Nr. 10. OcsoLei-71900. m. Jahrgang. M-usgog-bm. u. fggl|aj!>i ■ »•m-gtffla-gCT Bezugsbedingungen. Der „Stern der Neger" erscheint als illustrierte Monatschrift am Anfange jeden Monates und kostet jährlich 3 Kronen (3 Mark) mit Postversendung. Wir richten an unsere Freunde die innige Bitte, ans Liebe zum göttlichen Herzen Jesu und zu den armen Negern Centralafrikas uns unterstützen zu wollen durch Verbreitung dieser Zeitschrift in ihrem Bekanntenkreise und Werbung neuer Abnehmer. Förderer und Vertreter zur Verbreitung des „Stern der Neger" werden an allen Orten unter sehr günstigen Bedingungen gesucht. Der Ertrag des „Stern der Neger" wird zur Heranbildung von Missionären für die armen Neger in Centralafrika verwendet. Neu hinzukommende Abnehmer erhalten die bereits erschienenen Nummern nachgesandt. Adresse für Bestellung des ..Stern der Neger": Missionshaus der Söhne des. hlst. Herzens Jesu in Mühländ bei Brixen (Tirol). loitpipfion der Soffite des heilWen Šerpe Jesu, Missionare für Eenlral-UMa ober Sudan. Bedingungen der Aufnahme. Die Congregation hat neben der Selbstheilignng der Mitglieder die Bekehrung der Neger von Centralafrika ober Sudan zum Zwecke. Sie besteht ans Ordenspriestern nnd Ordenslaienbriidern. Zur Aufnahme ist für alle der Beruf zum Ordensstaude erforderlich sowie der aufrichtige Wille, sich und seine Kräfte der Bekehrung der Neger zu weihen. Außer Priestern werden Aufgenommen Studenten und Laienbrüder. Für die Studenten wird die vollendete V. Gyrnuasialelasse verlangt. In Mühland müssen alle 2 Jahre Noviziat machen, worauf sie, wenn nach bcm Urtheile der Obern kein Hindernis entgegensteht, die heiligen lebenslänglichen Gelübde der Armut, der Keuschheit und des Gehorsams ablegen. Die Studenten setzen dann ihre Studien für das Priesterthum fort. Beim Eintritt muss jeder eine bescheidene Ausstattung an Kleidung und Leibwäsche mit sich bringen und soviel Geld, als zur Rückkehr in die Heimat erforderlich ist, wenn solche aus einem triftigen Grunde sich als nöthig erweisen sollte. Nach ihrem Eintritte, seien sie Studenten oder Laien, übernimmt das Institut ihre Versorgung mit allem Nöthigen, in Gesnitdheit und Krankheit, wie für seine Söhne Behufs Aufnahme'in die Kongregation ist an die unten bezeichnete Adresse einzusenden: 1. Ein selbstgeschriebenes Aufnahmsgesuch mit kurzer Lebensbeschreibung und der Erklärung, Ordensmann und Missionär für die Neger lebenslänglich sein zu wollen. 2. Das Zeugnis des Bischofes der eigenen Diöeese. H. Das Tauf- und Firmnngszeugnis. 4. Pfarramtliches Sittenzeugnis. 5. Aerztliches Gesundheitszeugnis. 6. (SSei Minderjährigen) die Einwilligung des Vaters oder Vormundes. 7. (Bei Studenten) die Zeugnisse der absolvierten Gymnasialclasscn, besonders der letzten. 8. (Bei Laien) im Gesuche angeben, ob sie ein Handwerk verstehen. Adresse: Hochui. i). Odern brs Missionshauses der Löhne des IjlIt. Herzens Zesn in Miihiand bei ßrimt (Tirol). Sthskwte für ^ta^emVe^xätvng in JJfiufea. Organ des Nissionshaufes der „Zähne des HP. Herzens Jesu". Erscheint am Anfange jedes Monats. Mr. 10. Hctoöcr 1000. III. Jahrgang Inhalt: Lebensbilder verdienstvoller deutscher Missionäre. —Lin Deutscher — Sclave in Afrika (Fortsetzung). — Krieg des Lhalifen Abdullah! gegen die englisch-ägyptischen Truppen (Fortsetzung). — Die muselmännische Frauenfrage. — verschiedenes. Lrlikiisliildtt lerbieifbeErr beutsdjrr pssiiniittT. Von A. 93. as will wohl diese Ueberschrift? — Unter derselben wollen wir unseren Lesern eine Reihe von Männern vorführen, die von Gott eigens aus-erwählt, voll Feuereifer für dessen Sache, entstammt von Liebe für die arme, in den Banden des Heidenthums schmachtende Menschheit, ihre ttjenre deutsche Heimat verließen und in fremde unwirtliche Gegenden unter wilde Völkerschaften hinauszogen, um da mit dem Kreuze in der Hand und mit dem Gottesworte im Munde die Finsternis zu verscheuchen, um die „Wilden" zu braven Christen, zu tüchtigen ituö edlen Menschen zu machen, um sie zu würdigen und nützlichen Gliedern der menschlichen Gesellschaft umzuwandeln. 218 Lebensbilder verdienstvoller deutscher Missionare. Niemand wird so schnell vergessen, als der Priester —- dies ist eine bekannte Redensart und leider auch Thatsache! Und was vom Priester im allgemeinen gilt, gilt vom Missionär noch in erhöhterem Maße. Da in dem unruhigen, eilenden, hastenden Europa vergisst man gar bald des edlen Stammesbruders, der sich auf die Apostelreise begeben, — nur wenn er Eltern und Verwandte zurückgelassen hat, dass ihm zuweilen von diesen eine stille Erinnerung, ein Gebet nachgesendet werden, — vielleicht auch, dass einer seiner ehemaligen Freunde und Studien-collegen> wenn zufällig von den Missionen die Rede ist, sagt: der und der ist auch unter die Missionäre gegangen. ■— Doch wer spricht von ihren Thaten, ihren Werken, wer erfährt von ihnen, wie sie unter den größten Mühen und Entbehrungen gearbeitet, wie sie selbst das letzte, was sie noch ihr Eigen nannten, — ihr Leben in die Schanze geschlagen, um Golt Seeleu, der Menschheit nützliche Glieder, ihrer Heimat Ehre und Ruhm in fernen Landen zu gewinnen. So soll nun diesen Männern der Arbeit im edelsten Sinne des Wortes, diesen Pionnieren der christlichen Cultur und Gesittung in den Spalten dieser Zeitschrift, — soweit es nur unsere schwache Feder vermag, — ein würdiges Denkmal gesetzt werden. Doch noch ein anderer Grund bewegt uns, die Lebensbilder unserer Missionäre zu zeichnen; sie sollen auch in ihrer deutschen Heimat wirken, wenn sie es nicht unmittelbar thun konnten und können, wenigstens mittelbar durch — ihr Beispiel; sie sollen ihre Landesbrüder zu dem Glaubensmuthe, der Opferfreudigkeit, der Arbeitsliebe begeistern, von denen sie selbst stets beseelt waren. Besonders aber möge daraus unsere Jugend, in der ja unsere Hoffnung, unser Stolz liegt, jene Stärke und Kraft schöpfen, deren sie heutigentags zum rechtschaffenen Leben und edlen Schaffen so sehr bedarf, sie möge jene Festigkeit des Charakters kennen lernen, wie sie ein christlicher deutscher Dichter für alle seine Brüder wünscht: Aus beut Eisen eurer Berge, Aus beut Holze eurer Eichen! Und — möchten diese Lebensbilder in manchem unserer Jünglinge den Entschluss entfachen, dem Beispiele und Berufe ihrer apostolischen Stammesbrüder zu folgen, dann hat erst diese Gallerte ihre höchste Aufgabe erfüllt, denn „— wenn ihr um solche wisset, welche Eifer für die Ehre Gottes haben und bereit und geeignet sind, die heiligen Missionen zu übernehmen, so bestärket sie in ihrer Neigung. Ermahnet dieselben, nachdem sie den göttlichen Willen befragt und erkannt haben, Fleisch und Blut nicht mehr nachzugeben, sondern dem Rufe des heiligen Geistes ohne Zögern zu folgen!" (Papst Leo XIII. Encyclica.) Lebensbilder verdienstvoller deutscher Missionare. 219 P. Johann Nep. Hinleröcker, S. J. Es war um 12 Uhr nachts zwischen 1819 und 1820; durch die Straßen des Marktes Spitz a. D. in Niederösterreich zog die Marktkapelle, um den Bürgern nach altem Herkommen den Neujahrsgruß zu beuten, als in dem Hause des angesehenen Weingarten-Besitzers Johann Hinteröcker die zarte Stimme eines neu« und zugleich erstgeborenen Söhnleins in die Töne der Musik sich mischte und die beglückten Eltern vor Freude Musik, Neujahr und die ganze Welt vergessen machte. An dem Tage trat das Knäblein in die Welt, an welchem einst der Sohn Gottes den Namen Jesus erhalten hatte; wer hätte wohl in dieser Nacht gedacht, dass Gott das Knäblein in den Orden führen wird, der den Namen seines Sohnes trägt; wer hätte gedacht, dass es einmal als Missionär den Namen Jesus den Wilden und Heiden verkünden und zuletzt seine Grabstätte sinden werde in einem Welttheile, der zur Zeit seiner Geburt kaum fünfzig Jahre lang entdeckt war! In der Taufe erhielt der Knabe den Namen seines Vaters, Johann Nepomuk. Der Vater war ein tief religiöser Mann von ernstem und entschiedenem Charakter. P. Hinteröcker schildert selbst einmal seinen Vater folgendermaßen: „Unser guter Vater hatte ein herrliches Gemüth, eine schöne Seele; lebendiger, fester, muthiger