Abgrundes zu liegen. Nur längs des Flüsschens und auf einem einzigen Wege übers Gebirge, der im Winter meist ungangbar ist, gelangt man wie die Gemsen kletternd und springend in dieses »Thal der Schatten«. Ein ganz kleines, aber an Wein, Obst und Getreide fruchtbares Feld nährt hier eine Bevölkerung von etwa 800 Seelen, clie in ihrer rauhen Zurückgezogenheit clie Eigenheiten der Hercegoviner am treuesten bewahrt haben. »Inter idiotum hereegovinensem populum«, sagt eine geistliche Quelle,, »habitatores Dreznicae sunt idiotissimi, non minus quam bardi et silvestris.« Uebrigens glauben clie Leute, dass in ihrer Wilclniss Schätze versteckt seien, und thatsächlich fand der Türke Asan Kumric in einer Ruine 1867 mehrere hundert byzantinische Goldstücke des elften Jahrhunderts. Von den Eigenthümlichkeiten dieser Einsiedler gehen viele Erzählungen, so unter anderem, dass sie für einen Falken von seltener Schönheit, den sie dem Sultan schickten, Steuerfreiheit für alle Zeiten erhielten. Jedenfalls, war es einstmals schwer, in Dreznica etwas mit Gewalt einzuheben; seine Bewohner waren und blieben vergessen in goldener Ruhe. Gegenüber cler Drezanjka-Einmiindung, an der Kunststrasse, liegt der Militärposten Han Sjenice. Hier beginnt bereits die Feige vereinzelt aufzutreten, die dann nebst der Granate schon in Janjeni als gemeiner Strassen-strauch und Baum vorkommt, bis in Mostar die wundervollste südliche Vegetation das Auge erfreut. Dicht hinter Han Sjenice fällt die Quelle Crno. Vrelo (Schwarzquell) mit tosendem Sturzbach in die Narenta. Man hat dieselbe unter der Strasse durchgeführt, doch ist cler Anblick noch immer grossartig. Die Quelle entspringt in einer märchenhaft schönen Grotte, deren dichte Verkleidung von lang herabhängenden Moosflechten kein Luftzug bewegt, dessen Wasserspiegel keine Welle kräuselt, am Fusse einer hohen Felswand. Die Bahn fährt zumeist auf hohen Stützmauern; die wechselnden Landschaftsbilder werden immer pittoresker, immer wilder. Das gesammte Narenta-Defile, das sich von Jablanica Iiis zur Station Ra&kagora, die wir jetzt erreichen, erstreckt, ist von bezaubernder Grossartigkeit und Schönheit.. •jb i s o p¡ n o a j q o i s n v s s n \ .j Jetzt ändert sich wieder das Bild. Der Fluss hat ein weiteres Bett, und bei Station Vojno erhält man bereits den Blick auf die ausgedehnte Ebene, in der die hercegovinische Hauptstadt gebettet ist. Hier ist die Gegend gut angebaut, eine Menge Gehöfte zeigen die Nähe der grösseren Stadt. Das »Bjelopolje« (weisse Feld) soll einstmals ein Seebecken gewesen sein, und die Bewohner führen hierfür einen allerdings ganz merkwürdigen Beweis. An verschiedenen Randstellen der Ebene, bei Kuti, Suhodol, Vojno und Rastani, hängen von den Felsen grosse eiserne, in Blei eingegossene Ringe herab und diese sollen früher zur Befestigung der Schiffe gedient haben. Heutzutage ist allerdings von diesem Wasserüberfluss selten etwas zu spüren; selbst die Narenta macht bei der »Skakalo« (Sprung) genannten Stelle den Versuch, unterirdisch zu verschwinden. Die Felsen verengen nämlich das Flussbett so, dass man das Wasser kaum sieht, und der Fluss kann wirklich mit einem kühnen Sprunge übersetzt werden. Es war 8 Uhr Abends geworden, als wir in Mostar einfuhren. 1 lohe Berge mit vielen Befestigungen deuten an, dass wir uns in einem Lande befinden, in dem man noch vor wenigen Jahren dem Frieden nicht trauen Hotel Nitrenta in Mostar. durfte. Helles Gaslicht auf dem Bahnhofe, Omnibusse von Hotels, Fiaker zeigen aber, dass in der einst so wilden Hercegovina Kultur und Civilisation eingekehrt sind. Wenige Minuten Fahrt bringen uns nach unserem Absteigequartier, dem landesärarischen »Hotel Narenta«, einem Prachtbau, in dessen gastlichen Räumen wir in fröhlicher Gesellschaft bald Erholung von den vielen Genüssen des Auges finden. Eine grosse Cook'sche Reisegesellschaft ist gerade über Dalmatien aus Metkovic gekommen, ein Beweis, dass Bosnien-Hercegovina in den Welt-Rundreise verkehr eingereiht wurde. Es giebt wenig pittoreskere Orte als die Hauptstadt der Hercegovina. Eingebettet zwischen hohe Berge, den PodveleX und den Hum, zwischen denen die Narenta im tiefen, wild zerklüfteten Bette dahinbraust, zeigt sie so recht den Charakter cler Residenz eines kriegerischen Volkes. Im Süden die grosse Im Bazar in Mostar. Ebene Bi$<5e, im Norden das weite Bjelopolje, hätte sie Raum genug zur Ausdehnung in weite Gefilde gehabt, aber sie blieb eng zusammengedrängt in einer Art Vertheidigungsstellung, und die vielen Forts auf den Bergkuppen, die ihr Entstehen der neuen Zeit verdanken, dienen nicht dazu, den kriegerischen Eindruck zu mildern. Die Häuser sind durchwegs von Stein, und angesichts der kahlen Berge tragen sie so recht das' Aussehen, an das man beim Hören des Wortes Hercegovina unwillkürlich denkt: das des steten Kampfes. Aber Mostar ist nicht nur hercegovinisch, es ist auch italienisch und sehr viel orientalisch. Diese Mischung im gesammten Stadtbilde, zu dem sich noch jetzt das europäische Bauelement gesellt, bringt einen so eigenen Reiz hervor, dass jeder Besucher von Mostar gebannt und gefesselt wird. Dazu tritt der malerische Anblick des wild zerrissenen Narentabettes und als wirksamster Kontrast, gegenüber den starren kahlen Abhängen des Hum, die üppigste tropische Vegetation in den Gärten und Feldern. An den Felshängen grünen nur Büschel von Salbei zwischen den Steinen, sich kaum vom steinigen Grunde abhebend, in den Feldern die üppigste und saftigste Blüthe — ein botanisches Märchenparadies .... Die hercegovinische Hauptstadt. Mostar ist aber auch in klimatischer Beziehung eine tropische Stadt. Auf die Strassen brennt den grössten Theil des Jahres eine afrikanische Sonne, welche die Hitze bis zu 40 und mehr Grad steigert und ein Spazierengehen zur Qual macht. Die Abende bieten wenig Erholung; aus den Steinen strahlt nach Sonnenuntergang die Wärme eines Dampfbades, und man muss sich in den Wohnungsräumen vor den »Papadaii« — einer winzigen blutdürstigen Moskitoart — wohl in Acht nehmen. Wenn aber einmal — was sehr selten geschieht — der Winter hereinbricht, dann ist die Kälte zwischen den Steinmauern und bei oft nicht vorhandenen Oefen eine doppelt empfindliche, die nur einer Steigerung fähig ist, wenn die Bora von den Bergen mit verheerender Gewalt daher-braust. Den Fremden, der in vorzüglichen Hotels untergebracht ist, berühren diese Mostarer Eigenthiimlichkeiten allerdings nicht, und ihm wird sich die interessante Stadt ins Herz schmeicheln, dass er sie nie wieder vergisst. Die hercegovinischc Hauptstadt hat eben auch ihre idyllischen Plätze. Wenn man den Bazar durchwandert und die alte Narentabriicke (deren wir später noch eingehend gedenken) überschritten hat, kommt man in den Stadttheil Zahumje. Hier ist das stille Viertel von Mostar, das Terrain der Gärten. Ueber niedrige Mauern griissen die Granatblüthen, riesige Maulbeer-, Feigen- und Nussbäume strecken ihre Aeste über die Strasse und bieten Schatten, eine Menge von blühenden Gesträuchen und Blumen haucht berauschenden Duft aus. Hier ist der Kreisgarten, der Versuchsgarten der Obstbauschule angelegt, der ein wahres Eden für den Kenner bietet und der besonders prächtiges Obst an Zwergstämmchen enthält. Dicht dabei steht hinter hohen Mauern die katholische Kirche, ein Neubau von der Form einer Basilica, die Details im korinthischen Stile. Ueber dem Hauptportale liest man in der Landessptache die Inschrift : »Gott dem allmächtigen Schöpfer, dem heil. Petrus und dem heil. Paulus steht diese Kirche errichtet. Der guiige Kaiser von Stambul gab zu ihrem Bau eine freundliche Stätte und überdies fünfzig Beutel. Das arme Volk trug eine kleine Beihilfe zusammen; alle übrigen schweren Kosten steuerte das Ausland durch die Sorge der Brüder Franziskaner und ihres bischöflichen Oberhauptes. A. I). ]S66. 7. März.« Die Geschichte der katholischen Kirche in Mostar ist eine lange Leidensgeschichte. Bis in die Fünfziger Jahre unseres Jahrhunderts durfte der katholische Vikar der Hercegovina nur verkleidet oder bei Nacht die Hauptstadt betreten, um den wenigen dortigen Katholiken geistlichen Beistand zu spenden. Diesem Zustande ein .Ende zu machen, war das Ziel des Vikars Raphael Bariäic, der in einer Hütte in Sconica residirte. Mit Ausdauer und schlauer Politik erwirkte er nicht ohne schwere Mühe und •j B J s O JV « Î 3 H 3 n j ££ 31 \ « 3 i (J Kosten einen grossherrlichen Ferman, der ihm den Bau eines bischöflichen Hauses in Mostar gestattete. Allein die Mohammedaner in der Stadt trotzten dem Befehle des Sultans, sie griffen zu den Waffen und würden den Vikar, der auf seinem Rechte bestand, getödtet haben, wenn sich nicht der Vezier Ali Pascha ins Mittel gelegt hätte. Dieser erwarb — so erzählt Dr. Hoernes — da die Türken um alle Schätze cler Welt keinen Baugrund in der Stadt verkauft hätten, ausserhalb derselben in Vukodol (Wolfsthal) unter seinem Namen ein Grundstück, das er dem Vikar um den Preis von sechs Beuteln Piaster (300 fl.) verkaufte. Obwohl auf diese Nachricht die Türken sich zusammenrotteten und schworen, dass sie lieber fallen wollten bis zum letzten Mann, als einem Ungläubigen diesen Bau zu gestatten, schritt BariSiö dennoch, umgeben von zehn bewaffneten Kawassen des Veziers, furchtlos von einem Ende der Stadt zum anderen, zwischen den aus allen Fenstern hervorragenden Flintenläufen der Mohammedaner hinaus nach Vukodol. Hier nimmt er, während rings umher Alles für sein Leben zittert, cler Einzige, den sein Heldenmuth keinen Augenblick verlässt, einen Stein und bezeichnet damit die Grundlinien seines Hauses. Dann befiehlt er dem Werkmeister clie Ausführung des Baues im strengen Tone eines kaiserlichen Gebotes und kehrt unversehrt nach Seonica zurück, wo er von den Seinen als Sieger empfangen wird. Das geschah 1847. Der Fanatismus der Türken barg eine solche Gefahr, dass selbst die Werkleute beim Bau nicht anders sicher waren, als wenn ihnen die Waffen im Gürtel steckten oder zur Hand lagen. Als aber der Bau vollendet war und BariSiö von seiner Residenz Besitz ergriffen, machte sich der Einfluss dieses Schrittes in Mostar sofort nachdrücklich geltend. Vor 1852, in welchem Jahre der Vikar nach Mostar übersiedelte, gab es in dieser Stadt kaum 120 katholische Familien. Diese bestanden aus armen Knechten und Handwerkern, deren keiner auch nur den bescheidensten Platz im Bazar einnahm. Schon 1867 war die Zahl der katholischen Familien Mostars 398 mit 1715 Seelen, und sie vermehrte sich rapid, so dass bald eine Schule gegründet werden musste. Bald erschien auch die mit dem Hause des Bischofs verbundene Kapelle zu klein für die Gemeinde und die Errichtung einer grösseren katholischen Kirche in Mostar wünschenswerth. Auch dieser Bau war das Werk von BariSid. Die Machthaber, welche der schlaue geistliche Politiker nach einander benützte, sind geschichtlich bekannte Personen. Ali Pascha Rizvanbegoviö aus Stolac, der 1832 bis 1849 clie Hercegovina fast unumschränkt beherrschte, hatte die Schwäche der Pforte gegenüber dem bosnischen Aufstande von 1831 benützt, um sich zum Vezier seines engeren Heimathlandes aufzuschwingen. Treulos oder, wenn man will, bloss kalt gegen die nationalen und religiösen Interessen der slavischen Mohammedaner Bosniens, clie Hussein Aga von Berbir glänzend vertrat, Eingang1 zur alten Mostarer Brücke. hielt er zum reformfreundlichen Staate, suchte aber nachher in seiner Statthalterschaft die Hoheit desselben auf ein Minimum herabzusetzen. Durch türkische Perfidie überlistet, bei einem Gastmahl in Mostar von Omer Pascha gefangen genommen, fiel er, ein echter Repräsentant seines Stammes, von Kugeln durchbohrt oder wie Andere wissen wollen, durch Gift. Als nach dem jähen Sturze Ali Pascha Rizvanbcgovic Omer Pascha als Oberfeldherr der kaiserlichen Truppen in Mostar herrschte, wusste Barisiö diesen zu gewinnen, und er erlangte durch sein Fürwort in Stambul nicht nur die Bewilligung zum Bau der Kirche, sondern auch die Anweisung eines geeigneten Baugrundes und das Geschenk von fünfzig Beuteln Piaster. Auch diesen Bau hemmte die Missgunst der Mohammedaner von Mostar, die nicht gestatteten, dass die Steine zum Werk in der Nähe oder an einem wenn auch entfernteren Orte gebrochen würden. J J31AU3>l0nJíl in I Es mussten an elf verschiedenen Punkten Steinbrüche eröffnet werden, •wodurch sich die Baukosten natürlich sehr steigerten. Die Werkmeister waren eingeborene Hercegoviner, meist aus dem Popovopolje, Bauleiter durch sechs Jahre der abendländisch gebildete Peter Bakula. Bari&ic erlebte nicht mehr die Vollendung des Baues, aber sein Werk gedieh und wurde fertig. Und heute kennt Niemand mehr in Mostar Religionshass, alle Bekenntnisse leben ruhig und friedlich neben einander. Wird doch dicht neben der katholischen Kirche ein Nonnenkloster direkt an die Strasse gebaut, ohne dass die meist mohammedanische Bevölkerung dieses stillen Stadtviertels auch nur mit den Wimpern zucken würde. Und weiterschreitend auf unserer Wanderung durch die enge stille Strasse des Zahumje-Viertels wird das Auge immer von Neuem entzückt durch grüne Wildnisse, die sich oft über türkischen Friedhöfen zu undurchdringlichen Dickichten wölben. Wir folgen eine Zeitlang dem Lauf der Radobolja, welche die neue Wasserleitung von Mostar speist, kommen an einer Menge kleiner Kaifeegärten vorüber und kehren endlich bei einer krainerischen Wirthin ein, deren Mann früher als Feldwebel in Mostar diente. Hier gab es ein ganz annehmbares Flaschenbier, das in dem eiskalten Bache gekühlt wurde. Maulbeerbäume von riesigem Umfange, wie ich selten solche sah, beschatteten den Garten und das Haus, in dessen Gaststube zahlreiche Schwalben aus- und einflogen, die dort ihre Nester hatten. Es ist ein schöner Zug der orientalischen Völker, dass sie Thierquälerei nicht kennen, dass Vögel nicht verfolgt und gefangen, Pferde wenig oder gar nicht geschlagen werden. Es ist richtig, man pflegt in Bosnien-Hercegovina die Thiere nicht eigens, aber man lässt sie sich naturgemäss entwickeln und freut sich ihres Gedeihens. Oefter gab es Konflikte mit den eingewanderten italienischen Arbeitern, die heimischer Sitte gemäss keinen Vogel sehen können, ausser er liegt gebraten auf der Polenta. Auch die Landesregierung hat sich schon genöthigt gesehen, gegen -diese Vertilgung Verordnungen zu erlassen. In vielen Gegenden des Landes sind die kleinen Singvögel ohnedies selten genug, weil die zahlreichen Geier für deren Vernichtung sorgen. Nur der Spatz, findet sich überall und, Gott sei Dank, er vermehrt sich zahlreich. Da ich schon von der Vogelwelt spreche, möchte ich gleich noch eines idyllischen Punktes nahe der alten Narentabrücke gedenken. Dort sind grosse Höhlen, augenscheinlich einstmals vom Flusse ausgewaschen, und in diesen und dem angrenzenden Garten ist eine Bierhalle etablirt, die Niederlage der Sarajevoer Aktienbrauerei. In diesen Höhlen ist es wunderbar kühl und selbst Kronprinz Rudolf verschmähte es 1888 nicht, diesem originellsten aller Bierhäuser einen Besuch abzustatten. Hier fliegen die Schwalben zu Hunderten aus und ein, ohne sich um die Menschen zu kümmern. Sie nisten ruhig in den »Gemächern«. Uebrigens hat man von hier aus auch einen guten Fernblick auf das wild zerklüftete Narenta-bett, dessen Wildheit gerade in cler Stadt am meisten zur Geltung kommt. Die Hauptsehenswürdigkeit, wegen der Mostar von alter Zeit her genannt wurde, ist die steinerne Brücke über die Narenta, die man den Römern zuschrieb, wie man au ch hier die Rö m er-stadt Matrix suchte. Nun mag ja in früheren und frühesten Zeiten hier eine grössere Ansiedlung bestanden haben, aber clie Ableitung des Staclt-namens von »Most stari« (alte Brücke) ruht denn doch auf ziemlich schwachen Füssen. Die Blüthe cler Stadt datirt jedenfalls erst aus der Zeit, da das mittelalterliche Blagaj im Bi.^ce-polje verfiel und Mostar Sitz des Gouverneurs wurde. In den Kriegen der Venetianer mit den Türken war Mostar eine feste Stellung cler letzteren und mehrfach misslang eine Belagerung. Die alte Brücke, clie in einem einzigen kühnen 1 Moschee in Predhum. (Mostar..) Bogen von 95 Fuss Spannweite bei 75 Fuss Höhe den Fluss übersetzt, ist jedenfalls ein ungemein kühnes Bauwerk, das am meisten imponirt, wenn man es vom Flussbette aus betrachtet. Die Brücke wird von Thor-thiirmen flankirt, die samint ihr im Volksmunde »Grad« (das Schloss) genannt werden. Die Thorthürme sind halbkreisförmig, mit ungemein dicken Mauern, und dienten früher theils als Pulvermagazine, theils als schwere Kerker. Heute haben sie natürlich jede Bedeutung • verloren. Ueber die Entstehung der Brücke bestehen verschiedene Versionen, von denen diejenige, welche den Bau den Römern zuschrieb, als beseitigt gelten kann. Die Mohammedaner behaupten, die Brücke wäre erst längere Zeit nach der Eroberung der stolzen Hercegovina durch Sultan Bajazid II. unter dem grossen Sultan Sulejman II. im Jahre 974 der Iiedschra (d. i. im Jahre 1 566) gebaut worden. Als Beweis hierfür wird eine arabische Inschrift in der Mitte des Bogens angeführt, welche lautet: »Kudret kemeri« (Bogen der Allmacht Gottes). Nach arabischem Brauche soll diese Inschrift durch Zusammenzählung der Zahlenwerthe der einzelnen Buchstaben das Jahr der Erbauung ergeben. In diesem Falle erhält man 974 (1566) als das gesuchte Jahr. Da die Inschrift nur von den ziemlich weit entfernten Ufern zu sehen ist, überdies die Inschriftzeichen alt und verwittert sind, ist es sehr schwer, sie heute noch zu entziffern. Authentischen Bericht giebt der türkische Geograph Hadschi Chalfa (in »Rumeli und Bosna«): »In Mostar ist eine sehr merkwürdige, ans einem Bogen gewölbte Brücke, im Jahre 974 erbaut. Da die meisten Gärten jenseits des Flusses liegen — im Thale der Radobolja —, so passirte man denselben ehemals auf einer grossen in Ketten hängenden hölzernen Brücke, die aber, da sie keine Pfeiler hatte, so schwankte, dass man nur mit Todesfurcht hinüberging. Nach der Eroberung baten die Einwohner den Sultan Sulejman, ihnen eine steinerne Brücke bauen zu lassen. Dieser schickte den Baumeister Sinan — den grössten türkischen Architekten aller Zeiten —, der nach genommenem Augenschein es für unmöglich erklärte, hier eine Brücke zu wölben. Man stand also davon ab. Späterhin verbürgte sich ein geschickter Tischlermeister des Ortes für clie Ausführbarkeit des Vorschlages, und die Brücke kam zu Stande. Sie hat einen einzigen Bogen, dessen Durchmesser 150 Ellen misst, ein Kunstwerk, das alle Baumeister der Welt schachmatt machte. Die Mauer, worauf der Hogen ruht, hat in der Breite beiläufig 8 Ellen.« Bei den Orthodoxen knüpft sich an den Bau der Brücke wiedt, die Sage vom Bauopfer. Der von den Türken gefangene Baumeister Rade erkaufte sich die Freiheit durch dieses Werk, das ihm trotz aller Anstrengungen nicht gelingen will, bis er auf den Rath der Vila vom Berge Veles ein Liebespaar in den Grundfesten der Brücke vermauert. Der türkische Dichter Derwisch Pascha (1004 d. Hedschra Vezier von Bosnien), ein Mostarer Kind, besingt in einem Gedichte, welches die Beschreibung Mostars zum Gegenstande hat, die Stadt und Brücke in begeisterten Worten, die in der -Uebersetzung ungefähr lauten: »Die beispiellose Schönheit Mostars lässt sich mit der Feder nicht beschreiben ! O Herz wundere dich nicht, wenn Mostar dich bezaubert hat. Ich finde nirgends auf der ganzen Welt — ausser in den paradiesischen Sphären — solch balsamische Lüfte, welche das Herz erweitern und solches Wasser, welches das Leben verlängert. Wer Mostar besichtigt, der erwacht mii jedem Augenblicke zu neuem Leben! Jeder Winkel Mostars erfüllt das Herz mit neuer Freude Mit seinen Gewässern und mit seinen Fruchtbäumen kann es sich mit Anatolien messen Jedes Gärtchen Mostars ist ein Garten Edens. Die Mostarer Brücke mit ihren zwei Thürmen gleichet dem Himmelsgewölbe, auf dem die Sternlein in ihrer Bahn wandeln. Aber nicht einmal Karagjoz-Moschee in Mostar. das Himmelsgewölbe kann sich mit ihr vergleichen, denn auch seine Grösse wird überflügelt durch die Grösse des Brückengewölbes. Und wenn du die ganze Welt absuchst, so findest du nirgends ein solches Leben wie in Mostar, der Werkstätte aller Wissenschaften und Künste. Aus Mostar entsprossen gewaltige Helden des Schwertes und cler Feder, wie früher so auch jetzt Vor mir müssen verstummen die indischen Papageien, denn ich bin die Nachtigall welche Mostar besingt.« Beim Uebersteigen cler Brücke fällt deren starke Steigung aui die durch Staffeln vermittelt wird. Dafür belohnt vom höchsten Punkte, wo ehedem eine Art von Pranger bestanden haben soll, eine fesselnde Schau stromauf- und abwärts, wie hinunter in die schwindelnde Tiefe. Der Wagenverkehr über die Brücke ist jetzt verboten, da sich bedrohliche Risse im rechtsseitigen östlichen Brückenpfeiler zeigen. Der Verkehr vollzieht sich über zwei neue eiserne Brücken, deren eine, die »Franz Josefsbrücke«, auch den Bahnhof mit der Stadt verbindet. Die Strassen der Stadt sind in gutem Stande und so weit rein, als es bei dem starken Verkehr mit Tragthieren überhaupt möglich ist. Ganze Karawanen kommen vom Lande mit allen möglichen Verkaufsartikeln, grosse Schaf- und Ziegenheerden, meist von Weibern getrieben, die noch nebenbei auf einer Spule spinnen. Besondere Schönheiten findet man — abgesehen von der Gestalt — unter diesen Landweibern nicht, sie sind meist sehr gebräunt, häufig schmutzig in der Kleidung, aber keiner fehlt der Halsschmuck von Silbermünzen oder Schnüren von Glas- und Bernsteinperlen. Auch auf dem Kopfe tragen sie Münzen, oft in das in viele kleine Zöpfchen geflochtene Haar künstlich eingehängt. Die Unreinlichkeit in der Kleidung ist aus dem in vielen Gebirgsgegenden herrschenden Wassermangel zu erklären, denn dieselbe verschwindet dort, wo Wasser vorhanden ist. Die Sonntagskleidung ist aber stets rein, die Leinensachen schön gestickt in den bekannten südslavischen Mustern. Dann gehen die Frauen auch nicht gedrückt daher und ihre dunkeln Augen blitzen im südlichen Feuer. Die Stadtbevölkerung trägt sich, soweit sie sich nicht bereits ä la franca kleidet, national. Die orientalisch-orthodoxen Christen haben meist den schwarzumränderten montenegrinischen Fez, aber statt der in den Schwarzen Bergen gebräuchlichen eingestickten Initialen des Fürsten ist ein goldener Stern auf den rothen Deckel gestickt. Es ist ein kräftiger, hochgewachsener Menschenschlag, der mit grossem Selbst-bewusstsein einherschreitet. Da ist keine Unterwürfigkeit zu spüren; man merkt es den Männern an, dass sie stets bereit sind, für ihre Freiheit zu kämpfen. Hier sieht man deutlich, dass Bosnier und Hercegoviner trotz cler gleichen Sprache und Abstammung sich zu verschiedenen Völkern entwickelt haben. Dieses Volk konnte von den Türken nie vollständig unterjocht werden und jeder Versuch wurde blutig zurückgewiesen. Dabei sind die Hercegoviner offen und ehrlich; gegen Fremde wohl, wie alle Gebirgsvölker, nicht besonders entgegenkommend, aber in jeder Weise verlässlich. An das gegenwärtige Regime haben sie sich gewöhnt, die Angewöhnung ging freilich langsamer vor sich als in Bosnien. Die 30 Moscheen der Stadt — darunter clie prächtige Karagjoz-Moschee — sind meist recht stattliche Bauten, besonders clie Minarets von einer Schönheit, dass denselben wenige in der Türkei an clie Seite gestellt werden können. Schon die Ausführung in grossen Steinquadern, die wundervoll ausgearbeiteten Mauerkronen an den Galerien, welche den Muezzins zum Ausrufen der Gebetszeiten dienen, rufen Bewunderung hervor Dabei stehen bei den Brunnen zu den täglichen fünf Waschungen in den Höfen der DSamijen meist prächtige Cypressen, und die Friedhöfe die nach alter muselmanischer Sitte gleich an die Moscheen sich schmiegen, prangen in üppigem Grün, dem die Granatblüthen ein lebhafteres Colorit verleihen, so dass clie Ruhestätten der Todten ihren düsteren Charakter gänzlich verlieren. Ueberhaupt wird von der Behörde viel zur Hebung der Baum- und Gartenzucht, für Verbesserung und Verschönerung gethan. Sie Hess auch den ehemaligen Schindanger in Zahumjc, auf welchen alle Abfälle der Stadt geworfen wurden, in den früher erwähnten prächtigen Garten der Kreisbehörde umwandeln. Während ehemals die an den Schindanger grenzenden Parzellen gleichfalls verödet und sozusagen unverkäuflich waren, haben heute die Besitzer derselben sich gleichfalls Gärten angelegt. Ganz besonders zu erwähnen ist jedoch die Anlage der Stefanie-Allee, die vom Bahnhof in schnurgerader Richtung ins Freie führt. Mit prächtigen Bäumen bestanden, bietet sie wundervolle Spaziergänge; rechts und links liegen förmliche Feigenwälder, von grünen Gebüschen eingefasste üppige Tabak- und Maisfelder und dazwischen immer wieder einmal eine klei ne Gastwirthschaft, ein türkisches Kaffeehaus, wo man im Grünen wunderbar ruhen kann. Hier wird überall ziel-bewusstgearbeitet, und die auf der Südseite entstehenden neuen europäischen Stadttlieile, die vielen Neubauten in der alten Stadt zeugen von Unternehmungsgeist und Fortschritt. Das Gebäude der Kreisbehörde ist ein Monumentalbau , ein ebensolcher ist das in maurischem Stile neu errichtete Vakufgebäude, das Magistratsgebäude mit den Räumlichkeiten der Be-zirksbehörde und die r » •• , c Jm Bruckenviertel von Mostar. höhere Mädchenschule. Mostar besitzt bereits diese Einrichtung, es ist eine Art Mädchengymnasium, die sich schon wegen der Kinder der vielen Beamten, Militärs und Fremden gut bewährt, doch wird die Schule auch von Einheimischen fleissig besucht. Grosser Anerkennung erfreuten sich die Handelsschule und die allgemeine Volksschule. Neben dieser bestehen noch die verschiedenen kon- ) fessionellen Volksschulen. Die Kinder, \ welche die serbische oder richtiger orthodoxe Schule besuchen, sind nicht zu beneiden; sie müssen einen steilen Berg steigen, der schon in gewöhnlichen Zeiten an den beschwerlichen Weg zum Himmel erinnert, im Winter oder bei Sturm lebensgefährlich wird. Die Schule liegt nahe der griechischen Kirche, und um die Aufsicht nicht aus den Augen zu verlieren, willigt die Geistlichkeit in keine Verlegung derselben. Die Kirche hat allerdings einen imposanten Platz auf dieser Höhe, von der man einen weiten Fernblick über ganz Mostar geniesst. Sic ist in grossen Dimensionen im byzantinischen Stil gebaut. Das Innere ist bis auf die Ikonostas (Bilderwand) ziemlich schmucklos, doch macht der Raum mit seiner imposanten Wölbung, die von mächtigen steinernen Säulen, mit das Auge jedes Kunstfreundes entzückenden Blumen- und Lorbeerkapitälen, getragen wird, einen erhabenen Eindruck. Der Metropolit empfing uns in der Kirche mit dem Archi-mandriten und mehreren Geistlichen und machte uns auf alle Einzelheiten des Bauwerkes aufmerksam. Der Metropolit ist wohl ein geborener Grieche; er sprach die Landessprache nicht gut, und es geschah in der serbischen Kirche das Originelle, dass der geistliche Oberhirte mit einem uns begleitenden Herrn sich türkisch verständigte. Den Geistlichen dürfte es unter der osmanischen Herrschaft nicht gerade schlecht ergangen sein, denn sie tragen meist türkische Dekorationen. Uebrigens bemerkt man bei den Eingeborenen viele österreichische Orden, die mit Stolz getragen werden. Pur die gegenwärtig 17010 (1885 nur 12700) Bewohner zählende Stadt ist die Caräija - das Bazarviertel — mässig zu nennen. Die 500 Verkaufsgewölbe, die sich stromabwärts bis zur alten Narentabrücke ausdehnen und selbst jenseits derselben noch eine Verlängerung haben, enthalten die türkischen Waaren, auch verschiedene origineller Mostarer Erzeugung; so sind z. B. hübsche, ganz gewöhnliche Thongefässe des Kaufens werth. In manchem Gewölbe findet man wohl auch noch ein Prunk- oder Schmuckstück aus alter Zeit, aber das Meiste ist bereits durch Partie von Mostar. Kauf in europäischen Besitz übergegangen. Des Ansehens werth ist die Gasse cler Schneider, wo die prächtigen, goldgestickten Anzüge der reichen Hercegoviner angefertigt werden. Hier bereitet das Besichtigen keine Umstände, dahast offen - wie in Italien — auf der Strasse gearbeitet wird. In der CarSija steht übrigens mitten auf offenem Platze ein originelles Kaffeehaus, das »Cafe Luft« von den Fremden genannt. In einem von allen Seiten offenen kleinen Pavillon stehen ringsumher Bänke, an der Seite ist ein offenes Kohlenfeuer und an ihm bereitet der KafedSija einen geradezu vorzüglichen Mokka. Am Nord- wie am Südende der Stadt befinden sich ausgedehnte massiv hergestellte Lager (Kasernen und Baracken) für clie Garnison. Ueberau sind hübsche Garten- und Baumanlagen versucht worden, doch wollen die auf der Südseite nicht recht gedeihen; der Boden ist zu steinig und des Regens zu wenig im heissen Mostar. So oft ich jetzt die Hercegovinaer Hauptstadt besuchte und das ist — abgesehen von einem kurzen Aufenthalt unter türkischer Zeit — viermal, kam es mir vor, als ob die Bäumchen beim Südlager noch verkümmerter wären, — der direkte Gegensatz zu der wildwuchernden Ueppigkeit an der Narenta und Radobolja. Nicht weit vom Südlager, aber innerhalb der Stadt, steht clie ärarische Tabakfabrik, die eines Besuches werth ist. Es sind dort 300—400 grössere und kleinere Mädchen und eine Menge männlicher Arbeiter beschäftigt, welche den ausgezeichneten Hercegovinaer Tabak zu Cigaretten und Cigaretten-tabak verarbeiten. Unter «dem männlichen Personale sind alle Konfessionen vertreten, unter dem weiblichen nur Orthodoxe und Katholikinnen, da die Mohammedanerinnen — soweit sich solche zur Arbeit melden — diese nach Hause bekommen. Der Verdienst ist selbst für europäische Verhältnisse sehr anständig; clie Arbeitssäle sind sehr licht und reinlich gehalten und die hübschen Gestalten cler Mädchen, welche durchwegs in ihrer malerischen Tracht, mit dem Fez auf dem Kopfe, bei der Arbeit sitzen, bieten einen unvergleichlichen Anblick. Einzelne tragen Münzen, selbst Dukaten und alte türkische Goldstücke um Fez und um den Halz. Die-jenigen, welche sich diesen Luxus nicht gönnen können, tragen Blumen am Fez und im 1 laar. Ebenso stehen Blumen auf allen Arbeitstischen, Wein bau Station bei Mostar. was einen so grundverschiedenen Anblick gegenüber den Arbeitssälen unserer heimischen Fabriken gewährt, dass man glaubt, hier werde nur zum Ver- _______ gniigen gearbeitet. Oft erhalten diese Mädchen ihre armen Fa-milien mit dem für orientalische Begriffe sehr hohen Lohne. Wie uns der Direktor versicherte, gäbe es keine fleissigeren und geschickteren Arbeiter und Arbeiterinnen, als dieser jugendliche Nachwuchs, von dem so viele aufgenommen werden, als sich nur melden. Die Fabrik muss beständig vergrössert werden, da der Anbau des Tabaks und die Ausfuhr der Fabrikate in steter Steigerung begriffen ist. An der Strasse nach Blagaj, im BiScepolje, steht auch die landesärarische Wein- und Obstbaustation. Inmitten einer Wein- und liegen das hübsche Presshaus und das werden nur aus absolut phylloxerafreien Gegenden Reben bezogen und gepflanzt, theils für die Produktion, theils zur Weitergabe an Weinbauer. Der Weinbau ist um Mostar ziemlich bedeutend und das Gewächs von geradezu vorzüglicher Güte, aber auch von verdächtiger Schwere. Die Proben, die uns in der Weinbaustation vorgesetzt wurden, Hessen uns nur wünschen, dass bald alle kahlen Abhänge der Hercegovina, mindestens der gesammten Umgebung von Mostar, mit Reben, die so köstliches Getränk liefern, bepflanzt wären. Nicht weit davon ist bereits eine Frucht der Station: die Weinkellereien von Risto Jellaöiö. Der reiche Weinbauer, der seine Anlagen stets vergrössert, Hess seinen Sohn auf der Weinbauschule in Klosterneuburg (Niederösterreich) studiren und dann nach dessen Plänen grosse Kellereien aufführen und den Wein rationell behandeln. Es ist ein Vergnügen, in die hohen Räume zu treten, wo die grossen Stückfässer lagern, und dann einen Gang durch die unterirdischen Keller zu machen, wo man aus dem Kosten und dem Wundern nicht herauskommt. Der Wein — dunkler und heller — wird bereits viel nach dem Auslande versandt, selbst nach Brasilien, wie uns der Besitzer mit Stolz erzählte. Die Preise sind nicht billig, aber das Mostarer Gewächs kann sich mit den besten Marken sämmtlicher europäischer Weinländer An der Narenta (Mostar), Baumanlage von 32 Hektaren Wohnhaus der Beamten. Es messen. Der alte Herr Jellaôié spricht gut italienisch, sein Sohn fliessend deutsch, so dass Fremden ein Besuch nur empfohlen werden kann. Von den Mostarer Hotels ist das landesärarische »Hotel Narenta« das erste, beste und empfehlenswertheste. Die Zimmer sind vorzüglich, die Preise vorgeschrieben und nicht zu hoch, die Restaurations-, Lese-und Kaffeehausräume wie in den feinsten Lokalen der europäischen Grossstädte. Entzückend ist aber eine in den Garten hinausgebaute Veranda gegen Abend, wenn die verschiedenen fremdartigen Bäume mit einander leise flüstern, wenn der Mond in voller Klarheit am dunkelblauen Firmament erscheint und man die Gewässer der nahen Narenta rauschen hört. Da glaubt man sich nicht in cler Hercegovina zu befinden, die mit Recht so lange Jahrhunderte die »wilde« oder die »blutige« genannt wurde. Gegenwärtig wäre neben dem »Hôtel Narenta« noch das »Hôtel Kronprinz« zu empfehlen. Sonst giebt es mehrere einheimische Einkehrwirthshäuser, eine Anzahl türkischer Hans und eine Unzahl kleiner Bier- und Weinwirth-schaften, die meist von Oesterreichern oder Ungarn gehalten werden. Auch clie Dalmatiner sind viel unter den kleineren Kneipenwirthen vertreten, wie überhaupt das dalmatinische Element im Mostarer Leben eine grosse Rolle spielt. Ist clas Italienische doch schon mit Umgangssprache geworden. Deutsch wird überall gesprochen, und selbst viele der Einheimischen können sich recht gut deutsch verständigen. Sie haben Lust und Liebe zum Lernen, was man besonders in clen tüchtigen neuen Volksschulen beobachten kann. Dabei haben selbst die kleinen Knaben einen freien offenen Blick, einen natürlichen Anstand und ein so sicheres Benehmen, dass unsere Kinder absolut keinen Vergleich aushalten können. Die Umgebung von Mostar ist reich an interessanten Ausflügen; einer der für Jäger besonders empfehlenswerthesten wegen cler zahlreichen Sumpf- und Wasservögel ist der ins »Mostarsko Blato« — clen Sumpt von Mostar. Er führt diesen Namen mit Unrecht, denn wenn er im Sommer auch theilweise austrocknet, ist er doch im Ganzen ein blauer klarer Spiegel wie ein Alpensee, cler sich gegen 30 Quadratkilometer ausdehnt. Von Mostar ist er eine Stunde Wagenfahrt entfernt. Am Ende der Stefanie-Allee zweigt sich die nach dem Blato führende Strasse ab und führt an den rechtsseitigen Begleithöhen des Narentathales in grossen Windungen auf die Höhe. Rechts bietet sich ein schöner Ausblick ins Radobolje-Thal. Die Berghänge sind verkarstet, nur an einer Stelle zeigt sich eine überraschend üppige Vegetation von jungen Eichen und anderem Laubholz. Es ist dies ein im Privatbesitz befindliches Grundstück, welches zum Schutze gegen die Ziegen eingezäunt wurde und den besten Beweis dafür liefert, dass auch der Karstboden, zumal in einer vor cler Bora geschützten Lage, mit Erfolg bestockt werden kann, wenn man die Anpflanzungen vor den vierbeinigen Todfeinden jedes jungen Schösslings ge- hörig schützt. Die Fahrstrasse biegt dann links in ein Thal ein und bald darauf öffnet sich der überraschende Blick auf das Mostarsko Blato. Oest-lich wird es von einer schroffen Felswand, nördlich von steil ansteigendem Mittelgebirge begrenzt, das kahl und unbewohnt zur Wasserfläche abfällt. Südlich hebt sich der Strand sanft ansteigend zur breiten Abdachung des waldigen Bergzuges Trtre. Hier baut — wie ich Hoernes »Dinarischen Wanderungen« entnehme — eine dichte, in zahlreichen Ortschaften wohnende Bevölkerung von achteinhalbtausend Seelen auf vortrefflichem Boden Korn, Wein, Tabak und allerhand Baumfrüchte. Die Blüthezeit dieses Landstriches datirt seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts und den erfolgreichen Anstrengungen eines eingeborenen Gouverneurs, des Paschas Kukavica. Wenn das Blato zum Theil eintrocknet, so werden an seiner tiefsten Stelle jene Schlünde sichtbar, welche das Wasser zur Jasenica und Radobolja abführen. Eine Menge Orte liegen um das Blato, die meist katholische Bevölkerung haben. Wohl steht am Siidufer noch die malerische Ruine einer Moschee, einer seltenen Erscheinung in dieser Gegend; drei Wände und das Minaret ragen, von dichtem Epheu übersponnen, empor, aber die Mohammedaner sind verschwunden. Noch im vorigen Jahrhundert sollen viele hier ansässig gewesen, aber durch die Pest umgekommen sein. Bei dem unweit gelegenen Orte Zvatii hat nach den Aussagen der Anwohner clie Bora solche Gewalt, wie nirgends im ganzen Lande. Das Volk erklärt dieses Phänomen durch die Tradition, dass hier einst Jesuitenmissionäre von den Türken getödtet worden seien. Der Ort Kraljevine, ebenfalls hier gelegen, soll seinen Namen führen nach clem Grabe eines Königs, cler hier gegen clie Türken fiel und bestattet wurde, V oder nach Marko Kraljeviö, cler die Blatna Zupa vom Sultan zum Lehen erhalten habe. Ueberall verweben sich Sage und Dichtung mit der Wirklichkeit und clie Sage erhält in dieser Gegend viele Nahrung durch die zahlreichen Gräber mit Monolithen, clie sich an allen Stellen finden. Blagaj und die Bunaquelle. In der Hauptstadt der Hercegovina gewesen zu sein und Blagaj mit der Bunaquelle nicht gesehen zu haben, wäre eine Schande für jeden Menschen, der für Naturschönheiten nur das mindeste Gefühl besitzt, und dies umsomehr, als sich hier das historische Interesse damit vereint. Blagaj war einst die Hauptstadt des Landes, als dieses noch Chlum oder Zahumlje genannt wurde, und der Herrscher regierte auf Stjepanograd (Stefansburg), deren Ruinen sich noch heute mächtig und ehrfurchtgebietend auf einem hohen kahlen Felsrücken, dem letzten Ausläufer des PodveleS, erheben. Damals, sagt das hercegovinische Volkslied, hiess es: »Mostar — Scheher, Blagaj — Varosch« (Mostar ist Flecken, Blagaj eine Stadt), während der Vers heute umgekehrt laute: »Blagaj — Scheher, Mostar — Varosch.« So klein der Ort aber heute auch ist, so interessant ist seine Umgebung, denn er besitzt eine Sehenswürdigkeit, die in Europa in dieser Grossartigkeit vielleicht ihres Gleichen nicht hat, die, wäre sie in der Schweiz gelegen, allein Zehntausende von Fremden alljährlich anziehen würde: die Bunaquelle. Wir verlassen Mostar mit einem der vorzüglichen Fiaker, die billig und gut fahren, und lenken unsere Schritte durch die Stadt an dem Stid-lager vorbei, durch clie grosse Ebene zwischen Gebirgen und Narenta. An der landesärarischen Wein- und Obstbaustation und cler geschilderten Kellerei von Risto Jellaöiö vorüber geht es direkt auf einen Winkel zu, wo clie Berge jedes weitere Fortkommen zu hemmen scheinen. Die Gegend Kopfleiste: Forellenfang mit der Hand im Bunaflusse bei Blagaj. ist an clen linksseitigen Abhängen hübsch angebaut, überall sieht man Weinpflanzungen und freundliche Häuser im Grünen. Rechts unseres Weges ist Steinboden, wie ein altes Flussbett. Nur Stachelpflanzen und Salbei spriessen zwischen den Steinen, nicht einmal Schafen eine kümmerliche Nahrung gewährend. Nach einer Stunde ungefähr erblicken wir die V vereinzelten I läuser von Blagaj und fahren in die sogenannte Carsija — ein halbes Dutzend Buden und einige bessere Läden enthaltend — ein. Das ist cler kleinere Theil der einstigen hercegovinischen Residenz, dem sich weiterhin eine neue katholische Kirche und eine neugebaute Moschee anschliessen. Ueber dem Flusse Buna liegt noch ein anderer Theil des Ortes, zu dem zwei alte Steinbrücken führen. Von einer sind nur clie gemauerten Pfeiler übrig geblieben und mit einer Holzkonstruktion überlegt worden. Die zweite ist jedoch eine gut erhaltene Bogenbrücke, welche den Verkehr cler Ortschaft über Dobrica mit Bilek vermittelt. Dieselbe übersetzt in fünf Bogen die Buna und trägt folgende türkische Gedenktafel: »Einziger Gott, du bist nicht entstanden, wirst auch nicht vergehen. Von dir kommt jede Ililfe und bei dir ist jede Hoffnung! Diesen Bau erneuerte Belfe Kadine, Tochter des Ali Beg Veljagic. Möge ihr Gott ihre Sünden vergeben und sie mit seiner Gnade beschenken. Errichtet 1265 (1849). Diesen Bau habe ich wieder hergestellt zur Erinnerung, damit für mich und meine Eltern ein Gebet verrichtet werde. Wer für meinen Sohn Alija zu Gott beten wird, der wird auch für meine Seele gebetet haben.« Der Bürgermeister von Blagaj, ein gänzlich europäisirter Mohammedaner, den ich schon aus früheren Jahren gut kannte, empfing unsere Gesellschaft das letzte Mal vor einem serbischen Laden, wo clie Wagen halten mussten und bot uns sofort seine Begleitung zur Quelle an. Von der nach Nevesinje weiterführenden Hauptstrasse zweigt ein kleiner Fussweg, der zwischen dem hohen Felsen, der Stjepanograd trägt, und der Buna sich hinschlängelt, ab. Der Weg ist sehr ursprünglich, aber keineswegs beschwerlich und er wird von üppigem Granaten- und Myrthengebtisch umsäumt. Nach etwa fünf Minuten endet er unter schauerlich übereinander gethürmten und überhängenden Felsen bei einer kleinen Gruppe von Gebäuden und Ruinen, über clie sich die phantastisch geformten Tropfsteinbildungen der nach vorwärts neigenden riesigen Felswand herabsenken. Zuerst betritt man das Innere einer kleinen Moschee, clie von einem Felsblock zerstört wurde. Ali Pascha Rizvanbegovic, cler mächtige Vezier cler Hercegovina, hat sie in den vierziger Jahren unseres Jahrhunderts errichtet. Sein Werk wurde zerstört, gleichwie er vom Sultan! Dann passirt man eine Hofthiir, clie auf Klopfen von einem Hodscha (mohammedanischen Geistlichen) geöffnet wird, und tritt auf eine Veranda, von der aus sich das wundervollste Schauspiel bietet. Man blickt in eine von senkrechten Fels- B u ii a q u e 11 e. wänden gebildete Halle, eine mit Stalaktiten reich geschmückte Grotte, aus der in mächtiger Breite die Buna entströmt, ein Schlundfluss, dessen Ursprung man im Gackopolje vermuthet. Es wird erzählt, dass eines Tages ein Schäfer seinen Stock in die Zalomska Rjeka warf und sein Vater, ein Müller in Blagaj, diesen in cler Buna fand. Vater und Sohn trachteten nun, diese Entdeckung auszubeuten. Der Schafhirt schlachtete jeden Tag ein Schaf, warf es in die Zalomska, und sein Vater fischte es in der Buna heraus. Dem Aga, dem die Heerde gehörte, fiel es auf, dass diese immer geringer wurde; der Hirt schob aber die Schuld auf die Wölfe, die in cler Gegend in grosser Anzahl hausen sollten. Endlich schöpfte cler Aga Verdacht, er liess den Hirten überwachen, und eines Tages überraschte man ihn, als er seine Beute in den Fluss warf. Den nächsten Tag fischte der Müller anstatt des Schafes den enthaupteten ,__—»» Thekla an der Bunaquelle. Leichnam seines Sohnes aut. Dieselben Sagen werden von vielen der hercegovinischen Schlundflüsse erzählt; es wurden auch wiederholte Versuche gemacht, um den Zusammenhang dieser theilweise unterirdisch fliessenden Karstgewässer festzustellen, doch konnte kein Resultat erzielt werden. Wie mir der Bezirksvorsteher von Mostar erzählte, war eine Expedition in die Bunahöhle mit Kahn geplant, da das Wasser gerade verhältnissmässig niedrig war, doch habe ich über den Verlauf derselben nichts vernommen. Schwimmend kann eine solche Entdeckungsreise nicht angetreten werden, denn das Wasser ist eiskalt, so dass auch Baden nicht möglich ist. Das Wasser der Buna ist lichtblau und so klar, dass man jedes Steinchen auf dem Grunde, auch jede Forelle sehen kann, die sich ihres Daseins freut. Der Kontrast mit den starren Felswänden, in deren Löchern Tausende von Schwalben und Tauben nisten, die ununterbrochen hin- und herfliegen, ist daher um so überwältigender. Direkt in den einen finsteren Winkel der Schlucht ist ein Türkenhaus gebaut, das den geistlichen Wächter eines daneben befindlichen »Türbc« beherbergt. Das Türbé — ein türkisches Mausoleum — enthält den Sarg eines mohammedanischen Heiligen und seines Dieners. Beide Särge sind mit einfachen Teppichen belegt. Neben die Särge wird jeden Abend ein Krug mit Wasser gestellt und ein Handtuch dazu gelegt, das angeblich an jedem Morgen feucht ist, da der Heilige seine rituellen Waschungen verrichtet. Wir wollen den frommen Glauben Niemandem nehmen, aber jedenfalls muss es ein sonderbarer Heiliger gewesen sein, denn seine Streitaxt (Bustovan) hängt an der Wand, und es wird erzählt, dass er vielen Christen den Garaus gemacht hat. Eine Sammelbüchse fordert zu milden Beiträgen für clie Erhaltung des Grabes oder wohl mehr seines Behüters (der erst kürzlich geheirathet •. " «^v hatte) auf und es wird kaum Jemand Särge im Innern des Turbé. seinen Bakschisch versagen. Umsoweniger, wenn man auf der Veranda an der Höhle ein regelrechtes Picknick gehalten hat, wie wir es thaten, unseren recht witzigen Blagajer Bürgermeister, mit dem ich neun Jahre früher einmal ein Lamm verzehrt hatte, in der Mitte. Er war auch noch Burg Stjepunograd. so freundlich, meine Frau in den Harem seines Bruders, eines Kaufmannes zu bringen, wo sich ein recht gediegener Reichthum entfaltet haben soll. Wir warteten indess in Blagaj in einem serbischen Laden, wo wir uns schwarzen Kaffee bringen Hessen. In einer Ecke lag auf einem Teppich auf der Erde die Grossmutter des Besitzers, eine mehr als hundertjährige Greisin, die hier ihre Zeit zubringt, weil es immer etwas zu sehen und zu hören giebt. Der Kaufmann aber hatte in einem bosnischen Bataillon gedient, war zwei Jahre in Wien gewesen und hatte recht gut deutsch gelernt. Er war eingebildet auf Wien und als ihn der Bürgermeister fragte, wie gross eigentlich die Kaiserstadt sei, zog er einen Plan aus einer Schublade und indem er ihn riesengross ausbreitete, sprach er die stolzen Worte: »Wie die halbe Hercegovina ist Wien!