Antiglme nach dem Griechischen des Sophokles mit dem leitenden Gedichte von Christian Natkner, Musik von Felix Mendelssohn Bartholdy, aufgeführt im phityarnionischt'il ZeselWnft in Laikach am 9. Dtzemkrr 1864. Das leitende Gedicht wird von dem Mitgliede des landschastl. Theaters Herrn Ludwig Llach gesprochen. Lai buch, 1864. Selbstverlag der philharmonischen Gesellschaft. 5 / / ? l'/ as wahrhaft groß und rdrl ist im Menschen, Entflammt das Menschenherz, erhebt den Geist, Sind auch Jahrhunderte dahingcschwunden; Es bleibt das Herz der Liebe Heiligthnm, So lang' ein Herz im Mcnschenbusen schlägt. Heiß wogt das Blut; die Lebenskraft entzückt; Doch auch dem Aschcnkrug gebührt sein Recht. Umschlingt das Dasein uns mit tausend Armen, Bleibt heilig doch des Grabes stiller Traum. Natur und Menschlichkeit gebieten uns Zu ehren ewig, was wir einst geliebt. Was Einer litt, das fühlen Tausende, Was Einem gab des Glückes guter Stern, Was Einer Schönes schuf und Großes that, — Es lebt und wirkt, so lange Menschen leben. Der Haß schlägt Wunden, lange blutend, doch Der Liebe Balsam quillt für jeden Schmerz. WaS einst geschah, hallt aus der dunkeln Vorwelt Herüber in die lichte Gegenwart. Ein Königswort rief aus dem Grab' der Zeit Herauf den Schatten eines Dichtcrkönigö, Der, Hellas Zierde einst, noch jetzt, Noch heut' ein Ganymed der Poesie Den reinsten Nektar Euch kredenzen soll. Was er vom Leben der Heroenzeit Gestaltet für die Bühne seines Volkes, Zieht nun vor Eurer Phantasie dahin. Gehoben durch die hehre Geisterstimme, Mit der ein Zeitgenoss, ein edler Meister Der Töne, jenes Meisterwerk Des alten Dichters neu in's Leben rief, 4 Getragen auf der Himmelstöne Schwingen Führt er Euch auf den fernen Schauplatz hin, Wo Thaten, schön und schrecklich, sich entfalten. Vernehmt und horchet ihm! Oedipos, König einst in Thebens Stadt, Er, dessen Leben eine Reihe war Von schweren Schlägen feindlichen Geschick's, Die schmerzlich trafen des Schuldlosen Haupt, — Ach! wer ist schuldlos vor des Schicksals Macht? — Er, dessen Muth dem Unglück unterlag, Beraubte selbst des Augenlichtes sich. Hinwandelnd durch die düst're Lebensnacht, Fleht er, daß Theben ihn vom Thron' verbanne; Sein Volk, von ihm geliebt, ihm liebend treu, Will selbst den blinden König nicht vermissen; Doch seiner Söhne Paar, von Hcrrschbegier Entflammt, sie rauben ihm des Volkes Liebe, Und er entsteigt dem Thron, verläßt die Stadt; Doch scheidend trifft des Vaters Fluch die Söhne, Die lieblos und undankbar sich zeigen. Als nun hinwandert der Verstoßene, Schließt Eteokleö jubelnd mit Dem Bruder Polpnikes rasch Den Bund, zu theilen unter sich den Thron, Daß jeder ein Jahr wechselnd sich erfreue. Den Herrscherreih'n beginnt Eteokles. Zu lieblich strahlt der gold'neu Krone Glanz, Zu mächtig ist der Herrschaft Zauberrciz, — Trotzend dem Schwur, dem Bruder und den Göttern, Will er nicht weichen vom bestieg'nen Thron, Will, was einmal ihm war zu Theil geworden, Festhalten, als sein festes Eigenthnm, Des Lebens Höchstes mit dem Leben nur Hingeben. Polynikes, hoch entflammt Von gleicher Hcrrschbegier, von Schwur und Recht, Und lechzend nach dem ihm bestimmten Thron, Flieht