M. 8. August 1900. ill. Jahrgang. Mezugsbedingungen. Der „Stern der Neger" erscheint als illustrierte Monatschrist am Anfange jeden Monates und kostet jährlich 3 Kronen (3 Mark) mit Postversendung. Wir richten an unsere Freunde die innige Bitte, aus Liebe zum göttlichen Herzen Jesu und zu den armen Negern Centralafrikas uns unterstützen zu wollen durch Verbreitung dieser Zeitschrift in ihrem Bekanntenkreise und Werbung neuer Abnehmer. Förderer und Vertreter zur Verbreitung des „Stern der Neger" werden an allen Orten unter sehr günstigen Bedingungen gesucht. Der Ertrag des „Stern der Neger" wird zur Heranbildung von Missionäre» für die armen Neger in Centralafrika verwendet. Neu hinzukommende Abnehmer erhalten die bereits erschienenen Nummern nachgesandt. Adresse für Bestellung des „Stern der Neger": Missionshaus der Söhne des hlst. Lerzens Iestl in Mühland bei Brixen (Tirol). Msiwmre für Eenkral-Usiika oder Sudan. Bedingungen der Ausnahme. Die Congregation hat neben der Selbstheiligung der Mitglieder die Belehrung der Neger von Centralafrika oder Sudan zum Zwecke. Sie besteht ans Ordenspriestern und Ordeuslaienbrüdern. Zur Aufnahme ist für alle der Beruf zum Ordcnsstande erforderlich sowie der aufrichtige Wille, sich und seine Kräfte der Bekehrung der Neger zu weihen. Außer Priestern werden aufgenommen Studenten und Laienbrüder. Für die Studenten wird die vollendete V. Gymnasialclasse verlangt. In Mühland müssen alle 2 Jahre Noviziat machen, worauf sie, wenn nach dem Urtheile der Obern kein Hindernis entgegensteht, die heiligen lebenslänglichen Gelübde der Armut, der Keuschheit und des Gehorsams ablegen. Die Studenten setzen dann ihre Studien für das Priesterthum fort. Beim Eintritt muss jeder eine bescheidene Ausstattung an Kleidung und Leibwäsche mit sich bringen und soviel Geld, als zur Rückkehr in die Heimat erforderlich ist, wenn solche aus einem triftigen Grunde sich als nöthig erweisen sollte. Nach ihrem Eintritte, seien sie Studenten oder Laien, übernimmt das Institut ihre Versorgung mit allem Nöthigen, in Gesundheit und Krankheit, wie für seine Söhne Behufs Aufnahme in die Congregation ist an die unten bezeichnete Adresse einzusenden: 1. Ein selbstgeschriebenes Aufnahmsgesuch mit kurzer Lebensbeschreibung und der Erklärung, Ordensmann und Missionär für die Neger lebenslänglich sein zu wollen. 2. Das Zeugnis des Bischofes der eigenen Diöcese. 3. Das Tauf- und Firmungszeugnis. 4. Pfarramtliches Sittenzeugnis. 5. Aerztliches Gesundheitszeugnis. 6. (Sei Minderjährigen) die Einwilligung des Vaters oder Vormundes. 7. (Bei Studenten) die Zeugnisse der absolvierten Gymnasialelassen, besonders der letzten. 8. (Bei Laien) im Gesuche angeben, ob sic ein Handwerk verstehen. Adresse: Hochw. V. Obern des Missionshauses der Söhne des hist. Herzens Iesn in Mühland bei ßrimt (Tirol). %-ymi Organ des Wliionshaui'es der ,Höhne des Iji'li. Herzens Jesu". Erscheint am Anfange jedes Monats- Mr. 8. August 1900. III. Jahrgang. Inhalt: © Mutter in des Himmels Höhn (Gedicht). — Bericht über den Stand der Missionen von Lentralafrika. — Unsere Missionen. — vom afrikanischen Sclaven 511m katholischen Priester (Fortsetzung). — Erinnerungen an eine Reise im Rothen Meere (Fortsetzung). — verschiedenes. — Unsere Bilder. Autter in des Wminel§ Wh'n. CD Mutter in des Himmels Höh'n, © Jungfrau, über alles schön, (D Frau, »01t (Sott dem Herrn bestellt Zur Königin der ganzen Welt! Maria! dich hernieder neig, Uns deine Macht und Huld erzeig. © Mutter, die den Herrn gebar, Der Gott vor allen Zeiten war! Durch dich ward Gott ein Menschenkind, Durch dich wir Gottes Kinder sind. Maria! dich hernieder neig, Uns deine Macht und Huld erzeig. Dein Sohn gieng seinen Heldenlauf, Stieg glorreich zu dem Vater auf; 0 nimm durch das, was er gethan. Auch uns als deine Kinder an! Maria! dich hernieder neig, Uns deine Macht und Huld erzeig. © Jungfrau, rein wie Sonnenlicht! Der Sünde Makel traf dich nicht; Dich hat der Schöpfer vorgeschaut, Als er den Plan der Welt gebaut. Maria! dich hernieder neig, Uns deine Macht und Hulv erzeig. Du tratest auf der Schlange Haupt, Die Gottes Kindschaft uns geraubt; Du steigst empor wie Morgenroth, wie Kriegsmacht gegen Nacht und Tod. Maria! dich hernieder neig, Uns deine Macht und Huld erzeig. ! © Königin, mit Sieg gekrönt! ( Dein Lob durch alle Himmel tönt; / Dem höchsten König zugesellt, 5 verwaltest du das Heil der Welt. Maria! dich hernieder neig, ' Uns deine Nacht und Hnld erzeig. Berichte des Bischofs und apostol. Vicars von Centralafrika über den gegenwärtigen Stand und die Erfolge der Mission, datiert Kairo 20. Mai 1900, entnehmen wir: Mit zwei Patres und einem Laienbruder begab ich mich nach Chartum und traf dort am 4. Januar dieses Jahres ein, um unsere ehemalige, seit 15 Jahren zerstörte Missionsstation wieder zu eröffnen. Während die ersten Missionäre zu ihrer Reise nach Chartum ungefähr hundert Tage brauchten, machten wir dieselbe in etwa hundert Stunden. Die Entfernung von Kairo bis Chartum auf dem Nilflusse beträgt 2664 Kilometer, die jetzige Reiseroute mit der Eisenbahn 2131, von denen jedoch 371 noch immer mit dem Dampfer auf dem Flusse zurückgelegt werden, nämlich von Assuan nach Wadi-Halfa, woselbst es noch keine Eisenbahn gibt. Es ist ein großartiger Fortschritt der Cultur, dass die Hauptstadt Aegyptens durch den Schienenweg mit der Hauptstadt des Sudan verbunden ist, ein Fortschritt der für unsere Mission von großer Bedeutung ist. Es ist jedoch diese kürzere Reise mit der Eisenbahn äußerst eintönig und langweilig, weil das menschliche Auge keinen Baum, keinen Strauch, keinen Halm erblickt, sondern nur die graue, trockene Wüste, in welcher die verschiedenen Haltestellen nur durch Nummern bezeichnet und unterschieden sind. Von Abu-Hamed an trifft man nichts anderes als zerstörte Dörfer, umgehauene und verbrannte Palmbäume, wüstliegenden Ackerboden, alles schauerliche Wirkungen der Schreckensherrschaft des nunmehr getödteten Chalifen. Die Eisenbahn brachte uns gerade bis zum rechten Ufer des blauen Nils, Chartum gegenüber. Weil aber diese Stadt sich noch nicht wieder aus ihren Ruinen erhoben hat, so begaben wir uns nach Omderman, der vom Chalifen gegründeten Hauptstadt des Sudan, die auf dem Unsen Ufer des Zusammenflusses der beiden Nile liegt. Der Eintritt in diese ehemalige Hauptstadt des nunmehr zerfallenen Mahdireiches berührte uns seltsam. Die Moschee, die Residenz des Chalifen, sowie eine große, diese umgebende Mauer, welche als Schutzdamm gegen innere Feinde dienen sollte, sind aus Stein oder gebrannten Ziegeln. Alle übrigen Gebäude sind aus Nilschlamm errichtet, und haben nur ein Stockwerk. Der Chalifa hatte nämlich ein Höchstmaß bestimmt, über welches hinaus sich kein Haus erheben durfte. Von Zeit zu Zeit schickte er Beamte mit Messstangen herum. Fanden sie ein Haus, welches höher war als die Messstange, so wurde es unbarmherzig niedergerissen, sein Inhalt, Sclaven, Vieh und Möbel, auf dem Markte versteigert und der Erlös dafür der Schatzkammer des Chalifen einverleibt. Omderman hat vier Hauptstraßen, welche der Chalifa stets passierte, wenn er von seiner Residenz aus einen feierlichen Umzug hielt. Dieselben sind breit, während alle übrigen Straßen sehr schmal sind, und von Erdmauern eingeschlossen werden. Jedes Haus ist mit einem geräumigen Hofe umgeben, der den Zutritt der freien Luft gestattet und in den heißen Nächten als Ruheplatz benützt wird. Die Stadt erstreckt sich 11 Kilometer in der Länge und bis 5 Kilometer in der Breite. Viele der noch in Omderman vorhandenen Christen empfiengen uns an der Endstation der Bahn, alle besuchten uns später in unserer Wohnung und drückten ihre herzliche Freude darüber aus, dass wir uns wieder in ihre Mitte begeben hätten. Nicht wenige vergossen Freudenthränen. Diese armen Christen mussten 16 Jahre zubringen ohne Priester, ohne Kirche, inmitten der fanatischen Derwische, die sie wie Sclaven