Prejeto / received: 5. 3. 2017. Odobreno / accepted: 6. 4. 2017 DOI: 10.3986/dmd13.1-2.04 PARALLELVERTONUNGEN IN GIOVANNI BATTISTA BONOMETTIS SAMMLUNG PARNASSUS MUSICUS FERDINANDAEUS JOACHIM STEINHEUER Ruprecht Karls-Universität Heidelberg Izvleček: Zbirka Parnassus musicus Ferdinan-daeus odslikava nabor repertoarja malih mo-tetov v severni Italiji in habsburških deželah okoli leta 1615. Primerjava treh parov skladb na enaka besedila, ki so jih prispevali Gabussi in Priuli, Pellegrini in Valentini ter Nantermi in Monteverdi, razkriva nenavadno bogastvo različnih skladateljskih pristopov. Ključne besede: Giulio Cesare Gabussi, Claudio Monteverdi, Orazio Nantermi, Parnassus musicus Ferdinandaeus, Vincenzo Pellegrini, Giovanni Priuli, Giovanni Valentini. Abstract: The collection Parnassus Musicus Ferdinandaeus constitutes a snapshot of the small-scale motet repertoire in northern Italy and the Habsburg lands around 1615. A comparison of three pairs of compositions on the same text respectively by Gabussi and Priuli, Pellegrini and Valentini, and Nantermi and Monteverdi reveals an unusual variety of compositional approaches. Keywords: Giulio Cesare Gabussi, Claudio Monteverdi, Orazio Nantermi, Parnassus Musicus Ferdinandaeus, Vincenzo Pellegrini, Giovanni Priuli, Giovanni Valentini. Obwohl seit der Drucklegung von Lodovico Viadanas Cento concerti ecclesiastici für ein bis vier Singstimmen und Basso continuo op. 12 im Jahre 1602 in Italien in rascher Folge eine größere Zahl an Einzeldrucken mit Werken eines einzelnen Komponisten mit einstimmigen bzw. geringstimmig besetzten Motetten sowie einer instrumentalen Bassstimme erschien, blieb in diesen ersten Jahren die Veröffentlichung von Sammeldrucken mit Beiträgen unterschiedlicher Autoren zu diesem neuen Repertoire zunächst eher noch eine Seltenheit. Den Anfang machten zwei in Mailand erschienene Sammlungen, die mehrfach nachgedruckten Concerti de diversi eccell. autori, a due, tre, et quattro voci aus dem Jahre 1608,1 die von Francesco Lucino herausgegeben wurden und 40 Kompositionen von 11 in Mailand tätigen Komponisten enthielten (RISM 160813), sowie als Ergänzung die 1612 erschienene Aggiunta nuova delli concerti de diversi eccell. autori, die diesmal von Filippo Lomazzo, dem Drucker beider Sammlungen, zusammengestellt wurde und insgesamt 14 Stücke von 5 Mailänder Komponisten aufwies (RISM 16129); einige Jahre später folgte dann 1617 sogar noch eine Seconda aggiunta alli concerti raccolti dal molto 1 Nachdrucke erschienen 16128 und 16169 ebenfalls in Mailand. 87 De musica disserenda XIII/1-2 • 2017 Reverendo Don Francesco Lucino, ebenfalls für zwei bis vier Stimmen (RISM 16172). Als chronologisch gesehen dritter Sammeldruck mit geringstimmigem Motettenrepertoire erschien dann 1615 in Venedig der Parnassus musicus Ferdinandaeus mit 57 Werken von 32 namentlich aufgeführten Komponisten (zwei der Stücke sind ohne Nennung eines Komponisten aufgenommen), der bereits im Titel auf den Widmungsträger Erzherzog Ferdinand von Innerösterreich verweist, den späteren Kaiser Ferdinand II., und damit auch auf seine von Italienern dominierte Grazer Hofkapelle.2 In den folgenden Jahren erblickten mehrere weitere Sammeldrucke mit geringstimmigen Motetten das Licht der Öffentlichkeit: 21 römische Komponisten mit 27 Werken stellte Fabio Costantini in den Selectae cantiones excellentissimorum auctorum von 1616 (RISM 16161) zusammen, Giovanni Battista Robletti folgte 1621 mit der 14 Stücke von 10 gleichfalls römischen Komponisten umfassenden Raccolta de varii concerti musicali a una e due voci. De diversi