Nr. 145. Mittwoch, 27. Juni 1894. Jahrgang. 113. Mbacher Zeitung. Pr«nu«erall°nSprel« : Mit P ostverlend »nn - M'ziähri« si, l5. halbMrlg fl. < 5N Im Comptoir: O»nMhr!a st, ,1. Halbjahr!!, si, 5.5.«, ssl!r di.> Z»s!cN»„l, '"«! H""^"?"^^''" ^<^,.^ s. ^" u°^^!'', ^' lleine In,era!e b!i! » 4 Zsilm 25. l,. nrMvc per Zeile e tr,! bei olleren Wiederholungen pcr Zelle 3 lr. Die »Laib. Zeit.» erscheint liisslich, mil «nlnahme bei Sonn- und Feiertage. Die «ldmlniftratin« befindet sich Congressplay Nr. L, dir Redaction Uahlcholgnsse Nr. 15, Lprechstunben der Redaction von 8 bis N Nh» vormittags, — Unfranlicrtc Briefe werben nicht angenommen, Mamiscripte nicht zurückgestellt. Nichtamtlicher Mil. Die Ermordung Carnots. Die tieferschütternde Kunde von der Ermordung des Präsidenten der französischen Republik erfüllt die Welt mit Trauer und erregt überall die größte Be- stürzung und das tiefste Mitgefühl. Die Tagesblätter beschäftigen sich ausnahmslos mit dem Ereignisse, wid- men dem Ernste desselben eingehende Beachtung und dem Dahingeschiedenen den ehrenvollsten Nachruf und verlangen ein schärferes Vorgehen gegen die Anarchisten. Die «Neue freie Presse» schreibt: Die Franzosen werden ihm ein ehrenvolles Andenken bewahren. In den Schranken, die einem Präsidenten der Republik durch Verfassung und Brauch gezogen sind, hat er tiefer eingegriffen in die Schicksale seiner Nation, als in der weiten Oeffmllichkeit bekannt fein dürfte. Wem dürfte es nicht wiederstreben, mit kalter Kritik alle Fa- sern einer Persönlichkeit bloßzulegen, welche durch chr tragisches Ende viel größer erscheinen wlrd als ste jemals im Leben war? Carnot hat seinem berühmten Namen nicht allein durch seine Stellung, sondern auch durch seine lautere Gesinnung, seinen reinen Charakter, seine Menschenfreundlichkeit und wahre Hingebung an die republikanische Idee neuen Glanz verliehen. In schweren und harten Zeiten hat er den Bestand der Republik gerettet, sich in der Sturzwelle der boulan- gistischeu Brandung behauptet, die Verwüstungen des öffentlichen Geistes durch den Panama-Process über- dauert und durch seine sympathische Persönlichkeit, seine gefälligen Umgangsformen, feine große Volksthümlich. keit der Republik viele Herzen gewonnen. Frankreich ist unter seiner Leitung aus gefährlichen Krisen unversehrt hervorgegangen. Nahezu sieben Jahre sind verstrichen, seitdem Carnot in einem vierspännigen Wagen aus Versailles nach dem Elyse'e gebracht wurde. Im nächsten December wäre sein Mandat abgelaufen, und nach menschlicher Voraussicht wäre er neuerdings zum Prä- sidenten gewählt worden. Damals hat er unvermuthet den Sieg davongetragen, weil seine vielbedeutenderen Mitbewerber sich durch gegenseitige Eifersucht in Schach hielten und weil nach dem widrigen Eindrucke, welchen der Ordenshandel eines Schwiegersohnes des alten Gr<5vy hervorrief, das Bedürfnis vorhanden war, emen Makellosen Ehrenmann, dem sofort das allgemeine Ver- trauen zustiegen muss, an die Spitze der Republik zu stelle». Diese Erwartung hat Carnot in höchstem Maße erfüllt. In dem argen Verfall? der parlamentarischen Sittlichkeit hat er den Saum seines Kleides vor jedem Fleck bewahrt, und gerade diese Ehrlichkeit war das Geheimnis einer politischen Lebenskraft, die in Frank- reich ungewöhnlich ist. Dem «Fremdenblatt» entnehmen wir: Die ge- fährliche Episode Voulanger, die Beseitigung Constans' und die Anknüpfuug engerer Beziehungen zu Nussland sind die drei wichtigsten Momente aus der Präsident- schaft Carnots. Nach den Festen von Kronstadt und Toulon wuchs seine Popularität. Er hatte einige Zeit gebraucht, um sich in den repräsentativen Theil seiner Aufgabe hineinzufinden, und fein bescheidenes Wesen, seine schmächtige Gestalt, sein ruhiges, wenig lebhaftes schmales Antlitz entsprachen allerdings nicht ganz dem Bilde, das sich eine dem Glänze huldigende Nation wie die französische, von ihrem Oberhaupte zu machen liebt. Es war wohl auch diefe Nüchternheit der Er- scheinung, die ihm den Kampf gegen Boulanger er- schwerte, der ganz Aeußcrlichkeit war, ganz im Deco- rativen aufgieng und den brillanten Feldherrn, den die Franzosen erfehnten, wenigstens auf dem Paradeplatze zu spielen wusste. Aber allmählich gewann auch Carnot eine gewisse Beliebtheit; er war bürgerlich wie Grcvy, aber er verschwendete mit vollen Händen, wenn es galt, im Namen der Republik aufzutreteu; seine Frau, eine vornehme Dame, stand ihm dabei kundig zur Seite. Auch wusste das Volk, dass er kein Ehrgeiziger war, dass es ihm nur darum zu thun war, die ihm gestellte Aufgabe gewissenhaft zu erfüllen und sich die Zu- friedenheit Frankreichs zu erwerben; er schloss weder die conservativsten Gemäßigten noch die Radicalen grundsätzlich aus; er war ein Freund der Ruhe im Innern und des Friedens nach außen. Der Verbrecher, der ihn gestern erdolcht hat, hat einen pflichteifrigen, tüchtigen, patriotischen Mann in den Tod gesendet. Carnot ist auf seinem Posten gestorben. Die Frage, wer sein Nachfolger wird, löst sich fast von felbst; die Schwierigkeiten, die der Wahl Casimir Pe'riers gegen- übergestanden wären, wenn das Mandat in regel- mäßiger Weise frei geworden wäre — die Mitbewer- bung Carnots und die Bedenklichkeit mancher zum Radi- calismus Neigenden, eine Persönlichkeit von Autorität auf den höchsten Platz zu stellen, hat die Mörderwaffe weggeräumt, denn die That mufs einen Sturm der Entrüstung gegen die Anarchisten hervorrufen und die feste Entschlossenheit, ihnen zu zeigen, dass die Gesell- schaft sich mit aller Macht vertheidigen will. Es ist ehr wahrscheinlich, dass der nächste Präsident der fran- zösischen Republik Casimir Pörier heißen wird. Die «Presse» äußert sich wie folgt: Der Dolch» stoß des anarchistischen Fanatikers hat einen braven Ehrenmann, wie Frankreich unter seinen hervorragenden Politikern nicht deren allzuviele von gleicher Integrität des Charakters besitzt, anf die Bahre gebracht. Außer- gewöhnliche staatsmännische Begabung kann Carnot allerdings nicht nachgerühmt werden. Er hatte weder die hinreißende Beredsamkeit eines Gambetla, noch jene in allen Winkelzügen der großen und kleinen Po- litik sich zurechtfindende Begabung und jene Zähigkeit des Wollens, die Jules Ferry nachgerühmt werden konnten. Er repräsentierte aber in ausgesprochenster Weise das. was die Franzosen den Kon 56N«, den ge- sunden Menschenverstand nennen. Er hat es während seiner Präsidentschaft verstanden, unter ganz anßer- gewühnlichen Verhältnissen die allgemeinste Achtung und Sympathie zu erwerben. Er war im ganzen Lande populär im bestm Sinne des Wortes