behandelten und ihnen nicht die geringste äußere Bethätigung ihres Glaubens gestatteten. Das erste Haus, in dem wir wohnten, hatte sechs Zimmer, die regellos jedes für sich angelegt waren. Das vorderste Zimmer dem Eingang des Hofes gegenüber wählten wir als Kapelle, nachdem wir es gehörig gereinigt und nothdürftig ausgestattet hatten. Am Feste der Erscheinung des Herrn hatten wir den ersten Gottesdienst, zu dem sich die Christen vollzählig eingefunden hatten. Vor dieser unserer Kapelle errichteten wir eine sogenannte Rekuba, ein auf vier Pfählen ruhendes Dach, die unseren Schulraum bildete. Eine unserer ersten Aufgaben war es nämlich, eine Schule zu eröffnen, um die Kinder der Christen zu erziehen und besonders in unserer heiligen Religion zu unterrichten, die den armen, unter den Derwischen aufgewachsenen Geschöpfen bis auf einige Worte und Zeichen ganz unbekannt war. Um eine kleine Vorstellung von unseren Räumlichkeiten zu geben, will ich das Bischofszimmer beschreiben. Es hatte eine Thüre und sieben Fenster (!) Die Thür war 1 '35 Meter hoch und 70 Centimeter breit; und daher kam meine Stirn öfter beim Ein- und Ausgehen in unangenehme Berührung mit dem Thürbalken. Um in der Nacht mich gegen unberufene Besuche zu sichern, musste ich eine Kiste an die Thür fest heranrücken. Das größte Fenster war 42 Centimeter hoch und 20 Centimeter breit. Ein Angareb, das ist ein auf vier Füßen von je etwa 40 Centimeter Höhe ruhender Holzrahmen, der mit Schnüren aus Palmfasern überspannt ist und im Sudan allgemein als Bett dient, ein Tisch und ein Stuhl, das war meine ganze Zimmereinrichtung. In der Mauer fanden sich noch fünf Löcher, die in Ermangelung eines Schrankes zur Aufnahme verschiedener Gegenstände bestimmt waren. Dies war natürlich das beste Zimmer im Hause. Die Decke der Zimmer war so niedrig, dass wir zum Beispiel in der Kapelle Blechplatten an die aus Holz und Stroh bestehende Decke schlagen mussten, damit sie nicht durch die auf dem Altare stehenden niedrigen Kerzen in Brand gesteckt werde. Weil indessen diese unsere Behausung rings von muselmännischen Wohnungen umgeben war und deshalb nicht hinreichende Sicherheit bot, wie man uns wenigstens allgemein sagte, so bezogen wir später eine andere Wohnung in der Mitte des Christenviertels, die zwar nur wenig besser war als die frühere, aber für uns mehr Sicherheit gewährt und den Christen zum Besuch der Kirche und Schule größere Bequemlichkeit bietet. Ein zweiter von uns gefasster Plan war, ein Waisenhaus zu errichten für die zahlreichen schwarzen Waisenkinder, die in den Wechselfällen des letzten Krieges ihre Väter verloren hatten. Wir hatten schon einige Kinder gesammelt, als plötzlich der strenge Befehl von der Regierung gegeben wurde, keine Kinder aufzunehmen und überhaupt unsere seelsorgliche Thätigkeit ausschließlich auf die Christen zu beschränken. Augenscheinlich fürchtete die Regierung, dass durch diese unsere beabsichtigte Thätigkeit der Fanatismus der ehemaligen Derwische aufgeregt und dadurch die öffentliche Sicherheit gefährdet werde. Dass dieser wie ein Blitz aus heiterem Himmel kommende Befehl uns mit großer Trauer erfüllte, brauche ich nicht zu sagen. Zum Glück bringen uns die Christen vielen Trost, indem sie die Kirche, den Katechismus regelmäßig besuchen und die heiligen Sacramente öfters empfangen. Wir hatten ferner die Freude, unseren Missionsdampfer „Redemptor" in Chartum ankommen und zusammengesetzt zu sehen. Er ist gegen 18 Meter lang und 3'70 Meter breit. Hoffentlich wird er uns sehr dienlich sein bei unseren demnächstigen Expeditionen nach Centralafrika. Ich habe mich vor kurzem nach Kairo begeben und bin damit beschäftigt, die nöthigen Vorbereitungen für unsere erste Expedition zu treffen, die sofort nach Beendigung der Regenperiode mit Gottes Beistand angetreten werden soll. Von einem früheren Aufbruch nach Centralafrika hat man mir aus Gesundheitsrücksichten allgemein abgerathen. Da aber eine so weite und lange Reise in wilde und noch wenig erforschte Gebiete voll sein wird von Mühen und Gefahren, so bitte ich unsere verehrten Wohlthäter und alle, denen das Wohl der armen Reger am Herzen liegt, recht herzlich, uns mit ihren Gebeten zu unterstützen. Möge Gott uns beschützen auf unserer Reise, und uns zu den Völkerstämmen führen, deren Herz für den Samen des Evangeliums am besten vorbereitet ist. Die zwar weniger wichtige, aber immerhin nothwendige Unterstützung durch Almosen möchte ich auch den Lesern höflichst ans Herz legen, weil die geplanten Expeditionen große Geldmittel erfordern. Während meines Aufenthaltes in Charthum haben meine Missionäre auf den andern Stationen nach Kräften gearbeitet und konnten 96 Taufen spenden. #>r"»tr~5,tr~?tr~w ’^~vr~vr~w~^^ww''v~w~fi/r~vir~vr~w~w~v/r~wr~vf~w~v^hfr^t A«g irct Pifsion. D mb er m a n, 25. Mai 1900. war am Anfang Januar 1900, als die katholischen Missionäre nach jahrelangem Warten von neuem den Boden des ägyptischen Sudan betreten konnten. Zu Omderman, der einstigen Hauptstadt des nun vernichteten Derwisch-Reiches angekommen, wurden wir von der katholischen Bevölkerung mit wahrer Herzensfreude empfangen. Zwei Wochen lang genossen wir die Gastfreundschaft ein guten griechischen Familie, bis es uns endlich nach langem Hin- und Hersuchen gelang, ein Haus herauszufinden. Es befindet sich dieses ziemlich inmitten der katholischen Bevölkerung, ist einstöckig, ans Erde erbaut und mit Strohmatten bedeckt, wie alle die Häuser in Omderman. Zum Besitze eines Hauses gekommen, war es nun unser erster Gedanke, ein Local für die Kirche herzurichten. Dazu bestimmten wir den größten Raum, den wir im Hause hatten; jedoch leider ersahen wir bald, dass er als Kirche zu klein war. Es blieb nichts anderes übrig, als denselben durch einen Neubau zu vergrößern. Ein gewisser Musa, gebürtig aus dem Nubalande, nahm diese Unternehmung auf sich; er gilt ja als einer der tüchtigsten Maurermeister im Lande. Er machte sich mit seinem Gehilfen wacker an die Arbeit und der Neubau kam empor, mit vier Fensterlöchern versehen. Meister Musa war der Ueberzeugung, ein fehlerloses Werk geliefert zu haben. Man machte ihm jedoch die Bemerkung, dass die Mauern ziemlich krumm seien und auch die Fensterräume sowohl in der Länge als in der Breite ungleich wären. Ein Fensterraum z. B. hatte 75 cm Länge, während der andere 80 cm hatte. Die untere Breite alsdann war 45 cm, während die obere etwa 40 cm betrug. Meister Musa verwunderte sich höchst darüber und beklagte sich mit seinem Gesellen über das schlechte Auge der Europäer, denen alle Sachen krumm erscheinen, während sein Auge dieselben genau und schnurgerade erblickte. Nachdem der neue Raum vollendet und bedeckt war, handelte es sich darum, ihn anzuweißen. Meister Musa hatte keinen Pinsel bei der Hand, da man dergleichen Instrumente hier nicht kennt. Doch verwirrte er sich nicht, er strich die Wände mit dem Besen an. Hierauf war auch den Außenwänden die Farbe zu geben und Meister Musa färbte sie mit Kuhmist. Die lieben Leser mögen hieran keinen 174 Aus der Mission. Anstoß nehmen, denn in diesem Lande muss man leider Wände und Dächer sämmtlicher Häuser mit einer dicken Mistschicht bestreichen, um sie gegen die wüthenden Aequatorialregen zu schützen. Denn der Mist lässt das Wasser nicht durchdringen. Im Falle man diese Vorsicht verfehlte, würden alle Gebäude bei Gelegenheit der starken Platzregen einstürzen, da ja sämmtliche aus Erde'erbaut sind. Unsere nun durch den Neubau vergrößerte Kirche ist im ganzen 11-70 m lang, 3 m breit und 3 m hoch. Balken aus dem Holze der Dumpalme und des Suntbaumes verfertigt, reichen quer von einer Wand zur anderen; hierauf sind Strohmatten befestigt und das Dach ist vollendet Die obenerwähnten vier Fensterränme standen anfangs offen, jedoch bald erkannten wir, dass das verschiedene Nachtheile mit sich brachte. Oesters wehen hier starke Winde, die Wüstenstaub mit sich führen. Dieser dringt