Glaube hat das Leben unseres theueren Vaters durchdrungen. . . Alle Geschwister können es bezeugen, mit welchem Eifer unser Vater alle gottesdienstlichen Uebungen verrichtete, mit welcher Rührung er betete, las, von göttlichen Dingen sprach, oft bis zu Thränen bewegt. . . . Wie standhaft, wie muthig, wie ohne alle Menschenfurcht bekannte nicht unser lieber Vater diesen Glauben, mochte mau auch über ihn spotten, sich über ihn lustig machen; wie gar manchem stopfte er den thörichten oder faselnden Mund zu. Unsere Kinderjahre verflossen so süß unter den Augen unserer wahrhaft christlichen, frommen, liebenden Eltern!" Johann war ein munterer Knabe und verrieth frühzeitig große Anlagen. Kaum fünf Jahre alt, wurde er in die Pfarrschule gebracht und zeigte da solche Talente, dass Lehrer und Katechet in die Eltern drangen, ihn studieren zu lassen. Diese waren dazu bereit und beschlossen, den kleinen Johann nach Linz zu geben, wo eine Schwester des Vaters mit dem Gastwirt zum „Einhorn", Andreas Schlaffer, verehelicht war. Zufällig kam der Onkel Schlaffer gegen Ende September 1829 nach Spitz, und der kleine Johann wurde ihm gleich mitgegeben. Der Onkel nahm sich seiner durch folgende zehn Jahre mit einer Sorgfalt und Liebe an, wie er für das eigene Kind nicht hätte besser sorgen können. Johann bewies sich aber dessen auch würdig, alle Jahre zählte er zu den Prümianten. Neben seinen obligaten Schnlgegenständen lernte er auch Musik, hauptsächlich Singen und Violinspielen, neuere Sprachen, ferners Naturgeschichte, Zeichnen und Malen. In der Musik machte er solche Fortschritte, dass er auf dem Chor in der Karmelitenkirche als Solosänger und später als Violinspieler verwendet wurde. In dem Hause des Onkels befand sich ein junger Mann, der das Gymnasium absolviert hatte und dem jungen Hinteröcker die ersten Kenntnisse von den Pstanzen, Ž20 Lebensbilder verdienstvoller deutscher Missionäre. Küfern und Schmetterlingen beibrachte, und damit für ihn den Grund zu jener Wissenschaft legte, in der er später so außerordentliches leistete. Von der Gouvernante, welche Onkel Schlaffer seiner Tochter hielt, lernte Hinteröcker fertig die französische Sprache. Während der Ferienzeit war es sein Hauptvergnügen, wenn er in der Umgebung von Spitz auf den Bergen und in den Wäldern umherstreifte, um seine lieben Pflanzen und Käser zu sammeln. Und wie er sich auf die Ferien freute, so freuten sich auch zuhause alle auf seine Heimkehr, die Eltern, weil er ihnen durch seine Zeugnisse stets Ehre und Freude brachte, seine Freunde und Altersgenossen, weil er ihnen bei seinem heiteren, geselligen Wesen ein lieber Gesellschafter war, der gerne mit ihnen auf der Violine spielte, Lieder sang oder ein unschuldiges Spiel mitmachte. Als er im Jahre 1837 nach den Ferien Abschied nahm, um zu seinen Studien zurückzukehren, war die Mutter besonders schmerzlich bewegt; unter vielen Thränen wünschte sie ihrem Johann glückliche Reise. Das gute Mntterherz mochte bereits geahnt haben, dass sie ihren Sohn nicht mehr sehen sollte. Gegen Weihnachten erkrankte sie an einer Lungenentzündung, alle Bemühungen, sie zu retten, waren vergebens; am 28. December verschied sie im Herrn. Die Trauernachricht war am 1. Jänner nach Linz gekommen; es war für den Onkel eine bittere Aufgabe, seinem Neffen gerade zu seinem Geburtstage diese schmerzliche Mittheilung machen zu müssen. Tief erschüttert vernahm dieser die traurige Nachricht, heiße Thränen weinte er, denn die Mutter gieng ihm über alles. Doch mit christlicher Fassung sagte er zuletzt: „Es ist Gottes Wille, sein Name sei gepriesen." Im Jahre 1839 hatte Hinteröcker Gymnasium und Philosophie absolviert, und nun war der Zeitpunkt der Standeswahl da. Sein Enschluss war aber längst schon gefasst; er wollte in den Orden der Jesuiten eintreten. Der erste Gedanke, Jesuit zu werden, war ihm an jenem Tage gekommen, an dem er die Nachricht von dem Tode seiner Mutter erhielt. Onkel Schlaffer hatte ihn damals zur Nachmittagsandacht in die Jesuitenkirche auf den Freinberg mitgenommen. P. Wenninger hielt die Neujahrspredigt, und diese machte auf Hinteröcker den tiefsten Eindruck; nach der Predigt verweilte er noch betend in der Kirche, und da reifte in ihin der Entschluss, und er beharrte an ihm, obwohl er auf vielen Widerstand stieß. Sein Vater wünschte wohl, dass sein Sohn Priester werde, aber gegen den Gedanken, dass derselbe Jesuit werde, erhob er alle möglichen Einwendungen, namentlich, dass er dann seinen Angehörigen ganz entsrenidet werde. Von da an hatte aber der Vater fortwährend beängstigende Träume, die ihm zuletzt wie eine Mahnung vorkamen, dem Entschluss des Sohnes nicht hindernd entgegenzutreten; auch Schlaffer suchte zu vermitteln, und so gab der Vater endlich seine Zustimmung. Gleich reichte Hinteröcker nun das Gesuch um Aufnahme in die Gesellschaft Jesu ein, wurde aufgenommen und begab sich am 12. August nach Graz ins Noviciat. Nach siebzehntägigem Postulate durfte er am Feste der hl. Schutzengel zum erstenmale das Kleid des hl. Ignatius anziehen und nun war er förmlich Novice in der Gesellschaft Jesu. Wie ernst und' aufrichtig er seinen erhabenen Beruf anffasste, geht klar aus einem Briese hervor, den er kurz vor seiner ersten Profess an Onkel Schlaffer schrieb. Darin kündete er ihm seinen bevorstehenden „bürgerlichen Tod" an und drückte darüber seine Freude ans. Er MM2 ||p§j^ In öitscnl Stichen iff Heil! bittet seinen Onkel, für ihn zu beten, und lässt den P. Zimanyi bitten, für ihn die hl. Messe zu lesen; rechte Wissenschaft und Gesundheit sollen sie ihm erbitten, damit er einmal fähig sei, Gott Tausende von Seelen zuzuführen; er hat an der Gesellschaft eine so gute Mutter gefunden, unter einem so mächtigen Könige nimmt er Kriegsdienste, wie Jesus Christus ist, auf so edle Bente will er. ausgehen, nämlich unsterbliche Seelen; im östlichen Asien, in China ist noch die Nacht des Heidenthums, in England, wo einst die Kirche mächtig blühte, herrscht die Ketzerei, und die Engländer konnten bei ihren vielen überseeischen Besitzungen so einflussreich für die Religion wirken; da habe er überall Aussicht, einmal wenn Gott hilft, wirken zu können. Am Feste Mariä Himmelfahrt 1841 legte P. Hinteröcker nach vollendetem zweijährigem Noviciat die erste Profess ab, und darnach begannen gleich ernste und strenge Studien: „Die Studien sind jetzt wieder mein Tagesgeschäft, die aber freilich jetzt mehr einem apostolischen Geschäfte gleichen" — schreibt er. Nach einem Jahre der anstrengendsten Studien musste er im Herbst 1842 nach Innsbruck sich verfügen, wo er als Präfect am k. k. Theresianum (Erziehungshaus für adelige Studierende) seine Kräfte der Erziehung widmete. Manche Männer, welche wir später unter den Vorkämpfern für das Recht und die katholische Sache finden, lernten ihn dort kennen und bewahrten ihm stets eine freundliche Erinnerung. Ein Jahr darauf sehen wir P. Hinteröcker schon wieder in Linz, wo er unter der Leitung des berühmten P. Buczinski den philosophischen Studien oblag. In: Juli 1844 hatte er sein Examen über den philosophischen Curs abgelegt und darnach wurde er von seinen Oberen nach Lemberg geschickt, wo die Jesuiten ein Convict für adelige Zöglinge hatten. Dieses Convict war damals noch nur eine Privatanstalt. Die Zöglinge wurden in den Ghmnafialgegenständen unterrichtet, mussten aber ihre Prüfungen an einem öffentlichen Gymnasium ablegen. P. Hinteröcker wurde zuerst Classenlehrer an den unteren Classen, aber bald wurde ihm der Auftrag zutheil, sich auf das Lehramt in der Naturgeschichte für den philosophischen Curs vorzubereiten. Das war Wasser auf seine Mühle, war ja die Naturgeschichte seit jeher sein Steckenpferd. Voll Freude schreibt er darüber: „Die Naturgeschichte war von meinen ersten Jugendjahren an mein Lieblingsstudium, immer war ich ein eifriger Schinetterlingsjäger und Blumensammler, jetzt soll ich im nächsten Jahre Professor der Naturgeschichte sein, jetzt soll der Gehorsam meine Lieblingsneigung heiligen —." Im Herbst des Jahres 1846 begann er nun sein Amt als Professor