« Der Aufstieg auf die Stefansburg (Stjepanograd) ist beschwerlich. Auf Ziegenpfaden, über Geröll, das unter den Füssen entweicht, muss die Höhe erklommen werden. Das erste Mal that ich dies unter den Strahlen einer afrikanischen Sonne bei fast 50 Grad C. Hitze. Es war 1885, wo ich die Tour mit dem in Dschedda gestorbenen Herausgeber der »Bosnischen Post« Dr. Makanec und Polizeikommissär Manigodic unternahm. Diesmal, im September, war die Temperatur zu Besteigungen viel besser geeignet. Die Ruinen cler Burg sind gut erhalten und von bedeutender Ausdehnung. An einigen Steinen in der Höhe befinden sich glagolithische Inschriften (oder richtiger in der bosnischen Schrift des Alterthums: der »Bosaniica«), deren eine von dem ehemaligen orthodoxen Metropoliten Sava Kosanovic in Sarajevo entziffert wurde. Dieselbe lautet: »Hier sitzt als Gefangener Stefan KosaSa, Herzog von Zahumlje«. Er wurde damals von seinem Sohne belagert, dem er clie Braut weggeheirathet, der dann zum Islam übergetreten und mit einem türkischen Heere gekommen war, seinen Vater zu bekriegen. Stefan Kosaöa, cler Lehensträger des Königs Thomas Ostoiö von Bosnien, hatte sich der Oberhoheit desselben entzogen und sich unter diejenige des deutschen Kaisers (1440) gestellt. Hierfür erhielt er den deutschen Herzogstitel und seitdem nannte er sein Land Hercegovina. Der bosnische König verweigerte die Anerkennung der neugeschaffenen Verhältnisse, berief im Jahre 1446 den Landtag nach Konjica ein, auf dem Herzog Stefan für illegitim erklärt wurde, falls er nicht durch den König von Rascien und Bosnien in seiner Würde neu bestätigt würde, ebenso müsse er den Eid der Treue leisten. Wie bereits in einem früheren [Abschnitt erwähnt, fasste dieser Landtag auf Drängen der päpstlichen Legaten und der Franziskaner strenge Beschlüsse gegen die Bogomilen; eine neue blutige Verfolgung trat ein und Herzog Stefan — selbst ein Bogomile oder Patarener — stellte 40 000 auswandernde Bosnier unter seinen Schutz. Er verlachte die Beschlüsse des Landtages in seiner festen Burg, bis sich sein eigener Sohn gegen ihn wendete. Er starb als. dessen Gefangener 1466. Nach seinem Tode ging das Land in türkische Verwaltung über, clie es bis 1878 nicht mehr verlor. Die einst blühenden Gefilde verödeten, das Volk wurde geknechtet und gedrückt, bis diesem endlich die Geduld riss und im Jahre 1875 eine Tscheta der Aufständischen auch bei Blagaj erschien. Ein Jahr später drangen die Montenegriner mit einer Streifkolonne bis zu diesem Orte vor und auf Stjepanograd standen ihre Gebirgsgeschütze. Sie waren aber zu schwach, um einen Angriff"auf Mostar wagen zu können, und so mussten sie sich unverrichteter Sache zurückziehen. Es ist jetzt still und öde in der einst so prächtigen Burg; nur Ziegen betrachten mit neugierigen Blicken die Fremdlinge, welche ihre Einsamkeit zu stören wagen, und in clen Lüften kreisen fünf mächtige Adler, deren Horste sich irgendwo in den unzugänglichen Felsklüften über cler Bunahöhle befinden. Ein riesiger Maulbeerbaum spendet innerhalb der Ruine Schatten; Gebirgsblumen und clie originellen kukuruzähnlichen Stauden von Arum maculatum bedecken clen Boden, und als Kafedzija in Blagaj. wir einem sonnigen Fleckchen an den zwei noch bestehenden mächtigen Cisternen zunahe kamen, zischte eine riesige Natter hervor, sich wieder in den Trümmern verlierend. Der Blick von der Burg aber trifft zwei Kulturwerke der Neuzeit: auf der einen Seite die Eisenbahn nach Metkovič, auf der andern die prächtige Fahrstrasse nach Nevesinje. Der Abstieg von Stjepanograd war ein wenig angenehmer; mit theilweise zerschnittenen Schuhen kamen wir wieder auf ebenem Boden an. In Blagaj werden wir noch auf eine neu errichtete Bierbrauerei aufmerksam gemacht, dann geht es zurück nach Mostar. Aus einem serbischen Gasthause hört man clie langgezogenen melancholischen Töne cler Gusla. Der Spieler recitirt clie Geschichte vorn Königssohne Marko, dem Haupthelden der südslavischen Volkspoesie: »Auf der weissen Kula Prilips tranken Kühlen Wein zwei treue Bundesbrüder; Einer ist der königliche Marko Und der and're der Bošnjake Relja. Beide sitzen, kühlen Wein sie trinken, Bis der Wein die Wangen Hess erglühen. Im Gebirge hab' ich eine Vila, Eine Vila, meine Bundesschwester. Diese gab mir beide graue Falken, Und sie gab mir beide bösen Hunde Und ein Amulet aus reinem Golde. Damit siegte ich in so viel Kämpfen, Als im Jahre Tage Du kannst zählen. Mehr gilt mir die Vila als die Mutter! Wenn Du mir nun folgen wolltest, Relja, Diese Vila hast Du dir gewonnen. Fasse sie bei ihren weissen Händen Und wir wollen durchs Gebirg' sie führen Bis nach Bazar, deinem weissen Hofe. Dort wirst Du mit ihr dich trauen lassen Und dadurch ein bess'rer Held noch werden.« Es wird immer später; cler Guslar hat seinen Gesang noch nicht beendet, wir aber ziehen unseres Weges, um einen vorläufigen Abschieds-trunk im »Hotel Narenta« mit clen Bekannten zu thun, denn am anderen Tage geht es nach der montenegrinischen Grenze. Einstweilen ist es die letzte Nacht in Mostar, aber nicht auf dem blutgetränkten Boden der schönen Hercegovina. t Längs der montenegrinischen Grenze. Am frühen Morgen nahmen wir von Mostar Abschied, um unsere Fahrt längs der montenegrinischen Grenze — des sogenannten Kordons — anzutreten. Die Strasse führt über Blagaj, dann geht es, an der Burg Stjepanograd vorüber, in starker Steigung clie Berge hinan. Wieder ist es clie Arbeit der bosnisch-hercegovinischen Bauverwaltung, die wir bewundern müssen, denn einstmals bestand hier nur ein türkischer Reitweg, der über Stock und Stein in diese Gebirgswildniss führte. Wir steigen vom Wagen und gehen eine Strecke zu Fuss, um clie Pferde bei der glühenden Hitze nicht zu sehr zu ermüden. Bald sind wir in Schweiss gebadet, aber es geht höher, und uns umweht die kühle Luft vom PodveleS, cler uns zur Linken bleibt. Nach einem halbstündigen Aufstieg beginnen die Serpentinen, an der einen Seite mit Steinpfeilern zum Schutze gegen das Abstürzen versehen. Der letzten fremden Ansiedlung sagen wir vorläufig Lebewohl; es ist ein massives Häuschen mit der Aufschrift: »Wegeinräumer — Cestar«, und dann geht es in die wundervolle Landschaft, die man nicht mit Unrecht den ständigen Heerd von Unruhen genannt hat. Fast jede Insurrektion gegen die Türken nahm von Nevesinje ihren Ausgang; cler 1875 er Aufstand begann hier, als die Steuern mit barbarischer Strenge eingehoben wurden, und es ist somit eine historische Thatsache, dass eigentlich von Nevesinje aus der serbische und der russisch-türkische Krieg entstanden, dass alle Umwälzungen auf der Balkanhalbinsel diesem »Bischen Hercegovina« ihr Sein verdanken..... Kopfleiste: Militärpostwagen an der Grenze. Rückkehr vom Markte. Die Gegend, die wir berühren, ist Karst, aber mit dichtem Gestrüpp bedeckt. Stellenweise stehen hohe Steineichen, niedrige Eschen und sehr viele wilde Birnbäume. Blühende Alpenpflanzen in meist sehr diskreten Farben erfreuen das Auge. Aber so weit der Blick reicht, keine menschliche Ansiedlung, kein weidendes ,Vieh. Wie ausgestorben ist das weite Plateau, das wir erklommen und auf dem wir noch stundenlang zu fahren haben, ehe cler Weg sich wieder senkt. Eine kühle Brise weht über clie Fläche; im Südosten wird der Horizont begrenzt durch die montenegrinischen Berge, über die der Dormitor achtunggebietend sein Schneehaupt erhebt. Wir selbst sind gegen 3500 Fuss hoch, aber wie erhaben und trotzig sehen diese starren Felswände zu uns herüber, auf uns herab! Endlich bemerken wir nach dreistündiger Fahrt seitwärts eine einsame Kula, einen steinernen Thurm mit Schiessscharten, von einer Mauer umgeben, wie er in diesen Landestheilen den Begs und Agas zum Schutze gegen Räuber und gegen aufrührerische Knieten diente. In allen Volksliedern cler Hercegovina wird von der »weissen Kula« dieses oder jenes Aga gesungen, aber wer sich darunter ein Schloss oder nur ein Gebäude mit besonderen Bequemlichkeiten vorstellen wollte, würde grausam enttäuscht werden. Ein Gemach im Erdgeschoss, ein oder zwei im oberen Geschoss ist das Um und Auf dieser adeligen Sitze. Wild wie das Land war, waren seine Bewohner und deren Behausungen, die der Bedrücker des Volkes nur zur^ Verteidigung auf Tocl und Leben eingerichtet. Eine Gendarmerie-Kaserne unterbricht die Einöde; eine Patrouille kreuzt den Weg; wir haben das gleiche Ziel bis zum Jovanoviö Han, der einzigen Wasserstelle auf dem Wege nach Nevesinje. Einige Hütten sind noch in cler Nähe. Aber es herrscht grosser Wassermangel. Cisternen und Quellen sind fast versiegt, dabei beobachten wir aber einen Transport von Eisenröhren, clie zu der neuen Wasserleitung für Nevesinje bestimmt sind. Im Han wird Rast gemacht, die Pferde gefüttert und nothdürftig getränkt. Auch wir setzen uns nieder und verzehren die von Mostar mitgebrachten Vorräthe nebst einigen Gläsern dunkeln Narentiner Weines. Es sitzt sich so gut, so friedlich in dieser Einsenkung, und doch war es vor wenigen Jahren hier noch gar nicht geheuer. Da fuhr die Post mit doppelter militärischer Bedeckung, wie es auch längs cler montenegrinischen Grenze der Fall war. Nach halbstündiger Rast geht es weiter. Zuerst der Weg wieder steigend, dann in langen Serpentinen abfallend. Am Graboksattel (1109 m) ändert sich plötzlich das gesammte Landschaftsbild. Vor uns öffnet sich eine weite Ebene, vom Sonnenglanze beschienen. In der Mitte, weithin sichtbar, Forts und Befestigungen. Das soll das einst so berüchtigte Nevesinje sein? Ueppige Wiesen, auf denen Heerden weiden, wechseln mit Feldern, die allerdings schon gemäht sind, ab; die Gegend macht einen so friedlichen Eindruck, wie ein deutsches Dorf nach Feierabend. Nur die Befestigungen auf einem Hügel am Eingänge des Ortes tönen das Bild etwas kriegerisch ab. Die Hauptstrasse, die im Jahre 1888 noch ziemlich verwahrlost aussah, ist jetzt mit vielen neuen Gebäuden besetzt; an Stelle des einstmaligen Gasthauses Silberstern, das an die galizischen Dorfquartiere erinnerte, ist das grosse, vollkommen europäische »Hotel Bilic« mit schönen Restaurationsräumen getreten. Neben einer kleinen verfallenen Moschee ist eine neue gebaut worden; eine andere, wie ein erobertes Festungswerk aussehende, steht etwas abseits von der Hauptverkehrsader. Eine orthodoxe Kirche vervollständigt die religiösen Bedürfnisse von Nevesinje. Das Defensionslager am anderen Ausgange des Ortes, am Wege nach Gacko, ist der interessanteste Theil. Eine hohe Mauer mit Eckthiirmen und Schiessscharten umschliesst Kasernen, Amtsgebäucle, Post, Stallungen, Cisternen und auch einige schwach gedeihende Anlagen. Hier sieht man, dass dem Landfrieden geraume Zeit nicht zu trauen war, wenn auch heute Alles ruhig und friedlich ist. Am nächsten Morgen ver-liessen wir Nevesinje, das für längeren Aufenthalt nichts bietet, um nach dem Gacko-polje zu fahren. Sechs Jahre früher hatte ich den gleichen Weg mit der Post zurückgelegt; damals hatten wir vor uns auf dem Kutschbocke den Militärkondukteur, mit Revolver bewaffnet, neben ihm einen Soldaten mit Repetir-gewehr, auf einem rückwärtigen Wagensitz einen zweiten Infanteristen , das schussbereite Gewehr in der Hand. Das waren damals die Vorsichts-maassregeln längs der montenegrinischen Grenze; heute machen wir eine förmliche Spazierfahrt, sicherer als in Berlins Grunewald - Gegenden. Die prächtige Fahrstrasse führt anfangs durch ebenes Feld, auf dem noch Kornblumen zwischen den Stoppeln blühen. Nach einer halben Stunde, während der wir zahlreiche Bogomilen-Grabsteine am Wege bemerkten, gelangen wir wieder in unmittelbares Gebirgsterrain. Links ist kahler Karst, von dem sich die Schaf- und Ziegen-heerden sammt ihren weiss und grau gekleideten Hütern kaum merkbar abheben. Hin und wieder steht verkrüppeltes Gestrüpp. Die Strasse führt andauernd längs des rechter Hand Nevesinje und das N evesi njskopo 1 j e. fliessenden Flusses Za- lomska, des- KjBjBpi^^^ Kojnie-kä- sen tiefes fei I Wmtm Cuprija sigesIiett aber "■, . nicht einen ^^^^^^ Tropfen Was- CSsMS^KJÜ^^SKr - WM Gacko ser enthielt. Jenseits des Flusses, wo ein alter Reitweg nach Gacko führt, sind bewaldete Höhen mit dichtem Bestände von Laubholz. Auch auf der Strassenseite verschwindet in den unteren Regionen bald das nackte Felsgestein, die Hänge sind grün und oft zeigen sich kleine Waldgruppen von Eichen, Eschen, Ulmen und wilden Birnbäumen. Von Dörfern ist stundenlang keine Spur, nur manchmal sieht man auf den Höhen vereinzelte Häuser, und von Zeit zu Zeit taucht auch plötzlich ein Bewohner aus einer der Felsschrunden auf. Nur Wegeinräumer in Landestracht, am Fez das Landeswappen, grüssen ehrerbietig, wenn der Wagen vorüberrollt, der auf der wunderbaren Strasse so glatt dahinfährt, als ob wir uns nicht in der Hercegovina, sondern in der Lombardei befinden würden. Oftmals kreuzen Wege von der Strasse ab; ein Wegweiser zeigt die deutsche Inschrift: »Zur Kaserne«, und wenn man den Blick umherschweifen lässt, bemerkt man auf irgend einer Bergkuppe oder einem Hochplateau ein massives Gebäude mit zwei niederen Thiirmen, je einem an den entgegengesetzten Seiten zur Bestreichung der Fronten. Dieser Kasernen, Forts oder Blockhäuser giebt es unzählige längs der ganzen Grenze; zwischen liilek und Trebinje allein siebzehn. Sie sind gegenwärtig nur schwach besetzt, da die Sicherheit längst gewährleistet ist. Einfälle aus Montenegro sind im Frieden nicht mehr zu fürchten, aber für einen möglichen Kriegsfall ist es gut, dass dieser Befestigungsgürtel gezogen wurde. Sämmtliche Blockhäuser sind untereinander und mit den grösseren Militärstationen telephonisch verbunden. Bei Fojni£ka-Cuprija, einem grösseren an der Strasse gelegenen Flecken an cler Fojniika Rjeka, die wenigstens Wasser enthielt, hatte es zu regnen angefangen, was bei der herrschenden Schwüle und dem überall vorhandenen drückenden Wassermangel ganz angenehm war. Schon vor Fojnica wird die Gegend bewohnter. Kleine Ortschaften mit Kirchen werden sichtbar und clie spärlichen Felder sind sorgsam angebaut. Die Gegend macht den Eindruck einer steitischen Landschaft, nur die im 1 Untergründe sich übereinander thürmenden Kuppen cler Schwarzen Berge gestalten den anheimelnd lieblichen Anblick zu einem erhaben grossartigen. Fojnica selbst besteht aus einer langen Gasse mit einigen Kramläden; am Ausgange liegt wieder eine Kaserne, in der sich auch das Postamt befindet. Der Postmeister wusste nicht genug von cler Langeweile zu erzählen, wenn — wie es im Winter manchmal geschieht — der Verkehr stockt, wenn der Schnee meterhoch liegt und die Wölfe rudelweise um die Häuser heulen. Im Sommer sei der Aufenthalt ein ganz angenehmer. Da es gerade Sonntag war, hatten wir Gelegenheit, die gesammte Bevölkerung im P"eiertagskleide zu bewundern, und das weibliche Geschlecht drängte sich mit Vorliebe — wahrscheinlich angelockt durch meine FYau — um uns, folgte uns sogar in den Laden, in dem wir schwarzen Kaffee genossen, und stellte die sonderbarsten und naivsten Fragen. Die Kleidung ist reich an Goldstickereien, und unter den Münzen und Schmucksachen der Frauen bemerkten wir manch altes werthvolles Stück. Auffällig sind bei der älteren weiblichen Generation clie sonst meist in Montenegro vorkommenden breiten Gürtel mit Achatplatten besetzt und riesigen silbernen Schnallen. Ein Gürtel ist oft pfundschwer. Der Achat stammt seltsamerweise zum grossen Theile aus Oberstein am Rhein, aus den im Nassauischen liegenden oldenburgischen Enklaven. Auch um Fojnica ist die Gegend reich an alten Grabdenkmälern und neben dem »Hercegovo Vrelo«, einer starken und nie versiegenden Quelle am linken Ufer des I;ojni£kabaches bei der Strassenbrücke in Slivlje, steht der sogenannte »Herzogsstuhl«, der an den Herzogsstuhl in Kärnthen erinnern könnte, auf dem die dortigen Herrscher die Huldigung empfingen oder Gerichtstage abhielten. Der Steinstuhl in Slivlje hat 90 cm Höhe und Breite. Die Höhe des Sitzes beträgt nur 40 cm, die der bogenförmig geschweiften Lehne 50 cm. Nach der Lokaltradition soll Herzog Stjepan oft auf diesem, jedenfalls sehr alten und von vielem Gebrauche geglätteten Stuhle gesessen haben. Doch dürfte derselbe nur zum Zwecke des Ausruhens an der Quelle gedient haben, da sein Sitz eine so geringe Höhe zeigt. Aehnliche Steinstühle kommen übrigens — wie Berghauptmann W. Radimsky im »Glasnik« mittheilt — in der Hercegovina wiederholt vor. So bei Kosor im Mostarer BiSöepolje ein aus Kalkstein ge-meisselter Stuhl, »Herceg Stjepana stolica« genannt, auf welchem Herzog Stjepan Vukčič (1435 —1466) häufig zu Gerichte gesessen haben soll. Dieser Stuhl ist von weit bedeutenderen Dimensionen als der oben erwähnte, auch trägt er die altbosnische Inschrift: »Si kamin varda, čili je bio, čili je sade, čili neč(e) b(i)ti«. (O Stein, gedenke, wessen du gewesen, wessen du bist, wessen du sein wirst!) Dieser Stuhl befindet sich gegenwärtig im Landesmuseum in Sarajevo. Iii Ključ, der historisch denkwürdigen Burgruine im Felde von Crnica südlich von Gacko, steht ein einfacher Steinstuhl, der »Stolica Kralja Sandalja« (Stuhl des Königs Sandalj) genannt wird, und auf welchem der Sage nach 'der zu fast königlicher Macht gelangte Vojvode Sandalj Hranič (t H3S) während seines Aufenthaltes in Ključ in der Burg Gericht gehalten haben soll. Bei der orientalisch-orthodoxen Kirche in Osanic nächst Stolac stehen nebeneinander zwei aus dem natürlichen Fels herausgemeisselte ungewöhnlich grosse Steinstühle, von denen der grössere auf seiner Lehne eine altbosnische Inschrift trägt, die sich auf die Familie Miloradovic bezieht, der man die Gründung der Kirche in Osanič zuschreibt. Aber auch in Bosnien fehlen die Steinstühle nicht gänzlich, denn bei der Burgruine Vratar, Gemeinde Zepa, Bezirk Rogatica, stehen nach Dr. M. Hoernes auf dem höchsten Punkte des Burgberges zwei aus dem Felsen ausgehauene Stühle. Nach dieser Abschweifung kehren wir zu unserer Reise zurück. Der Regen hatte mittlerweile aufgehört und bei prachtvollem Wetter setzten wir die Fahrt fort. Wir treten in das Flussgebiet der Mušica, welche die Plochebene von Gacko — das Gackopolje — durchströmt. Dasselbe ist ringsum von hohen, wenig bewaldeten, felsigen Bergen umgeben, etwa 15 Kilometer in der Länge und 5 Kilometer in der Breite fassend. Die Ebene ist recht gut bebaut, noch mehr bietet sie aber Weidegrund. Ueberall sah man Heerden von Pferden, Rindern und Schafen, meist nur von Kindern und grossen Wolfshunden bewacht. »Lieblich bist du, Gackopolje, wenn du nicht von Hunger starrest«, heisst es in dem Epos »Der Tod des Smajl Aga Cengic« von Banus Mažuranič, und diesen Ruf scheint die tausend Meter hoch gelegene Landschaft oft genug zu rechtfertigen, denn in einem hercegovinischen Volksliede weigert sich ein Mädchen aus Kolasin, einem Freier nach Gacko zu folgen. Sie sagt: »Viel erzählen hört' ich schon die Leute Von dem Felde, von der Gacko-Landschaft. Rings umher erhebt sich weites Hochland, Eines eben und das and're hüglig, Und das dritte nichts als kahler Felsen. Niemals, Mutter, höret dort der Schnee auf; Ewig liegt ein Schnee dort über'm andern. Nimmer, Mutter, wähl' ich diesen Freier.« Sie schlägt dann noch einen zweiten aus Nevesinje aus und folgt erst einem dritten nach dem »gesegneten Mostar, wo das Grün nie aufhört«. Im Gackopolje beginnt allerdings der Schnee manchmal schon im Oktober zu fallen und der Winter von 1894/95 wird nicht so bald vergessen werden; es soll auch schon vorgekommen sein, dass der Schnee sieben Monate liegen blieb, aber es sind doch nur Ausnahmen, während ein Nothstand unter der Bevölkerung sich häufiger einstellt. Darum wurde Gacko die Geburtsstätte der von der Landesregierung ins Leben ge-rufenen Bezirks-Unterstiitzungs-fonds, deren segensreiche Wirksamkeit wir schon früher eingehend besprochen. An all' die zahlreichen Gruppen grosser mittelalterlicher Grabmäler auf den Plateaus von Gacko und Nevesinje, den Gebirgen Mo-rinje und Batjevica knüpfen sich allerdings Volkssagen vom Umkommen ganzer Karawanen oder Hochzeitszüge durch Frost und Schnee. Ein erschütterndes Epos theilt Hofrath Hörmann in seinen in Sarajevo erschienenen »Volksliedern cler Mohammedaner Bosniens und cler Hercegovina« (»Narodne Pjesne muhamedovaca u Bosni i Hercegovini«) in dem »Sva-tovsko groblje u Morinama« mit. Gacko selbst macht beim ersten Anblick den Eindruck Ansicht der Stadt Gacko. einer ausgedehnteren Stadt, obwohl es in seinem geschlossenen Theile kaum 1000 Bewohner zählt. Die gesammte Ebene ist natürlich bei vielen zerstreuten Ortschaften und Einzelhäusern weit dichter bevölkert. Freundlich sehen die alten ziemlich hohen Steinhäuser keineswegs aus. Meist sind sie zweistöckig, die Erdgeschosse höhlenartig in die Felsen vertieft und als Stallungen verwendet. Stroh-, Holz- und Steindächer wechseln ab; die letzteren sind auf dem First zahnförmig krenelirt, die Holzdächer mit Steinen, wie in den Alpen beschwert. Von der mittelalterlichen Ansied-lung, welche nach urkundlicher Tradition im Besitz cler Grafen von Chlum und der bosnischen Könige war, zeugt das ausgedehnte Gräberfeld, welches mit über 200 roh geformten Gruftplatten einen sanft zum Flusse geneigten Wiesenplan bedeckt. Gacko wird jetzt wieder mit einem halbverschollenen griechischen Namen »Metohia« genannt. So hiess es zum Theil auch unter türkischer Zeit und heute zeigt eine grosse Tafel am Eingange des Ortes wieder diesen Namen, der sich nicht einbürgern will. Auf der höchsten Erhöhung der Stadt, zu der man auf einer echten Kalderma-strasse mit Katzenköpfen hinansteigt, steht die mächtige türkische Kaserne, die jetzt verlassen ist und unbenützt dasteht, weil das Militärlager sich in dem eine halbe Fahrstunde entfernten Aftovac befindet. Auf den wild zerrissenen Höhen sieht man auch noch Schanzen aus jenen nicht fernen Zeiten, wo hier ganze türkische Divisionen gegen Montenegro im Felde standen und wo Gacko voll lag von den verstümmelten Opfern jener barbarischen Fehden. Die neue Zeit hat an Gacko grosse Veränderungen bewirkt. Da ist zuerst beim Eintritt in den Ort, dicht an der Strasse, ein modern gebautes Bezirksspital, dann verschiedene Privatgebäude, das hübsche Häuschen des Ingenieurs Giorgini und dann das moderne Landeshotel: »Hotel Metohia«. Die Regierung errichtete dieses Gebäude, um europäischen Reisenden eine geeignete Unterkunft in einer Gegend zu bieten, wo eine solche gar nicht vorbanden war, wo selbst türkische Einkehrwirthshäuser zu den grössten Seltenheiten gehören. Das Hotel enthält auch clie Post und das Tele-graphenamt, schön eingerichtete Passagierzimmer, nette Restaurationsräume und ausgedehnte Stallungen. Ein Zimmer ist gleichzeitig der Raum für das »Casino«, in dem sich die Beamten, durchreisende Fremde, Militärs etc. brüderlich zusammenfinden und wo wir höchst angenehme Stunden mit den liebenswürdigen Herren verlebten. Wir besichtigten das sehr schöne Gebäude der Bezirksbehörde mit einem grossen, wohlgepflegten Garten — einer Merkwürdigkeit in dieser Gegend — dann die landwirthschaftliche Station, ähnlich eingerichtet wie alle von der Regierung errichteten und bereits früher beschriebenen Musteranstalten. Es waren gerade Sack'sche Pflüge aus Leipzig gekommen, mit denen Probeackerungen vorgenommen worden waren, um die Leute zur Anschaffung und an eine geregelte Feldwirtschaft zu gewöhnen. Der Anschauungsunterricht ist stels von den besten Folgen begleitet; die eingeführten Wippthaler Stiere haben den grössten Anwerth gefunden und immer mehr werden verlangt, wodurch die heimische Rindviehrasse allerdings einen bedeutend höheren Werth erhält. Die grösseren Grundbesitzer thaten sogar einen sehr origi-\ nellen Ausspruch: »Wir verpflichten uns gern, unsere einheimischen Ochsen ein Jahr lang nicht auf die Weide zu lassen, aber — ihr müsst uns dies befehlen!« Als ihnen erklärt wurde, dass es in diesem Falle ein Befehlen nicht gebe, dass nur jeden das eigene Interesse leiten \ müsse, schüttelten sie die Köpfe. »Was gut ist, muss doch befohlen werden, sonst wird der Geist wieder einmal schwach.« Die veranstalteten Pferde- und Rindvieh-Prämiirungen, die mehrmals im Jahre abgehalten werden, üben übrigens eine sehr erziehliche Wirkung und die nach Gacko kommenden »Falken der Schwarzen Berge« sehen mit Staunen und Verwunderung, was eine wirklich landesväterliche Regierung, auch wenn sie eine »schwabische« ist, Gutes für die Bevölkerung stiften kann. Die neue hübsche Volksschule wird Weiteres beitragen, den Samen des Fortschrittes in die Seelen der jüngeren Generation zu pflanzen, und nach wenigen Jahrzehnten wird Niemand glauben, dass diese Gefilde mit Blut gedüngt, dass sie unter den türkischen Provinzen mit am vernachlässigtesten waren..... Und eine neue grosse Kulturthat wird gerade dem Gackopolje zu Gute kommen. Dasselbe leidet im Sommer an zu grosser Trockenheit, im Frühjahr an Ueberschwemmungen. Daher die so verschiedenartigen Ernten und die öfteren Nothstände. Diesem Uebelstande wird durch ein riesiges Stauwerk abgeholfen, wie es in Europa kaum seinesgleichen hat, nur in Belgien soll in Verviers ein ähnliches Werk sein, das die Fabriken mit Wasser versorgt. Auf dem Gackopolje wird die dasselbe bald bewässernde, bald verwüstende MuSica, die später in einem unterirdischen Schlund, einem Karstloch (Ponor) verschwindet, gebändigt, sie wird durch M o h a m m e'd a n e r. die Wasserbaukunst zu ununterbrochen erspriesslicher Thätigkeit angehalten werden. Auf Veranlassung Sr. Excellenz des Reichsfinanzministers v. Källay entwarf der Baurath Passini den Plan zu einem umfangreichen System von Thalsperren und Zuleitungskanälen, und seit mehreren Jahren wird an diesem Wunderwerk gearbeitet, ohne dass man in Europa nur eine Ahnung hatte, was für Kulturarbeit in den okkupirten Ländern neben allen bereits zu Tage liegenden Erfolgen geleistet wurde. Arbeiten an der Kline bei Gacko. Das Wasser der Mu^ica, die hoch oben am Grenzposten Cemerno, dicht an der montenegrinischen Grenze entspringt, wird gefangen; eine Cyklopenmauer wird an der sogenannten Kline, zwei Stunden nördlich von Gacko, als Thalsperre aufgeführt und dadurch ein künstlicher See gebildet, aus dem dann das Wasser in beliebiger Menge in die Ebene geleitet werden kann. Die Mauer umfasst 11 ooo Kubikmeter Mauerwerk; sie wird mit Pozzuolani-Cement aufgeführt, der von Neapel mit Schiff bis Ragusa, von dort mittelst Wagens bis Gacko, dann per Pferd bis zur Kline gebracht wird. Der künstliche See wird 26 Hektar gross sein, das Bassin 2 Millionen Kubikmeter Wasser fassen. Von ihm aus werden zwei Tunnels gebaut, welche die Aufgabe haben, täglich durch 8 Stunden eine bestimmte Menge Wasser abfliessen zu lassen, um das Gackopolje zu bewässern. Ueberall werden Zuleitungskanäle, Ueberbrückungen und Schleusen errichtet, um die Regulirung jederzeit in der Hand zu haben. Das Reservoir wird durch eine eiserne Schliessung abgesperrt, die hydraulisch gehoben und niedergelassen werden kann. Die Mauer der Thalsperre ist vom Fundament an 22 Meter hoch, unten 18,70 Meter breit, oben 4,60 Meter. Die untere Länge beträgt 60 Meter, die obere 108 Meter. Im Bogen ist ein Radius von 60 Metern. Das gesammte Unternehmen (die Kline liegt 1030 Meter hoch und es kann im Jahre nur vier Monate gearbeitet werden) soll nur 320000 fl. erfordern, was als eine bescheidene Summe angesehen werden muss. Dann werden die Gackoer das erhalten, was sie verlangten, als sie den Bau des Bassins sahen: »Jetzt haben wir die Schale, nun gebt uns auch den Kaffee!« Sie werden den für ihre Felder nöthigen »Kaffee«, das Wasser bekommen, Abzugskanäle sorgen aber auch dafür, dass sie dies nicht zu unrechter Zeit im Ueberflusse haben. Schon jetzt ist eine Anzahl halb steriler Weideflächen bewässert und es ergab sich um ein Drittel Ertrag mehr an Heu. Im Ganzen wurden um 70000 fl. Heu vom Gackopolje ausgeführt, dessen Abnehmer meist das Militärärar war. Aehnlich grosse Arbeiten werden auf dem Livanjskopolje, der un-ermesslich ausgedehnten Hochebene an der dalmatinischen Grenze in Südwest-Bosnien, die zum grossen Theil einen Sumpf bildet, ausgeführt, wodurch weite Gegenden cler Kultur erschlossen werden. Der späte Nachmittag führte uns in Gacko in ein serbisches Gasthaus, in dem ein Guslar haarsträubende Heldenthaten der Serben im Kriege gegen Bulgarien log. Wir hatten noch nicht lange gesessen, als eine der lebendigen Sehenswürdigkeiten des Ortes erschien: cler greise, wohl achtzigjährige, ehemalige Insurgentenführer Bogdan Zimunic. In grüner montenegrinischer Vojvoden-Dolama, auf cler Brust österreichische, russische, montenegrinische Orden und Tapferkeitsmedaillen, in der Hand den langen Tschibuk, so stellte sich cler alte Freiheitskämpfer vor. Er war von Jugend auf dem Kriegspfade gegen die Türken. 1861 kämpfte er helden-müthig mit den Montenegrinern, 1875 für seine engeren Landsleute, 1876 war er es mit Lazar Soöica, die den Durchweg Sulejman Paschas durch Montenegro tagelang mit den Hercegovinaer Freiwilligen aufhielten, während cler Fürst von Montenegro längst unangebrachte Befehle ertheilte, die seinem Heere nur Nachtheile zufügten. 1878 kämpfte Zimuniö in Gemeinschaft mit seinen Landsleuten gegen die Mohammedaner; dann ging er, angeblich in seinem Ehrgeiz gekränkt, nach Cetinje, kehrte aber bald wieder zurück in die Heimath, wo er jetzt von einer Staatspension lebt. Er ist eine alte verwitterte Heldengestalt, das Urbild des südslavischen Junak. Noch blitzt das weissbebuschte Auge, noch glüht dunkles Feuer in ihm, wenn er von Gern ern o. vergangenen Tagen erzählt und er ist stolz auf seine Vergangenheit. Dass er die Geschichte besser kannte, als seine im Gasthause anwesenden Landsleute, bewies er dadurch, dass er dem Guslar das Singen des Heldenliedes gegen clie Bulgaren verbot, weil der Text unwahr sei. Der Abend vereinigte uns mit allen schnell liebgewonnenen Freunden und Bekannten noch einmal im Kasinoraum des »Hotel Metohia«, dann hiess es wieder scheiden von cler Stätte, wo wir so viele neue und angenehme Eindrücke gewonnen. Der frühe nächste Morgen, der mit starkem Nebel einsetzte, brachte uns in Begleitung einiger cler unermüdlichen Herren zunächst nach Aftovac. Das einstige elende Dorf hat sich zu einem förmlichen Flecken entwickelt. Das Militärlager ist eine kleine Stadt für sich. Hohe massive Gebäude, Kasernen und Stallungen etc. bilden, von Mauern umgeben, ein grosses Viereck, in dem sich auch Gemüse- und Blumengärten befinden. Hier ist für Offiziersmenagen gesorgt, ein Kasino ist vorhanden, Fremdenzimmer, Post — alles mögliche, was clen Dienst in diesen Gegenden erträglich machen kann. Heute ist er nicht mehr so beschwerlich, aber einst stellte er riesige Anforderungen an clie Truppen, clie nicht nur Tag und Nacht Patrouillendienste verrichten, Ablösungen für die einzelnen Blockhäuser stellen, sondern auch Strassen bauen und dazu Steine klopfen mussten. Als ich 1888 in Aftovac übernachten wollte, sah der Ort noch wenig civilisirt aus. Eine Anzahl General- 22 Stabsoffiziere, welche auf einem Studienritt längs der Grenze ins Paschalik Novibazar begriffen waren, hatten alle Fremdenzimmer belegt, und es musste gesucht werden, in den vorhandenen zwei Kneipen — ein anderer Ausdruck wäre schlecht gewählt — ein Unterkommen zu finden. Es war mehr als primitiv. Die Leute waren nicht auf Fremde zum Uebernachten eingerichtet und sie selbst betrachteten ihren Aufenthalt nur als einen vorübergehenden. Gegenwärtig sind auch hier die Verhältnisse bessere; die Häuser sehen solide aus, es macht sich sogar eine Art Bazarviertel be merklich. Niemand jedoch, der etwas von der Geschichte des Landes kennt, V durchzieht das Gackopolje, ohne des Cengic Aga zu gedenken, dessen Thaten und Ende ja auch deutschen Lesern nicht unbekannt geblieben sind. Der ehemalige Banus von Kroatien, Ivan Mahiranic, hat sein Leben und seinen Tod in einem grandiosen Epos verewigt. Aber nicht nur die christliche Kunstpoesie, welche dem Helden natürlich feindlich gesinnt ist, auch die hercegovinische Volksdichtung gedenkt des Smajl Aga gern, und die Mohammedaner feiern ihn als ihren ritterlichsten Helden. Sehr richtig sagt Dr. F. S. Krauss: »Smajl Aga ist von Maiuraniö falsch und ungerecht charakterisirt worden; unsere Sympathien sind jedenfalls auf Seite des muthigen, todesverachtenden Helden Smajl Aga, nicht aber . v auf Seiten der Buschklepper und nächtlichen Räuber Montenegros. Cengic war der echte unverfälschte Siidslave, seine Mörder aber ein entartetes, feiges Gesindel.« Wie sein bereits verstorbener Neffe in Sarajevo erzählte, haben die Montenegriner, welche ihre Heldenthat mit etwas Christenglauben verbrämten, die hinterlistige Tödtung Smajl Agas mit siebzehn Köpfen gebiisst. Von seinem Schlosse, der »Cengic-Kula« in Lipnik, nicht weit von Aftovac, steht gegenwärtig kein Stein mehr auf dem anderen; selbst die Ruine der alten Zwingburg ist demolirt und nur ein ausgedehntes Steinfeld mit einer verfallenen Mauer ist sichtbar. Aber noch heute zeigt jedes Kind den Weg zu Cengi<5-Kula..... Gacko wie Aftovac besitzen wunderschöne Grabsteine aus altchristlicher Zeit, und Dr. Moritz Hoernes hat einen grossen Theil derselben beschrieben und abgezeichnet. Oftmals sind die Skulpturen, die theilweise ganze Jagdzüge aufweisen, wunderbar erhalten und die reiche Ausführung legt davon Zeugniss ab, dass das Gackofeld einst dicht bevölkert war, dass es einen mächtigen Adel besass, der sich den Luxus von künstlerischen Grabdenkmälern gönnen konnte. Eigentliche Kampfscenen sind auf den Steinen selten, meist stellen dieselben — wo vorhanden — Zweikämpfe dar, ganz wie die serbischen Heldenlieder sie besingen. Sehr häufig sind Pferde abgebildet, wie ja nächs1- den Waffen die Pferde die Lust der alten bosnischen Ritter waren, ganz so wie heute die Pferde der Stolz der mohammedanischen Begs sind, welch' letztere man mit vollem Rechte als die unmittelbaren Nachkommen Aus der Sutj eska-Schlucht. der alten Adelsgeschlechter bezeichnen kann. Die Todtenklage um den Verstorbenen wird oft durch weibliche Figuren mit aufgehobenen Händen da rgestellt, auf anderen Steinen finden sich Stern und Halbmond (die alten Landeszeichen Illyriens), auch der gewappnete Arm mit erhobenem Schwert (das Wappen Bosniens und der Primorje). Am seltensten ist das Kreuz vorhanden, was wieder auf bogomilische Gräber schliessen lässt, da die Bogomilen alle religiösen Abzeichen verschmähten. Von Aftovac führt einer cler wildromantischsten Wege dem Ursprung der MuSica entgegen zum Cemerno-Sattel. Der Weg ist wohl etwas hergerichtet, aber in dieser Gegend konnte er nicht besser angelegt werden. Nach abendländischen Begriffen wäre das obere Musicathal eine ungangbare Bergschlucht, aber ein echt hercegovinischer Fusssteig führt bald auf dem einen, bald auf dem anderen Ufer, bald im Wasser, bald durch Gestrüpp und Felsengen aufwärts. Wo clie senkrechten Thalwände hart an das verengte reissende Gewässer herantreten, ist er zwei Schuh breit und kaum mannshoch in den Felsen gehauen, der ihn in Form eines halben Tunnels überwölbt, sodass man durch ihn gebückt gehen muss. An breiteren Stellen öffnen sich mächtige Grotten, kühle Rastpunkte mit hübschen Aussichten auf die jenseitigen Höhen. Dann steigt der Weg über schräge Felsplatten, in welche Stufen gehauen sind, um das Ausgleiten cler Pferde zu verhindern. Nach einstündigem Wandern wird eine einsame, elende Hütte erreicht, wo eine kurze Rast gut thut. In tiefster Abgeschiedenheit und grossartig schöner Umgebung liegt cler aus fünf Häusern bestehende Ort Vrba am Fusse des 1859 m hohen Lebränik, dessen Kamm oben kahl, unten etwas bewaldet ist und auf den Hängen fette, grüne Matten trägt. Je näher man dem Fusse des Cemerno-Gebirges kommt, desto lieblicher wird das Thal. Aus Laub- und Nadelholz gebildeter Hochwald drängt zu beiden Seiten bis ans Wasser, überspinnt es mit seinen Schmarotzergewächsen, beschattet es mit seinen breiten Kronen. Hier in diesem entlegenen Erdenwinkel führen Schaaren von Singvögeln ein idyllisches Dasein. Da plötzlich stehen wir vor einer Felsenmauer, und hier beginnt einer jener Wege, von denen eine Beschreibung zu geben unmöglich ist. Wie Gemsen müssen die Pferde klettern, springen, fallen, gleiten — um diese Felstreppen zu ersteigen. Nach anstrengender Arbeit erreicht man V endlich clen Cemerno-Sattel, und eine prachtvolle überraschende Aussicht lohnt für den mühevollen Weg. Senkrechte, in clie Wolken ragende Felswände des Volujak und des Sedlo scheinen den Weg zu versperren. Am grossartigsten ist der Blick auf den Volujak, dessen Gipfel nur zehn Kilo-meter entfernt, der aber durch clie tiefe Sutjeska-Schlucht vom Cemerno-Abfall geschieden ist. Ueber clie steilen Felswände scheinen Nadelwaldungen zu klettern. Rechts steigt die Kuk-Planina hoch empor und hinter ihr erhebt der König cler dinarischen Alpen, der Dormitor, — die »Himmels- gabel«, wie er im Volksmunde heisst — sein ewiges Schneehaupt. Hier muss die Grossartigkeit dieser wilden Gebirgsnatur bewundert werden. Durch die Sutjeskaschlucht führt ein hochinteressanter, aber beschwerlicher Weg nach Fofia, ein Pfad für Dichter und für Naturfreunde. Hier ist Wildniss, unverfälschte Natur, ein Hochgenuss für Auge und Herz. Er ist nur von Einheimischen begangen, aber einmal wird er für Touristen eine ungemeine Anziehungskraft üben. Die beigegebenen Bilder auf Seite 339 und 342 sprechen deutlicher von der Romantik der Gegend, als alle Worte. Aber die Gegend des Gackopolje bietet noch andere Panoramen, deren Anblick freilich meist nur Soldaten und Gendarmen gemessen, die schon ziemlich abgestumpft für diese nur mit Beschwerden zu erringenden Schönheiten sind. PIs ist ihnen daher zu verzeihen, wenn man auf eine Frage nach besonders sehenswerthen Punkten die Antwort erhält: »Nichts, als fade Berge und Steine«. Die Poesie dieser Berge und Klüfte muss eben erst erkannt und erschlossen werden und auch dies wird in nicht zu ferner Zeit gelingen. [111 Sutj eska-Defil£. (Zwischen Gacko und Foea.) Stepen. Um Aftovac krönen Kasernen die entfernteren Höhen und vom Grenzposten Peruätica aus kann man bequem sich mit den Montenegrinern unterhalten, die jenseits der Grenze ebenfalls einen Posten mit einem Kapetan sitzen haben, der in einem elenden Häuschen untergebracht ist. Es geht in Montenegro andauernd schlecht genug, der lange und strenge Winter setzt den Heerden stark zu und so manches Thier verendet, ehe der wärmende Strahl der Sonne wieder Gras spriessen lässt. Da kommen — weil die hercegovinische Seite vom Schicksal etwas klimatisch günstiger bedacht ist — leicht Weidestreitigkeiten vor, und clie Grenzposten sind nothwendig, solche im Entstehen zu verhindern. Wir überschritten die MuSica auf einer Brücke und nahmen Abschied von Aftovac, um unsere Fahrt nach Bilek fortzusetzen. Bald sahen wir rechts Cernica liegen, dann passirten wir das auf hohem Felsen ungemein malerisch erbaute Wachthaus Stepen. Wir traten jetzt in das ehemals berüchtigtste Räuberterrain, das sich über die Korita bis nach Bilek erstreckte und das seit Jahrhunderten, obwohl hier eine uralte Handelsstrasse von Ragusa bis an die Drina führte, der »Weg des Todes« genannt werden musste. Während der Insurrektionsjahre der letzten zwei Jahrzehnte wurde der Ruf cler Gegend nicht besser. Die montenegrinische Grenze ist nahe und zwischen ihr und der heutigen Fahrstrasse, die in verschiedenen Abtheilungen in den Jahren 1883—1886 fertiggestellt wurde, liegt das Gebiet der wilden Banjani, clie man auch die »liederberühmten« nennt, weil sie stets bei allen Erhebungen mit ihren Trutzgesängen an der Spitze gegen clie Türken marschirten. Noch heute ist dieses Gebiet schwer zugänglich. Von Trebinje aus führt ein beschwerlicher Saumweg durch das Karstterrain in die Höhen der Banjani; hier liegt auf steilem Felsenkegel die alte Veste Klobuk, wie ein Adlerhorst an das Gestein geklebt. Das Raubnest war schon im Mittelalter gefürchtet, wenn ragusaner Kaufmanns-Karawanen auf der grossen Handelsstrasse über Bilek nach Novibazar zogen. 1694 zwang der venetianische Proveditore von Cattaro die Burg durch Hunger zur Ueber-gabe; 1806 wehrte sie sich erfolgreich gegen Russen und Montenegriner, und 1878 konnte sie von den österreichisch-ungarischen Truppen auch erst nach längerer Beschiessung eingenommen werden. Die Annäherung ist nur für Fussgänger auf einem steilen Grate möglich, und in Zeiten der Gefahr Hessen sich clie Vertheidiger an Stricken über clie steilen Felswände herab und entkamen fast stets in die Karstwildniss. Nach der letzten Einnahme wurde die Burg von den kaiserlichen Truppen gesprengt, und erst nach harter Arbeit gelang es, clie ausserordentlich festen Umfassungsmauern und den Thorthurm niederzuwerfen. Von Klobuk aus führt ein halsbrecherischer Pfad in engem Thale nördlich bis Bilek. Auf diesem Wege liegt in rauher Schlucht das Kloster Kosijerevo, von wo aus mehr als einmal das Zeichen zur Erhebung gegen die Türken gegeben wurde. Die ganze wilde Gegend zu beiden Seiten der heutigen Strasse ist reich an historischen Erinnerungen. Nicht weit entfernt vom P'ort Stepen liegt die alte Burg Kljut in einer Gegend, die von Felsklippen starrt, direkt auf einer gigantischen Felspyramide, wie sie die kühnste Phantasie als Standort für ein mittelalterliches Raubschloss nicht besser ersinnen konnte. Die alten Ruinen halten unter dem westlichsten Ausläufer der bis zu 1737 Meter im Djed ansteigenden Baba-Planina bei der Thalenge des Crnica-baches Wache, — heute ganz vergeblich, denn Niemand sucht die Ruhe des von der modernen Heerstrasse abseits liegenden Ortes zu stören. »Kralj Sandalj«, cler hier residirt haben soll, hat einen ausgesprochenen Zug fürs Wildromantische bewiesen, denn zwischen den gleich Schwalbennestern an den kahlen Felsen klebenden Hütten cler wenigen Bewohner von Kljuö steht die Burgruine gleich einem Adlerhorste auf der Felsenspitze und ihre schmale Pforte, zu der man bloss auf der einen Seite des Felsens gelangen kann, wird selbst von geübten Kletterern nur mit Mühe, von ungeübten unter Gefahr erreicht. Aber auch heute noch sind die mit Schiessscharten versehenen Mauern, an deren Stelle häufig der natürliche Felsen tritt, stark und widerstandsfähig. Den Hof füllt mit wucherndem Unkraut bedecktes Bröckelwerk und Gerolle, welches den Eingang zu den beiden Thürmen, die den Flügel der einzig zugänglichen Seite schützen, versperrt. Mauerreste zeigen die einzelnen Oertlichkeiten und Gemächer an. »Westwärts von der Burg — ich cilire hier aus AsbOths Werke über Bosnien-Hercegovina — ziehen sich drei hohe Felsenmauern in der Stärke von 2—3 Metern hin, welche plötzlich in schroffen Abhängen enden. Zwischen diesen natürlichen Schutzmauern lagen, wie das Volk erzählt, die Stallungen und Gärten, Unter dein Felsabhange lliesst ein grösserer Bach. Sein Wasser bricht plötzlich aus der senkrechten Schlucht der Baba heraus und verschwindet nach einem kurzen Laufe von 600 Schritten auf der anderen Seite des Thaies in einem Karstloch. Bevor es aus dem Innern des Babagebirges tritt, sammelt sich das Wasser in einer tiefen, geräumigen Höhle. Der Eingang zu dieser liegt etwa 10 Meter über der Oberfläche des Thaies. Bei niederem Wasserstande rieselt der Bach zwischen den einzelnen Rissen und Löchern der Felswand hervor; wenn aber der Schnee schmilzt, oder nach starken Regengüssen, füllt sich die Tiefe der Höhle und aus ihrem Schlünde stürzt das Wasser in mächtigen reissenden Finthen hervor, Wasserfälle bildend, die ihres Gleichen suchen und so gewaltig aus den Felsen brechend nur im österreichischen Karste zu finden sind. Bei niederem Wasserstande, wenn der Wasserfall verschwunden ist und das Wasser wie aus einein Schwämme nur aus der Felswand sickert, kann ein geübter Bergsteiger auf die von dem Sturze glatt geschliffene riesige Steinplatte hinauf gelangen, die den Eingang zur Höhle bildet. Aber Niemand ist noch weiter in ihr vorgedrungen. Von unten herauf gähnt zwischen Felsen der tiefe schwarze Schlund mit dem ruhigen Wasserspiegel auf seinem Grunde. Schwalben- und Taubenschwärme (lattern im Innern des gewaltigen Felsendomes. Wunderbar ist die Farbenpracht, mit der die Natur seine Wände schmückt. Die Moose und die Feuchtigkeit bilden wahre Fresken in den Kontrasten und Schattirungen vom lebhaften Grün, Gelb und Orange, vom zarten Silbergrau und Rosa, bis zur tiefen Dunkelheit einzelner Theile und dem Wasserspiegel, der das gebrochen herablangende Tageslicht zurückwirft. Wie weit die Höhle reicht und wo sie aufhört, lässt sich kaum bestimmen, denn den Hintergrund deckt tiefe Finsterniss und ein Eindringen ist unmöglich. Vielleicht stehen die Wässer, die sich in der Höhle ansammeln, mit der Ebene von Gacko in Verbindung. Ebenso ungewiss ist es, wohin das Wasser fliesst, nachdem es auf der anderen .Seite des Thaies verschwunden ist. Der volksthiimliche Nachweis sucht die Fortsetzung der Gewässer stets dort, wo angeblich Menschenköpfe, blutige Leichen, die in dieselben geworfen wurden, wieder zum Vorschein kamen. Derlei Erzählungen sprechen aber ebenso sehr von der bei Bilek plötzlich hervorbrechenden Trebinjčica, wie für die gegen Stolac hinziehende OpaCica, die plötzlich im Dabarpolje, jenseits der Sättel des Koritnik und Ližnik auftaucht. So viel ist sicher, dass in der Höhe der einen Höhlenwand ein zweiter Schlund gähnt. Im Volke herrscht die Ansicht, dass sich hinter demselben ein beträchtlicher See in den Berg-massen der Baba-Planina ausbreitet. Der Widerhall mit kräftigem Wurfe hineingeschleuderter Steine klingt tbatsächlich so, als wären sie in tiefes Wasser gefallen. Bei hohem Wasserstande lliesst das Wasser vielleicht aus diesem Schlünde in die erste Höhlung, während es sonst nur durch die Felswand sickert.