durch alle Oesfnungen ein und lässt sich in dicken Schichten auf jedwedem Gegenstände nieder. Ferner könnte bei Regenzeit das Wasser durch die offenen Löcher hereinkommen. Außerdem beobachteten wir, dass von Zeit zu Zeit auch gewisse geschwänzte Individuen durch die Fensterränme in der Kirche erschienen. Etwas südlich von hier, nämlich auf dem weißen Nil, kommen in großer Anzahl die Affen vor, und viele der hiesigen Leute haben es gern, einen Affen im Hause zu haben. Bald aber werden sie desselben überdrüssig und vertreiben das Thier; auderemale gelingt es ihm, zu entfliehen. Der Affe zieht hierauf in der Nachbarschaft herum, dringt überall ein, stiehlt und richtet Verheerungen an. Es war eben eines Morgens in der Frühe — einer der Priester las die hl. Messe, er war bei der Elevation des Kelches — als plötzlich ein Affe erschien. Solche Besuche wiederholten sich, bis endlich eines Tages die Nachbarn das Thier vom Dache herabschössen. Nach Verlauf kurzer Zeit erschien ein anderer Affe; er trug noch am Halse eine abgerissene Schnur, ein Zeichen, dass er seinem Herrn entronnen war. Er stahl bald Paradiesäpfel, bald Zwiebeln aus der Küche und fraß sie auf dem Dache. Eines frühen Morgens wollte er der Gewohnheit gemäß der Küche einen Besuch abstatten. Er wurde aber mit einer guten Schrotladung begrüßt. Der Affe putzte sich mit beiden Pfoten das Gesicht und lief winselnd davon; er ist bis heute nicht wieder erschienen. Wehe, wenn solche Thiere allein in die Kirche kommen; sie werfen Kerzcnleuchter und alle Kirchengerüthe auf den Boden. Wegen der eben erwähnten Nachtheile mussten wir nun daran denken, die Fensterräume mit Fensterläden zu versehen. Zwei derselben haben Glasscheiben. Das ist hier eine große Seltenheit fürwahr, denn in ganz Omderman kann man vielleicht kaum ein anderes Fenster mit Glasscheiben finden. Das Glas war und bleibt auch jetzt noch hier eine ziemlich unbekannte Sache. Neuerdings mussten wir noch zwei andere Fenster anbringen, um das Kirchlein etwas mehr zu lüften. Der Boden alsdann ist mit Strohmatten bedeckt. Unser soeben beschriebenes Kirchlein, obwohl klein, ist int Innern dennoch zierlich; es enthält eine Statue der Muttergottes von Lourdes und gehört ohne Zweifel zu den reinlichsten Räumen von Omderman. Alle Tage halten wir Gottesdienst. An Sonn- und Feiertagen ist die zweite Messe um 8 Uhr von etwas Harmoniumspiel begleitet und während derselben findet eine kleine arabische Predigt statt. Der Gottesdienst ist gut besucht. Zur Zeit des Derwisch-Reiches befanden sich hier manche Katholiken in der Gefangenschaft, die ein unglückliches, elendes Dasein führten. Nun, da die Kirche unter sie zurückgekehrt ist, befleißigen sie sich, die hl. Saeramente zu empfangen. Verschiedene von ihnen, die bei Beginn der Mahdiherrschaft kleine Kinder waren, sind während derselben herangewachsen und bereits verheiratet. Diese armen Leute sind in Bezug auf Religionskenntnisse natürlich nüchtern und unwissend, wie ihre Kinder, so dass man sie trotz ihres guten Willens zu den hl. Sacramenten nicht zulassen kann. Nun blieb nichts anderes übrig, als sie zu einem besonderen Religionsunterricht einzuladen, was sie auch gerne annahmen. Dreimal in der Woche kommen die erwachsenen Leute zum Religionsunterricht. Es befinden sich hier zwei koptischorthodoxe Frauen, die mit katholischen Männern verheiratet sind. Die eine derselben wurde nach umständigen Fragen und allgemeinem Verlangen der Familie bereits in den Schoß der hl. kathol. Kirche ausgenommen. Die andere bereitet sich eben 176 Aus der Mission. dazu vor. Den Knaben unserer Katholiken wird täglicher Religionsunterricht ertheilt. Sie lernen gut, lesen mit Begier in den Gebetbüchern und sind habsüchtig auf Andachtsgegenstünde, wie Heiligenbilder, Medaillen, Rosenkränze, Scapuliere u. s. w. „Pater, gib uns allen ein Scapulier, sagten eines Tages die Knaben. Tragen denn die Muselmänner nicht alle Amulette bei sich? Ebenso haben auch wir das Recht, Scapuliere und Medaillen bei uns zu tragen." Die Bemerkung war gut; dennoch wurde die Erfüllung ihres Wunsches verzögert und sämmtlichen wurde ein Scapulier versprochen, nachdem sie gut den Katechismus für die heilige Beichte gelernt haben würden. Nebst der alten katholischen Bevölkerung sind nach Eröffnung des Sudan viele neue, meistens syrische Katholiken, Kaufleute von Profession, hierhergekommen in der Hoffnung ans Gewinn, jedoch die Armen, hier angelangt, haben sich sehr getäuscht, denn zu Omderman wie überall int ganzen Sudan sind die Leute arm. Das Land ist durch die lange Willkücherrschaft des Chalifen Abdullahi erschöpft und ausgesogen. Verschiedene nahmen die Straße nach Kordofan in der Hoffnung, dort bessere Geschäfte zu machen als hier. Sie fanden aber leider nichts als ein verheertes, verwildertes Land ohne Bewohner. Ganz Kordofan ist sozusagen eine Einöde geworden. Nach der Niederlage bei Kereri nahm der Chalife die Flucht nach Kordofan. Er plünderte buchstäblich das überdies schon herabgegangene Land, beraubte die Einwohner ihrer wenigen Habe, ermordete die Leute oder zog sie mit Gewalt mit sich. Und nun, was wird aus dem vom Fanatismus der Derwische zerstörten Chartum herauskommen? Sicherlich wird es mit der Zeit eine schöne, wichtige Stadt werden. Die Regierung arbeitet dortselbst mit vollem Eifer; einige öffentliche Gebäude sind schon entstanden, andere sind im Entstehen begriffen. Man sieht dort einige Bauten, die auch in den großen europäischen Städten eine gute Erscheinung machen würden, wie z. B. der Palast des Gouverneurs, der mit wahrem orientalischen Luxus gebaut ist. Privatbauten findet man dort aber recht wenige, überall liegen noch die wehmüthigen Ruinen der alten Stadt. Nach dem Regen jedoch, d. h. im October, werden auch die Privatpersonen ein lebhafteres Wirken entwickeln. Welch riesiger Unterschied zwischen Chartum und Omderman! Dort drüben prangen üppige, blühende Gärten, während hier herum das Auge nichts als Sand und Stein erblickt. Der größte Theil der hiesigen Nahrungsmittel, hauptsächlich Gemüse, kommt von Chartum. Die neuen Straßen der zukünftigen Stadt werden schöne Baumalleen besitzen, welche eben schon angelegt sind. Die Straßen von Omderman aber, buckelig, krumm, mit zahlreichen tiefen Löchern zur Rechten und zur Linken, sind von ewiger Sonne verbrannt; kein Baum, der sie überschattet. Kaum sind zu Chartum die öffentlichen Gebäude vollendet, wird auch die Beamtenwelt dorthin verlegt werden. Omderman ist eben schon recht öde und einsam. Nur auf dem Marktplatze und längs des Flusses sieht man etwas Leben. Der übrige Theil der Stadt ist fast ohne Bewegung; ganze Quartiere sind verlassen und zerstört. Nach Translocation der öffentlichen Aemter nach Chartum wird diese Einöde noch weit empfindlicher werden. Es herrscht soeben reger Schiffahrtsverkehr zwischen Omderman und Chartum. Dennoch hat das beständige Geräusch die Krokodile noch nicht verscheuchen können. Vor kurzer Zeit wurde ein ägyptischer Soldat am blauen Flusse Chartum gegenüber von einem Krokodil gefressen. Auch eine schwarze Frau wurde ebenfalls von einem Krokodil ergriffen. Die Unglückliche begann um Hilfe zu rufen. Wegen den aus der Nähe zusammengelaufenen Leuten ließ das Krokodil seine Beute zurück, jedoch die Arme verlor ein Bein. Auch zwei Ziegen wurden auf der Insel Tuti von Krokodilen gefressen. Vor einigen Tagen begab sich mein College nach Chartum; an das andere Ufer gelangt, sagten ihm die dortigen Araber: „Siehst du, o Herr, jenes Krokodil dort? Schieße es tobt!" Der Missionär richtete seine Blicke nach der ihm angegebenen Richtung und sah in der Nähe auf einer Insel des weißen Flusses ein riesiges Krokodil liegen; es hatte nach seiner Aussage wohl 4 m Länge. Die Eingeborenen lärmten und warfen Steine. Das Ungethüm kümmerte sich nicht darum. Herr Bont, Director des hiesigen Regierungs-Ateliers, behauptete, am Ufer zu Chartum sogar ein Flusspferd