der Naturgeschichte, das er mit allem Ernst, mit Fleiß und Umsicht versah bis zum Sturm des Jahres 1848. Er war nicht bloß fleißig int Unterrichten, sondern er war gleichzeitig auch bedacht, eine ordentliche Naturaliensammlung anzulegen. Un-ermüdet durchstreifte er die Felder und Wälder um Lemberg und sammelte Vögel, die er selbst ausstopfte, Jnsecten in großer Menge, und Pflanzen zu einem großen Herbar. Nebenbei musste er im Laufe der Zeit auch noch das Amt des Subministers, Musikpräfecten und Lehrers für die Anfangsgründe der französischen Sprache versehen. An Arbeit fehlte es also P. Hinteröcker durchaus nicht. Am 28. Februar 1848 hatten die Studenten des P. Hinteröcker an der Universität von Lemberg ihr Examen aus der Naturgeschichte bestanden, mit Erfolgen, die für die Schüler wie für den Lehrer gleich ehrenvoll waren. Es war aber auch die letzte Prüfung, zu der P. Hinteröcker seine Schüler in Lemberg geleitete. Der Sturm der seit Jahren vorbereiteten Revolution brach zuerst in Paris aus, dann im März in Wien, in Berlin und fast in allen Hauptstädten der deutschen Staaten; die Völker wurden zum Aufruhr gehetzt, Throne wurden gestürzt, Könige verjagt, und >vo man es nicht gleich so groß geben konnte, hetzte man den Pöbel wenigstens gegen Jesuiten und Klosterfrauen. Für die Länder des österreichischen Kaiserstaates wurde bald nach dem Ausbruch der Märzrevolution die Ausweisung der Jesuiten ausgesprochen, und überall, wo diese Häuser hatten, wurden sie in roher, rücksichtsloser Weise aus ihrem Eigenthum vertrieben; alles ward ihnen genommen, alles mussten sie zurücklassen, vieles wurde in ihren Collegien muthwillig ruiniert oder auch gestohlen, und die Ordensleute mussten froh sein, wenn sie in Verkleidungen das nackte Leben retten konnten. In Galizien wurden die Jesuiten verhältnismäßig noch am glimpflichsten behandelt, doch mussten sie auch überall ihre Häuser räumen. Das Collegium in Lemberg verließen sie am 19. April, und P. Hinteröcker musste mit Schmerz zusehen, wie die Eindringenden seine mit Fleiß und Mühe zusammengebrachte Naturaliensammlung als „unnützes Zeug" beim Fenster hinauswarfen. Von Lemberg weg begab er sich zunächst nach Lancut, wo die Jesuiten auch ein Haus besaßen, und verblieb hier einige Wochen. Ende Mai verließ P. Hinteröcker auch Lancut; es war ihm unterdessen ein dichter Vollbart gewachsen, bereiste als Naturforscher die Gebirgsthäler der Karpathen und kam Ende Juni über Türnau und Pressburg nach Wien. Dort hielt er sich einige Tage auf und besah sich das wirre Treiben der Revolutionsmächte und ihrer zumeist leichtgläubigen Werkzeuge; mehreremale stand er unerkannt mitten unter Gardisten, Legionären und Arbeiterhaufen, die um ihn heulten: „Nieder mit den Schwarzgelben, Tod den Jesuiten und allen Pfaffen." Von Wien zog er sich zurück in sein Elternhaus nach Spitz. Hier wollte er zuwarten, bis ein günstiger Ausweg sich findet. Er sollte nicht lange warten. Die Männer, welche in Frankreich an der Spitze der Bewegung standen, verstanden das damals überall erschallende Wort „Freiheit" nach seiner vollen Bedeutung; sie erklärten, wenn es jemandem einfiele, Jesuit zu sein, so solle ihm auch da volle Freiheit zugestanden werden. Darum konnten die in fast allen Ländern Europas vertriebenen Jesuiten in Frankreich ihre Zuflucht suchen. Nach achtwöchentlichem Aufenthalte in der Heimat begab sich also P. Hinter-vcker über Innsbruck nach Frankreich, wo er zu Laval sich den theologischen Studien widmen und die Priesterweihe empfangen sollte. — Dass die Reise dahin keine sonderlichen Annehmlichkeiten bot, kann man sich bei den damaligen stürmischen Zeiten leicht denken. In Laval aber fühlte sich P. Hinteröcker ganz wohl. In einem Briefe an seinen Bruder Josef schreibt er, er sei neben dem theologischen Studium mit der Ausbildung in der französischen Sprache beschäftigt, dann mit dem Sammeln eines Herbariums und der Anlegung eines botanischen Gartens; er habe in demselben schon über tausend Gattungen von Bäumchen, Sträuchern, Blumen und Kräutern aus den verschiedensten Theilen der Welt. 224 Ein Deutscher — Sclave in Afrika. Hier empfieng auch P. Hinteröcker am 20. September 1851 die hl Priester-' weihe und am folgenden Tage feierte er seine Primiz, fern von seinen Geschwistern und Bekannten und noch mehr fern von seinen Eltern, deren er leider nur mehr im Memento für die Verstorbenen gedenken konnte, denn auch sein Vater war am 9. Februar 1849 seiner Mutter in die ewige Heimat nachgefolgt. (Fortsetzung folgt.) lin ilnitsiin't — Sclave in Afrika. (Eine wahre Begebenheit aus bem vorigen Jahrhundert. Neu bearbeitet von A. B. III- (Fortsetzung.*) lAviw ^tel^ der Zeit, wo die Gefangenen in beut Keller eingeschlossen waren, wurde ein Schiff zur Fahrt nach Plymouth befrachtet und ausgerüstet. Als es segelfertig war, wurden die Gefangenen auf dasselbe gebracht nnd erhielten Soldatenkleidnng. Die iäa Anker wurden gelichtet, und das Schiff segelte bei gutem Winde ab. Die zum Sec dienste gezwungenen Handwerksburschen toittben täglich zweimal in den Waffen geübt nnd auch im Seedicnste unterrichtet. Weishanpt, an Thätigkeit gewohnt, zeichnete sich bald unter seinen Kameraden durch seine schnelle Auffassungsgabe nnd sein anstelliges Wesen ans, wodurch er sich die Zuneignitg sciner „Vorgesetzten" errang. Seine Heiterkeit kehrte allmählich zurück, und er fieitg an, sich in seilt Los zit schicken. Währettd der Fahrt hatte Weishaupt Gelegenheit, bent Eigenthümer nnd der gattzen Besatzung des Schiffes einen sehr großen Dienst zrt erweisen nnd das Schiff von dem Untergange zu retten. Der Capitän schickte nämlich einen Schiffsjitngcn in das Magazin, welches sich in dem untersten Theile des Schiffes befand, um Rum von dem angezapftcit Fasse zu holen. Diesen begleitete ein anderer Juitge mit deut Lichte. Als sie zu den Fässern, deren mehrere auch Wasser enthielten, gelangt waren, sahen sie an dem Hahne eines außen feuchten Fasses ein Tröpfchen. Der eine hielt es für Wasser, der andere für Rum. Um zu sehen, welcher von den beiden Recht habe, hielt der eine Junge das Licht daran. Der Tropfen brannte, es war Rum, und int Augenblicke stand auch das ganze Fass in Flammen. Die Jungen liefen mit großem Geschrei davon. Weishanpt scheuerte eben ein Gemach in der Nähe; er hatte als Schornsteinfeger schon oft seilte Geistesgegenwart und seine Entschlossenheit bei Feuersgefahren erprobt und auch diesmal bewies er seinen Muth. Mit einer Hand ergriff er den Wasserkübel, mit der anderen die großen, nasscit Loden, mit denen er den Fußboden gescheuert hatte, sprang zu dem brennenden Fasse, lvarf die Loden über dasselbe und erstickte die Flamme, ehe sie die anderen Fässer, das Tanwerk nnd andere brennbare Gegenstände erreichen konnte. Durch Weishaupt's entschlossenes Eingreifen wurde das Schiff, welches auch viel Pitlver führte, von dem Untergange bewährt. Der Capitän belobte Weishanpt vor der ganzen Besatzung des Schisses, lvies ihm doppelte Löhnung an, beförderte ihn zum Unterofficier ititb gab ihm die Versichernitg, dass er nach dreijähriger Dienstzeit, wenn er es verlange, seines Dienstes entlassen werden sollte. *) Siehe Nr. 9, Seite 193. marl Glücklich langte das Schiff in Plymouth, einer der wichtigsten Hafenstädte Englands, an. Weishaupt war hier wie in einer neuen Welt, und tausend neue Gegenstände boten sich seinem Äuge dar. Das Ein- und Auslaufen, die Befrachtung der Schiffe und Ausschiffung der Ladung, die verschiedenen Nationen, die ans allen Theilen der Erde hier zusammengekommen waren, die verschiedensten Waren ans den entferntesten Ländern beschäftigten anfangs Weishanpt so sehr, dass er ans seine Lage ganz vergaß. Als das Schiff, auf welchem Weishaupt diente, wieder befrachtet war, gieng es nach Ostindien ab. Nach einer glücklichen Fahrt von zwei Monaten langte es in dem Hafen von Batavia, einer auf der Insel Java gelegenen Stadt, an. Hier wimmelte es von Japanern, Armeniern, Persern und Arabern. Die schweren Arbeiten wurden meistens durch Negersclaven verrichtet. Während des dreimonatlichen