Siegfried Heusinger CDU 82.081 Magdeburg WIE FREI IST SPRACHLICHES HANDELN? Es ist eine Binsenwahrheit, daß, wer sich sprachlich äußert, auch Verantwortung für das Gesagte wie auch für das schriftlich Vermittelte übernimmt. Es ist die Verantwortung gegenüber dem Rezipienten für den Äußerungsgegenstand (was wird dem Partner mitgeteilt?), für die der Äußerung zugrunde liegende Absicht, die ihr beigemessen wird und die der Rezipient - zumeist jedenfalls - auch erkennen soll; und es ist die Verantwortung für den Stil der Äußerung, mit dem (nach B. SANDIG 1986,25) die "sozial relevante Art der Handlungsdurchführung" angezeigt wird. Der Stil hat die soziale Situation der kommunizierenden Partner zu berücksichtigen, und er schafft eine Beziehung zwischen dem ausgewählten und zu vermittelnden Gedankeninhalt des Sprechers/Schreibers (S/S) einerseits und dem erwartbaren bzw. angenommenen Textverständnis für den Hörer/Leser (H/L) andererseits. Der Freiheit der "freien" Formulierung sind stets Grenzen nicht nur durch Systemnormen, sondern auch durch Zwänge aus übergreifenden Zusammenhängen gesetzt, in die die sprachliche Kommunikation eingebunden ist (Kommunikation z. B. im Bereich der Wissenschaft, der Kunst, der Lehr- und Lerntätigkeit, der offiziellen Verwaltung/Direktive, der Politik). Es sind Präskriptionen des Sprachgebrauchs, die über Systemnormen hinausreichen. Die Verantwortung hat viele Aspekte, und ich möchte im folgenden solche aus meiner Betrachtung ausnehmen, die sich beziehen auf Wahrheit - Unwahrheit, Unterlassung, Manipulation. Es geht mir also um Verantwortung auf der Formulierungs- und Stilebene. Nach T. A. van DIJK gibt es nur wenige Begriffe, die so vage und mehrdeutig sind, wie der Begriff "Stil" (vgl. 1980, 97), und er empfiehlt deshalb eine Unterscheidung zwischen "freier Varianz" (die Entscheidung liegt im Ermessen des S/S) und funktionaler Varianz (die Entscheidung des S/S ist abhängig von der gewählten Textsorte, der Textfunktion und anderer kommunikativer Einflußgrößen - ebenda, 100 f.). Nicht weniger vage als die Grundkategorie ist in erwartbarer Konsequenz auch der Begriff der Stilnorm. Eine, wenn auch nicht die einzige Erklärung dafür dürfte aus aktuellen Forschungsproblemen der Textsortenspezifik herleitbar sein, d.h., es geht um die Frage, ob neben Textsortennormen auch Stilnormen anzunehmen sind oder ob man sogar von "textsortenspezifischen Stilnormen" sprechen müßte (vgl. G. MICHEL 1985, 46). Wenn der Normbegriff mit zu weiter Extension belegt ist, er z.B. neben Verbindlichkeiten für die Textbildung auch auf Erwartungen im Sinne von Empfängereinstellungen gegenüber Sprachhandlungen und ihren Produkten wie auch auf ästhetische Ansprüche an sprachliche Äußerungen bezogen wird, verliert er seinen Wert als lingustischer Terminus. Den Sinn des Normbegriffs sehe ich vor allem in 11 sozial gültigen Verbindlichkeiten für die sprachlich-kommunikative Tätigkeit und für die Beschaffenheit ihres Produkts. Im Sinne dieser Normauffasung ist unter anderem nach sozial gültigen Verbindlichkeiten für die Texteigenschaft bzw. Textkomponente "Stil" zu fragen. Stil begreife ich nicht als eine Formvariante an sich, sondern als eine nach B. SANDIG (1986,14) "sinnhafte Form". Der Stil erfüllt seine Funktion, indem das vom S/S