« Die Bevölkerung von Ključ lebt heute noch in der Erinnerung an ihren »König Sandalj«, von dem sie die wunderbarsten Sagen erzählt. Wie er die Ponors — die Abflusslöcher der Gewässer im Karstgebiet — verstopfte, als die türkischen Heere das Gefilde rings umher erobert hatten, wie er das gesammte Gackopolje, den Golinjev-Dol unter Wasser setzte, sodass nur noch Burg Ključ auf hoher Felsspitze aus dem wogenden See emporragte. So trotzte Sandalj allen Angriffen, mittelst »unzähliger Schiffe und Kähne« die Verbindung mit den fernen Ufern aufrecht erhaltend. Und als sich das Wasser schliesslich dennoch unterirdisch Bahn brach und abfloss, widerstand die Burg noch drei Jahre der Belagerung und fiel erst nach dem Tode König Sandalj's. Auch hier wie im Bjelopolje bei Mostar behauptet das Volk, dass in den hohen Felsenmauern der Baba noch Eisen- ringe zu finden seien, die zum Anhängen der Schiffe dienten. Die sonst lichtgraue Wand der Baba ist bis zu einer gewissen Höhe, welche sich in wagerechter Linie scharf abzeichnet, thatsächlich dunkler und moosbewachsen. Wir wollen und können auf alle diese Sagen, welche sicher eines historischen Grundes, wenn auch in vielfacher Vergrösserung, nicht entbehren, hier nicht näher eingehen. Das Gackopolje ist sicherlich einmal ein See gewesen, nur liegt diese Zeit um viele Jahrtausende zurück, die Tradition hat sich jedoch erhalten. Vom Kralj Sandalj erzählt die beglaubigte Geschichte: er war eines der grössten Bogomilenhäupter seiner Zeit, ein Neffe jenes Vlatko Hraniö, welcher Kroatien an der Spitze eines bosnischen Heeres für Tvrtko I. eroberte und der später in der für Serbien verhängnissvollen Schlacht am Amselfelde 1389 mit verhältnissmässigem Glücke ein bosnisches Hilfsheer befehligte. Nach vielen Bürgerkriegen im Innern und gegen Bosnien sah er sich schliesslich genöthigt, die Oberhoheit des Sultans anzuerkennen. Er benutzte dieses Verhältniss, um sich von der bosnischen Königsgewalt ganz unabhängig zu machen. Im Jahre 1418 blieb er der Krönung des Königs Stefan Ostoiö fern und breitete mit Hilfe Isak Begs — der damals in Vrh-Bosna residirte — seine Besitzthümer auf bosnischem Boden aus. Erst nachdem Isak Beg, der das erste türkische Heer von Bosnien nach Ungarn führte, im Jahre 1420 bei Temesvär gefallen war, und Tvrtko II. sein Ansehen in Bosnien mit ungarischem Beistande abermals herzustellen begann, huldigte auch Sandalj wieder dem bosnischen Könige und erschien bei der Krönung Tvrtko's. Das Ansehen, welches er sich auch späterhin bewahrte, kann aus dem Umstände ermessen werden, dass das Concil von Basel, als es angesichts cler von den Türken drohenden Gefahr clie Einheit der Christen herzustellen suchte und sein Augenmerk namentlich auf die bosnischen Bogomilen (clie Protestanten des Alterthums) richtete, im Jahre 1433 sich durch Vermittelung cler Republik Ragusa nicht nur an den König Tvrtko, sondern auch an Sandalj wandte. Die Antwort des mächtigen Bogomilenführers lautete abweisend, wobei er sich übrigens auf den damals wüthenden Bürgerkrieg berief, welchen der Sohn Ostoja's, der Knez Radivoj, mit türkischer Beihilfe angezettelt hatte. Die Macht Sandalj's erstreckte sich weit in die Zeta, das heutige Montenegro, im Norden bis nach Kroatien; er regierte schliesslich, wenn auch ungekrönt, thatsächlich über den grössten Theil von Bosnien, bis er 1445 auf dem Gipfel seiner Macht starb. Sandalj Hranic aus dem Hause Kosaia war es, der die Hercegovina schuf, wenn sie auch später erst vom deutschen Kaiser PYiedrich III. den Namen erhielt. Mit Recht räumt daher clie Sage der Burg Kljuö eine grosse Rolle ein. Heute ist hier alles Leben erstorben; Heerden und Hirten weiden auf den weltentlegenen Fluren und auf den grossen Friedhöfen mit ihren Gedenksteinen, die von einstigem glanzreichen Leben Zeugniss geben. Ueberall, in Crnica, Cisterne in Ansicht von Capljina, von der Narenta aus gesehen umgeben. Terrassenförmig steigen die Häuser am Bergrücken empor. In der Mitte der Stadt erhebt sich eine wundervoll gebaute Kuppelmoschee, daneben eine hohe einsame Cy-presse. Ueber dem Ganzen eine Kloster Zitomisljic. verfallene Befestigung. Nach dem Passiren der Haltestelle KruSevic erreicht die Bahn die Station Zitomisljic. Diese bietet einen reizenden Anblick. Inmitten einer prachtvollen südländischen Vegetation, umgeben von Parkanlagen, steht in einem Thale das berühmte serbische Kloster Zitomisljic, das im Jahre 1585 von der Familie Miloradovié gegründet wurde. Mit seiner breiten Front und reichen Façade ist es weithin sichtbar. Dicht neben der Bahnstation sieht man einige grosse Bogomilensteine mit Kreuzen. Von hier aus bis Buna bildet die Narenta ein langes Défilé. Erst Buna, gegenüber der Einmündung des gleichnamigen Flusses in die Narenta, liegt wieder in einer fruchtbaren p;bene. (Wir werden des Ortes genauer bei der Landreise gedenken.) Der Zug übersetzt den tiefen und schnell dahinrauschenden Jasenicabach und tritt dann in die grosse Ebene von Mostar, in das Btécepolje ein. Rechts ist Blagaj mit Stjepanograd sichtbar, desgleichen die Abhänge des PodveleS. Links die kahlen und schroffen Höhen des Hum, im Hintergrunde aber, wie in einer Felsspalte versteckt, Mostar, wo volles civilisirtes Leben den fremden Reisenden auf dem Bahnhof empfängt. Auf dem Landwege führte uns diesmal unser Wagen in sieben Stunden nach der hercegovinischen Hauptstadt. Hinter Metkovic wurde ein Zollposten passirt, der dicht neben einer halbverfallenen Grenzkula steht, wir sind auf dem Boden von Stara-Gabella, das links von uns am Flusse zwischen Sümpfen und Feldern liegt. Einstmals war hier die venetianische Zollstätte gegen die Türkei und damals hatte der Ort jedenfalls grössere Bedeutung wie heute. Bis hierher war auch die Narenta stets schiffbar. Das Städtchen selbst ist geschützt in einem Sattel zwischen zwei Hügeln gebaut, die verfallene Festungswerke krönen. Angeblich sind diese — so schreibt Dr. M. Hoernes — 1558 vom Sultan Sulejman aus den Bausteinen zweier zerstörter christlicher Kirchen errichtet und »Sedd i islam« (Sperrschloss des Islam) benannt worden. Nach dem Ausbruch des grossen Tiirkenkrieges am Ende des 17. Jahrhunderts, im Sommer 1694, nahm der Generalproveditor der Republik Venedig, Delfino, durch eine kombinirte Aktion mit starker Truppenmacht Gabella ein »und erhielt dadurch — wie es in einer zeitgenössischen Quelle heisst — die Republik einen fruchtbaren Strich Landes nebst dem Eintritt in das Herzogthum Nieder-Hercegovina oder, wie es die Franzosen nennen, St. Sabba und zugleich in den übrigen Theil von Bosnien.« Schwer empfanden die Türken diesen Verlust und versuchten in den nächsten Monaten wiederholt, ihr Sperrschloss zurückzuerobern, Doch erst der venetianische Trakta1" des Karlowitzer Friedens (1699) brachte es ihnen wieder. So wurde der weissmarmorne Löwe mit der Inschrift: »Fax tibi Marce, evangelista meus!« vom Hauptthor der Burg wieder herabgestürzt auf die Stelle, wo er heute noch liegt, zwei von Delfino hergestellte Kirchen abermals zerstört, zwei andere in Moscheen verwandelt. Eine der ersteren ist 1855/56 von den Katholiken des Ortes restaurirt und zur Pfarrkirche geweiht worden. Am Grosse Eiche in Zitomis 1 jic- 'OBjoig laq joqpaiJjuaitiuoSofi Hochaltar derselben sieht man die wappengeschmückte Gruftplatte der Familie Santic. Die amtliche »Ortschafts- und Bevölkerungstatistik von Bosnien und der Hercegovina« nach dem Volkszählungsergebnisse vom i. Mai 1885 zählte für Gabella 626 Katholiken, 218 Orthodoxe, 8 Mohammedaner; 1895 betrug die Bewohnerzahl 960 Köpfe. Wir fahren, immer in fruchtbarer Gegend, die Krupa und die von Stolac kommende wilde Bregova überschreitend, bis nach Tasovöiö. Seitwärts der neuen Strasse, auf dem alten Wege, steht eine steinerne Ueberfuhr an der Nare 111a. Bogenbrücke, jetzt mitten in der Einsamkeit. In Tasoviic, einem sehr wohlhabenden Orte, begriisste uns die Gegenwart gleich am Eingange des Dorfes mit einer neuen Elementarschule. Nicht weit davon liegt ein von Grün überwucherter Friedhof, der von der hier herrschenden Toleranz ein rühmliches Zeugniss ablegt. Neben den türkischen Grabsteinen stehen katholische Kreuze und zwischen allen liegen, die grossen Platten der Bogomilengräber. Bei einem Kaffeehause unter einem grossen Maulbeerbaum Hessen wir uns eine Weile nieder, mitten unter türkischen Grundbesitzern, die ihrer Zufriedenheit mit der letzten Ernte und damit auch mit allen Verhältnissen Ausdruck gaben. Als ich auf die neue Schule zu Kurze Rast. Motiv aus Gabela. sprechen kam, meinten sie, das sei die segensreichste Schöpfung; ihre Kinder sollten auch so gescheidt werden wie die »Schwabas«. Die Gegend ist hier wundervoll angebaut; riesige Tabakfelder, prächtige Weingärten bedecken, soweit das Auge reicht, bis an das Narenta-Ufer die Ebene. Hinter Tasovöic finden wir hübschen Eichenwald, der durch die bekannte Tafel: »Verbotener Wald«, geschützt ist. Nach einiger Zeit erreichen wir Domanoviö, einen wichtigen Strassenknotenpunkt. Hier führt rechts die Strasse nach Stolac, dem historisch berühmten Sitze der Rizvanbegoviö, einer Stadt mit alten Denkmälern und einem merkwürdigen Bogomilen- V „ friedhofe. Ueber die Narenta ist eine Ueberfuhr nach Capljina. Doma-novic besteht aus einer langen Strasse voll kleiner Wirthshäuser, Kaffee- schänken und Kramläden, die ihr Dasein von dem Durchgangsverkehr, meist aber von dem hier liegenden Militär fristen. Es ist nämlich eine grosse Infanterie-Kaserne gebaut, in cler ein bosnisches Bataillon liegt. Ein nettes Forsthaus erinnert an die Karstaufforstung, deren Spuren wir auf unserer Weiterfahrt bald wieder begegnen. Und immer wieder Tabak-felcler, grosse Viehheerden, inmitten der Fluren hübsche Landhäuser. Besonders in Bivolje Brdo fiel mir ein türkisches Sommerhaus durch seine Ausdehnung und wunderschöne Bauart auf. Der Weg zieht sich bergauf und bergab, immer an den Lehnen der Dubrava entlang, bis er endgiltig in das BiScepolje niedersteigt, dessen Umgrenzung wir bereits mehrfach geschildert haben. Vor Buna lugt über clie Zäune bereits wieder der Feigenbaum und die Olive und in dem hübschen ausgedehnten Orte grüssen von allen Seiten stattliche steinerne Häuser moderner Art, eine Sommer-Villeggiatur bildend. Buna ist ein historisch berühmter Ort. Auch schon in alter Zeit von Bedeutung, wovon die mächtige Brücke Zeugniss ablegt, die in neun steinernen Bogen über die Buna führt, erlangte es seinen Ruhm unter dem letzten Despoten der Hercegovina, unter Ali Pascha Rizvanbegovic, In der alten Steinburg zu Stolac hausend, hatte er, wie wir bereits in einem früheren Abschnitte erzählten, während cler bosnischen Adelsinsurrektion von 1831 unter Hussein Berbirli Aga dem Sultan die Treue bewahrt und er war mit dem Vezirat der Plercegovina betraut worden. Dieses gestaltete er fast unabhängig und er suchte »seine Provinz« materiell blühend zu machen. Er führte die Reiskultur in cler Narentaebene und um LjubuSki ein, er pflanzte den Oelbaum und protegirte clie Weinkultur, er suchte die Seidenzucht auszudehnen. I11 Buna erbaute er ein prächtiges Landhaus mit einer Moschee und den Befehlen der Pforte gehorchte er soweit, als ihm genehm war. Als 1849 abermals ein Adelsaufstand in Bosnien ausbrach, stellte auch er sich auf clie Seite seiner Standes- und Stammesgenossen und er verübte gegen die Christen arge Gräuelthaten. Anfangs siegreich, kam in der Person Omer Paschas der Rächer der verletzten Autorität des Sultans. Mit Kugel und Strick wurde in Bosnien Ordnung gemacht, dann nahte Omer mit Iskender Pascha der Hercegovina. Ali Pascha Rizvanbegovic war schlau genug, sich nicht selbst dem mächtigen Pacifikator (dem ehemaligen Grenzerfeldwebel Michael LattaS) entgegenzustellen; er überliess dies seinen Untergebenen, während er anscheinend unthätig in der Burg zu Stolac sass. Omer Pascha schlug die Aufständischen und zog in Mostar ein. Darauf erschien Ali Pascha in Buna, um Verhandlungen einzuleiten. Mit grossen Ehren empfing Omer Pascha den Vezier; er lud ihn zum Gastmahle in Mostar und der sonst so schlaue Hercegovce liess sich übertölpeln. Während er nach Mostar ging, zogen türkische Truppen nach Buna und Stolac mit der Kundmachung, dass cler Vezier abgesetzt und ein Gefangener Omer Paschas sei. Und dann erfüllte sich sein Schicksal. Wie ein einheimischer Schriftsteller erzählt, war sein Ende folgendes: »Den greisen Ali Pascha, der vor Altersschwäche kaum mehr zu gehen vermochte, schleppten sie auf die Narentabrücke und setzten ihn hier auf einen Esel. So führte ihn Omer Pascha mit sich in die Krajna, wohin er gegen die Aufständischen zog. Ali Pascha, erbittert über diese Beschimpfung, brach gegen den Serdar-Ekrem (Oberbefehlshaber = Feldmarschall) los: »Warum quälst du mich? Auch du bistein Vlache (Serbe), eines Vlachen Sohn! Woher nimmst du die Macht, so mit mir zu ver- •f-eS ei [i ii3A\un (cung atp jsqtt apnifi oipsuuoa) v tt jdn^ - 13^sjoso>[ fahren? Ja, hätte ich gegen den Sultan selbst zu den Waffen gegriffen, du wärest nicht würdig, so mit mir umzugehen, als hättest du mich in der Schlacht zum Gefangenen gemacht und wärest du auch dreimal Serdar-Ekrem. Oh, unreiner Vlache, sende mich lieber vor den Padischah, damit er richte über mich und beschimpfe mich nicht in meinen alten Tagen.« Omer Pascha begann nun zu fürchten, denn Ali Pascha hatte zahlreiche Freunde beim Padischah, denen er ungeheure Summen Geldes aus der Hercegovina zu senden pflegte. So drehte Omer Pascha die Sache in seinem Kopfe, bis er fand, es wäre besser, wenn Ali Pascha nicht auf der Welt bliebe. Und so wurde Nachts zwei Uhr ein Schuss gehört und es kam die Nachricht zu Omer Pascha, dass eine Flinte zufällig losgegangen und die Kugel durch den Kopf Ali Paschas gefahren sei. So starb Ali Pascha Rizvanbegoviö am 20. März 1851.« Ob sich die Sache wirklich so verhalten, wissen wir nicht, Thatsache ist aber, dass Ali Pascha nie wieder zum Vorschein kam. Seine Besitzungen wurden eingezogen und die Gebäude zerstört. . . . Wenn man in Buna vor dem Gasthause an der Brücke sitzt und den vorzüglichen weissen Wein — Eigenbau des Wirthes — trinkt, dann kann man von Zeit zu Zeit einen Blick hinüberwerfen auf das alte Besitzthum Ali Paschas, das noch immer, auch mächtig in den Ruinen, inmitten einer grünen Wildniss liegt. Fragt man aber einen der älteren Leute über Ali Pascha, so erhält man die Antwort: »Herr, er war für die Hercegovina so wie Herzog Stefan.« Wir hatten uns in Buna ziemlich lange aufgehalten und die Sterne standen am Himmel, als wir die Fahrt durch das weite Biscepolje antraten. Oede und kahl liegt die stundenlange Fläche da, sie wartet noch der wirtschaftlichen Auferstehung. Einstweilen ist sie nur eine Fundgrube für Archäologen. Ein scharfer Wind hatte sich erhoben, welcher den Staub in dichten Wolken peitschte, und wir waren froh, als wir Mostar wieder erreichten, als uns die gastlichen Räume des »Hotel Narenta« von Neuem umfingen. Schlussvignette: Altes Siegel aus Vid (Narona) vom 15. Jahrhundert. Durch das Ramathal nach Jajce. Die Eisenbahn brachte uns am nächsten Morgen nach Jablanica, von wo mit der zweimal in der Woche, am Montag und Freitag verkehrenden Diligence die Reise nach Jajce, der alten Königsstadt, angetreten werden sollte. Die 122 Kilometer lange Strecke wird in einem Tage — mit unterlegten Pferden — zurückgelegt. (Jetzt fährt die Diligence nur bis Bugojno, von dort wird die Bahn bis Jajce benutzt.) In Jablanica fanden wir im landes-ärarischen Hotel vorzügliche Unterkunft und wir benutzten diesen Tag zum Umherstreifen in der wundervollen Gegend, da erst am andern Morgen die Wagenfahrt vor sich gehen konnte. Früh 6 Uhr stand die mit vier Pferden bespannte Diligence vor cler Thür. Wir hatten uns die beiden Aussenplätze hinter dem Kutscher gesichert, um die Gegend mit Müsse in Augen-Der Innenraum war gleichfalls voll besetzt. Ein leichter Nebel lag über der Gegend und es fröstelte ziemlich stark. Die Strasse geht längs der Eisenbahn-in nördlicher Richtung bis in clie Nähe der Station Rama, dann wendet sie sich scharf nach Nordwesten und folgt von der Mündung der Rama in clie Narenta dem erstgenannten Flusse in dem schein nehmen zu können. Eingang ins Kama thai. gleichnamigen Thale. Wir sind mitten im Hochgebirge. Wie ein Band nur zieht sich die neugebaute Fahrstrasse an den Lehnen der Baiina-Planina entlang, auf der rechten Seite von dem tief eingeschnittenen Flussbette begrenzt. Es ist aber keine öde oder einsame Gegend; clie Höhen sind gut bewaldet, in der Thalsohle zeigen sich wohlbestellte Felder, auf clen jenseitigen Hängen sogar Weingärten. Häuser liegen überall verstreut. Dann verengt sich der Weg. Unter der Gratanicki-Wand öffnet sich knapp an- der Strasse eine mächtige Höhle, clie wegen ihrer von cler Wölbung herunterhängenden Tropfsteingebilde clie »Schinkenhöhle« getauft wurde. Dann kommt der mächtige Babafelsen in Sicht, clie interessante Bildung cler Klokovaike Stjene oberhalb Ustrama, und schliesslich übersetzen wir auf einer damals noch im Bau begriffenen Brücke den Fluss. Die Arbeiter hatten in offenen Baracken dicht am Stromufer übernachtet, — ein etwas luftiges Bivouak, — und sie suchten sich an einem Feuer zu erwärmen. Die Sonne will durchaus nicht zum Vorschein kommen, es bleibt andauernd empfindlich kühl. Die Bevölkerung des Ramathales ist zum überwiegenden Theile katholisch und so sahen wir auf einmal rechts von der Strasse Seferov-Han im Ramathal. o rt S «J OÍ neben einer kleinen Kirche ein neues stattliches Pfarrhaus, leider gar zu aufdringlich mit Kreuzen geschmückt. An den Berglehnen kommt noch die Edelkastanie vor, die gegen die Strasse gerichteten Rutschungen sind mit Weidenanpflanzungen in sehr praktischer Weise versichert. Eine Reihe Serpentinen führt uns in eine Höhe von 700 Meter; wir bewundern den 15 a 11 e r aus de in R a in a t h a 1 e bei 1' r o 7, o r. kleinen Gebirgsfluss Ljuk, der einen hübschen Wasserfall bildet und gemessen gleich darauf einen hoch originellen Anblick. In Prozor war Militärstellung gewesen und nun kommen die Ausgemusterten auf langen Leiterwagen, wie die Heringe verpackt, unter militärischer Begleitung jauchzend und singend dahergefahren. Es war ein sonderbares Bild, besonders da man nach der Kleidung erkennen konnte, dass die verschiedensten Glaubensbekenntnisse friedlich nebeneinander hausten"! In Prozor, einem Städtchen von iooo meist mohammedanischen Bewohnern, war Halt und Pferdewechsel. Im »Gasthaus Kraus« stärkten wir unseren Leib und hier fanden wir auch recht nette Gesellschaft. Lernten wir doch auch da erst unsere Reisegefährten kennen: einen Gerichtsrath, einen Doktor, einen Kaufmann aus Mostar. Die ersteren beiden waren Czechen, der Arzt von Prozor desgleichen, ein Beamter ebenfalls — kurz, es war auf einmal in dem kleinen Orte eine vollständige böh-mischeKolonie. Ausser einer alten Burg, die sich malerisch über dem Orte aufthürmt und an die sich die Sagen von allen möglichen Königen und Königinnen knüpfen, die an anderen Punkten Bosniens in derselben Art wiederkehren, bietet Prozor nichts Besonderes, doch werden hier gute gewöhnliche Tep- Mädchen aus Prozor. piche gewebt und Pflaumen gebaut. Eine Zeit lang zieht sich die Strasse in gut angebauter Ebene fort, dann steigt sie in endlosen Schlangenwindungen zum Makljen-Sattel (i 123 Meter). Wohin das Auge auf diesem Aufstieg blickt, sieht es auf fruchtbare Felder, auf nette Ortschaften, auf Höhenzüge, die sich übereinander thürmen und in immer lichteren Tinten am Horizont verschwinden. Oben aber, auf der Höhe des Makljen, ist die Aussicht überwältigend. Wie ein Panorama liegt ein grosser Theil der hercegovinischen Gebirgswelt vor den entzückten Blicken ausgebreitet. Im Westen cler Vran-Risovac-Sattel, die drei Kuppen der 2260 Meter hohen Cvrtnica, weiter rückwärts die Muharnica und die Sovica. Vorn aber, gerade gegenüber, hat man die kolossalen, jäh abfallenden Felswände des Prenj, clie wohl von keinem •jozojj Sing pun ipcjc; der zugänglichen Punkte in so ergreifender Schönheit gesehen werden können. Ueberall lag auf den höheren Kuppen der Schnee, — es war ein Bild von unbeschreiblicher Grossartigkeit. Immer aber sieht man auch noch im Thale die Windungen der Strasse und tief unten Prozor mit seiner Burgruine. Wir sind hier im Hochwald. Schöne Einräumerhäuser und ein Han stehen inmitten der grossartigen Natur und sorgen auch in primitiver Am Makljeilsattel. Weise für die Reisenden. Immer abfallend, abermals in zahlreichen Serpentinen, geht die Strasse durch prächtigen Wald, die Terlicaschlucht kreuzend, nach Gornji-Vakuf, einem langgestreckten mohammedanischen Städtchen von 1719 Bewohnern. Ein alter türkischer, mit Schiess-Scharten versehener Thurm und drei Moscheen sind die einzigen Sehenswürdigkeiten. Aber Gornji-Vakuf ist ein Sitz der kunstvollen Hausindustrie. Hier werden die besten türkischen Kaffeemühlen (Handmühlen) angefertigt und das Aeussere so reich und geschmackvoll mit Arabesken verziert, wie ich sie nirgends wieder gefunden habe. Auch zu den Messern werden hier ausgezeichnet gravirte Scheiden angefertigt. Wir hatten in einem serbischen Wirthshause während des Pferdewechsels Unterkunft gefunden und da befanden wir uns bald mitten drin im Handeln und Feilschen. Zur Ehre der Vakufer Meister sei es gesagt, dass sie feste Preise behaupten und lieber mit der Waare ihres Weges ziehen, als sie billiger verschleudern. Die Berge der Umgebung enthalten Eisen- und Kupfererz, das von den Römern bereits ausgebeutet wurde. Sogar auf Gold sollen diese hier geschürft haben. Bis Bugojno führt die Strasse in ununterbrochener Ebene zwischen Getreidefeldern. Dieses Städtchen hat als einstweiliger Endpunkt der von LaSva über Travnik nach der dalmatinischen Grenze führenden Eisenbahn eine gewisse Bedeutung erlangt. Es zählt kaum 1000 Bewohner, darunter etwa 400 Katholiken, und doch besitzt es die grösste katholische Kirche von Bosnien — vorausgesetzt, dass clie innere Ausschmückung jemals fertig wird. Als im Jahre 1879 ein Bankett aus Anlass der silbernen Hochzeitsfeier des Kaisers I'ranz Josef stattfand, regte ein Franziskaner die Idee an, in Bugojno eine katholische Kirche zu bauen und cler Plan fand Beifall. Das Geld wurde bisher durch Sammlungen in Oesterreich-Ungarn aufgebracht. Bugojno hat einige recht gute Unterkunftshäuser und viele neue europäische Gebäude, selbst ansehnliche Villen. Die Strasse führt, immer in Sicht des Bahngeleises, in der Ebene nach Dolnji-Vakuf. Ueberall sieht man türkische Landsitze inmitten gut bestellter Felder. Die 27 Kilometer lange Ebene längs des Vrbas, die sich südlich bis Gornji-Vakuf erstreckt, wird das Skoplje genannt, sie ist im Besitze reicher Begs, die neben Ackerbau auch viel Vieh-, besonders Pferdezucht treiben. Die Ausläufer der Gebirge treten allmählich immer mehr an das Bahngeleise und die Strasse heran; links sieht man auf einer Höhe clie alte Veste PruSac, die sich gegen die erobernden Türken am längsten hielt, dann öffnet sich ein schöner Blick ins Privnicathal und nachdem die Privnica übersetzt ist, haben wir Dolnji-Vakuf erreicht, dessen ausgedehnter Bahnhof direkt im Vordergründe steht. Ueber eine alte Steinbrücke fahren wir in clie ausgedehnte Stadt ein und halten vor dem »Hotel Heller«. Das Städtchen ist ungemein lebhaft, wenn es auch •oufoííng aoA m sis a y '}',nî[i3A"ïinI°Q UOA fqoisay-jBjox Bosnischer Franziskaner. Motiv aus dem Ramathaie bei Prozor. (W. Leo Arndt.) nur 2342 meist mohammedanische Bewohner zählt. Es hat einige hübsche Moscheen, gegenüber dem Amtsgebäude steht eine Medresse über einer Quelle. Der untere Raum des stockhohen Hauses bildet ein Bassin voll krystallhellen Quellwassers. Eines der best und modernst gebauten Häuser ist die neue Gemeindeschule. Dicht hinter Dolnji-Vakuf verengt sich das Vrbasthal und nimmt die Gestalt eines Fluss-Defiles an. Die Strasse bleibt am rechten Ufer des Flusses, während die neue Bahnlinie nach Jajce sich am linken Ufer hin- zieht. Die Gegend zu beiden Seiten ist schön bewaldet und ungemein romantisch. Beim Kilometerzeiger 26 steht rechts ein interessantes Bogomilen-Grabmal, dessen Skulptur einen gebogenen Arm mit dem Kreuze in der Hand darstellt. Unterhalb des Armes ist ein Halbmond sichtbar. Wundervoll ist der Blick von der Strasse auf die Eisenbahn, die ganz dicht am Ufer des hier zum wilden Gebirgsstrom gewordenen Vrbas bleibt. Ueberall sieht man Brücken und Durchlässe, die sich von dem meist grünen Gestein wirkungsvoll abheben; am schönsten aber sehen clie Wächterhäuser An der Eisenbahn bei Dolnji-Vakuf. aus, die in nettem Schweizerstil wie Landhäuser in dem Schutze der Wälder liegen. Von Zeit zu Zeit führen Holzbrücken über den Fluss; am linken Ufer liegen nämlich die Ansiedlungen, Dörfer und Hans und hier haben sich auch die provisorischen Kolonien der Bahnarbeiter gebildet, die seit Eröffnung der Bahn natürlich wieder verschwinden. Hinter Station Babinoselo verengt sich der Fluss immer mehr; bei Station Vijenac ragen auf 1035 Meter hohem Kegel die Ruinen der gleichnamigen Burg auf dem rechten Ufer empor, das Stammschloss der ungarischen gräflichen Familie Kegleviö. Die Strasse umgeht den grössten Theil des Burgfelsens, der am Vereinigungspunkte dreier Thäler emporragt und der einst ein ungemein wichtiger strategischer Punkt war. Immer enger wird das Thal,' immer dichter clie Bewaldung der Berglehnen. Nach Passirung zweier Tunnels •animSitifi isji jiui aofrf JOA SBOsfi^ von 150 Meter und 75 Meter Länge bietet sich plötzlich bei einer Biegung des Weges ein grossartiger Anblick. Vor uns liegt eine mittelalterliche Bergfestung. Hohe, zum Theil verfallene Mauern ziehen sich über die Bergrücken, von mächtigen Thiirmen flankirt, während Häuserreihen sich nach allen Seiten in clie Felsen erstrecken. Das ist das Kastell von Jajce, der romantischen Königsstadt. Die Strasse vereinigt sich mit der von Travnik hier einlaufenden Fahrstrasse, übersetzt auf einer 55 Meterlangen Brücke clen Fluss und führt am grossen Plivafall, dessen Gewässer schäumen und brausen, vorüber, durch ein mittelalterliches Festungsthor in die Stadt, wo uns das von der Regierung gebaute »Grand Hotel« in seine behaglichen gastlichen Räume aufnimmt. Zwischen Dolnji-Vakuf und Babinpotok. Durch ihre geschichtliche Vergangenheit, durch die archäologischen Funde ist Jajce eine der interessantesten Städte von Bosnien und der Hercegovina, durch ihre wundervolle Lage am Zusammenflusse der Pliva mit dem Vrbas, zum Theil auf einer isolirten Bergkuppe erbaut, eine der malerischsten und sehenswertesten und für jeden Fremden ein wahres Schatzkästchen der Romantik. Um ihre Bedeutung zu ermessen, ihre Bauwerke zu verstehen, müssen wir auf die Geschichte der Stadt näher eingehen, die schon vielfache Darstellungen erfahren hat. Am eingehendsten Anfangsvignette: Altes Thor uncl Kaffeehaus in Jajce. Die Königsstadt Jajce. und sachgemässesten schildert sie der Custos des bosnisch-hercegovinischen Landesmuseums Dr. Giro Truhelka, dessen Werkchen (»Geschichte und Denkwürdigkeiten von Jajce«, Sarajevo 1888) ich nachstehend folge. Wann die Stadt gegründet wurde, ist nicht genau bekannt. Schon Constantin Porphyrogenitus erwähnt die Landschaft Pliva zu jener Zeit, als die Franken unter ihrem Führer Cotzilinas aus Illyrien vertrieben wurden V und sie bildete nebst zehn anderen Zupen das nachmalige Königreich Kroatien. Im 12. Jahrhundert stritten der bosnische Ban und der kroatische König um den Besitz der Landschaft. Später wird ihrer in der bosnischen Geschichte nicht erwähnt; erst zu Anfang des 15. Jahrhunderts, wo sie in den Besitz des mächtigen Magnaten Hrvoja gelangte, tritt sie in das öffentliche Leben.- Hrvoja führte schon 1404, wie Klaic in seiner Geschichte Bosniens erzählt, den Titel »Vojvoda Dolnji Kraj«, womit das Gebiet an der Pliva bezeichnet wurde. Als er sich mit dem bosnischen Könige Ostoja entzweite und sich dem ungarischen Könige Sigismund anschloss, Hess er sich auch von diesem im Jahre 1411 den Besitz bestätigen, wodurch dieser Theil auf kurze Zeit unter die Oberhoheit der ungarischen Krone gelangte. Um diese Zeit bildeten sich an der felsigen Landzunge zwischen der Pliva und dem Vrbas die ersten Anfänge der Stadt Jajce, welche Hrvoja auf geraume Zeit zu seiner Residenz wählte. Von 1411 und 1412 sind Dokumente, aus Jajce datirt, vorhanden. Die Stadt überflügelte bald die meisten Städte Bosniens. Sie wurde Sitz eines Banus, in welcher Würde ein Manifest des Königs Stefan To maše vič vom Jahre 1459 den Radivoj Jablanovič nennt und derselbe König erwählte die Stadt bei seinem Regierungsantritt zu seiner Residenz, sodass sie der gleichzeitige Geschichtsschreiber Laonicos Chalkokondilas als die Metropole Bosniens bezeichnet. Während der stürmischen Zeiten, die über Bosnien kamen, bildete sie den wichtigsten strategischen Punkt. Im Jahre 1463 brach das Verhängniss über das Land durch die Türken herein. Als das grosse Heer Sultan Mohammed II. el Fatih die bosnische Grenze überschritt, floh König Stefan Tomaševič aus seiner festen Burg Bobovac, deren Verteidigung er seinem Hauptmann Radak übergab, nach Jajce. Bobovac fiel, von Radak verrathen, in die Hände des Sultans, welcher den Kommandanten zum Lohne für seinen Verrath von der Felswand stürzen Hess. Den König Hess der Sultan durch Mahmud Pascha und 20000 Mann leichter Kavallerie verfolgen. Mahmud setzte über den Vrbas und erschien vor Jajce, wo er aber erfuhr, dass der König die Stadt verlassen habe. Er hatte sich zuerst nach der unweit gelegenen Burg Sokol begeben, und als ihm diese zu wenig Sicherheit zu bieten schien, floh er nach der festen Burg Ključ an cler Sanna, wo er einige Tage zu rasten gedachte. Mahmud Pascha schickte eine kleine Abtheilung unter Omer Beg Turchanoglu nach Ključ. Es kam zu einem Scharmützel, wobei sich Omer zurückziehen musste, während sich die Besatzung in die Burg einschloss. F eise nein schnitt vor Jajce. Omer Beg hatte keine Ahnung, dass sich der viel gesuchte bosnische König in nächster Nähe befinde und er versuchte von einigen Bauern, die er gefangen nahm, seinen Aufenthalt zu erfahren. Als diese beharrlich jede Auskunft verweigerten, sandte er sie zu Mahmud Pascha. Konstantinovic berichtet, dass ein Bosniake den Aufenthaltsort des Königs für einen Kuchen verrieth, eine Behauptung, welche unglaublich klingt, die aber jener Tage in Bosnien wohl möglich war. Mahmud Pascha, als er von dem Aufenthalt des Königs Nachricht empfing, brach mit seiner Reiterei auf und zog, den Engpässen, die nach Ključ führten, Trotz bietend, dorthin. An der Sanna angelangt, wagte er auch den Uebergang über die in hohem Grade gebrechliche Sannabrücke und machte Anstalten, die Burg zu belagern. Er hatte aber trotz seines zahlreichen Heeres wenig Aussicht auf Erfolg. Die Festung Ključ ist auf senkrechten Felswänden, deren Sockel der Sannafluss umspült, erbaut. Von drei Seiten ist sie absolut unzugänglich und den steilen Aufgang, der von der Südseite zur Burg führt, beherrscht ein mächtiger, auf dem schroffen Babakaja-Felsen erbauter Thurm, welcher die Festung um ein beträchtliches überragt. Ausserdem führten zwei über senkrechten Felsspalten angebrachte Fallthüren ins Freie. Die eine führte zur Sanna und versorgte die Burg mit Wasser, während die andere im äussersten Nothfalle den Weg zur Flucht bot. Der modernen Strategie würde die Burg keine grossen Schwierigkeiten bieten, denn sie lässt sich von dem auf dem andern Sanna-Ufer liegenden Zelenberge leicht bestreichen, aber selbst die spärlichen, heute noch erhaltenen Reste rufen den Eindruck hervor, dass sie in einer Zeit, wo nur schweres, plumpes Geschütz ins Feld gezogen und nicht selten, um dem schwierigen Transporte auszuweichen, erst am Kampfplatze gegossen wurde (wie bei der zweiten Belagerung von Jajce), unüberwindliche Schwierigkeiten bieten musste. Mahmud Pascha, der gar kein Geschütz mit sich führte, sah wohl ein, dass er mit seinen 20000 leichten Reitern gegen Felsenthürme nichts ausrichten könne. Auch an Aushungern war nicht zu denken, da eine längere Belagerung nicht in das Programm des Kriegszuges passte. Er versuchte dahet durch Ueberredung den König zur Kapitulation zu bewegen. P3r versprach alles Mögliche, und als er ihm schriftlich die eidliche Zusage gab, man würde sowohl sein als auch das Leben seines Onkels und Neffen schonen und der Sultan werde ihm für Bosnien eine andere gleichwertige Provinz verleihen, ergab sich der König. Mit der Besatzung und der Bürgerschaft verfuhr Mahmud Pascha nach dem Prinzip, das sein Heer bei allen bisherigen Eroberungen konsequent durchgeführt hatte. Ein Drittel davon wurde unter die Grossen in seinem Gefolge vertheilt und dem Janitscharenkorps einverleibt, das andere wurde nach Konstantinopel geschleppt, damit die Bevölkerung der noch öden Vorstädte zu vermehren, während der dritte und ärmste Theil in der Stadt belassen wurde. Nachdem auch des Königs Onkel Radivoj in der unweit von Jajce gelegenen Burg Ordzaj gefangen genommen worden, kehrte Mahmud Pascha mit seiner Beute nach Jajce zurück, wo unterdess Sultan Mohammed el Fatih erschienen war und die von ihrem Könige verlassene Stadt belagerte. Sobald die Besatzung den König gefangen sah, ergab sie sich. Als Mahmud Pascha mit seinen Gefangenen vor Jajce ankam, war der Sultan entzückt, aber die Zusage, die der Pascha dem Könige gegeben, war nicht nach seinem Sinn. Trotzdem konnte er die eidliche Zusage eines seiner besten Heerführer nicht ohne Weiteres über den Haufen werfen. Um über diesen Gewissenspunkt hinwegzukommen, wandte sich der Sultan an die Ulema, und einer jener frommen Gelehrten, deren er stets auf seinen Zügen mit sich führte, der Perser Scheich Ali Bestami, mit dem Beinamen Massafinek, stellte dem Sultan ein Fetwa aus, das über das Schicksal des Königs entscheiden sollte. Ueber die Begründungen dieses Fetwa sind mehrere Versionen bekannt. Die eine im »Tarihi-diari« berichtet, dass darin auf einen Schwur hingewiesen wird, welchen cler Sultan früher geleistet hatte und wonach er den König hinrichten lassen werde, wenn er ihn in seine Gewalt bekäme, und dass dieser Schwur eine spätere Zusage seines Veziers aufhebe. Der anderen, von Hammer-Purgstall aufgenommenen Version zufolge stützte sich das Fetwa auf das sonderbar klingende Axiom, ein Herr sei nicht verpflichtet, die Zusage seines Dieners zu halten, wenn diese ohne seine Ermächtigung gegeben wurde. Beide Versionen genügten, über das Leben des Königs zu entscheiden. Dem Sultan war nur noch daran gelegen, clie Nothlage seines Gefangenen auszunützen. Er bewog den durch Versprechungen irregeführten König, an alle seine Städte den Auftrag ergehen zu lassen, sich den Türken ohne Widerstand zu ergeben. Dadurch kamen über 70 befestigte Städte in die Macht des Eroberers. Sultan Mohammed aber, als er seine Eroberungsoperation in Bosnien so rasch erledigt sah, brach über den König den Stab. Er bestellte ihn zu sich und dieser, wohl ahnend, dass seiner ein gleiches Schicksal harre, wie es den Kaiser von Trapezunt, die Fürsten von Athen und Mytilene getroffen, nahm jenes eidliche Versprechen Mahmud Paschas mit sich, um nöthigen Falls darauf hinweisen zu können. Es nutzte ihm nichts, sein Tod war beschlossen, und auf dem Carevopolje bei Jajce — nicht, wie es früher hiess, bei Bilaj oder gar bei Blagaj — wurde Stefan Tomasevic, nachdem ihm angeblich bei lebendigem Leibe die Haut abgezogen worden, von dem Scheich Ali Bestami geköpft. Nach der Hinrichtung wünschte der Sultan, wie Ibrahim Beg Ba&agiö im »Glasnik zem. nutz.« erzählt, dass man über die Ursache des Todes nicht im Zweifel sei und dass das Fetwa des Scheich wörtlich an dem Stadthore von Jajce eingemeisselt werde. Dort soll es sich bis zu den Insurrektionskämpfen in der zweiten Hälfte unseres Jahrhunderts befunden haben. Sein Inhalt ist weder im »Tacldzut-tevarih«, noch im »Mir-ati-£ajinat«, noch in anderen türkischen Geschichtsbüchern, die über Bosnien handeln, aufgezeichnet, sondern nur mündlich überliefert worden. Es heisst: »El mumin la juldagu min d^uhrin merretejni«, d. h.: »Der Gläubige wird nicht zweimal aus einem Schlangenverstecke gebissen«. Damit soll gesagt werden, dass der König Verrath übte, als er sich schon unter dem Schutze des Sultans befand. Die Ungerechtigkeit der Hinrichtung sollte dadurch beschönigt werden. Das Grab des Königs war lange unbekannt, obwohl im Volksmunde eine Stelle am Hum ausdrücklich als »Kraljevski grob« (Königsgrab) bezeichnet wurde und clie Sage sogar über das Begräbniss des Königs zu berichten wusste. »So habe der Sultan einer Janitscharen-Abtheilung den Befehl gegeben, den Leichnam derart zu begraben, dass clie Grabstätte von der Staclt aus sichtbar sei, dass man aber das Grab selbst und vom Grabe aus die Staclt nicht sehe. Der Begräbnisszug nahm clie Richtung gegen Hum und einer cler Männer trug eine hohe Fahne voran. Der Sultan blickte ihnen nach und als clie Janitscharen allmählich seinen Blicken entschwanden und nur noch clie äusserste Spitze cler Fahne sichtbar war, gebot er ihnen durch ein Signal anzuhalten und an cler Stelle, wo sie angelangt waren, den König zu begraben.« Diese naive Ortsbeschreibung nahm Dr. Truhelka zum Ausgangspunkt, um clas Grab cles Königs zu entdecken und — es glückte ihm! Im Juni 1888 entstieg die Leiche cles letzten bosnischen Königs ihrem Grabe und sie fand eine würdigere Ruhestätte in cler Franziskanerkirche in Jajce. Ueber den Fund selbst gebe ich dem Ausgraber clas Wort: Am rechten, dem grossartigen Plivafalle gegenüber liegenden Ufer des Vrbas steigt ein ziemlich steiler, im Unterbau felsiger Hügel empor, der in eine nnregelmässige Terrasse endet, die von der Südostseite vom schroffen Humgebirge umschlossen ist. Wenn man den Weg, welcher über die alte Vrbasbrücke aus Jajce nach Podhum führt, verfolgt, so gelangt man zu einer Stelle auf der erwähnten Terrasse, von wo aus sich dem Auge nach Norden zu ein herrlicher Anblick auf das Carevopolje öffnet. Gegen Südost steigen die Kalkwände des Berges Hum empor, während nach Westen zu eine sanfte Erhöhung über den Rand der Terrasse den Ausblick auf Jajce verwehrt. Hier auf dieser Stelle, knapp am Saume des Weges, befindet sich eine schmucklose Steinplatte, welche jeder vorübergehende Landmann als des »Königs Grab« bezeichnete. Die Platte ist etwa i Meter breit, 1,8 Meter lang, roh behauen und trägt keinerlei nachweisbare Spuren irgend welcher Verzierung oder Inschrift. Nur auf der nach oben zugekehrten Seite, nicht ganz in der Mitte, ist ein einfaches Kreuzeszeichen zu bemerken. Dasselbe ist sehr primitiv, entschieden mit einem höchst ungeeigneten Werkzeuge circa i Centimeter tief eingeritzt, und zeigt die Vertiefung der Gravirung geringere Witterungseinflüsse, als sie bei den übrigen Partien der Platte wahrgenommen werden — ein Zeichen, dass das Kreuz später eingeritzt, als der Stein gesetzt worden, dass es vielleicht eine spätere pietätvolle Widmung den Manen des hier zur Ruhe Bestatteten ist, ... In einer Tiefe von beiläufig 80 Centimeter kamen grössere Steinblöcke, welche die ganze Länge des Grabes bedeckten, zum Vorschein. Diese wurden weggeschafft, und nach einigen Spatenstichen zeigten sich clie Schädelknochen, und zwar, wie ich vermuthet hatte, an dem Westende des Grabes. Der ganze Schädel wurde blossgelegt, aber trotz der grössten Vorsicht zerfiel er beim Heben in seine Bestandteile. Die Ursache davon war die, dass der Leichnam zuerst mit grösseren Steinblöcken bedeckt wurde, welche am Schädel einige Knochensprünge verursachten und den ganzen Brustkorb eindrückten. Erst im Laufe der Zeit lagerte das durchsickernde Wasser feuchten Lehm auf das Skelett ab und füllte die Fugen zwischen den Steinen und die Höhlungen des Skeletts aus. . . . Bei den weiteren Nachforschungen wurden die übrigen Theile des Skeletts zu Tage gefördert. Es war mit dem Kopfende nach West, die Füsse nach Ost gekehrt, jedoch war der Kopf vom Rumpfe getrennt und auf dem Brustkorbe in schiefer Lage gelegen, so zwar, dass die linke Profilseite nach oben gerichtet war, wobei der Schädel auf der rechten Kiefer- und Ohrpartie zu liegen kam. Der Brustkorb war durch die auf den Leichnam geworfenen Steinblöcke eingedrückt und zertrümmert, die Hände über die Brust gekreuzt, wobei der linke Arm in Folge der Steinlast, welche auf ihm lagerte, in derartiger Lage war, dass der Elbogen nach oben gekehrt war. Die unteren Extremitäten waren in natürlicher Lage, nur beim linken Überschenkel konnte ich einen Beinbruch feststellen, indem beim Biossiegen die obere Hälfte des Knochens normal war; als ich aber plötzlich zur Bruchstelle gelangte, fand ich seine weitere Fortsetzung nicht in der entsprechenden Richtung, sondern etwa 8 Centimeter nach rechts, an den rechten Schenkelknochen anliegend. Die Lage des Skeletts lässt es als unzweifelhaft erscheinen, dass ich die Ueberreste eines Hingerichteten blossgelegt, welcher geköpft, massakrirt und nackt begraben wurde — nackt, denn nicht ein einziger Knopf, Spange oder sonstiges Objekt fand sich vor, welches auf ein Kostüm hinweisen würde. Nur ein gebogenes Eisenstück wurde am Fussende vorgefunden, und bei genauer Untersuchung stellte es sich heraus, dass es der Bügel eines Vorhängeschlosses sei und zweifellos ein Bestandteil der Fussfesseln war. Ausserdem fand ich etwa 10 Centimeter über den Brustknochen, dort wo sich die Hände kreuzten, zwei kleine ungarische Silbermünzen von Ludwig dem Grossen, — Münzen, welche im 15. Jahrhundert in Bosnien häufig im Umlauf waren. Alle angeführten Umstände sind im Einklang mit dem Schicksal des Königs Tomaševič und es sind noch manche Anhaltspunkte, welche die Identität bestätigen. Die gefundenen Knochen gehörten einem Manne im ersten Mannesalter von untersetzter Statur, was bei Tomasevič der Fall war. Ausserdem zeigt die Schädelformation eine auffallende Verwandtschaft mit derjenigen, welche ich auf den beiden Bildnissen des Sultan in der Stadt gelassen hatte, leisteten bedeutenden Vorschub, bemächtigten sich eines Thurmes und rissen von dessen Zinnen die türkische Fahne herab. Die Besatzung erschrak darüber, gab die Verteidigung der unteren Stadt auf und schloss sich in die Burg ein,während König Mathias nach kaum viertägiger Belagerung in die untere Stadt einzog. Aber erst nach achtwöchentlicher Belagerung gelangtes, clie Besatzung zur Ueber-gabe des Kastells zu zwingen. Nach der Eroberung von Jajce war es leicht, die angrenzende Landschaft den Türken zu entreissen und so kamen die Landschaften Usora und Dolnji Kraj mit 26 Städten in die Gewalt des Königs von Ungarn. Im Jahre 1464 rüstete 'der Sultan ein neues, 30 000 Mann starkes Heer aus und zog vor Jajce. Vor der Stadt liess er grosse Kanonen giessen, aus der er sie beschoss. Sein Heer theilte er in drei Theile und führte durch drei Tage immer frische Kräfte in clie Bresche. Auf beiden Seiten war der Kampf verzweifelt und wurden Proben höchsten Heldenmuthes geliefert. Ein Türke erstieg sogar einen Wall, kletterte auf einen Thurm und war schon im Begriff, das Festungsbanner von seinen Zinnen herabzureissen, als ihn einer von des Königs Trabanten daran verhinderte. Er umklammerte ihn und beide stürzten in den Abgrund. Emerich Zäpolya, der die Verteidigung leitete, konnte sich unmöglich auf die Dauer halten und die Stadt wäre verloren gewesen, wenn er nicht die Nachricht verbreitet hätte, König Mathias sei auf dem Anzüge. Darauf hob der Sultan die Belagerung auf, nachdem er sein grosses Geschütz in den Vrbas hatte werfen lassen. König Mathias begann noch im selben Jahre mit der Organisation der wiedereroberten Lanclestheile, die in zwei Banate getheilt wurden, Jajce und Srebrnik. Damit aber in Bosnien die Erinnerung an das einstige Königreich wach bleibe, ernannte er den Banus von Maiva, Nikolaus von Ujlaky, 1472 zum Könige von Bosnien. Jajce wurde die Hauptstadt, und vor seinen Mauern spielt sich durch volle 64 Jahre die Geschichte des Landes ab. Immer und immer wieder führten Mehmed und Bajazid türkische Heere gegen Jajce, aber alle Angriffe wurden abgeschlagen. Nach dem Tode Ujlaky's wurde kein neuer König ernannt. Sein Sohn nennt sich in einer Urkunde vom Jahre 1492 blos »Dux Bosnae«. Aber ungarische Bane regieren Bosnien weiterhin. Banus von Jajce war von 1499—1501 Graf Franz Berislavic, welchem Balthasar Batthyänyi, Ladislaus von Kanisza und Johann Bebek folgten. Dann kamen Bartol, Prior von Vrana, Georg von Zthresemley und Peter Keglevic. Nach dem Tode König Mathias' erneuerten sich in rascher I^olge die türkischen Unternehmungen gegen Jajce. 