zu Adrast, dem Könige von Argos. s Sechs Fürsten schließen sich dein Bunde an; Schon steht vor Theben das vereinte Heer. Der Kampf beginnt. Die Brüder wnthentglüht Begegnen sich anf leichenvollem Schlachtfeld. Sich sehen, sich entgegenstürzen, die Gehob'nen Speere in die Brust sich stoßen, — Es ist ein Werk von Einem Augenblick! Sie sinken; mit dem Blnt' entströmt das Leben. Des Hochmuths Opfer, ruh'n die Feindlichen, Im Tode versöhnt, nun friedlich aufeinander. Kreon, der Brüder Ohm besteigt den Thron, Er, hold dem EtcokleS, gibt dem Liebling Die Todtenfeier nnd des Grabmals Ehre; Doch nimmer fei Beerdigung vergönnt Dem PolynikcS — so ist Krcons Wille; — Des Unglücklichen Leichnam, nnbegraben, Er sei der Geier nnd der Hunde Ranb; Tod treffe Jeden, der den Todten ehrt! — Im Stillen wird des Armen LooS beklagt; Doch fügt sich Jeder schweigend dem Gebot. Die Schwesterliebe nur vermag es nichi, Der Leiche Schmach, des Schattens Qnal zu dulden; Ein Heldcnmnth entflammt das weiche Herz — Antigone, die zarte Jnngsran, sie Beschließet zu vollbringen eine That, Vor welcher selbst des Mannes Muth erbleicht. Geheimnißvoll vor dem Pallast deö Königs Erscheint sie mit der Schwester, ihr allein Vertrauend, was die Seele ihr bewegt; Erfüllt vom Pflichtgefühl der Menschlichkeit, Will des geliebten Bruders Leiche sie, Unmenschlichen Geboten trotzend, ehren, Den Unbcgrabencn dem Grabe wcih'n. Sie schreckt kein Königssprnch, kein Droh'n, kein Tod, Und unerschrocken eilt sie, zn vollziehen Die schönste Heldenthat, die je Ein Franenherz vollbracht. 8 Versammelt hat sich Thebens Volk Mit Sang und Tanz in allen Tempeln Des holden Friedens Glück zu feiern. Froh tönt ihr Jubel durch die Stadt. Chor. Strophe I. Strahl des Helios, schönstes Licht, das der siebenthorigcn Stadt Thebe's nimmer zuvor erschien; du strahlst endlich des gold- nen Tags Ausblick, herrlich herauf, über Dirke's strömeude Fluthen wandelnd; und ihn, der mit leuchtendem Schild kam von ArgoS in voller Wehr, triebest du flüchtig iu eilendem Lauf fort mit hastigem Zügel; ihn, der durch Polynikes feindliche» Zwist zu dem Kampfe geführt auf unsere Gau'u, mit scharfem Getön wie ein Adler daher- flog über das Land, von der Schwinge gedeckt, hellglänzend wie Schnee, mit der Rüstungen viel und mähnenumflatterten Helmen. Gegenstrophe I Ueber unserem Dach nmgähnt er den siebenthorigen Mund mit bluilechzeuden Speeren rings, und floh, ehe mit unserem Blute er voll Gierde den Schluud füllen möcht', und ehe der Thürme Umkräuzung tilgt' Hephästos in Fackclglut. Also tost' im Rücken ihm her Ares Gewühl, schwer wurde sei» Kampf, denn ih» drättgtc der Drache. Ja schwer haßt Zeus großsprechender Zuug' aufblähendcu Stolz, und als er ihr Herr, den heranwogeudeu Strom schimmernd in Gold, im Geräusch unbänd'gen Trotzes ersah, tras er den Mann mit geschwungenem Strahl, der schon an die Höhen, Sicgsruf er­ hebend empordrang. Strophe II. Niedergcschmettert zur dröhnenden Erde stürzt er, welcher, bewehrt mit der Fackel, in trunknem Wahnsinn, in wuthschnauben- dem Drang unö anblieö mit seindlichcm Hauch; doch es ging anders aus! Andern verhängt andere Loos' AreS der wildwirreiide