eccellentissimi autori (RISM 162116) und im gleichen Jahr nochmals mit den Lilia campi für zwei bis vier Stimmen (RISM 16213) von 13 römischen Komponisten. Musiker aus dem Umfeld der Mantuaner Hofkapelle vereinigte dagegen die von Federico Malgarini herausgegebene SammlungMotetti a una, due, tre et quattro voci aus dem Jahre 1618 (RISM 16184),3 während Komponisten aus Venedig und dem nordöstlichen Italien im Vordergrund von Lorenzo Calvis Symbolae diversorum musi-corum für zwei bis fünf Stimmen von 1620 (RISM 16202) und seiner Seconda raccolta de' sacri canti für zwei bis vier Stimmen standen (RISM 16242). Gegenüber diesen, primär auf ein bestimmtes lokales oder regionales Zentrum bezogenen Sammlungen enthielten die beiden umfangreichen, von Georg Victorinus in München herausgegebenen Drucke Siren coelestis (RISM 16162, Nachdruck 16233) und Philomela coelestis (RISM 16241), in denen insgesamt 200 Kompositionen von zahlreichen deutschen und italienischen Komponisten aus unterschiedlichen Kontexten nebeneinander stehen,4 ein Repertoire weit heterogenerer Herkunft. Dies gilt ebenso für die drei noch weitaus umfangreicheren, von Johann Donfried in Straßburg herausgegebenen Sammlungen Promptuarii musici concentus ecclesiasticos (RISM 16222, 16232 und 16271) zu zwei bis vier Stimmen, die insgesamt die erstaunliche Zahl von 892 Kompositionen aus der Feder von 127 verschiedenen Komponisten enthalten.5 Auch wenn Bonomettis Parnassus musicus Ferdinandaeus mit 57 Motetten von 32 Komponisten weit weniger monumental ausfällt als die zuletzt erwähnten Sammlungen von Victorinus und Donfrid, so handelt es sich doch um ein Werk, das besondere Beachtung verdient, kann es doch aus einer Reihe von Gründen als eine frühe, schlaglichtartige Momentaufnahme des rasch sich wandelnden geringstimmig besetzten lateinischen 2 Unlängst erschien eine vollständige Edition der Sammlung, auf die sich auch die folgenden Ausführungen beziehen in Antonicek, Parnassus musicus Ferdinandeus. 3 Eine moderne Edition der Sammlung wurde kürzlich von Licia Mari herausgegeben, vgl. Mari, Motetti. 4 Vgl. Fisher, „Celestial Sirens and Nightingales". 5 Vgl. hierzu ibid., Absatz 2.4. 88 Joachim Steinheuer: Parallelvertonungen in Giovanni Battista BonomettisSammlung Parnassus musicusFerdinandaeus Motettenrepertoires in Norditalien und benachbarten Regionen zur Zeit seines Erscheinens 1615 angesehen werden: Anders als bei Donfried und Victorinus, die bei ihren Kompilationen auf Stücke aus zahlreichen früheren Drucken zurückgriffen, scheint es sich bei den Kompositionen in Bonomettis Sammlung weitestgehend um Erstveröffentlichungen zu handeln,6 die auf Grund der erst wenige Jahr zuvor neu entstandenen musikalischen Faktur zudem neueren oder neuesten Entstehungsdatums gewesen sein müssen. Selbst im Falle des Duetts für zwei Altstimmen O Crux benedicta, der einzigen aufgenommenen Komposition des bereits 1611 verstorbenen Giulio Cesare Gabussi, muss es sich auf Grund der Besetzung um ein spätes Werk des langjährigen Mailänder Domkapellmeisters gehandelt haben,7 alle anderen in der Sammlung vertretenen Komponisten lebten wohl zum Zeitpunkt der Veröffentlichung noch. Der Parnassus enthält Stücke für eine bis zu fünf Stimmen und Basso continuo, doch sogar das einzige Stück für eine anscheinend traditionell fünfstimmige Besetzung (CCATB), Vincenzo Pellegrini's Non turbetur cor vestrum am Ende des Bandes, wird durch ein die gesamte erste Sektion umfassendes Tenorsolo eröffnet (Takte 1-14), bevor der erste vollstimmige Abschnitt mit Wechsel zum tempus perfectum anschließt, und auch im