1500 erschien Sultan Bajazid vor der Festung, er wurde jedoch von Mathias Corvinus entscheidend geschlagen. Die Verteidigung der Stadt wurde aber später immer mehr vernachlässigt, so dass die Türken in den nächsten Jahren weiter vorrücken und ein Königs beobachten konnte. Das eine im Besitz der Strossmayer-Galerie in Agraui stellt den König dar, wie ihm Christus im Traume erscheint und ist unzweifelhaft zu seinen Lebzeiten gemalt. Das andere in Sutjeska ist jünger und bringt denselben Gegenstand zur Ansicht. Auf beiden ist ein ovales, nach unten zugespitztes Gesicht mit vorstehendem Kinn, hoher schön gewölbter Stirn charakteristisch und bedingt einen Schädelbau, wie ihn der vom »Kraljevski grob« aufweist. Die Frofillinien beider Porträts sind congruent mit denen des Schädels — ein Beweis mehr zur Identität und davon, dass die Tradition, obwohl sie von der Phantasie begünstigt und grossgezogen wird, immer einen historischen Hintergrund, eine positive Basis besilzt, auf der sie der Volksgeist und die dahinziehenden Jahrhunderte aufbauten. Nach dem Niederbruche des bosnischen Königthums ging der König von Ungarn gegen die Türken vor. Im Oktober 1463 erschien Mathias Corvinus vor Jaj'ce und begann die Stadt zu belagern. Die Bosnier, die der Jajce mit den Plivafällen. Gebiet nach dem anderen besetzen konnten. Im Jahre 1520 führten die Sandschak-Begs von Serbien und Bosnien schwere Schläge gegen die noch in christlichen Händen befindlichen Theile. Zwornik, die Schutzveste der Drina, fiel durch Nachlässigkeit des Befehlshabers, TeSanj fiel, cler Schlüssel von Usora. Jajce aber Hess der greise Peter Keglevi^ nicht fahren und die Verteidigung dieser Stadt ist das letzte glänzende Denkmal der ungarischen Herrschaft in Bosnien. Nach cler Einnahme von Zwornik und Te&anj überschritt der Beglerbeg von Bosnien, Ferhad Pascha, mit 15 000 Mann die Save, wurde jedoch durch die Hauptleute Paul Tomori, Jakob Bänffy, Franz Radö, Johann Källay und Stefan Bardy gänzlich geschlagen und fiel selbst. Sein Nachfolger Usref Pascha ging, um die Scharte auszuwetzen, mit dem Pascha von Epirus, Sinan, und mit den Paschas von Belgrad und Semendria abermals an eine Belagerung von Jajce, Nachdem clie Türken eine Zeit hindurch die Burg vergebens belagert hatten, gewann es den Anschein, als wollten sie ihre fruchtlosen Bemühungen aufgeben. Peter Keglevic aber erfuhr, dass dies blos eine List sei, dass die Türken Halt gemacht, sich unter dem Schutze cler Wälder und Schluchten bergen und dort Tag und Nacht Belagerungsleitern anfertigen. Kegleviö bewachte daher die Mauern noch eifriger, einen Theil seiner Truppen aber entsendete er in die Wälder, um dort im Hinterhalt zu stehen, bis ein Kanonenschuss das Zeichen zum Angriff auf den Feind gäbe. Er ersann aber auch noch eine andere List. Da Altes Stailtthor in Jajce. es eben am Vorabende eines Festes war, versammelte er die Mädchen und Frauen und forderte sie auf, vor die Stadt zu ziehen und auf der »Königswiese« zu singen und zu tanzen, wie sie es in sicherer Friedenszeit zu thun pflegten. Im Laufe der Nacht kamen die Türken mit Belagerungsleitern aus ihren Verstecken hervor. Als sie sich der Stadt näherten, hörten sie lustige Lieder zur Gusla singen, sahen die im Mondenschein tanzenden muthigen Weiber und angesichts solcher Sorglosigkeit lösten sie auch sorglos ihre Reihen und warfen die Leitern von sich, um nicht auf die Burg, sondern auf die Frauen einzudringen. In diesem Augenblick erdröhnt die Kanone, Peter Keglevid stürmt aus cler Festung, die im Hintergründe stehenden Truppen stürzen sich auf die Türken, die Frauen und Mädchen greifen zu den Waffen, clie Türken werden bis zum letzten Mann niedergemacht. Bald erschien ein neues Heer vor Jajce. Die Stadt wurde eng eingeschlossen und durch anderthalb Jahre belagert. Auf zwei Seiten Hess Ghazi Usref Pascha Minen anlegen und bedrängte die Stadt mit ununterbrochenem Geschützfeuer. Sämmtliche Wege und Pässe in der Umgebung wurden besetzt, sodass Jajce von jedem Verkehr nach Aussen abgeschnitten war, was sich um so fühlbarer machte, als die Mundvorräthe in der Festung auf clie Neige gingen. Bisher erhielt Jajce so ziemlich alle Vierteljahre frische Vorräthe, während jetzt anderthalb Jahre vergingen, ohne class es denkbar war, aus Ungarn frischen Proviant zu verschaffen. Der König Ludwig hatte zwar 1520 Anordnungen getroffen, dass dies geschehe, unter Andern waren damit die Bane Franz Batthyänyi und Graf Tahi, wie cler sonst tapfere Michael Török betraut, aber keiner wagte sich an die Ausführung der heiklen Mission. Die Türken hatten alle kleinen Burgen in der Umgebung besetzt und einzelne Janitscharen-Gruppen durchstreiften das ganze Gebiet und machten es dem Bauer unmöglich, sein Feld zu bestellen. Bald zeigten sich clie ersten Spuren cler Hungersnoth, die sich besonders in der Stadt doppelt fühlbar machte. Sie nahm solchen Umfang an, dass mancher Bürger vorzog, Weib und Kind zurückzulassen und heimlich zu fliehen, um sich auf Tod und Leben zu übergeben. Der tapfere Vertheidiger cler Stadt sah ein, dass Jajce, wenn nicht bald Hilfe komme, verloren sei. Er schickte auf gut Glück einen gewissen Jure Mrsi6 ab, um Hilfe zu suchen. Diesem gelang es, sich durch den Türkenkordon zu schleichen und er gelangte nach Ofen, wo er vor dem König und den versammelten Ständen die Noth Jajces in clen grellsten Farben schilderte. Er erzählte, class alle Vorräthe bereits aufgezehrt, dass selbst Pferdefleisch nicht mehr aufzutreiben sei. Eine Mutter, vom Hunger bis zum Wahnsinn gebracht, habe ihr eigenes Kind in clen Vrbas geworfen, um an ihm nicht die Qualen des Hungertodes sehen zu müssen. Seine Schilderung machte tiefen Eindruck auf Alle und besonders auf den Grafen Krsto Frankopan, welcher sich erbot, der bedrängten Stadt Nahrung und Munition zu bringen. Unterdessen wehrte sich Peter Kegle vi c sammt seiner tapferen Mannschaft mit beispiellosem Heroismus gegen den doppelten Feind — Belagerer und Hunger — und lieferte dadurch den Beweis, dass der Heldenmuth eines Leonidas selbst in einer politisch zerrütteten Zeit zum Ausdruck kommen kann. Von den Versprechungen, welche Graf Frankopan gemacht wurden, blieben wohl zwei Dritttheile Versprechungen, was aber seiner brennenden Begierde, der bedrängten Stadt Rettung zu bringen, keinen Abbruch that. Er unternahm seine Expedition im Frühjahr 1525 und Dank einem Berichte, den er selbst seinem Freunde, dem Dogen Dandolo von Venedig sandte, sind wir in der Lage, sie genau zu schildern. Am 18. April verliess er mit dem geringen Heere, das ihm der König gab, Ofen und zog nach Kroatien, um es dort zu vervollständigen. Der König erliess am 29. April an die beiden Bane von Kroatien, Batthyänyi und Karlovic, den Auftrag, ein Heer zu sammeln und sich dem Grafen Frankopan anzuschliessen. Unterdessen hatte sich dieser bemüht, in Zdenci bei Brod und in Slobodätina im Belovarer Comitat Mannschaften zu werben, sich gehörig mit Proviant und Munition zu versehen und liess sich darin gar nicht beirren, obwohl man ihn von seinem waghalsigen Zuge abzu- bringensuchte. Besonders Hessen es sich die beiden Bane angelegen sein, ihm davon abzureden. Auf diese Expedition war nicht nur die ganze Aufmerksamkeit Kroatiens und Ungarns, denen sieLebens-frage war, gerichtet, sondern auch Europas, und Papst Clemens versprach Allen, die sich an ihr betheiligen würden, denselben Ablass, welcher bei Jubiläen den Rompilgern zu Theil wurde. Im Juni war das Heer an cler Save versammelt. Es Festungsthor in Jajce. zählte im Ganzen kaum etwas über 6000 Mann (4000 Reiter, 2000 Fussvolk), und es hatten sich ihm nebst den beiden Banen die tapfersten Magnaten Ungarns und Kroatiens angeschlossen. Wir finden unter ihnen einige Verwandte Frankopan's, die Grafen Georg Baglay, Johann Zrinyi, Peter Kru^ic, Georg Orlovic und als Vertreter des Priors von Vrana, Mathias von Bara6, den Grafen Franz Tahi. Am 7. Juni setzte das Heer bei Svinjar auf 80 von Deshäzy auf Auftrag des Königs erbauten Booten über die Save. Als die Nachricht vom Uebergange nach Jajce gelangte, führte Usref Pascha 15 000 Mann dem Christenheere entgegen. Am 9. Juni, dem ersten Marschtage, stiess Frankopan auf eine Burg, welche erstürmt und geschleift wurde. Beim Weitermarsche zeigten sich die ersten Vorposten des türkischen Heeres. Dasjenige Frankopans war bald argen Plänkeleien ausgesetzt und gegen Abend kam es zu einem Scharmützel, bei dem besonders Graf Tahi ins Feuer gelangte. Als die Nacht anbrach, zeigte sich auch der Kern des türkischen Heeres und beide Heere schlugen ihr Nachtlager, nur von einem schmalen Thale getrennt, auf. Vor Morgengrauen brach das türkische Heer auf und zog in der Richtung gegen Jajce, um einen Vorsprung zu gewinnen, sich dann in zwei Theile zu scheiden und womöglich dem nachfolgenden christlichen Heere in die Flanken zu kommen und es zu erdrücken. Der anbrechende 10. Juni brachte in der That scharfe Kämpfe, und das Christenheer erreichte nur mit schwerer Noth Abends Bofcac. Unter ununterbrochenen Plänkeleien seitens cler Türken kam es am 11. Juni Jajce nahe. Frankopan ertheilte dem Peter Kru^ic clie schwierige Mission, mit einer kleinen Abtheilung clen türkischen Kordon zu durchbrechen und clie mitgeführten Vorräthe in clie Stadt zu schaffen, während er selbst sich gegebenenfalls in eine Schlacht mit dem Türkenheere einlassen wolle, um die Aufmerksamkeit des Feindes von clen Bewegungen Kru^ic's abzulenken. Frankopan und Tahi nahmen das ihnen von den Türken angebotene Treffen auch an. Der Kampf war heiss, die Entscheidung schwankte. Unterdessen war es KruSic gelungen, in die Stadt einzudringen, wo er von cler verzweifelten Besatzung mit Jubel empfangen wurde. Als er die Vorräthe untergebracht hatte, kehrte er zurück. Man hatte an dem Gelingen seiner Mission gezweifelt und gab ihn verloren. Als er aber, von Peter Keglevic und anderen von der Besatzung unterstützt, an der Schlacht theilnahm, lebte cler Muth des christlichen Heeres von Neuem auf und Frankopan errang einen glänzenden Sieg. Istvänfi berichtet, dass Sinan Pascha auf der Flucht erschlagen wurde, dass sämmtliche türkische Geschütze erbeutet und in der Festung aufgestellt wurden, während das kostbare Zelt Ghazi Usref Pascha s mit 60 Fahnen und zahlreichen kunstvollen Gerätschaften in die Hände Frankopan's gelangten, der sie dem Könige nach Ofen sandte. Aus dem Berichte Frankopan's an clen Dogen Dandolo ist zu entnehmen, class sein Heer, nachdem es seine Mission so glänzend erfüllt hatte, eine Meile weit von Jajce entfernt übernachtete und am andern Tage den Rückmarsch antrat. Batthyanyi und Tahi, die es für klüger erachteten, in aller Stille den sichersten Weg zum Rückmärsche zu wählen und die auch ein besiegtes Türkenheer nicht für geheuer hielten, schlugen vor, den viel sicheren Weg über Kamengrad zu nehmen. Frankopan aber erklärte stolz, er werde sein Heer denselben Weg zurückführen, den er es hergeführt, und sei er noch so gefahrvoll. In der That übersetzte er unter ununterbrochenen Plänkeleien am 12. Juli die Save. Der Sieg von Jajce, welcher dem Heldenmuthe Frankopan's und Keglevic's zu verdanken ist und ersterem den Ehrentitel »Regnorum Dal-matiae, Croatiae et Slavoniae specialis tutor atque protector«, den ihm König Ludwig beilegte, einbrachte, genügte leider nur, um die Lebensfrist, welche der Stadt Jajce beschieden war, um drei Jahre zu verlängern. Am 5. August 1526 wurde die verhängnissvolle Schlacht bei Mohacs geschlagen. Die Panik, welche sich nach dieser Ungarn verderbenden Schlacht der ganzen Christenheit bemächtigte, schloss jede bedeutendere Aktion gegen die vordringenden Türken aus. Während Ferdinand, dem Nachfolger des bei Mohacs gefallenen Königs Ludwig, der Besitz der Länder der Stefanskrone von Zäpolya streitig gemacht wurde und Ungarn vor einer endlosen Reihe von Bürgerkriegen stand, wuchs die Macht der Türken zusehends. Jetzt war auch für den Vezier Ghazi Usref Pascha der Zeitpunkt gekommen, seine Niederlage von 1524 wettzumachen. Der tapfere Verteidiger von Jajce, Peter Keglevic, welcher bedeutend gealtert war, sehnte sich nach Ruhe und übergab die Stadt dem König Ferdinand, der unter Stefan Grbonog und Kozijaner in sie eine deutsche, mit der türkischen Kriegführung gänzlich unerfahrene Besatzung legte. Als im Jahre 1527 das vereinigte Heer Usref Paschas und des serbischen Veziers Mehmed Jahioglu vor Jajce erschien, hielt die Stadt nur eine zehntägige Belagerung aus, worauf die beiden Verteidiger gegen freien Abzug die Stadt den Türken und ihrem Schicksale überliessen. Dadurch kam der letzte Theil von Bosnien in die Gewalt der Türken. Eine Stadt nach der andern wurde vom Vezier genommen und als auch der Verteidiger von Banjaluka, Andreas Radulovic, die Verteidigung aufgab, die Stadt in Brand steckte und sich über clie Save zurückzog, waren die Osmanen Herren des ganzen bosnischen Königreiches. Dieses hatte gänzlich aufgehört zu existiren und Jajce sank von seiner ursprünglichen Grösse in die Vergessenheit. Erst nach Jahrhunderten, im August 1878, musste wieder um Jajce gekämpft werden. Wieder waren es die gleichen Gegner. Die mohammedanischen Begs stellten sich den einmarschirenden österreichisch-ungarischen Truppen unter dem Herzog Wilhelm von Württemberg im Pliva-Defile entgegen. Sie leisteten Wunder der Tapferkeit, aber sie wurden entscheidend geschlagen und am 7. August wurde Jajce, hoffentlich für immer, besetzt. Medvedkula in Jajce. Und wegen seiner interessanten geschichtlichen Vergangenheit gilt auch einer der ersten Gänge in Jajce stets dem Kastell, von dem man eine entzückende Aussicht über die ganze Gegend geniesst. Weithin nach Westen erstreckt sich unter dem senkrecht abfallenden Felssturze der unvergleichlich schöne Anblick der Seen von Jczero, die sich in Katarakten einer in den anderen stürzen, an ihren nördlichen Ufern von kahlen Felsterrassen, an den südlichen von üppig bewaldeten Gebirgen umsäumt, aus welchen die Pyramiden des Ottomal, des OStro-Brdo und bei dem letzten Wasserfall, mit alten Ruinen und kleinen Häusergruppen gekrönt, diejenigen von Zaskopolje emporragen. Letzteren gegenüber auf kahlem Felsen steht die einsame kleine Moschee von Mile. Nach Norden, jenseits des steilen Hanges, in welchen der Festungsberg abfällt, breiten sich an den beiden hohen Ufern des tief gebetteten Vrbas fruchtbare Felder aus, unter diesen am linken Ufer jenes Kraljevopolje, das in der Keglevic-Sage — wie früher erzählt — als Tanzplatz der Mädchen erwähnt wird. Näher, hart unter der Burg und neben dem zu ihr hinaufführenden Wege erhebt sich, von türkischen Friedhöfen umgeben, ein kleiner pyramidenförmiger Hügel, auf welchem einst das Sommerlustschloss der alten Könige gestanden haben soll. Hart am Wege liegen die Gräber der Familie Kulinovid, tiefer einzelne Türkenhäuser, in deren Hofraum man hinabsieht. Stromab an der rechten Seite des Vrbas ziehen sich zahlreiche Dörfer hin, meist Vakufgriinde, die von Usref-Beg der Begova-Dzamija in Sarajevo gestiftet wurden. Gegen Südosten sehen wir an der sanft abfallenden Lehne des Berges die Altstadt hingebreitet, umschlossen vom Bette des Vrbas und der Pliva und den von der Burg zu den Flüssen hinablaufenden zinnengekrönten Festungsmauern. Aus ihrer nach der Pliva absteigenden Linie erhebt sich das Banjalukaner Thor, während aus der dem Vrbas zustrebenden Mauer das Travnik-Thor mit seiner, einen mächtigen Thurm tragenden Wölbung emporragt. Im Osten aber baut sich die mächtige Pyramide des Hum auf, die des letzten bosnischen Königs Grab trug und hinter ihm, als eine leichte bläuliche Linie am fernen Horizont gezeichnet, cler Vlasic, die höchste Erhebung des bosnischen Mittellandes. Es ist ein unsagbar schöner Anblick, auch wenn er auf die Staclt fällt, die auf einem nicht allzu hohen I Iiigel aufgebaut ist, der an der Pliva-und Vrbasseite steil abfällt. Nur der an der Nordwestseite liegende Stadt-theil Volujak besitzt ein minder abwechselndes Niveau. Im Osten liegt der Stadttheil Kozluk, der sich auf den letzten Ausläufern des Humgebirges verläuft. Ueberall sieht man die türkischen Holzbauten, wie Schwalbennester an die Lehnen geklebt, baufällig und gebrechlich, dabei so malerisch, dass Tausende von Motiven ftir Künstler gefunden werden können. Und mitten aus dem Gewirr cler eigentlichen Stadt erheben sich die Spitzen der Minarets, clie neuen ziegelgedeckten europäischen Häuser, in cler Ebene das Franziskanerkloster mit seiner Kirche, — alles zusammen aus cler Vogelschau ein bezauberndes Ganzes bildend. Doch wenden wir uns dem Kastell selbst zu, das einer genauen Besichtigung werth ist. Es ist ja auch heute nicht vergessen und verlassen, es dient noch immer der kleinen Garnison als Aufenthalt. Den Grundstein zum Kastell legte, wie früher erwähnt, Herzog Hrvoja, doch hat es durch spätere Zubauten so viele Veränderungen erfahren, dass die Grundform nicht die ursprüngliche ist. Die ältesten Befestigungsanlagen waren auf die Akropole beschränkt. Heute ist diese öde, und wo früher umfangreiche Bauten standen, sind nur einige notdürftig aufgeführte Gebäude, die militärischen Zwecken dienen. Die Mauer selbst ist stellenweise und besonders an der Plivaseite in ihrer ursprünglichen Form erhalten. Ein regelmässiges, gut gearbeitetes Quaderwerk zeichnet sie aus, während die späteren Zubauten in der Ausführung minder exakt, die neueren Datums sogar roh sind. Im Grundriss zeigt clie obere Kastellmauer — ich folge hier den wissenschaftlichen Untersuchungen des Custos Dr. Truhelka — die Form eines unregelmässigen länglichen Ovals, sie ist stellenweise über 10 Meter hoch, clie vorhandenen Ueberreste deuten aber nirgends auf einen Thurmbau, welcher in früheren Zeilen der Hauptbestandteil einer Befestigung war. Nur an der Nordseite, gegen Volujak zu, befinden sich die Ueberreste einer Bastei, die aber türkischen Ursprungs ist. Zum Kastell führte von der Plivaseite ein Thor, während ein anderes in entgegengesetzter Richtung nach dem ausserhalb der Festungsmauer liegenden Stadttheile Volujak führt. Neben dem Plivathore, einige Schritte links, befinden sich die Ueberreste eines Thorbaues, welcher mit einem Wappenbilde gekrönt ist. Die Pfeiler des Thores, welches heute vermauert ist, sind an cler Aussenseite reich gegliedert und ihr Profil zeigt ein stufenförmig abfallendes System von Hohlkehlen und Rundstäben. Dasselbe Profil setzt sich ohne Zwischenglied am flachen Bogen, der clie beiden Pfeiler verbindet, fort. Oberhalb des Portals ist ein von gezackten Bogen-schnitten umrahmtes, durch zwei kleine Säulen in drei Theile getheiltes Feld, wovon das mittlere mit einem Wappenbilde verziert ist. Vor diesem Thore befand sich früher ein viereckiger kleiner Vorbau, der abgetragen, wurde und wovon nur noch die Grundmauern sichtbar sind. Es wurde vielfach behauptet, class dieser Vorbau eine Kapelle gewesen und dass unter jenem Wappen das Grabmal eines bosnischen Königs — Tvrtko I. — sich befand, eine Meinung, die nicht mehr stichhaltig erscheint. Die ganze Anlage des Vorbaues, soviel davon ersichtlich ist, zeigt mit einem Kapellenbaue keine Aehnlichkeit. Der Vorbau stammt entschieden erst aus der türkischen Epoche, wofür das rohe Quaderwerk deutlich spricht, und dass er stockhoch aufgeführt war, — was bei einer Kapelle kaum cler Fall sein dürfte — dafür spricht cler oberhalb cler Thorbekrönung deutlich sichtbare Mörtelverputz des oberen Traktes mit clen darin befindlichen Balkenspuren. Dass dies nicht Tvrtko's Denkmal sei, folgt schon daraus, dass dieser König 1391 starb, während Jajce erst zu Anfang des 15. Jahrhunderts durch Hrvoja gegründet wurde. Wir haben hier unzweifelhaft einen Thorbau vor uns, welchem die Türken später einen Vorbau anfügten, der als Wachthaus diente. Später wurde er abgebrochen, die Thoröffnung vermauert und einige Schritte daneben, nach rechts, wurde ein anderes Kastellthor — das noch heute bestehende Plivathor — gebaut. Das Wappen am Thore zeigt eine dreizackige Lilienkrone; es ist von einem Helme gekrönt, auf dem sich dieselbe Krone befindet. Der dem Helme als Agraffe dienende Lilienbusch und der längs des Wappens herabfallende Wappenmantel sind plump ausgeführt und clie Stilisirung des Faltenwurfes ist roh. Dieses Wappen wird für dasjenige Tvrtko's gehalten, was aber nicht stichhaltig ist. Die Lilienkrone ist das Wappenbild, dessen sich alle Könige Bosniens bedienten, es wurde nur durch einzelne Zuthaten moclifizirt. So finden wir z. B. auf den Münzen Tvrtko's I. unter cler Lilienkrone regelmässig den Buchstaben T, nie aber die Krone allein, — ein Anhaltspunkt dafür, dass sich Tvrtko der Krone mit seinem Initiale als Wappenbild bediente. Nur auf einer Münze des Königs Thomas steht im Wappenfelde die Krone allein, während dies auf den meisten Münzen Toma&evic's der Fall ist, bei denen sich nur auf einigen unter der Lilienkrone eine Perle befindet. Nachdem König Thomas selten oder nie in Jajce weilte, während Stefan Toma&evic hier seine Residenz aufschlug, glauben wir nicht fehlzugehen, wenn ihm das obige Wappen zugeschrieben wird. Eine der ältesten Zubauten zum Kastell ist der um ein Beträchtliches tiefer gelegene runde Thurm an der Südseite, von welchem heute nur ein Stockwerk erhalten ist. Er ist auf einem Abgrund roh aufgebaut, von massivem Mauerwerk umschlossen. Dieser Thurm war es, den Mathias Corvinus zuerst in seine Gewalt bekam und von welchem aus er seine Belagerungsoperationen leitete. Von diesem Thurme stürzten der Türke und der Ungar (vergl. die geschichtliche Uebersicht) bei dem Kampfe um das Festungsbanner in den Abgrund. Später wurde der Thurm als Kerker benutzt und der Volksmund bezeichnet ihn noch heute als Kerkerthurm (Hapsahana). Ein anderer späterer Zubau ist der einige hundert Schritte in gleicher Höhe mit dem vorigen stehende Uhrthurm (Sahat-kula), ein viereckiger roher Bau, von dem ein Stockwerk noch erhalten ist und unter dem sich ein Durchgang befand. Beide Thürme waren untereinander und mit dem Kastell durch Mauern, deren Ueberreste in den Häusergruppen heute nur noch schwer sichtbar sind, verbunden. Hier, wo der Uhrthurm und das Haus des Sulejman Beg Dzabic stehen, befand sich früher der königliche Palast, ein Bau, über dessen architektonischen Stil zahlreiche in den Kastellmauern eingemauerte Ueberreste Aufschluss geben. Dieselben sind schöne, stilvoll und sorgfältig ausgeführte Details in venetianischer Gothik, wie sie zu Ende des 14. Jahrhunderts in Blüthe stand. Wenn man diese Fragmente betrachtet, glaubt man unwillkürlich, sie einmal früher an irgend einem Palaste Venedigs gesehen zu haben. Nach ihnen zu schliessen, war der Königspalast für bosnische Zustände ein Monumentalbau. Unter diesen Fragmenten sind hervorzuheben: zwei gothische, schön gearbeitete Kapitäle mit Akanthus-Motiv und Rosetten an dem geschweiften Abacus. Dieselben befinden sich dicht nebeneinander auf einem schön profilirten Gesimsstück, mit plastisch ausgeführtem gedrehten Seilmotiv und Zahnschnitten darunter und sind in clie Plivamauer rechts vom Thore in ziemlicher Höhe eingemauert. Ein ähnliches Gesimsstück ist gleich daneben und ein anderes einige Schritte nach rechts vertikal eingemauert. Am Kastell, in den Pulverthurm eingemauert, befindet sich clas Fragment eines Arkadensockels. Die Profile der beiden Gurtbogen-Ansätze sind schön gegliedert und oben mit einer doppelten, schachbrettförmig abwechselnden Zahnschnittreihe verziert. Zwischen den Bogen befindet sich eine durchbrochene Rosette, wie sie an den Arkaden venetianischer Palastbauten häufig zu sehen sind und beiderseits davon je ein kleiner, erhaben gemeisselter Stern. Oberhalb der Thür des Pulvermagazins befinden sich noch zwei sorgfältig ausgeführte Kapitäle und unweit davon eine Pfeilerverkröpfung mit Kapitälen, welche ein ähnliches Motiv aufweisen. Schliesslich befindet sich in den Treppen, welche zur obersten Terrasse am Kastell führen, das Fragment eines schön profilirten Sockelstückes einer Wand. Aus diesen Ueberresten Hesse sich mit einiger Mühe das dekorative architektonische Motiv des Palastes rekonstruiren, aber clie Form und der Umfang desselben bleiben ein Geheimniss, da die Grundrissform in Folge Luit asthur in in Jajce. späterer Bauten gänzlich verwischt wurde und nur noch die Tradition die Stelle bezeichnet, wo der Palast stand. Die Türken begnügten sich nicht mit der oben angeführten Erweiterung der Befestigungen von Jajce, sie dehnten diese aus, ohne dass dadurch zur Sicherheit der Stadt mehr beigetragen wurde. Einerseits wurde vom runden Tluirme eine Mauer längs der steilen Felswand an der Plivaseite gezogen, andererseits wurde eine Mauer von der Bastei in nahezu paralleler Richtung mit der Ersteren aufgeführt und beide führten zum Vrbas, dessen linkes Ufer schroffe Kalktuffwände unzugänglich machen. So wurde auch derjenige Stadttheil, welcher sich über clie zwischen dem Yrbas und der Pliva Hegende Landzunge erstreckt, in den Festungsring eingezogen. Diese Mauer besitzt zwei Portal-thürme, die eine ziemlich breite, unregelmässige Strasse, die gegenwärtige Franz-Josefstrasse, verbindet. Aber Jajce nennt sich auch eine Stadt des Evangelisten Lukas! Nach cler Kirchengeschichte soll der Evangelist zwar in Theben in Böotien gestorben und sein Leichnam auf Befehl des byzantinischen KaisersKonstantin nach Konstantinopel überführt worden sein, aber clie Lokaltradition von Jajce weiss es besser, der heil. Lukas lebte und malte in Jajce, hier starb er und sein Leichnam wurde an die Venetianer verkauft. Hundert Schritte unterhalb cles Kerkerthurmes steht ein echt italienischer Campanile, der zu einer Kirche gehört haben muss. Diese Kirche, St. Lucas genannt, wurde nach der Eroberung von Jajce von den Türken in eine Moschee umgewandelt, aber nach einem Brande verlassen. Heute sind nur noch die kahlen Wände sichtbar und der Thurm selbst zeigt mancherlei Sprünge. Vier hohe massive, mit je einem schmalen länglichen Fenster versehene Wände dienen ihm als Unterbau und auf diesem sind drei Stockwerke aufgeführt. Die Fenster der einzelnen Stockwerke sind auf jeder Seite durch je zwei mit Bögen verbundene Doppelsäulen in drei Theile getheilt, in den unteren Etagen gut erhalten, während sie in den oberen vermauert sind. In clie innere Kirchenmauer ist ein altchristlicher Grabstein eingemauert, welcher, cler plastischen Ausführung nach dem Verfalle römischer Kunst angehörend, den symbolischen Motiven zufolge cler frühesten Zeit des Christenthums angehört. Die Platte ist mit einem Rahmen verziert, dessen Hauptmotiv das auf den altchristlichen Skulpturen so häufig vorkommende Traubenmotiv ist. In diesen Rahmen ist oben eine runde Brotscheibe, unten ein Weinkrug eingemeisselt, während sich in der Mitte zwei einfache Rosetten befinden. Die Sage erzählt von der Lukaskirche: Die Kirche erhielt ihren Namen von den Ueberresten des Evangelisten Lukas, welche dem Könige Stefan Tomafevic von seiner Gemahlin Mara, der Tochter des serbischen Despoten, als Mitgift zugebracht und hier aufbewahrt wurden. Das klingt schon annehmbarer, als dass Lukas in Jajce gelebt haben soll. Als Konstmtinopel von den Türken erstürmt wurde — so heisst es — wurden die Ueberreste des heiligen Lukas nach der Burg Rogos in das Gebiet des Herrn von S. Mauritius gebracht, ohne dass es bekannt wäre, auf welche Art. Als diese Burg von den Türken erobert wurde, kam auch die Reliquie in den Besitz der Islamiten, die sie mit ehrfurchtsvoller Scheu verehrten. Als cler Despot Georg Brankovic von seinem Ahnen erfuhr, dass die Türken im Besitz dieser kostbaren Reliquie seien, bot er ihnen dafür 30000 Dukaten an und als das Angebot angenommen wurde, liess er sie nach Semendria übertragen. Als König Stefan Thomas Semendria den Türken abtreten wollte, kam die Reliquie nach Telzach (?) und als sich auch dieses nicht mehr halten konnte, wurde sie nach Jajce übertragen. Dies sind die Daten, welche der Herzog von Spalato, Andreas Veniero, im Auftrag der Republik Venedig am 15. September 1463 dem Dogen berichten konnte, und als seine Gewährsleute erwähnt er die Königin von Bosnien, Nikola Civatovic, Jovan Babic und Jovan Kucic. Als im Jahre 1463 das Türkenheer gegen Jajce zog und der König flüchtete, suchte Jeder zu retten, was zu retten war und die Franziskaner bemächtigten sich des heiligen Leichnams, um ihn nach Rugus-a 211 bringen. Als sie ihn aber auf einem Pferde des Klesic über die Grenze führen wollten, wurden sie daran vcn dem der Königin Mara zugethanen Vojvoden Ivanis Vlatkcvic gehindert. Die Ragusaner glaubten sich durch diese Reliquie ein Palladium zu erwerben, welches sie vor Türkeneinfällen schützen würde und obwohl sich dasselbe bei Jajce nicht bewährt hatte, war ihnen viel daran gelegen, es zu erhalten. Am 13. Juli 1463 liess der Rath von Ragusa an Ivanis ein Schreiben ergehen, worin derselbe ersucht wurde, die Reliquie passiren zu lassen und zugleich wurde der Gesandte Nikola Marin Gundulic betraut, mit Ivanis mündlich Rücksprache zu nehmen. Letzterer erblickte in dem Betragen der Franziskaner bei dieser Angelegenheit eine Eigenmächtigkeit, denn die Reliquie war Krons- und nicht Kircheneigenthum und stand das Verfügungsrecht darüber nur dem Könige und nach seinem Tode der Königin Mara zu. Er nahm sie auch in Beschlag und liess sie auf Auftrag der Königin nach Venedig bringen, wo sie der Republik zum Kauf angeboten wurde. Der Rath fand die Reliquie nicht preiswürdig und verhielt sich ablehnend. Sie wurde in das Kloster Santa Justina nach Padua gebracht und die dortigen Franziskaner sollen, über die Echtheit befragt, diese in Zweifel gezogen haben, obwohl der Kardinal von Nicäa, Bessarion, für sie einstand und den Glauben, welchen die Bosnier in die Reliquie setzten, mit Beweisgründen unterstützte. Hierauf beauftragte der Doge Christoforo Moro den Herzog von Spalato, Veniero, über die Echtheit Erkundigungen einzuziehen. Königin Mara führte ein drastisches, wenn auch nicht schlagendes Argument dafür auf und schreibt an Ivanis Vlatkovic: »Che '1 signor despoth Zeorzi ed signor despoth Lazaro 11011 ze stadi tal inteletto, che havesse dato tanti ducati 11011 sapiando di certo: utrum fosse s. Luca o no.« (Der Herr Despot Georg und der Herr Despot Lazur waren wohl zu vernünftig, als dass sie so viele Dukaten hergegeben hätten, ohne genau zu wissen, ob es der heilige Lukas sei oder nicht.) Die Gleichgiltigkeit, welche die Republik in dieser Angelegenheit zur Schau trug, veranlasste die darüber erbitterte Königin, Ivanis zu beauftragen, den Handel abzubrechen und die Reliquie ihr zu überbringen. Ihre Erbitterung über die Vene-tianer zeigt sie sehr deutlich in den Worten, womit sie ihren Brief schliesst: »Obwohl ich die Italiener nicht so gut kenne als Ihr, so kann ich doch behaupten, die Signorie sei wohl gross und klug, aber sehr geizig, obwohl reich.« Hierbei leitete Mara gleichwohl ein anderes Motiv, denn sie fand in dem König Mathias von Ungarn einen Käufer für die Reliquie, welcher ihr drei oder vier Kastelle dafür »in perpetuum« zusagte. Als die Venetianer von diesem Konkurrenten erfuhren, wollten sie ihm wohl nicht nachgeben und schienen sich zum Ankauf der Reliquie geneigter zu zeigen. Darüber jedoch, ob und zu welchem Preise sie schliesslich veräussert wurde, ist nichts bekannt. Nur wird sie noch heute in der Basilika San Marco in Venedig gezeigt und neben einem eigenhändig von Lukas gemalten Bilde der Madonna verehrt. Jedenfalls ist dieser Heiligenschacher ein recht erbauliches Sittenbild aus der Zeit der Türkenkriege. Nicht weit vom Lukasthurm und unmittelbar am Sockel der Felsenpartie, welche das Kastell von Jajce trägt, befindet sich, halb versteckt unter Gebüsch, eine Oeffnung, die über einige Stufen zu einer der originellsten Bauten in Bosnien, zu einem Felsentempel führt. Oberst Gustav Bancalari hat im Jahre 1887 in der Wiener »Deutschen Rundschau für Geographie und Statistik« zuerst die »Katakomben von Jajce« eingehender beschrieben und nach den Plänen des damaligen k. k. Majors Reis vom Geniestabe einen Plan derselben veröffentlicht. Seither sind nähere Untersuchungen im amtlichen Aultrage von Dr. Truhelka erfolgt*) und ihnen folgen wir im Wesentlichen bei der nachstehenden Schilderung. *) »Die Katakomben von Jajce«, Wissenschaftliche Mittheilungen aus Bosnien und der Hercegovina, 2. Band, S. 94—107. (Wien, 1894.) Die Erlaubniss zum Besuche der Katakomben, die man lange für die unterirdischen Grüfte der bosnischen Könige hielt, erhält man bei der Bezirksbehörde. Ein Wächter leitet den Fremden. Sobald man einige Stufen abvvärts gestiegen, tritt man durch eine kleine eiserne Thür in den engen Vorraum des unterirdischen Gotteshauses (denn ein solches ist es), von welchem eine weitere Thür in die Innenräume führt. Schwarz sind die Wände, dadurch allerdings den düsteren Eindruck einer Tocltenherberge hervorrufend. Der ganze Bau ist mit vieler Mühe in die Felsen gehauen. Die einheimische Bevölkerung nennt ihn keineswegs »Katakomben«, mit denen er auch nur die unterirdische Lage und das Material gemeinsam hat, sondern mit dem türkischen Worte »halvat« — Einsiedeleien, Klausuren. Die bekannten Katakomben von Rom, Neapel etc. sind Netze von engen, verschlungenen, vielfach verzweigten, viele Kilometer weit fortlaufenden Gängen, die sich nur stellenweise zu kleineren Hallen erweitern, während wir in den Katakomben von Jajce eine nach einem einheitlichen architektonischen Plane ausgeführte Baulichkeit, ein christliches Gotteshaus mit allem Zubehör erkennen. Einigermaassen erinnert es an die alten indischen Tempel, die ebenfalls in Felsen ausgehöhlt wurden. Eigenthümlich ist nur die Erscheinung, dass dieses Baues, zu dessen Herstellung ein gut Stück Arbeit aufgewendet worden sein mag, in gar keiner älteren geschichtlichen Aufzeichnung Erwähnung gethan wird und dass clie Ueberlieferung über clie Entstehung dieses Denkmales im Laufe der Zeiten vollständig verloren ging. Wenn wir die »Katakomben« auch noch so eingehend besichtigen, so bietet sich uns doch kein Fingerzeig, welcher es ermöglichen würde, clie Entstehung derselben mit einiger Sicherheit der einen oder cler anderen Kulturepoche zuzuschreiben und clie Zeit ihrer Gründung auch nur annähernd festzustellen. Am empfindlichsten macht sich in dieser Hinsicht der gänzliche Mangel an ornamentaler Ausschmückung und architektonischen Details, wie Säulen, Kapitälen u. s. w. fühlbar. Wir sind daher gezwungen, unsere ganze Aufmerksamkeit dem Anlageplan zuzuwenden, der aber gleichfalls zahlreiche Widersprüche aufweist. Die unterirdische Anlage in dem Felsen würde auf clie erste Zeit des Christenthums als Entstehungszeit hinweisen, als dieses noch gezwungen war, im Schoosse der Erde vor Verfolgungen Schutz zu suchen, während die Einzelanlage des Baues, seine Eintheilung und Gliederung, clie Art cler Ausführung und insbesondere die unter dem Hauptbaue angebrachte Krypta, auf das Zeitalter des romanischen Stiles, also auf eine frühere Periode des Mittelalters deuten und endlich in den Gewölben auch rein gothische Formen gefunden werden, welche erwiesenermaassen erst gegen den Ausgang cles Mittelalters zur allgemeinen Anwendung gelangt sind. Diese gothischen Motive — die in eine Spitze auslaufenden Wölbungen — sind übrigens im vorliegenden Pralle für die Altersbestimmung belanglos, weil bekanntermaassen der Spitzbogen, den wir schon bei den alten babylonischen Baudenkmälern und in abgeänderter Form auch in Mykenae finden, viel älteren Ursprungs ist, als der Rundbogen. Nur die Konstruktion des Spitzbogens, wie wir sie an rein gothischen Baudenkmälern finden, könnte einen Anhaltspunkt liefern. In dem vorliegenden Falle aber ist es schwer, Motiv und Konstruktion auseinander zu halten, weil die Wölbungen nicht durch regelmässiges Aneinanderfügen von Stein zu Stein hergestellt, sondern aus einem einzigen riesigen Felsblocke ausgehauen sind. Die Regelmässigkeit dieser Bogen und die wohlüberlegte Anwendung derselben führen zu der Ansicht, dass wir in diesen Formen eine Anlehnung an eine länger dauernde bauliche Tradition zu suchen haben. Die Unsicherheit und Unvollständigkeit aller urkundlichen Denkmäler war Ursache, dass es bisher Niemand wagte, sich ein Urtheil über die Entstehungszeit dieses Baues zu bilden. Da wurden vor einigen Jahren unter einer im Verlaufe der Zeit geschwärzten und vom Felsen kaum zu unterscheidenden Kalkschicht verdeckte Skulpturen gefunden. Unmittelbar an der Thür zeigen sich die Umrisse einer menschlichen Gestalt, deren Füsse schon unter das Niveau des Fussbodens fallen. In der Rechten hält diese Figur eine Lanze, in der Linken den Knauf eines mächtigen Schwertes. Gegenüber dieser Figur, an der linken Seite der Thür, ist eine heraldische Darstellung angebracht. Dieselbe zeigt einen grossen Helm von der zu Ende des 14. und zu Anfang des 15. Jahrhunderts üblichen Form, auf dessen Kamm sich ein Schild befindet, von welchem ein Wappenmantel niederwallt. Oberhalb des Schildes ist ein Arm dargestellt, der ein grosses Schwert schwingt. Die ganze Komposition wird von einer klaffenden Spalte durchschnitten, die mit Steinen und Kalk ausgefüllt war. Dieses Wappen war vom Künstler erst begonnen und nur in seinen Umrissen angedeutet; denn offenbar musste er die Arbeit abbrechen, ehe es ihm vergönnt war, dieselbe zu plastischer Vollendung zu bringen. Die einzige hervorragende Persönlichkeit in der Geschichte Bosniens, welche den schwertbewehrten Arm im Wappen führt, ist der Grossvojvode von Bosnien und Herzog von Spalato, Hrvoja. Auf der rechten Seite der Thür findet sich die Ergänzung. Hier hatte der Künstler gleichfalls eine Komposition begonnen, eine weibliche Gestalt, welche in der Linken eine Lilie, das zweite Sinnbild Hrvoja's, hält. Die Auffindung dieses Wappens hat Licht gebracht in das Dunkel, welches bisher über die Entstehungszeit der Katakomben herrschte, denn nun können wir mit voller Sicherheit Hrvoja als deren Gründer annehmen. Aus der Geschichte wissen wir, dass V die Zupa Dolnji Kraj (Unterland), in welcher Jajce lag, Hrvoja unterthan war, der schon im Jahre 1404 den Titel »Vojvoda dolnjih kraj« führte; ebenso ist bekannt, dass Hrvoja nach seiner Entzweiung mit dem bosnischen Könige Ostoja und nach seinem Anschlüsse an König Sigismund von Ungarn von diesem im Jahre 1411 im Besitze des Unterlandes bestätigt wurde. In diesem letzteren Jahre weilte Hrvoja in Jajge, wahrscheinlich um den A11-schluss an das ungarische Heer, das bosna-aufwärts gegen Ostoja im Anzüge war, abzuwarten. Am 27. April 1411 erliess Hrvoja von Jajce aus den Aufruf an seine Spalatiner, sich von Ostoja loszusagen, und am 2. März 1412 fertigte er zu Jajce die Schenkungsurkunde, welche der Königin Katharina clas ihm vom Ragusaner Rath geschenkte Haus überträgt. Es wird nun keineswegs angenommen, dass Hrvoja, der in Spalato so viele künstlerisch ausgeführte Gebäude kennen gelernt, sich mit cler Absicht getragen habe, in diesen Katakomben sich ein originelles Denkmal zu errichten. Eine derartige vorchristliche Idee wäre in einer Epoche, in welcher sich schon clie Renaissance an cler dalmatinischen Küste bemerkbar machte, nicht am Platze gewesen. Viel mehr Wahrscheinlichkeit hat die Annahme, dass sich hier einst eine natürliche Höhle befand, welche zur Kirche umgestaltet worden war und sodann von PIrvoja während seines Aufenthaltes in Jajce erweitert und verschönert wurde, wodurch die Katakomben ihre gegenwärtige Gestalt erhielten. Ueber den Zweck dieses Tempels klären uns die theils fertiggestellten, theils begonnenen Sarkophage in den Wänden und vor allem die unter der Kirche selbst befindliche Krypta auf. Wahrscheinlich beabsichtigte Hrvoja, hier eine letzte Ruhestätte für sich und seine Familie anzulegen. Die Ueberlieferung sagt, dass hier die Gruft der bosnischen Könige sei; wir aber wissen, dass von den alten bosnischen Königen, mit Ausnahme cles letzten derselben, kein einziger in Jajce starb. Ostoja war der Todfeind Hrvoja's, König Thomas fiel durch Mörderhand auf dem Bilajsko Polje und Stefan TomaSeviö gönnte das Schicksal nicht einmal ein christliches Begräbniss; erst 1888 fand er eine Ruhestätte in Jajce selbst! Im Uebrigen blieb der Bau unvollendet und von seinen Schicksalen ist wenig bekannt. Die Bewohner von Jajce sagen, dass er einst als Kerker gedient habe; zur Zeit der Feldzüge Omer Paschas flüchteten die Weiber und Kinder hierher vor den Schrecken cles Kampfes und zur Zeit des Einmarsches der k. k. Truppen hatte in ihnen ein findiger Mohammedaner einen Bierkeller errichtet. Erst die jüngste Zeit hat die Aufmerksamkeit auf dieses ehrwürdige Denkmal cler bosnischen Vergangenheit gelenkt, welches jetzt, gereinigt und in Stand erhalten, für clie Fremden eine der bemerkenswerthesten Sehenswürdigkeiten bietet. Die Eintheilung cles Baues entspricht vollständig derjenigen aller älteren Kirchen romanischen Stils. Ihre Hauptbestandteile sind der Narthex (Vorhalle), das Baptisterium mit dem Taufbecken und die eigentliche Kirche, welche in Kreuzesform von dem Sanctuarium oder Presbyterium überquert wird, und schliesslich der Altar. Der Narthex ist ein schmaler Raum von 2,iS Meter Breite und 5,50 Meter Länge, nach oben durch ein Tonnengewölbe abgeschlossen, ohne irgend welche architektonische Ausschmückung. Nur zur rechten und zur linken Seite der zur Kirche führenden Thür sind die beiden oben beschriebenen Wappenbilder eingehauen. Dieser Raum ist nicht ausschliesslich aus dem Felsen ausgehauen, sondern es wurden an zwei Seiten zur Ergänzung der Umfassung Steinmauern aufgeführt. Eine enge, niedrige Thür, die oben durch einen Rundbogen abgeschlossen ist, führt durch eine dicke Wand in die Kirche, deren vorderer Theil sich beiderseits erweitert und mit zwei zur rechten und linken Seite angebrachten überwölbten Nischen abschliesst. In der rechten Ecke neben dem Eingange befindet sich eine aus dem Felsen gehauene Bank, welche drei muldenförmige, offenbar zur Aufnahme der Gefässe für das geweihte Wasser bestimmte Vertiefungen zeigt. Dieses Baptisterium ist 7,50 Meter, beziehungsweise bis zum Grunde der seitlichen Nischen 9,50 Meter breit und 2,05 Meter lang. Das HauptschiiT der Kirche, welches sich an das Baptisterium anschliesst, ist schmäler und verhältnissmässig kurz gehalten. (2,80x4,60 Meter.