Treiber, schaltend zur Rechten. Recitativ. Denn die Sieben, um siebe» der Thore gestellt, Man» wider den Mann, sie ließen die Wehr, rings starrend von Erz dem besie­ gende» Zeus. Nur die Zweie voll Grimm, aus dcmselbigen Blut, aus demselbigen Schooß, die gegen sich selbst die gewaltigen Speer' erhoben, umfing deS gemeinsamen Todes Verhänguiß! Gegenstrophe II. Aber die uantcnverleihende Nike kam ja, gnädig vergeltend der wageubcrühmten Thebc; deßhalb denkt nach dem Kampf' ihr auch nicht des jetzigen mehr! Laßt in Nachtreigen uns tanzend umherzich'n zu der Stadt Tempeln; voran hebe sich BachcuS Theben erschütternd! Der Chorführer. Doch hier naht uns des MenökcuS Sohn, Kreon der neuwaltende Herrscher, erregt von dem neuen Geschick, das Götter verhängt. " 7 Chor. Ihm wogt ein hoher Gedank' in der Brust, weil eben der Greis' ehrwürdigen Rath er hierher lud zum Versammlungsort, durch He­ rolds Ruf sie bescheidcnd. II Die Stimme des FrohlockenS schweigt. Hervor tritt Krcon, kündend seinem Volk Das Machtgebot: „Es bleibe »»begraben DeS Polynikes Leiche; Schmach nnd Tod, Sie treffen jeden kühnen Uebertreter Des königlichen Spruch's." — Ein Bote, kanm Des Wortes mächtig, bleich nnd zitternd, eilt Herbei, die Schreckcnskunde überbringend: Begraben sei der Leib des Polynikes, Doch wessen Hand die kühne That gewagt, Sei selbst dem schärfsten Späher unbekannt. — Hoch lodert auf des Königs Zorn; er schwört: Nichts bleibe unversucht, die Folter selbst, Den Thäter des Verbrechens zn entdecken; Nicht rnhen will er, bis dnrch Macht und List Ergriffen sei das Haupt des Schuldigen. Vor dem Gewaltigen bebt Thebens Volk; Es preist des Menschen hochbegabten Geist. Erfindungsreich, allfähig, alles wagend, So zeigt er sich in seiner Herrlichkeit, — Und doch harrt, unvermeidbar sein der Tod. Chor. Strophe I. Vieles Gewaltige lebt, und nichts ist gewaltiger als der Mensch, drum selbst über die dunkele Meerfluth zieht er vom Süd umstürmt, hinwandelnd zwischen den Wogen, den ringS umtosten Pfad. Er müdet ab die höchste Göttin, Gäa, die ewige, nie zu er­ mattende, während die Pflüge sich wenden von Jahr zu Jahr, mit der Rosse Stamm sie furchend. Gegenstrophe I. Flüchtiger Vögel leichte Schaar und wildschwär- meudes Volk im Wald, Thier' auch, welche das Meer erzog, sängt er, listig umstellend, ein in netzgesponnener Windung, der viel- 8 erfahrne Mensch; gewandt bezwingt er anch des Landes Berge durchwandelndcs Wild, und den mähnigen Nacken nmschirrt er dem Roß mit dem Joche rings, anch dem unbezwungnen Bergstier. Strophe II. Und das Wort nnd den triftigen Fing des Gedankens erlernt' er, ersann staatordnende Satznngen, weiß dem ungastlichen Froste des Reifes und Zeus Rcgenpfeilen zu entfliehn. Ucberall weiß er Rath, rathloS trifft ihn nie das Künftige. Nur nicht den Tod zu fliehn ward ihm vergönnt, doch schwere Krankheit bannt er durch sichere Heilung. Gegen strovhe II. In Erfindungen listiger Kunst wohl über Verhoffen gewandt, neigt bald er znm Argen, znm Guten bald, achtet hoch der Heimat Gesetz, der Götter schwnrheilig Recht; Segen der Stadt! Aber zum Fluche lebt ihr, wer, gesellt dem Laster, voll Trotz sich bläht; nicht an meinen Herd mit mir