weiteren Verlauf alternieren ein- und zweistimmige Abschnitte mit Tuttipassagen. Insofern kann das Stück keinesfalls mehr als eine polyphone Motette alter Faktur verstanden werden, sondern vielmehr als moderner motetto concertato mit unterschiedlich besetzten Abschnitten.8 Den weitaus größten Teil der Sammlung machen gegenüber dieser vereinzelten fünfstimmigen Vertonung 8 Solostücke für Sopran, Alt, Tenor und Bass sowie 23 Duette, 10 Trios und 15 Quartette für vielfältige vokale, vereinzelt auch vokal-instrumentale Besetzungen aus. Die im Parnassus vertretenen Komponisten gehören vom Lebensalter her mehreren Generationen an, die ältesten unter ihnen wie Orazio Nantermi, Gabussi und Giovanni Cavaccio wurden bereits in den 1550er Jahre geboren (Cavaccio war bei Drucklegung des Parnassus fast 60 Jahre alt), zu den jüngsten zählte dagegen Francesco Turini, der wohl 1589 in Prag zur Welt kam und somit zum Zeitpunkt der Veröffentlichung kaum älter als 25 Jahre war. Auf Grund der unterschiedlichen Generationenzugehörigkeit dürften auch die kompositorische Ausbildung sowie die Erfahrungen im jeweiligen musikalischen Umfeld im Einzelfall recht unterschiedlich gewesen sein, nicht zuletzt vor dem Hintergrund des tiefgreifenden musikalischen Wandels, der sich in den letzten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts vollzog und gleichermaßen strukturelle wie expressive kompositorische Mittel betraf, so etwa die Fundierung des Satzes auf einer fortlaufenden instrumentalen Bassstimme, das dadurch geänderte Verhältnis der Stimmen im Satz zueinander, Dialog- und Concertato-Techniken9 und damit zusammenhängende gezielt kontrastierende Abschnittsbildungen, 6 Fünf der hier versammelten Stücke finden sich auch im Manuskript L 76 aus Kremsmünster, allerdings ist die Vermutung von Rudolf Flotzinger, Druck wie Manuskript könnten sich gleichermaßen auf ältere Quellen zurückbeziehen, bislang bloße Spekulation, da keine konkreten Quellen hierfür bekannt sind; vgl. hierzu das Vorwort zur Neuausgabe des Parnassus. Antonicek, Parnassus musicus Ferdinandeus, XIV. 7 Eine frühere Veröffentlichung ist nicht nachweisbar. 8 Antonicek, Parnassus musicus Ferdinandeus, 282-291. 9 Zwei Kompositionen der Sammlung sind gezielt als Dialoge angelegt, Giacomo Brignolis 89 De musica disserenda XIII/1-2 • 2017 unterschiedliche Versuche zur musikalisch-formalen Vereinheitlichung10 sowie vielfältige deklamatorische und harmonisch-expressive Experimente. Den dritten wichtigen Aspekt der Sammlung bildet schließlich die breite geographische Streuung der darin vertretenen Komponisten, nicht nur was deren jeweilige Anstellungen um das Jahr 1615 angeht, sondern auch die z.T. vielfältigen Verbindungen zu anderen musikalischen Institutionen und Zentren. Neben dem Kompilator der Sammlung, dem 1613 vom Mailänder Dom nach Graz gekommenen Tenoristen Giovanni Battista Bonometti, der offenbar keine eigene Komposition beisteuerte,11 sind insgesamt neun weitere von den Grazer Hofkapellisten und -instrumentisten im Dienste Erzherzog Ferdinands in der Sammlung vertreten: Neben Kapellmeister Giovanni Priuli auch die drei Organisten Giovanni Valentini, Alessandro Bontempo und Alessandro Tadei, die Sänger Michel Angelo Rizzio und Bartolomeo de Mutis, Graf von Cesana, sowie die drei Instrumentalisten Georg Poss, Raimundo Ballestra und Giovanni Sansoni. Federhofer vermutet, dass zudem der in Litauen tätige Giovanni Battista Cocciola ein Verwandter des Grazer Sopranisten Giovanni Andrea Cocciola gewesen sein könnte,12 der somit vielleicht zumindest indirekt ebenfalls mit der Grazer Hofkapelle