} Linker und rechter Hand ist in den Wänden des Hauptschiffes je ein niedriges Rundgewölbe von 1,20 Meter Tiefe ausgehauen, dessen hintere Wand mit einem in den Felsen eingeschnittenen Doppelkreuze geziert ist, welches zu beiden Seiten von Sonne und Mond ilankirt wird. Diese beiden Rundbogen umspannen je einen Sarkophag (Grüfte), und zwar ist der links befindliche zur vollen Tiefe von 2 Meter ausgehöhlt, während der rechte erst begonnen und nur etwa 10 Centimeter tief ausgehauen erscheint. Diese beiden Grüfte nehmen beinahe die ganze Länge der Seitenwände des Hauptschiffes ein, welches sich gegen das Presbyterium zu bedeutend erweitert. Die beiden Seitenwände endigen gegen das Presbyterium zu in Eckpfeilern, die durch ihre bedeutende Zurückstellung die Erweiterung des Hauptschiffes bilden. Das schmale, aber lange Presbyterium (2,94X10,66 Meter) überquert das Hauptschiff wie die Arme den Stamm eines Kreuzes. Auf der linken Seite des Sanctuariums ist in der gegen das Kirchenschiff gelegenen Seitenwand eine kleine niedrige Thür angebracht, welche durch einen kurzen engen Gang den Eintritt in einen kleinen Raum von 2 Meter Länge und 1 Meter Breite gestattet. Der noch die Spuren der Vertiefungsarbeit zeigende Boden dieses Raumes weist darauf hin, dass hier ebenfalls eine Gruft ausgehöhlt werden sollte. Symmetrisch mit dieser war an der rechten Seite des Sanctuariums eine zweite Grabkammer geplant, deren Eingang jedoch nur in seinen Umrissen angedeutet und nur ganz seicht ausgearbeitet ist. Den Hintergrund der Kirche nimmt der breite, aber niedrige Altar ein. Die weite und tiefe Apsis, in welcher der Opfertisch aufgestellt werden sollte, ist durch einen gothischen Spitzbogen überwölbt und zu beiden Seiten des Altars zeigen sich dem Beschauer zwei ähnliche, aber kleinere Spitzbogen. Die beiden durch diese Bogen überspannten Kämmerchen waren offenbar nicht zur Aufstellung von Altären bestimmt, sondern dienten höheren geistlichen Würdenträgern, welche den heiligen Handlungen etwa beiwohnten, als Aufenthaltsort. Die rechte dieser beiden Kammern ist fertig, während die linke nur aus dem Gröbsten herausgearbeitet erscheint. An der linken Abschlusswand des Sanctuariums finden wir abermals eine Nische, gleich den Nischen im Baptisterium, welche durch einen niedrigen Rundbogen überwölbt und in deren Hinterwand ein kleiner Spitzbogen ausgehauen ist. An der rechten Steinwand des Baptisteriums ist der Beginn der Arbeit zur Herstellung einer gleichen Nische zu erkennen. Zu beiden Seiten des Altars zeigt sich ein enger Gang ausgehöhlt, welcher etwas um den Altar umbiegt und sodann nicht weiter fortgesetzt wurde. Zweifellos bestand die Absicht, mit diesem Gange den Altar zu umgreifen und hier, wie wir es in allen Kirchen romanischen Stils finden, den den Altar umgürtenden Chor aufzustellen. Im Grunde dieses Chores wäre sodann noch eine den Abschluss der Kirche bildende halbkreisförmige Concha anzubringen gewesen. Wie aus dieser kurzen Beschreibung hervorgeht, ist die Kirche unvollendet geblieben und nicht einmal der Anlageplan vollständig durchgeführt worden. Wenige Schritte vom Eingange in die eigentliche Kirche stossen wir auf eine im Boden derselben, beinahe in dessen Mitte ausgehobene länglich-rechteckige Oeffnung, in welcher einige steile Stufen hinabführen, über die man in die unter der Kirche gelegene Krypta gelangt. Diese Krypta ist ein enger, niedriger Raum von 3,92 Meter Länge und 4,22 Meter Breite, dessen Decke unregelmässig ausgehauen ist und welcher eine' Höhe von 1,90 Meter bis 2,20 Meter besitzt. Die Mitte dieses Raumes nimmt ein grosser, aus dem Felsen ausgehauener und unten wie oben mit dem Gestein verwachsener Altar ein. In der Platte, welche den Opfertisch dieses Altars mit der Decke verbindet, finden wir das Doppelkreuz mit Sonne und Mond, Symbole des Todten-kultus, denen wir schon in der oberen Kirche über der Gruft begegnet sind. Die Krypta bildete eine Hauptzier der Kirche, im Mittelalter wurden die Todtenceremonien an diesem Ort vollzogen. Schon in der Kirche selbst wird der Aufenthalt durch die dort herrschende, drückende, feuchtmodrige Luft unangenehm, in der Krypta vollends ist ein längeres Verweilen in Folge der beklemmenden Atmosphäre unmöglich. Vom künstlerischen Standpunkte bietet diese Kirche nichts Bemerkenswertes, weil ihr jedwede Ausschmückung fehlt. Die Finsterniss, die in diesen Räumen herrscht, der Qualm der Fackeln und Kerzen, mit denen wir unseren Weg erleuchten, die drückende, athem-benehmende Luft verursachen ein beängstigendes Gefühl, welches in der allerdings unbegründeten Befürchtung, die über uns befindliche Bergeslast könne sich senken, seinen Ausdruck findet. Aber gerade derartige schaurige Eindrücke waren es einstens, die man von einem dem Tode und der ewigen Ruhe geweihten Tempel wünschte. Jeder nicht ganz und gar dem Realismus verfallene gebildete Mensch wird diesen Bau mit Ehrfurcht betrachten. Und wenn auch die vielen romantischen Sagen von den in diesen Räumen in Kerkernacht Verschmachteten, von den vor den wütenden Verfolgungen Andersgläubiger hier Schutz suchenden Christen und von den zur ewigen Ruhe bestatteten bosnischen Königen und Helden, welche in der Erinnerung beim Betreten dieser Hallen stets neu belebt werden, des historischen Hintergrundes zum grossen Theile entbehren, so bleibt dieser Bau doch immerhin ein bemerkenswertes Denkmal der bosnischen Vergangenheit. Jajee und Umgegend in der Gegenwart. Und so schreiten wir aus der Nacht zum Licht, von der christlichen Kirche des Alterthums zu derjenigen des heutigen Zeitalters. Es ist Sonntag und trotz herrschenden Regenwetters, welches die Strassen der Stadt in eine grosse Pfütze verwandelt, ist viel Landbevölkerung anwesend, die Einkäufe besorgt, aber auch dem Gottesdienste anwohnen will. Die Stadt Jajce selbst zählt unter 3929 Bewohnern (nach der Volkszählung von 11895) 1982 Katholiken gegenüber 1644 Mohammedanern, 245 Orthodoxen und 57 Israeliten. Die Dörfer der Umgebung sind gleichfalls vielfach katholisch, darum konnte sich hier der katholische Gottesdienst durch die Franziskaner v stets mächtig erhalten. Durch die Carsija folgen wir daher dem Zuge der Leute in die neugebautc Franziskanerkirche, die mit dem Kloster zusammen einen grossen Komplex bildet. Durch eine Menge schmaler Gässchen, stets auf ausgetretenen Stufen, steigen wir in die Tiefe, bis wir endlich die Ebene erreichen, wo beide Gebäude liegen. Die sehr geräumige hohe Kirche, die nur wenige Sitzbänke zeigt, ist ziemlich schmucklos, die Malereien erinnern stark an die Türkei, aber noch viel mehr die anwesenden Gläubigen. Man könnte sich in eine Moschee versetzt glauben. Ausser uns ist nur noch eine Frau in europäischer Kleidung anwesend, sonst durchweg Leute in Landestracht und mindestens drei Viertel davon Bauern. Sie kauern, knieen oder sitzen mit gekreuzten Beinen auf dem blossen Steinboden cler Kirche, einige haben einen Teppich, andere eine Jacke, dritte eine Torba (Einkaufstasche) untergelegt; alle aber haben die Kopfbedeckung (durchweg der rothe Turban oder Calma, das Abzeichen meist der katholischen Bauern) abgenommen, und da bietet sich freilich ein sonderbarer Anblick. Fast alle Köpfe sind rasirt wie bei den Mohammedanern, nur in cler Mitte ist ein langer Strähn Haare stehen gelassen, der wirr in den Nacken fällt, oft aber auch regelrecht als Zopf geflochten ist. Es ist eine Verquickung zwischen der Türkei und China! Noch ähnlicher wird der Vergleich mit dem Mohammedanismus, als der Geistliche bei der Wandlung die Monstranz erhebt und alle Gläubigen mit der Stirn direkt den Boden berühren, beim Segen aber die Hände in die Höhe strecken und mit ausgespreizten Fingern hinter die Ohren fahren, ganz wie der Gläubige in der Džamija. Augenscheinlich ist diese Gewohnheit noch aus der Zeit der türkischen Herrschaft zurückgeblieben. Vor dem Altare aber stand ein Franziskaner in mittleren Jahren, eine kräftige, sympathische Erscheinung, der eine flammende Rede über das Festhalten am Glauben, über die Vorzüge des Katholicismus hielt. Es hätte sich so Manches gegen die Argumentation, gegen die zu starke Betonung des allein seligmachenden Glaubens in einem religiös gemischten Lande einwenden lassen, und unter türkischer Zeit wäre diese Rede sicherlich nicht gehalten worden, aber sie war interessant, auch durch die Art des Vortrages, die mächtige Stimme des Franziskaners und die flammende Begeisterung, die aus seinen Worten sprach. Als der Gottesdienst beendet, suchte ich den Pater auf, um clie Erlaubniss ersuchend, den Sarg cles Königs Stefan Tomaševic besichtigen zu dürfen. lir empfing mich an cler Thür der Sakristei mit kräftigem Händedruck wie einen alten Bekannten und er freute sich, als ich ihm meinen Beifall über seinen schönen Vortrag aussprach. Der letzte König von Bosnien hat seine Ruhestätte, seit er dem Steingrabe am Hum entrissen wurde, an cler rechten Wand der Kirche, mitten im. Hauptschiff gefunden. Auf einem erhöhten Katafalk ruht der hingerichtete König Stefan in einem gläsernen Sarge. Das Skelett ist wieder zusammengefügt, auch den Kopf hat man wieder an seine richtige Stelle gebracht. Eine Inschrift in der Landessprache nennt Namen, Todesjahr und den Auffindungstag, im Juni 1888. Eine Decke in schwarzgelben Farben bedeckt gewöhnlich Sarg und Skelett. Als wir aber aus der Kirche traten, sahen wir wieder ein Stück kirchlichen Mittelalters. An der Kirchthür kniete ein hübsches, frisches Landmädchen, blutroth vor Scham und bitterlich weinend. Sie war mir schon früher aufgefallen, aber erst jetzt gelangte ich zur Erkenntniss, dass sie einen Fehltritt begangen, dass sie Kirchenbusse thun musste, offen an der Kirchthür, den Blicken aller Ein- und Austretenden preisgegeben. Diese Stellung an den Pranger verwischte den guten Eindruck, den ich sonst von den Franziskanern in Jajce empfangen hatte und ich wünschte nichts sehnlicher, als dass die Behörde solche Strafen verbieten möchte. Ich erwähnte vorhin die türkische Haartracht der Katholiken. Es ist aber noch eine sehr bemerkenswerthe Erscheinung bei diesen, die man beobachten kann, wenn man sich nach dem Gottesdienste unter die Gruppen der Frauen und Mädchen mischt. Alle sind nämlich tätowirt, meist an der (grossentheils offen getragenen) Brust, an Vorderarmen, Händen und manchmal sogar an der Stirn. In Jajce war dies besonders auffällig, wo fast keine der weiblichen Kirchgängerinnen dieses sonderbaren blauen Schmuckes entbehrte. Wie der Kreisarzt Dr. Leopold Glück in Sarajevo im »Glasnik« mittheilt, ist die Tätowirung der Katholiken um so auffälliger, als sie bei den anderen Konfessionen Bosniens und der Hercegovina viel seltener, fast gar nicht vorkommt. Weder bei den Mohammedanerinnen in ¿elebic. (Bezirk Foöa), in manchen Gegenden des Narentathales und um Kulen-Vakuf, wo sich die islamitischen Frauen nicht verschleiern, noch bei anderen, die er als Arzt unverschleiert und mit entblössten Armen zu sehen Gelegenheit hatte, fand er eine Tätowirung. Auch bei den Griechisch-Orthodoxen tätowiren sich die Frauen viel seltener, als bei clen Katholiken und das auch nur in Gegenden, wo sie mit diesen vermischt wohnen. Ihre Tätowirungen sind auch nicht so ausgedehnt und bieten keine so reichen Verzierungen wie die der katholischen Frauen. Die Männer tätowiren sich viel seltener, auch da wieder vorwiegend Katholiken. Bei den Männern bildet das Kreuz das wichtigste Zeichen, aber ohne Verzierungen. Unter clen Griechisch-Orthodoxen hat der genannte Arzt Tätowirungen nur bei den jüngeren Männern gesehen, welche in der bosnischen Gendarmerie oder als Soldaten gedient haben. Doch spielt bei diesen nicht mehr das Kreuz die Hauptrolle, sondern Herz und Krone, Anker, Anfangsbuchstaben des Vor- und Zunamens, Jahreszahlen u. s. w. Selbst ein doppelköpfiger Adler fand sich bei einem gewesenenTrainsoldaten vor. Auch bei ehemals türkischen Soldaten ist in vereinzelten Fällen auf dem Oberarm ein Mejtef (mohammedanische Religionsschule) Krummsäbel oder ein Halbin Jajce. mond mit Stern zu finden. Das Tätowiren war bei den alten Slaven nicht Sitte und für die Annahme, dass dasselbe ein in seiner Form verändertes Ueberbleibsel aus cler vorchristlichen Zeit sei, finden sich weder in den Annalen der slavischen Urgeschichte irgend welche Anhaltspunkte, noch kann man bei den heutigen Slaven ausserhalb des Okkupationsgebietes, selbst unter cler Landbevölkerung, das Tätowiren in irgend einem ausgedehnten Maasse beobachten. Es dürfte demnach in Bosnien diese Sitte kaum auf die Zeit vor der osmanischen Invasion zurückgehen. Dagegen spricht schon der Umstand, dass das Tätowiren nur bei einem Theile cler trotz konfessioneller Verschiedenheit in ihren Sitten und Gebräuchen so gleichartigen Bevölkerung geübt wird. Wäre das Tätowiren ein alter Landesbrauch, so hätte es sicher eine eigene Bezeichnung. Es heisst aber im Volke lediglich »križ nabocati« (Kreuz einstechen), was wohl schon an und für sich auf einen jüngeren Ursprung der Sitte hindeutet. Dr. Glück meint nun folgende Erklärung gefunden zu haben: In der letzten Zeit des Königreiches war das Bogomilenthum zwar scheinbar durch den Katholicismus verdrängt, der letztere aber beim Volke bei Weitem noch nicht in Fleisch und Blut übergegangen. Jenes Sektenwesen hatte in Bosnien zu lange gewährt, es bildete zu lange das Glaubensbekenntniss der Mächtigen und der Armen, als dass es in einer kurzen Zeitspanne aus dem Gedächtniss und dem Herzen cles Volkes hätte schwinden können. Haben doch Viele den Katholicismus nur äusserlich und widerstrebend angenommen und blieben im Herzen dem alten »bosnischen« Glauben treu. Als clie Osmanen die Balkanhalbinsel überflutheten, hat die Bevölkerung cler nacheinander eroberten Staaten nirgends in solchen Massen den mohammedanischen Glauben angenommen, als eben in Bosnien. Es istjnun selbstverständlich, dass die katholischen Priester, sobald einmal ein gewisser Stillstand eingetreten war, alle erdenklichen Mittel aufboten, um die weitere Glaubens-abschwörung zu beschränken. Da der Islam das Kreuz als Symbol des Christenthums verpönt, musste es den katholischen Priestern naheliegen, durch Einprägung des Kreuzes an einer sichtbaren Körperstelle die Annahme des mohammedanischen Glaubens zu erschweren. Wollte ein tätowirter Katholik den Glauben wechseln, so musste er vor Allem das Kreuz von seiner Haut entfernen, was aber eine recht schmerzhafte Procedur war, weil man die Haut bis in clie tieferen Schichten des Coriums vernichten musste. Da jedoch das Ertragen grosser Schmerzen nicht Jedermanns Sache ist, so dürfte Mancher aus diesem Grunde vor dem entscheidenden Schritte zurückgeschreckt sein. Hätte sich aber dennoch einer entschlossen, trotzdem clen Glauben zu wechseln, so wäre er durch clie sichtbaren und recht ausgedehnten Narben, welche nach der Vernichtung der Tätowirung zurückbleiben mussten, in fataler Weise als Neophyt kenntlich geblieben. Der Brauch, Tätowirungen gewöhnlich an Sonn- und Feiertagen nach der Messe und in der Nähe der Kirche vorzunehmen, dürfte die obige Annahme über den Ursprung des Tätowirens in Bosnien einigermassen unterstützen. Unter den Matrosen, Soldaten, Arbeitern u. s. w. selbst cler kultivirtesten Staaten herrscht bekanntlich clie Unsitte des Tätowirens in recht ausgedehntem Maasse. Die »Tinten« werden aus Lösungen von Carmin, Zinnober, Indigo, Kohlen- oder Schiesspulver zubereitet. Die Haut cler zu tätowirenden Stelle wird angespannt und die gewünschte Zeichnung mit einer feinen Nadel durch dichte, nebeneinander angebrachte Stiche »vorgestochen«, hierauf wird die »Tinte« auf die Stiche eingerieben und schliesslich ein Verband angelegt. In einigen Gegenden taucht man die Nadel in clie Tinte und tätowirt so mit der armirten Nadel, was das Verfahren abkürzt. In Bosnien werden die Tinten anders hergestellt, und zwar entweder aus Kienruss oder aus gewöhnlichem Russ, oder aber in seltenen Fällen aus Schiesspulver. Man entzündet einen Kienspahn (Luž) und sammelt in einem Findžan (kleine türkische Kaffeetasse) das abträufelnde Harz, in das man clen gleichfalls während cler Verbrennung des Kienspahns auf einer Blechplatte gesammelten Russ mischt. Diese schwarze Pasta wird nun nach vorheriger Spannung cler zu tätowirenden Hautstelle mit einem zugespitzten Holzstäbchen auf die Haut in der gewünschten Zeichnung aufgetragen und dann mit einer bis nahe an die Spitze mit einem Faden umwickelten Nadel bis zur Blutung durchstochen. Die Einstiche werden natürlich dicht nebeneinander gemacht Die tätowirte Stelle wird hierauf verbunden und nach drei Tagen abgewaschen. Da in Bosnien nur schwarze Tinten bei cler Tätowirung zur Verwendung kommen, so ist es erklärlich, dass dieselbe immer nur einfarbig ist, und zwar blau mit einem Stich ins Grünliche. Als Tätowirer fungiren meistens ältere FYauen. Die Gründe, welche zur Einführung des Tätowirens geführt haben, sind zwar geschwunden, aber der clen Menschen innewohnende Trieb der Nachahmung und das Festhalten am Hergebrachten dürften hinreichen, um clie Verunzierung des Körpers durch das Tätowiren noch lange als Volksgebrauch bei den Katholiken Bosniens und der Hercegovina zu erhalten. An sonstigen städtischen Besonderheiten bietet Jajce nichts; es ist ein eng gebauter Ort, der sich nach und nach etwas europäisirt, aber noch immer überwiegend Orientalisches zeigt. Dadurch ist das Gesammtbild um so malerischer und wir würden, mit Ausnahme der Amts- und Schulgebäude, auch garnicht wünschen, dass sich das Aeussere cler Stadt sobald verändert. Das landesärarische »Grand Hotel« hat einen wunderhübschen Platz. Wenn wir vom Speisesaal hinaus auf die Gartenterrasse treten, sehen wir tief unter uns den Vrbas, dessen Wasser hier von den nahen Fällen stets stürmisch bewegt ist. Eigenthümliche Auswaschungen, die ganz abenteuerliche Bildungen erzeugten, beobachten wir am gegenüberliegenden Ufer, nicht ahnend, dass die seltsamsten Bildungen unter uns sind, denn die Terrasse steht auf der Decke einer Grotte, die vom Wasserfalle auf der linken Seite des Ufers sich fast bis zur Vrbasbrücke erstreckt. Die berühmteste Naturschönheit von Jajce ist sein Plivafall. Durch das altertümliche Travniker Thor, ganz nahe dem Ilötel, gehen wir über eine lange Holzbrücke nach der Unterstadt, von der aus man einen schönen Blick auf die wunderlichen Tuffsteinbildungen der Ufer hat. Bald sehen wir die Staubwolken des Wassers in die Höhe jagen und mächtig schlägt das Donnern und Tosen der sich vermählenden Gewässer an das Ohr. Die durch mehrere hinausragende und überhängende Felsstücke in Am PILvafal 1. etwa zehn Arme getheilte Pliva stürzt sich von einer Höhe von 30 Metern mit betäubender Gewalt in clen Vrbas, der hier eine tiefe Schlucht bildet, aus der der weisse Gischt, von einem hohen Felsblocke zurückgeworfen, wieder meterhoch emporschäumt. Ein wunderbares Farbenspiel bietet die kochende und schäumende Wassermasse, wenn das Sonnenlicht daraur funkelt, wenn clie zahllosen, gleich Thauperlen an clen Grasspitzen hängenden Tropfen wie Tausende und Abertausende von Diamanten und Smaragden glänzen. An der Strasse, die das Vrbasthal aufwärts führt, ist, wenn man auf hölzerner Brücke zwischen den im Flussbett stehenden Mühlen vorübergeschritten, ein wenig oberhalb des Falles eine Terrasse angebracht. Es ist der »Rudolfs-Ausblick«, zu Ehren des verstorbenen Kronprinzen errichtet. Auf gutem Treppenwege gelangt man zu einem Pavillon über clen Fällen. Hinter diesem ist im Felsen folgende Inschrift errichtet: »Er baut 1887 von der Pionier-Abtheilung 2. Bataillon Erzherzog Ernst No. 4«. Hier ist die schönste Stelle am Plivafall. Die unmittelbare Nähe lässt uns die Masse des niederstürzenden, donnernd aufschlagenden Wassers besonders gewaltig erscheinen. Alle Einzelheiten in dem Wogenkampf des überstürzenden, brausenden, als Wassersäule und als Staubwolke sich wieder erhebenden Wassers nehmen wir hier wahr. Wir sehen, wie es mit wilder Wucht gegen den mächtigen Tufifsteinblock anschlägt, um von ihm hoch empor geschleudert zu werden, cler, wie man sagt, erst vor einigen Decennien von oben sich löste. Ein guter Weg führt hier zu dem Falle hinunter und hinter dem östlichen Theile desselben in eine Tuffsteingrotte, eine geräumige Halle. Mit betäubendem Lärm stürzt vor uns das Wasser nieder, während die mächtigen Teppiche des kalkwasser liebenden Farnmooses (Hypnum filicinum), die der Halle natürliche Tapete bilden, unaufhörlich einen feinen Regen auf uns niederträufeln lassen. Verfolgen wir die Strasse längs des türkischen Friedhofes eine Strecke weit ostwärts, dann sehen wir, wie diese ein bedeutendes Lager dichten Tuffsteins durchschneidet, in clem hin und wieder kleine Höhlen angeschnitten sind, in deren Räumen groteske Stalaktiten hängen. Auf dem Rückwege besuchen wir clen Stadtpark, der hoch über clem Flussbette liegt und cler noch im Werden begriffen ist, und machen einen Gang durch die Vorstadt Kozluk, bis uns der Regen wieder in unser Heim treibt. Am Donnerstag und Sonntag verkehren clie Diligencen nach einem zweiten wundervollen Punkte, nach dem 10 Kilometer entfernten Jezero, das in anderthalb Stunden erreicht wird. Die Landschaft, die wir hierbei durcheilen, wird mit Recht als ein Glanzpunkt Bosniens gerühmt. Durch das Travniker Thor Jajce verlassend, folgen wir cler Strasse auf dem linken Flussufer. Das Bett ist mit Felsen und Felsblöcken übersät, über welche ■die Pliva in einer Reihe von Katarakten schäumend und tosend ihrem jähen Sturze in den Vrbas zueilt. Die Gegend ist durchwegs bewaldet und prächtiges Grün erfrischt das Auge. So erreichen wir Jezero, türkisch Gjölhissar (die Seeburg) an den Plivaseen. Das Dorf liegt inmitten uralter mächtiger Bäume, wie die kühnste Phantasie es nicht in eine schönere Lage zaubern könnte. In einem Engthal, umgeben von hohen bewaldeten Bergen, breitet sich der sogenannte untere See aus, ein tiefgrüner Wasserspiegel, wie ein echter Alpensee. Auf hohem Felsgrat werden die Trümmer der alten Veste Zaskopolje sichtbar. Am Ende dieses Sees stürzt abermals in herrlichen Kaskaden über einen breiten Riegel von Klippen das Kozluk, Vorstadt von Jajce. Wasser des gleichfalls von der Pliva gebildeten 372 Kilometer langen und über 600 Meter breiten oberen Sees. Eine breite Landzunge trennt die beiden Seen, in deren Wasser sich der dunkle Porica mit seiner höchsten Pyramide, dem Ottomal, spiegelt. An dieser schönsten Stelle cles Pliva-gebietes stellten sich am 7. August 1878 die Insurgenten den kaiserlichen Truppen entgegen, hier wurden sie gründlich geschlagen. Jezero selbst — einst und nicht ganz mit Unrecht das »Bosnische Venedig« genannt — ist ein entzückender Ort für Sommerfrischler. Im westlichsten Winkel des Sees am rechten Pliva-Ufer erbaut, bietet es dem Mohammedaner Alles, was er zu seiner Erholung wünscht: frisches Wasser, schöne Aussicht, grüne Bäume und idyllische Ruhe. Das hat er hier und die 600 Bewohner cles Ortes, die in theilweise sehr schönen türkischen Landhäusern leben, führen ein beneiclenswerthes Dasein, in das allerdings die Fremden jetzt einige Störung bringen. Aber viele Tage der Woche •uo ijt aî:j - na i STjno utap jiui oiozaf gehören ihnen noch ganz und sie können Kahn fahren und fischen, sie können im Röhricht des oberen Sees auf Wildenten jagen, ganz wie es nach ihrem Geschmacke ist. Die Landesregierung aber hat, um auch ein Uebernachtcn und ein längeres Verweilen zu ermöglichen, ein Touristenhaus für die Fremden erbauen lassen, dessen Schlüssel der Kafedfcija Latif Kasper in Verwahrung hat. Auch bei ihm lässt sich's gut sein und süsser Ruhe bei echtem Mokka und Nargileh pflegen. Ein weiterer Ausflug von Jajce, eine Tagpartie, der mit demjenigen nach Jezero verbunden werden kann, ist der nach den Plivaquellen. Es ist eine Strecke von 35 Kilometern, wovon 31 Kilometer Fahrweg, 4 Kilometer Reitweg längs des Plivaflusses. Am Fusse hoher, kahler Bergwände von steiler, gleichmässiger Böschung entspringt die Pliva aus mehreren Schlundflüssen in bedeutender Stärke aus mächtigen Grotten. Mit jähem Fall jagen sie weiss schäumend oder grün dunkelnd in ihren felsigen Betten dahin, treiben zahlreiche, primitive, unterschlächtige Mühlen und rütteln an den Stegen, die über sie führen. Nach ihrer Vereinigung ziehen sie beruhigter dahin. Dreiviertel Stunden abwärts von den Quellen treten rechts Freisen an den Fluss heran; er rauscht wieder im engen Kanale und nach einer Stunde kommt der erste Wasserfall, dem bis Jezero noch zwei weitere folgen. Ueberall aber sind Berge, ist Wald und Gebüsch, ein bezauberndes Landschaftsbild! Schlussvignette: Siegel des Klosters Labostin in Duvno. Von Lasva über Travnik nach Jajce. Jajce ist vom Auslande aus ungemein bequem auf den verschiedensten Routen zu erreichen. Wie man über Metkovic-Mostar-Jablanica nach Jajce kommt, haben wir bereits geschildert. Da inzwischen die Eisenbahn von Bugojno über Dolnji-Vakuf nach Jajce fertiggestellt, ist die Verbindung noch schneller und leichter. Vom Norden aus fuhrt clie Bahn von Agram über Sissek und Dobrlin nach Banjaluka, von dort mit Post oder Diligence in einem Tage nach Jajce. Wer aber mit der Bosnabahn das Land betritt, kann leicht von der Station LaSva aus clie ganze Strecke über Travnik mit der Eisenbahn zurücklegen. Ehe ich daher an die Schilderung meiner Weiterreise von Jajce in den nördlichsten Theil Bosniens schreite, will ich von der Travniker Strecke erzählen, die ich einstmals zu Pferd, später zu Wagen und zuletzt stellenweise mit dem Dampfross zurücklegte. Wir haben die Bosnabahn in Lasva verlassen. Oberhalb der Mündung- o des gleichnamigen Flüsschens in die Bosna liegt die Station in idyllischer Waldeinsamkeit. Die Bahn, clie nach Travnik führt, tritt sofort in das enge Thal der La£va. Ihr musste am rechten Ufer in die Berglehnen Raum gebrochen werden, während die Fahrstrasse sich am linken Ufer hinzieht. Es ist eine wundervolle Gegend, durchweg gut bewaldet, aber einsam. Erst in Busovaia, wo wir die Heerstrasse Brocl-Sarajevo erreichen, herrscht wieder Leben. Der Ort hat etwas Eisenindustrie, sonst wenig Gewerbsthätigkeit, dafür aber ausgedehnten Feldbau. Die nächste Station ist Han Kompanija oder Vitez. Eine förmliche Ansiedlung ist an diesem Strassen-Kreuzungspunkt, wo auch die Strasse nach Travnik von der Broder Hauptstrasse abweicht, entstanden. Hier herrscht jetzt die Holzindustrie durch die Plrma Riidgers aus Wien. Kopfleiste: Altbosnische Inschrift bei Kaostice: »Hier ruht Juraj bei seinem Herrchen Radoe.« i n a t! j j Berge von eichenen Bahnschwellen und von Holzpflaster sind aufgeschichtet, — das Produkt der nahen Wälder. In der Ebene, die sich bis zu dem Flecken Vitez zieht, fährt unser Zug. Er hat die La^va überschritten und folgt der Strasse. Zur Rechten haben wir das Massiv der Vjetrenica, vor uns aber die hohe, meist mit Schnee bedeckte Vlasi6-Planina (1919 Meter). Wir erreichen Han Bjela, wo wir in ebenes Gebiet gelangen. Zur Rechten erblicken wir das allerdings noch 9 Kilometer entfernte Kloster Guöjagora, eine Hauptburg des bosnischen Franziskaner-Ordens, das im Jahre 1857 neu hergerichtet wurde. Immer in der gut angebauten fruchtbaren Ebene, erreichen wir endlich Dolac, das schon als Vorstadt von Travnik gerechnet werden kann, und nach weiteren 3 Kilometern (die Bahnlinie hat 30 Kilometer) die ehemalige Residenz cler bosnischen Veziere: Travnik, die in überraschender Lage ganz plötzlich in der Enge des Lasva-Defiles sich ausbreitet. Seine einstige politische Bedeutung ist Travnik (6804 Einwohner) freilich nicht anzusehen. In der Hauptstrasse stehen in bunter Mischung neue europäische Gebäude neben den wackligen Holzbauten der Türken-zeit, aber das Strassenbild wird immer wieder von Gärten unterbrochen, sodass ein recht erfrischender Zug im Ganzen liegt. Und wenn man von Travnik einen herzcrfreuenclen Anblick gewinnen will, dann muss man aut eine der vielen Erhöhungen um und in der Stadt steigen; dann sieht man die langen Häuserreihen auf dem rechten Ufer der Lasva, in einer Spalte cler Gratovina fast versteckt, mit Kuppeln und Minarets einen anmuthigen Stadttheil, am linken Ufer, auf einem steilen und kahlen F'elsblocke des Vlasiö, das alte Kastell, wie eine mittelalterliche Burg mit massiven Mauern und Thürmen und doch echt türkisch verwahrlost. Um sie herum gruppirt sich der mohammedanischeste Theil des Ortes. An den Höhen beider Ufer aber sieht man überall Landhäuser inmitten blühender Fluren, darüber hinaus gegen Norden und Osten Gebirge über Gebirge, nach Süden sanftere Abhänge und dunkle Wälder. Vom Tarabovac, einer Höhe südlich von der Stadt, ist im Glänze cler Morgensonne ein zauberischer Eindruck zu gewinnen. Da blitzt und glitzert es von allen metallenen Bedachungen der Moscheen und Minarets, und clie neuen Bauten, clie zum Theil im maurischen Stil in den bosnischen Farben (roth-gelb) gehalten werden, werfen den wirksamsten Reflex. Dazu tritt stets der dunkle Hintergrund, das P'elsengewirre des Vlasic . . . Es ist nicht leicht, von einer orientalischen Staclt eine genaue Beschreibung zu geben; sie bleibt stets hinter der Wirklichkeit zurück, und die bosnischen Städte erfreuen sich meist einer so raffmirt schönen Lage, dass der beste Landschaftsmaler cler Wirklichkeit nur entfernt nahe kommen kann. Im Innern der alten Stadtviertel allerdings mit ihren engen krummen Strassen, dem grauenhaften Pflaster, den tiefen Löchern zwischen den einzelnen Steinen, da ist es oft genug fürchterlich. Und doch, wendet man den Blick an den Häusern empor, so bemerkt man so manches interessante Detail, so manche schöne Holzarbeit, so zierliche feingearbeitete Gitter (Muschebak, arabisch Muscharabieh) ver den Haremsfenstern, dass die Phantasie mächtig angeregt wird. Wann Travnik gegründet wurde, ist nicht bekannt. Es soll einst hier die Stadt LaSva am linken Ufer des gleichnamigen Flusses, in cler Nähe der heutigen Ortschaft PutaSevo gelegen sein. Wie Dr. M. Hoernes anfuhrt, sollen sich in clem Engthale, in dem die heutige Stadt liegt, noch zu türkischer Zeit Weideplätze, Haine und Gärten befunden haben, worauf der Stadtname (Travnik = Grasplatz) deutet. Zu einer nicht näher angegebenen Frist übersiedelten die Türken aus La&va an die gegenwärtige Stelle und überliessen ihre Häuser in der Ebene dem Verfalle. Diese Meinung hat entschieden einen historischen Hintergrund, denn es existirt noch eine recht interessante Chronik über bosnische Ereignisse von einem Franziskaner, der sich ausdrücklich Pater Nikolaus von LaSva nennt. Urkundlich wird Travnik 1503 zum ersten Male genannt. In cler zweiten Hälfte des 15. Jahrh underts, als das südliche Bosnien schon ganz in den Händen der Türken war, gingen die Heerzüge cler letzteren zur Bezwingung der von den Ungarn noch besetzten Festungen im Norden des Reiches vielfach über clie Stelle des heutigen, Travnik und die Zerstörung von LaSva oder die Verlegung der Stadt muss um diese Zeit erfolgt sein. Wie Asböth mittheilt, fehlt es nicht an Anzeichen, dass auf dem Gebiete des heutigen Dorfes Putaöevo, wohin LaSva verlegt wird, zur Römerzeit und im späteren Mittelalter eine ansehnliche Stadt gestanden hat. Römische Altertümer werden in der ganzen Gegend gefunden. Eines derselben, gegenwärtig im Wiener Belvedere, ist deshalb von besonderem Interesse, weil es den Uebergang von der verfallenden antiken Bildhauerkunst zu jener altslavischen barbarischen Steinhauerei zeigt, die in den bogomilischen Grabdenkmälern erhalten blieb. In Travnik selbst wird ein interessanter römischer Stein aufbewahrt, der bei dem Podrunicer Han, 10 Kilometer auf dem Wege nach Jajce, gefunden wurde. Er ist 0,80 Meter hoch, 0,57 breit, 0,19 dick. Seine Randverzierung bilden Epheu- und Weinblätter. Seine Inschrift, die von Dr. Hoernes in »Arch. Epigr. Mitth. IV.« veröffentlicht wurde, lautet: »Ultima clauserunt Parcarum stamina filo Principii miserandi diem, quem, gloria(m) nisi, Avus adque pater puerum dedere (p)raeclara(e) Milita(e) patruoque suo Lunxerc fovendum, Cum priinum pulchra lanugine sumeret annos, Spectantes magnum patriae columenque futurum, Heu miseri, gloriari sibi lactaraque senectam. Crudele(m) luctuin domui Ravenna remisit, Hoc miseros titulo proprium signasse dolorem.« Bald nach Gründung der Stadt wurde der Sitz der bosnischen Veziere von Bosna-Saraj (Sarajevo) nach Travnik verlegt, wahrscheinlich, um dem nördlichen Theile des Landes, in dem noch stets Kriege stattfanden, näher zu sein. Blieb doch auch der offizielle Titel der eines »Veziers der ungarischen Länder«. Als Hussein Berbirli Aga den bosnischen Adel 1830 zum Aufstand rief, da wurde auch Travnik genommen, cler Vezier aber musste strenge Busse thun. Als bei cler zweiten grossen mohammedanischen Insurrektion 1840—5° Omer Pascha Sarajevo erobert hatte, machte er der dortigen Oligarchie ein Ende; er verlegte den Sitz des Vali oder Veziers nach Sarajevo und Travnik biisste seine bisherige Bedeutung ein. Jetzt hat es die Bahn in den Weltverkehr eingeschlossen, und es sind bereits einige neue Unternehmungen entstanden, wenn auch in bescheidenen Grenzen. Die Landesregierung hat eine Tabakfabrik errichtet, eine Handelsschule gegründet und eine wunderschöne Medresse mit Moschee für clie mohammedanischen Studirenden gebaut. Das alte, noch bewohnbare Kastell gewährt eine hübsche Aussicht auf die Stadt. Hinter ihm stürzt aus einem muldenartigen Thale eine Neue Medresse in Travnik. starke Quelle, Sumeč, aus ansehnlicher Höhe. Sie wurde eine Zeit lang zum Betriebe einer Lederfabrik benutzt, aber einstweilen steht diese wieder still, es fehlt aus Oesterreich Unternehmungsgeist und Kapital; Alles soll und muss die Regierung machen, obwohl Bosnien gerade für private Unternehmungen noch ein ausgezeichnetes Feld bietet. In der Hauptstrasse liegen der hübsche ehemalige Konak des Vali, jetzt Sitz des Kreisamtes, mit nettem Garten, das Bezirksamt, die Handelsschule, das Kloster der Barmherzigen Schwestern, das »Hotel zum Kaiser von Oesterreich«, die grosse Moschee und dazwischen verstreut die Türbes (Grab-mäler) der Veziere, meist schön verzierte Mausoleen mit Säulenhallen und Livno: Pnrthie am Flusse. Kuppeln, förmlichen Wohnhäusern ähnlich. Was wir aber nicht zuletzt erwähnen dürfen, ist das grosse Jesuitenkollegium und die neue katholische Kirche. Travnik, das früher nur in Dolac seine fast 2000 Köpfe zählende katholische Bevölkerung mit einem Seminar und einer Kirche besass, formt sich mit Macht zu einem katholischen Centrum um. Seit der Jesuitenorden in Bosnien zugelassen ist, was erst nach starkem Widerstreben der bis dahin in Bosnien allein arbeitenden Franziskaner geschah, hat dieser in Travnik seinen Hauptsitz aufgeschlagen. Das neu errichtete Jesuitenkollegium ist ein"es der grössten und schönsten Gebäude der Stadt, ein zweistöckiger Bau inmitten eines ausgedehnten Hofes, welcher cler Spielplatz der jungen Studenten ist. Den Berg hinan zieht sich der Garten, eine noch junge Anlage, die allmählich zu einem Obstgarten werden soll. Alpenhof auf der Krug-Planina (bei Livno). Die Parterre-Räumlichkeiten des klosterartigen Gebäudes sind die Werkstätten der verschiedensten Handwerker, die vor Allem für den Bedarf der zahlreichen Hausgenossen, der Professoren und Internen zu sorgen haben. Auch eine grosse Küche liegt hier unten. Schöne, helle Lehrzimmer und grosse Sammlungszimmer sind im ersten und zweiten Stock. Reich ist das physikalische Kabinett ausgerüstet; auch die naturhistorischen Sammlungen sind beachtenswert!!, besonders das umfangreiche Herbarium, das allerdings an dasjenige im Sarajevoer Landesmuseum nicht heranreicht. Eine treffliche zoologische und eine Mineraliensammlung vervollständigen das naturwissenschaftliche Anschauungsmaterial. Es ist nicht zu leugnen, dass clas Gymnasium — ein solches ist es, und clie Maturität berechtigt zum Uebergang an eine österreichische Universität — vorzügliche Erfolge aufzuweisen hat. Seine Schüler sind meist Katholiken, aber auch einzelne Serben und viele Juden besuchen es. Einen recht anheimelnden Platz besitzt Travnik am östlichen Ende cler Stadt im »Café Dervent«. Es ist ein türkischer Kef-Punkt, dicht von Bäumen beschattet, von einem Bache umgeben. Hier hat Kronprinz Rudolf geweilt und den vorzüglichen Kaffee getrunken. Pietätvoll bewahrt •ouAi'j noijuis oiiDipjrqosqiJiAv'pueq der Besitzer noch die Trinkgefässe zur Erinnerung an den verstorbenen Erben des Habsburger Reiches, . . . Zwei Wege führten bisher von Travnik nach Jajce; die Postroute über den Komar nach Dolnji-Vakuf (70 Kilometer bis jajce) und clie Strasse über clie Karaulagora durch prächtiges Waldterrain, 20 Kilometer näher. Beide Wege sind landschaftlich interessant, sie dürften aber jetzt für den fremden Touristen wenig in Betracht kommen, da er clie bequeme Eisenbahn benutzen kann. Am 14. Oktober 1894 wurde die Strecke Travnik— Dolnji-Vakuf—Bugojno eröffnet; von Dolnji-Vakuf zweigt sich die Linie nach Jajce ab, clie wohl einstmals in Banjaluka anschliessen wird. Von Bugojno wird über Zupanjac in nicht zu ferner Zeit die Bahn bis ArXano an der dalmatinischen Grenze fertiggestellt sein, von wo ein Anschluss an clie dalmatinischen Staatsbahnen und damit die Verbindung Bosniens mit dem Hafen von Spalato erreicht wird. Dadurch wird auch die weite Hochebene von Livno in den allgemeinen Verkehr einbezogen, deren von der Regierung errichtete landwirthschaftliche Einrichtungen schon jetzt alles Interesse verdienen, so clie landwirthschaftliche Station Livno und der Alpenhof auf cler Krug-Planina, von denen unsere Abbildungen Zeugniss geben. Der vorgenommenen Wasserbauten im Livanjskopolje haben wir bereits bei der Schilderung ähnlicher Arbeiten im Gackopolje gedacht. Die Errichtung der landwirtschaftlichen Station Livno erfolgte 1888 und wie erwähnt, ist mit ihr eine Alpenwirthschaft verbunden, so wie mit jenen in Gacko und lliclXe, auf denen Rinder und Schafe gehalten, sowie der moderne Sennereibetrieb theils zu Lehr-, theils zu Ertragszwecken eingeführt ist. In Livno wird besonders viel Käse erzeugt, in neuerer Zeit auch Roquefort, für welche Fabrikation die Station die erforderlichen Kellereien in den natürlichen, hierzu vorzüglich geeigneten Karsthöhlen besitzt. Es dürfte nicht uninteressant sein, an dieser Stelle einen allgemeinen Ueberblick über die landwirtschaftlichen Stationen Bosniens an der Hand cler neuesten Daten zu geben. Sie umfassen heute ein Areal von rund 4000 Hektar, wovon etwa 3000 Hektar Hochalpen sind. Auf den Stationen werden in grösserem Massstabe nachstehende Rassen von Rindern, Schafen und Schweinen gezüchtet: in Livno Möllthaler Rinder und Oslfriesenschafe, dann Electoral- und persische Fettschwanzschafe, sowie Berksbire-Schweine. In Gacko Wippthaler Rinder, Ostfriesenschafe und Berksbire-Schweine; in Modric Rinder cler ungarischen Steppenrasse und Berkshire-Schweine; in Ilidze-Butmir Möllthaler Rinder, Hampshire-Zackelschafe (Romaskanschafe) und persische Fettschwanzschafe. Die Ostfriesenzucht wird auch in Kreuzungen mit einheimischen Schafen betrieben. Um die Rindviehzucht des Landes in grösserem Umfange verbessern zu können, wurden an geeigneten Orten fremdrassige, aus Oesterreich-Ungarn eingeführte landes-ärarische Zuchtstiere aufgestellt und gelangten je nach den betreffenden Zuchtgebieten, in die das Land eingeteilt worden ist, theils Möllthaler, theils Wippthaler Zuchtstiere zur Verwendung, die zur unentgeltlichen Benutzung der einheimischen Viehbesitzer unter staatlicher Kontrolle und Pflege gehalten werden. Hand in Hand hiermit ging die Einfuhr fremdrassiger Zuchtkühe auf Bestellung und Rechnung einheimischer Viehzüchter, wobei der Ankauf der Thiere durch Vermittlung der Regierung besorgt und den Abnehmern die Kreditirung der Anschaffungskosten gegen Rückzahlung in Jahresraten bewilligt wurde. Auch der Pferdezucht ist die grösste Aufmerksamkeit zugewendet worden. Schon 1884 wurden fünf edle Zuchthengste, ein Geschenk cles Kaisers Franz Josef, in der Hercegovina Livno: Parthie bei der Quelle. untergebracht. Seither wurde clie Anzahl cler zumeist aus dem königlich ungarischen Staatsgestiit Babolna angekauften, arabischem Blute entstammenden Deckhengste beträchtlich vermehrt, sodass gegenwärtig 92 Hengste, wovon 5 aus Syrien, zur Verfügung stehen, die zur Saison aus den landesärarischen Hengstendepots Sarajevo und den Filialen Mostar und Travnik auf 61 Beschälstationen vertheilt werden. Ausserdem befinden sich in den Hengstendepöts noch 15 Stück von der Insel Cypern eingeführte Eselhengste, die zumeist in der Hercegovina für die Maulthierzucht verwendet werden. Ausserdem sind im Fohlenhofe bei der landwirtschaftlichen Station Uid2e 11 Mutterstuten und 4 Hengstfohlen aufgestellt. Eine weitere Maassnahme auf landwirtschaftlichem Gebiete bildet die 1892 erfolgte Einrichtung sogenannter Bauernmusterwirthschaften. Ihr Wesen besteht darin, dass einzelne Bauernwirthschaften unter der Anleitung und fortgesetzten Aufsicht eines landwirtschaftlichen Fachbeamten der Station, in deren Bereich sich die Wirtschaft befindet, mit den gegebenen Mitteln des betreffenden Bauers einer rationelleren Wirtschaftsweise zugeführt werden. Den betreifenden Besitzern wird von der Station auch materiell durch Hergäbe von Saatgut vorzüglicher Qualität, sowie durch Zuwendung kleinerer Geldbeträge zur Adaptirung von Stallungen und sonstiger Wirthschaftsgebäude an die Hand gegangen. Solche Bauernwirthschaften bestehen gegenwärtig in den Bezirken Livno, Gacko und Gradatac. Gleichzeitig mit der Einführung der Zuckerrübenkultur in Nordbosnien (wir brachten die näheren Daten bei Erwähnung der Zuckerfabrik Usora) wurde die Einführung, beziehungsweise Hebung des Kartoffelbaues in den südlichen Theilen der Hercegovina, hauptsächlich in clen Bezirken Bilek und Trebinje durch Hergabe ansehnlicher Mengen aus Ungarn und Slavonien bezogener Saatkartoffeln bewirkt, und wurde später mit dem vorhandenen Saatgute eigener Produktion, sowie mit clen in den landwirtschaftlichen Stationen Gacko und Livno zu diesem Zwecke angebauten Saatkartoffeln auch die Bevölkerung der Bezirke Livno und Bugojno nebst dem Expositursbereiche KupreS mit guten Saatkartoffeln versehen. Ferner wurden erhebliche Mengen von oberungarischer und schottisch-böhmischer Saatgerste an die Bevölkerung abgegeben. Was zur Hebung cler Weinbau-und Obstbaumzucht geschieht, ist an anderen Stellen unserer Schilderung erwähnt worden. Beachtung verdient die Thätigkeit der Landesregierung auch auf dem Gebiete cler Seidenraupenzucht. Es sind 17 Maulbeerbaumschulen errichtet und bisher 250000 Stück Maulbeerbäumchen vertheilt worden. Livno speziell ist bereits ein landwirtschaftlicher Mittelpunkt in fortschrittlicher Beziehung geworden, dessen Wirksamkeit auch im benachbarten Dalmatien zu spüren ist. Die Stadt, die gegen 5300 Bewohner, die Hälfte Mohammedaner, besitzt, treibt ziemlichen Handel, und ihre Kunstindustrie in eingelegten Arbeiten (meist Cigarren- und Cigarettenspitzen wie Messer) ist seit jeher berühmt. .... Von Travnik aus führt clie Eisenbahn (41 Kilometer bis Bugojno) in prächtigster Gebirgsgegend über clie Stationen Turbet und GoleS auf die Höhe des Komar. Es ist eine Strecke für Hochbauten; Eisenbrlicken, Aquädukte, Viadukte wechseln in bunter Reihenfolge ab. Ueber clen Komar (1217 Meter) ist, wie auf der Mostar—Sarajevoer Strecke über den Ivan, das Zahnstangensystem für clie Steigungen eingeführt. Die Höhe des Komar selbst wird nicht übersetzt, sondern von einem mächtigen Tunnel durchbrochen. Von der Station Komar aus wird nach weiteren 278 Metern die Station Oborci erreicht, wo clie Zahnstange überwunden ist. Die 30* Trace fährt, stetig i 5 Prozent fallend, als Adhäsionsbahn durch ein ziemlich fruchtbares, wohlbebautes, sich stellenweise verengendes Thal weiter, erreicht nach 6 Kilometer Thalfahrt die ersten Häuser von Dolnji-Vakuf und zieht an cler rückwärtigen Lehne mitten durch einen Theil dieses Ortes, um zunächst die Hauptstrasse und dann mittelst einer 45 Meter weiten Eisenbahnbrücke den Vrbas zu übersetzen, wo die Station Dolnji-Vakuf erreicht wird. Von hier fährt die Bahn auf einem 2 bis 3 Meter hohen Damme durch die Ebene Skoplje — die wir bei der Landtour bereits beschrieben — und erreicht die Personen-Haltestelle Kopiic. Von den flachen Ufern \des Vrbas aus gewinnt man rechts einen Blick in clas Station O borci mit dem Komar. Koprivnicathal und auf die Veste PruSac. In der Fahrtrichtung erheben sich drei mächtige, bis in den Hochsommer mit Schnee bedeckte Berge, links die Vranica (2000 Meter), rechts die RaduSa (1800 Meter) und weiter nach Südwest der Stozer (1600 Meter). Sechs Kilometer weiter führt der Zug — stets auf hohem Damme — in den Bahnhof von Bugojno. Die Zweigbahn von Dolnji-Vakuf nach Jajce läuft sofort nach Verlassen der Station in einem scharfen Bogen in das sich hier verengende Vrbasthal ein. Immer am linken Ufer des Vrbas auf meist steilen Gehängen, vielfach in deren scharfen Buchtungen mittelst Steinsätzen eingemauert, verfolgt sie seinen Lauf in Richtung und Steigung nahezu parallel mit ihm. Die Steigung beträgt auf ungefähr 30 Kilometer durch- schnittlich 5 Meter auf 1000 Meter. Drei Kilometer vor Jajce beginnt die Bahn beträchtlich zu steigen. Die Steigung ist bedingt durch clie einzig mögliche Anlage der Station Jajce in der über dem Vrbas höher liegenden Pliva-Thalsohle. Die Bahnanlage fügt den Eigentümlichkeiten von Jajce manches neue Bild zu. Da ist z. B. ungefähr einen Kilometer von der Stadt entfernt ein Felscneinschnitt, der seine beiden steilen rothgefärbten Böschungen schroff in die Lüfte streckt. Er sieht aus wie eine gigantische Zahnlücke, durch die man von Weitem den alten Königsthurm wie in einem Rahmen erblickt. Unmittelbar vor der Pliva folgt ein riesiger Tuff-einschnitt, wie herausgesägt aus dem Gestein, und gleich darauf erreicht man clie hohe dominirende Plivabrücke, clie in ihrer schönen Eisenkonstruktion einen neuen Schmuck des unvergleichlichen Stadtbildes bietet. Im Vrbasthal nach Banjaluka. Die frühere Hauptverbindung von Jajce nach Banjaluka führte in einem grossen Bogen ununterbrochen über steile Gebirgshöhen, über Varcar-Vakuf und Han Cadjavica, die unwirkliche Hochebene der Dobrnja-Planina hinunter nach der zweitgrössten Stadt Bosniens. Allerdings bestand auch im Vrbasthale ein Gemsensteig, aber Dr. Blau meinte schon im Anfang der Siebziger Jahre, dass er so wenig betreten und so schwer zu passiren sei, dass ihn noch kein Reisender gewählt