Aufenthaltes besah sich Weishaupt die nächste Umgebung von Batavia. Er traf die üppigsten Zuckerpflanzungen und Reisfelder, ferner Kaffeebäume, Banm-wollstrüucher, das spanische Rohr, die Kokospalme und viele andere Gewächse. Aus dem dünnen, spanischen Rohre und den Zweigen anderer Holzgattnngen flocht er niedliche Körbe, schnitzte auch zierliche Geräthe, wofür er sich wieder manches Stück Geld verdiente. Weishaupt hatte auch öfter Gelegenheit, sich an den Jagden zu betheiligen, wobei er ganzen Herden von wilden Büffeln, dann Affen, Rhinocerossen, Tigern und manch anderen wilden Thieren begegnete. Nachdem Wcishaupt's Schiff eine volle Ladung von Pfeffer, Zucker, Kaffee, Indigo und dergleichen eingenommen hatte, trat es seine Rückreise nach Europa an. Auf derselben wurde es von einem heftigen Sturme überfallen, dass Weishaupt befürchtete, das Schiff müsse mit Mann und Maus zugrunde gehen. Doch der Sturm gieng glücklich vorüber, und das Schiff segelte mit gutem Winde durch die Meerenge von Gibraltar in das mittelländische Meer. IV. Eines Morgens meldete ein Matrose vom Mastkorbe aus, dass er in weiter Entfernung zwei Schiffe entdeckt habe, welche auf das holländische zuzusteuern schienen. Der Capitän beobachtete dieselben nun durch das Fernrohr und gewahrte nicht ohne Besorgnis, dass es Seeräuberschiffe aus nordafrikanischen Ranbstaatcn seien. In dem nördlichen Theile von Afrika gab es zur damaligen Zeit mehrere Raubstaaten. Ihre mohammedanischen Oberherren und auch viele reiche Unterthanen rüsteten große Schiffe aus und sandten sie auf Scerüuberei aus. Die Seeräuber suchten auf offenem Meere Handelsschiffe auf, und wenn sie glaubten, derselben Meister werden zu können, griffen sie die Schiffe mit Kanonenfcuer und Flintenschüssen an. Wenn sich das angegriffene Schiff zur Wehre stellte, tvnrde es von den Seeräubern geentert. Diese hiengen nämlich ihr Schiff an das fremde mit Enterhaken an und zogen es so nahe als möglich hinzu, bis sie endlich auf das angegriffene Schiff hinUberspringen und die Besatzung mit dem Säbel in der Faust angreifen konnten. War das Schiff genommen, so wurde die Mannschaft, welche im Kampfe nicht gelobtet worden war, zu Sclaven gemacht, die Ladung des Schiffes getheilt und das eroberte Schiff in einen Hafen der Raubstaaten geführt. War aber das Schiff durch den Kampf schadhaft geworden, so wurde es ausgeladen und dann ans offener See verbrannt. Als der holländische Capitän die zwei Ranbschiffe herankommen sah, ließ er alles zum Kampfe richten. Die Besatzung des Schiffes, die Matrosen und Reisenden mit eingerechnet, mochte aus hundert Mann bestehen, die alle zur tapferen Gegenwehr bereit waren. Aber die Seeräuber waren weit überlegen. Sie griffen das holländische Schiff von beiden Seiten an; das eine Raubschiff eröffnete ein mörderisches Kanonenfeuer, während das andere das holländische Schiss zu entern suchte, was ihm auch gelang. Die Seeräuber stürmten gegen die Holländer, schlugen mit den Entcrbeilen alles zu Boden, was ihnen Widerstand leistete und richteten ein schreckliches Blutbad an. Der größte Theil der Holländer wurde erschlagen, die übrigen, unter diesen auch Weishanpt, wurden nach tapferster Gegenwehr zu Gefangenen gemacht. Weishaupt hatte nur eine leichte Wunde im Gesichte erhalten, nachdem er zwei Seeräuber zu Boden gestreckt hatte. Ein Deutscher — Sclave in Afrika. 227 Den Gefangenen rissen nun die Seeräuber die Kleider vom Leibe, banden ihnen die Hände auf den Rücken, fesselten zwei und zwei aneinander und vertheilten sie auf beide Schiffe Das Ende der Stricke, mit denen sie gebunden waren, wurde an das Schiff genagelt, dass sich die Gefangenen kaum von der Stelle betvegen und sich nur mit Mühe auf den Boden niederlegen konnten. Das einzige Gute hatten sie, dass man sie hinlänglich mit Nahrung versorgte und sic nicy durch Schläge misshandelte. Die Seeräuber wollten nämlich, dass die Gefangenen wohlgenährt und gut erhalten auf dem Sclavenmarkte ankämen. Das eroberte Schiff wurde nun auch mit Seeräubern bemannt, und so segelten alle drei Schiffe nach Algier, tvohin die Raubschiffe gehörten. V. Algier war der fruchtbarste und mächtigste Raubstaat in Afrika, die Bewohner desselben hatten es wahrlich nicht nöthig, von Seeräuberei zu leben, da der Boden sehr gesegnet ist. Aber nur in wenigen Gegenden wurde er bebaut. Auf großen Strecken ziehen noch jetzt die Hirten mit ihren Herden, welche aus Schafen, Ziegen, Rindern, Pferden, auch Kameelen bestehen, von einer grasreichen Gegend in die andere, haben als Nomaden keine festen Wohnsitze, und verlassen eine Gegend, wenn ihr Vieh keine Nahrung mehr findet, um auf fettere Weideplätze zu ziehen. Die Küste ist so felsig, dass ■ eine Landung an derselben gefährlich, ja an manchen Stellen unmöglich wird. Bon derselben zieht sich dreißig Meilen weit eine fruchtbare Ebene landeinwärts, bis sie weiter gegen die Gebirge, deren höchste Gipfel mit Schnee bedeckt sind, immer unfruchtbarer wird. Nach der Hauptstadt dieses Reiches, gleichfalls Algier genannt, wurden die gefangenen Holländer auf den Sclavenmarkt getrieben und zum Verkaufs ausgestellt. Es fanden sich viele Käufer ein, und ein starker Körperbau und eine anscheinend feste . Gesundheit wurden am meisten an den Gefangenen geschätzt. Der Käufer untersuchte den Mann, der für seinen Dienst tauglich zu sein schien, so wie man ein Pferd oder einen Ochsen vor dem Kaufe prüft. ■ Er besah denselben vom Kopfe bis zu den Füßen, untersuchte dessen Zunge, Zähne, den Mund und insbesondere das Zahnfleisch, ob es nicht von dem Scharbock angegriffen sei, welcher die Matrosen auf langen Seereisen sehr leicht befällt. Daun wurde jedes Glied geprüft, ob es gelenkig sei. Jeder Gefangene musste laufen und springen, sich drehen und beugen, auch Lasten heben, damit der Käufer sehen konnte, ob derselbe Kraft und Schnelligkeit habe Auch der Schwächste und Matteste von den Gefangenen strengte dabei die letzten Kräfte au, weil immer ein Seeräuber mit der Peitsche hinter ihm herlief und ihn durch gewaltige Hiebe zur Schnelligkeit und Aus dauer antrieb. Unser Weishaupt, welcher von dem Blutverluste der erhaltenen Verwundung noch matt->var und daher nicht schnell laufen konnte, wurde durch wiederholte Peitschenhiebe zur größeren Schnelligkeit angetrieben. Das schmerzte den armen, jungen Mann, und er wusste sich vor Jammer nicht zn helfen. Da die Gefangenen unbedeckten Hauptes durch mehrere Tage der größten Sommerhitze ausgesetzt waren, fühlten sie sich von Tag zu Tag elender. Weishaupt, welcher dabei ganz stumpfsinnig wurde, blickte fortwährend ganz starr auf eine Stelle hin. Die Seeräuber glaubten, dass dies nur Verstellung sei, und einer derselben versetzte ihm einen so derben Schlag auf die Hand, dass der Arme aus seiner Betäubung erwachte und einen Thränenstrom vergoss. Er blickte zu dem klaren, blauen Himmel; ein heißes Gebet zum lieben Gott entrang sich seiner Brust, und dieser fromme Gedanke richtete den von Kummer ganz niedergebeugten Mann wieder auf. Er beschloss, sein Schicksal, und sei es noch so hart, künftighin geduldig zu ertragen. Weishaupt war einer der letzten, der einen Käufer fand, denn er sah sehr blass und geschwächt aus. Ein bejahrter Türke, der ein Landhaus außer der Stadt besaß, brachte ihn mit eine geringe Summe an sich. Weishaupt durfte Gott danken, dass er in so gute Hände kam. Anfangs wurde er nur zu leichten Hausdiensten verwendet, um sich erholen zu können. Weishaupt erkannte bald, dass er einen guten Herrn gefunden habe, und bemühte sich, dessen Gunst zu erwerben. Nach einiger Zeit wurde er auch zu Gartenarbeiten verwendet, wobei der Herr seine Geschicklichkeit in der Bebauung des Gartens erkannte. Der Türke war froh, einen solchen Sclaven erworben zu haben, da es in Algier nur wenige geschickte Gärtner gab. Von dieser Zeit an konnte füll Wcishaupt einer guten Behandlung erfreuen; cs, wurde ihm die ganze Bearbeitung des Gartens zugewiesen, welche er zur größten Zufriedenheit seines Herrn durchführte. So brachte dein armen Weishaupt das, was er in seiner Jugend