gelange, noch in meinem Rath solch ein Frevler. Recitativ. Was seh' ich? Erscheint von den Göttern gesandt dies Wunder? Ich weiß, wie läugnet' ichs noch, daß die Jungfrau dort Antigvne sei. Unglückliches Kind, von dem Unglücksvater, dem Oedipns, ach! Was ahnt mir? Führen sie dich hierher, weil du die Gebote dcö KöuigS brachst, nnd ergriffen dich über dem Wagstück? III So schnell ereilt die Strafe das Vergeh'»! Weh! daß ein Herz durch Liebe strafbar wird! Antigouc, sie hat die fromme That Vollbracht; die Erde deckt deö Bruders Grab, Betham vom Schmuck der Schwesterthräuen; Doch nichts entgeht dem Späherblick der Wächter; Wo sie den Himmel nur als Zeugen sah Ergriffen auf der That, wird sie Von rauhen Männerarmen hingeführt Vor Kreon's grimmentflammtcs Angesicht, Der sie zur Rede stellt ob jener That. Die Jnngfrail spricht voll Würde edelstolz: „Nicht feige Furcht verschließe mir den Mnnd! „Was ich vollbracht, deß war der Himmel Zeuge, „Der leuchtend blickte auf die fromme That. 9 „Was Menschlichkeit mir in daS Herz geschrieben „Mit nnvertilgbar heil'gcn Flammenzügen, „Dem folgte ich, gehorchend ohne Scheu „Dem Götterwillen, nicht der Menschensatzung." Der König zürnt der Unerschrockenen: „Und weißt du, daß der Tod den Frevler trifft, „Der dem Gebot des Herrschers wagt zu trotzen?" — Sie spricht: „Mich treffe ehrenvoller Tod! Schmach war'S, zu unterlassen, was ich that." Ergrimmt ob solchem Trotz, der König rnft: „So steige lebend in das Felsengrab! „Nicht länger sollst du schau'n den Sonnenstrahl, „Vergehend qualvoll in der Todesnacht!" Mit schmerzbcklomm'ner Stimme flüstert sie: „Wohlan! so tödte deines Sohnes Braut! „Ich werde einsam und wehklagend sterben, „Doch des Erlernen Liebe wird „Mir folgen in das Schattenreich." Den König rühret nicht der Jungfrau Tod, Rührt nicht des eig'nen Sohnes Schmerz; Der Liebelose horchet nur dem Haß; — Zum Grabe wird Antigone geführt. Wehklag' und Trauer folgt der Scheidenden, Doch muß aus ihrer Gruft ein böser Dämon Aufsteigcn, denn beschlossen hat Des Königshauses Untergang Zeus, der Hochstrahlende, allwaltende. Chor. Strophe I. Der Chorführer. Ihr Seligen, deren Geschick nie kostet' Unheil! Wem sein Wohnhaus Götter erschütterten, niemals läßt der Fluch ihn, von Geschlecht zu Geschlecht wälzend. Chor. So wie das aufgeschwoll'ne Meer, wann von Thrakersturm erregt, machtvoll eS in die umdüsterte Tief' hinab sich wälzt, vom Abgrund aus den schwarzen Meersand wühlt, und dumpf im stöhnenden Orkan die flnthgeschlag'nen Ufer tosen. 1« Gegenstrophe I. Der Chorführer. Wohl seh' ich in LabdakoS HanS uraltes Leiden fort und fort aufs Leid der Geschied'nen sich häufen ; nicht Be­ freiung schafft ein Geschlecht dem Geschlecht; hinab stürzt ein Gott sie, löst nicht ihren Fluch! Chor. Denn die letzte Wurzel, der glücklicheres Licht erstrahlt in dem Haus des Oedipus, auch die mäht nun der TodeSgötter blutigrothe Sichel ab, des Sinnes Thorheit und der Seel' Erinnys. Strophe II. Wer mag deine Gewalt, o Zeus, kühn anfhalten in frevlem Hochmuth? die nimmer der Schlaf fesselt, der Allentkräftcr, nimmer der Götter rasche Monden. In nie alternder Zeit bewohnst du des Olympos lichten