hätte. Diesem bedauerlichen Mangel an einer kürzeren und guten Verbindung hat die bosnische Landesregierung mit gewohnter Entschlossenheit schnell und gründlich abgeholfen; sie liess eine neue Fahrstrasse längs des Vrbas in die Felsen sprengen und fügte so ihren phänomenalen Strassenbauten ein Meisterwerk ersten Ranges hinzu, das eine Gegend voll unvergleichlicher Schönheiten dem Reisenden erschliesst. Der Regen hatte in Jajce noch nicht nachgelassen, als wir mit einem Mohammedaner, der eine leichte europäische Kalesche besass, wegen der Fahrt auf der neuen Strasse nach Banjaluka unterhandelten. Er stellte hohe Preise, doch liess er sich schliesslich für 18 fl. herbei, uns dorthin zu bringen. Sie war noch nicht eröffnet, aber die behördliche Erlaubniss zum Befahren der neuen Strasse hatten wir in der Tasche, wir wussten, dass ein Objekt, die Eisenbrücke bei Karanovac, noch nicht fertig montirt, dass der Wagen aber auf einer Fähre über den Vrbas gebracht werden könnte. So nahmen wir denn beim Anbruch des Tages Abschied vom »Grand Hotel« in Jajce und vertrauten uns dem Wagen an, den unser Mohammedaner stolz eine Kalesche nannte. Als Kutscher stellte er uns einen seiner Knechte, der abgerissen und wenig vertrauenswürdig aussah, der sich aber in der Folge ausgezeichnet bewährte. •lïSjnx'Kfuiicj-aDf'Rf s s s 13 j j cj jap jny Kaum hatten wir in die Strasse am linken Vrbasufer eingebogen, als auch schon die Sonne hervorbrach und noch einmal mit goldenem Scheine das alte romantische Jajce bestrahlte, das mit seinen Zinnen und Mauern einen unbeschreiblichen Anblick gewährte. Auf einer provisorischen Holzbrücke, die jetzt durch eine solche von Eisenkonstruktion (47 Meter lang) ersetzt ist, überschritten wir den Fluss. Ein uraltes Franziskaner-Kirchlein, Podmiljaia, steht nicht weit von der Strasse, ein Bild der Verlassenheit und des gezwungenen Verbergens in osmanischer Vorzeit. Mehrere Kilometer weit führt die Strasse am rechten Ufer, immer in wundervoller Gebirgsgegend, bis endlich eine wilde Gebirgsenge erreicht ist. Der Felsen Greben überspannt den schäumenden Fluss, überall erheben sich steile, grossen-theils bewaldete Abhänge, das Défilé förmlich abschliessend. Wir übersetzen abermals den Vrbas und fahren direkt in einen 36 Meter langen Tunnel, der in mehrfachen Windungen in cler Fahrstrasse am linken Ufer ausmündet Wir sind mitten in einem schmalen Kessel von bezaubernder Wildheit. Bald folgt ein zweiter Tunnel von 44 Meter Länge, der durch die Vlasinje Stjene gebrochen ist. Man sieht, die Anlage der Strasse hat grosse Schwierigkeiten bereitet. Alle Abhänge zu beiden Seiten des im engen steinigen Bette rauschenden und schäumenden smaragdgrünen Flusses sind schroff und dicht bewaldet, meist Nadelholz, aber auch hübsche Steineichen und Nussbäume. Die »Bijele Stjene« (Weisse Felsen) Von der Strasse Jajce-Banjaluka. (Vor dem Tunnel) •assBJjsjuqísuqjjV J3P ïnY Parthie von der Strasse im Vrbasthal. werden auf einer 30 Meter hohen Felsenböschung umgangen; Abrutschungen und Geröllhalden sind untermauert und versichert. An den meisten Stellen ist die Strasse direkt den Felsen abgewonnen und die mächtigen Riesen des Waldes, die den Sprengungen mit zum Opfer gefallen, liegen noch am Steilrande des Flusses. Mehrmals zeigten sich in diesem primitive Mühlen, ohne dass weit und breit eine menschliche Wohnung oder ein gangbarer Steg zu entdecken gewesen wäre. In Waldlichtungen lagen verfallende Arbeiterbaracken, die für die beim Strassenbau beschäftigten Leute als Unterkunftsorte gedient hatten. Wir hatten den Einfluss des Ugar, eines wilden Gebirgswassers, am rechten Ufer passirt und einen Blick in eine schmale Felsenenge gewonnen, wo viel Gemswild seinen Standort haben soll, als wir links abermals ein Flüsschen dem Hauptstrom zueilen sahen. Hier öffnete sich ein hübsches Thal mit grünen Matten und ein schmaler Weg führte nach Westen. Es war die Crna Rjeka, längs deren Ufer ein Reitpfad nach Varcar-Vakuf führt. Bald darauf erreichte die Strasse eine grössere Lichtung, eine ziemlich ausgedehnte Ebene, die sich aber nur jenseits des Vrbas erstreckte. An einigen neuen Strassenhäusern und einem hübschen Brunnen vorüber gelangen wir nach Bo£ac. Links einige Türkenhäuser mit einem Han, rechts wieder mohammedanische Behausungen inmitten von Zwetschken-und Nussgärten, vor uns aber auf einem steilen Felsen eine alte mächtige rt •c cn rt m r* g Burgruine mit einem gut erhaltenen Rundthurm und einem Vorbau direkt am Vrbasufer, wie auch auf der gegenüberliegenden Seite. Neben den Ruinen steht eine kleine Moschee, im Thale und auf den Berglehnen aber liegen wieder Häuser nebst einem kleinen weiss getünchten Kirchlein und den aufgedeckten Resten einer altchristlichen Basilika. Im Han, wo wir wegen der Fütterung der Pferde hielten, war nicht einmal Heu, auch kein Burg Krupa. Kaffee zu erhalten, doch versorgte uns ein alter mohammedanischer Aga mit beideni und er brachte uns auch noch frische Wallnüsse. Gegenwärtig ist hier eine Frühstücksrestauration errichtet. Nach einer Stunde Rast setzten wir die Reise fort. Durch die Felsenenge bei der Burg Bo£ac treten wir in ein weites Thal, Aginoselo, das reichen Ackerbau zeigt, dann geht es wieder in eine Wald- und Gebirgswildniss, die aber viele liebliche Bilder bringt. Ein lichter Hain schönster Buchen bedeckt bis hinauf zum Grat der Berge die Hänge. Aus ihnen schimmert das Laub der Silberlinde, die stellenweise in grosser Zahl auftritt. Auch Hainbuchen und Hopfenbuchen (Ostrya Carpinifolia), die reich mit Früchten behangen sind, deren krugförmige, aufgeblasene, dünne, das Nüsschen umschliessende Hülle die hängenden Fruchtkätzchen einem Hopfenzäpfchen ähnlich macht, sind in diesem Laubwaldpark vorhanden. Und ehe wir aus dieser Thalenge treten, gewahren wir hoch über uns auf dem hohen Zacken der Manjaöa die mächtigen Ruinen der alten Veste Krupa, deren gut erhaltene, an die senkrechten Felswände sich anschmiegenden Schutzmauern über den ganzen Abhang gegen den Fluss bis hart an das Wasser hinunterreichen. Sie bildete einst, wie so ■uapjo]»j HOA «dTUNf aatn^j Enge Tjesno an (1er Strasse Jajce-Banjaluka. viele der alten Burgen, die vollendetste Thalsperre. Wir gelangen in eine weite Ebene, in sanften Wiesengrund, auf dem Heerden weiden und ein Dorf malerisch gebettet liegt. Es ist Krupa, meist von Griechisch-Orthodoxen bewohnt, mit cleni schönen Tschardak (Sommervilla) des Beg GjumiSiö aus Banjaluka. Die Sonne leuchtet in wunderbarer Klarheit, die Luft ist von entzückender Frische und Reinheit, so dass wir eine Strecke des Weges zu Fuss zurücklegen, begleitet vom Gezwitscher der sonst ziemlich seltenen Vögel. Wir treten jetzt in die Enge von Tjesno, eine Felsschlucht, wie sie selten so wildromantisch in Bosnien, in dieser Eigenart auch nur an wenigen Punkten der Hochalpen zu finden sein dürfte. Den Eingang in das schmale Défilé beherrschen auf einem förmlichen Felsenlabyrinth die Ruinen von Zveiaj-Grad, einer Veste, clie einstmals ein echtes Raubnest gewesen sein mag. Der bosnische Herzog Hrvoja soll im 15. Jahrhundert hier residirt haben. Dann kommen wir aus dem Licht in ein mystisches Halbdunkel. Hoch über dem gänzlich eingeengten Wasserspiegel des Vrbas — etwa 15 Meter — zieht sich die neue Strasse hin. Sie ist durchweg in die senkrecht emporsteigenden Felsen gesprengt, dadurch vielfache weite Höhlen biossiegend. Auf den Hängen überragen oft mächtige Wallnuss-bäume den Weg, während stellenweise wilder Wein (Vitis silvestris) herabrankt. Rechts aber, über dem Vrbas, ist das Terrain des Hochgebirges. Soweit das Auge reicht, himmelanstrebende Wände, mit schlanken Nadelhölzern und vereinzelten Buchen bestanden. In den Klüften jedoch hausen mächtige Adler und fünf derselben kreisen auf einmal über dem engen Thal. Wer sollte sie auch hier stören und verfolgen, wo ein Erklimmen ihrer Höhen und Horste ganz undenkbar, wo selbst bei einem möglichen sicheren Schusse das Thier nicht zu erlangen ist? Ein Blick hinunter in den Vrbas ist aber ein unbeschreibliches Schauspiel. Eingeengt auf eine Breite von kaum 10 Meter scheint es, als ob der J'luss sein Bett sprengen wolle. Er schäumt und brodelt, er kocht und wirft seinen Gischt hoch empor an den Ufern, seinen Feinden, deren Starrheit er erst im Laufe von Jahrtausenden besiegen kann. Und doch gerade dort, wo sich die weissen Schaumkämme stets stossen, da stehen Blumen, da ist die blaue Glockenblume, die in Bosnien so häufig ist, und aus dem Schutt der Sprengungen blüht neues Pflanzenleben in Gestalt des Lerchensporns mit gelblich-weisscn Blüthen. Am oberen Uferrand aber hauchen Cyclamen ihren betäubenden Duft aus. Drei Kilometer ist die Tjesno-Schlucht lang, die grossartigste Partie auf der 72 Kilometer langen Strecke. Da öffnet sich auf einmal clie Enge und so weit clas Auge reicht, sehen wir grünes Hügelland, fruchtbare Fluren, Dörfer und Gehöfte, durch deren Gemarkungen sich der nun zahm gewordene Vrbas schlängelt. Wir halten in Karanovac, einer Anlage cler Strassenbau - Inspektion mit Arbeiterhäusern und Kantinen. Sektions-Ingenieur Herda, der den Bau geleitet, empfängt uns, und er sorgt dafür, dass unser Wagen über den Vrbas gebracht wird. Die damals bestandene provisorische Ueberfuhr war für solche Fuhrwerke schlecht eingerichtet, es dauerte geraume Zeit, bis wir den Wagen auf die Plätte gebracht hatten, während die Pferde mit unserem Kutscher den Fluss durchschwimmen mussten. Und doch stand schon wenige Meter von uns die mächtige neue Eisenbrücke, an deren Fertigstellung noch rastlos gearbeitet wurde. Heute ist jedes Hinderniss längst beseitigt und in schlankem Trabe fährt die Diligence zwischen Banjaluka und Jajce auf der Vrbasthal-strasse, die in ihrer landschaftlichen Schönheit und Erhabenheit der Auf der .Strasse im Vrbasthal. Via mala an die Seite zu stellen ist. Wenn man nun erfährt, class der Bau nur anderthalb Jahre in Anspruch nahm, wird man der Bauleitung clie rückhaltloseste Anerkennung nicht versagen. Die letzten 14 Kilometer von Karanovac bis Banjaluka, die schon alten Weg bedeuten, wurden von uns in der Kühle des Abends zurückgelegt. Ueberall Dörfer, Felder, Heerden, reitende und gehende, singende und schwatzende Landleute — ein echtes Feierabendbilcl. In Novoselo, einer erst in den siebziger Jahren durch eingewanderte Mohammedaner aus Serbien gegründeten Ortschaft, mit ihren vier kleinen Dzamijen verkündete der Muezzin bereits Ak&äm, als wir durchfuhren. Dann wechselten wir wieder das Flussufer, und durch die ausgedehnten Vorstädte von Banjaluka, das grüne Gornji-Scheher, durch die ganze weitgestreckte Stadt, dauerte es noch lange, ehe wir unser Quartier im »Hotel Bosna« erreichten. Es hatte wieder zu regnen begonnen, cler Tag aber war uns nicht durch die Witterung verdorben worden. Es war eine der lohnendsten und genussreichsten Fahrten in landschaftlicher Hinsicht auf bosnischem Boclen. Banjaluka. Banjaluka vermittelt den Uebergang vom Orient zum Abendland und doch ist es eine noch echt bosnische Stadt, trotz des vielen Europäischen und Halbeuropäischen, das hier zu sehen ist. Diejenigen Besucher des Landes, welche mit der Bahn von Kroatien aus nach Banjaluka kommen, erhalten den ersten Eindruck des bosnischen Lebens und Treibens; hier wird ihnen die Einführung vermittelt, bis sie immer tiefer ins Innere, in den Kern des vielen Interessanten, das sich im Lande verbirgt, eindringen. Die grosse Handelsstadt [Banjaluka zählte 1885 gegen 12000 Bewohner (unter denen 7000 Mohammedaner waren), heute 14789] war schon lange vor der Okkupation mit »Europa« — auf cler Balkanhalbinsel und auch in Bosnien sagt man stets Europa, wenn man von den übrigen Ländern unseres Welttheiles spricht, sich selbst rechnet man zum Orient — durch die Bahn Dobrlin-Banjaluka verbunden. Sie hatte zwar keinen Anschluss an eine kroatische Strecke, denn clie Linie Kostajnica-Sissek wurde erst lange nach der Besitznahme Bosniens erbaut, aber der Verkehr nach cler Grenze war erleichtert und abgekürzt und es schien fast, als würde Bosnien der Militärgrenze den Rang ablaufen. Wohlverstanden unter türkischer Zeit; heute maasse ich mir eine Parallele nicht an, ich konstatire nur, wie die Verhältnisse in Bosnien liegen, ohne clie Nachbarländer zu streifen. Aber die normalspurig gebaute Eisenbahn nach Banjaluka, die nach Sarajevo und über Sjenica im Paschalik Novibazar nach Mitrovica zum Anschluss an clie Bahn nach Salonichi weitergeführt werden sollte, blieb Kopfleiste: Am Park in Banjaluka. eine Sackbahn; das türkische »Jawasch, jawasch« (am besten mit: »Immer langsam voran« zu übersetzen) hinderte jeden Fortschritt, jeden Weiterbau; die Geldmittel waren auch nicht flüssig und so kam clie Insurrektion von 1875 der damaligen Bahnverwaltung (Gesellschaft cler ottomanischen Bahnen, die in Deutschland ihren Sitz hat) sehr gelegen. Sie ermöglichte, im Januar 1876 clen Betrieb einzustellen, der clie Kosten nicht lohnte, und Gras wuchs auf den Schienen, die Bosnien dem Weltverkehr erschliessen sollten. Erst 1878 wurde nach der Okkupation cler Betrieb von cler k. k. Militärverwaltung wieder aufgenommen, clie ihn auch bis heute im Anschlüsse an die ungarischen Staatsbahnen führt. f Eine Art fremden Elementes, ein gewisser frischer Luftzug, kam aber auch schon unter türkischer Zeit nach Banjaluka, und es gab hier immer eine österreichisch-ungarische Kolonie, für die ein Vicekonsul wirkte. In der Anschauung der maassgebenden mohammedanischen Grundbesitzerkreise änderte dies freilich nichts; sie blieben starr abgeschlossen und erst die letzten anderthalb Jahrzehnte haben sie zu anderen Ansichten bekehrt. So scheidet sich eigentlich Banjaluka seiner ganzen Anlage nach in eine echt türkische, eine gemischte und eine ganz europäische Stadt. Und diese Theilung kommt im Handel und Wandel, im Leben und Treiben zum Ausdruck. Selbst clie Lage der Stadttheile ist dementsprechend. Die Stadt liegt im südlichen Zipfel der 40 Kilometer langen und im Norden 30 Kilometer breiten deltaförmigen Ebene längs cler Save, deren östlichen Theil der Vrbas durchfliesst, deren westlicher clie Strasse über Gradiska nach Slavonien durchzieht. Das neue europäische und ein Theil des gemischten Stadtviertels liegen noch in der Ebene, die echt mohammedanischen Viertel sind in die Berge eingekeilt, clie sich zu beiden Seiten des Vrbas erstrecken und sich ganz nahe der Stadt zu förmlichen Schluchten verengen. Durch seine Lage ist Banjaluka ungemein bevorzugt, es liegt praktisch im Handels- und Geschäftssinne, es ist aber auch ungemein pittoresk in landschaftlicher Beziehung. Den schönsten Anblick geniesst man allerdings, wenn man von Norden aus der Ebene kommt. Schon weit vor cler Stadt sieht man clie Minarets sich vom Horizont abheben; am Fusse eines Bergabhanges wird das Trappistenkloster Maria-Stern mit seinem bedeutenden Gebäude-Komplex erkennbar, und nach einer Biegung des Weges hat man clie volle Sicht auf die Stadt. Von drei Seiten in einem grossen Halbmonde von Bergen umschlossen, am mächtig rauschenden Vrbas, über den mehrere Brücken führen, präsentirt sie sich in der weiten Ebene wunderhübsch. Von Weitem sehen auch die türkischen Häuser, umgeben von Gärten und Bäumen recht nett und anmuthend aus, während sie in cler Nähe oft genug ein Bild des Verfalles bieten. Wer mit der Eisenbahn ankommt, tritt zuerst ins europäische Viertel. Bis vor nicht langer Zeit lag der Bahnhof weit •■cîjnjr ftiiíg u o a juDisiixijTîlox Stadtthcil am Vrbasflussc in Banjaluka. draussen vor der Stadt, im sogenannten Trn, das nur aus wenigen Häusern besteht und wohin die Archäologen die alte Stadt vor der türkischen Eroberung verlegen wollen. Jetzt ist ein grosser Bahnhof in der Stadt gebaut, dicht hinter dem »Hotel Bosna«. Am Eingange des Ortes liegt an der breiten Heerstrasse, welche clie Eisenbahn übersetzt, clas Militärspital mit vielen Nebengebäuden, umgeben von neu angelegten üppigen Gärten, die Promenadenwege von Bäumen begrenzt. Dann kommt das grosse Militärlager mit seinen Baracken und Kasernen, wieder mit Gartenkultur. Jede cler Baracken besitzt ihren eigenen Gemüsegarten, der stets gut gepflegt ist. Wie die römischen Legionen hat das Militär in diesem Lande arbeiten müssen, erobernd, kolonisircnd und kultivirend. Neben dem Bau von Strassen und Gebäuden (ehe die Civilverwaltung eingreifen konnte) musste auch eine Gartenkultur eingeführt werden, sonst wäre die Menage sehr einförmig ausgefallen. Jetzt versteht jeder Soldat, wie er seinen Salat und seinen Kohl bauen soll und die Bosnier wunderten sich nicht wenig über die Geschicklichkeit cler Truppen. Nachgeahmt haben aber gerade in Banjaluka clas lohnende Geschäft des Gemüsebaues nur wenige Eingeborene; sie überlassen dies den »Schwaben« in den deutschen Kolonien an der Gradiskaner Strasse und den am rechten Ufer cles Vrbas in der Nähe der Zigeuner-Mahala angesiedelten Bulgaren, welche prächtige Gartenkultur besitzen und auch die eigentümliche Bewässerungsmethode mit den grossen Schöpfrädern aus der Heimath hierher verpflanzt haben. Von dem Barackenlager weiter schreitend, kommt man zu der riesigen, aus türkischer Zeit stammenden »Vrbas-Kaserne«, die in guten Bauzustand versetzt wurde. Besonders die Ställe für clie Pferde imponiren durch ihre Ausdehnung und Reinlichkeit. Ein grosses, mehrstöckiges Amtsgebäude schliesst dieses Viereck ab, worauf man zu einer cler schönsten Anlagen von Banjaluka gelangt: zum »Rudolfs-Weiler«. Es ist dies eine Park- und Waldanlage, innerhalb welcher sich verschiedene Gebäude für militärärarische Zwecke, Offizierswohnungen u. s. w. befinden. Grosse breite Strassen, mit Alleen von Linden, Platanen und anderen Bäumen bepflanzt, durchschneiden clie Anlage, von Gehwegen mit blühenden Hecken eingefasst. Blumenbeete und Nadelholzanpflanzungen machen den Gesammteindruck zu einem sehr anheimelnden und freundlichen. Auf dem Exercierplatze — einer weit ausgedehnten Wiese, auf der eine Armee Aufstellung nehmen könnte — befindet sich ein Denkmal für die am 14. August 1878 anlässlich des verräterischen Ueberfalles Gefallenen. Dasselbe ist in Gestalt einer Halbpyramide aus Quadern erbaut und mit einer gusseisernen Gedenktafel versehen. In seinem nördlichen Theile macht Banjaluka ganz clen Eindruck einer slavonischen Grenzstadt durch seine riesig breite Fahrstrasse und clie weiten Gehwege. In diesem Viertel stehen clie neue katholische Kirche, das »Hotel Bosna« mit umfangreichen Restaurations- und Kaffeehausräumen (ausserdem sind noch clas »Hotel Austria«, »l'ruckner« und viele Einkehrwirthshäuser in Banjaluka zu nennen), clie serbische öffentliche Volksschule in einer ehemaligen grossen türkischen Kaserne, viele Kaufläden und Privatgebäude von wohlhabenden Orthodoxen und Fremden. V Dann beginnt das eigentliche Handelscentrum der Stadt, die CarSija (Bazarviertel) mit ihren niederen Häusern und hölzernen Läden, in denen nach alter Sitte die Waaren feilgehalten werden. Es war gerade Hauptmarkttag, als ich das letzte Mal hier weilte, daher herrschte ein unbeschreibliches Gedrücke und Gedränge, ein Feilschen und Handeln, ein Geruch von gebratenem Fleisch, Zwiebeln und Knoblauch. Unten aber, in Folge des mehrtägigen Regenwetters, trat man in fusstiefen Schlamm. Die v Gässchen cler CarSija sind eng, schlecht gepflastert und ungemein schmutzig. Scheu drängt sich hin und wieder einer der wenigen noch vorhandenen herrenlosen Hunde — dieser echten Staffage des Orients — durch die Menge, meist clen Fremden anschnüffelnd und von ihm eine Gabe für den halbverhungerten Leib erflehend. V ^ Die Carsija bietet zu lebendigem Sehen überreichen Anlass. Schon clie verschiedene Kleidung der Käufer! Nirgends sieht man so viele schöne, buntgestickte Kleider, Hemden, Schürzen, als bei clen nach Banjaluka (•aqjo-waSsjiTB^ia^) nt¡Dng mania jo,\ kommenden Bäuerinnen. Die prächtigsten Muster wechseln mit einander ab und dabei herrscht eine Farbenfreudigkeit, wie sie weiter im Süden Bosniens nicht so ausgeprägt vorkommt. Dazu die verschiedenen Haarfrisuren, die merkwürdigen Kopfbedeckungen und die schönsten Gold-und Silberschmucksachen, die man sich nur denken kann. Der gebräuchliche Münzenschmuck, meist geschmackvoll angebracht, dazu heitere und lachende, wenn auch nicht gerade immer schöne Gesichter — es ist ein Bild, das zur Fröhlichkeit stimmt. Die Männer allerdings lassen sehr viel an ihrer Tracht vermissen, was der Schönheit dienen würde und sie erinnern stark an die kroatischen und slavonischen Bauern. Aber sie lernen, sie arbeiten, sie werden immer mehr Freibauern, des Kmetenverhältnisses los und ledig und darum sei ihrer mit Achtung gedacht. Es ist jüdischer Feiertag, die Geschäfte der einheimischen Juden, der Spaniolen, geschlossen. Aber in den Strassen spazieren überall die Frauen in ihren reichen, glänzenden Kleidern. Meist sind es hübsche Gestalten mit schönen Gesichtern, prächtigen Augen und selbstbewusster Haltung. Sie bilden den schärfsten Gegensatz zu den Türkinnen, die scheu und vermummt sich immer in der Nähe cler Häuser halten, als ob sie zur Klasse cler Paria gehören würden, während doch clie Mohammedaner auch heute mit Recht eine Achtung gebietende, vollkommen geschützte, wenn auch nicht mehr über dem Gesetze stehende Stellung einnehmen. Banjaluka ist eine alte Stadt. Römische Bäder beweisen, class hier eine Kolonie sich befand; vielleicht clas nach der Peutinger'schen Tafel am Flusse Urbanus gelegene »Castra«. Gewiss ist, class die aus Salona an cler Adria über Dalmatien nach Pannonien erbaute Strasse über »Ad Fines« und »Servitium« zum heutigen Berbir (Bosn.-Gradiska) an der Save führte. Das ist auch der Weg, welchen die Avaren nahmen, als sie ins römische Reich einbrachen und Bosnien verheerten, was die Gothen später noch gründlicher besorgten. In cler Zeit cler bosnischen Könige besass Banjaluka (Lukasbad) wenig Bedeutung; es war nur ein festes Kastell zwischen Berbir und Jajce; erst die Türken erkannten die Wichtigkeit der Lage und erhoben den Ort zu einer Stadt höheren Ranges. Viele Kämpfe und Schlachten sah Banjaluka in seiner Ebene und vor clen Mauern seines Kastells, i 527, 1688, 1737 fochten hier österreichischungarische Heere gegen die Türken. Von hier aber ging auch clie charakteristischste Bewegung aus, welche clas mohammedanische Bosnien aufzuweisen hat. Noch im serbischen Aufstände zu Anfang unseres Jahrhunderts unter Karagjorgje und später 1815 unter Milosch Obrenovic kämpften die kriegslustigen bosnischen Begs und Agas für clie Pforte. Kaum aber kam clie Künde, dass der Sultan die serbische Rajah befreien wolle und sich sogar in Unterhandlungen mit clen Empörern eingelassen habe, als auch schon clie bosnischen Janitscharen unter Führung von Ali kommenden Bäuerinnen. Die prächtigsten Muster wechseln mit einander ab und dabei herrscht eine Farbenfreudigkeit, wie sie weiter im Süden Bosniens nicht so ausgeprägt vorkommt. Dazu die verschiedenen Haarfrisuren, die merkwürdigen Kopfbedeckungen und die schönsten Gold-und Silberschmucksachen, die man sich nur denken kann. Der gebräuchliche Münzenschmuck, meist geschmackvoll angebracht, dazu heitere und lachende, wenn auch nicht gerade immer schöne Gesichter — es ist ein Bild, das zur Fröhlichkeit stimmt. Die Männer allerdings lassen sehr viel an ihrer Tracht vermissen, was der Schönheit dienen würde und sie erinnern stark an die kroatischen und slavonischen Bauern. Aber sie lernen, sie arbeiten, sie werden immer mehr Freibauern, des Kmetenverhältnisses los und ledig und darum sei ihrer mit Achtung gedacht. Es ist jüdischer Feiertag, die Geschäfte der einheimischen Juden, der Spaniolen, geschlossen. Aber in den Strassen spazieren überall die Frauen in ihren reichen, glänzenden Kleidern. Meist sind es hübsche Gestalten mit schönen Gesichtern, prächtigen Augen und selbstbewusster Haltung. Sie bilden den schärfsten Gegensatz zu den Türkinnen, clie scheu und vermummt sich immer in der Nähe der Häuser halten, als ob sie zur Klasse der Paria gehören würden, während doch clie Mohammedaner auch heute mit Recht eine Achtung gebietende, vollkommen geschützte, wenn auch nicht mehr über dem Gesetze stehende Stellung einnehmen. Banjaluka ist eine alte Stadt. Römische Bäder beweisen, class hier eine Kolonie sich befand; vielleicht das nach der Peutineer'schen Tafel am ' o Flusse Urbanus gelegene »Castra«. Gewiss ist, dass die aus Salona an der Adria über Dalmatien nach Pannonien erbaute Strasse über »Ad Fines« und »Servitium« zum heutigen Berbir (Bosn.-Gradiska) an der Save führte. Das ist auch der Weg, welchen die Avaren nahmen, als sie ins römische Reich einbrachen und Bosnien verheerten, was die Gothen später noch gründlicher besorgten. In cler Zeit der bosnischen Könige besass Banjaluka (Lukasbad) wenig Bedeutung; es war nur ein festes Kastell zwischen Berbir und Jajce; erst clie Türken erkannten clie Wichtigkeit der Lage und erhoben den Ort zu einer Stadt höheren Ranges. Viele Kämpfe und Schlachten sah Banjaluka in seiner Ebene und vor clen Mauern seines Kastells. 1527, 1688, 1737 fochten hier österreichischungarische Heere gegen die Türken. Von hier aber ging auch clie charakteristischste Bewegung aus, welche clas mohammedanische Bosnien aufzuweisen hat. Noch im serbischen Aufstände zu Anfang unseres Jahrhunderts unter Karagjorgje und später 1815 unter Milosch Obrenovic kämpften die kriegslustigen bosnischen Begs und Agas für clie Pforte. Kaum aber kam die Kunde, dass der Sultan die serbische Rajah befreien wolle und sich sogar in Unterhandlungen mit clen Empörern eingelassen habe, als auch schon die bosnischen Janitscharen unter Führung von Ali Beg Vidaic, des Kapetans von Zwornik, zu den Waffen griffen, um gegen diesen Friedensschluss zu protestiren. Erst im Jahre 1821 unterdrückte der energische Dschellaleddin Pascha, der in einer Nacht dreissig bosnische Adelige um einen Kopf kürzer machen liess, die Bewegung. Als aber im Jahre 1826 die Begs hörten, dass in Stambul alle Janitscharen niedergemetzelt seien, da entfaltete Ali Beg Vidaic neuerdings die Fahne cler Revolution und der damalige bosnische Vezier Had/i Mustafa Pascha musste, als er den die Auflösung der Janitscharen ankündigenden Ferman und die konfessionelle Gleichberechtigung verlautbaren wollte, aus Travnik flüchten. Sein Nachfolger, der energische Abdurrahman Pascha, vermochte den Aufstand wieder nur mit zahlreichen 1 linrichtungen und vielem Blutvergiessen zu unterdrücken. Da kam cler russisch-türkische Krieg von 1828 und 1829. Die Russen standen in Adrianopel, Sultan Mahmud II. schritt ernstlich zu europäischen Reformen. Auch in Bosniens Gebirgen, dem Sitze des starresten Alttürkenthums, sollten sie Eingang finden. Aber cler bosnische Adel war nicht geneigt, sich den Giauren und dem »Giaursultan« zu fügen. Wieder wurde zu den Waffen gerufen und der Kapetan von Gradaiac, Hussein Berbirli Aga, war es, der in Banjaluka die Aufständischen versammelte. Der »Zmaj bosanski« (bosnische Drache) entfaltete clie grüne P'ahne cles Propheten, er eroberte ganz Bosnien, er zog mit 40 000 Mann aufs Amselfeld, er eroberte alle Städte bis weit nach Rumelien, und ohne die Geschicklichkeit des Grossveziers Reschicl Pascha, der Zwietracht zwischen Bosniaken und Albanesen säte, wäre Hussein Berbirli Aga auch nach Konstantinopel gekommen. So mussten die Bosnier zurückkehren (wir haben den Verlauf dieser Bewegung an anderer Stelle geschildert), und Hussein Aga musste auf ungarischen Boden nach Essek flüchten, von wo er später als Begnadigter nach Bosnien zurückkehrte, aber nach Trapezunt gebracht wurde, wo er starb. Und trotz aller Hinrichtungen erhob sich der trotzige bosnische Adel 1849 wieder, er wollte nie clen Christen clie Gleichberechtigung zugestehen. Omer Pascha — der einst als österreichischer flüchtiger Militärfeldwebel in Banjaluka zum Islam übergetreten war — schlug den Aufstand mit unerbittlicher Strenge nieder und auch in Banjaluka flogen clie Häupter von den Rümpfen. Es ist ein seltsames Zeichen, dass einst gerade an den österreichisch-ungarischen Grenzen die V Mohammedaner am fanatischsten waren. Samac, Bröka, Kostajnica und Banjaluka sind die besten Beispiele hierfür, und am 14. August 1878 legte die Banjalukaner Bevölkerung clie letzte Probe ihres alten aufrührerischen Geistes ab. . . . Und nun zum Kastell, cler Festung! Dort, wo von Osten der Ponir, vom Westen der LauS die tosenden Wasser des Vrbas zusammendrängt, wo dieser aus dem schmalen Felsdefile der Waldberge hervortritt, beginnt die Staclt. Der Ponir nach Osten, der LauS nach Westen verlaufend, geben einer schmalen langen Ebene Raum, durch welche der Vrbas noch eine Weile hart am Ponir dahinfliesst, bis er den von der nordöstlichen Lehne des Gebirges herabstürzenden Vrbanjabach aufgenommen hat, wonach er in die grosse Ebene der Save sich verläuft. Während der Vrbas noch unter dem Ponir fortfiiesst, ergiesst sich in ihn von der westwärts liegenden Lehne des Lau§, gerade dort, wo die Ebene in grösserem Maasse sich erweitert, der Crkvinabach. Jenseits desselben, zwischen seinem rechten und dem linken Ufer des Vrbas, im Winkel, den die beiden Wässer bilden, auf den LauS gelehnt, liegt die alte Stadt mit ihrer Citadelle und der grossen Moschee. Das Kastell ist von Aussen halb verfallen, doch wird es so viel als möglich Festung in Banjaluka. erhalten, wegen der vielen in demselben befindlichen militärischen Gebäude, des Monturdepots, des Bettenmagazins, der Gefangnisse, des Pulvermagazins u. s. w. Eine Offiziers- und eine Mannschaftskantine sorgen für die leiblichen Bedürfnisse der Besatzung. Ein geradezu idyllischer Punkt ist aber der Offiziersgarten, direkt an der dem Vrbas zugekehrten Mauer gelegen. Das ist ein wirklich schattiger Punkt in Banjaluka mit üppiger Vegetation. Hier fand ich blühende Rosen. Die Offiziere haben sich einen netten Pavillon, Sommerhäuschen, eine Kegelbahn errichtet und Bänke laden überall zum Ausruhen ein; da giebt es eine »Rudolf-Laube«, eine »Rebenlaube«, und ein tief unten gelegenes lauschiges Plätzchen, in das kaum ein Sonnenstrahl dringen kann, wurde »Zum kühlen Grunde« getauft. Der Anblick von diesem Garten auf den Vrbas, die jenseits desselben gelegeneu einsamen türkischen Viertel mit ihren vielen kleinen, aus dem Grün hervortretenden Moscheen mit zum Theil hölzernen Minarets, und auf die Abhänge der Ko-zara, istwundervoll. Nebenbei hat man auch die Aussicht auf den beim Zigeunerviertel gelegenen Richtplatz, wo schon einige schwere Verbrecher, darunter der berüchtigte Räuber Vuk&an, ruhen. Der Konak, jetzt das Gebäude der Kreisbehörde, bildet mit der nahen grossen Ferhad Pascha-Moschee das Centrum der Altstadt, in dem auch der vornehmere Theil der mohammedanischen Bevölkerung seinen Wohnsitz hat. Die Ferhadija ist die bedeutendste unter den 45 Dzamijen Banja-lukas und sie wurde eigentlich auf Kosten der österreichischen gräflichen Familie Auersperg erbaut. Der bosnische Vezier Ferhad Pascha hatte, als er im Jahre 1576 bei Radonja in Kroatien den General Eberhard Auersperg schlug, dessen Sohn Engelbert gefangen genommen. Aus dem Lösegeld wurde dieFerhadija-Moschee gebaut. Grosse Lindenbäume beschatten den Vorplatz. In dem Friedhof, welcher die Moschee umgiebt, befinden sich einige kunstvollere Denkmäler. Erwähnenswert ist aber in Banjaluka^die Kiraet-hana, die mohammedanische Lesehalle, die in der nach der CarSija führenden Hauptstrasse als ein Achtung gebietendes, im maurischen Stil (wie in Sarajevo) erbautes Gebäude sich repräsentirt. Diese Kiraethane dienen nicht mehr ausschliesslich als Lesehallen, sie sind Kasinos, Klubs geworden, in denen Versammlungen und Vorträge abgehalten werden, die also einen sehr nützlichen Zweck verfolgen. Sie besitzen^ ihr Seitenstück in clen Militär- und Beamten-Kasinos, in clen orthodoxen Citaonicas u. s. w. Dass sie den Zusammenhalt der dort verkehrenden Klassen fördern, ist sicher, noch gewisser aber, dass sie einst politische Bedeutung gewinnen werden, wenn einmal Bosnien in clen Bannkreis des Parlamentarismus gezogen werden sollte. Nach den Erfahrungen, clie man in Serbien und Bulgarien, gar erst in Kreta gemacht hat, wird es allerdings clas Beste bleiben, wenn clie bisherige Verwaltung — Ferhad Pascha-Moschee in Banjaluka. welcher selbst die seinerzeitigen Oppositionellen in den Delegationen die »mit dem grössten Wohlwollen gepaarte Gemässigtheit« nicht absprechen können — noch eine lange Reihe von Jahren in ihrer gegenwärtigen Gestaltung erhalten wird. Wir besuchen noch eines der erhaltenen Denkmäler aus römischer Zeit: die alten Bäder. Sie liegen am rechten Ufer des Vrbas, in dem ungefähr dem Kastell gegenüber beginnenden und eine Stunde weit in die Bergenge hinaufreichenden Stadttheile, ein gutes Stück flussaufwärts. Der ganze Stadttheil erstreckt sich dicht neben dem Flusse und dem Ponir. Der Berg erhebt sich anfangs 100, weiter oben 300 Fuss über clen Fluss, in den er an manchen Stellen wie eine steile Wand abfällt. Das Bett cles Vrbas ist felsig, sein Fall stark und er wird durch die für unzählige Mühlen errichteten Wehre noch rauschender. Das Wasser ist gegen 300 Fuss breit. Am jenseitigen Ufer beginnt sich in Hügeln, die mit Obstbäumen bestanden sind, wieder ein Höhenzug zu erheben. Die Schlangenwindung der Bergenge mit ihrer bald verschwindenden, bald wieder auftauchenden Häuserreihe, hie und da mit einer Moschee zwischen clen lauschigen Gärten und Felswänden, belebt durch den tosenden Wirbel und das Geklapper der Mühlen, ist eine der schönsten Idyllen. Und inmitten derselben liegen in zwei Gruppen clie römischen Bäder. Das eine in cler Nähe einer Brücke ist nur eine Ruine, aus der eine warme Quelle sprudelt. An dieser Stelle wurden in den siebziger Jahren 600 römische Münzen —wahrscheinlich die ganze Badekasse — gefunden. Etwas weiter flussaufwärts steht das noch heute benutzte Bad, ein massives Gebäude mit Kuppeln, dessen Entstehung in das sechste Jahrhundert verlegt wird, daneben ein anderes, gleichfalls in Trümmer zerfallen. In der Nähe befinden sich noch drei bisher nicht gefasste Quellen. Und überall zwischen Häusern, Gärten und Feldern finden sich die türkischen Friedhöfe, oft als grosse Keile zwischen den schönsten Fruchtfeldern. Der Todtenkultus mag ja recht schön sein, er hat eine gewisse Berechtigung, aber am Ende dürfen die Toclten doch nicht die Lebenden aus ihrem Besitz drängen und dies ist in einigen bosnischen Städten fast der Fall. Immer und überall die Leichensteine sehen, ist nicht Jedermanns Sache, obwohl der Tod auf dem Balkan nicht im dunkeln Trauergewande auftritt. Hier ist der PViedhof mehr ein Feld mit wirren Steinsäulen, auf dem anstandslos Schafe und Ziegen weiden. Nur bei den Moscheen sind die Friedhöfe wohl nicht gepflegt, aber geschützt und vom Grün überwuchert. Und dieses Grün, das sich überall findet, ist es, was auch cler ganzen Berggegend, die cles eigentlichen Hochwaldes entbehrt, ihren Reiz verleiht. Die Bergkegel, die aus dem Hochplateau durch zahlreiche Erosionen herausgewachsen sind, deckt ein Buschwald, hier kaum kniehoch, dort über mannshoch und ausserordentlich schwer durchdringbar. Knorrige Hainbuchenbüsche, dornige Birnbäume, die nicht aus ihrer krüppelhatten Natur herauszukommen scheinen, dichte Buchenbüsche, Haselnusssträucher, Schwarzdorn, strauchige Feldahorne, Wacholder — alle demüthig dem Boden angeschmiegt, als würden sie vom Sturme niedergedrückt — bilden hier den Wald. Und doch griissen aus ihm Arten, die in den sonnigsten Süden versetzen. Die kleinen purpurnen Blüthen des Labkrautes (Galium purpureum), die Zweige des Mäusedornes, die Blüthenköpfchen der kleinen, weissen mit schwarzblauem Kiel gezeichneten Blumen des krautigen Backenklees (Dorycnium herbaceum), die duftende Blume des Alpenveilchens, die borstigen Aehren des Kammgrases (Cynosurus eclivatus) sind in ihm versteckt oder kleben in den Ritzen der kahlen Felsen, die hin und wieder über einige Quadratmeter weit gleich ernsten Mahnern und Warnern die Schrecken der Verkarstung in Miniaturbildern zeigen. Von der Höhe schreiten wir wieder durch stille mohammedanische Viertel zur hastenden, nie rastenden Europäerstadt, wo Damen wirkliche Schleppen durch den fusstiefen Koth schleifen, wo die verrücktesten Ilut-moden der Grossstädte in getreuer Nachahmung getragen werden, zum Schrecken und zum Abscheu der Einheimischen und — der eigenen Ehemänner! Im Kafifeehause halten wir Rast und lesen die neuesten Wiener und Budapester Zeitungen, wir sehen die Spiele, die Unterhaltungen — es ist schon Abendland. Vorüber zieht ein Leichenzug mit Kreuzen und Fahnen; Nonnen und Kinder vor und nach dem Sarge. Er erinnert uns, dass Banjaluka auch ein katholisches Centrum ist, dass es einen Bischof, Trappiste » klo s ter Maria-Stern. zwei vorzügliche Mädchen-Erziehungsanstalten und selbst ein Trappisten-klostcr besitzt. Ueberall steht der konfessionelle Unterricht, die konfessionelle Erziehung im Vordergrunde; nur die von der Landesregierung errichteten Schulen wahren auch hier den für dieses Land allein richtigen Standpunkt der Interkonfessionalität. Die Trappisten gehören, allerdings in sehr vereinzelten Exemplaren, zum Gesammt-Strassenbilde von Banjaluka. Die barhäuptigen Schweiger in ihren weissgrauen Kutten erinnern sehr an die Derwische. Die strenge Regel des Ordens hatte ihnen einstmals die Zulassung in Bosnien ermöglicht und sie vor dem Fanatismus der Bevölkerung geschützt. Asböth schreibt über die Trappisten: »Im Jahre 1868 vom Rheine vertrieben, suchten sich diese Mönche vergebens in den christlichen Staaten anzusiedeln. Schliesslich gewährte ihnen der Sultan einen Zufluchtsort in der Nähe von Banjaluka, wo sie am rechten Ufer des Vrbas Baugründe kauften und ihr Kloster errichteten. In diesem Kloster herrscht die volle, unerbittliche Strenge des Ordens. Und vielleicht ist es gerade diese Strenge, die der Bevölkerung so sehr imponirt, dass die Verehrung der Trappisten bei allen Konfessionen eine, man kann sagen unbegrenzte ist. Die tiefe Religiosität der Bosnier, welche so viel überschwenglichen Mass und so viele blutige Zusummen-stösse verursachte, ehrt die strenge Religiosität auch bei Andersgläubigen, und wenn Jemand im Rufe eines heiligen Lebens steht, wenden sich auch die Angehörigen anderer Religionen voll Ehrerbietung und Vertrauen an ihn. Selbst die strengsten der Derwische führen kein so strenges Leben wie die Trappisten. Mit Staunen hörten und überzeugten sich Katholiken, Orthodoxe und Mohammedaner, dass diese Männer in kleinen Zellen, wo eben nur ein Strohsack Platz hat, wohnen, nach kurzer Nachtruhe, während der sie ihre Kutten nicht ablegen, schon um 2 Uhr Morgens ihre täglichen Gebete und ihre nützlichen Arbeiten beginnen, dass sie sogar dem entsagt haben, was selbst dem elendesten Erdensohne unverkürzbare Freude und Trost gewährt und in ewigem Schweigen ihre Tage verbringen, um in ihren überirdischen Betrachtungen nicht durch weltliche Gedanken gestört zu werden, dass sie nur mit besonderer Erlaubniss in Erfüllung ihrer Pflichten sprechen und auch jene Sünden, die sie bei ihrer entsagungsvollen, strengen Lebensweise höchstens in Gedanken begehen können, an jedem Feiertage durch grausame Oeisselung an sich selbst 7.11 strafen bemüht sind, wie denn ausser dem Strohsack die Geisse] ihr einziges Mobiliar bildet. Diese Lebensweise, diese Uebungen mussten auf das zur Schwärmerei hinneigende Volk einen tiefen Eindruck machen. . . . Dieses strenge Leben gewann den Trappisten vielleicht mehr als ihr nützliches Wirken das Wohlwollen der Bevölkerung, ebnete aber auch ihrer Thätigkeit den Weg, sodass sich das Kloster bald zu einem Brennpunkte civilisatorischer Entwicklung erhob. Nicht nur den Fortschritt der Bodenkultur fördern die Mönche durch ihr Beispiel, indem sie ihre Gründe mit Dampfmaschinen bebauen, sondern sie verbreiten auch die Industrie.« Mit gewissen kleinen Einschränkungen ist dieses Lob wohl zutreffend; unter den Trappisten — etwa hundert in Maria-Stern — giebt es Schuhmacher, Schneider, Weber, Schmiede, Töpfer, Landwirthe und Bierbrauer. Sie verfertigen alles, was sie für sich selbst brauchen und auch vieles zum Verkaufe; jeder Mönch muss eine bestimmte Beschäftigung haben und junge Bosniaken werden angelernt. Ueberdies halten sie eine Schule, in welcher der Unterricht unentgeltlich ertheilt wird; sie nehmen Waisen zu sich und üben freigebig alle Arten des Wohlthuns. Jetzt beschäftigt sich das Kloster, seit seine Bierbrauerei stark Schiffbruch gelitten, meist mit Erzeugung des sogenannten »Trappistenkäses«, der einen wohlverdienten Ruf geniesst und auch ins Ausland verschickt wird. Da das Kloster selbst nicht einen so grossen Viehstand besitzt, liefern hauptsächlich die nahen deutschen Kolonien die Milch für die Klosterkäserei. Vrbasbrücke in Banjaluka. In den Kolonien. Zweimal habe ich clie deutschen und clie italienischen Kolonien besucht, die sich von Banjaluka bis in clie Nähe von Bosnisch-Gradiska (clas einstige Berbir) zu beiden Seiten der grossen Heerstrasse über sechs Fahrstunden weit dahinziehen. Es geschah dies mit einem Zwischenräume von acht Jahren, und um den Fortschritt so recht zu verdeutlichen, will ich meinen Bericht vom Jahre 1886 demjenigen von 1894 voranstellen. Dadurch ergiebt sich am Besten, wie hier zielbewusst gearbeitet wurde und noch wird. 1886. 