nur zum Zeitvertreibe geübt hatte, jetzt gar großen Vortheil. Der Türke hatte zwei Enkel bei sich, welche in Algier die Schule besuchten. Sic waren lernbegierig und gutherzig. Sic hielten sich viel bei Wcishaupt auf, wenn er im Garten arbeitete. Dieser suchte ihre Liebe zu gewinnen, weil er wusste, dass er dadurch auch in der Gunst seines Herrn steigen werde. Als die Knaben eines Tages Obst pflückten, gab er ihnen ein hübsch geflochtenes Körbchen, iit welches sie das Obst legen konnten. Die Knaben hatten damit eine große Freude, liefen zum Großvater, um ihm das Geschenk zu zeigen. Der alte Türke strich sich mit Wohlgefallen den grauen, langen Bart, lächelte die Enkel freundlich an und sagte, dass er so große Geschicklichkeit in dem Christcnsclaven nicht gesucht hätte. Wcishaupt flocht nun mehrere Korbe aus Weiden, Rohr und Stroh, die er den Knaben gab, und diese fanden viel Vergnügen daran, dais sic selbst versuchten, einen Korb zu flechten, wobei ihnen Wcishaupt alle Handgriffe zeigte. Auch verfertigte er ihnen allerlei kleine Gerüche aus Holz, tote er es bei beit Schwarzwäldcrn gelernt hatte. Der Türke wurde Wcishaupt immer gewogener, und dieser hatte sieh nie über harte Behandlung zu beklagen. Wenn Weishniipt seine Lage mit jener der meisten übrigen Christcnsclaven verglich, so konnte er Gott nicht genug danken, dass er so gütig über ihn verfügt hatte. Sein Herr war ein ernster, schweigsamer Manu, der »ichrcrc Stunden lang int Garten in der Feigenlaubc, die Weis-haupt sehr schön gezogen hatte, mit der langen Tabakspfeife im Munde behaglieh sitzen und die Rauchwolken von sich wegblasen konnte, ohne ein Wort zu sprechen. Nie begegnete der Herr dem Diener hart oder grausam und ließ ihn nie empfinden, dass er ein Sclave sei, den er für Geld an sich gebracht hatte. Die beiden Enkel erwiesen Wcishaupt viele Gefälligkeiten, weil ja auch er bestrebt war, ihnen stets Vergnügen zu bereiten. Alles dieses hatte Wcishaupt durch seine zuvorkomuteude Dieustfertigkeit gegen die Knaben erreicht. Das Bestreben, andern etwas Angenehmes zu erweisen, erwirbt ja Freunde. Wcishaupt hatte hier schon fünf Jahre zugebracht, aber die Zeit der Erlösung von deut Joche der Sclavcrci war noch fern. Er sparte zwar fleißig, um die Summe zu erlangen, mit der er sieh loskaufen wollte; auch hoffte er auf die Güte seines Herrn und auf die Fürbitte der Enkel, dass ihm vielleicht die Freiheit geschenkt werde. Das Herz blutete ihm oft, wenn er sah, dass andere Christcnsclaven misshandelt wurden, und er that, was er konnte, um denselben Erleichterung zu verschaffen. Zweimal brachte er es durch die zwei Enkel seines Herrn dahin, dass dieser Sclaven kaufte, welche von ihren Gebietern misshandelt wurden. Eines Abends gicng Wcishaupt mit den Enkeln von dem Landhausc in die Stadt zurück, als sie in geringer Entfernung einen Menschen ächzen hörten. Sie näherten sieh ihm, woraus er ihnen mit jammervoller Stimme zurief, dass sie ihm helfen sollten. Sie traten zu ihm und fanden seinen Rücken und seine Fußsohlen über und über mit Blutstriemen bedeckt. Er konnte sich vor Schmerzen kaum regen und bewegen, vor seinem Munde stand Schanut, und aus der Nase floss Blut. „Habt Erbarmen mit einem unglücklichen Sclaven," sagte er, „die Härte meines Herrn hat mich in diesen Zustand gebracht, und ich muss bald sterben, wenn nicht Hilfe kommt." Wcishaupt, von innigem Mitleid gerührt, suchte ihn zu trösten und versprach ihm baldige Hilfe. Er flehte die beiden Jünglinge an, dass sie sich des unglücklichen Christensclaven erbarmen möchten. Du stürzte ein roher Kriegsknecht herbei und schimpfte die Jünglinge, dass sie dem Sclaven Hilfe leisten wollten. „Der Hund", sprach dieser Unmensch, „hat andere Sclaven beredet, dass sie mit ihm entweichen sollten; sein verrätherischer Plan ist aber entdeckt worden, und er hat dafür seinen Lohn empfangen. Er soll hier liegen bleiben, bis er stirbt, dann sollen seinen Leichnam die Geier und Raben auffressen." Weishaupt war empört über diese Worte, er durfte aber seinen Unwillen dem rohen Kriegsknechte nicht zu erkennen geben, um nicht auch selbst von ihm misshandelt zu werden. Er sah seine zwei Begleiter mit einem Blicke voll Wehmuth an und schwieg, bis der Unmensch sich entfernt hatte, dann bat er die Jünglinge nochmals, sich des unglücklichen Sclaven anzunehmen. Diese willigten ein. Sie ließen den vor Schmerzen stöhnenden Sclaven in das Landhaus bringen und heimlich Pflegen, dann drangen sie in den Großvater so lange mit Bitten und Schmeicheln, bis er den Sclaven seinem grausamen Herrn abkaufte. Der Sclave betrachtete Weishaupt und die Jünglinge als seine Retter, bezeigte sich bei jeder Gelegenheit dankbar und diente dem neuen Herrn mit Treue und Ergebenheit. (Fortsetzung folgt.) Stieg bts (sliiilifcu Aliimlliilii gegen bie euglildi= lignptisrl)« (Truppen. Von k. Otto Huber, l?. 8. L. (Fortsetzung statt Schluss.*) /er Chalife hatte in seinem Dienste Kameelreiter, die beständig unterwegs waren und ihn von Tag zu Tag über die auf dem Kriegsschauplätze vorgefallenen Ereignisse benachrichtigten. Nach Mehmud's Gefangennehmung traf der Nachrichtendienst Abd el maged. „Erzähle mir, was vorgegangen ist, als Mehmud vor den Sirdar gebracht wurde", fragte der Chalife Abd el maged. „Mehmud", sieng Abd el maged zu reden an, „lag in der Schlacht am Atbara wie alle anderen in einem Graben verborgen. Die Türken stürmten unser Lager und kamen, um Mehmud von seinem Graben herauszuziehen. Mehmud zog sein Schwert gegen den Soldaten, der ihn ergreifen wollte, ehe er ihn jedoch überwältigen konnte, eilte ein anderer Soldat herbei und bohrte ihm den Arm durch. Ein Blutstrom entrann der Wunde und der Arm sank kraftlos nieder. Die Feinde banden ihm hierauf beide Arme auf dem Rücken zusammen und brachten ihn vor den Sirdar. Dieser saß da umgeben von seinen Großen. Er rauchte gemüthlich und hatte an seiner Seite eine Flasche, aus der er ab und zu einen Schluck nahm. Die Musik spielte, die Kanonen bornierten, und Mehmud stand zu Fuß vor dem Sirdar und musste auf die Fragen antworten, die ihm dieser stellte." — *) Siehe Nr. 9, Seite 196. Krieg des Ehalifeu Abdullahi gegen die englisch-ägyptischen Truppen. 231 Kaum hatte der Kameelreiter ausgesprochen, als Abdullahi wild von seinem Sitze aufsprang; er stampfte mit dem Fuß in den Boden und fletschte und pfauchte den Boten vor Zorn cm. „Verzeihung, o Herr," stammelte dieser, „ich habe geirrt". „Wie kannst du es wagen, mir derlei Sachen zu erzählen?" schrie ihn der Chalife an. „Herr, wenn du mich fragest, soll ich dir etwa verschweigen, was ich gesehen habe?" erwiderte Äbd el maged. „Geh' mir aus den Augen!" fuhr ihn der Chalife an und in Zukunft schickte er ihn nirgends wohin mehr. Abd el maged war einer der wenigen, die etwas menschlichere Gefühle gegen die unglücklichen, hier gefangenen Christen hegten. Bei finsterer Nacht pflegte er zu einer christlichen Familie zu kommen, um sie über die Tagesereignisse zu unterrichten. Nach dem geschilderten Vorfall mit dem Chalifen kam er noch in derselben Nacht zu der eben erwähnten Familie, um ihr sein Anliegen zu erzählen. „Als ich meinen Bericht beendet hatte," sagte er, „sprang Abdullahi von seinem Sitze auf wie ein wilder Stier und lief im Zimmer auf und ab. Aus seinen Augen schleuderte er mir Blitze zu, dass ich am ganzen Leibe zitterte. Er entließ mich; ich befürchtete, dass er mir jeden Augenblick den Scharfrichter nachschicken werde, dass mir dieser den Kopf abschneide. Unser Herr liebt es durchaus nicht, die Wahrheit zu hören, ihm sind Lügen angenehmer. Ihr indessen seid muthig, denn diesmal sind die Türken sehr stark." Scheich eddin, Abdullahi's Sohn, hatte den entgegengesetzten Charakter, konnte weder Lügen noch Schmeicheleien vertragen. Darum genoss er auch das Vertrauen der Kameelreiter, die ihn aufzusuchen pflegten, um ihni den wahren Sachverhalt der Dinge zu offenbaren. „Rede doch mit deinem Vater," baten sie ihn nach der Schlacht bei Atbara, „dass er den nutzlosen Widerstand aufgebe. Die Türken sind diesmal ganz anders beisammen wie früher. Sie haben neue Gewehre und Kanonen, die durch ihren bloßen Schall schon Schrecken erregen. Einige von diesen heulen ganz wie Hyänen (Maxime-Geschütze), die anderen aber schleudern Kugeln in die Luft, welche donnern und alles, was ihnen unterkommt, wie der Blitz niederschlagen (Boinben). Warum sollen wir noch länger Widerstand leisten und uns sammt unseren Kindern hinmorden lassen?" Scheich eddin dachte ebenso wie die Kameelreiter; er redete seinem Vater zu, dass er sich ergebe und nicht umsonst so viele Leben opfere; aber da traf er es. „Sei still," fertigte ihn der Chalife ab. „Herrscher bin ich, ich habe zu befehlen, nicht du!" — Und doch ließ er sich beherrschen und zwar von seinem Bruder Jacub. Er hatte sich's ins Gehirn gesetzt und auch seinem Bruder beizubringen gewusst, dass man bis zum letzten Tropfen Blutes Widerstand leisten müsse. Sein Sprichwort war: „men al rekäh el al toräb“, d. h. vom Steigbügel ins Grab. Als er von dem Vorschlage Scheich eddin's erfuhr, machte er diesem bittere Vorwürfe. 