Doppelskalpell oder Zirkel ? In Äugst (Augusta Raurica) kamen zwei interessante Bronzeobjekte zum Vorschein, die aus je zwei bronzenen, durch einen Stift verbundenen Griffen bestehen (Abb. I - Riha l986,83,Taf.57: 630,631; 71:630, 631). Die Griffe weisen an ihrem unteren Ende jeweils spaltenförmige Ausnehmungen auf, in denen ursprünglich eiserne Einsätze befestigt waren, wie die an einem der beiden Objekte erhaltenen Eisenreste zeigen. iL«, ■I ( g ^ t 1 Abb. 2 - Zirkel aus dem 1 Hügelgrab 26 von Berlin-1 gen mit bronzenem Ober-1 teil und eisernen Schenkel-spitzen (nach Roosens und l Lux 1973). M. 1:2. i If 1 Abb. I — Oberteil zweier Zirkel aus Äugst (nach E. Riha 1986). Bronze. M. 1:2. Emilie Riha hat die beiden Objekte als Doppelskalpell mit unterschiedlich gestalteten Eisenklingen rekonstruiert, die vielleicht als Reisebesteck für Chirurgen verwendet worden sind (ebd., Abb. 27). Etwaige Parallelen waren ihr nicht bekannt. Dieser Vorschlag wurde in der neueren synthetischen Literatur über die medizinischen Instrumente der Römer nicht akzeptiert (Jackson 1990, fig. I: 6-12; Künzl 1996,2449 f.,Abb. III), und dies zurecht, weil die Form der besprochenen Objekte aus Äugst verrät, daß es sich um das Oberteil römischer Zirkel handelt. Derartige Zirkel wurden in der Regel gänzlich aus Bronze (z.B. Separovic 1999-2000) oder aus Eisen (z. B. Pietsch 1983, 61 ,Taf. 21: 511 -517) gefertigt. Sie bestehen meist aus zwei zugespitzten Schenkeln, die oben durch eine runde oder gewölbt dreieckige, durchlochte Verbreiterung abgeschlossen werden. Relativ häufig sind sie mit einem Feststellmechanismus versehen: durch die Abschlußlöcher wird ein Stift gesteckt, der auf einer Seite einen Kopf und auf der entgegengesetzten Seite einen Schlitz hat, durch den eine Arretiervorrichtung, ein keilförmiger Splint, gesteckt wird (siehe z. B. Pietsch 1983, 6l,Anm. 650; Osmuk 1976,78, Nr 29, t. 4: 7; Sagadin 2000, 205, pl. l:9;Deimel 1987,54, l74,Taf.34: l;Gostencnik 1998, 103 ff., Abb. 10). Einen im Detail entsprechenden Mechanismus zeigen die beiden Objekte aus Äugst. Der endgültige Nachweis dafür, daß es sich bei den beiden Objekten aus Äugst um das Oberteil einer bislang seltenen Art römischer Zirkel handelt, erhellt aus einem vollständig erhaltenen Zirkel (Abb. 2), der in Hügelgrab 26 von Berlingen in Belgien zusammen mit weiterem Schreib- und Meßgerät vergesellschaftet war, darunter einem Tintenfaß, einer Wachsspachtel und einem Klappmaßstab (Roosens, Lux 1973, 20 ff., fig. 16: 10; 20: 37a, 38b, 38c). Dieser Zirkel besitzt ein Oberteil aus Bronze, das den beiden Objekten aus Äugst sehr nahe kommt, sowie zwei Schenkelspitzen aus Eisen, die in den Spalten des Oberteils stecken. Die Zirkel wurden beim Schreiben zum Abmessen der Zwischenräume und zum Einstechen der Markierungen gebraucht, nach denen die Zeilen und die senkrechten Begrenzungslinien gezogen wurden (Deimel 1987,54; Merten 1987,312). Sie erscheinen nebst anderem Schreibgerät auf dem Schreiberbild des um 700 in England entstandenen Codex Amia-tinus, dessen Vorlage der verlorene Codex grandior Cassiodors aus dem 6. Jahrhundert war, sowie auf byzantinischen Evangelistenbildern des 10. Jahrhunderts, die sogar direkt auf vorkonstantinische Vorlagen zurückgeführt werden können (ebd., 303, 308 f., 312, Anm. 47, Abb. I;2;4). Ob es sich bei den bronzenen Zirkeln mit eisernen Schenkelspitzen um einen eigenen Typ handelt, der vor allem von Schreibern verwendet wurde, lässt sich auf Grund der einen Vergesellschaftung nicht definitiv sagen. Zukünftigen Entdeckungen muss auch vorbehalten bleiben, ob die beiden Zirkelfragmente aus Äugst, die dort nicht enger datiert werden konnten (Riha 1986,83), wie der Zirkel aus dem Hügelgrab 26 von Berlingen in flavische Zeit datieren (Roosens, Lux 1973, 54). Sicher aber gebrauchte man zu dieser Zeit zwei spitzenlose Zirkel aus Pompeji, die wohl dem besprochenen Zirkeltyp zuzuschreiben sind (M. Borriello in : Homo faber [Milano 1999] 304 und 307, Nn 379 und 386). Dragan Božič Inštitut za arheologijo ZRC SAZU Gosposka 13, SI-1000 Ljubljana, Slovenija Dra^an.Bozic@zrc-sazu.si Literatur Deimel 1987 : M. Deimel, Die Bronzekleinfunde vom Magdalensberg (Kämt. Musschr 71), Klagenfurt 1987. Gostenčnik 1998 : K. Gostenčnik, Römische Fußmaßstäbe vom Magdalensberg. Carinthia I 188, 1998, 87-107. Jackson 1990: R.Jackson, Roman doctors and their instruments; recent research into ancient practice.Journo/ of Roman Archaeology 3, 1990,5-27. Künzl 1996 : E. 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Un complement au volume VI (nouvelles armes de «parade» de la collection) clot ce volume.