geworden, obwohl man ihm Popularitätshascherei niemals zum Vorwurf machen konnte. Ruhe, Besonnenheit und in allen Lebenslagen maßvoll, wusste er zwischen den sich heftig befehdenden Parteien geschickt zu lavieren, wie es seine ihm durch die Verfassung angewiesene Stellung verlangte, ohne seiner persönlichen Würde etwas zu vergeben. Von seinem unmittelbaren Vor» ganger im Amte, Grövy, unterschied er sich durch seine Uneigennützigkeit in auffallender Weise. Gröoy, der Sparmeister, thesaurierte sein hohes Gehalt und seine hohen Repräsentationsgelder für feine Familie, obwohl er bereits reich war, als er ins Elyse'e einzog. Carnot, der früher ein sparsam zurückgezogenes Leben geführt, verbrauchte als Präsident nicht nur alle Ein- künfte, die im von staatswegen zuflössen, sondern auch die Renten seines nicht unerheblichen Vermögens voll- auf, was ihm hoch angerechnet wurde. Frankreich und vor allem die Stadt Paris bedürfen eines Staats- oberhauptes, das repräsentiert, das im geselligen Leben neue Impulse gibt und damit die Luxus-Industrie fördert. Iieuilteton. Hochzeitsgcbriiuche. Von M. N. II. Vei den Türken wird die Hochzeit von den Eltern "nd Verwandten des Brautpaares verabredet uud Mstens der geschlossene Contract vor dem Kadl be- Migt. Der Mann muss die Frau gewöhnlich taufen, wahrend die Braut ihrem Bräutigam ein Tuch, das ^"schan Makermasi, schickt. Das Brautpaar steht jlch °or der Hochzeit gar nicht. Am Hochzeitstage wird tne Zraut verschleiert in das Haus des Bräutigams ge- 'Uhrt. der sie mit offenen Armen empfängt. ,, Der Araber sucht das Mädchen, dessen Gestalt Hm gefällt, erst von Angesicht zu Angesicht zu sehen, befällt sie ihm. so beginnt das Werben, welches fur ^wohnlich sein Vater besorgt. Der Preis, aus Ochsen, Mrden uud Schafen bestehend, wird festgesetzt, der Ertrag vor dem Schcik unterzeichnet und dann Yt or ""chtigste Theil der Sache erledigt. Dann folgt eme ^oße Schmauserei, wobei jedoch Männer"nd Frauu prennt bleiben. Gegen Abend führen die Matron ?'e Braut in das Zelt des Bräutigams. D.e beide Pechen nicht, dic Braut verneigt sich ledoch vor hr^n Herrn uud Gebieter der ihr ein Goldstuck auf die Stirne drückt Re^Leute wiederholen diese Ceremome t'wobei die Braut jedesmal anders gekleidet rschemt f"d natürlich auch jedesmal ein neues Goldstück be- In der Berberei wird der Handel über den Preis der Frau und eine gewisse Summe für ihren Unter, halt im Falle einer Scheidung ebenfalls zwischen den beiderseitigen Eltern oder nächsten Verwandten ab- geschlossen. Am Abend vor der Hochzeit dringt der Bräutigam mit zahlreichen Begleitern, alle zu Pferde, in die Behausung der Braut ein. Am nächsten Tage kehrt er, in sein prächtigstes Gewand gekleidet, mit einem Priester (Talib) wieder heim. Dieser setzt dann den Ehecontract auf, welchen der Bräutigam nach der Wohnung feiner Zukünftigen bringt und ihn ihr, die von einem neidischen Vorhang bedeckt ist, gleichzeitig mit dem Trauring einhändigt. Später wird die Braut auf einem Maulthier oder, wenn sie sehr vornehm ist, einem mit einem Baldachin versehenen Kameele nach dem Hause des Bräutigams gebracht, der mit seinen Freunden nebenher reitet, die ihrer Freude durch Schießen und anderen Lärm Ausdruck zu geben suchen. Vei den Persern herrscht noch weniger Ceremoniell. Man