strahlenden Gipfel, Herrscher! für ver­ gangene Zeit und Zukunft und jetzo besteht dieß Gesetz. Nimmer nahet im Leben das Glück lauter und frei vom Leide. Gegenstrophe H. Denn die schweifende Hoffnung bringt oft wohl vielen der Männer Segen, doch vielen der leichtsinnigen Wünsche Täuschung; manchen beschleicht sie arglos, bis er den Fuß senget an heißer Flamme. Das gepriesene Wort drum scholl von des Weisen Munde, es bedünke Böses gut oft dem, welchem ein Gott den Sinn in'ö Verderben lenke. Nur flüchtige Zeit wandeln wir frei vom Leide. Recitativ. Sieh, Hämon erscheint, der deinem Geschlecht am letzten entsproß; wohl über das Lvos der verbundenen Braut Antigone, naht er von Jammer erfüllt, um der Hochzeit Raub sich betrübend. IV Schon hat vernommen Hämon, Krcon's Sohn, Des harten Vaters grausen Todeöspruch Der ihm verlobten heißgeliebten Braut. Der Jüngling, edlen Geistes, sanften Herzens, Tritt vor den Vater, ehrend seinen Willen, Dem er, und brach' ihm auch das Herz, sich beugt Nicht wagt er es, zu klagen seinen Schmerz, Doch drängt ihn daS Gefühl der Kindespflicht, Dem König kund zu thun, wie Tadel schleicht, Mißbilligend den harten TodcSsprnch: „O hemme — fleht er — deinen Zorn und öffne „Dem Recht, dem Edelsinn dein Herz! „Ihr, die des Lebens Ehr' und Zierde ist, „Ihr gönne du des Lebens Freud' und Ruhm! 11 „Was sie vollbracht, bringt dir und Theben Ruhm; „Den Zorn der Todten aber reize nicht! „Die Reine steht im Schutz' der Himmlischen; „Wen Götter lieben, hasse nicht der Mensch!" — Des Jünglings Flehen trifft ein Herz von Stein. Das Haupt gesenkt, den Blick voll düst'rer Gluth, Spricht Kreon dnmpsen Lautes vor sich hin: „Ihr Brantbett sei die Felsenklnft!" — Bon Hamon's bleicher Lippe stöhnt es leise: „Sie stirbt — und ihrem Tod folgt and'rer Tod!" — Dem inhaltschweren Wort' horcht Kreon nicht! Er steht unbeugsam, ein Gebild von Erz. Es siegt der Haß, und durch den Haß der Tod; Der Stern der Lieb' erlischt, und mit ihm das Leben. Das Mitgefühl bewegt des Volkes Brust Und aus des Herzens Tiefe tönt ein Lied. Es preist der Liebe Macht, Es klagt der Liebe Leid. Soloquartett, Chor und Melodram. 8 uIi. Strophe I. O Eros, Msteger im Kampf! O Eros, einstürmend in Heerden, der Nachts auf schlummernder Jungfrau zartblühende Wangen webet! Du schweifst ob Meerfluthen, besuchst hirtliche Wohnstätten; kein unsterblicher Gott kann dir entrinnen, kein Sterblicher auch, deö Tageö Sohn, der Ergriffene raset. Gegenstrophe I. In böse Schuld lockst du den Sinn des edlen Mannes, ihn zu verderben. Auch diesen Hader erregtest du bei den verwandten Männern. Im Blick der holdseligen Braut waltet der Sehnsucht Macht siegreich, die in dem Rath der höchsten Gesetze thront, und es gewinnt im Spiele den Sieg Aphrodite kampflos. Und horch! der Wehrns der Braut; Dem Tod geweiht, Tönt in das Klagelied, Wie Nachtigall den Schmerz Im Schooße der Nacht hinweint. Chor. Auch mich führt schon, was ich anseh'n muß, weit über die Bahn des Gesetzes hinauö; uicht länger bezwing' ich der Thränen Er­ guß, da ich sehe, wie nun Antigone dort in das allesverschlingende Grab eilt. 12 O seh't mich, seh't Bürger der Väterheimat, wie ich den letzten Weg