in Verbindung stand. Von gleicher Größe und Bedeutung für die Sammlung ist die Zahl in Mailand tätiger Komponisten: Neben dem früheren Domkapellmeister Gabussi und seinem seit Anfang 1613 amtierenden Nachfolger Vincenzo Pellegrini (zwei Stücke von ihm eröffnen und beschließen die Sammlung), den beiden Domorganisten Cesare Borgo und Guglielmo Arnone, einem Schüler Claudio Merulos, sowie dem gleichfalls am Dom angestellten Tenoristen Flaminio Comanedo sind fünf weitere, an verschiedenen anderen Mailänder Kirchen tätige Organisten und Komponisten im Parnassus vertreten: Jacomo Filippo Biumi, Francesco Casati, Andrea Cima, Orazio Nantermi sowie Giovanni Domenico Rognoni-Taeggio. In den Mailänder Umkreis gehört zudem der Franziskanermönch Giovanni Ghizzolo, der dort einen Großteil seiner früheren Werke veröffentlichte; allerdings stand er in den Jahren 1613-1615 als Kapellmeister in Diensten des Prinzen von Correggio und war insofern vermutlich nicht mehr unmittelbar in Mailand tätig. In der Lombardei und damit politisch gesehen im direkten Mailänder Einflussbereich wirkten darüber hinaus Galeazzo Sirena und Niccolo Corradini, die als Kapellmeister bzw. Organist an der Kathedrale in Cremona tätig waren, Giulio Osculati, Kapellmeister an der Chiesa dell'Incoronata in Lodi, sowie Benedetto Re, Domorganist in Pavia. Vergleichsweise gering fällt dagegen auf den ersten Blick die Präsenz von venezianischen Komponisten im Parnassus aus: Neben dem erst seit kurzem ernannten Markuskapellmeister Claudio Monteverdi sind hier zunächst nur noch der in jenen Jahren offenbar ohne feste Anstellung in Venedig tätige Bartolomeo Barbarino sowie Francesco dreistimmiges Ave, gratia plena (ibid., 139-144) sowie Giovanni Valentinis O Maria quid ploras ad monumentum (ibid., 27-33). 10 So ist besitzt etwa Raimundo Ballestras vierstimmige Motette Salve aeterni durch instrumentale Ritornelle eine sehr klare Architektur und verwendet zudem passagenweise das Ruggieromodell bzw. Varianten davon, in der Edition des Parnassus. Ibid., 250-258. 11 Es sei denn, Bonometti habe seine Identität selbst gezielt hinter der Anonymität zweier Stücke in der Sammlung verborgen. 12 Federhofer, Musikpflege, 159. 90 Joachim Steinheuer: Parallelvertonungen in Giovanni Battista BonomettisSammlung Parnassus musicusFerdinandaeus Turini zu nennen, der sich nach seiner Rückkehr nach Italien 1612 vermutlich zunächst nach Padua und Venedig gewandt hatte. Monteverdi ist mit einem Duett, Barbarino und Turini sind ebenfalls jeweils nur einmal mit einer einstimmigen Motette vertreten. Allerdings ist zu bedenken, dass mehrere Komponisten der Grazer Kapelle ebenfalls einen eindeutig venezianischen Hintergrund hatten - insbesondere Giovanni Priuli, der mehrere Jahre selbst an San Marco gewirkt hatte, Giovanni Valentini, der in der Lagunenstadt seine Ausbildung erhalten hatte, und vermutlich auch Giovanni Sansoni.13 Erzherzog Ferdinand hatte zudem den jungen Alessandro Tadei für zweieinhalb Jahre zu Giovanni Gabrieli und auch Georg Poss für drei Jahre zur Ausbildung nach Venedig geschickt, vielleicht ebenso Raimundo Ballestra.14 Bereits dies legt den Schluss nahe, dass gerade venezianische Musikkultur von größter Bedeutung für die musikalische und kompositorische Praxis am Grazer Hof gewesen sein dürfte.15 Bedeutsam ist darüber hinaus, dass mehrere der in der Sammlung vertretenen Komponisten selbst an anderen habsburgischen oder an eng mit den Habsburgern verbündeten Höfen gearbeitet hatten: Francesco Turini war am Kaiserhof Rudolfs II. in Prag aufgewachsen und von diesem zur weiteren musikalischen