kommt daselbst im Beisein des Kadi über die Größe des Brautschatzes überein, der entweder dem Schwiegervater als Geschenk verbleibt oder der Braut im Falle der Scheidung verschrieben wird, und bringt dann die so Erkaufte mit einem rothseidenen Tuche über dem Kopfe in das Haus ihres künftigen Mannes. Darauf folgt ein Hochzeitsschmaus, an welchem jedoch nur der junge Ehemann theilnimmt. Wohnen die Neuvermählten bei dem Vater der Braut, so darf dieser die junge Frau nicht mehr un- vcrschlciert schen, ja nicht einmal mehr sprechen, wenn er sich nicht die Erlaubnis dazu vorher durch ein Ge« schenk erkauft hat. Bei den Buddhisten in Indien wird das Braut- paar am Hochzeitstabende mit einer seidenen Schnur umwunden, hierauf ein zusammengefaltetes Tuch zwischen die beiden gelegt und ein Feuer angezündet. Der Brah- mine spricht dann ein Gebet, in welchem er den Mann ermahnt, der Frau immer alles zum Lebensunterhalte Nothwendige zu geben und die Frau, ihrem Manne treu zu sein, und segnet dann die beiden. Das Tuch wird wieder weggenommen, die Schnur gelöst und das Hoch- zeitsmahl beginnt. In Pegu werden die Mädchen, jedoch meist nur auf eine gewisse Zeit, gekauft, und der Bräutigam nimmt seine Braut ohne weitere Ceremonien mit nach seinem Hause. In Siam bilden die älteren weiblichen An- verwandten die Unterhändler und schließen den Kauf mit dem Bräutigam ab. Die Priester gehen hierauf wiederholt in das Haus des jungen Ehepaares und segnen dasselbe, worauf durch einige Tage Lustbarkeiten folgen. In China wird die Frau von den Reichen ge- kaust, von den Armen aus den Findelhausern geholt. Wenn bei den ersteren die Ehepacten ausgewechselt werden, wird die Braut unter Fackel- und Musik- begleitung von den jungen Leuten in einem ge- schlossenen, mit einem Baldachin bedeckten Sessel nach dem Hause drs Bräutigams getragen und diesem der Schlüssel eingehändigt, worauf er die Sänfte öffnet und feine Braut in Empfang nimmt. Hier sieht er ihr Gesicht zum erstenmale, indem er ihr den schwarzen Schleier abnimmt. Die Haupt- Ceremonie ist das Wechseln der Tassen, was an einem nur von dem Bräutigam benutzten Thcetisch vollzogen wird. Laibacher Zeitung Nr. 145, 1244 27. Juni 1894. Politische Ueberficht. Laib ach, 26. Juni. In der polnischen Presse wnd die Reise der Parlamentsmitglieder nach Galizien in sehr sym- pathischer Weise besprochen und zum Ausgangspunkte politisch bedeutsamer Enunciationen gemacht. Die «Ga- zetta Narodowa» bezeichnet dieselbe als ein Ereignis von großer politischer Tragweite, das auch den Zweck und die principielle Bedeutung der galizischen Aus- stellung in eminenter Weise hervortreten lasse. Die pol« nische Nation habe die Bildung der Coalition im öster- reichischen Parlament freudig und mit aufrichtiger Sympathe begrüßt als die Krönung langjähriger, mit- unter mit schweren Opfern erkaufter Bestrebungen des rcichsräthlichen Polenclubs zur Bildung einer dauernden und kräftigen Parlamentsmehrheit sowie zur Er« lcdigung der dringenden Gesetzvorlagen im Neichsrathe. Die Ermordung des Präsidenten der französischen Republik hat in Wien in allen Kreisen der Bevölkerung einen tief erschütternden Ein- druck hervorgerufen. Es gibt sich allgemein schmerzliche Ergriffenheit über den tragischen Tod des französischen Oberhauptes