37 Saša Kralj* Janja Polajnar** Universität Ljubljana THEMENDYNAMIKEN DIGITALER DISKURSE – EINE KONTRASTIVE DISKURSLINGUISTISCHE ANALYSE SLOWENISCH- UND DEUTSCHSPRACHIGER KOMMENTAR- FOREN ZUM ABTREIBUNGSGESETZ IN POLEN 1 EINLEITUNG Im Jahr 2020 konnte sich kaum ein gesamtgesellschaftlich relevantes Thema gegen den global allgegenwärtigen Diskurs zur Corona-Pandemie durchsetzen. Darauf verweist die cOWIDplus Analyse am IDS, die eine Verengung der behandelten Themen in deut- schen Online-Zeitungen feststellt (vgl. Müller-Spitzer et al. 2020: 14–19). Im Oktober 2020 kommt es aber in Polen zur Verschärfung des bereits sehr strengen Abtreibungs- gesetzes. Das neue polnische Gesetz, das keine Schwangerschaftsabbrüche im Falle einer schweren Fehlbildung des Fötus erlaubt, löst in Polen viele Proteste aus und wird trotz der Pandemie über die Landes- und Sprachgrenzen hinaus viel diskutiert. Beide Diskurse zeigen nachdrücklich, „dass Diskurse weder kulturell, noch hinsichtlich der Akteure und Akteurinnen, noch in Bezug auf Themen einzelsprachliche Phänomene sind“ (Gredel et al. 2018: 1; Arendt/Dreesen 2015). Im Beitrag werden wir uns dem sprachenübergreifenden Diskurs um das verschärf- te Abtreibungsgesetz in Polen anhand der Themenanalyse relevanter Kommentarforen unter Artikeln in slowenischen und deutschsprachigen Online-Zeitungen diskurslin- guistisch nähern. Kommentarforen stellen nicht nur eine interaktive Erweiterung me- dialer Diskurse dar, sondern spielen als eigenständiges Diskursmedium mit eigenen Diskursentwicklungen eine Rolle. Das Ziel des Beitrags ist es, Gemeinsamkeiten und Unterschiede hinsichtlich Themenentwicklungen zu ermitteln. Im Fokus stehen die Verbreitung und Entwicklung einzelner Teilthemen in einer kontrastiven Perspektive in deutschen, österreichischen und slowenischen Kommentarforen im Diskursverlauf.1 Es wird von der Hypothese ausgegangen, dass die identifizierten Teilthemen nicht nur im unterschiedlichen Umfang thematisiert werden, sondern auch deren Teilaspekte unterschiedliche Ausprägungen aufweisen. Mit einer Kombination der manuellen qua- litativen und quantitativen Analyse mittels AntConc werden Teilthemen samt Themen- konstituenten erarbeitet und visualisiert sowie kontrastiv diskutiert. * sasakralj7@gmail.com ** Janja.Polajnar@ff.uni-lj.si 1 Bei der Untersuchung der deutschen, österreichischen und slowenischen Online-Korpora handelt es sich zugleich um eine kontrastive Betrachtung von drei Kontaktsprachen bzw. -varietäten (s. Krevs Birk 2019: 155f.). UDK [811.163.6'42:811.112.2]: 004.774.1 DOI: 10.4312/linguistica.61.1.37-65 Linguistica_2021_FINAL.indd 37 31. 03. 2022 09:31:12 38 2 KONTRASTIVE DISKURSLINGUISTIK Ein mehrsprachiger Ansatz bietet sich in diskurslinguistischen Analysen gerade bei zunehmend digitalisierten und globalisierten Diskurswelten besonders an (vgl. Gür- Șeker 2019b: 217), denn Online-Diskurse sind nicht nur einfach global rezipierbar, sondern auch kommentierbar. Bei Themen mit internationaler Brisanz können folglich aufgrund des unterschiedlichen kulturellen Hintergrunds der Berichterstatter/-innen und der User/-innen in Kommentarforen Themenschwerpunkte und Argumentation an- ders sein (vgl. Polajnar/Gredel 2018). Unter „kontrastiver Diskurslinguistik“ (Czachur 2020), die sich in den letzten zwanzig Jahren etabliert hat, fasst man heute „diskurslin- guistische Analysen mehrsprachiger Texte/Gespräche, d.h. interlinguale Vergleiche“ (ebd.: 59). Bei einem kultur-kontrastiven Zugang werden nach Czachur (2020: 204) Methoden der Diskurslinguistik mit den Methoden der kontrastiven Text- und Medien- linguistik und der interkulturellen Linguistik verknüpft. Kontrastive Diskurslinguistik geht hierbei von der Prämisse aus, dass ein Vergleich sprachgebundenen Wissens, wie es in sprachspezifischen Teildiskurskorpora realisiert ist, möglich ist. Hierbei werden Gemeinsamkeiten und Unterschiede von sprachlichen Phänomenen auf unterschiedli- chen sprachlichen Ebenen ermittelt. Während transnational orientierte Diskursanalysen kulturübergreifende Phänomene fokussieren sowie ihr Vorkommen und ihre Funktion in Diskursen verifizieren oder falsifizieren, interessieren sich kulturvergleichende dis- kurslinguistische Arbeiten für kulturspezifische Konzeptualisierungen in den jeweili- gen Diskursen und streben über die Identifizierung von Gemeinsamkeiten und Unter- schieden hinaus auch die anschließende Reflexion und Sensibilisierung an (vgl. Cza- chur 2020: 205). Durch den Sprachvergleich wird auch der Kulturvergleich ermöglicht (vgl. Czachur 2011, Arendt/Dreesen 2015). Die Vergleichbarkeit gewährleisten das gemeinsame Thema und der zeitlich ausgegrenzte Diskursabschnitt. In den anfäng- lichen vergleichend konzipierten Arbeiten wie denen von Böke et al. (2000) oder Cza- chur (2011) wird bei dem international geführten themengebundenen Diskurs von meh- reren Phänomenen ausgegangen und von Paralleldiskursen gesprochen. In jüngeren Untersuchungen wird hingegen von einem über seine Strukturen und Funktionen oder Akteurskonstellationen einheitlichen Diskurs ausgegangen, der aus einzelsprachlichen Teildiskursen besteht (vgl. Gür-Şeker 2012: 319f., Arendt/Dreesen 2015), was mit zu- nehmender Digitalisierung und Transnationalisierung von Diskursen begründet wird. 2.1 Digitale Diskurse – Akteurinnen/Akteure – Themendynamiken Diskurse werden in der Diskurslinguistik als „Text- und Gesprächsnetze zu einem The- ma“ (Felder 2012: 122) aufgefasst, die thematisch und intertextuell zusammenhängen. Während diskurslinguistische Untersuchungen am Anfang oft klassische Massenme- dientexte als Diskursausschnitte analysierten („newspaper bias“ Warnke 2013: 191), so kam es mit dem Internet als einem umfassenden Öffentlichkeitsforum zur Erweiterung der Diskurswelten auf digitale Diskurse (vgl. Gredel et al. 2022, i. Dr.). Gür-Şeker (2019b: 219) spricht vom Diskurs 2.0, „mit dem alle neueren Entwicklungen im Social Web gemeint sind, die auch [...] Kommentare unterhalb von Online-Medienartikeln Linguistica_2021_FINAL.indd 38 31. 03. 2022 09:31:12 39 umfassen und als Teil transtextueller Diskurse Diskursrelevanz besitzen“. Bestand- teil diskurslinguistischer Analysen werden nun die neuen Kommunikationsformate im Internet, welche die Interaktions-, Produktions- und Rezeptionsbedingungen des Internets auf einer höheren Stufe ausschöpfen und individuelles und gesellschaftliches Handeln auf neue Weise miteinander veknüpfen (vgl. Fraas/Pentzold 2008: 3). Hierbei wird der digitale Raum nicht nur auf ein Medium für die Anschlusskommunikation reduziert, sondern spielt als eigenständiges Diskursmedium eine Rolle, denn auch seine Text(teil)e werden in den Traditionsmedien aufgegriffen (vgl. Polajnar/Scharloth/Šker- lavaj 2022, i. Dr.) und zeigen eigenständige Diskursentwicklungen. Während Printme- dien „(historische) Ereignisse in diskursive“ transformieren und „Diskurspositionen für die Öffentlichkeit“ produzieren sowie „den Zugang einzelner Akteure zum Diskurs“ kontrollieren (Arendt/Dreesen 2015: 429-430), werden in Kommentarforen Diskurs- positionen öffentlich von interessierten User/-innen vor einem aktuellen Hintergrund- wissen reflektiert, diskutiert und weiterverarbeitet (vgl. Schmidt 2006: 139). In digitalen Diskursen wie den hier analysierten Kommentarforen kommt es auf der Akteursebene also zur Veränderung der Akteurskonstellation, denn nun können an Diskursen interessierte User/-innen teilnehmen und diese Diskurse aktiv mitgestalten. Sie