232 Krieg des Chalifen Abdullahi gegen die englisch-ägyptischen Truppe». „Du unerfahrener Knabe, was verstehst denn du?" sagte er zu ihm. „Du möchtest uns Männern befehlen und noch dazu das, dass mit uns den Heiden übergeben sollen! Wenn du noch einmal derlei Vorschläge machst, schneiden wir dir den Kopf ab." Jacub hatte ein sonderbares Vergnügen daran, den Leuten die Köpfe abzuschneiden ; in der letzten Zeit forderte er ganz ungestüm, alle Christen, die sich hier in Gefangenschaft befanden, seien zu ermorden. Scheich ebbin widersetzte sich diesem Ansinnen. „Diese Leute sollst du nicht todten," redete er seinem Vater zu. „Was haben sie denn verbrochen? es sind ja lauter unglückliche Handelsleute und Fremdlinge im Lande. Wenn du sie ermorden lassest, machst du deinem Namen mir Schande." Abdullahi gab ihm hierin Recht. — Der Chalife suchte die ©einigen ans alle mögliche Weise zu trösten und zu ermuthigen, aber er selbst konnte der eigenen inneren llnruhe nicht Meister werden. „Ter Türken Landheer," sagte er einmal in der Versammlung, „macht mir keinen Kummer, denn auch wir haben eines. Aber ihre Schiffe mit den vielen Kanonen geben mir zu denken; wir müssen dieselben unbedingt versenken, aber wie sollen wir das anfangen? Wer von euch nur einen guten Rath zu geben weiß, soll sich melden; ich werde ihm Gehör schenken, sei es auch nur ein vierjähriges Kind." Gar manche Derwische zerbrachen sich nun den Kopf, um ein solches Mittel zu entdecken. Die meisten von ihnen hielten für gerathen, den Fluss bei Sabaloka*) mit einer dicken eisernen Kette abzusperren und je eine Festung auf jedem Ufer zu errichten. Geschützt hinter diesen Festungen könnten die Derwische die in der eisernen Kette verwickelten Dampfschiffe beschießen und versenken. Der Plan gefiel dem Chalifen und wurde ausgeführt. Es wurden alle vorhandene Ketten gesammelt und noch neue dazu gemacht. Als jedoch die Kette von einem Flussnfer zum andern gespannt war, begann sich diese wegen der starken Strömung zu biegen und zu sinken, sodass der Chalife erkannte, dass die ausgeführte Arbeit durchaus nicht den erwarteten Vortheil brachte. Es lag damals im ©eter**) ein gewisser Scherif al monaunr, gebürtig von Dschedda in Arabien, der zu Mahdi's Zeiten mit Weib und zwei Kindern hieher-gekommen war. Eines Tages hatte er unvorsichtiger Weise einige Worte fallen lassen, die dem Chalifen nicht gefielen, weshalb er ihn in den Seier werfen ließ. Als dieser von Abdullahi's Verlegenheit erfuhr, glaubte er den günstigen Moment gefunden zu haben, sich aus dem Kerker zu befreien und die Gnade seines Herrn wieder zu erlangen. Er ließ dem Chalifen sagen, dass er ein Mittel wisse, die Schiffe der Ungläubigen zu versenken. Dem Chalifen vorgestellt, erklärte er seinen Plan und fand Beifall. Abdullahi ließ ihm aus dem beit al mal alles Nöthige zur Ausführung seines Planes verabreichen, gab ihm ferner eine Concubine, stellte ihm Arbeiter zur Verfügung und ließ für ihn und seine Gehilfen alle drei Tage *) Sabaloka ist eine Flussenge etwa 30 engt. Meilen nördlich von hier, wo der Fluss-zwischen zwei bis hart ans Ufer herantretenden Bergen sich Bahn brechen muss. **) Seier nannte man den schrecklichen und daher gefürchteten Kerker. Krieg des Ohalifen Abdullahi gegen die englisch-ägyptischen Truppen. 233 einen Ochsen schlachten. Scheins al monanar machte sich unverzüglich aus Werk, obwohl der Arme mit Ketten an den Füßen arbeiten musste. „Du bist ein Türke," sagte ihm der Chalife, „und darum traue ich dir nicht; damit du nicht entfliehen und uns verrathen könnest, sollst du immer deine Ketten tragen. Vor der Niederlage Mehmnd's hatte sich der Chalife neunzig Tage lang in Kereri aufgehalten, wo nachher auch die Schlacht stattfand, und die sämmtlichen Jünglinge und Männer mussten ihm Gesellschaft leisten. Diese mussten von ihren in der Stadt weilenden Familien mit dem Essen versehen werden. Von Zeit zu Zeit zog der Chalife an den Fluss, um die Türken zu verfluchen. Er zog dabei Ansicht (kVjlHIippcit in Jaffa vom Ufer aus. sein Schwert in der Richtung gegen Norden und heulte mit schrecklicher Stimme: Alia hua akbar*) — verflucht seien die Heiden; zu gleicher Zeit schlugen die Krieger mit ihren Lanzen ins Wasser. Nach Mehmnd's Niederlage und Gefangeunehmang kehrte Abdullahi in die Stadt zurück und verließ sie nicht mehr. Er ließ in Dschame — ein weitans-gedehnter Platz, der für das Gebet und die Versammlungen diente — eine Art Hütten für die Krieger errichten. Während des Tages konnte sich ein jeder nach Belieben dort oder in seinem Hanse aufhalten. Früh am Morgen aber mussten alle zur Stelle sein. Der Chalife erschien hoch zu Kameel. „Gott grüße euch, Brüder!" redete er seine Leute an, die sich am Eingänge der Hütten aufgestellt hatten; „wie geht es? Seid ihr alle bereit, euer Stadtviertel zu vertheidigen?" ■— „Ja freilich, o Herr!" antworteten alle und fuchtelten mit ihren Waffen. Darüber empfand Abdullahi großes Wohlgefallen. Er durchzog sämmtliche Lagergasseu, richtete an alle dieselbe Frage und erhielt natürlich immer die gleiche Antwort. *) Allah hua akbar, d. h. Gott ist größer, darum möge er an dir Rache nehmen. Diese Verwünschung wurde von den Derwischen gegen ihre Feinde gebraucht. Der Chalife war indessen auf die Idee gekommen, auch seine Dampfschiffe kriegstüchtig zu machen. Deshalb hatte er mit Schießscharten versehene Brustwehren verfertigen lassen, damit hinter denselben die Derwische sicher ans den Feind zielen könnten. Es bestanden diese Brustwehren aus dicken, hölzernen Dielen, die rings um die Schiffe angebracht waren. Der Chalife bestimmte einen Tag, an dem sämmtliche Soldaten mit den Geschützen ans Ufer kommen mussten. Die Schiffe sollten an ihnen eines nach dem anderen vorbeifahren und die Soldaten hatten auf sie zu schießen — natürlich mit blinden Patronen, um sich einzuüben, wenn je die Schiffe der Ungläubigen sich bis vor Omderman heranwagen sollten. Am Tage vor diesem Manöver benachrichtigte der Chalife die Bevölkerung von dem kommenden Spectakel, indem er einen Herold ausschickte, der in allen Gassen und Plätzen ausrief: „O ihr alle! Wenn ihr morgen den Donner der Kanonen und Gewehre höret, erschrecket nicht und fürchtet euch nicht, dass die Türken ins Land eingedrungen waren. Es sind nur unsere Soldaten, welche Uebung machen werden, um später die Ungläubigen zu vernichten." — Am andern Tage fand die Probe statt. Der Chalife stieg auf sein Haus, von wo er bequem alles überblicken konnte. Als er nun von verschiedenen Seiten den Pulverranch aufsteigen sah, glaubte er sich schon stark und sicher gegen den Feind und schöpfte neuen Muth. „Habt ihr gestern gesehen, wie tapfer unsere Soldaten auf die Schiffe geschossen haben?" sagte der Chalife am folgenden Morgen zu der Menge, die in Dschame nach dem Gebete versammelt war. „Wenn nur die Schiffe der Ungläubigen kommen möchten, damit wir sie versenken könnten." Scheich eddin jedoch theilte durchaus nicht den Enthusiasmus seines Vaters. Er gieng am selben Morgen noch an den Fluss, bestieg den