und tiefster Abscheu über das entsetzliche anarchistische Verbrechen kund. Vom Giebel des fran- zösischen Botschaftspalais auf dem Lobkowitz« Platze weht die französische, mit einem Trauerflor dra- pierte Tricolore. Nebst den von uns bereits gemeldeten Trauerkundgebungen haben der englische Botschaftsr am Wiener Hofe, Sir Monson, und der deutsche Botschafter Graf Eulenburg persönlich condoliert. Der Präsident des Abgeordnetenhauses, Baron Chlumecky, sprach eben- falls persönlich sein Beileid aus. Auf den aufliegenden Bogen haben zahlreiche Mitglieder der französischen Colonie ihre Namen gezeichnet. Botschafter Lozi reist im Laufe der Woche nach Frankreich, um den Leichenfeierlichkeiten für Sadi Carnot beizuwohnen. In Budapest hat die Nachricht von der Er- mordung Earnots allenthalben Entrüstung und lebhafte Theilnahme hervorgerufen. Zahlreiche Extraausgaben verbreiteten die Nachricht. Auf den belebten Plätzen bilden sich spontan Gruppen, die das Ereignis leb- haft besprechen. Im Abgeordnetenhause, wo die Nach- richt bereits durch die Blätter bekannt geworden war, erregte dieselbe tiefste Abscheu und begegnete überall ungeheuchelter Theilnahme für Carnot. Die Couferenz der liberalen ungarischen Partei in Budapest nahm über Antrag des Iustizministers Szilagyi die zu dem Gesetzentwurfe über die Civil- ehe vom Magnatenhause beschlossene Abänderung ein- stimmig an. Im ungarischen Abgeordnetenhause theilte gestern der Präsident mit, dass nach dem an ihn gelangten Nuntium das Magnatenhaus den Ehe- geschentwurf in der vom Abgeordnetenhause festgestellten Fotm angenommen habe. Nur wurde nach dem jetzigen Paragraph 148 ein neuer aufgenommen, welcher nach Erledigung der auf der Tagesordnung stehenden Gesetz- entwürfe zur Verhandlung gelangt. Das Haus beschloss hierauf, nach dem bereits fertiggestellten Arbeits- Programme zu verhandeln und gieng sodann in die Tagesordnung ein. Die Gesehentwürfe über den Bau eines Ausstellungsgebä'udes für bildende Künste, über die 1891er Mehrausgaben und über die Biersteuer wurden ohne Debatte in dritter Lesung angenommen. Hierauf folgte die Verhandlung des Gesetzentwurfes über die freie Religionsüblmg, welche, mit Ausnahme einiger weniger Stimmen, im allgemeinen angenommen wird. Morgen folgt die Specialdebatte. Bei der am 23. d. M. stattgehabten Stichwahl in den deutschen Reichstag im 6. schleswig-holsteiuischen Wahlkreise erhielt bisher Mohr (national-liberal) 13.025, von Elm (Socialdemokrat) 13.622 Stimmen. Die Wahl des letzteren erscheint als gesichert. Die Stimmung der Pariser Bevölkerung ist eine sichtlich beruhigtere. Nirgends, auch nicht iu den excentrischen Stadtvierteln, in der Nähe der Fabriken, in welchen italienische Arbeiter beschäftigt sind, ereignete sich bisher eine anti-italienische Demonstration. Mehrere Blätter ermähnen zur Ruhe. «Eclair» schreibt: «Ita- lien ist hier gottlob nicht im Spiele. Hüteu wir uns, die Verantwortung für ein individuelles Verbrechen auf ein Volk auszudehnen. Cesario ist zweifellos Anarchist; die Anarchie hat kein Vaterland. Unsere Pflicht ist uns vorgezeichnet. Wachen wir über uns selbst. Dulden wir keine Gewaltthätigkeit, keine Reaction. Die Uebergabe der Präsidentengewalt wird sich ohne Stockung vollziehen. Frankreich weint, aber es ist stark.» In