gesehen zu haben. Hier in der Umgegend kommt hauptsächlich die Gazelle vor und es ist ein Vergnügen, diese flinken Thiere im Galopp durch die Steppe eilen sehen. Zwei Stunden nördlich von hier befindet sich der Ort Kereri, aus elenden Hütten bestehend, wo am 2. September 1898 die blutige Schlacht stattfand. Man sieht heute noch den vom englisch-ägyptischen Heere errichteten Damm, hinter welchem die Soldaten geschützt auf die Derwische schossen. Der Schlachtort ist eine weitausgedehnte, ein wenig hügelige Grassteppe. Heute noch findet man dort Kleiderstücke, Sättel, Menschen- und Thierknochen, ja auch ganze menschliche Scelette. Es liegen dort auch einige noch nicht zerplatzte Bomben. Vor einigen Monaten zogen schwarze Knaben dort herum. Sie fanden eine der eben erwähnten Bomben, spielten damit, da sie nicht wussten, was es war, und schlugen mit Steinen darauf, um zu sehen, was darinnen sei. Die Bombe zerplatzte in ihren Händen und sämmtliche wurden Opfer ihres gefährlichen Spieles. Auf dem Wege zwischen Omderman und Kereri, wie überhaupt in der ganzen Umgegend sieht man deutlich das Trugspiel der sogenannten Fata morgana. Rings um sich herum erblickt man nichts als blaues Wasser, in welchem sich die Palmenkronen spiegeln. Auch die Berge scheinen aus dem Wasser herauszurageu, und wenn man sich dem scheinbaren Wasser nähert, so verschwindet alles vor den Augen. Die Araber nennen dieses trügerische Wasserbild „das Teufelswasser". Das Klima von Omderman ist heiß fürwahr. Gegen Ende des Monates März stieg das Thermometer schon aus 40 Leningrad. Dies ist die gewöhnliche Tageswärme, jedoch die Nächte sind frisch und gestatten eine gute Ruhe. Gegen den Juli beginnt die Regenzeit; sie dauert bis in den September hinein. Ende September wird unser hochwürdigster Herr Bischof nach hier zurückkehren; er ist soeben wegen Angelegenheiten nach Aegypten gegangen. Bis dahin werden wir unseren Katholiken den nöthigen Religionsunterricht zum Empfange der heiligen Communion und der heiligen Firmung ertheilt haben, und wir hoffen, des hochw. Herrn Bischofs Rückkehr mit einem schönen religiösen Feste feiern zn können. P. Otto Huber, F. S. C. V>»» nfrihiiisdjnt Srlmint ni m btjiolifdjen Pritstcr. Daniel! Sorüv 'DHarirn Den, Negerpriester aus dem Stamme der Dinka in Central-Afrika, zum Katholicismus bekehrt 1874, Priester seit 8. Mai 1887, gestorben 11. Jänner ltiOO. (Eine Selbstbiographie.) IX. (Fortsetzung.*) (Weiterreise nach El-ObSid. Sclavenmarkt, Ich werde Schäfer. Mein elendes Los. Eine neue Sclavenjagd.) «it lagen geraume Zeit in den Feldern von Malbes und waren während b'efcr Seit wie eine Herde in ihrer Umfriedung eingeschlossen. Asse-mani war aber nicht unser eigentlicher Herr, sondern nur ein Ab- ilrv .S* geordneter Abdullahi's, des Bruders Uad-Defnalla's, über welch' letzteren ich schon weiter oben sprach. Assemani wollte nun ehestens nach El-Obsid abziehen, um uns dem eigentlichen Herrn zu übergeben. Darum wurden wir nach diesem Beschlusse am frühesten Morgen versammelt und zu Zweien zusammengebunden und in Processionsordnung nach El-Oboid getrieben. Vor den Brunnen der Stadt angelangt, wurde dort gelagert, und sollten wir da auch die Nacht verbringen. Um 1 Uhr nach Mitternacht wurden wir aber schon wieder zum Aufbruch genöthigt, um noch vor Sonnenaufgang in der Stadt zu sein. Als wir beim Stadtthore, wenn man es so nennen kann, angelangt waren, wurden wir wieder in Processionsordnung gereiht und das größte Stillschweigen bei so und so vielen Korbütschhieben aufgetragen. — So zogen wir am frühesten Morgen lautlos und ungesehen in die Stadt El-Oboid, wo die Mitwissenden schon gierig unser harrten. Da man dort keinen Platz für uns bereitet hatte, wurden wir alle ohne Unterschied des Alters und Geschlechtes in einen finsteren Winkel hineingepfercht, wo uns nach den vielen Peitschenhieben, die wir empfangen hatten, erst die zahlreichen und großen Ameisen furchtbar zurichteten. Es scheint, dass der Gouverneur von unserm Eintreffen nichts wusste, denn sonst würde er jedenfalls eine Kopfsteuer, sei es in Geld oder ©rfatieu, abverlangt haben; so aber gieng alles still und ohne Störung seinen Lauf. *) Siche Nr. 7 Seite 158. GSk X ‘ ^ r. MM w, MJj,) A % : , ' A>'J T 1 ■’ MMl. I s v , f, * - f fci' " - sÄif;- -pM |i MM MM * :i n^.W k=t »L-MLW I/. 44.?W"^’1 ji' PfÜ«§^/%; ImSS/I- ; w 1"V: l'jW, 'i ?j <-&/i Nach zwei Wochen fieng man an, uns auf dem Ochsenmarkte zu verkaufen. Damit ein jeder Sclave mehr Wert und ein schöneres Aussehen habe, wurden wir täglich mit Fett eingerieben, um die Striemen und Räuden verschwinden zu machen und der Haut noch ein schöneres Aussehen zu verleihen. Tag für Tag schwanden meine Leidensgefährten, bis wir nur zu drei verblieben, nämlich meine Mutter, ich und ein anderer Knabe. Mehrere Monate war ich schon in El-Obäid. Da sandte mich mein Herr, der viele Schafe hatte, auf's Feld, um sie zu weiden. Dort war auch eine Dinka-Negerin und zwar aus Gon-de-Moü, die schon vor vielen Jahren in ©datiern gerathen und nun verheiratet und Mutter zweier Knaben war. Bei dieser wohnte ich mit meiner Mutter, die hier harte Feldarbeit verrichten musste, während ich die Schafe hütete. — Noch hatte ich die eigentliche Härte der ©datieret als solche nicht verkostet. Nun aber die Mutter immer anderswo arbeiten musste, und ich von allen verlassen, vernachlässigt und vergessen war, musste ich mich selbst behelfen, mir das Leben irgendwie zu fristen. In solchem Elende lernt man das Gut der verlorenen Freiheit kennen und schätzen! Die Erinnerung an meine Heimat, und wie gut ich es da hatte und mich frei bewegen durste, machte mich immer trauriger! Der Herr hatte mich und meine Mutter nach El-Oböid zurückgerufen. Die Mutter sollte ihm auf einer neuen Hetzjagd gegen die Dinka die Speisen zubereiten. Meine Bestimmung wurde in dieser Zwischenzeit wenig geändert. Die Mutter würde den Herrn für sich um eine andere Anstellung gebeten haben, so aber gieng sie gern in der Hoffnung, ihre Töchter wiederzusehen und durch den Herrn auf dem Wege des Umtausches ankaufen zu lassen. Sie hatte den Herrn auch gebeten, dass er mich gleichfalls mitnehme. Da riethen ihm aber viele davon ab, damit nicht etwa die Familie, falls sie sich finde, dann vereint Reißaus nehme. — Als ich wieder ohne Mutter war, gieng's mir elend, und ich wusste kaum, woher ich mir Lebensmittel verschaffen sollte. Da gieng ich auf die Felder und suchte nach verschiedenen Kräutern, die in der Stadt gern gekauft wurden. Die Hälfte des Erlöses hiefür steckte ich für mich ein, um mir damit das Leben zu fristen; die andere Hälfte lieferte ich meiner Gebieterin ab, der ich eigentlich den ganzen Erlös hätte abliefern müssen. Später hatte ich die Wahl, Thorwächter oder Verkäufer oder Schneider zu werden, bis ich schließlich wieder aufs Feld geschickt wurde, die Schafe zu weiden. Dort wohnte ich beim Sclaven-Aufseher. Dieser gieng eines Tages nach EllObaid, um verschiedene wohlriechende Salbereien für seine Frau einzukaufen. Als er zurückkam, war er furchtbar aufgeregt und zornig — warum weiß ich bis heute nicht —■ und sagte mir, dass er bei meinem ersten Fehltritte einen ganz neuen Korbatsch auf meinem Leibe verbrauchen werde. Ich hielt diese Drohung natürlich für Scherz und musste meine Einfalt bald theuer büßen. Eines Abends hielt er ein größeres Gastmahl, und da ward ich beauftragt, die Flasche mit dem riechenden Oele in den Speiseraum zu bringen. Ich gieng sie holen und kaum hatte ich den Flaschenhals ergriffen, so hatte ich die Trümmer derselben in der Hand, die Flasche aber lag am Boden. Glücklicherweise war dieser Boden ein Sandboden, und so gieng die Flasche nicht zugrunde und ward wenig von dem Inhalt verschüttet. Kaum hatte der Herr aber dies bemerkt, so war auch der Kardätsch da und wurden mir die Kleider fortgerissen und auf mich blindlings zugehauen. Ich war schon fast bewusstlos und halbtodt und lag stumm auf der Erde; dann zog er mich hinaus und warf mich unter einen Baum. Mein Kopf war ganz geschwollen und schwer, mein Körper voll von Beulen und Fisteln und ich konnte mich nicht bewegen. — Die anderen Sclaven hatten Mitleid mit mir und wuschen mich, als der Herr weggegangen war, so lange, bis das Blut zu fließen aufhörte und rieben mich dann mit heilsamen Salben ein und brachten Vom afrikanischen Sclaven zum katholischen Priester. 