Ausbildung nach Rom und Venedig geschickt worden. Giulio Cesare Gabussi wie auch Giulio Osculati und Giovanni Valentini waren Mitglied der Hofkapelle des polnischen Königs Zygmunt III. in Warschau gewesen, die beiden letztegenannten sogar für mehrere Jahre;16 Giovanni Battista Cocciola stand dagegen als Musikdirektor in Diensten des seit 1609 eng mit dem polnischen König verbündeten litauischen Kanzlers und Magnaten Lew Sapieha.17 Mit zahlreichen Höfen in ganz Europa besaßen die Habsburger enge dynastische Verbindungen, insofern waren auch der Wechsel von Musikern zwischen den Kapellen bzw. Kontakte zwischen Musikern unterschiedlicher Kapellen keine Seltenheit, so kam etwa Valentini direkt von einer Anstellung in Polen nach Graz. Um nur wenige Beispiele für jene vielfältigen dynastischen Verflechtungen aus dem unmittelbaren Umfeld von Erzherzog Ferdinand zu nennen: Ferdinand selbst war zur Zeit des Erscheinens des Parnassus mit der Wittelsbacher Prinzessin Anna Maria von Bayern verheiratet, Ferdinands Schwestern Anna und später dann auch die 15 Jahre jüngere Konstanze wurden durch Heirat mit Zymund III. polnische Königinnen, seine Schwester Margarethe hatte 1599 König Philipp III. von Spanien geehelicht und eine weitere Schwester Ferdinands, Maria Magdalena von Österreich, war seit 1608 mit dem Großherzog der Toskana vermählt und fungierte nach dem Tod Cosimos II. dort für mehrere Jahre als Regentin. Über diese engen 13 Ibid., 209; vgl. zu Sansoni auch der Beitrag von Herbert Seifert in diesem Band. 14 Federhofer, Musikpflege, 217, 195 und 145. 15 Ob die drei weiteren in der Sammlung namentlich genannten Komponisten ebenfalls den hier beschriebenen regionalen Kontexten zuzurechnen sein könnten, ist bislang ungeklärt: Über den mit einem Duett und einem Quartett repräsentierten Federico Coda sowie über Giovanni Pasti (wohl kaum identisch mit dem erst 1604 geborenen Giovanni Pasta) ist über die im Parnassus abgedruckten Stücke hinaus nichts bekannt. Von Giacomo Brignoli lassen sich zumindest zwei weitere Instrumentalstücke im Straßburger Tabulatur Buch (RISM 160729) nachweisen, doch sind auch über ihn ansonsten keinerlei biografische Daten verfügbar. 16 Vgl. hierzu den Beitrag von Barbara Przybyszewska-Jarminska in diesem Band. 17 Vgl. hierzu den Beitrag von Aleksandra Patalas in diesem Band. 91 De musica disserenda XIII/1-2 • 2017 verwandtschaftlichen und damit zugleich politischen Bande hinaus sind zweifelsohne auch vielfältige kulturelle Kontakte und Austauschprozesse anzunehmen, auch wenn diese nur partiell etwa durch Briefe, Reisen, Widmungen von Drucken oder auch den dokumentierten Austausch von Musikern heute dokumentierbar sind. Zur unmittelbaren habsburgischen Sphäre gehörten über den spanischen Zweig der Familie auf italienischem Gebiet neben Neapel und Sizilien auch Mailand und die Lombardei, so dass die Sammlung des Parnassus musicus Ferdinandaeus nicht zuletzt auch als Manifestation jenes vielfältigen und komplexen, europaweiten politisch-kulturellen Netzwerks der Habsburger mit dem späteren Kaisers Ferdinand II. im Zentrum verstanden werden kann. Um vor diesem Hintergrund das kompositorische Spektrum und den Stellenwert der Sammlung für die Entwicklung des noch relativ jungen Repertoires geringstimmig besetzter Motetten einordnen zu können, sollen im Folgenden exemplarisch jene Kompositionen aus dem Parnassus untersucht werden, denen der gleiche Text zugrundegelegt wurde, da dadurch ein direkter Vergleich kompositorischer Entscheidungen und Strategien verschiedener Komponisten im Umgang mit einer bestimmten Textvorlage