können u.a. digitale Techniken wie Verlinkungen oder Hashtags nutzen. Obwohl ihre kommunikativen Handlungen individuelle Perspektiven darstellen, sind sie auf der Ebene des Kommentarforums überindividuell (Gloning 2022, i. Dr.) und geben einen Einblick in diskursrelevante Themen und ihre Dynamiken. Zu interessierten User/-innen kommen noch die Medien als „plurale, kollektive Akteure“ hinzu, die redaktionell eingreifen und auf diese Weise „Sachverhalte perspektivieren, tabuisie- ren, kontrollieren und beschränken“ sowie einen erheblichen Einfluss auf den Diskurs nehmen (Spieß 2018: 159). Im Hinblick auf thematische Zusammenhänge in medial hybriden Diskursen ver- weist Gloning (2022, i. Dr.) auf die Komplexität und die wechselseitige Verknüpfung von Teilthemen bzw. Diskurssträngen zu einem thematischen Netz, denn die Thema- tisierungen diskursiver Ereignisse fügen sich „in bereits früher bestehende Diskurs- strukturen und thematische Stränge [ein] [... und] tragen damit zur ,Aktualisierung‘ und Akzentuierung bestimmter Diskursstränge bei“ (ebd.). Die Thematisierung von diskursiven Ereignissen ist nach Gloning zudem von folgenden Entwicklungsdyna- miken gekennzeichnet: thematische Entwicklung, zeitliche Aspekte, dynamische Ver- hältnisse von traditionellen und digitalen Angeboten, regionale Dynamik, Frequenz- erscheinungen. 2.2 Methodische Zugänge zu mehrlingualen Diskurskorpora Da man den Diskurs empirisch in seiner Gesamtheit nicht vollständig erfassen kann, werden in diskurslinguistischen Untersuchungen forschungspraktisch relevant themen- identische virtuelle Korpora (vgl. Busse/Teubert 1994: 14) gebildet und analysiert. Die- se stellen jedoch nur einen zeitlich-medialen Diskursausschnitt dar. Folglich sind auch die Forschungsergebnisse nicht uneingeschränkt auf den gesamten Diskurs übertrag- bar (vgl. Felder 2012: 121f.). Man kann für linguistische Diskursanalysen ein Korpus Linguistica_2021_FINAL.indd 39 31. 03. 2022 09:31:12 40 verwenden, das online frei verfügbar ist, oder man erstellt ein eigenes Korpus.2 Wenn man mehrere, z.B. multilinguale Korpora verwendet, müssen die Kriterien, soweit es geht, ähnlich sein, damit sie vergleichbar bleiben (vgl. Gür-Şeker 2019b: 219–221). Diskurslinguistischen Analysen werden Korpora zugrunde gelegt, in denen man textübergreifende Sprachstrukturen, sog. diskursive Muster „im Geflecht von Diskurs- akteuren“ und im Hinblick auf deren zeitliches Vorkommen im Diskursverlauf (vgl. Spitzmüller/Warnke 2011: 22) analysiert. Somit ist die Engführung der Diskurs- mit der Korpuslinguistik legitimiert. Eine kulturwissenschaftlich ausgerichtete diskurs- linguistische Analyse kann von korpuslinguistischen Methoden profitieren, indem „quantitative Verfahren der maschinellen Textanalyse“ (Felder 2012: 125) die quali- tative Textanalyse ergänzen (vgl. Bubenhofer 2009). Bei einer deskriptiven diskurs- linguistischen Analyse mit dem korpuslinguistischen Schwerpunkt werden vor allem aus drucksseitige rekurrente Muster fokussiert (vgl. Felder 2012), wie in unserem Fall rekurrente Themenkonstituenten und deren Kollokatoren, die für einen bestimmten Diskurs typisch sind und unsere Wahrnehmung prägen. Für eine quantitative Analy- se stehen Diskursforscherinnen und Diskursforschern heutzutage computergestützte Analyseprogramme zur Verfügung (vgl. Gür-Şeker 2019b: 221): Zum einen gibt es Analyseprogramme wie Sketch Engine, AntConc oder Wordsmith, die nur reine Texte erkennen können und sich für Frequenz-, Konkordanz-, Kollokations- und Clusterna- nalysen von sprachlichen Daten anbieten. Zum anderen kann man Softwareprogramme wie MAXQDA einsetzen, die Medientexte als Gesamtheit unterschiedlicher Zeichen- modalitäten erkennen können, womit man Bild- oder Videoanalysen durchführen kann. 3 FALLSTUDIE: THEMATISIERUNGEN DER EREIGNISSE ZUM ABTREIBUNSGESETZ IN POLEN In der Fallstudie wird der Diskurs über das im Oktober 2020 verschärfte Abtreibungs- gesetz in Polen näher analysiert. Mediale Thematisierungsorte dieses Diskurses waren zum einen Offline- und Online-Tageszeitungen, Hörfunk und Fernsehen in Polen und in den anderen EU-Ländern, denn die Verschärfung des bereits sehr strikten Abtrei- bungsgesetzes traf auf internationale Resonanz. Zum anderen wurde das Thema in di- gitalen Foren, in den sozialen Medien und in Kommentarforen der Online-Zeitungen verhandelt. Die Ereignisse in Polen führten somit zur Konstitution eines sprachüber- greifend geführten, „medial hybriden Diskurses“ (Gloning 2022, i. Dr.). Der Fokus der kontrastiven Analyse liegt auf der Diskursdynamik der Teilthemen, und zwar in einer mikrodiachronen sowie sprachübergreifenden Perspektive. 2 Eine andere Möglichkeit den medialen thematischen Diskurs zu untersuchen stellt eine exemplarische Untersuchung für den Diskurs einschlägiger und repräsentativer medialer Angebote dar, wie dies beispielsweise von Krevs Birk (2020: 22f.) für den Diskurs deutschsprachiger Minderheiten Sloweniens durchgeführt wurde. Linguistica_2021_FINAL.indd 40 31. 03. 2022 09:31:12 41 3.1 Untersuchungsdiskurs Aufgrund der oben dargestellten diskursiven Komplexität beschränkt sich diese Fall- studie auf Kommentarforen von Zeitungsartikeln deutscher, österreichischer und slo- wenischer Online-Zeitungen bzw. Nachrichtenportale. Der Untersuchungszeitraum ist auf die Monate Oktober und November 2020 begrenzt, als über die Ereignisse intensiv berichtet wurde. Das deutschsprachige Teilkorpus entstammt der überregionalen, libe- ralen, deutschen Online-Zeitung Zeit Online und der österreichischen Online-Tageszei- tung mit linksliberaler Ausrichtung Der Standard. Die slowenischen Kommentarforen wurden auf dem Nachrichtenportal 24ur und auf dem politisch- und regionalneutralen Nachrichtenportal MMC publiziert. Tab. 1: Zusammensetzung des Diskurskorpus Online- Zeitung Zeitungsartikel Kommentarforum: Anzahl der Kommentare und Wörter Zeit Online 20 Festnahmen bei Protest gegen Abtreibungsverbot in Warschau (19.10.2020) 32 (von insgesamt 42) 1135 Wörter (von 1464) Der Standard Polen demonstrieren gegen verschärftes Abtreibungsverbot (23.10.2020) 32 (von insgesamt 193) 848 Wörter (von 5673) 24ur Protesti po skoraj popolni prepovedi splava: prerivanje in solzivec pred hišo Kaczynskega (23.10.2020) 32 (von insgesamt 32) 601 Wörter (von 601) MMC Po omejitvi splava protestniki na Poljskem zahtevajo „svobodo, enakost, pravice žensk„ (24.10.2020) 32 (von insgesamt 104) 1772 Wörter (von 7709) 3.2 Methodisches Vorgehen Um das verstehensrelevante Wissen aus Diskursen abzuleiten, wurde in der Diskurslin- guistik das Diskurslinguistische Mehr-Ebenen-Analyse-Modell (DIMEAN) (Spitzmül- ler/Warnke 2011: 121-201) entwickelt, das zwischen drei diskursanalytischen Ebenen unterscheidet: Text, Akteure und Wissen. In dieser Analyse wird der Fokus auf die Bestimmung von Teilthemen gelegt, was in der vorliegenden Analyse durch die Be- stimmung von frequenten Themenkonstituenten und deren Kollokatoren in Relation zu Akteurinnen und Akteuren untersucht wird. Zunächst werden die Teilkorpora intralin- gual untersucht, dann werden die erarbeiteten Teilthemen vergleichend diskutiert, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede hinsichtlich Themenentwicklungen zu ermitteln. Das Gesamtkorpus beträgt 15.337 Tokens. Aufgrund des relativ kleinen Korpus- umfangs und der für diskurslinguistische Fragestellungen erkannten Einschränkungen Linguistica_2021_FINAL.indd 41 31. 03. 