dahin wandle, — den letzten Strahl sehen soll von Helios Glanz, nnd nie wieder. — Bebend entführt Hades, all' ausnehmend in Rnh', mich zu den Ufern Acheron's; Hymenäen erschollen nicht, kein bräntlichcs Lied feierte mich mit Festklängen, Acheron ruft ins Brantbett mich! Chor. Doch würdig des Ruhms und mit Lobe geschmückt wandelst du hin dort in der Todten Gemach; nicht zehrende Krankheit raffte dich hin, noch traf dich ein Schwert,Z>as Rache gezückt; nach eigener Wahl, nnd lebend, allein von den Sterblichen gehst du zum Hades. Ich hörte, wie Tantalos Tochter, jene Phrygerin, jammervoll einst aus Sipplos Höh'n erstarrt. Gleich des Ephen's schlingendem Grün rankt nm sie der sprossende Fels; — rastloö zehrt der Regen an ihr, lautet die Sage, der Schnee lässet sie nimmer und badet unter den thränenden Brau'n ewig den Bnsen ihr! Also bettet der Tod znr Rnh' auch mich! — Chor. Ja, sie war Göttin, göttlichen Stamms, wir Sterbliche nnr aus Menschengeschlecht. Doch groß ist auch des Gcschied'nen Ruhm, ein Loos mit Göttern zu theilen! Weh, Weh! Verlacht werd' ich! O Götter meiner Väter! Wie kannst du mich lebend höhnen, eh' ich in'S Grab sank? Stadt und o meiner Stadt Männer, reich an Besitznng! Und du Dirka's Brnnnquell, Lusthain du der wagenberühmten Thebe! Als Zeu­ gen beschwör' ich euch alle, wie nnbeweint von Freunden, kraft welchen Spruch's in's enge Grabgewölb' hinab zur neuen Gruft ich steigen muß! — O weh! Unsel'ge! — nicht unter Menschen, — nicht nnter Todten, im Leben nicht heimisch, noch im Tode! Chor. Vorschreitend bis zu des Muthes Ziel, stießest dn an Dike's hohen Thron gewaltig an, verwcg'nes Kind! Dn kämpfst wohl ans den Kamps des VaterS! Du regest herzkränkende Qual mir auf im Bnsen, daS Jammer­ geschick des Vaters, kündbar in aller Welt, nnd das ganze Loos, das nnS, Labdakos Stamm fiel. Weh! Weh! sluchvoll mütterlich Eh'bett, ans wel­ chem ich entsproß, die Unsel'ge, die fluchbeladen, unvermählt, nunmehr zn diesem niedersteigt. O weh! — Unselig war mir, o Bruder, dein Eh'bund auch! — Du stirbst, nnd mich raffst du fort vom Leben! Chor. Fromm handelt, wer die Todten ehrt; doch dessen Macht, dem Macht gebührt, zn verachten, ziemt sich nimmermehr; ja, dich stürzt cig'ne Wahl in's Unheil! Unbeweint, — ohne Freund, — unvermählt — dahin werd' ich geführt — schon bereit ist der Pfad; nimmer das heilige Auge der himm­ lischen Leuchte darf ich sehen, ich Arme! — Meinen Tod ehren die Freunde nicht mit Thränen, noch mit Klage. 12 V. Den Pfad des Todes wandelt sie dahin Erblichen ist der Wange Jngendroth, Erloschen ist der Augen Sternenlicht. Beklagt von Allen und verlassen doch Von Allen schreitet schweigend sie einher. Groß war, was sie vollbracht; groß will sie enden; Sie leidet, — doch die Götter wissen es; Sie stirbt, — doch ihrer harrt Elysium. Im Aeußern Ruh', hochwogend daS Gemüth, So scheidet sie, die holde Grabgestalt, Vom Leben, von der theuern Vaterstadt Und vom geliebten Jüngling, dem sie einst Freudig entgegcueilt im Schattenreich. Schon öffnet sich die dunkle Felsengruft, Sie steigt hinab; das Himmclslicht erlischt; Der leisen Stimme letzten Ton Hört nur die Tvdesuacht, kein Meuschenohr. — Nachhallt