Dampfer „Jsmailia", besichtigte die hölzernen Brustwehren und fragte einen der Anführer, namens Abd allah: „Sage mir doch, Abd allah, ist es wahr, dass diese hölzernen Dielen vor den feindlichen Kugeln schützen?" „Freilich!" lautete die Antwort. Scheich eddin fuhr fort zu fragen: „Und gegen jene Kugeln, die wie der Blitz donnern (Bomben), auch?" „Begödrat alia, sia sidi, eddin mansur,“ d. h. mit Gottes Beistand, o Herr, wird die Religion siegen. „Sei still mit deinen Schwätzereien!" sagte betrübt Scheich eddin. „Ihr taugt alle für nichts anderes als nur auf List und Betrug zu sinnen und die Leute an der Nase herumzuführen." Damit wollte er andeuten, dass sein Vater stets getäuscht und an der Nase herumgeführt werde. (Fortsetzung folgt.) Hit »i»skli»ii»nW fnuicnfraßt. Von Kassim Amin Ijey, Rath beim Appellationsgerichte für Eingeborne in Kairo. , (Aus dem Französischen übersetzt von P. A. ZS.) ; rfahrung und Geschichte lehren, dass in jeder Gesellschaft die Stellung der Frau von dem Bildungsgrade abhängt, den diese Gesellschaft erlangt hat. Wenn wir die Anfänge irgend einer Gesellschaft, eines Staates ins Auge fassen, finden wir überall das Los der Frauen dem der Selavinnen sehr ähnlich. Wir brauchen um ein Beispiel gar nicht weit zu gehen; denken wir nur an das Los der Araberinnen vor dem Auftreten des Propheten*) **), wo ein Vater seine Tochter todten konnte, ohne deshalb gestraft zu werden, wo ein Mann eine unbeschränkte Anzahl von Frauen haben durfte, ohne dass das Gesetz dagegen Einsprache erhob. Der Islam brachte den Frauen eine beträchtliche Verbesserung ihrer Lage; er gewährte ihnen einige Freiheit und Unabhängigkeit und räumte ihnen sogar gesetzliche Rechte ein gegen etwaige Gewaltthätigkeiten seitens ihrer Männer. Der Koran ist also weder durch seine Vorschriften noch durch seinen Geist schuld an der gegenwärtigen erniedrigenden Lage des muselmännischen Weibes. Es genügt, um den Leser davon zu überzeugen, wenn ich miš einer Menge passender Koransprüche folgende drei anführe: 1. „Die Frauen haben ebensoviele Rechte als Pflichten." 2. „Nur zum Vortheil des Mannes geschah es, dass Gott aus ihm das Weib erschuf und dann beide verband, damit sie einander liebten und sich gegenseitig unterstützten." 3. „Denket doch stets an das feierliche Versprechen, das ihr euren Frauen gegeben!" *) Diese Schilderung der Lage der niuselmännischen Frauen dürfte umsomehr interessieren als der Verfasser selbst ein gläubiger Mohammedaner ist und bei den oberen Zehntausend Aegyptens einiges Ansehen genießt. (Anm. des Hebers.) **) Mohammed. Leider wurden die guten Folgen, die man von diesem Gesetze hätte erwarten können, durch den Einfluss fremder Sitten zerstört; die Völker nämlich, welche dem Islam beitraten, theilten demselben ihre bösen Gewohnheiten und Vor-urtheile mit. In der Folge verschlimmerten sich noch diese Gewohnheiten unter der despotischen Regierungsform, mit der die muselmännischen Völker regiert wurden. Wo der Despotismus herrscht, geht derselbe vom Herrscher auf die Umgebung über und von dieser auf das ganze Volk; überall führt er die Unterdrückung des Schwachen durch den stärkeren herbei. — Die Frau war das schwächere Geschöpf, und so behandelte sie der Mann mit Verachtung, beraubte sie ihrer Rechte und trat ihre Menschenwürde mit Füßen. Sie galt ihm für ein Wesen, welches der Thierwelt nahesteht; ob Mutter, ob Tochter, ob Weib — das focht ihn nicht an. Sie wurde vom Manne unterjocht, eben weil er der Mann ist und sie das Weib! Der Mann nahm ihr ihre persönlichen Rechte und ließ ihr auf der ganzen weiten Erde nichts anderes übrig, als die vier Ecken ihrer Wohnung. Ein undurchdringlicher Schleier von Unwissenheit und Finsternis trennt sie von der übrigen Welt. Sie ist zum Spielzeug ihres Mannes geworden, das ihm nur zur Unterhaltung dient, und das er zerschlagt und mit den Füßen tritt, wenn er seiner überdrüssig geworden. Daher hat in der muselmännischen Welt die Vielweiberei ihren Ursprung genommen, daher das Recht der Verstoßung, daher die Verwendung der Eunuchen zur Beaufsichtigung der Frauen; daher der Schleier, der Harem, die Abschließung u. s. w. Indessen hat sich bei uns in den letzten zwanzig Jahren die Herrschaft des Mannes über die Frail bedeutend gemildert, dank dem besseren Verstände seitens der Männer und den Reformen seitens der Regierung. In unseren Tagen kann man schon eine ansehnliche Anzahl Frauen spazierengehen und den Markt besuchen seheil, ja manche begleiten sogar ihre Männer auf Reisen. Die Männer — wenigstens solche, die sich einige Bildung angeeignet haben — betrachten ihre Frauen nicht mehr für unwürdig ihres Vertrauens und ihrer Liebe. Trotzdem bleibt dies nur ein illusorischer Zustand, der sich stets nur auf den äußeren Schein beschränkt, wenn wir nicht mit dem alten Hindernis aufräumen, das sich wie ein Bollwerk vor der Lösung der Frauenfrage aufthürmt — wir meinen die Unwissenheit der Frauen und ihre Abgeschlossenheit. Es ist einmal der Mangel an Bildung, der die ägyptische Frau abhält, gleich ihren europäischen Schwestern Wissenschaften und Künste zu pflegen, sich dem Handel oder Gewerbe zu widmen. Und doch gibt es für jedes menschliche Wesen ein natürliches Recht, seine Talente soweit zu entwickeln, als die Natur es erlaubt. Die Kenntnis der Religion, der Moral, des Gesetzes, der Wissenschaften und Künste passt ebensogut für Frauen wie für Männer; dies ist ja ein Gemeingut der ganzen Menschheit, aus dem jedermann schöpfen darf, so viel ihm beliebt. Aber mit verbundenen Augen leben müssen, leben wie ein Vogel im Käsig, leben mit zu Boden gesenkteni Haupte, die Augen abwenden müssen von dem rührenden Anblick des Firmamentes, nicht lauschen dürfen den Millionen von Stimmen sichtbarer und unsichtbarer Die muselmännische Fraucnfragc. 237 Dinge, die unseren Ohren die Geheimnisse des Unendlichen künden, kurz, keine Gemeinschaft haben dürfen mit dem Weltall — soll denn das das Los der Frau sein? Es ist eine traurige Thatsache, dass die sämmtlichen ägyptischen Frauen in einem Punkte einander gleichen — in der Unwissenheit; sie unterscheiden sich von einander nur durch die Pracht ihrer Kleider und den Wert ihres Schmuckes. Man dürfte sogar behaupten, dass, je höher die Lebensstellung der ägyptischen Frau ist, desto tiefer auch ihre Unwissenheit sei. Diese ist bei ihnen ebenso groß wie bei den Frauen aus niederen Ständen, ja die Bauernweiber sind eigentlich im Ver- Strasse nach 6izeb zu dem Pyramiden. gleiche zu ihnen weniger unwissend. Wenigstens verstehen sie sich auf die Landwirtschaft ebensogut wie ihre Männer: Mann und Weib stehen da auf gleicher Bildungsstufe. Ganz das Gegentheil gilt bei den mittleren und höheren Ständen; — da trennt eine ungeheure Kluft das Weib vom Manne. Dieser Unterschied in der Bildung ist für beide ein wahres Verhängnis. Mag die Frau noch so gut, mag der Mann noch so bieder sein, trotz allem leben sie nebeneinander ohne Zuneigung, ohne gegenseitiges Verständnis. Aber nicht nur das Zusammenleben leidet darunter; wenn man den Haushalt eines größeren Hauses in unseren Tagen betrachtet, so erheischt dieser schon eine ganze Person, und doch ist dieses noch nicht die Hauptsache. Die Hauptaufgabe der Frau ist und bleibt die Erziehung der Kinder. Auf diesen Punkt möchte ich meine Mitbürger ganz besonders aufmerksam machen. Wenn wir unsere Rasse von bent Marasmus heilen wollen, in den sie verfallen ist, wenn wir Männer tvollen, die fähig sein sollen, den Kampf ums Dasein aufzunehmen, so sind es die Fran, die Mutter, die unsere Wiedergeburt bewirken können. Darum öffnen wir den Kerker, in dem unsere Frauen schmachten. Manche unserer Töchter haben in unseren Schulen eine ausreichende Erziehung genossen, aber was nützt es, wenn sie im Alter von 13 oder 14 Jahren eingesperrt werden; was sie gelernt haben, vergessen sie und werden unfähig, ihre Lebensaufgabe zu erfassen. Sie haben keinen Verkehr mit der äußeren Welt, ihrem Denken und Handeln, sie können ihren Wissensdurst nicht befriedigen, sammeln sich keine Erfahrung, — sie verrauchen und verschlafen