2022 09:31:12 42 von rein quantitativen Korpusanalysen, soll die quantitative Analyse mit dem Konkor- danz-Programm AntConc die qualitative Analyse ergänzen. Im Rahmen der qualitativen Analyse werden zunächst die ersten 32 Kommentare aus jedem Kommentarforum auf Teilthemen und die dazugehörigen Themenkonstituenten, die typischerweise mit einem Teilthema auftreten und diskurs-charakterisierend wirken, analysiert.3 In einem nächsten quantitativen Analyseschritt werden mit der Frequenzanalyse im AntConc die häufigs- ten Diskurs-Types berechnet. Die 20 häufigsten Diskurs-Types ohne Funktionswörter werden mithilfe der Konkordanz-Analyse und der qualitativ ermittelten Themenkonsti- tuenten den jeweiligen Teilthemen zugeordnet. Neben Themenkonstituenten werden mit AntConc deren Kollokatoren, Cluster sowie ihre Verteilung im Diskursverlauf ermittelt, indem die Softwarefunktionen Concordance, Concordance Plot, Collocations und Clus- ters/N-Grams4 verwendet werden: Die Softwarefunktion Concordance zeigt Konkor- danzen eines Suchworts im Analysekorpus in ihrem direkten textuellen Umfeld (Key Word In Context) an (vgl. Müller 2013). Anhand der Kotext-Durchsicht zum Suchwort kann man bereits Mehrworteinheiten mit dem Suchwort ermitteln. Zudem können die Ergebnisse mit Concordance Plot im Barcode-Format visualisiert werden, was uns einen Einblick in die Dynamik der gesuchten Themenkonstituenten und folglich in die The- mendynamiken in unterschiedlichen Diskurskorpora ermöglicht. Die Diskursabschnitte intensiverer Auseinandersetzung mit einer Themenkonstituente werden im Concordance Plot durch angehäufte Striche sowie die darüberstehenden Frequenzangaben repräsen- tiert. Mit diesem Tool können nämlich konkrete Suchanfragen in allen gleichzeitig hoch- geladenen Korpora visuell miteinander verglichen werden, was als Heuristik für weitere Schritte kontrastiver Analysen dienen kann. Des Weiteren kann man die Frequenzen von Themenkonstituenten und ihre Vielfalt nach Teilthemen vergleichen, um zum einen auf die Relevanz eines Teilthemas im Diskurskorpus zu verweisen sowie die Unterschiede unter den einzelsprachlichen Kommentarforen aufzuzeigen; zum anderen kann man an- hand unterschiedlicher Themenkonstituenten zu einem Teilthema die Unterschiede in thematisierten Aspekten aufzeigen. Mithilfe des Konstituentenvergleichs können also bei multilingualen Diskurskorpora transnationale Themendynamiken aufgezeigt werden. Mit der Softwarefunktion Collocates kann man Kollokatoren erarbeiten, die meist links oder rechts vom Suchwort stehen, mit ihm in statistisch signifikanter Weise auf- treten und mit ihm stark assoziativ verküpft sind. Kollokatoren stellen nicht nur die direkten Nachbarwörter vom Suchbegriff dar, denn sie können im Text auch relativ weit weg vom Suchwort vorkommen. Auf diese Weise ist es möglich, Wortmuster zu erkennen, die nicht durch die bloße Untersuchung von Wortabfolgen in Konkordanzen zu erkennen sind. In diskurslinguistischen Analysen können dadurch Informationen zu semantischen Präferenzen und Assoziationen im Diskurskorpus eruiert werden. Mit der Softwarefunktion Cluster werden häufig zusammen auftretende Wörter beliebiger Größen, sog. Cluster, berechnet. 3 In manchen korpuslinguistischen Diskursanalysen wird zur Bestimmung von Schlüsselwörtern (Key-Word-Analyse) eine Kontrastierung des Untersuchungskorpus mit einem Referenzkorpus herangezogen (vgl. Felder 2012). Darauf wird in dieser Studie verzichtet. 4 Für Analysemöglichkeiten mit einzelnen Softwarefunktionen siehe Bubenhofer (2020). Linguistica_2021_FINAL.indd 42 31. 03. 2022 09:31:12 43 3.3 QUALITATIVE ANALYSE DER KOMMENTARFOREN Im Rahmen der qualitativen Analyse werden zunächst der Grundriss des Zeitungsdis- kurses zum Abtreibungsgesetz, die Struktur der zugehörigen Kommentarforen sowie Diskursakteurinnen und -akteure dargestellt. Danach wird auf die Teilthemen samt Themenkonstituenten und deren Kollokatoren eingegangen. 3.3.1 Grundriss des Zeitungsdiskurses zum Abtreibungsgesetz in Polen In allen vier Beiträgen deutschsprachiger und slowenischer Online-Zeitungen wird über die Entscheidung des polnischen Verfassungsgerichts vom 22. Oktober 2020 berichtet, die legale Schwangerschaftsabbrüche nur noch dann vorsieht, wenn die Gesundheit der Frau gefährdet oder die Schwangerschaft das Ergebnis einer Straftat ist. Die Verfas- sungsrichterin gab hiermit dem Antrag rechtskonservativer Abgeordneter statt, welche die bisherige Abtreibungsregelung als verfassungswidrig sahen. Diese Regelung er- laubte Schwangerschaftsabbrüche im Falle einer schweren Fehlbildung des Fötus, was die Antragsteller als einen Verstoß gegen den verfassungsrechtlich verankterten Schutz des Lebens betrachteten. Damit waren viele Polen nicht einverstanden und gingen auf die Straße, um zu protestieren und für die Rechte der Frauen zu kämpfen. Dabei kam es auch zu Auseinandersetzungen mit der Polizei, die zahlreiche Demonstrantinnen und Demonstranten verhaftet hat, worüber vor allem im Beitrag von Zeit Online und 24ur genauer berichtet wird. In allen vier Beiträgen wird zudem die Rolle der Europäischen Union thematisiert. 3.3.2 Slowenische und deutschsprachige Kommentarforen und ihre Ak- teurinnen und Akteure Im Rahmen der qualitativen Analyse wurden die ersten 32 Kommentare jedes Kom- mentarforums zunächst daraufhin analysiert, wie viele eigenständige Kommentare und Antworten sie enthalten: In den deutschen Kommentarforen ist Dialogizität stärker aus- geprägt (Tab. 2), denn sie enthalten deutlich mehr Antworten und Bewertungen durch Daumenhoch oder Sternchen als die slowenischen, was auf eine umfangreiche diskur- sive Online-Gemeinde hinweist, die den Untersuchungsdiskurs konstituiert. Auf eine geringere slowenische Online-Gemeinde verweisen die geringe Anzahl der beteiligten User/-innen und die ausgeprägte Einwegkommunikation. Linguistica_2021_FINAL.indd 43 31. 03. 2022 09:31:12 44 Tab. 2: Merkmale der Dialogizität in Kommentarforen Der Standard Zeit Online 24 ur MMC Kommentare zum Artikel (%) 21,76 % 21,42 % 65,63 % 15,38 % Kommentare zu Kommenta- ren (%) 78,24 % 78,58 % 34,37 % 84,62 % Kommentare in der Sprache des Artikels (%) 98,5 % 100 % 100 % 100 % Kommentare in englischer Sprache (%) 1,5 % 0 % 0 % 0 % Anzahl der Likes (Daumenhoch, Sterne) (%) 996 Likes 440 Dislikes (161 Kommentare  83,42 %) 55 Sterne (24 Kommentare  57,14 %) 276 Daumenhoch 146 Daumenrunter (28 Kommentare  87,5 %) 402 Sterne (72 Kommentare  69,23 %) Anzahl der Kommentare mit Hyperlinks (%) 1,5 % 0 % 0 % 0,9 % Anzahl der Kommentare mit Emojis (%) 0,5 % 0 % 6,25 % 9,61 % An Kommentarforen beteiligen sich am Thema interessierte User/-innen aktiv, in- dem sie einerseits Kommentare schreiben und andererseits die Kommentare anderer User/-innen bewerten und kommentieren. Bei 24ur kann man die Bewertung der Kom- mentare mit einem „Daumen runter“-Emoji oder einem „Daumen hoch“-Emoji aus- drücken, bei Der Standard erfolgt dies mit einem Plus- oder Minuszeichen. Bei MMC und Zeit Online kann man einen Kommentar nur mit einem „Sternchen“ versehen und hiermit nur eine positive Bewertung ausdrücken. Die Bewertungen steuern den Diskurs insofern, als in einigen Kommentarforen die beliebtesten Kommentare am Anfang ge- zeigt und folglich mehr gelesen und kommentiert werden. Die User/-innen kann man nach ausgedrückter Zu- oder Abneigung grob in drei Gruppen einteilen: Befürworter/- Linguistica_2021_FINAL.indd 44 31. 03. 