der einsam Sterbenden Wehmüthig schauerlich das Traucrlied, Wehrufeud, daß des eh'ruen Schicksals Macht Den Reinen, den Schuldlosen auch zermalmt. Melodram. Weh Thebe's heimische Burg! Und ihr Gottheiten des Stamm's — Sie reißen mich ohne Verzug fort — Und ihr Oberherrscher von Thebe seht Von der Könige Blut mich übrig allein! Welch Loos und von wem ich es dulde, Dieweil mir Heiliges gegolten. Chor. Strophe I. Auch der Danaü Reiz mußte des Himmels Lichtstrahl einst mit der Nacht tauschen im erzdichten Haus, uud verborgen im grab- ähulichen Ruhgemach wohnen. Und doch war sie, o Kind, von Geburt edel und trug hegend im Schooß goldener Saat Ströme von Zeus. Ja wohl ist des Geschicks Obergewalt furchtbar. Nicht kann der Reichthum, Ares nicht, kein Thurm ihr, noch das dunkle Schiff entflieh'», das rings die Woge umbrauset. 14 Gegenstrophe I. Dryas zornigen Sohn, Herrn der Edonen, als er wider den Gott frevelte, hohnlachend band Dionysos in felsstarrende Klnst ihn einzwängend. Also schwindet in Nichts eiteles Wahnsinnes wild- anfbransende Kraft; jener cmpfand's, daß er den Gott mit Hohnwor­ ten in wahnsinniger Wnth reizte; denn gottentzücktcr Franen Schwärm, die Glut des Evios wehrt' er ab, und höhnt' euch, flötenfrohe Musen. Strophe II. An der kyanischen Fluth des verschwistcrtcn Meeres hin, dehnt sich Bosporos Strand, und der thrakische Salmydessos, wo Ares, im Land waltend als Gott, an PhincuS zwei Söhnen schaute die grause Wunde, nachdem die ruchlose Gattin, blendend der Augen Sterne beiden, nicht mit dem Speere, nein, ergrimmt ansstach mit blutigen Händen, mit ihres Webschiffes scharfen Spitzen. Gegenstrophe II. Und es vergingen im Leiden die Elenden, über ihr Elend weinend, entsprechen dem Unglücksbund der Mutter, die doch an dem uralten Geblüt des Ercchheus Theil hatte; und bei den väter­ lichen Sturmwinden answnchs in fernen Grotten, die ross'ereilcnde Boread', auf steilen Höh'n, ein Gortkind. Doch auch sie bestürmte die Macht der uralten Moira, Tochter. Kreon! die Götter senden dir Noch einen Himmelöwink, noch eine Mahnung; Laß Eingang sie in deine Seele finden; Tircstas der Sehergreis, beraubt Des Augenlichts, tritt vor dich dir kündend, WaS dich erschüttern soll, das Unheil wenden. „Die Götter zürnen dir; erloschen ist „Daö Opferfeuer aus dem hcil'gen Herd, „Von Aar und Geier der Altar entweihst, „Die Götter nehmen von uns nicht Gebet, „Nicht Opfer, nicht des Weihrauchs Duft und Gluth. „O König! kämpfe mit den Todten nicht," „So spricht TirestaS der Sehergrcis, „Zu dir im Namen deines Volks." — Auch dieser Warnung bleibt des Königs Sinn Verschlossen. Falsch schilt er die Kunde, nennt Erkauft des greisen Sehers feilen Spruch. Da ruft TirestaS scheidend noch die Worte: „Du frevelst; doch eö lauern schon auf dich „Die rächenden Erynuien und schnell 18 „Eh' noch die Sonne ihren Lanf vollendet, „Trifft einen Sprößling deines Blut's die Strafe „Für jene Frevelthat, die du verschuldet." — So zürnend schreitet hin der SchergrciS. Stumm blickt der König dem Entschwund'ncn nach, Da plötzlich wie ein Zanberschlag saßt ihn Grau'n und Entsetzen. Wehruf tönt und Klage; Der Eumenidcn Schlangcngeißel schwirrt; Er