3. Mai .... Ich war in Altgradiska. Der seit mehreren Tagen anhaltende Regen war vergangen, ein kalter, aber wunderschöner Frühlingstag begünstigte die Fahrt zu unseren deutschen Brüdern in Bosnien. Mein kroatischer Kutscher, clen ich aufgenommen, um stehen bleiben zu können wo ich wollte, um nicht durch die festgesetzte Fahrzeit der Post behindert zu werden, hatte sich früh Morgens pünktlich eingefunden, und wenn auch cler Wagen an Bequemlichkeit nicht das Mindeste bot, so reichte er doch für meinen Zweck vollkommen aus. Eine Plättenüberfuhr besorgt clie Verbindung mit Berbir oder wie es amtlich heisst: Bosnisch-Gradiska. Dieser Ort, obwohl er Sitz der Bezirksbehörde ist, bietet nichts Bemerkens-werthes. Es ist noch dasselbe Nest wie zehn Jahre früher, wo ich mich einmal in Berbir befand, als es zu Ehren der Thronbesteigung Sultan Murads flaggte und illuminirte. Die Häuser sehen halsbrecherisch aus, cler in kleinen türkischen Orten obligate Schmutz ist hier tiefer als anders- Kopfleiste: Auf clem Wege zur Stadt. wo, von einer ordentlichen Pflasterung ist in diesem durch clie Grafen von Berbir (Bribir) und durch Hussein Berbirli Aga historisch gewordenen Flecken keine Rede. (Seitdem haben sich auch hier clie Verhältnisse gründlich geändert. D. Verf.) Ich war redlich froh, als wir Berbir hinter uns hatten und auf der gut erhaltenen und wohlgebauten Fahrstrasse nach Banjaluka dahinrollten. Die Wiesen und Gestrüppflächen zu beiden Seiten cles Weges waren theilweise mit Wassertümpeln bedeckt, die aber nicht verhinderten, dass ganze Heerden von Rindern und Pferden darauf weideten. Die Gegend bleibt eine halbe Stunde lang einförmig, nur in der Ferne sieht man die bewaldeten Berge der Kozara-Planina, einst der Tummelplatz christlicher Insurgenten gegen die Türken. Die Wälder dieses Gebirges werden jetzt grossentheils ausgestockt und so, wie die Eichenwälder bereits zu Fassdauben verschnitten den Weg nach Frankreich angetreten haben, so folgen jetzt Nadelhölzer, die ein Holzhändler Brabetz zur Ver-werthung gekauft hat. In Berbir befindet sich ein grosses Lager von Balken und Brettern, die ihren Weg mit clen Saveschiffen nach Sissek nehmen. Nach einer weiteren Viertelstunde zeigen sich schon nett bearbeitete F"elder, denen man ansieht, dass nicht Bosniaken den Boden bestellen, dass hier ein ordentlicher Pflug gehandhabt wurde. Bald tauchen auch Ziegeldächer zwischen bosnischen Hütten auf, und es dauert nicht lange, so befinden wir uns inmitten einer Ansiedlung, welche man getrost nach Norddeutschland versetzen könnte. Durchwegs aus Ziegeln aufgeführte zweistöckige Gebäude wechseln mit einstöckigen ab, an den blank geputzten Fensterscheiben Gardinen oder farbige Vorhänge, meist braune Fensterladen und auch vereinzelte grüne Jalousien. Auf den Fensterbrettern aber stehen Blumenstöcke, ein Anblick, den man in bosnischen Bauernhäusern nicht geniesst. Oft ist vor dpm Hause ein kleines Gärtchen angelegt, in dem das Sommerhäuschen nicht fehlt. Das ist schon Ober-Windhorst, das sich längs der Strasse erstreckt, bei den Eingeborenen auch nach dem früheren Namen Rovince oder Laminci gehcissen. Ein Theil der Gebäude ist ganz solid fertiggestellt, ein noch grösserer im Bau begriffen. Holz und Ziegel stehen- überall bereit. Man sieht deutlich, dass hier gearbeitet wird, dass die Leute sich auf eine dauernde Niederlassung vorbereiten. Die den Ankömmlingen vor Jahren zur provisorischen Unterkunft dienenden Bretterhütten sind im Abbruch begriffen; nur hin und wiederstehen bosnische Bauernhäuser und der Zigeuner aus Zweigen geflochtene, mit etwas Lehm verschmierte Unterkunftsorte, in die man in civilisirten Ländern keinen Hund einsperren würde. Die Wirtschaftsgebäude sind ebenso solid wie clie Wohngebäude gebaut. Anstatt der landesüblichen Hambars, die zur Aufbewahrung des Kukuruz und anderer Feldfrucht dienen, erblickt man grosse gemauerte Scheunen mit grossen Thoren und gestampften Tennen, ganz wie in den Marschen Frieslands und Oldenburgs. Die Gemüsegärten sind gepflegt; was das Frühjahr zeitigt, steht im üppigen Wachsthum. Die Felder dehnen sich meist hinter dem Hause aus und werden zum Theil erst jetzt bearbeitet. Man erkennt die »schwäbischen« Komplexe sofort daran, dass die landesübliche Einzäunung, welche sonst auch bei dem kleinsten Stück Feld in Bosnien angebracht wird, fehlt — eine Einrichtung, welche den Ansiedlern schon viel Aerger und Verdruss bereitete, da das frei weidende Vieh die Aecker verwüstete. Aber bei den grossen Flächen, die hier jeder Ansiedler besitzt, wäre eine Einzäunung kaum durchführbar. Die Häuser bilden noch kein geschlossenes Dorf; meist liegen dieselben von Gärten und Feldern umschlossen und sogar eine halbe Stunde weit nach links tauchen vereinzelte rothe Dächer aus der Ebene auf. Die Kolonie Windhorst im Entstehen. Ober-Windhorst besitzt auch ein zur Kirche eingerichtetes Haus und daneben auf einem hohen Holzgerüst eine Glocke, welche Mittags geläutet wird. Unter-Wind hörst, zehn Fahrminuten weiter au der Strasse gelegen, sieht noch stattlicher und viel fertiger aus. Ein grosses einstöckiges Gebäude mit einer um das ganze Haus gehenden Holzveranda trägt die Aufschrift: »Gasthaus und Handlung des Ferdinand Brenzinger«. Ich liess meinen Kutscher halten und trat in die nach Art der deutschen Dorf-schänken gehaltene Trinkstube, welcher gegenüber ein Kramladen lag. Eine freundliche Frau begriisste mich in schwäbischem Dialekt und bot mir einen echten Kornbranntwein als Getränk. Ich liess mich mit ihr in ein Gespräch ein und erfuhr, dass sie und ihr Mann aus der Gegend von Heidelberg stammen, mit noch zwei badischen Familien hierher ausgewandert sind und seit sechs Jahren rechtschaffen hausen und wirken. Es gehe ihnen Gott sei Dank recht gut, sie hätten etwas vor sich gebracht, besässen drei Ziegelöfen und eine Kalkbrennerei ausser vielem Feld und fänden für ihre Erzeugnisse einen guten Markt in Berbir und Banjaluka, für die Erntefrüchte aber, wie auch clie meisten anderen Kolonisten, einen solchen in Sissek, wohin die Frucht mit Schiffen expedirt werde. Brenzinger ist nebenbei auch der Bürgermeister oder der Knez des Dorfes. Unter-Windhorst besitzt eine Kirche und einen hölzernen Glockenthurm. Mit Maglaj am Vrbas zusammen bilden diese Kolonien eine Pfarrgemeinde. Selbstverständlich ist auch eine Volksschule vorhanden, in der deutsch und bosnisch gelehrt wird. Das Gros der Ansiedler traf bereits im Februar 1879 hier ein und kaufte — da die Leute Geld mit sich brachten — von Salih Beg D2ini<5 und Sivic, wie einigen anderen türkischen Grossgrunclbesitzern, grosse Flächen zu günstigen Bedingungen an. Der Boden bestand allerdings aus Wiesen, Niederwald und Gestrüpp und die Rodung, wie die Drainage der versumpften Flächen erforderte viel Zeit und Geduld. Da aber die letztere bei den Deutschen in hohem Maasse vorhanden ist, so gelang das schwere Werk und heute ist der Boden zu mindestens zwei Dritttheilen urbar gemacht. Das Joch Grund kostete im Anfang durchschnittlich 40 fl., doch sind die Begs jetzt schon bis auf 200 fl. gestiegen. Die Ansiedler in Windhorst stammen meist aus Hannover, Oldenburg, Braunschweig und Rheinpreussen. Von den letzteren traf ich zwei, welche aus der Gegend von Koblenz zu Hause sind und den dortigen schwer verständlichen Dialekt noch unverfälscht sprachen. In den letzten Jahren hat sich aber auch ein nicht kapitalkräftiges Element, Arbeiter aus der Gegend von Essen, hierher gezogen. Diesen Leuten geht es nicht besonders, da sie meist bei den anderen Ansiedlern arbeiten müssen, bis es ihnen gelingt, ein Stück Grund zu erwirtschaften. Die Kolonisten gehen aber einander sehr an die Hand, und so werden wohl auch clie Aermeren sich nach und nach zu etwas Wohlstand emporarbeiten. Was die Kleidung der Ansiedler anbelangt, so ist dieselbe noch ganz die heimische; auch clie Holzschuhe sind bei vielen geblieben. Dem Fremden kommen clie Leute höflich und freundlich entgegen, jedes Kind — fast alle flachsblond — griisst und antwortet artig auf jede PYage. Wie schon aus dem Namen cler Kolonie ersichtlich, sind die Ansiedler in Windhorst fast durchweg Katholiken. Nach der Volkszählung von 1885 zählte die Gemeinde Windhorst 802 Bewohner, von denen 700 Fremde, d. h. deutsche Staatsangehörige, 14 österreichisch - ungarische Untertanen waren. Im ganzen waren 206 freie Kolonisten und nur 1 Kmet vorhanden. Katholiken waren 791, Protestanten 6, Juden 5. Mohammedaner und Griechisch-Orthodoxe fehlten gänzlich. Fast eine Stunde von Windhorst entfernt befindet sich wieder eine kompakte Kolonie von Deutschen, Hannoveranern, Oldenburgern und Preussisch - Schlesien!, zusammen 60 Familien. Ausserdem sind hier — 5°4 — Ko 1 onistenhaus iti Windhorst. 20 Familien aus Ungarn, aus der Gegend von Steinamanger angesiedelt; dicht dabei aber, in Mahovljani, 98 Wälschtiroler Familien, clie sich mit den Deutschen gut vertragen und fast eine Gemeinde mit diesen bilden. Die genauen Volkszählungsziffern waren: Maglaj am Vrbas: 318 Bewohner, darunter 251 Fremde, 55 österreichisch-ungarische Staatsangehörige, von denen 3 Gutsbesitzer, 60 freie Bauern (Kolonisten), 9 Kmeten (Pächter) waren. Die Zahl cler Katholiken betrug 303, clie cler Protestanten 10, der Orthodoxen I, Juden 4, Mohammedaner keinen. In Mahovljani (Tiroler Kolonie): 303 Bewohner, darunter 98 Bauernstellenbesitzer, durchweg österreichisch-ungarische Untertlianen und katholisch. Auch die Ansiedlung in Maglaj am Vrbas (heute Rudolfsthal) wurde Anfang 1879 begonnen, gewann immer mehr durch Zuzug und dieser dauert noch fort. Ein gewisser Anton Märton, welcher eine Gastwirthschaft betreibt und eine grosse Oekonomie besitzt, war einer cler ersten Ansiedler. Er reist fast alle Jahre in seine ungarische Heimath und immer schliessen sich ihm einige Familien bei der Rückkehr zur Uebersiedlung nach Bosnien an. Die Wälschtiroler aus der Trienter Gegend sind Regierungskolonisten, und diesen geht es fürs Erste noch kümmerlich, doch arbeiten sie sehr fleissig und sind bei den wohlhabenden Deutschen recht beliebt. Sie er- hielten von der Regierung Land zugetheilt gegen nach Jahren eintretende minimale Abzahlungen, zur Bestellung cles Bodens jede Familie eine Kuh und einen Ochsen und im ersten Jahre clen nöthigen Kukuruz. Im zweiten Jahre erhielten nur die Bedürftigen die Unterstützung. Die deutschen Ansiedler sind fast sämmtlich Grossbauern; drei derselben, ein Herr von Ebeling, ein gewisser Jansen und ein Oldenburger aus Löhningen, dessen Name mir nicht gegenwärtig ist, sind Grossgrundbesitzer. Der letztere kaufte zum Anfang eine Area von ioco preussischen Morgen an, auf welcher aber sechs Knieten (Pächter) waren. Diese konnte er nur dadurch los werden — zur Bearbeitung brauchte er sie nicht — dass er ihnen ein Stück Land als Abfertigung gab. Nun nahmen die Bosniaken ihre Hütten und sogenannten Wirtschaftsgebäude auf ihr neues Besitzthum mit, was in ziemlich origineller Weise geschah. Die Hütten waren gänzlich aus Holz gebaut; dieselben wurden untergraben, man schob einen 18 Meter langen Schlitten darunter und verband die ganze Herrlichkeit fest mit Stricken. 146 Ochsen bewerkstelligten das Wegziehen und Transportiren, an dem sich natürlich die ganze Nachbarschaft unter grossem Geschrei betheiligte. Auf diese Weise wurden 8 Häuser und 50 Nebengebäude ohne Unfall übersiedelt. Die Besitzungen von Ebeling und Jansen sind holländischen grossen Meiereien mit herrschaftlichen Wohngebäuden ähnlich und es wird auch wie in allen Wirthschaften im Kleinen — eine bedeutende Milchwirtschaft betrieben. Ich ass dort Butter, wie sie nur noch in unseren Alpenländern angetroffen wird. Für die Butter ist hauptsächlich Banjaluka mit seinen vielen Beamten, Militärs und Fremden ein guter und sicherer Abnehmer. Das Kilo stellt sich auf 80 bis 90 Kreuzer. Uebrigens beschäftigen sich die Unternehmer auch mit dem Plane, ihre Erzeugnisse nach Jajce, Travnik und Sarajevo, sowie in clie kroatischen Savestäclte zu verschicken. Wie die Kultivirung des Bodens begonnen wird, zeigt am deutlichsten das Beispiel Jansens. Nachdem derselbe eine ziemliche Anzahl Joch urbar gemacht hatte, baute er clas erste Jahr auf dem ganzen Grundstück Klee. Die Bosnier lachten ihn aus; ein so närrischer Kerl war ihnen noch nicht vorgekommen. Jansen aber, welcher Brotfrucht billig kaufen konnte, liess sich als echter Norddeutscher nicht beirren; er erntete sechs Meter-centner Kleesamen und brachte ihn zum Verkauf nach Altgradiska. Der Kaufmann sah ihn gross an, class er dieses Quantum auf seinem eigenen Boden gewonnen haben wollte, denn so viel Kleesamen kommt in ganz Slavonien nicht vor. Er erhielt für den Metercentner 35 Fl. und war zufrieden. Im zweiten Jahr baute er schon etwas Brotfrucht, aber auch wieder viel Klee. Von letzterem betrug clie Fechsung 30 Metercentner. Jetzt führte er das ganze Quantum zu Schiff nach Sissek und machte ein ganz erträgliches Geschäft dabei. Heute baut er Weizen, Roggen, Hafer, Klee, Raps und viele Gemüsearten, auch ziemlich viel Kartoffeln, welche in Bosnien immer Absatz finden. Als die Kolonisten sahen, was hier für speckige, schlechte Kartoffeln genossen wurden, erklärten sie, dass der niedersächsische Bauer es sich überlegen würde, solche den Schweinen zu geben. Auf bosnischer Erde seien auch die mehligen guten Speisekartoffeln zu ziehen. Die Kartoffeln zum Stecken wurden aus Deutschland gebracht — die Frucht war wunderbar. In richtiger Erkenntniss aber, dass in dem fetten Boden Bosniens die Kartoffeln leicht entarten, wird stets der nicht fürs Haus gebrauchte Ertrag der Ernte verkauft und jedes Jahr nimmt man frische aus der Heimath importirte Früchte zur Auspflanzung. Auch mit dem Anbau von Flachs will man Versuche im Grossen machen, damit die viele Leinwand, welche die Bosniaken zu ihren Kleidern brauchen, durchwegs im Lande erzeugt werden könne. In Maglaj besteht ein recht nettes katholisches Kirchlein und ein Kloster, das sich in den Händen von Schulschwestern oder, wie sie von den Ansiedlern genannt werden, »Nazarenerinnen« befindet. Ihnen ist auch der gesammte Schulunterricht anvertraut. Eine Schwester unterrichtet die Knaben, die andere die Mädchen. Ob die Resultate besonders er-spriesslich sind, weiss ich nicht, die Ansiedler erklären, sie hätten keinen Grund zur Klage. So viel kann ich aus eigener Wahrnehmung bestätigen, dass die Kinder, welche ich examinirte, recht gut lesen, sowie deutsch, bosnisch und theilweise auch italienisch sprechen konnten. Auch bei den R i n (1 e r typu's aus Win (Ihorst, Kindern von Wälschtirolern war dies der Fall. Mädchen werden später gewöhnlich zur besseren Ausbildung nach Banjaluka bei Beamtenfamilien auf ein Jahr in Dienst gegeben. In Maglaj stehen noch einige grosse Militärbaracken von Holz gebaut, nach deren Verwendung ich mich erkundigte. Man theilte mir mit, dass die ersten Ansiedler, welche nach Bosnien kamen, sich schon an das Kriegs-ministerium in Wien mit der Bitte gewendet hatten, das Militärärar möge ihnen an die Hand gehen, besonders bei der Beschaffung von provisorischen Wohnungen. Der Kriegsminister bewilligte sofort das Ansuchen und gab den Befehl, wo Baracken vorhanden seien, solche den Kolonisten nach Thunlichkeit immer auf drei Monate zu überlassen. Dies geschah in Maglaj in liebenswürdigster Weise und die Ansiedler können die Truppen nicht genug loben. Als dann die Tiroler kamen, erbten sie die Baracken, und da das Militär gänzlich von Maglaj wegkam, schenkte ihnen das Aerar diese mit der Bedingung, dass das Material einer halben Baracke zum Bau einer Kapelle in der Tiroler Kolonie zu verwenden sei. Es sind zwei Gasthäuser am Orte, dasjenige von Bökmann und eines von Märton. Letzterer hat auch einen Weingarten angelegt, von dem er schon einmal Erträgniss hatte. Er erzählte mir, dass die häufigen Nachtfröste den Reben nichts schadeten, dass der Boden für Weinbau ganz geeignet sei und dass er ungarische Sorten kultivire. In dem Weingarten hat er Aprikosen gepflanzt und in Beeten sah ich den wunderschönsten Spargel. Um das Fortkommen solcher Kolonisten braucht niemand bange zu sein; die helfen sich fort und durch den Anschauungsunterricht wirken sie civilisirend und kultivirend auf die bosnischen Bauern ein. Anfangs misstrauisch, fangen diese nach und nach an, sich bei den »Schwabas« Auskunft zu erbitten und anstatt des aus den Römerzeiten stammenden Pfluges sah ich bei einem Bosnier schon einen »schwabischen« Pflug. Um clas Mehl nicht von auswärts kaufen zu müssen, legte man eine Dampfmühle an, die für den Bedarf der Umgebung ausreicht, und in Klasniöe — eine halbe Stunde von hier auf Banjaluka zu — wo sich noch drei deutsche Ansiedler befinden, erbaut die Banjalukaner Firma Milic eine grosse Turbinen-Dampfmühle. Was mir in Maglaj am besten gefiel, war, class die Ansiedler erklärten, sie hätten über die Behörden keinerlei Klage zu führen. Man sei gerecht und helfe den Deutschen, soweit dies möglich sei. Das Einzige, was einer weiteren Ausdehnung der Kolonien in dieser Gegend im Wege stehen dürfte, ist, dass die Begs jetzt kein Land mehr verkaufen wollen; zum Türken als Pächter kann aber kein Fremder gehen. Uebrigens ist in Windhorst noch Platz und Salih Beg, den ich von früher her kenne, wird wohl von seinem brachliegenden Boden noch einige tausend Joch hergeben können. Das Prosperiren der Maglajer Kolonie, speciell der Schlesier, war mir darum so angenehm, weil ich im Jahre 1878 den Anstoss zur Einwanderung gegeben und auf Anfragen auf das Vrbasthal und auf die Posavina hingewiesen hatte. * * * 1894. Im Okt ober . . . . Es hatte schon lange geregnet, es regnete wieder, als ich von Banjaluka aus meine abermalige Fahrt in die Kolonien antrat. Gleich am Ausgange der Stadt stehen eine Menge neuer moderner Häuser, die sich an der Strasse fortsetzen. Links ein neues grosses Nonnenkloster, wie ein Schloss aussehend. FLs herrscht starker Wagenverkehr, viele Erzeugnisse des Ackerbaues werden nach Banjaluka gebracht. In Jakupovci-Klasnice steht am Vrbasufer ein imposantes Gebäude, das die deutsche Inschrift trägt: »Erste bosnische Walzmühle«. Ein schöner Park nebst villaähnlichem Wohnhaus umgiebt die Anlage. Gegenüber am andern Ufer des Vrbas steht eine alte, baufällige, bosnische Wassermühle, so recht als Gegenstück zur neueren Zeit. Jakupovce hat einen Gendarmerieposten, eine Anzahl Wirths- und Kaffeehäuser. Der durchweg katholische Ort scheint regen Verkehr zu haben. An der Strasse beginnen bereits die Kolonistenhäuser, die meist inmitten der Grundstücke stehen. Es wechselt die deutsch-ungarische Bauart mit der niederdeutschen. Durchweg herrscht Ziegelbau vor, überall grosse Scheuern, hübsche Gemüse- und Blumengärten. Das Vieh sieht vorzüglich gepflegt aus, die grossen ungarischen Rassen überwiegen bereits. Auf clen Feldern steht noch Kukuruz (Mais), Kohl, Knöterich, Lupine, Wasserrüben und Futterrüben (Burgunder). Ueberall tummeln sich blonde Kinder, die schon Fez tragen und höflich grüssen. Die Wasserbrunnen in den Höfen sind meist Schwengelbrunnen nach ungarischer Art. In Maglaj-Rudolfsthal steht an der Strasse die »Josefsburg«, ein stattliches Kloster. Auch eine evangelische Kirche mit schönen gothischen Fenstern und ein Pfarrhaus ist gebaut worden, seit sich die Ansiedler stark vermehren. Das Schloss des Herrn v. Ebeling ist in andere Hände übergegangen. Ebeling kehrte nach Hannover zurück; seitdem hat das Besitzthum zweimal den Herrn gewechselt. In Windhorst sind schon zwei Kirchen gebaut, das Kloster der Schwestern der göttlichen Liebe ist eine mächtige Ansiedlung und die Kolonie dehnt und streckt sich in jeder Weise. Windhorst ist seiner Ausdehnung nach wohl das grösste Dorf; es ist 16 Kilometer lang, 5 Kilometer breit und zählt ungefähr 1500 Köpfe. Im Gasthause Brenzinger kehrte ich ein, wie vor acht Jahren, und war vorzüglich aufgehoben. Die Gattin des Wirthes ist leider gestorben, er hat aber dem Hause eine neue Hausfrau aus Agram gegeben, was in der Kolonie, welche der unver- Bosnischer Schweinehirt, heiratheten Töchter genug zählt, nicht gern gesehen wurde. Kleinlicher Zank und Tratsch herrscht eben hier wie in jedem deutschen Dorfe, Streitigkeiten kommen, wie überall wo Deutsche wohnen, genug vor, dabei gedeiht aber doch die gemeinsame Arbeit und selbst das Vereinswesen blüht. Wie mir versichert wurde, hätten alle Kolonisten ihr sicheres Auskommen. Ein gutes Geschäft machen sie mit den bosnischen Bauern, die von einer Stallfütterung nichts wissen und gewöhnlich auch wenig Vorräthe fürs Vieh einernten. Diesen kaufen sie das überschüssige Magervieh bei Anbruch des Winters ab und mästen es im Stalle. Für diese genügsamen Thiere sei — so wurde mir gesagt — schon die gekochte Spreu mit Rüben und Kartoffeln ein köstliches Futter, bei dem sie dick und fett würden. Sie brächten dann auf dem Markte ganz ansehnliche Preise. In den Wirtschaften, die über nicht genug eigene Arme zur Arbeit verfügen, werden meist Zigeuner als Feldarbeiter, Kutscher etc. verwendet. Sic erhalten 60 bis 80 Kreuzer den Tag und sind ganz verlässlich. Die Schule wird noch immer von den Schulschwestern geleitet und bezahlt man 3 Gulden fiir jedes Kind im Monat. Die Lehrerinnen werden im Wagen abgeholt und zur Schule gebracht und ebenso nach Hause geführt. Die Wagen stellen die Kolonisten abwechselnd. Die Landesregierung wollte eine öffentliche konfessionslose Schule errichten, doch lehnte die Gemeinde, die noch sehr bigott ist, das Anerbieten ab. Die talentvolleren männlichen Schüler werden später meist dem Jesuitenkollegium in Travnik zur besseren Ausbildung zugeführt. Wie mir Brenzinger erzählte, kam er schon Ende 1878 das erste Mal nach Bosnien, um sich zu orientiren; dann kam er 1879 wieder und arbeitete monatelang bei den Trappisten als Knecht, ohne zu verrathen, dass er Grund kaufen wolle. So lernte er clie Verhältnisse kennen, entdeckte sich später dem Guardian P. Franz und erlangte sein heutiges Besitzthum, das ihn zum reichen Mann gemacht. Katholische Kirche in Windhorst. Seine Ziegelbrennereien, in denen er meist italienische Arbeiter aus clen Kolonistenfamilien beschäftigt, bringen viel Geld, denn überall wird gebaut und es entsteht eine Ansiedlung nach der andern, auf meilenweite Entfernung nach Ost und West. Die deutschen Bauern haben sich durchweg um zwei Drittel verbessert, sobald sie nur mit eigenen Kräften zu arbeiten brauchten. Sonst verzehrt cler Tagelohn einen beträchtlichen Theil des Gewinnes, weil die Feldfrüchte selbst billig verkauft werden müssen. Die 14 Familien aus Essen — die ich in meiner Schilderung von 1886 erwähnte — die mit nur je 225 fl. Kapital einwanderten, sind heute durch rastlose Arbeit ausnahmslos sehr wohlhabend. Die Wahl der Gemeindevorsteher ist frei; stets muss aber einer aus der Kolonie gewählt werden. Jede Wahl muss bei 25 fl. Strafe angenommen werden. Mit der Regierung und den Bezirks-wie Kreisbehörden besteht ein gutes Verhältriiss; viele Kolonisten sind schon bosnische Landesangehörige geworden, andere stehen im Begriff, die Staatsangehörigkeit zu erwerben. Zuzug ist jetzt aus Deutschland wenig, dafür sind aber die Heirathen stark. Mit den bosnischen Bauern ist das Einvernehmen fast herzlich geworden. Sie kommen um Rath zu den Schwabas, sie lassen bei ihnen ihr Getreide reutern oder mit der Maschine dreschen und suchen sich die verschiedenen Fertigkeiten und Handgriffe anzueignen. Die Körnerfrucht geht durchweg nach Gradiska. Ueberall sieht man Fortschritt, überall ist fleissige Arbeit und Wohlstand; es ist ein anregender Besuch, den man den Kolonien abstattet. Jetzt wird auch eine Bahnverbindung zwischen Banjaluka und Gradiska im Anschluss an die ungarische Staatsbahn geplant. Am 6. März 1895 trat in Banjaluka die Kommission zur Vornahme der Tracen- und Stationsrevision für diese Vicinalbahn zusammen, für die sich in der Person des Herrn Gautier aus Agram ein Konzessionär gefunden hat. Diese Bahn — das erste rein private Eisenbahnprojekt in Bosnien — würde den Kolonien und der sich entwickelnden Industrie neben der Landwirthschaft grosse Vortheile bieten. * * * Wie gleich hier erwähnt sein möge, besteht auch in der Posavina (im Nordosten Bosniens) eine blühende Kolonie »Franz Josefsfeld« beiBjelina. Deutscher Kolonist aus Windhorst. Im Frühjahr 1886 kamen dorthin aus der Muttergemeinde Franzfeld bei Pancsova in Südungarn 61 Familien. Die Bezirksbehörde kaufte für dieselben von Grundherren 300 Joch Grundstücke in der unmittelbarsten Nähe von Bjelina, die unter die Ansiedler vertheilt wurden. Die Rückzahlung des sehr billigen Kaufschillings wurde den Kolonisten unter äusserst günstigen Zahlungsbedingungen eingeräumt. Sofort entstanden ebenso viele Häuser als Familien und die Ansiedlung wurde mit Bjelina durch eine Strasse verbunden. Schon im darauf folgenden Jahre erhielt die Kolonie einen Zuwachs von weiteren 22 Familien, grösstentheils aus Neu • Pazua in Syrmien, dann nach und nach kleinere Zuwächse, so dass 1889 bereits 121 Familien mit 700 Köpfen ansässig waren. E)ine Schule mit 136 Kindern war errichtet, ein Gemeindehaus erbaut, eine evangelische Kirche geplant. Franz Josefsfeld ist nämlich eine durchwegs protestantische Kolonie. Die Kolonie besass damals 546 Joch eigenen Grundbesitz und 907 Joch Pachtgründe. Sie versorgte Bjelina mit Milch, Käse, Butter, Geflügel, Eiern und Gemüse, und Versuche mit Tabakbau ergaben gute Resultate. Ausserdem sind im Bezirke Bjelina in vielen Gemeinden vereinzelte ungarische Kolonisten ansässig, die den Boden vom Beg gepachtet haben; so um Bjelina 104, in Brodac 20, Janja 9 und 30 in Dragaljevac, Zabrgje und Koraj. Dass in den deutschen Kolonien die Viehzucht nicht vernachlässigt wird, ist selbstverständlich. Man ist bei den kleinen harten bosnischen Rassen geblieben, die nur mit gutem Vieh von auswärts gekreuzt und im Winter durchaus in Ställen gehalten werden. Es existircn aber auch ganze Pferde- und Schweineheerden, am meisten jedoch Schafe mit feiner langer Wolle, welche selbst clie Bosnier in der Savegegend stark züchten. Also womöglich ein neuer Ausfuhrartikel! Leider wurde Franz Josefsfeld und die gesammte Gegend um Bjelina, wie überhaupt clie Drinabezirke Bosniens im Spätherbst 1896 von einer furchtbaren Ueberschwemmung heimgesucht, welche die Kolonie fast vernichtete. Die Landesregierung sandte sofort Hilfe, auch Bosniens guter Engel, Frau Minister Vilma v. Kailay, erschien augenblicklich auf dem Schauplatze der Ueberschwemmungen und vertheilte Lebensmittel, Kleider und Geld. Was aber besonders ins Gewicht fiel, war die trostvolle Zuspräche der edlen Dame, durch welche wieder der Muth bei den Verunglückten geweckt wurde. Dadurch ist zu hoffen, dass die erlittenen Schäden bald überwunden sein werden und die deutschen Kolonien im bosnischen Nordosten blühen und gedeihen wie jene im Nordwesten. Vo n sonstigen grösseren Kolonien in Bosnien sind noch zu nennen: die von ungarischen Deutschen (Schwaben) gegründeten Kolonien Branjevo und Dugopolje im Bezirke Zwornik, die Tiroler Kolonie in Pala&kovci (Bezirk Prnjavor), clie Görzer Kolonie bei Bukvik und Ralutinac (Bezirk Prnjavor), die Galizianer Kolonien in Obsjeko und Bakinaöka Kozara im Bezirk Banjaluka, die Ansiedlungen deutscher Protestanten aus Russland in Prozara und Vranovac (Bezirk Kostajnica) und die Ansiedlungen aus Russland ausgewanderter tschechischer Familien in Kobas-Seferovci (Bezirk Prnjavor) und in Vranduk und Detlaiki Lug (Bezirk Dervent). S ch ulkin <1er g ruppe aus der Kolonie Wind hörst. Von Banjaluka nach Kostajnica. hristlichen Ländern — sagte unser Hotelier in Ban-■ jaluka — gehe jetzt unsere Reise zu. Damit meinte ^er Kroatien, das allerdings keine mohammedanischen ^Bi^^^Md^C^pF^ Bewohner besitzt. An Christen ist aber gerade in ^ffj/^ der Banjalukaner Gegend kein Mangel, doch verleiht die mohammedanische Mischung erst den richtigen Reiz. Der Zug der Militärbahn Banjaluka-Dobrlin verlässt die Stadt vom neuen Stadtbahnhofe aus, durchfährt das europäische Viertel und hält nach kurzer Zeit in Trn, dem früheren Hauptbahnhofe. In ebener, gut angebauter Gegend zwischen Wiesen und sanften Abhängen wird die Strasse Banjaluka-Gradiska übersetzt; bis zur Station Ivanjska führt die Strecke durch von Bächen durchschnittenes, mit Buschwerk bestandenes Terrain; nur selten sieht man einzeln stehende bosnische Häuser. Bei Omarska stossen wir auf grosse Holzlager, die aus den Wäldern der Kozara kommen. Dann geht es im Sannathale entlang bis Prjedor, wo die Sanna schon schiffbar ist. Die Stadt mit ihren 5000 Bewohnern liegt am rechten Ufer des Flusses, an dem Punkte, wo die Thalenge aus den Gebirgsmassen in die lockende blühende Ebene hinaustritt Prjedor ist der Geschäftswelt durch seinen ausgedehnten Getreidehandel bekannt; seine Fruchtschiffe, an die ägyptischen Dahabyen erinnernd, gehen aus der Sanna in die Unna und die Save, sie kommen bis Semlin und selbst bis Budapest Während der 1875 er Insurrektion litt Prjedor am meisten, seine Kaufleute flohen fast sämmtlich auf das kroatische Ufer. Kaum hatte sich der Ort nach der Okkupation etwas erholt, so verheerte eine furchtbare Feuersbrunst die Stadt, Jetzt sieht sie sehr gefällig aus, sie hat regen Verkehr, in der Umgebung verschiedene fremde Ansiedler und eine grosse landesärarische Geflügelzucht-Anstalt, die sich eines bedeutenden Rufes erfreut. Sie hat den Zweck, entsprechendes Rassegefltigel ■jopafij u o a iqoisnv 5'6 (Langhans, Minorca, Plymouth-Rock und Houdans, dann Perlhühner, Truthühner, Peking- und Rouen-Enten, Emdener Gänse u. s. w.) zu züchten und diese, wie Bruteier an die Bevölkerung abzugeben. Ueber der Stadt in clen Spalten cler Felsen nisten Hunderte von Falken und die Begs der Krajna heben hier die jungen P"alken aus, um sie zur Jagd abzurichten. Die in Europa längst ausgestorbene Jagd mit Falken hat sich in einzelnen bosnischen Beg-Geschlechtern bis jetzt erhalten und Othmar Reiser vom Sarajevoer Museum, wie Hofrath Hörmann haben darüber interessante Schilderungen veröffentlicht. Viele Volkslieder erwähnen noch immer in bilderreichen Versen des edlen Falken. Eines derselben erzählt von der Trauer cles Mustaj Beg um seine Verlobte: Als 7,ur Jagd die Herren ausgezogen, Trug ein Jeder auf der Hand den Falken, Mustaj Beg nur hielt die Hand am Herzen. Frugen ihn besorgt die treuen Freunde; »Sag', o Mustaj Beg, was dir wohl fehlet, Weil den Falken du nicht mitgenommen, Sondern deine Hand am Herzen haltest?« In einem andern Liede fragt die treue Gattin des Ibrahim ¿ehaja den in ihrem Schoosse ruhenden kranken Gatten: »Wenn du stürbest, Ibrahim Cehaja, Um was würdest du zumeist wohl trauern? Thät es leid dir um die alte Mutter, Oder um dein Schloss mit seinen Ställen, Um die vielen Dörfer und die Timars, Oder um die nicht geritt'nen Hengste Und die Hunde, die zur Jagd geübten, Oder gar um deine grauen Falken, Oder aber um dein treues Weibchen?« Ein drittes Lied endlich, dessen Gegenstand ein brüderlicher Zwist ist, hebt an: »Bei einander zwei der Burgen lagen, Hausten drin zwei Brüder, die sich theilten, Hassan Aga und Mohammed Aga. Alles konnten friedlich sie vertheilen Bis auf einen Zagorjaner Ciftluk, Ein gar edles Pferd in ihrem Stalle, Und den Falken im Orangenbaume.« Mit der Falkenjagd befassen sich in anderen Gegenden Bosniens gegenwärtig noch die edlen Geschlechter Uzeirbegovic in Maglaj, Sirbe-goviö und Smajlbegovid in TeSanj. Man pflegt die Falken mit Netzen zu fangen. Zwei solcher Netze von ungefähr zwei Meter Länge und ebensolcher Breite werden unter einem spitzen Winkel nur sehr lose auf dem Erdboden befestigt. Von aussen werden beide Netze mit kleinen Zweigen und grünen Reisern bedeckt In der Mitte cles Netzes wird eine lebende Dohle angebunden, während sich die Jäger in geschickter Weise hinter einem in der Nähe befindlichen Buschwerk verstecken. Die Dohle schlägt natürlich mit den Flügeln um sich, krächzt ununterbrochen und macht alle Anstrengungen, sich aus der Gefangenschaft zu befreien. Hierdurch lässt sich der unerfahrene junge, meist einjährige Falke verleiten, sich mit aller Hast auf die vermeintliche Beute zu stürzen. Die Dohle beginnt in der Todesangst einen verzweifelten Kampf mit dem Angreifer, welcher natürlich auch mit den Flügeln herumschlägt und sich allmählich so in den Netzen verstrickt, dass der im geeigneten Zeitpunkt herbei eilende Jäger ihn mit Leichtigkeit fassen und nach Hause bringen kann. Zur Jagd bedient man sich lieber des Weibchens als des schwächeren und kleineren Männchens. Nich1" jeder Falke lässt sich leicht zähmen und zur Jagd abrichten. Mit Rücksicht auf die letztere Eigenschaft werden sie auch nach den Nestern unterschieden, in denen sie ausgebrütet worden sind. In einigen Nestern finden sich die besten Falken, welche nicht nur auf Wachteln, sondern auch auf Rebhühner und Wasserschnepfen stossen. Anderwärts sind die Falken schon etwas schwerfällig; sie lassen sich zwar abrichten, sind jedoch nur zur Jagd auf Wachteln verwendbar Eine dritte Abart endlich ist wegen ihrer Wildheit zur Jagd überhaupt nicht geeignet. Der Volksmund nennt sie die »wilden Falken«. Die Liebhaber cler Beize unterscheiden sehr genau die Horste dieser drei Abarten und wissen die Stellen genau anzugeben, wo die besten Falken vorkommen. Im Walde Ozren giebt es an ungefähr 20 Stellen Falkenhorste, aber blos an drei derselben kommen brauchbare Edelfalken vor. Von Prjedor aus erreichen wir die Haltestelle Blagaj, wo von steiler Höhe clie Ruinen eines alten Sommerschlosses der bosnischen Herrscher grüssen, und gelangen dann nach Novi an dem Zusammenflusse der Unna und Sanna, Wie ein grosser Garten sieht clie Gegend aus, clie einzelnen Häuser an Villen mahnend. Hier sieht man offenkundig den Wohlstand. Die weite Ebene wird durch die Ausläufer cler Pastirevo-Planina und über der Unna durch die kroatischen Gebirge begrenzt. Novi gegenüber sieht man Dvor und in weiterer Entfernung die hoch liegende Kirche von [Di-vuSa. Die Bahn nimmt ihren Lauf längs der Unna, bis sie Dobrlin erreicht. Hier ist der Anschluss an die ungarische Staatsbahn. Die Unna wird bei Volinja auf einer eisernen Brücke übersetzt; in Sunja — wo Mittagsstation ist — zweigt sich eine Linie nach Brod, die andere nach Sissek ab. In Dobrlin, wo einst 1875/76 die albanesischen Baschibozuks die grössten Schändlichkeiten gegen zurückgekehrte Flüchtlinge verübten, hat sich Vieles verändert. Ein grosses neues Stationsgebäude steht an (•jpujy pjiîMg nOj\) 'njsnpr^ jntí p Sfefas^iej Stelle des alten türkischen, die meisten der bosnischen Hütten sind verschwunden und hübsche Ziegel- und Holzbauten nach Art unserer Alpenhäuser erheben sich an den Gebirgsabhängen und längs cler nach Bosnisch-Kostajnica führenden Strasse. Es ist die deutsch-tiroler Kolonie, schon 1879 gegründet. Zwölf Familien kamen damals hierher, kauften von Rustan Beg ziemlich bedeutende Grundstücke, von denen einige bearbeitet, die meisten aber noch unkultivirt waren. Die Mohammedaner waren zu jener Zeit noch der irrigen Meinung, dass ihnen in nicht zu ferner Zeit ihr Land abgenommen und den Christen übertragen werden würde, darum gaben sie clie Felder billig her. Gearbeitet haben aber auch die Tiroler in nicht zu unterschätzender Weise. Wo man Felder sieht, welche gut gepflügt und geeggt sind, wo nicht mehr clie Kukuruzstengel vom vorigen Jahre in den Furchen liegen, da kann man getrost annehmen, dass dies Tiroler Felder sind. Auch sie bauen meist Kukuruz, daneben verschiedene Getreidesorten und halten viel auf einen ordentlichen Viehstand. Ein Theil der Ansiedlerhäuser liegt malerisch in einer Bergeinsattlung und hier — wie überhaupt um ganz Dobrlin und Kostajnica — können sich die Kolonisten nach Tirol versetzt wähnen, obendrein in einen Theil ihres Vaterlandes, in dem der Hochwald noch nicht zur Seltenheit geworden ist. Ein mächtiges Sägewerk mit Dampfbetrieb ist in Dobrlin erbaut worden und weit hinausführende besondere Schienengeleise und Hebewerke lassen erkennen, welch bedeutender Verkehr in Holz ist. Es werden viele Arbeiter beschäftigt, Gasthäuser sind überall vorhanden. Näher gegen Bosnisch-Kostajnica giebt es noch verschiedene fremde Einwanderer. So hat sich auch auf einem Hügel der Pastirevo-Planina ein Schweizer angesiedelt, welcher ein ansehnliches Besitzthum erwarb. Nur kann er hier keine Milchwirthschaft ausüben, weil die Bewohner der benachbarteren Städte und Orte alle selbst Kühe besitzen. Er beschäftigt sich daher mit Ackerbau und Gemüsezucht und erwirbt ein schönes Stück Geld. Selbst auf kroatischer Seite sind drei Tiroler Familien sitzen geblieben, und zwar an den Berglehnen des über Kroatisch-Kostajnica sich erhebenden hohen Djed. Sie bewiesen den Grenzern, welche erklärt hatten, an diesen Stellen gedeihe nichts, dass sich sehr schöne Weingärten anlegen Hessen und diese liefern bereits guten Ertrag. Ausserdem bauen sie Getreide, Rüben und Zwiebeln, sind fleissig und sparsam und finden ihr ganz erträgliches Auskommen. Am wunderbarsten hat sich aber Bosnisch-Kostajnica entwickelt. Erst im Jahre 1862 mit türkischen Auswanderern ausSerbien besiedelt, blieb es unter ottomanischer Verwaltung ein kleines Städtchen, das seinen Bedarf grossentheils auf kroatischem Boden deckte. Eine Brücke über die Unna verbindet Kroatisch- und Bosnisch-Kostajnica. Eine kleine Feste, die mit ihren romantischen alten Mauern und Thürmen zwischen beiden Ortschaften auf einer Insel der Unna steht, hält noch immer die Grenzwacht. Auf dicht mit Epheu umzogenen Kalksteinfundamenten bilden gegen Kroatien drei massige Thürme, gegen Bosnien runde Basteien ihre Werke. Sie wurde zur Zeit des Prinzen Eugen von Savoyen erbaut und gehört noch zum kroatischen Gebiet. Anf derselben Insel steht auch das alte Mauth-haus und das sogenannte Kastell, eine von Mauern umgebene Fläche, auf der einst an einem Tage der Woche zwischen der türkischen und der Grenzbevölkerung Handelsverkehr gepflogen wurde. Bosnisch-Kostajnica war früher ein ziemlich armseliger Ort. Gegenwärtig hat es die kroatische Schwesterstadt längst überflügelt. Ueberall sind neue Gebäude, Geschäftsläden, Restaurationen, gewerbliche Anlagen entstanden, und wenn die Kroaten vom anderen Ufer sich gut unterhalten, wenn sie gutes und billiges Bier und Wein trinken wollen, müssen sie auf bosnischen Boden gehen, wo die Steuern bedeutend niedriger sind. Der Ort, der 1895 1375 Bewohner, darunter 638 Mohammedaner, zählte, ist in stetem weiteren Aufschwünge begriffen. £) ...... | i ! £> ^; i , ; / Ein Abstecher in die westliehe Krajna. rajna ist ein magisches Wort in den Ohren der mohammedanischen Bosnier, wenn es auch heute einen Theil seines Zauberklanges eingebiisst hat. Einst bedeutete es das Gebiet, wo der Fanatismus am stärksten war, wo durch Jahrhunderte die Glaubenshelden des Islam aus dem mit Blut gedüngten Boden wuchsen; es bedeutete steten Kampf mit den tapferen kroatischen Grenzbewohnern, aber es bedeutete auch Sang und frohe Feste, denn die Krajna wird nicht umsonst die liederreiche genannt. Es ist landschaftlich eines der prachtvollsten Gebiete Bosniens. Gebirgig und voll Wald, wechseln reich angebaute Felder mit üppigen Wiesen, freundlichen Städten und Dörfern; unzählige alte Burgruinen erinnern aber an die geschichtliche Vergangenheit. Einer der lohnendsten Ausflüge ist in den Nordwesten von der Bahnstation Novi der Dobrlin-Banjaluka-Bahn aus nach Bihaö an der kroatischen Likaner Grenze. Die schöne Fahrstrasse folgt bis Krupa dem Ufer cler hier ziemlich ungeberdigen Unna, in der die vielen natürlichen Flusswehren auffällig sind, die sich in dichter Folge clie ganze Breite des Flusses hinziehen, so dass derselbe in fortwährenden Katarakten durch sein von waldigen Bergen eingeengtes Kopfleiste: Altbosnische Inschrift vom Grabsteine des Radoslav Hrabren in der Vorhalle der Kirche zu Osanic bei Stolac. (Am 24. April 1505 starb Vojvode Radoslav Hrabren und wurde in der Kirche zu Osanic bestattet.) Thal fliesst. Freilich sind sie, so sehr es die Schönheit der Landschaft hebt, ein unüberwindliches Hinderniss der Schifffahrt. Aber auch ohne Schiffsverkehr ist der Fluss reich belebt. Mühle um Mühle sieht man in diesem zügellosen Flusse, bei hoher Fluth oft bis zum Dache unter Wasser, denn all' diese Bauten sind, um den unbändigen Fluthen trotzen zu können, fest auf Piloten gebaut oder an Senkkasten verankert. Es sind sehr primitive Mühlen, wie sie schon zur Römerzeit bestehen mochten. Um so mehr sind sie aber verwachsen und Eins geworden mit der sie umgebenden Natur. Nach etwa 20 Kilometer Wagenfahrt von Novi ab wird in der Ferne das rauhe, sich bis zu 1649 m aufthürmende Pljeäevicagebirge sichtbar, die Grenze der Sagenreichen Lika. Bei dem Marktflecken Otoka, von dem ein Theil sammt der Moschee und einer alten Befestigung auf einer Unna-Insel äusserst malerisch liegt, übersetzt die Strasse auf einer Jochbrücke den Fluss. Hier zweigt die Strasse nach BuSim, dem Stammschlosse der gräflichen Familie Jellaiiö und nach der mittelalterlichen Burg Vranograö ab, die in zwei, beziehungsweise vier Fahrstunden erreicht werden können. Von Otoka kommt man in einer Stunde nach Krupa, das ungemein reizend an dem hier etwa 100 Meter breiten Flusse liegt. Die 2863 Einwohner zählende Stadt wird von einer alten Burgruine überragt; die Häuser sind zum grossen Theile erst seit der Okkupation gebaut, daher meist modern. Es ist ein sehr wohlhabender Ort, der auch zwei gute Hotels besitzt-Sehenswerth ist in der Nähe die Quelle des KruSnicaflüsschens, eines echten Karstflusses, der in seiner ganzen Mächtigkeit einer Felsenhöhle entströmt. Die die Quelle umschliessenden senkrechten Felswände, die verfallenen primitiven Löffelmühlen, die Uferhöhlen bieten mit dem rasch dahinschiessenden Wasser einen genussreichen Anblick. Von Krupa aus ist die Quelle mit Kahn in anderthalb Stunden zu erreichen. Eine Seitenstrasse in nordwestlicher Richtung führt nach Cazin und in die wilde Kampfgegend um Peci, wo 1878 das letzte Gefecht im Feldzuge stattfand. Hier ist die Heimath unzähliger Lieder, Helden- und Liebesgesänge. Dichter sind die Mohammedaner. Als Beispiel möge nur Eines aus Cazin nach Asböth mitgetheilt sein: Siehst Du dieses rothe Haar da? Bist Du böse, wenn ich's streichle? — Ei so geh' doch! War' ich böse, Liesse ich mir's ja nicht streicheln! Siehst Du dieses weisse Antlitz? Bist Du böse, wenn ich's küsse? — Ei so geh' doch! Wär' ich böse, Liesse ich mir's ja nicht küssen. •ednj^j îpcjc; Siehst Du diesen weissen Busen? Bist Du böse, wenn ich kose? — Ei so geh' doch! War' ich böse, Liesse ich Dich ja nicht kosen. Siehst Du da Dein weisses Füsschen? bist Du böse, wenn ich's hebe? — War' ich böse, liess ich's ja nicht, Nimmer liesse ich mir's heben. Die Strasse verlässt bald hinter Krupa das immer unwegsamer werdende Unnathal und entwickelt sich an der Lehne des Debeli-Oklinjak, von wo aus man einen hübschen Blick auf die Staclt geniesst und tritt Mühlen in Spahici bei Bihlac. — 527 Siehst Du diesen weissen Busen? Bist Du böse, wenn ich kose? — Ei so geh' doch! War' ich böse, Liesse ich Dich ja nicht kosen. Siehst Du da Dein weisses Füsschen? Bist Du böse, wenn ich's hebe? — War' ich böse, liess ich's ja nicht, Nimmer liesse ich mir's heben. Die Strasse verlässt bald hinter Krupa das immer unwegsamer werdende Unnathal und entwickelt sich an der Lehne des Debeli-Oklinjak, von wo aus man einen hübschen Blick auf die Stadt geniesst und tritt Mühlen in Spahici bei Bih|ac. dann in ein enges trockenes, schluchtartiges Thal. Links von den dicht-bewaldeten Hängen des Crni Vrh (1002 m), rechts von jenen der Velika Kosa eingeengt, gelangt man nach einstündiger Fahrt in den Hochthalkessel von Veliki-Radiö mit der gleichnamigen Ortschaft, die eine Kirche und Schule besitzt. Der höchste Punkt der Strasse wird nach weiteren drei Viertelstunden im Drieno-Passe mit 482 m erreicht, von wo sie, langsam fallend, ein mit zahlreichen Dolinen (Einsturztrichtern) bedecktes Karstplateau durchquert und oberhalb des Dorfes ZaloXje Turske den Rand des fruchtbaren Beckens von Bihaö erreicht. Von der Höhe ist der Blick ein wundervoller. Die grüne Tiefe des Bihacer Beckens liegt wie ein trockengelegter See, ringsum eingefasst von flachen, gleichmässig hohen Bergesstufen, vor Augen. Von Süden kommend bricht die Unna aus einem dunkeln Defile, um die trichterförmig spitz in die Lüfte ragenden Mali- und Veliki Ljutoö (941 und 1168 m) sich windend, hervor, durch-fliesst träge, sich immer wieder ausbreitend und dann jäh eine Tuffbank hinabspringend, den Ackerboden des weiten Beckens, um sich im Norden bei den Mühlen von Kostel abermals in die sich zusammendrängenden Kalkberge einzuwühlen. Und drüben über der kroatischen Grenze schliesst der lang hingelagerte kahle Gebirgsstock der PljeSevica und anschliessend daran weiter gegen Norden das höhlenreiche und wasserarme ICapela-gebirge den Horizont ab. Von den die isolirten Kuppen beherrschenden Ruinen der verlassenen Vesten und Burgen sind von hier aus nur drei - 52S sichtbar: gegen Süden das scharf profilirte Sokolac, gegen Westen IzaSicgrad und nach Norden, in der Richtung der nach Cazin führenden Strasse, die weithin sichtbare einsame Kula Bisovac. In der Mitte dieses Beckens liegt auf einer leichten Bodenanschwellung, um beide Ufer der Unna, die 6000 Bewohner zählende Stadt Bihac, deren einstige Festungsmauern geschleift wurden und clie sich nun mit neuen Vorstädten weit in die Ebene hinaus erstreckt. Die Strasse senkt sich von Zalozje in ziemlicher Neigung hinab, cler Stadt zu, das Dorf Cekrlje links lassend, in einem grossen Bogen um clie Maskarakuppe mit ihren werthvollen Sandsteinbrüchen. An dem landwirtschaftlichen Versuchsgarten vorbei, geht es durch die Vorstadt Prekounje und bald halten wir vor dem Hotel »Kaiser von Oesterreich«. Bihaö ist gegen früher kaum zu erkennen. Die noch von König Bela IV. von Ungarn gebaute Festung ist verschwunden und an ihrer Stelle umschliesst eine hübsche Ringstrasse clie innere Stadt. Auf dem Platze, der an der Westseite in gemauerten Böschungen in den Stadtgraben abfällt und auf clem bis 1878 die Citadelle mit dem »Deutschen Thore«, dem Pulverthurm und cler Idizar-Moschee stand, erhebt sich jetzt cler orientalische Bau einer Medresse mit einer Dzamija und einer Bibliothek. Nebenan steht das grosse Schulgebäude und auf der Stelle der Zablja-Kula eine neuerbaute katholische Kirche, deren hoher Thurm clie Stadt überragt. Als einziger Zeuge cler ehemaligen Grenzfestung Biliaö dient ein fünfstöckiger Thurm, der zum Kreisgerichtsgefängnisse gehört. In einem der an clem sehr gut erhaltenen alten Bauwerk angebrachten Basreliefs, einen Pelikan darstellend, will man das Wappen cles ungarischen Adelsgeschlechtes cler Batthyany erkennen. Die grösste Sehenswürdigkeit in Bihac ist die in der inneren Stadt gelegene Fethija-Dzamija, ursprünglich eine dem heiligen Antonius geweihte christliche Kirche. Sie ist das schönste Denkmal gothischer Baukunst in Bosnien uncl seine Erhaltung ist nur der nach der Einnahme von Bihac durch die Türken erfolgten Umwandlung in eine Moschee zu danken. Bei einer vor einigen Jahren vorgenommenen Ausbesserung cler Moschee deckte man unter dem P\issboden 8 Gruftplatten auf, 6 davon zeigen Wappenschilder und Inschriften, 2 blos Inschriften. Die älteste Gruftplatte stammt aus dem Jahre 1502, clie jüngste von 1565. Diese für clie Geschichte der Krajna und für die Heraldik gleich wichtigen Denkmäler sind gegenwärtig nächst der Kirche aufgestellt. An der »Otoka«, einer mit Kaufläden, Häusern und Mühlen bedeckten Insel vorüber, führt eine Jochbrücke in clie handels-und baulustige Vorstadt Prekounje, dagegen gelangt man aus der inneren Staclt gegen Westen in clen Stadtpark und zum Krankenhause. Während in Bihaö selbst eigentlich clie neue Zeit die interessantere ist, bietet clie Umgebung die überraschendste Ausbeute für Alterthumsforscher; in erster Linie den bisher einzigen bosnischen prähistorischen Pfahlbau bei Ripaö und die Nekropole von Jezerine. Das Don Ripaö liegt 9,5 Kilometer südöstlich von Bihac auf dem Wege nach Petrovac und ist ein Ausflug leicht zu unternehmen. Nach halbstündiger Fahrt erreicht man zuerst den Fuss des Schlossberges von Sokolac, wo ein stilles mohammedanisches Dörfchen liegt, dessen Bewohner früher durch ihre Gräuelthaten berüchtigt waren. Die in einer halben Stunde zu ersteigende, sehr gut erhaltene Ruine Sokolac lohnt die Mühe. Das Dorf Ripaö liegt auf einer Unna-Insel und auf beiden Ufern des Flusses, im Mittelpunkt der Insel war einst eine Burg errichtet, von der noch die bis Altes Thor in Bihac. auf drei Meter Höhe erhaltenen Umfassungsmauern und Reste von vier runden Thürmen erhalten sind. Von den Umwohnern wird die Ruine »Forkolangrad« genannt. Wie der prähistorische Pfahlbau entdeckt wurde, schildert der inzwischen verstorbene Berghauptmann W. Radimsky in den »Wissensch. Mitth.