2022 09:31:12 45 innen, Gegner/-innen des Abtreibungsrechts und Neutrale. Allerdings gibt es nur einen neutralen Kommentar, dafür aber viele Kommentare, wo die Meinung nicht eindeutig erkennbar ist, da vom Hauptthema abgewichen wird. Auf der Akteursebene sollen neben einflussreichen Diskursakteurinnen und -Akteuren zudem Benennungen für die betreffenden Personen(gruppen) (Nominationen) analysiert werden, die im Diskurs in wertender Absicht qualifiziert werden (Prädikation). Dadurch kann aufgezeigt werden, welche Akteursgruppen im Diskurs als homogene soziale Grup- pen konstituiert werden, wie sie bewertet werden und wie sich die User/-innen gegenüber diesen Personen(gruppen) positionieren (vgl. Gür-Șeker 2019a). Zum einen sind indivi- duelle Akteurinnen und Akteure zu nennen, wie der im Rampenlicht stehende polnische Politiker Jarosław Kaczyński oder in slowenischen Kommentaren der slowenische Regie- rungschef Janez Janša. Mit AntConc können zum anderen die häufig erwähnten Personen- gruppen sowie ihre Qualifizierung im Diskurs ermittelt werden. In allen Kommentarforen sind einerseits Äußerungen über schwerbehinderte und ungeborene Kinder häufig vorzu- finden, deren Leben durch das Abtreibungsgesetz nun geschützt wird, und andererseits Frauen, mit ihrem Recht auf Selbstbestimmung über ihren Körper (Tab. 3). Tab. 3: Personengruppen in deutschsprachigen und slowenischen Kommentarforen samt Kol- lokatoren Deutschsprachige Kommentarforen Slowenische Kommentarforen Nomina- tion Fre- quenz Kollokatoren Nomination Fre- quenz Kollokatoren Kind, Kinder 39 (schwer-) behindert, ungeboren otroci, otrok* (Kinder, Kind*) 96 oddati (abgeben), zaželeni (gewünscht), pravice (Rechte) Frau, Frauen 24 Selbstbestimmung/ Ent-scheidung/ Proteste/ Rechte der Frauen, Menschen- und Frauenrechte žensk* (frau*) 47 otroka niso želele (das Kind war unerwünscht), poseg v telo (Eingriff in den Körper), pravice (Rechte) Polen 19 Poljsk* (Poln*) 16 vlada (Regierung) Kirche 17 katholische cerkev, cerkven* (Kirche, kirch*) 14 veljaki (Prominente) Linguistica_2021_FINAL.indd 45 31. 03. 2022 09:31:12 46 Deutschsprachige Kommentarforen Slowenische Kommentarforen Nomina- tion Fre- quenz Kollokatoren Nomination Fre- quenz Kollokatoren Polizei 16 policija, polic* (Polizei*) 1 Regie- rung 9 polnische, konservative vlad* (Regier*) 5 sramota (Schande), slovenska (slowenisch), naša (unsere), desna (rechte) Demon- stranten 7 aggressiv (zitiert als Aussage der Polizei) protesti, protestniki (Proteste, Demon- stranten) 3 podpora (Unterstützung) Eltern 7 müssen entscheiden starš* (elter*) 7 odločiti (entscheiden), finančna pomoč (finanzielle Hilfe), sprejeti odgovorn- ost (Verantwortung übernehmen), 3.3.3 Teilthemen aus qualitativer Perspektive Transnationale Diskursrelevanz kommt nach qualitativer Analyse folgenden Teilthe- men zu: Politik, Religion, Frauen- und Kinderrechten sowie Demonstrationen. Politik Am Anfang aller vier Kommentarforen wird am häufigsten das Teilthema Politik the- matisiert. In vielen Kommentaren der Befürworter/-innen des Abtreibungsrechts wer- den die Entscheidungen polnischer Politiker/-innen sehr kritisch diskutiert. In diesem Zusammenhang wird die Metapher Gift bzw. giftig verwendet, die auf den negativen Einfluss der polnischen Politik auf die polnische Gesellschaft hinweist. Beispielhaft dafür ist der folgende Kommentar: „Das Gift der rechten Populisten in Polen zersetzt die Unterstützung, das ist ja das Perfide an solchen Systemen, spalten, wo es nur geht.“ (namevergeben2, Zeit Online, November 2020). In vielen Kommentaren der Befür- worter/-innen wird die enge Verbindung von Staat und Kirche und ihr Einfluss auf die Rechte der Frauen sehr negativ bewertet. Linguistica_2021_FINAL.indd 46 31. 03. 2022 09:31:12 47 (1) Jaroslaw Kaczynski in cerkveni velikaši vodijo Poljsko in uničujejo pravice žensk, in kdo si prilašča to pravico Kaczynski je homoseksualec, cerkev pa je polna pedofilov, torej nas odločitev popolnoma nič ne preseneča. Dragi Slovenci postavlja se vprašanje ali bodo to dejanje Poljske države, stranke SDS in NSi obsodile ali podprle ali bodo kar molčale ? toliko v razmislek VSEM, kaj nas pod to vlado lahko še čaka. (borjac, 24ur, 24.10.2020)5 Im Kommentar (1) wird zudem ein Vergleich der polnischen Politik mit der slo- wenischen gezogen, denn slowenische User/-innen befürchten, dass die slowenische Regierung eine ähnliche Abtreibungspolitik einschlagen könnte. So wird in den slowe- nischen Kommentaren der Blick nicht auf die Verhältnisse in Polen verengt, sondern bilateral und in einigen Kommentaren sogar europäisch perspektiviert. Die Perspekti- vierung auf die EU ist ein weiteres Teilthema, das in allen Kommentarforen themati- siert wird. Hierbei stellt sich vor allem die Frage, was die EU gegen das verschärfte Abtreibungsverbot machen kann: „[…] Erstaunlich das es autoritäre Systeme immer darauf ansetzen Frauenrechte zu kontrollieren. Kann die EU/der europäische Gerichts- hof helfen?“ (H. Reisen, Zeit Online, November 2020). Religion Das zweitwichtigste Teilthema, das oft in Verbindung mit der Politik auftritt, ist die Re- ligion bzw. der Katholizismus. Einerseits wird in Kommentaren auf den Glauben, ande- rerseits auf die Kirche als Institution verwiesen, die nach der Meinung der Befürworter/ -innen auf die Entscheidungen der polnischen Regierung einen negativen Einfluss nimmt. Im Hinblick auf das eingeführte Abtreibungsgesetz wird sogar von religiösem Fanatismus gesprochen. In den Kommentaren der Befürworter/-innen kam zudem oft das Lexem Mit- telalter vor, in den slowenischen Kommentaren gab es sogar Variationen davon, z.B. 18. stoletje (18. Jahrhundert) oder bronasta doba (Bronzezeit). Mit den Metaphern wird dar- auf verwiesen, dass ein solches Abtreibungsgesetz in die Vergangenheit gehört und daher im 21. Jh. nicht akzeptabel ist: „Willkommen im Mittelalter. Traurig.“ (Gelöschter Nutzer 11371, Zeit Online, November 2020). Eine wichtige Themenkonstituente in den Kom- mentaren der Befürworter/-innen ist LGBTQ+. Dabei wird oft ein Vergleich zwischen den Abtreibungs- und den LGBTQ+-Rechten gezogen und wie beide seitens der Regierung und der Kirche unterdrückt werden. Vergleiche werden auch mit dem Islam gezogen, denn einige Befürworter/-innen sehen zwischen den Verhältnissen in der polnischen Kirche, die sich nach einem Gottesstaat sehnt, und den Verhältnissen im Islam keinen Unterschied: „und bitte verlieren Sie nicht ein Wort über den bösen Islam, denn was Sie hier schreiben ist nichts anderes als der wunsch nach Errichtung eines katholischen Gottesstaats, in dem das Recht gleichgesetzt wird mit Religion.“ (wink mit dem zaunpfahl 7, Der Standard, 5 Deutsche Übersetzung (SK): Jaroslaw Kaczynski und der Kirchenadel regieren Polen und zerstören die Rechte der Frauen. Und wer eignet sich dieses Recht an – Kaczynski, ein Homosexueller, und die Kirche ist voller Pädophiler. Daher überrascht uns die Entscheidung überhaupt nicht. Liebe Slowenen, die Frage ist, ob der polnische Staat, die SDS- und die NSi-Parteien diese Tat Polens verurteilen oder unterstützen, oder ob sie gar schweigen werden. So viel ALLEN zum Nachdenken, was uns unter dieser Regierung noch erwartet. Linguistica_2021_FINAL.indd 47 31. 03. 