181 mich in die Wohnung jener Sclavin aus Gon-deMoü, deren ich schon weiter oben erwähnte. Nach einigen Tagen bat sie Araber, welche mich mitnehmen und der Herrin dort übergeben möchten, worauf ich Thorwächter wurde. X. (Der verlorene Schlüssel. Meine Flucht. Ankunft des Herrn. Dessen Verlangen abgewiesen. Erscheinen meiner Mutter. Auch ihre Wünsche abgeschlagen. Taufe. Firmung. Erste Communion. Berufswahl und ihre Schwierigkeiten. Abreise.) ie Rückkunft meines Gebieters war unmittelbar bevorstehend; denn schon war <=^6 er mit vielen Sclaven, unter denen eine meiner Verwandten war, auf seinem Landgute vor El-Obtzid angelangt. Am folgenden Tage, wo mein Herr des Abends im Hause eintreffen sollte, wollte die Herrin des Hauses ihrem zurückkehrenden Gemahle ein großes Mahl bereiten und ließ darum aus des Gebieters Wohnung, die ein Haus für sich bildete, durch eine Sclavin einige Thaler holen, um das Nöthige zu diesem Mahle einzukaufen. Ich hatte als Thorwächter die Schlüssel des Hauses, und da ich gerade fortgehen musste (warum, erinnere ich mich nicht mehr), so überließ ich den betreffenden Schlüssel der Sclavin, mit der Bedeutung, ihn mir ehestens wiederzugeben. Die Sclavin hatte gethan, wie ihr befohlen worden war, verschloss des Gebieters Wohnung, und was sie mit dem Schlüssel that, weiß ich nicht; kurz, er gieng verloren. Am andern Morgen fand man ihn auf dem Dache des Hauses. Die Schuld aber traf mich, weil ich als Thorwächter die Schlüssel nicht aus der Hand lassen durfte. Mir aber war schon den ganzen Nachmittag bange. Immer näher rückt der Abend, man will das Bett des Gebieters bereiten und kann in dessen Wohnung nicht hinein. Die Sclavin glaubt, ich hätte den Schlüssel, und ich wieder, sie müsse ihn haben. Nun werden wir beide beim Bruder des Herrn angeklagt. Ich, in Erwartung meiner Strafe, laufe wie ein Verzweifelter im Hause herum und suche Schutz bei den Fremden. Auch da habe ich keine Aussicht und verberge mich darum in einem dunkeln Winkel des Hauses und denke nach, was thun. Da kommt mir die katholische Mission welche in unmittelbarer Nähe war, in den Sinn, aber auch die Verleumdung, dass die Missionäre die Kinder schlachten und verzehren! „Ich will es mit der Mission versuchen", sagte ich zu mir selber; „sei es auch, dass sie mich verzehren, so werde ich doch von meinem elenden Lose befreit." Aber nun, wie hinauskommen? Beim Thore gieng's nicht, denn da standen die Freunde des Gebieters in dessen Erwartung. Einen Winkel für den Augenblick, mich zu verbergen, hatte ich wohl gefunden, aber früher oder später musste ich da gefunden werden, und was dann? Es blieb kein anderer Ausweg, als die fünf Meter hohe Mauer zu erklettern. Doch waren an einer anderen Stelle zwei' Mauern so neben einander, dass ich rechte Hand und Fuß au die eine, linke Hand und Fuß an die andere Mauer stützen und dadurch viel leichter die Höhe erreichen konnte. Ich stehe eine Weile wie zum Verzweifeln da und überlege, ob ich's wagen soll. Da überkommt mich wieder die Angst vor dem Herrn; das gibt mir Kraft und Muth, ich setze Hände und Füße an die Mauer, und wie eine bequeme Leiter steige ich sie in Eile hinan, als sei ich beflügelt gewesen. Oben angekommen, rettete ich mich durch einen kühnen Sprung ins Freie und suchte der Verzäunung entlang, statt in die Mission 31t fliehen, das Freie, und eilends gieng's zur Stadt hinaus! — In diesem Augenblick schienen zwei Gewalten in meinem Innern zu streiten: die eine trieb mich zur Eile, die Stadt zu verlassen, an; die andere hielt mich fast gewaltsam zurück, und fast schien es mir, die Worte zu vernehmen: „Geh' ins Haus der weißen Christen!'") Ich wusste mir nicht zu helfen und zu rathen. Ich stand still und lehnte eine gute Weile ganz vereinsamt an einer Mauer, während diese zwei Gewalten im Innern sich um mich weiter stritten. Endlich kam ich zum Schlüsse: „Geh' zu den weißen Christen! Besser ist's, gleich zu sterben und verzehrt zu werden, als unter Peitschenhieben langsam dahinsterben zu müssen." Gesagt, gethan! Jenen Schluss bei mir gesprochen und die innere Ruhe wiedergefunden zu haben, schien alles ein Moment zu sein. Da musste ich an den Mauern des Hauses meines Gebieters vorüber. Im Innern war ein wüstes Geschrei, und ich hörte wiederholte Todesdrohungen gegen mich. Da laufe und laufe ich, als sei ich auf Schwingen, und sah mehrmals um, ob mir nicht jemand folge. Gott sei Dank! es sah mich niemand. — Beim Missionsthore angelangt, klopfe ich. Ein Greis gibt mir Einlass. „Kann ich deinen Herrn sehen?" fragte ich. Ein bejahendes Nicken war die Antwort. „Frage, ob ich vor ihm erscheinen darf." Kurz darauf hatte ich Bescheid und ward zu Provicar Comboni, sel. Andenkens, geführt. Es war schon spät Abends, und hatten sich bereits alle in ihre Zimmer zurückgezogen. „Wessen Sclave bist du?" fragte Comboni. „Eines Kameeltreibers".?) „Wo ist das Hans deines Herrn?" „Weit von hier." „Und wer hat dich hieher gesandt?" — Ich, der ich, aufrichtig gesagt, bisher noch nie über Gott im eigentlichen Sinne sprechen gehört hatte, noch von Gott etwas wusste, noch wissen konnte, ob der Name „Gott", den ich aussprechen wollte, der Christen Gott sei, antwortete auf des apostolischen Provicars Frage: „Gott". Ueber diese Antwort schien Comboni erstaunt und lachte mit dem andern Missionär, der in seinem Zimmer war — und beide redeten einige für mich damals noch unverständliche Worte. Hierauf wurde ich in den Schlafranm der Knaben geführt. Unmittelbar nach meiner Flucht war mein Gebieter angelangt, und als er nach mir verlangte, ward ihm zur Antwort, dass ich entlaufen sei, aber niemand wisse, wohin. Nach einigen Wochen stand ich in der Nähe des Missionsthores, das gerade offen war, mit den anderen Knaben spielend. Da gieng zufällig eine Sclavin meines Herrn vorbei und sah mich unter den Buben; ich sah sie ebenfalls. Diese *) „Weiße" Christen zum Unterschiede der eingeborenen Christen, welche bis dahin lauter häretische Kopten waren, die ihre Sclaven ebenso schlecht behandeln als die Moslims. 2) Die sanfte Weise Comboni's ließ mich gleich erkennen, dass ich es mit keinem Menschenfresser zu thun hatte, und in der Angst, er möchte mich nicht aufnehmen, nannte ich meine« einflussreichen Herrn nicht, sondern nahm zu einer Lüge Zuflucht. gierig ihrem Herrn sofort von dem Gesehenen Mittheilung machen. Gleich war auch der Herr da. Ich hatte aber Comboni, die Gefahr errathend, gleich den wahren Sachverhalt erzählt und gebeten, dass er mich doch beschützen und nicht ausliefern möge. Da sagte mir Comboni, dass ich auf alle Fragen antworten sollte, dass ich zum Herrn nicht mehr zurückkehren wollte. ■— Mein ehemaliger Gebieter versuchte mehrmals und unter Drohungen, mich herauszubekommen; aber ich gab immer dieselbe Antwort. — Schließlich hoffte er, Comboni bestechen zu Bewässerung der Felder in Oberägypten. (Originalbild des „Stern der Neger".) können und brachte zwei Kühe und zwei Kälber in die Mission und ließ sie dort. Er erhielt aber zur Antwort, dass die Missionäre Menschen weder ankaufen noch verkaufen dürfen, noch dass sie einen flüchtigen Sclaven, der sich in Umstünden wie ich befinde, wo das Gesetz ihn schütze, ausliefern könnten, sondern beschützen und vertheidigen müssten. Darob verzweifelt, führte mein ehemaliger Gebieter meine Mutter in die Mission mit sich, in der Hoffnung, dass meine Liebe zu ihr und ihre zärtlichen Worte mich erweichen würden. Es war nachmittags, und ich war eben bei den Klosterfrauen