Gemeinte auch vom H/L verstehend rekonstruiert werden kann. Mit dem Textstil muß also für den angesprochenen Partner eine Sprachform gefunden sein, die es ihm ermöglicht, die denotative Textbedeutung adäquat zu erfassen, ebenso die Textkonnotationen, die intendierten Wirkungen und die Kommunikationsabsicht aufzunehmen wie auch den Textsinn zu erschließen. Mit dieser Funktion von Stil ist der Stilbegriff eine Kategorie, die auf eine Textbeschaffenheit verweist, in der sich die sozial bedeutsame Art der sprachlichen Handlungsdurchführung spiegelt. Aus dieser Sicht ist die Stilnorm vor allem auf die Verständlichkeit von Texten für den angesprochenen Rezipienten zu beziehen. Auch Normen, die auf sprachlich ausgedrückte Eindeutigkeit von sozialen Beziehungen im Situationszusammenhang referieren, müssen m.E. als Stilnormen behandelt werden. Ein anderer Aspekt der Normativität ist die gesellschaftlich beanspruchte Sprachverwendung im Rahmen konventionalisierten Sprachhandelns unter den Bedingungen einer bestimmten Tätigkeitssituation und eines bestimmten Tätigkeitsbereiches, z.B. Kunst, Journalistik, Wissenschaft und Forschung, Lehr- und Lerntätigkeit. Konkrete Produkte dieses Sprachhandelns lassen sich zu Textsorten verallgemeinern, für die bestimmte Textsortennormen angenommen werden müssen. Stilnormen und Textsortennormen sind nicht identisch. Die von einer Zeitschrift abgedruckte Glosse sollte für den angesprochenen Leserkreis verständlich sein. Ihre sprachliche Form, die sich durch Knappheit, Prägnanz und Pointierheit auszeichnet, ist durch die Textsortennorm geregelt. Dafür ein Beispiel (aus: Autorenkollektiv: Einführung in die journalistische Methodik. Leipzig 1988, S. 161) Nostalgie? Nachdem Wind und Regen arg am Äußeren des Hauses Hermann-LiebmannStraße 56 genagt hatten, bekam die Fassade vergangenen Monat ein neues Antlitz. Die von abgebröckeltem Putz und halb herausgebrochenen Ziegelsteinen gekennzeichnete Eingangszone des dortigen Eckladens blieb in ihrer alten Schönheit erhalten. - Sozusagen Halbwerterhaltung. Arbeitsweise und Verantwortung - bzw. verantwortungsloses Arbeitsverhalten -wie wir sie nicht dulden wollen, aber noch immer in unserem Alltag beobachten können, werden knapp und prägnant glossiert. Die für eine Glosse beanspruchte knappe Darstellung wird durch Konzentration auf wesentliche Sachverhaltsaussagen erreicht, und sie wird sprachlich unterstützt durch die verdichtende Attribuierung. Mittels der 12 Metaphorik "hatte genagt", "bekam ein neues Antlitz" und der Ironie "Nostalgie?", "in ihrer alten Schönheit" wird mit sprachlicher Prägnanz auf den Sachverhalt Bezug genommen. Die okkasionelle Bildung "Halbwerterhaltung" ironisiert die attackierten Zustände und Verhaltensweisen durch pointierende Konzentration. Diese hier nur knapp gehaltene Analyse weist die für die Textsorte beanspruchte Normgemäßheit nach. Ein anderer Bewertungsgesichtspunkt ist das stilistisch Normative - wie ich es herauszuarbeiten versucht habe. Der durchschnittlich gebildete erwachsene Zeitungsleser, für den die Glosse geschrieben wurde (Kinder noch im mittleren Schulalter würden die Metaphorik und die Ironie nicht verstehen), hat selbst seine Erfahrung gemacht, und er ist - so soll hier angenommen werden - ortskundig, so daß er aus