2022 09:31:12 48 24.10.2020). Die Gegner/-innen verweisen in ihren Kommentaren häufig auf die Bibel als das zentrale, richtungsweisende Dokument der Christen, welche die Abtreibung verbietet. Frauen-, Kinderrechte Beim dritten Teilthema handelt es sich um Frauen- und Kinderrechte und die Frage, wessen Rechte im Fall einer Abtreibung am wichtigsten sind. In Verbindung mit den Kinderrechten treten häufig auch die Kollokatoren ungeboren, (schwer-)behindert und töten auf. Zudem wird z. B. diskutiert, ab wann ein Embryo überhaupt als Mensch gilt und daher Rechte haben kann. Weitere Teilthemen Die Teilthemen „Demonstrationen“, „Adoption“ und „Wissenschaft“ kommen nur in einigen Kommentarforen vor. Auf Zeit Online ist der Polizeieinsatz bei Demonstra- tionen der Abtreibungsbefürworter/-innen ein zentrales Thema. Es wird diskutiert, ob die Verhaftungen der Demonstrierenden gerechtfertigt sind, oder ob die Polizei über- trieben reagiert hat, was Gegner/-innen als unbegründet zurückweisen. Ein weiteres Teilthema, das Gegner/-innen diskutieren, ist die Adoption, die als eine Alternative zur Abtreibung dargestellt wird, was allerdings nur in den beiden slowenischen Kom- mentarforen angesprochen wird: „Se strinjam, splav je treba prepovedati v čisto vseh primerih. Naj ga mama donosi in ga da po rojstvu v posvojitev, če res ne more drugače. Ljubečih zakonskih parov, ki čakajo na možnost za posvojitev otroka, je ogromno.“ (MMC, Sorrento, 24.10.2020).6 Das letzte Teilthema, das von den Befürworter/-innen eingebracht wird, betrifft die wissenschaftliche Perspektive und die damit verbundene Berufung auf Expertinnen und Experten der Medizin (Autoritätsargumente). 3.4 Quantitative Analyse mit AntConc Tabellen 4 und 5 liefern eine Übersicht der salienten Teilthemen samt frequenten The- menkonstituenten und deren Kollokatoren in den deutschsprachigen (Tab. 4) und slo- wenischen Kommentarforen (Tab. 5). Aus den Tabellen wird ersichtlich, welche The- menkonstituenten mit welchen Teilthemen im Diskurskorpus zusammenhängen und welche Bedeutung einem Teilthema anhand der Anzahl und der Frequenz der Themen- konstituenten zukommt. Auf diese Weise kann man die Teilthemen und ihre Dynami- ken in deutschsprachigen und slowenischen Kommentarforen vergleichen. 3.4.1 Diskursstränge in deutschsprachigen Kommentarforen Aus der quantitativen Analyse geht hervor, dass die bereits manuell erarbeiteten Teil- themen Politik, Religion sowie Kinder- und Frauenrechte in deutschen Kommentarfo- ren ähnliche Diskursrelevanz aufweisen, das Teilthema Demonstrationen wird nur auf Zeit Online diskursiv relevant gesetzt. 6 Deutsch: Ich stimme zu, Abtreibungen sollten in absolut allen Fällen verboten werden. Soll doch die Mutter das Kind zur Welt bringen und nach der Geburt zur Adoption freigeben, wenn es wirklich nicht anders geht. Es gibt viele liebevolle Ehepaare, die auf die Möglichkeit warten, ein Kind zu adoptieren. Linguistica_2021_FINAL.indd 48 31. 03. 2022 09:31:12 49 Tab. 4: Teilthemen mit Themenkonstituenten, deren Kollokatoren und Cluster in deutschen Kommentarforen Zeit Online Der Standard Themenkonstituenten (samt Kollokatoren) Häufig- keit Themenkonstituenten (samt Kollokatoren) Häufig- keit Teilthema 1: Religion (Suchwort: mittelalt*) (tiefstes) Mittelalter, mittelalterlich 6 (Suchwort: relig*) religiöse Fanatiker/ Fundamentalisten 14 (Suchwort: Bibel) 5 (Suchwort: klerikal*) klerikal-faschistoide Truppe, klerikal dominierter Staat 5 (Suchwort: kathol*) (verbohrte) Katholiken, katholisch 4 (Suchwort: kathol*) Katholiban, katholische Fanatiker 14 (Suchwort: gott*) Gott 3 (Suchwort: gott*) Gott, gottesdurstige Menschen, Gottgläubige, katholischer Gottesstaat 15 (Suchwort: Kirche) katholische Kirche 2 (Suchwort: Kirch*) katholische/heilige Kirche 15 Teilthema 2: Kinder- und Frauenrechte (Suchwort: Kind*) behinderte/ungeborene Kinder 7 (Suchwort: Kind*) ungeborene/gesunde/(schwer) behinderte/“normale“ Kinder 36 (Suchwort: Frau*) Frauenrechte, X der Frau(en) (X = Proteste, Gesundheit, bevormunden), 5 (Suchwort: Frau*) Frauenrechte, X der Frau(en) (X = Entscheidung), 12 (Suchwort: Recht*) Rechte der/des X (X = Schwächeren, Kinder, Rechtsordnung 6 (Suchwort: Recht*) Rechtsstaat, Recht auf X (X = gesunde Kinder, Kindstö- tung, Leben, Selbstbestimmung), 18 (Suchwort: ungeboren*) ungeborene Kinder, Ungeborene 4 (Suchwort: ungeboren*) ungeborene Kinder, Ungeborene 7 (Suchwort: töt*) töten, das Töten 4 (Suchwort: behindert*) (körperlich) Behinderte, behinderte Kinder/Säuglinge/ Ungeborene 14 Linguistica_2021_FINAL.indd 49 31. 03. 2022 09:31:13 50 Zeit Online Der Standard Themenkonstituenten (samt Kollokatoren) Häufig- keit Themenkonstituenten (samt Kollokatoren) Häufig- keit Teilthema 3: Politik (Suchwort: Polen) 9 (Suchwort: Polen) 30 (Suchwort: regier*) konservative, polnische Regierung, regieren 3 (Suchwort: regier*) konservative, polnische Regierung 11 (Suchwort: polit*) politisch, Politik 2 (Suchwort: polit*) politisch, klerikal-faschistoide Politiker 5 (Suchwort: demokr*) Demokratie 1 (Suchwort: demokr*) Demokratie, demokratische Staaten 8 (Suchwort: gesetz*) Gesetz 1 (Suchwort: gesetz*) Gesetz(e), Gesetzesvoschläge 6 (Suchwort: Höchstgerichtsur- teil*), Höchstrichter*, Höchstgericht* 3 (Suchwort: Europa) 10 (Suchwort: EU) 2 (Suchwort: EU) 6 Teilthema 4: Demonstrationen (Suchwort: poliz*) Polizei/Polizisten aggressiv; Polizeieinsatz 18 / (Suchwort: *demo*) Demo, Demonstrationen, Demonstranten (aggressiv) 16 (Suchwort: *demo*) Demo(s) von Abtreibungsgeg- nern, Abtreibungsgegnerdemo, große/größere Demonstratio- nen, Demonstraten 12 Demonstrationen/Protest gegen Abtreibungsverbot 2 Abtreibungsregelung, -verbots- gegner, Abtreibungsgegner 4 Das Teilthema Religion wird vor allem im österreichischen Kommentarforum in- tensiv und durchgehend verhandelt (Abb. 1). Aus den Kollokatoren zu relevanten The- menkonstituenten wird ersichtlich, dass es sich vorwiegend um negative Kommentare der Befürworter/-innen handelt, die den Einfluss der katholischen Kirche auf polnische Politik und Gesetzgebung als sehr negativ bewerten und die Kirche selbst als verlogen enthüllen wollen. Die polnischen Politiker und Kirchenvertreter werden als klerikal-fa- schistoide Truppe bzw. religiöse Fanatiker und Fundamentalisten sowie Katholibane abgestempelt, die einen katholischen Gotteststaat errichten wollen. Ein Vergleich mit Linguistica_2021_FINAL.indd 50 31. 03. 2022 09:31:13 51 dem Islam wird gezogen: „Ich finde das auch schrecklich, aber es obliegt den Polen, diese Katholiban nicht zu wählen.“ (Ibimsdalauch, Der Standard, 23.10.2020). Das neue Ab- treibungsgesetz wird metaphorisch als tiefstes Mittelalter bzw. mittelalterlich bezeichnet. Abb. 1: Screenshot Concordance Plut der Suchwörter zum Teilthema Religion in Zeit Online und Der Standard: *gott*, Kirch*, kathol*, relig*, klerikal*, Mittelalter*, Bibel Das Teilthema Frauen- und Kinderrechte, dem vor allem im österreichischen Kommentarforum großes Gewicht zukommt, stellt die Rechte beider Personengrup- pen gegenüber. Befürworter/-innen verweisen auf Frauenrechte, d.h. auf ihr Recht auf Selbstbestimmung über den eigenen Körper (wichtigster Kollokator zu Frau: Selbstbe- stimmung); das neue Abtreibungsgesetz betrachten User/-innen als einen Versuch von autoritären Systemen, Frauen zu kontrollieren. Polen wird im Hinblick auf das neue Abtreibungsgesetz als Rechtsstaat in Frage gestellt: (2) Polen ist als klerikal dominierter Staat samt dessen ... gegen die Freiheit der Selbstbestimmung von Frauen nicht würdig, als Rechtsstaat bezeich- net zu werden. Dass die katholische Kirche eine derartige Macht ausüben kann und die Gesetze nach den Vorstellungen religiöser Fundamentalisten beschlossen werden, ist eine Schande für die EU und die Menschlichkeit. (René Herndl9, Der Standard, 23.10.2020) Abtreibungsgegner/-innen verweisen hingegen auf die Rechte von getöteten, ungebo- renen und schwerbehinderten Kindern, die als Schwächere geschützt werden sollen: „Die beiden Rechte gelten und müssen abgewogen werden, wobei man immer an die Rechte des Schwächeren denken sollte.