stöhnt, er rast, sinkt, rafft sich auf und eilt Zur Felsengrnst, mit eig'ner Hand Die Jnngfran, die sein Wort dem Tode hingab, Heraufzuführcn an das Sonnenlicht. Von banger Sorge zitternd steht daS Volk Noch tönt in seinem Ohr' des Sehers Fluch; Es sieht des Königshauses Untergang. Zu Thebens Schutzgott steigt, um Hülfe flehend Ergrauter Männer Bittgesang empor. Chor. Strophe I. Vieluamiger! Wann'und Stolz der Kadmosjungfrau, du des stark erdonneruden Zeus Geschlecht! Du Schutz der herrlichen Jtalia, des gemeinsamen Meerbusens Herrscher am Strand, wo auch Deo thront. Hör' uns Bacheuö! in Thebe, der Bachanten Stadt, wohnend an JsmenoS feuchtem Gewässer, vereint der Saat des wilden Drachen! Gegcnstrophe ll. 8oli. Anf dem Felsen mit dopplcm Haupt sieht dich des Blitzes Flamme, wo korykische Mädchen froh der Bachen Tanz begeh»; dich steht der Bor» Kastalias, dich seier» nystscher Berg' Anhöh'u, Epheus voll! Chor. Dir singt grüner Strand tranbenbekränzt, dich grüßt mit fest­ lichem Hall' ein Chor heiliger Lieder, so oft dn Thebe's Gassen heimsuchst. Hör' unS Bachens! Strophe II. Die Stadt, die dn stets vor allen Städten verehrst; sammt der Mutter, die im Blitz dich umfing. Auch nun, da so gewaltig grause Noth die gesammte Stadt ergriff, komm rettend über daS Parnaßoö Höh'n daher, oder durch das Gestöhn des Meeres! Hör' uns, Bachens! Gegenstrophe il. O du gluthaussprüh'nder Gestirn' Anführer, der Nacht Jubeltönen vorgesetzt! Zens entsproß'ncr Knabe. Hör' uns! Im Gefolg der «arischen, der entzückten Mägde komm', komm', die ganz die Nächte hindurch schwärmend dich im Chortanz den Herrscher Jacchoö feiern. Hör' uns, Bacheus! j« VII Es ist zu spät! Schnell wie der Flammenpfeil Des Blitzes aus der Wolken dunklem Schooß Zur Erde fährt, hat sich des Sehers Fluch Erfüllt. Hinab steigt Krcon in die Gruft Ein leises Aechzen tönt ihm aus der Tiefe Entgegen, und beim düsterrotheu Glanz Der Fakeln, die den Schooß der Nacht beglich'» Erblickt er der Gestalten zwei, Die Todte und den Sterbenden. Erdrosselt mit dem Gürtel des Gewandes Ruht an den: Felsgestein Antigone In Hämons Arm. Ihr Ehbetr' ist die Gruft. Als nun des Vaters Jammerruf Der Jüngliug hört, starrt er mit wildem Blick', Hebt schweigend das gezückte Schwert und senkt Den Stahl sich in die eigne Brust, Uud auf der Jungfrau todeskalter Wange Stirbt seines Odems llcbeglüh'ndcr Hauch. Der Vater trägt iu seinen Armen Des Sohnes Leiche auS dem Grab. Glanzlos erscheint ihm nun des Lebens Pracht; Nichts sind ihn: Thron und Krone, Todt sinkt er mit dem todten Sohn znr Erde. Schlusichor. Hier kommt er ja selbst, der Gebieter heran, in den Annen das tautredende Denkmal nicht fremden Vergehens, nein, eigener Schuld, wenn mir es zu sagen vergönnt ist. Schwer drückt den Sterblichen des Schicksals Macht, Doch lastet schwerer noch die eig'ne Schuld, Und untergehen mnß ein Königshaus, Wenn Liebe in des Hasses Flammen starb! Viel köstlicher ist als Glückcsgcnuß der bedächtige Sinn; stets hege darum vor dem Göttlichen Scheu! Der Vermessene büßt das vermessene Wort mit schwerem Gericht; dann lernt er wohl noch weise zu werden im Alter. Gedruckt bei I- Rudolf MiUitz iu Laibach.