gewesen, und als ich von da zurückkam, sah ich die Mutter herbeikommen und lief ihr freudig entgegen. Nach einer Menge von mütterlichen Zärtlichkeiten sagte sie: „Kehren wir jetzt zum Gebieter zurück!" „Mutter! das kann ich nicht", war meine Antwort. „Aber komm' doch", sagte sie im zärtlichsten Tone, „warum fürchtest du dich?" „Nein, ich kann nicht, Mutter! Wiewohl ich dir nie ungehorsam war, diesesmal kann ich nicht!" „Aber deine Schwestern harren deiner mit Sehnsucht; komme und kehre später wieder hieher zurück, wenn es dir hier so wohl gefällt!" „Wenn meine Schwestern mich zu sehen wünschen, so mögen sie hieher kommen, wo das Thor immer offen ist, und ihnen sicher nichts Böses widerfährt, aber dass ich zum Herrn zurückkehre, ist mir unmöglich; bleibe lieber du hier, meine Mutter, so werden wir wieder beisammen sein! Aber ich werde nie wieder zur Rückkehr den Fuß zu diesem Thore hinaussetzen!" Dann erinnerte sie mich an alles, was sie mir seit meiner Kindheit gethan und an die Schmerzen, die sie um meinetwillen ausgestanden habe. „Das alles ist wahr, liebe Mutter, aber ich kann nicht mitgehen!" Aufgeregt über diese nochmalige Weigerung, befeuchtete sie den rechten Zeigefinger mit Speichel und hob so Staub von der Erde auf, und damit erregt meine Stirne bestreichend, schwur sie: dass ich für sie todt sei, und sie mich nie mehr wieder sehen wolle, und eilte wie rasend zum Thore hinaus. Wie ein Blitz traf mich armen Knaben dieser Schwur meiner Mutter; aber es war zugleich der feierlichste Augenblick meines Lebens, den die Vorsehung mir gegeben; denn von dieser meiner Antwort hieng es ab, das Sclavenzeichen von meiner Stirne zu reißen und dadurch mit der persönlichen Freiheit jene der Kinder Gottes durch die heilige Taufe zu erlangen und aus der Knechtschaft des Teufels befreit zu werden, oder durch meine Nachgiebigkeit in ewiger Knechtschaft des Leibes und der Seele zu bleiben. Ein Augenblick brachte mir dadurch den glänzendsten Sieg! — Was die Mutter von meinen Schwestern u. s. to., um mich umzustimmen, erzählte, war zudem erfunden. Nach solch' harter Probe wurde ich zum christlichen Unterrichte zugelassen und hatte den ganzen Katechismus im Zeitraum eines Monats mir zu eigen gemacht, worauf auch der apostolische Provicar Daniel Comboni mit mir eine Ausnahme machte und statt mich ein ganzes Jahr oder auch zwei Jahre bis zur hl. Taufe warten zu lassen, mir schon sehr bald, nämlich am Herz-Jesu-Feste, 12. Juni 1874, nicht nur die hl. Taufe, sondern auch die hl. Firmung ertheilte. Der gute Vater Comboni gab mir in der hl. Taufe den Namen des großen Propheten Daniel, wie er selbst ihn führte. Ich kann es nicht aussprechen, welchen Frieden, welche Ruhe, welche Süßigkeit ich an jenem glücklichsten meiner Tage empfand! Bald nachher hatte ich auch das Glück, zur hl. Communion zugelassen zu werden. Was ich an diesem zweiten Tage meines Lebensglückes empfand, ich kann es nicht aussprechen, außer: glücklich, wer in diesem heiligen Momente begreift, was er thut! Einige Monate nachher hörte ich von jener Verwandten, welche in der letzten Sclavenjagd gefangen worden war, dass meine Mutter entflohen, aber nach beharrlichem Suchen wieder aufgefunden und nun auf den Feldern wohlbewacht sei. Nachdem ich durch die hl. Taufe das doppelte Freiheitsgewand erhalten hatte, fürchtete ich mich nicht mehr, auszugehen, und kannte keine Angst mehr vor meinem ehemaligen Gebieter. Ich war damals noch Missionsschüler und hatte das Arabische mir angeeignet. Um jene Zeit war der apostolische Provicar Comboni wegen dringender Missionsgeschäfte nach Rom zurückberufen worden und wollte bei dieser Gelegenheit, da er bereits zwei Plätze für Zöglinge seiner Mission im hohen Colleg der Propaganda erbeten hatte, zwei geeignete Negerknaben nach Rom mitnehmen. Der damalige MissionLvorstand von El-Oböid, Herr Johann Lost, hatte vorgeschlagen: Pancraz Mordschan und Arthur Morsal. Der erstere aber wollte nicht gehen, und da hatte Comboni trotz aller Einwürfe Losi's, dass ich zu wenig vorbereitet, zu schwach und sonst weniger geeignet erscheine, mich ansersehen. Diese Bestimmung theilte mir bald darauf Herr Lost mit, und ich hörte diese Worte mit großem Widerwillen an, da ich im Alter von beiläufig 15 Jahren schon daran gedacht hatte, mich zu verehelichen, und wollte darum nicht in das Land der Weißen gehen. Arthur, mein Alters- und späterer Studiengenosse, wollte mich um jeden Preis zu seiner Meinung bekehren, aber es war umsonst! Mit den Muselmanen leben und nicht ihre Laster kennen lernen, wäre ein Wunder zu nennen. Darum war ich eben in solchen Plänen. Man ließ die Sache nun vorab hingestellt und redete nicht mehr davon. — Nach einiger Zeit nahm mich Vater Comboni allein bei Seite, hielt mit mir eine förmliche Gewissenserforschung und Standeswahl, überzeugte mich bald, dass ich meinen Beruf nicht erkannt hätte, und ließ mich alle meine frühern Pläne vergessen. Mit Freuden und einer wahren Herzenslnst folgte ich nun meinem geliebten Vater Comboni nach Europa. Wir verließen El-Oböid im December 1875. Nach einer glücklichen Reise von 11 Tagen waren wir in Chartum, wo der apostolische Provicar sehnsüchtig erwartet wurde. — Nach einer Woche gieng's wieder fort, stromabwärts nach Berber, wozu wir 13 Tage (infolge der Nordwinde) brauchten. Nach einer kleinen Rast in jener Stadt und unserer Missionsstatwn brachen wir nach Suakin ans und waren 14 volle Tage unterwegs. (Schluss folgt.) Erinnerungen en eine Reise int Rollten Meere. Von P. Xaver Geyer F. S. C. III. (Fortsetzung?) Ais Stadt Afchsdda. ^^I^I/schedda ist bekannt durch den religiösen Fanatismus seiner Einwohner, der sich in der blutigen Metzelei vom Jahre 1858 thätlich zeigte. Die \§wj Unzufriedenheit der Eingeborenen über die Concurrenz des europäischen (J Handels und der religiöse Hass gegen die Christen wurden damals durch das Gerücht, der englische Consul habe die Religionsfahne geschändet, zur Wuth entflammt. Der Ueberfall der Christen wurde im Geheimen geplant und vorbereitet und begann um 9 Uhr abends. Zuerst wurde der englische Consul im Bette ermordet, man schlug ihm das Haupt ab und warf es auf die Straße, die Leiche wurde durch die Stadt geschleift. Ebenso wurden der französische Consul und zwanzig bei einem Mahle versammelte Griechen ermordet. Die Rache, welche Europa nahm, war eine sehr gelinde; man begnügte sich, die Stadt, aus welcher die Einwohner sich in die Wüste geflüchtet hatten, zu bombardieren. Die Acten dieses traurigen Vorfalls liegen im französischen und englischen Consulate aufbewahrt. Obwohl sich heute der Fanatismus in etwas gemildert hat, ist bei gegebener Gelegenheit ein Wuthausbruch des religiösen Hasses nicht ausgeschlossen. Obwohl durch die „Constitution Ottomane" vom 23. December 1876 alle Unterthanen des Sultans ohne Rücksicht auf Nationalität als Bürger mit gleichen Rechten anerkannt worden sind, leben die Christen in Hedschaz doch noch im Ausnahmezustand. Die Europäer können kein Grundeigenthum erwerben, sie leben als Fremdlinge, die einstweilen nur geduldet werden, und die Eingeborenen stehen ihnen mit Hass und Misstrauen gegenüber. Gegenstand besonderen Hasses sind die Consule, die deshalb nie Eingeborene, sondern Ausländer als Bosniaken, Syrier, Magrebiner in ihrem Dienste haben. Europäische Kleidung ist verhasst. In den Straßen kann man sich von Kindern und Erwachsenen zurufen hören: „kelb nusräni“ (Christenhund), „kafer“ (Heide), „jenaal abuk“ (Verflucht sei dein Vater), „jenaal omtnak“ (Verflucht sei deine Mutter), „chattab el-noru (Holz für das Feuer, d. h. die Hölle), welche Liebenswürdigkeiten nicht selten mit kräftigem Ausspucken begleitet sind. Eines Tages begleitete ich einen Christen auf den Markt, wo derselbe Früchte kaufte. Der Händler wollte betrügen. Der Christ erkannte den Betrug und sagte: *) Siehe Nr. 7 Seite 164. „Wer betrügt, kommt in die Hölle." Schlagfertig erwiderte der Händler mit höhnischem Grinsen: „fi-el-djehannam taruliu entom!