seiner Regionalzeitung auch die angesprochene räumliche Beziehung herleiten kann: "Haus Hermann-Liebmann-Straße". Auch die referenzidentischen Lexeme "Äußeren des Hauses" - "Fassade" - "Antlitz" können vom Leser sicherlich semantisch aufeinander bezogen werden, was natürlich eine Bedingung für die Verständlichkeit ist. Auch die Konkretisierung zur metaphorischen Aussage "hatte genagt" kann aus dem noch erhaltenen Zustand der Eingangszone über die Lexembedeutungen "abgebrök-kelter Putz", "halb herausgebrochene Ziegelsteine" vom Leser - so wollen wir annehmen - dekodiert und zur ironischen Bedeutung des Phrasems "in ihrer alten Schönheit" in Beziehung gesetzt werden. Ausschlaggebend für das Verständnis der Glosse ist ihre Pointe, in der der geläufige Terminus "Werterhaltung" durch den negativ konnotierten Okkasionalismus "Halbwerterhaltung" ersetzt wird. Die Komposition, die aus den usuellen Lexemen "Halb" und "Werterhaltung" vom Schreiber gebildet und als Stilelement aufgenommen worden ist, wird über das aktuelle Textverständnis des Lesers zur Kontamination aus negativ konnotiertem "Halbwert" und positiv konnotierter "Werterhaltung". In dieser Widersprüchlichkeit ist die (gewiß beabsichtigte) ironische Wirkung begründet. Die textinterne semantische Beziehung des Bestimmungswortes "Halbwert" zum attackierten vorangestellten Sachverhalt muß vom Leser geleistet werden, indem er das aus dem Text Erfahrene auch als Halbheit an Arbeitsqualität begreift, der Leser also selbst eine semantische Komprimierung und Wertung vornehmen muß. Die Stilnorm für das vorangestellte Beispiel beansprucht, daß die textinternen semantischen Relationen und die darin eingeschlossenen Bedeutungsübertragungen verstehend aufgenommen bzw. rekonstruiert werden können, so daß der Leser auch die intendierten Wirkungen, die an den Sprachstil gebunden sind, zu erfassen vermag. An dieser Stelle soll eine kurze Ausführung zur Spezifik der Stilnorm eingeschoben werden. Die verständnissichernde Funktion des Textstils besiert auf dem Fremdbild, das der S/S vom H/L hat. Der S/S muß von Erwartungen über die Erwartbarkeit des H/L ausgehen und danach seine stilistischen Entscheidungen treffen. "Erwartung" hat sich zu einem linguistischen Terminus entwickelt, wie U. FIX (1987, 62 ff.) über- 13 zeugend nachweisen konnte. Erwartungswerte, die der Rezipient hat und die der Produzent mitdenkt, sind nicht mit Norm gleichzusetzen, aber wenn sich die Erwartung als durchschnittliche gesellschaftliche Größe manifestiert, bestimmt sie die Norm, die für die Textbeschaffenheit gesellschaftlich gesetzt ist. Die Erwartung an die Verständlichkeit von Texten ist sowohl subjektiv als auch objektiv. Sie ist subjektiv im konkreten Kommunikationsakt, weil auch der mitgedachte H/L weitgehend individualisiert werden kann. Sie ist objektiv, weil sie - auch im konkreten Kommunikationsakt - immer auch den gesellschaftlichen Durchschnitt einschließt, also das Interindividuelle. Mit dieser objektiven Bezugnahme wird die Erwartung zur Handlungsanweisung an den Rezipienten, also zur Norm. Stilnormen - so meine ich - sind allein auf das Objektive, auf die gesellschaftlich durchschnittliche Erwartung zu beziehen. Demnach bleiben sie Abstraktionen, weil ihre Herleitungsbasis in der Vielfalt individueller