Rom war das Gerücht verbreitet, dass der Kriegsminister wegen des Zwischenfalles in der Kammer sein Portefeuille dem Ministerpräsidenten Crispi zur Verfügung gestellt habe, um sich volle Actionsfreiheit aegen den Deputierten Imbriani zu wahren. Man habe jedoch dem Kriegsminister zu bedenken gegeben, dass, wenn er infolge dieses Zwischenfalles sein Amt nieder- legen würde, er einen gefährlichen, einschneidenden Präcedenzfall gegen die parlamentarische Redefreiheit schaffen werde. Gladstone hat nun definitiv erklärt, dass er dem nächsten Parlamente nicht mehr angehören wolle, sondern seine politische Laufbahn für abgeschlossen be- trachtet. Die Liberalen haben deshalb für Gladstone's Wahlkreis Midlothian Sir Thomas Gibson Carmichael als Candidate« ausersehen. Wie der Petersburger «Regierungsbote» meldet, ist der Kaiser am 24. d. M. nach Borki abgereist. Tagesnemgleiten. — (Insfticierungsreisen.) Ihre Excellenzen der Präsident der Staatsbahnen, Ritter von Bilinski, und Uckerbauminister Graf Fallenhayn sind am 24. b. M. in Lemberg eingetroffen. — (Attentat auf Rittmeister v. Zubo- V i cS.) Aus Veröcze wird gemeldet: Nm 24. d. M. ver- übte ein entlassener Stallknecht gegen den belanutlu Sportsmann Fedor von Zubovics einen Mordversuch, in- dem er dem letzteren eine Heugabel in den Rücken stieß, Zubovics verwundete den flüchtenden Attentäter mit einem Schusse aus dem Revolver. Der Attentäter wurde später verhastet. Zubovics ist nur leicht verwundet. — (Die Rettungsgesellschaft in Wien.) Das «Fremdenblatt» meldet: Infolge der entscheidenden Wendung, welche die Affaire der Rettungsgesellschaft durch die eingeleitete Untersuchung genommen hat, beabsichtigt Graf Lamezan von der Stelle eines Präsidenten der Rettungs' gescllschaft zurückzutreten. Wie verlautet, werden von nun der Decan und der Prodecan mit Rilcksicht darauf, dass die freiwilligen Sanitätsmänner sich aus den Kreisen der studierenden Medicincr recrutieren, auf die Leitung der Gesellschaft Einfluss nehmen. — (Die große Grubenkatastrophe in Karwin.) Aus MährischOstrau wird telegraphiert: Die Oasanalysen aus den abgedämmten Schächten, in denen sich die furchtbare Katastrophe ereignet hat, lauten günstig. Es ist die baldige Wiedereröffnung der Gruben zu erwarten. Der Grubenbrand ist allem Anscheine nach bereits erloschen. Eine Commission, bestehend aus Ober- Ingenieur Brzezovslu, Dr. Fillunger und den Bergräthen Mayer und Horovslu, beschloss unter Vorsitz des Reuier- Vergamtsvorstandes Dr. Riel vorerst die seit dem Stillstand im untersten Horizonte angesammelten Wassermengen zu heben. Der Minister des Innern, Marquis Nacquehem, weilt noch in Karwin und nimmt an den Arbeiten regsten Antheil. — (Cncyklila.) Wie das «Vaterland» meldet, ist die letzthin angekündigte Encyllila des heil. Vaters er- schienen, obwohl nicht, wie sonst, unter dem Namen «i^i^tola «no^cli^»,», sondern «^nutolu, ^io.iwli«^». Das ziemlich umfangreiche Schriftstück ist an «alle Fürsten und Völker» gerichtet, folglich auch an die nichtlatholischen, und spricht daher auch weder in der Adresse noch am Schlüsse die Erlheilung des apostolischen Segens aus, der als ein kirchliches Gnadenmittel nur den Mitgliedern der Kirche zutheil wird. Der Inhalt des päpstlichen Schreibens entspricht im ganzen den