“ (In die Hölle kommt ihr!) Einem Christen gegenüber ist dem Muselmann alles gestattet; einen Christen betrügen, gilt als gutes und verdienstvolles Werk. Der religiöse Fanatismus wird genährt durch zahlreiche Seelen und Bruderschaften. Die Secte der Wahabiten, welche von Mohamnled Ali besiegt wurden, zählt noch viele Anhänger in Arabien. Sie will die Reinheit des Islam in seiner gehässigsten Form. Der Mönchsorden des Scheik Senussi in der tripolitanischen Wüste besitzt mehrere Agenten in Hedschaz und Häuser in Mekka. Indessen hindert der Fanatismus nicht, gegen den Koran zu handeln. Im heiligen Lande des Islam ist die Einfuhr und der Verkauf von geistigen Getränken verboten, nur den Consuln ist die Einfuhr für ihre Person gestattet. Um mich zu überzeugen, ob Spiritus verkauft werde, begab ich mich eines Tages in einen griechischen Laden und verlangte eine Flasche Wein. Es wurde mir erklärt, dass Wein nicht zu haben sei, und man bot mir Syrup an. Später sah ich, dass Europäer in eben derselben Bude Wein kauften, mir war er verweigert worden, da ich unbekannt war. In den Verkaufsläden stehen Berge von Syrupen und unschuldigen Getränken; der Spiritus ist verborgen und wird nur geheim an zuverlässige Bekannte abgegeben. Zu diesen zuverlässigen Bekannten zählen vor allem die türkischen Beamten und Officiere. Sie sind alte Kunden der Spiritushändler, die Einfuhr des Spiritus geschieht mit ihrer Mitwissenschaft, welche durch Bakschisch (Trinkgeld) erkauft wird. Griechen und türkische Beamte sind so gegenseitig auf einander angewiesen. Ich sah wiederholt türkische Officiere in betrunkenem Zustande. Muselmänner wiesen den ihnen angebotenen Schnaps im österreichischen Consulate mit Abscheu von sich, wenn Religionsgenossen zugegen waren, schlürften ihn aber mit Wohlbehagen, wenn sie allein unter Europäern sich befanden. Man hört oft die Herren über die Trunksucht ihrer Sclaven klagen. Der Oaim-Magam Fehmy Bey hatte bei einem Besuche des französischen Consuls Chartreuse gekostet, die ihm wohl zu bekommen schien. Denn alsbald sandte er einen Cawaß zum Consul mit der Bitte um eine ganze Flasche „Getränk der französischen Mönche", „da er sich unwohl fühle". Er lobte die ausgezeichnete Wirkung des Getränkes und wurde so oft unwohl, dass der Vorrath der „Medicin" alsbald bei dem französischen Consul zu schwinden begann. In Mekka selbst wird Schnaps aus Weintrauben bereitet, von dessen Güte ich mich im französischen Consulate überzeugte. Derselbe soll sogar dem Scherif munden, wie man erzählt, was freilich fromme Moslims wieder in Abrede stellen mit dem Bemerken, ein Scherif sei zu heilig, um Spiritus zu trinken. Der Fanatismus der Moslims hat bis jetzt ein gefahrloses Vordringen der Europäer nach Mekka und Medina verhindert. Am 6. April machte ich einen Ausflug in der Richtung nach Mekka. Stach etwa anderthalb Stunden Marsch traf ich ein türkisches Kaffeehaus mit einem Karakol (Polizeiwache); letztere nöthigte mich zur Umkehr mit dem Bemerken, dass ein weiteres Vordringen für mich als Christen lebensgefährlich sei. Die in Dschedda ansässigen Europäer müssen daher ihre Jagdausflüge auf die nächste Umgebung der Stadt beschränken. In einiger Entfernung vom Medinathore haben sie sich eine kleine Ruhebank aus Stein erbaut, wohin sie allabendlich ihre Schritte lenken, um frische Lust zu schöpfen, aber nach Eintritt der Dunkelheit kommt die Regierung nicht mehr für ihre Sicherheit außerhalb der Stadtmauer auf. Verschiedene Europäer haben es versucht, als Muselmänner verkleidet, nach Mekka zu gelangen. Einigen ist es gelungen, andere haben ihre Kühnheit mit dem Leben gebüßt. Im Jahre 1884 wurde der Elsässer CH. Huber, welcher von Dschedda nach Mekka reisen wollte, zwei Stunden von ersterer Stadt ermordet. Ebenso ergieng es einem Deutschen, namens Lang, welcher auf der Reise von Dschedda nach Aden von den Beduinen getödtet wurde. Einige Gelehrte, welche den Islam und die Bibliotheken in Mekka und Medina studierten, haben äußerlich völlig den Islam angenommen, sich sogar beschneiden lassen und mehrere Frauen geheiratet. So kam der Engländer Burton, als Derwisch verkleidet und die religiösen Ceremonien der Mohammedaner verwerflicher Weise nachäffend, mit der ägyptischen Karawane nach Mekka und Medina. Ter ägyptische Stabsosficier Mohammed Bey Sadek, welcher im Jahre 1880 die ägyptische Pilgerkarawane als Schatzmeister begleitete, veröffentlichte interessante Einzelheiten und lüftete etwas den Schleier der beiden heiligen Städte des Islam. Dies war ein sehr dankenswertes Werk in Anbetracht, dass die Muselmänner gegenüber Christen das gtößtmöglichste Geheimnis zu wahren suchen über die Vorgänge an ihren heiligen Orten. Mekka, in gleichem Stile wie Dschedda erbaut und nur vierundzwanzig Wegstunden von diesem entfernt, zählt etwa 120,000 Einwohner und ist der vornehmste Wallfahrtsoit der Mohammedaner. Die Pilgerfahrt dorthin ist eine der ersten religiösen Pflichten der Moslemiten, welche jeder wenigstens einmal im Leben erfüllen soll. Die Pilgerfahrt gilt als die vollkommenste Sühne für Sünden und Vergehen, sie verleiht ein Anrecht auf das Paradies. Muselmänner aus allen Weltrichtnngen strömen in Mekka zusammen: Magrebiner aus Marokko, Algier und Tunis, in weißmollene Mäntel gehüllt und die Kapuze um das Haupt gebunden, arme Fellachen ans Oberägypten, welche die ganze Familie und Verwandtschaft, Weib, Mutter, Großmutter, Kind und Kindeskind bis zum Säugling mit sich führen, nachdem sie den Acker und das Hansvieh einem Bruder oder Vetter zur Besorgung überlassen haben; bettelnde Takruii und Fellata ans dem Herzen des Sudan und Neger ans Westafrika, reiche Javanesen, Inder und Perser, Syrier und Türken u. s. tu. Die Zahl der Pilger in den einzelnen Jahren lässt sich genau nur schwer angeben, da viele ans Landwegen und zu verschiedenen Zeiten nach Mekka kommen. Am größten ist die Zahl der Pilger in den Jahren, in welchen das große Pilgerfest auf einen Freitag fällt. Dies war der Fall im Jahre 1888. Nach einer Zählung beim Vorbeimärsche der Pilger im Thäte Mina, welche der Sanitätsarzt in Mekka vornahm, sollen damals über 200,000 Pilger anwesend gewesen sein. Die meisten Pilger landen in Dschedda; von da ans geht die Reise zu Kameel, Esel oder zu Fuß östlich nach Mekka. Die vorgeschriebenen Pilgerceremonien beginnen bei der Ortschaft Babig: der Pilger nimmt ein Bad oder wäscht sich den Erinnerungen an eilte Reise im Rothen Meere. 189 Körper und rasiert den Kopf glatt; dann legt er den „Jhram" (auch Tarihma genannt), ein Pilgerkleid, an, das aus zwei ungenähten Stücken weißen Baumwolle stoffes, deren eines unter den Achseln durchgezogen, das andere über die Schulter Eilte arabische Familie. (Originalbild des „Stern der Neger".) geworfen wird, besteht. Arme, Haupt und Füße sind entblößt. Der Pilger darf nicht Genähtes an sich tragen. Die Frauen, denen jede Kleidung gestattet ist, tragen meistens einen faltigen Ueberwurf aus weißer Baumwolle. Mit dem Anlegen des „Jhram" beginnt die eigentliche Pilgerfahrt. Beim Anblick Mekka's steigert sich der religiöse Eifer, der Pilger betet: „O Gott, wahrlich dort ist deine schützende Burg, dort steht dein Heiligthum. Wer dasselbe betritt, ist gerettet. 