ermöglicht wird. Es gibt insgesamt drei Texte, die innerhalb der Sammlung in zwei musikalischen Umsetzungen vorliegen, es sind dies O crux benedicta in einer zweistimmigen Fassung von Giulio Cesare Gabussi und einer vierstimmigen Version von Giovanni Priuli, Vulnerasti cor meum in einer zweistimmigen Vertonung von Vincenzo Pellegrini sowie einer dreistimmigen Umsetzung von Giovanni Valentini und schließlich Cantate Domino in einer vierstimmigen Fassung von Orazio Nantermi sowie einer zweistimmigen von Claudio Monteverdi. In jedem Fall der drei von der Art der Textvorlagen her sehr unterschiedlichen Parallelvertonungen sind von den Komponisten unterschiedlich große Besetzungen mit verschiedenen Stimmlagen gewählt, zudem ergibt sich vermutlich eher zufällig auch jeweils ein Vergleich zwischen einer Vertonung aus Mailand und einer aus Venedig bzw. Graz, so dass auch eventuell vorhandene lokal bzw. regional unterschiedliche stilistische Ansätze zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Bandes im direkten Vergleich hervortreten könnten. O crux benedicta in Vertonungen von Giulio Cesare Gabussi und Giovanni Priuli Der Text von O crux benedicta ist aus mehreren Textvorlagen zusammengestellt, einer Antiphon für die Vesper am Fest der Sieben Schmerzen Mariens (Festum Septem Dolorum B. M. V. in Vesperis)18 sowie dem Alleluja am Fest der Auffindung und Erhöhung des Heiligen Kreuzes (Festum Inventionem Sanctae Crucis in I. Vesperis).19 Die Worte „Dulce lignum, dulce claves" verweisen zudem auf den zweiten Refrainabschnitt, der 18 Im heutigen liturgischen Kalender am 15. September, jahrhundertelang aber am Freitag vor dem Passionssonntag; der Text der Antiphon lautet: „O crux benedicta! quae sola fuisti digna portare Regem caelorum et Dominum. Alleluja" (Liber Usualis, 1631f). 19 Im heutigen liturgischen Kalender am 14. September; der Text des Alleluja lautet: "Alleluja. Dulce lignum, dulces clavos / Dulcia ferens pondera / Quae sola fuistis digna sustinere / Regem coelorum et Dominum". 92 Joachim Steinheuer: Parallelvertonungen in Giovanni Battista BonomettisSammlung Parnassus musicusFerdinandaeus am Karfreitag in den Improperien zwischen den Strophen des Kreuzhymnus Pange lingua gloriosi gesungen wird und auf die achte Strophe der frühesten Version dieses Hymnus bei Venantius Fortunatus zurückgeht.20 Die mit geringfügigen Varianten in beiden Versionen im Parnassus zugrunde gelegte Textkompilation ist schon mehrfach zuvor in mehrstimmigen Vertonungen nachweisbar, weitgehend übereinstimmend vor allem bei Cipriano de Rore;21 mehrere, z.T. eng verwandte Textvarianten mit verkürztem Text oder dem Textanfang „O crux splendidior" finden sich u.a. bei Andrea Gabrieli,22 Orlando di Lasso,23 Claudio Merulo,24 Luca Marenzio25 und Carlo Gesualdo,26 die letzten vier Textzeilen wurden auch von Stefano Bernardi vertont.27 Hier der Text im Wortlaut, wie er sich bei Priuli und Gabussi findet: O crux benedicta quae sola fuisti digna portare talentum mundi. Dulce lignum, dulces clavos, dulcia ferens pondera, super omnia ligna cedrorum, tu sola excelsior, in qua vita mundi salus pependit, in qua Christus triumphavit, et mors mortem superavit in aeternum. O gesegnetes Kreuz, du allein bist würdig gewesen, das Gewicht der Welt zu tragen. Süßes Holz, süße Nägel, ihr tragt süße Last. Über alle Zedernhölzer bist du allein erhaben. An dir hat gehangen das Leben der Welt, an dir hat Christus triumphiert, und der Tod den Tod überwunden in Ewigkeit. Gabussi wählte für seine Vertonung eine Besetzung für zwei Altstimmen in C3-Schlüsselung mit instrumentalem