bisher darüber Verlautbarten Angaben. — (Aus Kiel) vom 25. Juni: Vormittags um 11 Uhr fand ein Festgotlesdienst statt. Hierauf hielt der Kaiser eine Ansprache an die Marinetruvpen, in welcher er den Eintritt des Prinzen Adalbert in die Marine als einen symbolischen Act bezeichnete und darauf hinwies, dass der Monat seines Eintrittes von eminenter Beden- tung für die vaterländische Geschichte sei, indem er an die Schlachten bei Hohenfriedberg und bei Waterloo und an den Tod des Kaisers Friedrich erinnerte, Ereignisse, die alle in diesem Monate stattfanden. Eontre-Udmiral Uschenborn dankte für die der Marine'erwiesene Auszeichnung. Prinz Adalbert nahm an dem hieraus folgenden Parade- märsche theil. — (Gedenktafel.) Im Mirabell-Garten z« Salzburg wurde, wie die «Salzburg« Zeitung» meldet, am 21. d. M. die von der Gemeinde gewidmete, neben der Monumental-Sliege angebrachte Gedenktafel enthüllt- Dieselbe, aus rothem Marmor hergestellt, enthält folgende Inschrift: «Zur danlbareu Erinnerung an die von Seiner k. und l. Apostolischen Majestät Kaiser Franz Josef I- aus Anlass der fünfzigjährigen Gedächtnisfeier der Wieder- vereinigung des herzogthums Salzburg mit der Krone Oesterreichs huldvollst gewahrte unentgeltliche Ueberlassung des Mirabell-Gartens und der Wälle und Gründe zwische" dem bestandenen Mirabell- und dem Linzer-Thore an b»e Stadtgemeinde Salzburg.» — (Das Grubenunglück in P ontyprldd) Die Anzahl der in der Kohlengrube «Albion» Ver' schütteten wird auf 251 geschätzt. Bisher wurden 1" Todte aufgefunden. In Japan werden die Frauen ebenfalls gekauft und die Unterhandlungen durch die Verwandten geführt. Nm Hochzeitstage begibt sich die Braut unter Musik zu dtin Tempel des Fo, wo sie den Bräutigam er« wartet und dann mit ihm vor dem Götzenbilde von dem Bonzen eingesegnet wird. Hierauf begeben sich die Neuvermählten in das reich geschmückte Haus des jungen Ehemannes, wo die Hochzeitsfestlichkelten statt- ftnden, die zuweilen sieben bis acht Tage dauern. Bei den Parsen spricht der Unterpriester (Mohed) bei der Verlobung drei Gebete vor dem Brautpaare und deren Eltern, worauf niemand mehr das Recht hat, das Paar zu trennen. Der Heirat gehen einige Tage Schmausereien vorher, zu welchen namentlich d,e Kinder der Verwandten und Freunde eingeladen werden. Am Hochzeitstage selbst, um 5 Uhr abends, spricht der Priester, zwischen Schüsseln mit Reis und Früchte» stehend, den feierlichen Segen über das vor ihm sitzende Ehepaar, welchen er um Mitternacht im Hause des Bräutigams wiederholt. Nachher durchzieht der Bräu- tlgam zu Pferde und die Braut in einem vergitterten Wagen die Stadt. Der erstere wird von seinen Freunden, die letztere von ihren Gespielinnen auf Palanlins be« gleitet. Unzählige Fackeln werden nebenher aetraaen und rauschende Musik und das Abbrennen von Ra- keten. Schwärmein u. s. w. geben der allgemeinen Freude Ausdruck. Der Zug begibt sich endlich nach dem Vause der Braut, woselbst er sich auflöst, während das Brautpaar seme Wohnung aufsucht. Am nächsten Tage schicken die jungen Eheleute den Festtheilnehmern kleine Geschenke, welche bekanntlich nicht allein in Japan sondern auch in anderen Ländern «die Freund- schaft erhalten». Elternlos. Roman von F. Minck. '(18. Fortsetzung.) «So war es,» bestätigte Beerendorff. «Und