“ (Stanislaw Ogorek, Zeit Online, November 2020). Zen- trale Stellung in Kommentaren nehmen zudem abgesehen von der Diskursposition trans- Linguistica_2021_FINAL.indd 51 31. 03. 2022 09:31:13 52 textuelle Muster mit Leerstellen ein: Recht auf X (X = gesunde Kinder, Kindstötung, Le- ben, Selbstbestimmung) und Rechte der/des X (X = Minderheiten, Schwächeren, Kinder). Abb. 2: Screenshot Concordance Plut der Suchwörter zum Teilthema Frauen- und Kinderrechte in Zeit Online und Der Standard: Kind*, Frau*, Recht*, töt*, ungeboren*, Behindert* Das Teilthema Politik wird vor allem im österreichischen Kommentarforum inten- siv diskutiert (vgl. Abb. 3). Befürworter/-innen bewerten den Antrag der polnischen Regierung auf Gesetzesänderung sehr negativ und bezeichnen die Regierung als eine konservative, klerikal-faschistoide Truppe, was auf die enge Verzahnung beider Teil- themen Religion und Politik hinweist. Zudem wird die Urteilsbegründung des Höchst- gerichts im Sinne des Papstes Johannes Paul II. kritisiert. In den Kommentaren wird diskutiert, dass sich dadurch das Grundproblem der Demokratie zeigt, denn ein Groß- teil der Bevölkerung hat die aktuelle Regierung, die undemokratische Entscheidungen trifft, gewählt. Zudem wird im österreichischen Kommentarforum die europäische Per- spektive relevant gesetzt, indem die undemokratischen Gesetze wie das polnische als EU-fremd betrachtet werden und die Passivität der EU kritisch bewertet wird. Dem Teilthema Demonstrationen kommt nur auf Zeit Online Diskursrelevanz zu. Bei den Ereignissen handelt es sich um große Demonstrationen von Abtreibungsgeg- nern bzw. Zehntausende von Demonstranten, die sich zum Teil aggressiv verhalten, weshalb ein Polizeieinsatz notwendig ist (häufiges N-Gramm: gegenüber der Polizei aggressiv). Die jeweiligen Konkordanzen zum N-Gramm zeigen allerdings, dass es sich um Zitate über das aggressive Verhalten von Demonstraten gegenüber der Polizei handelt, was Befürworter/-innen als Polizeijargon enthüllen; aus den Kommentaren wird deutlich, dass die Polizei Demonstrierende in negativem Licht zeigen wollte, um eigene Handlungen zu legitimieren. Der Vergleich von Themenkonstituenten mit Con- cordance Plot (Abb. 4) zeigt zudem eindrucksvoll, in welch unterschiedlichem Um- fang dieses Teilthema in beiden Kommentarforen verhandelt wird. Linguistica_2021_FINAL.indd 52 31. 03. 2022 09:31:13 53 Der visuelle Vergleich von Themenkonstituenten mit Concordance Plot weist auf die Dynamik und Dominanz einzelner Teilthemen im jeweiligen Kommentarforum hin. Während in Kommentaren im österreichischen Der Standard die politischen, reli- Abb. 3: Screenshot Concordance Plut der Suchwörter zum Teilthema Politik: Polen*, regier*, polit*, demokr*, Höchstgerichtsurteil*, Höchstrichter*, Höchstgericht*, gesetz*, EU*, Europa* Abb. 4: Screenshot Concordance Plut der Suchwörter zum Teilthema Demonstrationen in Zeit Online und Der Standard: *demo* und poliz* Linguistica_2021_FINAL.indd 53 31. 03. 2022 09:31:13 54 giösen, rechtlichen und ethischen Aspekte abgewogen werden, problematisieren User/ -innen auf Zeit-Online intensiver die Hintergründe der Demonstrationen gegen das ver- schärfte Abtreibungsgesetz und den Polizeieinsatz. 3.4.2 Dominante Diskursstränge in slowenischen Kommentarforen Tabelle 5 zeigt die dominanten Teilthemen samt Themenkonstituenten und deren Kol- lokatoren in beiden slowenischen Kommentarforen. Tab. 5: Unterthemen und Themenkonstituenten samt Kollokatoren in den slowenischen Kom- mentarforen 24 ur MMC Themenkonstituenten (Kollokatoren) Häufig- keit Themenkonstituenten (Kollokatoren) Häufig- keit Teilthema 1: Politik (Suchwort: držav* (Staat*)) naš diktator (unser Diktator) poljska (polnisch) 6 (Suchwort: držav* (Staat*)) gleda stran (schaut weg) 4 (Suchwort: vlad* (regier*)) poljska (polnisch), sramota (Schande) desna (politische Rechte), naša (unser) 4 (Suchwort: Poljsk* (polnisch*)) 8 (Suchwort: politik* (Politik*)) 3 (Suchwort: politik*) 1 (Suchwort: Evrop* (Europ*)) sramota za (Schande für) 2 (Suchwort: EU (EU)) naj spokajo iz (verschwinden aus) 4 (Suchwort: evro* (Euro*)) se šlepajo na evropskih sredstvih (europäische Mittel), opuščajo evropske standarde (ver- zichten auf europäische Standards) 8 Teilthema 2: Religion (Suchwort: rkc (kurz für Römisch-katholische Kirche)) 1 (Suchwort: rkc) rkc in desnica gresta z roko v roki (rkc und die Rechte gehen Hand in Hand) 11 (Suchwort: cerk* (kirch*)) se meša v življenje ljudi in državo (mischt sich ein), cerk- veni velikaši uničujejo pravice žensk (kirchliche „Größen“ zerstören die Rechte der Frauen) 3 (Suchwort: cerk*) žrtev cerkve (das Opfer der Kirche), cerkveni veljaki (Kirchlicher „Adel“) 16 Linguistica_2021_FINAL.indd 54 31. 03. 2022 09:31:13 55 24 ur MMC Themenkonstituenten (Kollokatoren) Häufig- keit Themenkonstituenten (Kollokatoren) Häufig- keit (Suchwort: katol* (kathol*)) katoliška različica islamistov (katholische Variante der Islamisten) 1 (Suchwort: katol*) poljski katoliški absolutum (polnisches katholisches Absolutum) 3 (Suchwort: kršč* (christ*)) 2 (Suchwort: kršč*) 12 (Suchwort: biblija (Bibel))) 3 (Suchwort: Bog (Gott)) 2 Teilthema 3: Kinder- und Frauenrechte (Suchwort: pravic* (Recht*)) uničujejo pravico žensk (zerstören das Recht der Frauen) 3 (Suchwort: otro*) otrok, ki ne bo zaželjen (uner- wünschtes Kind), umor bolnih otrok (Mord kranker Kinder), (se) ubijajo nerojeni otroci (Umbrin- gen von ungeborenen Kindern) 96 (Suchwort: splav) slab in krivičen (schlecht und un- gerecht), moralno sporen (mora- lisch fragwürdig), slaba odločitev (schlechte Entscheidung), ni vprašanje vere, ampak človeka (nicht die Frage der Religion, sondern des Menschen) 26 (Suchwort: ženske) ženske, ki otroka niso želele (Frauen, die das Kind nicht woll- ten), poseg v telo ženske (Eingriff in den Körper der Frau) 19 (Suchwort: zarod*) deformiran zarodek (deformiertes Embryo),,zarodek je del ženskega telesa (das Embyro ist Teil des weiblichen Körpers), zarodek sploh še ni rojen (das Embyro ist noch nicht geboren) 17 Linguistica_2021_FINAL.indd 55 31. 03. 2022 09:31:13 56 24 ur MMC Themenkonstituenten (Kollokatoren) Häufig- keit Themenkonstituenten (Kollokatoren) Häufig- keit Teilthema 4: Demonstrationen (Suchwort: protestnik* (Demonstrant*)) vsa podpora (volle Unterstützung) 1 (Suchwort: protesti* (Demonstrationen*)) 2 (Suchwort: policija (Polizei)) policija in politika (Polizei und Politik) 1 Teilthema 5: Adoption (Suchwort: posvoj* (Adopt*)) 8 Teilthema 6: Wissenschaft (Suchwort: znan* (wissen*)) dvomiti v znanost (zweifeln an der Wissenschaft) 26 (Suchwort: strok* (expert*)) stroka nima pojma, stroka tudi zmotljiva (die Experten haben keine Ahnung, die Experten sind auch fehlbar) 9 Das Teilthema Politik wird in beiden slowenischen Kommentarforen viel diskutiert (vgl. Abb. 5). Die Themenkonstituenten držav* (dt.: Staat*) und Poljska (dt.: Polen) verwenden vorwiegend Befürworter/-innen, die das Verhalten der polnischen Regie- rung negativ betrachten. Sie sind der Meinung, dass der Staat die Augen vor der Wahr- heit verschließe, vorauf der Kollokator gleda stran (dt.: schaut weg) hindeutet. Ähnlich wie in den deutschen Kommentaren wird auch hier die europäische Perspektive rele- vant gesetzt, da Befürworter/-innen EU oder evro* in Verbindung mit Kollokatoren wie naj spokajo iz EU (dt.: sie sollen aus der EU verschwinden) gebrauchen. Anders als in deutschsprachigen Kommentaren wird nun die Abneigung gegenüber Polen aus- gedrückt, denn Polen handle nicht im Einklang mit den EU-Standards und sei nur aus finanziellen Gründen in der EU. Dem Teilthema Religion kommt vor allem in MMC eine zentrale Stellung zu (vgl. Abb. 6). Es wird durch ähnliche Themenkonstituenten wie in deutschen Kommentaren charakterisiert: rkc (dt.: kurz für Römisch-katholische Kirche), cerkev/cerkveni (dt.: Kirche/kirchlich), katoliški (dt.: katholisch), krščanski (dt.: christlich). Befürworter/ -innen verweisen damit einerseits auf die enge Verbindung von Kirche und Staat und andererseits auf ihre Einmischung in die Rechte der Frauen. Auch in den slowenischen Kommentaren wird der Vergleich mit dem Islam gezogen: katoliška različica islamis- tov (dt.: katholische Variante der Islamisten). Die Themenkonstituenten wie biblija Linguistica_2021_FINAL.indd 56 31. 