Generalbass.28 Auf sehr geschickte Art und Weise adaptiert er darin ältere polyphone Kompositionstechniken an die Erfordernisse der gewählten geringstimmigen Besetzung. Über weite Strecken ist der Satz nicht als ein moderner Triosatz gedacht, worin der Basso für die beiden Oberstimmen primär ein harmonisches Gerüst bildet, sondern ganz kontrapunktisch mit dem Basso als zweiter bzw. dritter gleichberechtigter Stimme neben den Vokalstimmen. Schon beim eröffnenden Abschnitt „O crux benedicta" (Takte 1-15), bei dem die beiden Altstimmen im Wechsel zweimal bis auf die Schlussnote exakt die gleiche Melodie mit einem ersten ausgedehnten Melisma auf der ersten Silbe von „benedicta" singen, wird dies deutlich. Die Continuostimme verläuft gemäß den Regeln des klassischen Kontrapunkts bis auf eine einzige Stelle immer in Gegenbewegung zu den Singstimmen, dabei umfasst in beiden Textdurchgängen der Basso jeweils sechs Noten. Dies entspricht exakt der Anzahl der vertonten Textsilben, und in der Tat ließe sich prinzipiell der Bassstimme, so wie sie notiert ist, zweimal der Text unterlegen und es 20 Dort heißt die entsprechende Passage: „Crux fidelis, inter omnes arbor una nobilis, / Nulla talem silva profert flore, fronde, germine, / Dulce lignum dulce clavo dulce pondus sustinens." 21 Für eine tiefe vierstimmige Besetzung TTTB in den Motetta D. Cipriani de Rore et aliorum auctorum quatuor vocum parium, erschienen 1563 bei G. Scotto in Venedig. 22 Version zu acht Stimmen in den Concerti di Andrea et di Gio. Gabrieli, libro primo (Venedig, 1587). 23 Version zu sechs Stimmen in Lassos Selectissimae cantiones (Nürnberg, 1568). 24 Version zu fünf Stimmen in Merulos Liber secundus sacrarum cantionum (Venedig, 1578). 25 Version zu vier Stimmen in Marenzios Liber motectorumpro festis totius anni (Rom, 1585). 26 Version zu fünf Stimmen in Gesualdos Sacrarum Cantionum Liber Primus (Neapel, 1603). 27 Veröffentlicht in dessen Motetti in Cantilena a quattro voci 1613 in Venedig. 28 Antonicek, Parnassus musicus Ferdinandeus, 98-101. 93 De musica disserenda XIII/1-2 • 2017 entstünde damit prinzipiell eine sinnvoll singbare dritte Stimme; eleganter wäre es noch, die dritte und vierte Note im Basso als kleines Melisma der ersten Silbe von „benedicta" zuzuordnen und dafür im Gegenzug das c als Abschluss der ersten Kadenz in Takt 9 in zwei halbe Noten aufzuspalten. Anders als in vielen anderen zeitgenössischen Duetten, bei denen meist bei einer wörtlichen Wiederholung der Vokalstimme auch der Basso gleich erklingt, ist hier die Continuostimme im zweiten Durchgang anfangs abgeändert, was zunächst auch eine leicht veränderte Harmonisierung mit sich führt. Dies hängt vor allem damit zusammen, dass der Alto secondo bereits vor Abschluss des ersten Durchgangs auf der vorletzten Textsilbe und damit noch innerhalb der Kadenzwendung einsetzt. Während Alto primo mit einer Tenorklausel und der Basso mit einer Bassklausel die Phrase mit einer gemeinsamen Kadenz nach C abschließen, führt der melodische Terzfall der Mittelstimme zur Terz dieses C-Dur-Klangs und verringert dadurch den Grad der abschließenden Wirkung der beiden Klauseln in den anderen Stimmen - ein seit Jahrhunderten gebräuchliches Verfahren zur Vermeidung perfekter Schlüsse und zur Gewährleistung eines kontinuierlich fließenden polyphonen Satzes. Es ist auffällig, dass die einzige melodische Änderung beim zweiten Textdurchgang darin besteht, dass der Alto secondo am Ende nicht wie der Alto primo mit einer Tenorklausel zum Akkordgrundton c Beispiel 1 Giulio Cesare Gabussi, O crux benedicta [O cni\ be R (ti