ihre schönsten Jahre auf dem Sopha. Wenn wir nun vom religiösen Standpunkt aus diese Abgeschlossenheit betrachten, so sind deren Folgen offenbar ebenso verhängnisvoll für die Gesundheit der Frau, als für ihren Geist und ihre Sitten. Der Islam hat für die Frau den Käsig nicht angeordnet, denn der Koran sagt: „Ermahnet die Gläubigen, die Augen zu senken und ehrbar zu wandeln, weil es für sie heilsam ist, denn Gott selbst sagt: Saget auch den gläubigen Frauen, dass sie die Augen niederschlagen und ehrbar wandeln und vor Fremden von ihrem Leibe nichts zur Schau tragen, was auffällig ist." Es sei aber bemerkt, dass der Koran nicht näher bezeichnet, was mit dem Worte „auffällig gemeint ist. Unsere LUemas*) stimmen in der Ansicht überein, dass Gesicht und Hände zu den Theilen gehören, die man unbekleidet lassen darf. Was die anderen Theile des Leibes betrifft, als Arme und Füße, sind die Meinungen getheilt. Ebensowenig verlangt der Islam eine so strenge Absonderung von Mann und Weib. Bezüglich dieser Frage enthält der Koran nur einige Belehrungen für die Weiber des Propheten; diese lauten: „O, Gläubiger! betritt nie ohne Erlaubnis das Haus des Propheten, wenn du über irgend etwas mit dessen Frauen sprechen willst. Rede mit ihnen nicht, außer du bist von ihnen durch einen Gegenstand geschieden, der dich ihren Blicken entzieht!" „O Frauen des Propheten, ihr seid nicht wie die anderen Weiber. Gebet euch im Gespräche keine Blöße. Erreget keinen Verdruss. Redet deutlich und höflich. Bleibet zuhause. Für euch ziemt es nicht, so — leichtfertig zu leben, wie es die Frauen vor dem Islam thaten." Unsere Rechtsgelehrten geben zu, dass sich diese Bestimmungen nicht ausschließlich auf die Weiber des Propheten beziehen. Es gibt überhaupt keine religiöse Vorschrift, welche für die Frauen die Abschließung und getrennte Wohnung bestimmt, wie es gegenwärtig bei unseren muselmännischen Landsleuten im Brauche ist. So etwas gab es in den ersten Jahrhunderten des Islams nicht; damals durften sich die Frauen aller Classen frei unter Männern bewegen und theilten mit diesen ihre Lebensweise. *) Mohammedanische Theologen, Koranausleger. Sicher ist, dass der gegenwärtige Brauch sich nicht aus Gottesfurcht eingebürgert hat, sondern nur aus übertriebenem Fanatismus. Die Ursache davon liegt in der falschen Annahme, gerade dieser Brauch habe einen außerordentlichen Einfluss aus die Sittlichkeit der Frauen. Mag sein — aber was für einen! Man weiß ja, um welchen Gegenstand sich die Gedanken und Gespräche der Haremweiber drehen . . . Zeit haben sie ja genug dazu! Und selbst wenn die Frau in ihrer Abgeschiedenheit, jeden freien Willens beraubt, tugendhaft lebt, so sehe ich daran noch kein sonderliches Verdienst. Wenn ein Verbrecher im Kerker sitzt, so ist er vielleicht auch ehrlich, aber nur solange als er darin ist. Kurzum, unsere Sitten erniedrigen die Frau, schädigen ihre Gesundheit und Sittlichkeit, verletzen die Manneswürde durch Misstrauen und Eifersucht, überhaupt sie spotten jeder Cultur. Wenn ein Mann etwas Bildung und Gefühl besitzt, muss es ihn aneckeln, die Rolle eines Despoten zu spielen. Seiner Natur widerstrebt die ©datiern, mag sie in welcher Form und unter welchem Vorwände auch immer erscheinen. Europa liegt uns so nahe, nehmen wir uns ein Beispiel daran! Geben wir der Frau Bildung und Freiheit, dann dürfen wir eine Wendung in der Geschichte Aegyptens, ja des ganzen Orients erwarten. Für uns ist diese Frage eine Lebensfrage, und für die Muselmänner bedeutet sie eine Wendung im religiösen Leben — aber nach meiner Ansicht durchaus nicht zum Nachtheil des Orients. Es soll damit nicht etwa gesagt sein, dass unsere Religion derart verunstaltet wäre, dass sie welcher Reformen bedürfte. Aber sollte sie dennoch eine Einbuße erlitten haben, dann ist daran nur unser herabgekommener Charakter schuld. Wenn es uns mit der Besserung unserer socialen Zustände ernst ist, so fangen wir damit zuerst bei der Familie au. Mag man unsere religiösen und moralischen Vorschriften als Heilmittel unserer Missstände noch so loben und preisen, sie bringen doch nicht den erwünschten Erfolg. Was nützt der beste Same, wenn er bei ungünstigem Wetter ausgestreut wird; was aber die Witterung für das Gedeihen des Samens ist, das ist die mütterliche Erziehung für die Zukunft der Kinder. In folgenden Punkten lege ich nun meinen Mitbürgern kurz die Abänderungen vor, wie ich sie bei uns im praktischen Leben durchgeführt wünschen würde: 1. Sorget für gute Erziehung der Frauen. 2. Gebet ihnen die Freiheit des Denkens und Handelns. 3. Gründet die Ehe auf gegenseitiger Zuneigung, was aber unmöglich ist, wenn die zukünftigen Gatten vor der Ehe einander nicht sehen dürfen. 4. Schaffet die willkürliche Verstoßung der Frau ab; die Ehescheidung soll künftig nur vor der Behörde durchgeführt werden und zwar erst, wenn ein Versöhnungsversuch vorhergegangen ist. 5. Verbietet die Vielweiberei durch ein Gesetz. Uerscbieden«. Marien-Werein für Afrilra. Der Wiener Divcesan-Ausschuss vom Marien-Verein für Afrika hielt am 12. September d. I. in dem kath. Casino eine Sitzung, in welcher die Ziele und Bedürfnisse des Marien-Vereines besprochen wurden, wobei namentlich hingewiesen wurde auf das so prächtig sich entfaltende Missionshaus in Müh land. — Ueberzeugt, dass man dort umsomehr Zöglinge und Missionscandidaten wird aufnehmen können, je reichlicher der Marien-Verein es unterstützen wird, wurde der lebhafte Wunsch ausgesprochen, in der Wiener Erz-diöcese immer mehr Pfarrgruppen ins Leben zu rufen. Was durch Psarrgruppen erreicht werden kann, das bezeugen die bereits bestehenden Filialen. Die Vorsteherin der Pfarrgruppe Br eiten see, Frau Eva Nako witsch, welche der Sitzung beiwohnte, gab recht erfreuliche Mittheilungen, aus denen n. a. zu entnehmen war, dass, wenn einmal in einem Bezirke zunächst nur eine Pfarrgruppe besteht, sich auch einzelne der umliegenden Ortschaften an die Gruppe anschließen, bis schließlich auch in diesen Pfarren eigene, selbständige Gruppen errichtet werden, wie dies in Lassee der Fall ist. Es genügen ja 15 Personen für den Anfang. — Der k. k. Oberhofcaplan Dr. Carl Schnabl, welcher das Protocoll führte, sagte bereitwillig zu, in der für den 20. October geplanten Versammlung der Pfarrgruppe St. Joh. Ev. im X. Bezirk zum besten des Vereines zu sprechen. Warum die Kaut der Weger schwarz ist. Bislang ließ sich absolut kein Erklürungsgrund sinden, zu welchem Zwecke die Natur den unter den Tropen lebenden Menschenrassen eine schwarze Hautfarbe gegeben habe. Unser in Geltung stehendes physikalisches Wissen sagte uns, dass gerade die schwarze Farbe die Wärmeausstrahlungen am meisten einsaugt, und diese Thatsache, über welche kein teleologischer Erklärungsversuch hinauskam, machte die Vorsehung zu Schanden und klagte sie an, der Haut der Neger gerade jene Farbe gegeben zu haben, die die Qual des Sonnenbrandes für sie vermehre. — Aber man muss stets behutsam sein, wenn man versucht ist, die Natur irgend einer Jnconsequenz anzuklagen, und viel besser ist es, wenn wir unserer Unwissenheit und Kurzsichtigkeit gegenüber etwas misstrauisch sind. Der französische Naturforscher Duclaux hat Untersuchungen über die chemische Kraft des Lichtes — was man chemische Strahlenwirkung nennt — angestellt und diese mit der chemischen Kraft der Wärme verglichen, und es zeigte sich, dass die Wärme, deren zersetzende Wirkung an und für sich schwach ist, am Lichte erheblich gesteigert wird. Um der brennenden Wirkung der Sonnenhitze entgegenzuwirken, genügt es also, sich gegen ihre. Lichtausstrahlung zu schützen. Wir wissen jetzt also, dass das Schwarze, obwohl es die Temperatur erhöht, die Lichteinwirkung nichtsdestoweniger vermindert, und im allgemeinen den Sonnenbrand schwächt, wenn nicht ganz aufhebt. Wenn also die Neger schwarz sind, sind sie es nicht deshalb, um der Hitze weniger ausgesetzt zu sein, sondern um nicht verbrannt zu werden, was gewiss weit wichtiger ist. Für bic Redaction: P. XnUi'f (Mctjcv F. 8. C. — Druck von A Wcgcr's fß. Hofbuchdrnckerci, Brixen.