03. 2022 09:31:13 57 (dt.: die Bibel) oder Bog (dt.: Gott) verwenden Befürwort/-innen hingegen, um zu ver- deutlichen, dass ihre Auffassung der Abtreibung auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und nicht auf religiösem Glauben basiert. Abb. 5: Screenshot Concordance Plut der Suchwörter zum Teilthema Politik in 24ur und MMC: vlad*, držav*, Poljskem, politik*, EU, evro* Abb. 6: Screenshot Concordance Plut der Suchwörter zum Teilthema Religion in 24ur und MMC: rkc*, cerk*, katol*, kršč*, biblija, Bog (Concordance Plot) Linguistica_2021_FINAL.indd 57 31. 03. 2022 09:31:14 58 Das Teilthema Kinder- und Frauenrechte stellt im MMC-Kommentarforum das wichtigste Teilthema dar und wird im Vergleich zum 24ur-Kommentarforum deutlich intensiver diskutiert (vgl. Abb. 7). Während im letzteren nur das durch das neue Gesetz zerstörte Recht der Frauen diskutiert wird, werden in MMC unterschiedliche Aspekte relevant gesetzt. Die häufigsten Themenkonstituenten sind otroka (dt.: Kind), splav (dt.: Abtreibung), ženske (dt.: Frau) und življenje (dt.: Leben). Die Abtreibungsgegner/-innen verbinden mit der Themenkonstituente splav (dt.: Abtreibung) Kollokatoren wie slab in krivičen (dt.: schlecht und ungerecht), moralno sporen (dt.: moralisch fragwürdig), slaba odločitev (dt.: schlechte Entscheidung) und mit der Themenkonstituente otrok* (dt.: Kind*) Kollokatoren wie umor bolnih otrok (dt.: Mord von kranken Kindern) oder ubijanje nerojenih otrok (dt.: Umbringen von ungeborenen Kindern), um die Abtreibung als eine Gewalttat darzustellen. Diese sollte ihrer Meinung nach verhindert werden, um die ungeborenen Kinder und deren Recht auf Leben zu schützen. Die Befürworter/-innen der Abtreibung verwenden hingegen Wortverbindungen wie poseg v telo ženske (dt.: Eingriff in den Körper der Frau), ženske, ki otroka niso želele (dt.: Frauen, die das Kind nicht wollten) oder splav ni vprašanje vere, ampak človeka (dt.: Abtreibung ist nicht die Frage der Religion, sondern des Menschen), um darauf hinzuweisen, dass die Abtreibung das Grundrecht der Frau ist, welches weder von der Kirche noch dem Staat eingeschränkt werden darf. Die letzte wichtige Themenkonstituente ist zarodek (dt.: Embryo), die in einigen Kommentaren synonym für Kind verwendet wird. Während die Abtreibungsgeg- ner/-innen das Wort aufgreifen, um zu erklären, ab wann ein Embryo als Lebewesen gilt und nicht mehr abgetrieben werden darf, setzen es die Befürworter/-innen ein, um hervor- zuheben, dass im Falle eines deformierten Embryos eine Abtreibung erlaubt sein müsste. Im Gegensatz zum deutschen Teilkorpus kommt dem Teilthema Demonstrationen in den slowenischen Kommentarforen keine zentrale Rolle zu. Die relevanten Themen- konstituenten wie protesti (dt.: Demonstrationen) oder protestniki (dt.: Demonstranten) verwenden Befürworter/-innen, um ihre Unterstützung für Demonstrierende zu zeigen. Das wird durch den Kollokator vsa podpora (dt.: volle Unterstützung) noch deutlicher. Die Themenkonstituente policija (dt.: Polizei) setzen Befürworter/-innen hingegen ein, um die Handlungen der Polizei und Politik zu verurteilen: Sramota v moderni dobi, kaj dela politika in policija (hanna.m, 24ur, 23.10.2020).7 Das Teilthema Wissenschaft entfaltet sich im MMC-Kommentarforum wider Er- warten der manuellen Analyse zu einem wichtigen Teilthema: Im Diskursverlauf kom- men die Lexeme strok* (dt.: Expert*) 9 Mal und znan* (dt.: Wissenschaft*) 26 Mal vor. Die Analyse zeigt allerdings, dass Wissenschaft nicht nur Befürworter/-innen ver- wenden, z.B. svoje znanje črpal iz znanstvenih in strokovnih knjig, ne pa iz Biblije (dt.: er schöpfte sein Wissen aus wissenschaftlichen und fachlichen Büchern, nicht aus der Bibel), sondern auch Abtreibungsgegner/-innen, z. B. stroka nima pojma, stroka tudi zmotljiva (dt.: die Experten haben keine Ahnung, die Experten machen auch Fehler). Auch das Teilthema „Adoption“ kommt nur in MMC vor und wird von Abtreibungs- gegner/-innen besprochen. Sie erwähnen Adoption als eine Alternative zur Abtreibung: Se strinjam, splav je treba prepovedati v čisto vseh primerih. Naj ga mama donosi in ga 7 Deutsch: Eine Schande in dem modernen Zeitalter, was die Politik und die Polizei machen. Linguistica_2021_FINAL.indd 58 31. 03. 2022 09:31:14 59 Abb. 7: Screenshot Concordance Plut der Suchwörter zum Teilthema Kinder- und Frauenrechte in 24ur und MMC: pravic*, otro*, splav, ženske, zarod* Abb. 8: Screenshot Concordance Plut der Suchwörter zum Teilthema Wissenschaft in 24ur und MMC: znan*, strok* Linguistica_2021_FINAL.indd 59 31. 03. 2022 09:31:14 60 da po rojstvu v posvojitev, če res ne more drugače. Ljubečih zakonskih parov, ki čakajo na možnost za posvojitev otroka, je ogromno. (uizzi, MMC, 24.10.2020)8. Es gibt aber auch einige Befürworter/-innen, die hervorheben, dass Adoption nicht immer eine gute Lösung sei, da es viele Probleme im Adoptionssystem gibt und es oft wegen der kom- plizierten rechtlichen Verfahren sehr schwer ist, ein Kind zu adoptieren, weswegen viele Kinder nicht adoptiert werden und in Waisenhäusern aufwachsen. Durch den Vergleich von Themenkonstituenten kann man feststellen, dass die Teil- themen Politik und Religion in slowenischen Kommentaren ähnlich häufig sind und immer wieder aufgegriffen werden. Dem Teilthema Frauen- und Kinderrechte kommt hingegen im MMC-Kommentarforum eine dominante Rolle zu; zudem werden hier zwei weitere Teilthemen, Adoption und Wissenschaft, diskursiv relevant gesetzt. 