Erwartungen besteht. Ich stimme U. FIX zu, wenn sie schreibt: "Normen liefern Produktionsanweisungen für die Herstellung eines Textes von bestimmter, nämlich adäquater Beschaffenheit." "Normen liefern die Rezeptionsanweisung für die Aufnahme eines in der Regel als adäquat erwarteten Textes" (ebenda 63). Die Textbeschaffenheit - so füge ich ergänzend hinzu - im Hinblick auf Verständlichkiet und sozialer Akzeptanz wird durch die Stilnorm geregelt. Ansprüche an die Wohlgeformtheit von Texten - ästhetische Ansprüche - sind in der wissenschaftlichen Diskussion bisher nur selten behandelt worden. H. ISENBERG (1976, 48) hat mit dem Begriff der Wohlgeformtheit eine textlinguistische Theorie der sequentiellen Textkonstitution angeregt. Unter dem Aspekt der Wohlgeformtheit wird der Text als kohärente lineare Abfolge von nach bestimmten Prinzipien sequentiell verknüpften sprachlichen Einheiten betrachtet. Ich möchte die von ihm herausgearbeiteten Wohlgeformtheitsbedingungen wie auch die semantischen und syntaktischen Bindungsregeln nicht referieren, sondern mich vielmehr intuitiv dem Problemfeld der Wohlgeformtheit zuwenden. Mit intuitivem Verständnis ist Wohlgeformtheit eine im weitesten Sinne (und nicht nur auf kunstvolle Geformtheit anwendbare) sprachästhetische Kategorie, die sich auf die ästhetischen Eigenschaften von Texten und ihren Wirkungen bezieht. In die als wohlgeformt empfundene Äußerung sind nach meiner Auffassung individuelle Realisierungen der Komposition - die Wohlkomponiertheit - eingeschlossen, die dem S/S in den Grenzen funktionaler Zwänge und des für die jeweilige Textsorte beanspruchten Kompositionsprinzips möglich sind, z.B. die Eröffnungsgestaltung einer narrativen Textsorte oder der Beweisansatz und die Beweisfolge einer Argumentation. Das als wohlgeformt Empfundene hat eine Beziehung zur Norm insofern, als es dem S/S erlaubt ist, im Spielraum der Norm freie Stilentscheidungen zu treffen. Was als ästhetisch, als akzeptabel oder als nicht ästhetisch bzw. als wohlgeformt oder nicht wohlgeformt zu gelten hat, wird vom Geschmack bzw. Sprachgefühl her entschieden, den/das der Kommunikationsteilnehmer in sprachlich-kommunikativer Tätigkeit er- 14 fahren hat. Diese Erfahrungen, in denen gesellschaftliche Ansprüche und Regelmäßigkeiten individuell verallgemeinert sind wie auch in didaktisch gelenkter Lerntätigkeit übermittelt wurden, weist dem ästhetischen Empfinden nicht ausschließlich individuelle, sondern ebenso gesellschaftliche Anteile zu. Es wäre beispielsweise interessant zu erfahren, ob sich und in welcher Hinsicht sich Ansprüche an die Wohlge-formtheit von Texten in Ost- und Westdeutschland, die mehr als 40 Jahre ein nationales Eigenleben hatten, unterscheiden. Was der einzelne als ästhetisch bzw. wohlgeformt empfindet, ist der Reflex auf gesellschaftliches Sprachverhalten, das er individuell verarbeitet und aufgenommen hat. Das Ästhetische - und auf dieser Bezugsebene das Wohlgeformte - ist an den Individualstil gebunden. Das Problem liegt darin, diese Erkenntnis für die kritische Textbeurteilung zu nutzen. Eine Auswahl von Gesichtspunkten, die die Beurteilung orientieren kann, sind m.E. 1. die zweckmäßige oder in ihrer Entgegensetzung die unmotivierte Nachahmung von Klischees, Stereotypen; 2. die lexikalische