190 Erinnerungen an eine Reise im Rothen Meere. Halte das höllische Feuer ferne von meinem Leibe und meinem Blute, von meinen Knochen und von meiner Haut. Ich beschwöre dich dieserhalb, beim du bist Gott, der Erbarmende und Allgütige, dem nichts verglichen werden kann. Habe Erbarmen mit unserem Herrn Mohammed, seiner Nachkommenschaft und seinen Getreuen, mit jedem und mit allen." Die meisten Pilger finden sich bei dem großen Pilgerfeste (Korbän el-Beiräm) ein, das stets am 10. Tage des Monates Zu-el-Heddja (November) stattfindet. Die Feier wird auf dem bei Mekka gelegenen Berge Arafat abgehalten, wo nach der Sage Abraham für seinen Sohn Isaak den Widder schlachtete. Am Vorabende hält ein Derwisch eine mehrstündige Rede und entflammt den Fanatismus aller; am selben Abende findet das große Gebet statt, an welchem sich alle Scheiks, Derwische und Pilger, sowie der Scherif mit seinem Hofstaate betheiligen. Nach der Ueberlieferung sollen bei dem großen Gebete auf dem Arafat 600,000 Gläubige zugegen sein, die Fehlenden sollen durch Engel im Pilgerkostüm ersetzt werden. Die meisten der Pilger schlachten am Feste einen Hammel zum Andenken an das Opfer Abrahams, manche auch mehrere für ihre Verwandten oder solche, welche sie hiezu beauftragt haben. Die geschlachteten Thiere werden liegen gelassen, das Fleisch holen sich die Beduinen, die Knochen gehören der Regierung. Der große Menschenandrang und die ungeheure Hammelschlächterei haben besondere sanitäre Vorsichtsmaßregeln zur Zeit der Wallfahrt nothwendig gemacht. Zur Vollständigkeit der Wallfahrt gehört der Besuch von Medina, wo das Hauptheiligthum aus dem Gemach Aischa's, der Lieblingsfrau des Propheten, in dem er gestorben und angeblich begraben ist, besteht. Ueber dem Grabe wölbt sich eine große grüne Kuppel mit vergoldeten Kugeln und mächtigem Halbmonde, welche ein Lichtmeer umschimmern soll. Ueber betn Eingänge zum Grabe stehen die Koranverse: „Wer die Menschen an seine Wohlthaten gewöhnte und die Völker mit seinem Segen überhäufte, wird die Völker scharenweise zu seiner Thüre wandern sehen. Man liebt es, sich zu versammeln um einen erquickenden Quell." Die öffentlichen Straßen und Plätze von Dschedda sind von Bettlern und Possenmachern belebt. Das Almosengeben gehört zu den religiösen Pflichten des Muselmannes, wodurch ec Buße für seine Sünden thun und sich das Wohlgefallen Gottes erwerben kaun. Singend und die Augen zu den Muschrabien erhoben, zieht der Bettler von Haus zu Haus und fängt das ihm zugeworfene Almosen auf. Besonders rührend war der Anblick eines armen, alten Negerpaares, wohl entlassene Sclaven, welche nun durch Bettel ihr Leben fristen mussten, nachdem sie ihre Jugendkrast einem habgierigen Herrn geopfert hatten. Das Negerweib führte den blinden, krüppelhaften Gatten. Dieser saug in Negercadenzen mit zitternder Stimme, während die Frau seinen traurigen Gesang begleitete. Nachdem sie ein Stück Brot, welches ihnen zugeworfen worden war, mit Gier verzehrt hatten, begannen sie ihr Geschäft von neuem, flehentlich die mageren Gesichter zu den Fenstern erhoben. Es treiben sich eine große Anzahl Berufsbettler herum, die sich ob der gegenseitigen Concurrenz feindselig gegenüberstehen. Ein junger, rüstiger Mann in lumpigen Kleidern zog eines Tages unter meinem Fenster hin, bei Gott und dem Propheten um Almosen bittend; von einer Mnschrabie wurde ihm ein Stück Brot zugeworfen, das von einem des Weges kommenden Bettler weggeschnappt wurde. Der Junge schalt und fluchte in den gemeinsten Ausdrücken und schlug seinen Gegner mit Fäusten und zog dann, gelassen weiter singend, seines Weges. Außer den Eingeborenen leben in Dschedda zahlreiche Indier, Perser, Türken, Syrier, meist Kaufleute, außerdem Griechen, etwa vierzig Malteser und an dreißig Europäer. Es besteht ein englisches, französisches, holländisches, österreichisches und persisches Consulat. Die Anzahl der Katholiken ist etwa zwanzig. Ich las mehrere Male die hl. Messe im Divan des französischen Consulates, wo sich die Katholiken versammelt hatten. In Anbetracht der geringen Anzahl von Katholiken, sowie des Fanatismus der Eingeborenen, die eine erfolgreiche Propaganda unmöglich machen, lohnt es sich für jetzt kaum, hier eine Missionsstation zu errichten. Die Hauptbevölkerung Arabiens sind die Beduinen (vom arabischen bedaui, Bewohner der badat d. h. Wüste). Von sonnegebräunter Hautfarbe, sehnigein Körper von untadelhaster Form, mit kühnen, blitzenden Augen sind sie echte Araber; stolze und starrköpfige Wüstensöhne, lieben sie die ungezügelte Freiheit und verachten die angesiedelten Stüdtebewohner. In die Städte kommen sie nur, um Einkäufe zu besorgen. Die Wüste mit ihren Sanddünen und glühendem Fels-gestein ist ihr Element, das sie eifersüchtig gegen fremde Eingriffe bewachen. Sie, deren Vorfahren auf den Spitzen der Lanzen und Schwerter die Religion des Koran nach Syrien und Nordafrika getragen haben, sind heute noch fanatische Muselmänner. Dem durch Gesetze geregelten Leben find sie unzugänglich. Daher ist auch der Einfluss der türkischen Regierung auf ihre Verhältnisse ein sehr geringer. Die türkische Oberherrschaft ist nur nominell. Der Sultan muss sogar diese durch Leistungen in Geld und Korn erkaufen, wofür die Beduinen sich zur Schätzung der Karawanen verpflichten. In der That sind sie aber der Schrecken derselben. Ueberfälle der Karawanen seitens der Beduinen sind nicht selten. Ihre Wildheit und Habgier veranlasst sie auch, arme Pilger zu überfallen und eines schmutzigen Hemdes wegen zu ermorden. Der Widerstand der Beduinen hindert die Erbauung von Eisenbahnen, sie geben ihr Monopol über die Karawanenstraßen nicht ab. Als ich im Mai 1886 von Massana nach Suakin reiste, befand sich an Bord des Schiffes ein Agent des internationalen Reisebureau Jos. Cook in London, welcher den Transport der indischen Pilger zwischen Dschedda und Mekka an seine Gesellschaft zu bringen versuchte. Trotz kostbarer Geschenke und Empfehlungsschreiben für den Scherif in Mekka scheiterte sein Plan am Widerstande der Beduinen. Die Türkei ist zu schwach, um unter den Beduinen Wandel zu schaffen. Zwar haben die Beduinen einen gewaltigen Respect vor den Gewehren und Kanonen, denen gegenüber ihre alten Flinten und Revolver machtlos sind, aber sie zu einem geregelten Leben zu bringen, ist die Türkei außer Stande. Wiederholt nahmön die Beduinen eine drohende Stellung der Regierung gegenüber an. Im Jahre 1885 erschienen an 6000 Beduinen vor den Mauern von Dschedda, weil die Regierung ihnen nicht genügend Getreide geliefert hatte. Die Europäer waren in Todesangst mehrere Nächte hindurch. Erst als sie Korn erzwungen hatten, zogen die Beduinen wieder in die Wüste ab. (Fortsetzung folgt.) Verschieden«. Marien-Acrein für Afrika. Der hochw. Herr Pfarrer Sedlaezek schreibt uns aus Breitensee: Am 24. Juni wurde Frau Maria Nakowitsch, das erste Mitglied der hiesigen Frauengruppe des Marien-Vereines, unter großer Betheiligung der Vereinsmitglieder und der ganzen Gemeinde zu Grabe getragen. Viele Vereinsmitglieder trugen Abzeichen und Kerzen. Gegen zehn giengen zu beiden Seiten des Sarges. Allgemeili fiel der schöne vom Vereine gespendete Kranz auf. Der Herr Pfarrer widmete der edlen Verstorbenen auf dem Friedhofe einen warmen Nachruf. Sie hatte das Glück, am Herz Jesu-Feste zu sterben und am Herz Jesu-Sonntag beerdigt zu werden. Unsere Bilder. Schtaugeuöändigcr. Im Orient und ganz besonders in Aegypten sieht man diese Leute, welche, natürlich für gute Bezahlung, sowohl auf öffentlichen Plätzen als auch in Privateirkeln mittelst Schlangen und anderer Reptilien sich produeieren und augenscheinlich die wunderbarsten Dinge vollführen. Nach Takt und Musik tanzen die Schlangen, emporgerichtet, steif und gerade wie lebende Stöcke. Andere dieser Schlangenfreunde geben vor, jegliche versteckte Schlange finden und hervorrufen zu können. Zu diesem Zwecke werden sie i;t diejenigen Familien gerufen, welche nicht gerne ihr Obdach mit diesem Gewürme theilen. An der ZZewäffcrnngsaröeit sieht der Leser Fellachen von Oberügypten beschäftigt. Dort ist für die Fruchtbarkeit das Wasser alles. Der Nil kann nicht so weit fein Gewässer ausbreiten, als es genügen könnte, und so muss man sich eben auf vorbezeichnete Art helfen, indem man mittelst Schöpfeimer das Wasser von den niedriger gelegenen Gräben in die höher gelegenen gießt und so das hoch gelegene Terrain auch für den Anbau fähig macht. Mühe und Geduld kostet allerdings dieses Verfahren. Für die Redaction: P. Fapcr Geyer F. 8.6. — Druck von A. Weger's fb. Hofbnchdrnckerei, Brixen.