4 FAZIT UND AUSBLICK Der qualitativ-quantitative Zugang auf Online-Diskurse, wie er in diesem Beitrag an deutschsprachigen und slowenischen Kommentarforen zu themengebundenen Artikeln in slowenischen, deutschen und österreichischen Online-Zeitungen durchgeführt wird, hat gezeigt, wie Themendynamiken diskurslinguistisch in einer kontrastiven Perspek- tive untersucht werden können. Während mit qualitativer Analyse eines Diskursfrag- ments Teilthemen samt Themenkonstituenten im Hinblick auf Akteurinnen und Akteure erarbeitet werden können, schafft die quantitative Analyse und Visualisierung frequen- ter Themenkonstituenten mit AntConc eine gute Vergleichsbasis für die Exploration von Diskursrelevanz einzelner Teilthemen sowie ihrer Dynamik im Diskursverlauf und kontrastiv in unterschiedlichen Sprachkorpora (vgl. Fijavž/Fišer 2020; Polajnar 2022, i. Dr.). Zudem wurden mit AntConc relevante Kollokatoren sowie Konstruktionsmuster mit Slots (z.B. X der Frauen) erarbeitet, anhand welcher Einstellungen gegenüber dem betrachteten Abtreibungsgesetz erschlossen wurden. Insgesamt wurden sowohl Konvergenzen (gemeinsame Teilthemen: Kinder- und Frauenrechte, Religion und Politik) als auch Divergenzen erarbeitet. Zu Unterschieden kommt es beispielsweise im Umfang und der Entfaltung der behandelten Teilthemen. In slowenischen Kommentaren wird – im Gegensatz zu den deutschsprachigen – beim Teilthema Politik relativ oft der Vergleich mit Slowenien gezogen, und zwar aufgrund der Befürchtungen, die slowenische Regierung könnte eine ähnliche Verschärfung ein- führen. Dies lässt sich dadurch erklären, dass sich trotz einer viel geringeren Rolle der Kirche in Slowenien die momentane slowenische Regierung in ihrer politischen Ausrichtung näher an der polnischen positionieren lässt als die deutsche oder öster- reichische. Obwohl in beiden Kommentarforen die europäische Perspektive relevant gesetzt wird, werden unterschiedliche Aspekte thematisiert: Während in deutschspra- chigen Kommentaren die undemokratischen Gesetze wie das polnische als EU-fremd 8 Deutsch: Ich stimme zu, Abtreibung sollte in absolut allen Fällen verboten werden. Die Mutter soll es zur Welt bringen und nach der Geburt zur Adoption freigeben, wenn sie wirklich nicht anders kann. Es gibt viele liebevolle Ehepaare, die auf die Möglichkeit zur Adoption eines Kindes warten. Linguistica_2021_FINAL.indd 60 31. 03. 2022 09:31:14 61 sowie die Passivität der EU kritisch bewertet werden, kritisieren slowenische User/ -innen vor allem die opportunistische Haltung Polens gegenüber der EU, was auf Men- talitätsunterschiede der EU-Gründungs- und EU-Beitrittsländer verweist. Ein weiterer thematischer Unterschied betrifft die Teilthemen Adoption und Wissenschaft, welche nur in slowenischen Kommentaren Diskursrelevanz aufweisen und in Zeitungsartikeln gar nicht erwähnt werden. Diese Unterschiede deuten darauf hin, dass Diskurse, wie sie sich in Kommentarforen konstituieren, nicht nur eine interaktive Erweiterung medialer Diskurse darstellen, sondern als eigenständiges Diskursmedium mit eigenen Themen- entwicklungen eine Rolle bei der Wissenskonstitution spielen. Durch den Sprach- und Themenvergleich konnten kulturelle Unterschiede auf thematischer, aber auch auf struktureller Ebene aufgezeigt werden, denn deutschsprachige Kommentarforen sind viel dialogischer ausgerichtet, wohingegen die slowenischen Kommentarforen eher eigenständig oder in sehr kurze Threads eingebettet sind. Trotz des kleineren Umfangs des slowenischen Kommentarforums konnte in allen eine vergleichbare Themenviel- falt festgestellt werden. Die vorliegende diskurslinguistische Themenanalyse des Diskursausschnitts, der die „Außenperspektive“ auf das betrachtete diskursive Ereignis darstellt, konnte trans- nationale Konvergenzen und Divergenzen aufzeigen. Eine wichtige Ergänzung wäre ein Vergleich mit dem polnischen Diskurs. Literatur Sekundärliteratur: AntConc: Anthony, L. (2019). AntConc (Version 3.5.8) [Computer Software]. Tokyo, Japan: Waseda University. https://www.laurenceanthony.net/software (Zugriff: 13.1.2021). 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Zusammenfassung THEMENDYNAMIKEN DIGITALER DISKURSE – EINE KONTRASTIVE DISKURSLINGUISTISCHE ANALYSE SLOWENISCH- UND DEUTSCHSPRACHIGER KOMMENTARFOREN ZUM ABTREIBUNGSGESETZ IN POLEN Im Beitrag wird mittels eines qualitativ-quantitativen Zugangs zu deutschsprachigen und slowenischen Kommentarforen gezeigt, wie Themendynamiken diskurslinguis- tisch in kontrastiver Perspektive untersucht werden können. Während mit qualitati- ver Analyse Teilthemen samt Themenkonstituenten im Hinblick auf Akteurinnen und Akteure je Sprache erarbeitet werden, schafft die quantitative Analyse und Visuali- sierung frequenter Themenkonstituenten mit AntConc eine gute Vergleichsbasis für die Exploration einzelner Teilthemen sowie Themendynamiken im Diskursverlauf und sprachübergreifend in unterschiedlichen Sprachkorpora. Durch den Vergleich werden Konvergenzen (gemeinsame Teilthemen) und Divergenzen erarbeitet: Zum einen lassen sich kulturell begründete Unterschiede auf thematischer Ebene aufzei- gen, die den Umfang und die Entfaltung der behandelten Teilthemen betreffen, zum anderen wird die Dialogizität auf struktureller Ebene untersucht. Insgesamt zeigt sich, dass Kommentarforen als eigenständiges Diskursmedium mit eigenen Themen- entwicklungen auch in sprachübergreifender Perspektive eine wichtige Rolle bei der Wissenskonstruk tion spielen. Schlüsselwörter: Diskurslinguistik, kontrastive Analyse, thematische Analyse, Kom- mentarforen, Slowenisch, Deutsch Linguistica_2021_FINAL.indd 64 31. 03. 2022 09:31:14 65 Abstract DYNAMICS OF DISCURSIVE THEMES IN DIGITAL DISCOURSE – A CONTRASTIVE DISCOURSE-LINGUISTIC ANALYSIS OF SLOVENE AND GERMAN COMMENTARY FORUMS The article uses a qualitative-quantitative approach to explore comment forums where German or Slovene are used, uncovering dynamics related to discursive themes in a con- trastive discourse-linguistic perspective. While qualitative analysis is used to develop subthemes with regard to discourse agents per language, the quantitative analysis and visualization of frequent thematic constituents with AntConc creates a good basis for comparison of individual subthemes as well as theme related dynamics in a particular discourse and across languages. By comparing discursive themes in different subcor- pora both convergences (mutual subthemes) and divergences were uncovered: on the one hand, culturally based differences surface on a thematic level, affecting the scope and development of the analyzed subthemes, while dialogue-related differences emerge on a structural level. Overall, it turns out that comment forums, as an independent discourse medium with their own thematic developments, also play an important role in discursive knowledge construction from a cross-linguistic perspective. Keywords: discourse linguistics, contrastive analysis, thematic analysis, commentary forums, Slovene, German Povzetek DINAMIKA OBRAVNAVANIH TEM V DIGITALNIH DISKURZIH – KONTRASTIVNA DISKURZNOLINGVISTIČNA ANALIZA TEM V SLOVENSKIH IN NEMŠKIH SPLETNIH KOMENTARJIH V članku so nemški in slovenski komentarji k spletnim člankom obravnavani po kvalita- tivno-kvantitativnem pristopu, da bi pokazali, kako je mogoče dinamiko diskurzivnih tem proučiti z diskurznolingvistične in kontrastivne perspektive. V kvalitativni analizi se osre- dotočamo na proučevanje razvoja podtem glede na akterje v vsakem izbranem jeziku pose- bej. Kvantitativna analiza in vizualizacija pogostih tematskih sestavin posameznih podtem s konkordančnim programom AntConc pa omogočata primerjavo posameznih podtem gle- de na njihovo prominentnost in primerjavo njihove dinamike v poteku diskurza v različnih jezikovnih korpusih. Kontrastivna analiza pokaže tako konvergence (skupne podteme) kot tudi divergence: po eni strani se na tematski ravni pokažejo kulturno pogojene razlike, ki vplivajo na obseg in razvijanje obravnavanih podtem, po drugi strani pa – glede na dia- loškost – razlike na strukturni ravni. Pomembna ugotovitev je, da imajo forumi spletnih komentarjev kot samostojen diskurzni medij z lastno dinamiko podtem tudi z medjezikov- nega vidika pomembno vlogo pri sooblikovanju družbeno relevantnih diskurzov. Ključne besede: diskurzna lingvistika, kontrastivna analiza, tematska analiza, spletni komentarji, slovenščina, nemščina Linguistica_2021_FINAL.indd 65 31. 03. 2022 09:31:14