Auffüllung der Textgestalt, soweit sie nicht funktional bedingt ist (z.B. durch Fremdwörter, Termini technici, Regionalismen, Archaismen, Vulgarismen, saloppen oder gehobenen Sprachformen); 3. der Reichtum an individuellen Ausdrucksmitteln und an Variabilität der Sprachverwendung; 4. die verständnissichernde Beziehungsgestaltung in der kohärenten Abfolge sprachlicher Einheiten; 5. die auf Wirkung zielende (angemessene oder nicht angemessene) Abweichung von der erwartbaren Sprachgestalt. Es ist aber auch zu bedenken, daß als wohlgeformt eine sprachliche Äußerung häufig von Rezipienten nur dann empfunden wird, wenn sie der Adressat auch als verständnisfördernd bewerten kann. So gesehen, hat die Wohlgeformtheit von Texten auch eine Beziehung zur Stilnorm, ohne mit ihr identisch zu sein. Meine Studenten beklagen oft, daß ihnen viele der für sie geschriebenen Lehrbücher nur schwerverständlich sind. Wenn die eingeschränkte Verständlichkeit nicht auf mangelnde fachliche Kompetenz zurückgeführt werden kann, ist der Hinweis berechtigt, und wir haben zu prüfen, ob wir unserer Verantwortung für den Stil und die Formulierung (nicht nur unserer Lehr- und Lerntexte) immer gerecht werden. Wir haben jedenfalls einen Grund, darüber nachzudenken. In einer Zusammenfassung seien wesentliche Aussagen meines Beitrages wiederholt. 15 sprachlich-kommunikative Tätigkeit und ihr Produkt Sprachnormen u.a. speziellere Normen (grammatische, lexikalisch-semantische, phonetische...) Textsortennormen Normen für konventionalisiertes Sprachhandeln zur Erzeugung bestimmter klassenbildender Textformen im Rahmen objektiver Erfordernisse des Tätigkeitsbereiches / der Tätigkeitssituation, z.B. Normen an einen Lebenslauf, ein Protokoll, eine Glosse in der Presse Stilnormen • Versändlicheit sichernd • soziale Beziehung reguliernd • u.a. (Handlungsanweisung an den Textproduzenten) Normerwartung des Textrezipienten (Handlungsanweisung an den Rezipienten) Wohlgeformtheit individualstilistiche Entscheidung des S/S t Bewertungsgesichtspunkt des H/L nach Geschmach, Sprachgefühl und Textverständlichkeit • i-Verständlichkeit als verbindender -► • Gesichtspunkt Wie frei ist sprachliches Handeln? - Nach dieser eingangs gestellten Frage wendet sich der Autor sprachlich-kommunikativen Normen und ästhetischen Erwartungen zu, die für die Sprachverwendung beansprucht werden und nur eine mittelbare Beziehung zu den Systemnormen haben. Er hebt speziell die Stilnorm, die Textsortennorm und die soziale Erwartung nach Wohlgeformtheit sprachlicher Äußerungen hervor. Das sie Kennzeichnende, aber auch sie Unterscheidende wird durch Beispiele expliziert. 16 Der Freiheit der "freien" Formulierung sind durch Präskriptionen des Sprachgebrauchs stets Grenzen gesetzt. Die Stilnorm ist vor allem auf die Verständlichkeit von Texten für den angesprochenen Rezipienten zu beziehen, auch Präskriptionen, die auf sprachlich ausgedrückte Eindeutigkeit von sozialen Beziehungen im Situationszusammenhang referieren, werden als Stilnormen angesehen. Die für Textsorten beanspruchte Normgemäßheit - die Textsortennorm - wird am Beispiel einer Glosse verdeutlicht, für die Knappheit, sprachliche Prägnanz und Pointiertheit verbindliche Gestaltungsmerkmale sind. Anders die Stilnorm. Sie beansprucht für das gewählte