was war dagegen ich? Ein Nichts! Es war ein furchtbarer Schlag, der mich gleichsam zu Boden streckte. Die An- klage, die man gegen mich erhob, war eine vernichtende. Dieselbe machte mir auch meine Packträgerdienste, die ich um der Mutter willen verrichtet hatte, zum Vor- wurf. Durch dieselben sei ich verkommen, hieß es. Das Ende war, dass man mich, trotz mangelnder Schuld- beweise, wegen Betruges verurtheilte .... Meine Ver- urteilung hatte unmittelbar den Tod meiner Mutter zur Folge und außerdem einen Angriff auf meine Schwester, der man einen leichtfertigen Lebenswandel zum Vorwurf zu machen suchte. Dem Himmel sei Dank! Hier musste der Pfeil der Verleumdung ab« prallen, wenngleich die Aermste verschiedene Verhöre zu bestehen hatte, die sie nahezu zur Verzweiflung brachten. — Nach dem Begräbnis der Mutter ver- ließen wir Geschwister den Ort, wo wir soviel zu leiden gehabt hatten. Meine Gesundheit war durch die kurze Haft vollständig erschüttert, mein Lebensmuth gebrochen. Die Schande drückte mich zu Boden, und ohne den Beistand meiner Schwester würde ich ihr er- legen sein. Sie richtete den verlorenen Glauben 6n eine Gerechtigkeit wieder in mir auf; ihren Vorstellungen danke ich den mannhaften Entschluss, mit Energie die Schmach abzuschütteln und durch mein ferneres Leben zu beweisen, dass man mir ein schweres Unrecht zu- gefügt habe. — Wir kamen Hieher, wo Hedwig in ein Geschäft eintrat. Ich selbst ging zuerst nach der Schweiz und später nach Frankreich. Dort erhielt ich die Nach- richt, dass die Schwester die Gattin Franz Vohwinkels geworden sei. Die Nachricht erfüllte mich mit hohel Freude; ich wusste nicht, wie so bald sich dieselbe w tiefen Kummer verwandeln follte. Selbst als ihre Vuese seltener kamen und schon eine unsagbare GedrückM dieselben durchwehte, hatte ich noch immer keine AhnuW von der Härte des Schicksals, das sie mit dem, wa» ich als ihr Glück pries, betroffen hatte. Im Herbst d^ Jahres 1882 kam ich, wie ich Ihnen schon sH zuletzt nach hier, um Hedwig und ihr Kind zu sehen. «".. ich meine Schwester traf, wissen auch Sie, wenn '. Ihnen nur gelegentlich zu Gesicht gekommen ist. .^ erkannte sie kaum wieder. Aber nicht nur, dass H Schiwheit verblüht und sie eine blasse und lrä'ttl l°) Frau geworden war, mehr schmerzte mich die gewaltlg" Veränderung, die in ihrem ganzen Charakter sich ^^ zogen hatte. Denn diese Veränderung sagte nnr ntty als Worte, welch ein unheilbarer Riss durch ihr ^ gegangen sein musste. Es darf Sie kaum befrenM » Herr Commerzienrath, dafs ich in Franz VohwU" den schuldigen Theil erblickte und für meine Sch^'l Partei ergriff, wenngleich dieselbe anch nicht ein "5 , über ihren Gatten äußerte, das einen Schatten seine Person hätte werfen können. Nur durch "N einzigen Wunsch, durch ein einziges Verlangen ließ ^ mich einen Blick in das tiefe Leid werfen, dem > zum Opfer gefallen war. «Wenn ich gestorben v ' Karl,» sprach sie bei unserm letzten Beisammensein "^ mir, «dann erbarme dich Hanna's. Ihr Vater u sein Kind nicht, für ihre Verwandten ist sie n«r Stein des Anstoßes. Darum lass nicht zu, dass Ha",H unter diese Menschen kommt, — sondern nimm d" " " ihrer an meiner Stelle an!» ... Ich habe diese ^ nie vergessen; sie haben mich begleitet, nun ich g"^ fertigt heimkehren durfte!»