« des bosnisch-hercegovinischen Landesmuseums in folgender Weise: 1891 besuchte er die Nekropole von Jezerine zum ersten Male und da führte ihn der Pfarrer Kosta Kovafievic aus Pritoka zu einer Stelle gegenüber von Golubic, an der vor etwa 20 Jahren die Unna infolge des Hochwassers ihren Lauf geändert hatte, worauf in dem neuen Flussbette eine Menge von Pfählen zum Vorschein gekommen war. •(nouisotj ni nrîqjqtîjj aqosTjojsiijrjd ajsja .iap) iaq r» v d i jjoq »Ich sah daselbst — schreibt Radimsky — in dem seichten Wasser längs des Ufers viele Köpfe eingerammter Holzpfähle; da aber damals meine Zeit beschränkt und bei oberflächlicher Besichtigung zwischen den Pfählen nichts Besonderes zu bemerken war, beschloss ich, später bei sich darbietender Gelegenheit die Stelle näher zu untersuchen. Ich setzte übrigens keine grosse Hoffnung auf das Ergebniss dieser Untersuchung, da ich in Otoka, Brekovica, Bihac und Kulen-Vakuf auch die heutigen Anwohner des Unnaflusses noch als »Pfahlbauern« kannte, die ihre Mühlen an den Katarakten des Flusses, sowie ihre Verkaufsbuden neben den Brücken mit Vorliebe mitten im Fluss auf Pfählen aufstellen. Bei den öfter vorkommenden Aende-rungen des Flusslaufes cler Unna war somit nicht ausgeschlossen, dass diese Pfähle einer jüngeren Zeit angehörten. Im Sommer 1892 kam ich wieder nach Bihac, um die systematische Untersuchung des Gräberfeldes von Jezerine einzuleiten und bei dieser Gelegenheit wurden mir von Herrn Evidenzgeometer Julius Grauner verschiedene prähistorische Funde gezeigt, die aus einem Pfahlbau Burgruine Sokolac bei Bihac. in der Unna bei Ripac stammen sollten. Da ich meine Zeit damals der Grabung in Jezerine widmen musste, ersuchte ich den genannten Herrn, so viele Artefakte als möglich von jener Lokalität, die mit der obenerwähnten zwischen Pritoka und Golubic nicht identisch ist, zu sammeln und mir nähere Mittheilungen über die Fundverhältnisse zu machen. Diesem Ansuchen hat Herr Grauner entsprochen, er hat einen Plan der Fundstelle entworfen und die gefundenen Objekte nach Sarajevo gesandt. Im Jahre 1890 war bei Ruznici, unterhalb Ripuc, ein Kalktuffkatarakt, wie solche in der Unna häufig vorkommen, durchbrochen worden, wodurch bei Ripac ein um 1,5 m tieferer Wasserstand erzielt, und den häufigen Ueberschwemmungen der Ufergelände ein Ziel gesetzt wurde. Durch diese Melioration verloren aber die Mühlenbesitzer von Ripac einen Theil ihrer Wasserkraft, und um diese wieder zu heben, gingen sie daran, einige trockenliegende Katarakte oberhalb ihrer Mühlen zu durchstechen, wobei unter einer stellenweise bis I in mächtigen Tuffschicht der erwähnte Pfahlbau entdeckt wurde. Es scheint, dass wir es in Ripac: mit einem der seltenen alten Flusspfahlbaudörfer zu thun haben, denn es sind nicht nur die Pfahlköpfe, sondern an einzelnen Stellen auch die Plattformen, jedoch nur bei sehr niedrigem Wasserstande, über clem Flussspiegel sichtbar. Der Wasserstand muss daher in alter Zeit niedriger gewesen sein als heute und eine Anschwellung des Unnawassers bei Ripaj zu einem förmlichen See dürfte damals kaum bestanden haben.« Der Pfahlbaugrund zeigt an einer Stelle oben eine 1,5 111 starke Schichte von Lehm und Erde, darunter etwa 50 cm Flussgerölle und Kalktuff, die wieder auf einer etwa 50 cm starken Kulturschichte lagern. Unter dieser Kulturschichte ist fester Untergrund. An einer zweiten Stelle lag unter dem bei 50 cm starken Kalktuffe die Kulturschichte und unter dieser der feste Fussboden. Die schwarze Kulturschichte besteht aus Holzkohle, Asche und Schlamm; die grosse Masse der Holzkohlenstiicke lässt vermuthen, dass das einstige Pfahldorf durch Feuer zu Grunde gegangen ist. Die Pfähle sind unten zugespitzt; sie bestehen ausschliesslich aus Eichenholz von 10 bis 30 cm Durchmesser und sind in unregelmässigen Abständen von 0,5 bis 2 m eingerammt. Auch clie an mehreren Stellen noch erhaltenen Plattformen sind aus gespaltenen Eichenstämmen hergestellt. Nur an zwei Stellen wurde hierzu auch Nadelholz verwendet. Die Balken der Plattform zeigen stets die gleiche Lage von Südost gegen Nordwest. In der Kulturschichte, sowie in clen unteren Partien des Tufifes kommen zwischen den Pfählen massenhaft Thongefässscherben, Hirschgeweihe, Eberzähne und Thierknochen vor. Die Thongefässe sind ausschliesslich Handarbeit; nur zwei davon sind nahezu ganz erhalten, ein grauer Topf mit schwach auswärts gebogenem Rande und kleinem rundem Henkel (14,5 cm hoch, 12 cm Durchmesser) und ein kegelstutzförmiger Tiegel, rothbraun, schwach verziert, 18 cm hoch, 11 cm Durchmesser. Das Loch im Boclen ist nicht ausgebrochen, sondern, wie clie dünnen Ränder be- Das den gefallenen Soldaten 1878 gesetzte Monument in Zegar bei Bihac. Türken an der Quelle. (Motiv aus der Umgehung von Iiihac.) weisen, ausgebrannt. Dieser Umstand, sowie die Form des Gefässes charakterisiren dasselbe als einen Schmelztiegel, dessen Vorkommen die Kenntniss des Metallgusses bei den Pfahlbaubewohnern von Ripa£ ver-muthen lässt. Das Material der übrigen Scherben ist mit kleinen Kalksteinkörnchen gemischt, schwach gebrannt und zeigt im Bauche häufig drei Lagen, eine innere schwärzliche und zwei äussere rothe. Wahrscheinlich sind die Gefässe in der Weise gebrannt worden, dass man sie mit Feuergluth nicht nur umstellte, sondern auch anfüllte, wodurch die beiden Oberflächen stärker gebrannt wurden, während der Kern roh blieb und die durch Rauchschwärzung verursachte dunkle Färbung beibehielt. Die Farbe der Scherben ist grau, braun, schwarz, röthlich oder gelblich. Im Ganzen zeigen sich die Thongefasse des Ripater Pfahlbaues, wenn auch höchst primitiv, so doch häufiger und reicher verziert, als die in der nahen Nekropole von Jezerine. An Thonartefakten wurden ausserdem ein gebrochenes und zwei ganz pyramidale Webstuhlgewichte gefunden; von Metallgegenständen eine Zierscheibe aus Kupfer oder zinnarmer Bronce, von 7 cm Durchmesser, mit einem Buckel und einem eingravirten Kreise an der oberen Fläche und mit zwei nietenförmigen Stiften an der Unterseite, ferner ein offener Fingerring aus Bronce oder Kupfer, quergerippt, 1,8 cm Durchmesser. Da die Durchforschung fortgesetzt wird, ist wohl noch mancher Fund zu erwarten. Ruine Brekovica bei Bihac. Das Grabfeld von Jezerine liegt mitten in der Ebene der Unna auf einem im Südosten unbedeutend erhöhten, gegen Nordwesten in das Niveau des umgebenden Geländes verlaufenden Hügel und besitzt eine Länge von 60 m bei einer grössten Breite von 34 m. P2s sind etwa ein halbes Tausend Grabstätten geöffnet worden, von denen etwa drei Fünftel auf Brandgräber und zwei Fünftel auf Skelettgräber entfallen. Ausserdem wurden einige Punkte mit Funden ohne Leichenbrand oder Skelette angetroffen und an fünf Stellen innerhalb der Nekropole Leichenverbrennungsplätze aufgedeckt. Wir müssen es uns hier versagen, auf die näheren Einzelheiten der Leichenbestattung und die Art der Beigaben einzugehen, aber die Zahl der Funde ist enorm. Als Material der Beigaben wurde Eisen, Bronce, Silber, dann ein weisses Metall, wahrscheinlich Zinn, ferner Bernstein, Glas, Stein, Bein und Thon festgestellt. Die Waffen beschränkten sich aui sechs Eisenschwerter und einige dolchförmige Messer. Die Eisenschwerter sind einschneidig und sehr ähnlich den gekrümmten Schwertern aus Hallstadt in Oberösterreich und St. Michael in Krain. Am zahlreichsten und wichtigsten sind die Funde aus Bronce, die aus wenigen Geräthen, einigen kleinen Gefässen und sehr vielen Schmucksachen bestehen. Von Bernstein und Glas wurden viele Gegenstände gefunden, von Glasperlen bis zu iooo Stück in einem Grabe. Das keramische Material ist ein massenhaftes, es lässt sich ein ganzes Museum damit füllen und clas Landesmuseum in Sarajevo hat Schätze aus Jezerine geerntet, dessen Unnafluss mit Mühlen in Baksais (Vorort von Bihac). Nekropole etwa 500 Jahre vor unserer Zeitrechnung entstanden sein mag, die ganze La Tene-Periode überdauerte und erst zur Zeit der römischen Herrschaft ausser Gebrauch kam. Von sonstigen bedeutenderen Fundorten wäre in diesem Theile der V Krajna noch die Gradina Cungar bei Cazin, ein sehr ausgedehnter Wallbau, anzuführen, ausserdem sind bis jetzt 26 prähistorische Wallbauten im Bezirke Bihaö bekannt geworden. Einen prächtigen Ausflug von Bihad kann man, wenn auch ohne prähistorischen Genuss, der ja doch nicht Jedermanns Sache ist, nach Kostel und Brekovica machen. In zwanzig Minuten erreicht man, die nette katholische Ortschaft Kralje passirend, die Unnabrücke bei VrkaSic, von wo in den landesüblichen, zu zweit aneinander gekoppelten Kähnen die Flussfahrt beginnt. Die die Ufer begleitenden Lehnen treten immer näher zusammen, weichen wieder auseinander, auf einmal scheint kein Ausweg mehr vorhanden, man hört nur das Brausen und Schäumen der Katarakte von Kostel. Dicht unterhalb einer Kuppe, welche die Veste Brekovica trägt, bricht sich die Unna gewaltsam Bahn, in tollen Wirbeln schäumend und donnernd über die vorgelagerten Felsmassen sich stürzend. Oberhalb cler Katarakte stehen auf Pfählen zahlreiche landesübliche Mühlen, die auf schwanken Bretterstegen erreichbar sind. Der steile Aufstieg nach Brekovica wird durch den Anblick eines rein mohammedanischen Städtchens gelohnt, das inmitten der verfallenden Festungsmauern liegt. Typische Figuren und Erinnerungen an clie Vergangenheit findet man hier auf Schritt und Tritt. So erzählt die Sage von Kostel: In uralten Zeiten, als die ganze Ebene von Bihac ein See war, herrschte in Brekovica ein junger König Namens Kosta (Konstantin). Dieser fasste den Entschluss, die »Brekovaöka strana«, die clen Abfluss des Wassers hinderte, zu durchgraben und so den Bihacer See in fruchtbares Ackerland zu verwandeln. In seinem Plane wurde Kosta von den benachbarten Häuptlingen unterstützt, doch ging cler Durchbruch des Gebirges nur langsam von Statten und es dauerte viele Jahre, bis der Durchstich der letzten festen Wand erfolgen konnte. Als Kosta diesen Zeitpunkt herannahen sah, erkannte er, dass die mit furchtbarer Gewalt in den engen Durchlass eindringenden Wasser Hunderte von Arbeitern vernichten müssten. Da es ihm um die jungen kräftigen Leute leid that, das ganze Werk aber gleichwohl nicht unvollendet bleiben sollte, versammelte er alle Alten und Kranken und befahl ihnen, reiche Belohnung in Aussicht stellend, die letzte Hand an den Durchstich zu legen. Dieser erfolgte und mit Macht stürzte das Wasser in die Bresche, die Greise und Siechen mit sich fortreissend. Ihr Opfer war nicht umsonst gebracht, denn der See verwandelte sich in das fruchtbare Kulturland, das heute als die Ebene von Bihac bezeichnet wird. Der Durchbruch aber führt den Namen König Kostas und wird nach diesem »Kosteo« oder »Kostel« genannt. Solcher Sagen erzählt Pfarrer Konstantin Kovaöevic in Bihac noch viele im »Glasn. zem. muzeja«, wir aber nehmen für diesmal Abschied von der Krajna und von der Bihacer Ebene, von der es im Volksmunde heisst: »Die Ebene von Bihac ist ein zweites Aegypten!« oder: »Es giebt keine zweite p:bene von Bihaö bis zu clen Thoren von StambulU und kehren in sechsstündiger Wagenfahrt nach Novi zurück. Koksofen im Kohlen werk K r e k a. Nach Tuzla. Dreimal habe ich im Verlaufe zweier Jahrzehnte BosniensNordosten besucht und dreimal habe ich Dolnja-Tuzla berührt, jedesmal unter gänzlich geänderten Verhältnissen. Das erste Mal 1878 bei derBesetzung. Damals war es eine echt türkische Stadt, welcher die Salzgewinnung zu einer Bedeutung verhalf; sie hatte dadurch beträchtlichenVer-kehr, der sich aber nur auf Tragthieren vollzog. Das alte verfallene Kastell, der Konak und die bischöfliche Residenz waren die hervorragendsten Punkte des Ortes. Dann sah ich Tuzla im Jahre 1886, als die Eisenbahn von Doboj bis Siminhan eröffnet wurde; da war es schon eine halb moderne Staclt geworden, der Bergwerksbetrieb war im Beginne. Bei meinem letzten Besuche fand ich ein industrielles und Montancentrum der überraschendsten Art vor, recht deutlich zeigend, dass man in Bosnien mit Siebenmeilenstiefeln vorwärts schreitet. .... Doboj an der Bosnabahn lag wieder einmal hinter uns. Die Burgruine winkte uns förmlich einen Abschiedsgruss zu, als wir in den Waggons der bosnisch-hercegovinischen Eisenbahn-Verwaltung sassen. Hinter der Station wird die Bosna auf einer über hölzerne Gruppenjoche erbauten Eisenbrücke übersetzt, die 100 Meter lang ist. Jetzt stehen wir direkt vor den Bergen; es sieht so aus, als sollten wir unseren Weg hinauf in die romantische Wildniss nehmen müssen, die den Blick begrenzt. Aber die Bahn wendet sich in schwachem Bogen nach Nordost und tritt dann sofort durch das strategisch wichtige »Magjarska vrata« (ungarische Thor) in das etwas über drei Kilometer lange Spre£a-Defile. Bei Lipac wird die Felsenenge verlassen. Der Zug durchschneidet die von [den hügeligen Ausläufern des Ozren und der Majevica-Planina begrenzte Thalsohle und passirt die Station Suhopolje. Nun wendet die Bahn in einem vollen Kreise um einen Felsabhang, in dessen Schluchten, halb in den Wäldern versteckt, das ganz mohammedanische Dorf Suhopolje liegt, und erreicht in gerader Linie das Wächterhaus Boljanic. Die Ortschaft, mit einem schönen Schulgebäude, liegt zerstreut an clen Uferanhöhen. Links auf der Anhöhe erblickt man clie in einer kleinen Schlucht gelegene mohammedanische Ortschaft Briesnica, deren Moschee weithin sichtbar ist, während östlich sich clas Dorf Stjepanpolje an cler Berglehne ausbreitet. Das liebliche Tekuöicathal mit seinen grünen Matten und weidenden Rindern wird durchzogen. Es zeigen sich ein Man (türkisches Einkehrwirthshaus) und in einer Einsattlung der Landsitz eines Beg. Durch das Tekuöicathal über die Preslica-Planina führt die Fahrstrasse von Gratanica nach Maglaj. In vielfachen Krümmungen durchfährt cler Zug jetzt clas hier mehrere Kilometer breite SpreÖathal bis zum Han Boljanic, und lange mit der Strasse Maglaj-Graöanica parallel laufend, übersetzt er diese Strasse knapp vor der Station Gra&mica. Die Stadt, welche vier Kilometer von der Station in einem reizenden Thale des gleichnamigen Baches inmitten von Zwetschkengärten und Fruchtfeldern gelegen ist, zählt über 3000, meist mohammedanische Einwohner, hat mehrere islamitische Elementar- und zwei höhere konfessionelle Schulen (Medressen). «Eine derselben wurde im Jahre 1889 in schönem maurischen Stile erbaut und dient zur Unterbringung von 60 internen Schülern. Die Sonne vergoldete mit röthlichem Scheine das Ozren-Gebirge und dessen äusserste Kuppe Milinkovica-Kamen, als wir unsere Weiterfahrt fortsetzten. Riesige Eichenwaldungen, zum Theil Urwälder, bedecken diese Gebirge, die zur Fassdauben-Erzeugung ausgenützt wurden und werden. Vier Kilometer von der Station Graöanica führt ein Weg nach Soökovac, wo sich in einer Vertiefung tertiärer Formation zwei Schwefelwasser enthaltende Brunnen befinden. Einen Kilometer davon hat man eine mächtig sprudelnde Sauerquelle entdeckt, — Entdeckungen, clie einstweilen nur der umwohnenden Bevölkerung zu Gute kommen. Die Bahn zieht sich sodann neben der Ortschaft Kakmuz nach Petrovoselo. Diese Station wurde ursprünglich nur wegen der in der Nähe befindlichen grossen Holzbestände errichtet, sie hat aber für die Orthodoxen eine ganz andere Bedeutung. Anderthalb Stunden von hier, im Südosten, •Tjotarnua^) ipejg Partie aus clem Sprecathal. mitten im Walde, liegt das altberühmte Kloster Ozren mit einer im Jahre 1150 von einem Herrscher aus clem Geschlechte cler Nemanja erbauten Kirche. Auch soll sich dort noch eine ungarische Inschrift befinden, welche aus den Zeiten der ungarischen Oberherrschaft über Bosnien stammt. Das Kloster wird von der Station aus aui einem fünf Kilometer langen Reitwege erreicht. Es liegt in einem schönen, von dichten Waldgehängen umsäumten Thalkessel; clie Berge um das Kloster erreichen eine Höhe von 200—300 Meter und man geniesst von ihnen eine Fernsicht bis weit über die Save. Südöstlich vom Kloster liegt das mit jungem Eichenwald und fettem Weideland bedeckte GradiSnik-Gebirge, während sich auf cler Nordseite der Berg Gredelj erhebt, auf dessen Spitze noch heute clie Spuren des einstigen Sommersitzes der Mönche sichtbar sind. Von hier aus öffnet sich ein herrlicher Ausblick ins SpreBathal. An der nordwestlichen Seite des Klosters liegt der gleichfalls bewaldete Ausläufer Krvavac des Ozren-gebirges. Alle diese Wälder bieten gute Jagd, namentlich auf Rehe, Füchse, Wölfe, Wildkatzen und Marder, wogegen Hasen selten vorkommen. Einige 150 Meter südlich vom Kloster befindet sich eine mächtige, in Stein gefasste Quelle, »Kalugjerica« genannt, clie sich in das Flüsschen Rijeiica ergiesst. Im Winter ist ihr Wasser nahezu lauwarm, während es im Sommer derart kalt ist, class es kaum getrunken werden kann. In der Bevölkerung weiss sich Niemand zu erinnern, wer diese Quelle ummauert hat, es dürften dies wahrscheinlich die Mönche gethan haben. Eine halbe Stunde vom Kloster, hart am Fusse der Ozren-Planina, befindet sich ein Höhenrücken, auf welchem, der Ueberlieferung nach, einst der Klosterweingarten stand. An dieser Stelle ackern jetzt die Bauern von Vasiljevici; von den Weinstöcken findet sich keine Spur, aber die Bewohner nennen clas Gelände noch heute »Kalugjerske vinogradina« (die Weinberge cler Mönche). Vor mehr als 200 Jahren wurden sämmtliche Mönche cles Klosters Ozren Zwischen Olovo und Kladanj. (Von Ewald Arndt.) gelegentlich eines Ueberfalles niedergemetzelt. Welcher Anlass zu dieser Blutthat führte, ist nicht bekannt. Damals wurde auch das Kloster zerstört und mehr als hundert Jahre wurde kein Gottesdienst mehr abgehalten. Das Kirchendach verfiel, auf den Mauern wuchsen Bäume, deren Stämme Mannesstärke erreichten. Erst zu Anfang dieses Jahrhunderts hat die orthodoxe Bevölkerung die verfallenen Klostermauern wieder eingedeckt und fortan kam von Zeit zu Zeit aus den umliegenden Pfarreien ein Pope, um hier die Messe zu lesen. Im Jahre 1885 wurde das Kloster wieder besiedelt, und eine orientalisch-orthodoxe Klosterschule eingerichtet, die zum grossen Theil aus den Jahresbeiträgen cler Landesregierung erhalten wird. Der schöne Thurm wurde im ersten Jahre nach der Okkupation aus den Bruchsteinen der ehemals berüchtigten »Nietova Kula« in Krtova errichtet. Die Dörfer liegen hier weit verstreut im Gebirge und bestehen aus einzelnen Gehöften. Die Kinder müssen daher das Schuljahr über — das heisst hier ungefähr fünf Monate im Jahre — im Kloster bleiben, wohin ihnen die Eltern die nöthigen Lebensmittel bei Gelegenheit mitbringen. Selbstverständlich bleibt davon auch noch für die Klosterbewohnerschaft ein kleiner Rest übrig. Von Petrovoselo aus geht die Bahnlinie durch eine wundervolle, parkartige Gegend zur Uebersetzung des Spreiaflusses. Das Flussthal ist hier Brennende Halde. durch Gebirgsausläufer von beiden Ufern auf ungefähr 300 Meter eingeengt, das Bett des Flusses selbst durch sehr hohe und steile Ufer begrenzt. Ueber die Spreöa führt eine auf Piloten erbaute Brücke. Das landschaftliche Panorama, welches jetzt nur durch die Aufeinanderfolge von Wald und Wiese etwas Abwechslung bietet, wird hinter der Haltestelle Miriöina angenehm durch Felspartien unterbrochen, die bei Dubosnica ihr Ende erreichen. Die nächstfolgende Station Puraöic-Rukavac war bis vor wenigen Jahren ein Centrum cles bosnischen Holz-Industrie Konsortiums. Hier wurden Unmengen von Fassdauben erzeugt und versendet, die hauptsächlich vom nördlichen Abhänge cles Konju-Gebirges und von der Oskova kommen. Der Grossbetrieb scheint jetzt eingestellt zusein, wenigstens konnte ich davon bei meiner letzten Durchfahrt nichts wahrnehmen. Der Marktflecken Puraöic mit etwa 1000 mohammedanischen Einwohnern, liegt 3 Kilometer von der Station. Es führt von dort ein guter Reitweg nach Maglaj und bildet dieser clie kürzeste Verbindung zwischen Maglaj und Tuzla. Kurz hinter Puraöic verlässt die Bahn die hier aus einem Felsendefile hervortretende Spreöa und tritt in das Thal der in diesen Fluss mündenden Jala, cler sie bis kurz vor Tuzla am rechten Ufer folgt. Die Bahn entfernt sich von cler Strasse, von welcher sie durch sehr breite versumpfte Wiesen und Niederungen getrennt ist, bis sie bei cler Station Bistarac in der Nähe von Han Pirkovac wieder die Strasse erreicht. Bei Bukinje zweigt die Strasse nach dem reizend inmitten von Waldungen gelegenen Städtchen Kladanj ab, clas in etwa fünf Fahrstunden erreicht wird. Rechts erblickt man am anderen Jala-Ufer clen schönen Landsitz von SchemSi Beg Tuzliö, einem cler reichsten Grossgrundbesitzer in diesem Theile von Bosnien. Kurz nach Verlassen cler Station öffnet sich dem Blicke der die Stadt Tuzla einschliessende Thalkessel. Ganz eigcnthümlich erscheint clem Reisenden das schiefe Minaret cler Jalska-Dzamija, eine unbeabsichtigte und etwas missglückte Nachahmung cles Thurmes von Pisa. Links zeigt sich jetzt die zwischen der Fahrstrasse und dem Bergabhang eingebaute ärarische Ringofenanlage, gegenüber derselben liegt clie im Jahre 1891 neu erbaute Saline, beide durch eine Schleppbahn mit der Eisenbahn verbunden. Nach Passirung dieser Anlagen wendet sich clie Bahn in scharfem Bogen nach rechts und überschreitet die Jala, um am jenseitigen Ufer die Station Kohlengrube zu erreichen. Von hier aus führen Schleppgeleise zu clem in unmittelbarer Nähe gelegenen, durch seine mächtigen Mulden erkennbaren ärarischen Kohlenwerke. Mit zwei Einbauen, dem Förcler-und Wasserstollen, wurde die an Mächtigkeit und Ausdehnung gleich grossartige Braunkohlen- (Lignit-) Ablagerung erschlossen, welche in denn Tuzlaer Tertiärbecken auftritt und eine der besten Kohlensorten liefert, die überhaupt vorkommen. Vor der Einfahrt in die Station Kohlengrube befindet sich rechts clie musterhaft eingerichtete und geleitete Grauaug'sche Spiritusfabrik, die mit maschinellen Anlagen zur Erzeugung von Trockenschlempe, die nach dem Auslande exportirt wird, eingerichtet ist und auch mit den vorhandenen Maschinen Mahl- und Walzmühlen in Bewegung setzt. Links am jenseitigen Jala-Ufer wird zuerst das Militärbarackenlager, dann der Marktplatz von Tuzta sichtbar. Die Bahn erreicht das Weichbild cler Stadt mitten durch die zu beiden Seiten cler an drei Stellen überbrückten Jala von Mäusern dicht besetzten Strassen und hart an der Strasse sich hinziehend. Nachdem clie Bahn den grössten Theil cler Stadt passirt hat, übersetzt sie abermals die Jala und erreicht in kurzem Bogen knapp hinter der Turalibeg-Moschee clie Station. Tuzla, welches seinen Namen den Salzquellen verdankt, die sich hier, in Siminhan und in Gornji-Tuzla befinden (vom türkischen Worte »Tuz«, welches Salz bedeutet), zählt 10227 Civilbewolmer, darunter 5984 Mohammedaner. Die Volkszählungsziffern von 18851 WO die Stadt I'n Hof der Spiritusfabrik Dolnja-Tuzla. noch nicht ganz 8000 Einwohner zählte, darunter etwa 5000 Mohammedaner, lassen den industriellen Aufschwung erkennen. Auch der Handelsverkehr, besonders mit Bröka, der grössten bosnischen Savestation (1885 : 4281, 1S95 : 5998 Einwohner), ist sehr lebhaft und dürfte noch mehr steigen, wenn clas Projekt einer Eisenbahn Tuzla-Bröka im Anschlüsse an die ungarischen Bahnen zur Ausführung gelangen sollte. Eine neue grosse Savebriicke verbindet dort ohnedies bereits clas slavonische mit dem bosnischen Ufer. Erst Anfangs der fünfziger Jahre wurde Tuzla Hauptstadt des politischen Bezirkes, während früher Zwornik Sitz des Mutesarif war. Omer Pascha, der während der Beg-Revolution auch in diesem Theile des Landes seine Strenge gegen clie Uebergriffe der mohammedanischen Edlen zur vollen Geltung brachte, traf die neue politische Einrichtung zum Segen des Ortes. Auch er konnte freilich nicht voraussehen, was aus Tuzla für ein Bergwerks- und industrielles Centrum werden würde, und unter türkischer Verwaltung wäre es ein solches auch nie geworden. Die Staclt ist beinahe gänzlich umgebaut worden; sie besitzt zwar auch noch ihre türkischen Viertel, aber in der Hauptsache sind die Strassen breit und rein, die Gebäude neu und modern. An Stelle des verfallenen Kastells, clas demolirt wurde, ist der 8000 Quadratmeter grosse Appellplatz getreten. In dessen Mitte steht ein Obelisk, am Mordende clas im maurischen Stile erbaute Rathhaus. An modernen Amtsgebäuden sind clas Kreisgebäude, das Bezirksamt, das Brigadekommando, das Saline-Amt 11. s. w. erstanden. Ein bedeutender Fortschritt zeigt sich auch in den zahlreichen Schulen, die allerdings meist noch konfessionell sind. Einen "cjziiX"t!fu[OQ iprjs Jap iqoisny imponirenclen Eindruck macht die Handelsschule und das neue öffentliche Volksschulgebüude mit einem praktischen Versuchsgarten. Selbst die Mohammedaner raffen sich zu neuen Schulbauten auf, die modernen Ansprüchen entsprechen. So fand ich an einem sehr hübschen Hause die Aufschrift: »Mohamedanska osnovna Skola« (mohammedanische öffentliche Schule). Die »Schwestern der göttlichen Liebe« besitzen eine gut besuchte Mädchenschule und auch eine höhere türkische Schule (Medresse) ist vorhanden. Eines der hervorragendsten Gebäude der Stadt ist die orientalisch-orthodoxe Kirche, ein ziemlich geschmackloses, im byzantinischen Stile errichtetes Bauwerk. Unter den Moscheen zeichnet sich nur die aus neuester Zeit stammende, im Mittelpunkt der Stadt liegende, arabisch gebaute Behrambeg-Moschee aus. Am Nordwestrande liegt auf einem niederen Bergrücken das die Stadt überragende Militärhospital, sowie das Militär - Stationsgebäude mit dem Elisabethparke. Zu erwähnen ist noch die neugebaute Wasserleitung, von welcher ein auf dem Appellplatze errichteter maurischer Monumentalbrunnen gespeist wird, und das »Hotel Tuzla«. Für das mohammedanische Frauenleben in Bosnien erhielt Tuzla eine besondere Wichtigkeit dadurch, dass hier zuerst ein weiblicher Arzt vom Staate angestellt wurde. Während man in verschiedenen europäischen Ländern wohl weibliche Aerzte, die in der Schweiz oder in Frankreich promovirt haben, zur privaten Praxis zulässt, war es doch der bosnischen Landesregierung vorbehalten, solchen auch eine staatliche Stellung zu sichern. Es hing dies mit der Abgeschlossenheit der mohammedanischen Frauen zusammen, die nur in den seltensten Fällen männliche ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen, solche bei Krankheiten, die operative Eingriffe erfordern, überhaupt verschmähen. Daher nehmen bei ihnen Krankheiten viel häufiger einen tödtlichen Ausgang, wie auch der Kurpfuscherei durch Zigeuner als Lastträger (Hamal) in Dolnja-Tuzla. alte Frauen Thür und Thor geöffnet ist. So wurde denn im Jahre 1891 zuerst in Dolnja-Tuzla Frau Dr. Theodora Krajewska als weiblicher Arzt angestellt -und nach Ueberwindung gewisser Anfangsschwierigkeiten gelang es ihr, festen Boden in der Bevölkerung zu fassen. Wie ich einem äusserst interessanten Vortrage entnehme, den Ihre Excellenz Frau Minister Vilma v. Källay im Budapester Frauenverein hielt, behandelte Frau Dr. Krajewska im Jahre 1894 bereits 613 Kranke, von denen 224 Mohammedanerinnen, 269 Katholikinnen, 99 Griechisch-Orthodoxe und 20 Spaniolinnen waren. In Mostar, wo im Jahre 1893 gleichfalls eine Aerztin in der Person der Frau Dr. Bohuslava Kek angestellt wurde, sind die Ziffern für 1894 folgende: Behandelt wurden 763 Personen, davon 404 Mohammedanerinnen, 136 Katholikinnen, 200 Griechisch-Orthodoxe, 20 Spaniolinnen, 3 Protestantinnen. Aber nicht nur in sanitärer Beziehung äussert sich der Einfluss der weiblichen Doktoren. Sie können auch in anderen Fragen des Frauenlebens leicht. Rath ertheilen, sie erwerben sich das Vertrauen und wirken aufklärend und civilisirend auf jene Kreise, die bisher hinter den Musch-arabiehs der Harems ein einförmiges und abgeschlossenes Dasein führten. Der Salz- und Kohlendistrikt. Was Tuzla in erster Linie seine grosse Bedeutung verleiht, ist clie Kohle und clas Salz. Unter türkischer Verwaltung wurde letzteres aus zwei armen Salzquellen in denkbar primitivsterWeise gewonnen und doch war es schon damals ein grosses Wunder, denn zwischen der Adria und dem Schwarzen Meere kennt man auf der Balkanhalbinsel keinen Förderungsthurm im Kohlenwerk Kreka. zweiten Fundort VOll Salz. Von den Kohlen hatte clie türkische Regierung keine Ahnung, sie hätte auch nie einen Bergwerksbetrieb eröffnet, für dessen Erzeugnisse sie keine Verwendung besass. Im Jahre 1884 liess die bosnische Verwaltung die Schürfungen auf Kohle und Salz durchführen; es entstand ganz dicht bei Tuzla das Braunkohlenwerk Kreka und im selben Jahre wurde mit clem Bau einer Saline in Siminhan begonnen, clie längere Zeit clie alleinige Abnehmerin der Kohle war. Mit Eröffnung cler Eisenbahn von Doboj bis Siminhan nahm die Kohlenproduktion einen raschen Aufschwung. Wer die Schwierigkeiten einer grösseren Kohlenerzeugung vom grünen Rasen weg kennt, wird es zu würdigen wissen, wenn schon im Jahre 1890 clie Jahresförderung 500000 Metercentner erreichte. Als dieses Produktionsquantum erreicht war, wurde clas erste grössere Arbeiter-fest gefeiert, an dem schon damals 400 Arbeiter theilnehmen konnten. Die ausgezeichnete Verwendbarkeit der fast schwefelfreien Kohle zu Industriezwecken begründete zunächst eine Ausfuhr über clie bosnischen Landesgrenzen, lockte aber auch clie Industrie an, sich in dem so ungemein 'rjznj^ ut uiap jnc ujsnr{| reichen Kohlenreviere selbst niederzulasssen. So entstanden die sehr bedeutende Spiritusfabrik, mehrere kleinere Dampfmühlen, eine Brauerei, Ziegeleien mit und ohne maschinellen Betrieb. Die Salinen wurden erweitert und im Jahre 1894 eröffnete die einige Kilometer vom Bergbau etablirte grosse Ammoniak-Sodafabrik ihren Betrieb. Es geschah dies bei Bistarac in Lukavac, in dem malerischen Thale, wo sich die Jala mit der Spreöa vereinigt, in einer idyllischen Gegend, wo nichts sonst als der Pfiff der Lokomotive und höchstens noch ein das Buschwerk durchstreifender Jäger, Wildenten aufscheuchend, die tiefe Stille und beständige Ruhe unterbricht. Dank der Initiative des Herrn Reichsfinanzministers von Källay wurde hier — 14 Kilometer von Dolnja-Tuzla — von einer Aktiengesellschaft das grosse Fabriks-Unternehmen errichtet, dessen Anlage 12000 Quadratmeter bebauter Fläche repräsentiren. Es werden vorläufig 380 Arbeiter ständig beschäftigt, und zwar in einander ablösenden Gruppen, da Tag- und Nachtbetrieb besteht. Es werden täglich gegen drei Doppel-Waggons calcinirter Soda, ein Waggon Aetz-natron und ein Waggon Krystallsoda erzeugt. Später soll die Fabrikation auf das Doppelte gesteigert werden. Eine Leitung von 14 Kilometer Länge führt aus eigenen Bohrlöchern die zur Salzgewinnung nöthige Salzsoole in die Fabrik. Die Soolenleitung mündet in Reservoire, in denen die Speisung der Soda mit Ammoniak erfolgt. In eigens hierzu konstruirten Oefen wird durch Brennen von Kalkstein Kohlensäure erzeugt und aus diesen in die Reservoire geleitet, in denen sich die mit Ammoniak gesättigte Salzsoole befindet. Hierdurch entsteht ein Niederschlag von doppclkohlensaurem Natron, cler sodann in gusseisernen Röhren geglüht und dem Calciniren unterzogen wird. Die durch dieses Verfahren gewonnene Soda wird je nach cler Qualität und Quantität in Säcken oder Fässern zum Versandt hergerichtet. Das Absatzgebiet der Fabrikate ist ein grosses und der Betrieb dürfte bald eine weitere Steigerung erfahren. Die Anlagekosten betrugen bisher 1 300000 fl. Eine weitere neue Industrie ist der Koksofen an der Kreka, die erste derartige Anlage in Bosnien. In cler Gemeinde Jasenica, auf cler Majevica-Planina, befindet sich ein ausgedehntes Kohlenlager, das sich durch besondere Güte des Produktes auszeichnet. Es ist ein Uebergangsprodukt von der Braunkohle zur Steinkohle. Der grosse Prozentsatz cler flüchtigen Bestandtheile besteht aus Theer, Gasen und Ammoniak; clie Kohle verbrennt daher mit langer, leuchtender Flamme und ist demzufolge ein vorzüglicher Brennstoff. Um den technischen Werth cler Jasenicaer Kohle festzustellen, wurde eine grössere Menge derselben in eine ungarische Koks-anstalt gebracht, wo Versuche über die Verkokbarkeit cles Materials angestellt wurden. Diese Versuche lauteten absprechend. Das gemeinsame Finanzministerium wandte sich nun wegen neuer Versuche an clen Berg- und Hüttendirektor Wilhelm von Reusz inPitten bei Wiener-Neustadt, der sich seit mehr als zwanzig Jahren mit Untersuchungen der Braunkohle behufs deren Verkokung beschäftigt und fast sämmtliche Braunkohlen der österreichisch - ungarischen Monarchie seinen Arbeiten unterzogen hat. Herr von Reusz wies nun nach, dass derJasenicaerKohle nicht nur eine technische Wichtigkeit im Allgemeinen beizulegen ist, sondern dass sie auch vorzüglichen Koks liefert. Auf Grund dieser Ergebnisse wurde die Salinenverwaltung in Siminhan beauftragt, einen Koksofen für Versuchszwecke nach den Plänen des genannten Fachmannes zu bauen. Kohlengrube an der Kreka. Der Ofen, der an der Kreka isolirt in der Nähe der Saline aufgestellt ist, fasst 4000 Kilogramm Rohkohle, die in einem Zeitraum von 30 Stunden zu Koks gebrannt wird. Die bisherigen Versuche waren erfolgreich und es soll daher dicht neben dem Kohlenlager in Jasenica eine umfassende Koksofenanlage errichtet werden. Auf die Kohle der Tuzlapr Gegend sind auch die Zuckerfabrik in Usora und die Mineralölraffinerie in Bosnisch-Brod basirt. Die mit inländischer Kohle gespeisten Bahnen und Dampfschiffe führen den Brennstoff weiter ins Land und zum Theil auch über die Grenzen. Eine wichtige Frage bildete die Unterbringung cler Bergarbeiter. Zu diesem Zwecke wurde eine Kolonie errichtet, die heute 60 Doppel-Familienhäuser zählt, eine freundliche mit kleinen Gärten versehene Anlage, clie sich alljährlich ver-grössert. Der steigende Kohlenbedarf führte im Laufe des Jahres 1894 zur Erzeugung von mehr als einer Million Metercentnern und diese erfreuliche Thatsache wurde in den Weihnachtstagen durch ein clen Beamten und Arbeitern von der Regierung gegebenes Fest gefeiert. Beinahe zur selben Zeit erreichten die Salinen die Jahresproduktion von 100000 Meter-centnern Sudsalz, sodass ein doppelter Anlass zum Feste vorlag. Uebrigens hat auch in Zenica, dem südlichen Kohlenwerke an der Bosna, die Jahres- ■u [2 ti L - ï f n i o Q i o c| u^ojnj s3j;jD.ttU3[i¡o\| ssp iqoisut:|i;ii> forderung bereits 500000 Metercentner erreicht. Eine neuerrichtete Saline ausserhalb Tuzlas ist zur Erzeugung von Feinsalz bestimmt, während die Anlage in Siminhan nur das gebräuchliche bosnische Kochsalz erzeugt. Das Tuzlaer Etablissement ist zur Gewinnung von 60000 Metercentnern jährlich eingerichtet. Die Saline in Siminhan besuchte ich im Jahre 1886 und ich lasse meine damaligen Eindrücke unverändert folgen. Die Station Tuzla verlassend, erreicht die Bahn, auf den am rechten Jala-Ufer gelegenen Wiesen sich hinziehend, den in die Jala mündenden Solinabach, welchen sie auf einer Holzbrücke übersetzt. Unmittelbar in der Nähe dieser Holzbrücke und bei der knapp hier vorüberführenden Fahrstrasse nach Zwornik befindet sich die dem serbischen Metropoliten gehörende Dampfmühle. Dieser Siminhan mit Saline. gegenüber zweigt von der Hauptstrasse die alte im Solinathale geführte Strasse nach Bröka ab, die durch einen im Jala- und Gnjica-Thaie geführten Fahrweg über Lopare ersetzt wurde. Nach Passirung der Solina-briieke zieht sich die Bahn abwechselnd auf Dämmen und in Einschnitten — zur linken Hand die landwirtschaftliche Niederlassung der »Schwestern der göttlichen Liebe« — zumeist parallel mit cler Strasse und hart an dieser bis zur Saline in Siminhan. Bis 1884 noch war Siminhan eine einsame, von allem Geräusch fern gelegene Gegend, die nur durch den Han eines gewissen Simo — daher cler Name — bezeichnet und den mit der Gegend vertrauten Bewohnern bekannt war. Zur Ausnutzung cler Soolquellen von Gornja-Tuzla, clie von der türkischen Verwaltung nur sehr primitiv bearbeitet wurden und deren Salz wegen Mangels jedes Reinigungsprozesses nicht gern gekauft wurde, fasste die bosnische Landesregierung den Entschluss, daselbst eine Saline zu erbauen. Der Bau wurde im Mai 1884 begonnen und die Saline im März 1885 in Betrieb gesetzt. Es ist eine prachtvolle Gegend, in der sich diese Anlagen befinden. Die netten Fabrik- und Wohngebäude sehen wie Schweizer-Häuser aus und die grünen Wälder an den Bergabhängen im Hintergrunde würden eher die Ver-muthung erwecken, dass sich hier die Cottage-Anlage von Dolnja-Tuzla befinde. Für einen klimatischen Kurort könnte man sich eine schönere Landschaft kaum denken und auf Schritt und Tritt wird man durch die Scenerie andiehiibschestenPartien derStciermark erinnert. Sobald man von der Bahn aussteigt, sieht man die Aufschrift: »Franjo Josipa Solina« — »Franz Josef-Saline«, welcher wir in ihren inneren Räumlichkeiten einen eingehenden Besuch abstatteten. Die Soole wird mittelst Dampfpumpe gehoben und in Röhren, die eine Länge von 4100 Meter besitzen, von Gornja-Tuzla nach Siminhan geleitet. In den zwei Sudapparaten (gegenwärtig sechs) zischt und brodelt es unaufhörlich und der Reinigungs-prozess, welcher bezweckt, clas Glaubersalz und die Magnesia aus dem Kochsalze zu entfernen, wird nach clen neuesten Erfindungen vollzogen. Grosse Dörrpfannen sind aufgestellt und überall sieht man nur bosnische Arbeiter beschäftigt, die sich recht anstellig und gelehrig zeigen. Ihre Verwendung hatte wieder die Anlage von landesüblichen Wohnhäusern im Gefolge und sogruppirt sich ein Dorf um die Saline, die auch sehr ausgedehnte Magazine besitzt. Diese Anlage soll durch das Erbohren weiterer Quellen noch eine namhafte Ausdehnung erfahren und man hegt die Hoffnung, mit der Zeit clen ganzen bosnischen Bedarf aus dieser Saline Landwirtschaftliche Station M o d r i c. Salzsiederei in Gornja- Tuzla zur Türkenzeit. (Von W. Leo Arndt.) decken zu können, was gegenwärtig (1895) so ziemlich der Fall ist. Siminhan bildet gleichzeitig einen Strassenknotenpunkt nach Zwornik und Bröka, indem unmittelbar bei der Saline die über Gornja-Tuzla und Lopare nach Bröka führende, durch ihre landschaftlichen Reize er-wähnenswerthe Kunststrasse von der Hauptstrasse Tuzla-Zwornik abzweigt. Von Siminhan aus kann Bröka in 51/a, Zwornik in 6 Fahrstunden erreicht werden. Vier Kilometer von der Saline liegt der durch seinen Salzreichthum bcmerkenswerthe rein mohammedanische Ort Gornja-Tuzla. In einem hinter der Saline gelegenen netten Gasthause mit elegantem Sommerpavillon wurde ein Frühstück eingenommen, das nichts zu wünschen übrig liess. Frisches Bier, gute Weine, Sodawasser war vorhanden. Der Wirth war ein Ungar, wie überhaupt in der Tuzlaer Gegend sehr viele Magyaren in amtlichen und geschäftlichen Stellungen sich befinden. Ueber-all hört man auch ungarisch reden und es kann nicht geleugnet werden, dass im Bereiche der Stefanskrone viel mehr Verständniss für den Werth Bosniens besteht, als in Cisleithanien, wo man bei oftem Nörgeln gänzlich übersieht, welch' werth-Okkupation gewonnen hat. Allerdings mussten die natürlichen Schätze erst gehoben, die Hilfsmittel des Landes vorher erschlossen werden. Dass dies geschehen und noch geschieht, ist das grosse Verdienst der gegenwärtigen bosnischen Landesverwaltung. * * * Der Tuzlaer Kreis hat das Glück, das beste Hornvieh und einen vorzüglichen Pferdeschlag zu besitzen. Eine grossartige landwirthschaftliche Station besteht in Modric. Darum bilden auch in Tuzla — wie übrigens in den meisten Theilen des Landes — die Pferderennen einen nationalen Bohrungen im S a 11, w e r k Dolnja-Tuzla. (Von W. Leo Arndt.) volles Land das Habsburger Reich durch die Sport. Anlässlich der Bahneröffnung' wurde ein grosses Volksfest abgehalten, das mir stets in angenehmer Erinnerung bleiben wird. An der Kreuzung der Brökaer mit der Zworniker Strasse, ziemlich ausserhalb der Stadt, auf einem riesigen Wiesenraumc, der von Bergen an einer Seite begrenzt wird, war cler Festplatz abgesteckt worden. Für die Gäste war eine eigene Tribüne errichtet, mit Logen für Herrn Reichsfinanzminister Einheimische Reiter beim Wettrennen. v. Källay und seine Gemahlin, sowie für den Landeschet General der Kavallerie Baron v. Appel nebst Gattin. Das Volk drängte sich bunt auf der Wiese, und an den Berglehnen zeigten sich Kopf an Kopf die meist rothen »Behauptungen« — Fez und Turban — einen Anblick bietend, wie riesige Plätze voll Alpenrosen. Nur landesüblicher Sport sollte zur Darstellung gelangen, zuerst ein echt bosnisches Pferderennen. Den Rennplatz bildete die Landstrasse und clie Strecke war mit 6xj-i Kilometer bestimmt. Für das grosse Rennen mit Reitern waren 22 Pferde angemeldet, durchweg von mohammedanischen Grundbesitzern aus Tuzla, Bjelina, Gradaöac, Graöanica, Kladanj, Janja, Brezovopolje und einigen Dörfern. Ein Böllerschuss gab das Zeichen, dass die Pferde von ihrem Standplatze abgegangen, und nicht lange wahrte es, so erblickte man an einer Strassenkreuzung einen Falben daherrasen, dessen Reiter fast gar nicht sichtbar war. Bald kamen ein zweites und drittes Pferd, dann folgen ganze Rudel, die von den die Strasse einsäumenden Zuschauern zu immer schnellerem Laufe angeeifert werden. Der Falbe aber blieb der erste Sieger; er gehörte dem Ali Beg 1 Iadzi Alibegovic in Modric und war von einem halbnackten zehnjährigen Zigeunerjungen geritten. Alle »Jockeys« waren Zigeunerkinder oder Eingeborene, der älteste 13 Jahre. Sattel war nirgends vorhanden, meist auch kein Zaum; nur durch bunte Tuchstreifen um den Hals der Pferde waren diese für die Eingeweihten kenntlich gemacht worden. Wie rasend jagte ein Pferd nach dem andern über das Ziel, das in einem Bündel Ileu auf der Strasse bestand, oft mitten in die Zuschauer hinein. Die vier Sieger wurden von dem Preisrichter-Kollegium, an dessen Spitze sich der Bürgermeister von Tuzla, Haschim Aga, befand, in feierlichem Zuge in einen abgegrenzten Raum vor den Tribünen geführt und hier mit Ehrungen überhäuft. Unter Vortritt einer türkischen Zigeutier-tnusik, die einen gräulichen Spektakel vollführte, begann der Rundgang der Pferde. Dann wurden die Preise — 39, 9, 6 und 4 Dukaten — welche als Stirnband gefasst waren, den Pferden um den Kopf gebunden, worauf wieder Musik und das Ausrufen der Preisgekrönten durch den Tellal (öffentlicher Ausrufer) von Tuzla erfolgte. Dieser, ein alter Moslim, hatte die Rolle des Hanswurstes übernommen. Unter den lächerlichsten Kapriolen sprang er herum, dabei aus Leibeskräften schreiend und einem Tulum (türkische Trommel) jämmerliche Töne entlockend. Es war ein ganz eigenartiger Anblick, die kleinen Reiter, zerrissen und beschmutzt, zu sehen, wie es sie mit Stolz erfüllte, so hoch geehrt zu werden, und der Besitzer des besten Rennpferdes konnte es sich nicht versagen, aus seiner stoischen muselmännischen Ruhe herauszutreten, das Pferd und den Jungen zu streicheln und ihm 15 Dukaten zu geben. Die Strecke war in 12 Minuten zurückgelegt worden. Solche Rennen sind Feste für ganze Gemeinden. Tage lang vorher schläft Niemand vor Aufregung; die Pferde werden müde gehetzt, dann, wenn sie in Schweiss gekommen, ganz dicht in Decken eingehüllt und diese mit Riemen fest zugezogen, damit die Muskeln nicht schlaff werden. Erst bei Beginn des Rennens werden sie der Hüllen entledigt. Das ist die bosnische Trainirung, die von der bei uns üblichen recht bedeutend abweicht. Sodann fand ein zweites Rennen mit Pferden ohne Reiter statt, das eigentlich einen noch viel originelleren Anblick bot. Man konnte sich Politikern ist ein Besuch zu empfehlen; in Bosnien wird praktische Kolonialpolitik getrieben, und was geleistet wurde, stellt den leitenden Personen und Oesterreich-Ungarn im Allgemeinen das höchste Ehrenzeugniss aus. Einst gänzlich zurückgeblieben, reiht sich heute die bosnische Schwester europäischen Ländern als würdige Genossin an. Am Baum der Menschheit Drängt sich Bliith' an Bliithe, Nach ew'gen Regeln wiegen sie sich drauf. Oh hier clie eine matt und welk verglühte, Blüht dort die andre voll und prächtig auf. Es ist ein ewig Kommen und ein ewig Gehen Und nie und nimmer träger Stillestand. Man sieht sie auf-, man sieht sie niedergehen Und jede Bliithe ist ein Volk, — ein Land. So singt Freiligrath. Bosnien aber ist das Land des Aufgehens, das echte Land der Morgensonne! Waldpart hie im bosnischen Waldgebiet. _ Drtiok von OTTO ELSNER, Berlin S. V r L 1 T" v\\ Äv X- / 4"--,° \ \ Jl< i // V0 * ^ j^ysr ' f ^ivv«, J'T-j ^LS&Uti^^'&'M A 1 ^N* X^v «^Jp^ („ A ^ \ i \\jaUUc; , rfoî J TV "^P^xA^lX?*^^ L-— ^Sv / XNs \ ifri^tm^J Y^rx^sç vfjäC H v : 2 -------------XjL^^ XxJ^gr*^^-i « -T "" ( '>• . txX -4- ^ X__, " t> .r.A«»' /¿L ~ «.¡.i ^ X * U^^S^^n -*W v«^ fi. v ' \r \ 6jJH'*a%*xY »A \\ - ^ X\ nsää&T A* * /Oa^iVTA^ „ v .,, ' \9l3aÄ T^Ti^^S < .s-rfi/^Lemicas ^-a \ \ r O \ m A ( . 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