Beispiel der Glosse, daß die textinternen semantischen Relationen und die darin eingeschlossenen Bedeutungsübertragungen verstehend aufgenommen bzw. rekonstruiert werden können, so daß der Leser auch die intendierten Wirkungen, die an den Sprachstil gebunden sind, zu erfassen vermag. Wohlgeformtheit ist eine sprachästhetische Kategorie, die mit dem Individualstil des Sprechers/Schreibers in Verbindung gebracht wird. Das als ästhetisch Empfundene geht auf den Geschmack bzw. das Sprachgefühl zurück, den/das der Kommunikationsteilnehmer in sprachlich-kommunikativer Tätigkeit erfahren hat. Diese Erfahrungen, in der gesellschaftliche Ansprüche und Regelmäßigkeiten individuell verallgemeinert sind wie auch in didaktisch gelenkter Lerntätigkeit übermittelt wurden, weist dem ästhetischen Empfinden nicht ausschließlich individuelle, sondern ebenso gesellschaftliche Anteile zu. LITERATUR Dijk, Teun A. van: Textwissenschaft. - Eine interdisziplinäre Einführung. München 1980. Fix, Ulla: Erwartung in der Linguistik. Anmerkungen zum Verhältnis von Erwartung, Norm und Adäquatheit. In: Beiträge zur Erforschung der deutschen Sprache. Bd. 7, Leipzig 1987, S. 62 ff. Isenberg, Horst: Einige Grundbegriffe für eine linguistische Texttheorie. In: Probleme der Textgrammatik, studia grammatica XI, Berlin 1976, S. 47 ff. Michel, Georg: Positionen und Entwicklungstendenzen der Sprachstilistik in der DDR. In: Sprache und Literatur in Wissenschaft und Unterricht. H. 55, München 1985, S. 42 ff. Sandig, Barbara: Stilistik der deutschen Sprache. Berlin, New York 1986. 17 Povzetek DO KAKŠNE MERE JE JEZIKOVNA DEJAVNOST SVOBODNA? Po tem uvodoma postavljenem vprašanju se avtor posveti jezikovno sporočevalnim normam in estetskim pričakovanjem, ki jih mora upoštevati jezikovna raba in ki so le posredno povezane s sistemskimi normami. Posebej izpostavlja stilno normo, normo besedilnih vist in socialno pričakovanje lepe oblikovanosti jezikovnih formulacij. To, kar je zanje značilno, pa tudi to, po čemer se razlikujejo, je ponatančeno z zgledi. Svobodo "svobodnih" formulacij stalno omejujejo predpisi o jezikovni rabi. Stilno normo opredeljuje predvsem razumljivost besedil s strani konkretnega naslovnika, tudi predpisi, ki se nanašajo na jezikovno izraženo enoumnost socialnih razmerjih v položajni sovisnosti, se uvrščajo med stilne norme. Izpolnjevanje norm posameznih besedilnih vrst - norma besedilne vrste - je razloženo na zgledu glose, za katero so značilni oblikovalni znaki zgoščenost, jezikovna pregnantnost in poantiranje. Drugače je s stilno normo. Le-ta za izbrani zgled glose postuliia, da morajo biti znotrajbesedilna pomenska razmerja in vsi vanje vključeni pomenski prenosi pravilno razumljeni oz. rekonstruirani, da bi tako bralec mogel dojeti tudi načrtovani učinek, vezan na določeni jezikovni slog. Lepa oblikovanost je jezikovno-estetska kategorija, ki jo povezujejo z individualnim slogom govorca/pisca. Občutje estetskega omogočata okus oz. jezikovni čut, ki si ju je udeleženec sporočanja pridobil z jezikovno sporočevalno dejavnostjo. Te izkušnje, ki so individualne posplošitve družbenih zahtev in pravil, ki pa so bile posredovane tudi v didaktično usmeijenih učnih procesih, dajejo estetskemu občutju ne le individualno, temveč prav tako družbeno noto. 18