osterreichische Handelspolitik und Ideen, wie es bald „besser werden“ kanti. Von ~V". C- Supan, Verfasser der Broschiire: „Schutz der heimischen Arbeit“ i. J. 1869. „Sehet jetzt nun zu, ilir osterreichischen Freihandlei-, wie ihr Tausende von un- aeren hungrigen Arbeitern mit eueren freien Prinzipien sattmachen werdet“. Aus meiner Kammerrede i. J. 1866» I. Jleft. -—-——- Laibach. Im Verlage des Verfassers. — Druck von Klein & Kovač (Eger). 1876. ' fOBBISE Ein eigenthiimliches Geschick hat mich in meinen friihesten Jugendjahren zu den freivvilligen und ernsten Studien der politischen Oekonomie geleitet. Auf dem Felde dieser soge- nannten unheimlichenWissenschaft und in praktischerVerbindung dazu bewege ich mich jetzt schon mehr als 35 Jahre. Ich nehme keinen Anstand, hier offen zu hekennen, dass ich Anfangs mich beinahe mehr dem Freihandel zuneigte; ist ja doch die Freiheit fiir jedes lehende Wesen ein hochschatzbares Gut, um so mehr, da ich im Prinzipe fiir alle Freiheiten bin, allein, wenn ich zur Ueberzeugung gelange, dass die be- dingten Factoren, welche durch die Freiheit zur Wohlfahrt ftihren sollten, noch nicht vorhanden sind, dann ist mir in diesem Falle das blosse Wort »Freiheit** nichts als Phrase. Im Anfange des neunzehnten Jahrhunderts sind die Grundziige des Adam Smith’schen „Wealth of nations** und dessen freihandlerische Ideen am Continente in der Wissen- schaft durchgedrungen und den rastlosen Bemtihungen der englisehen Industriellen ist es gelungen, bei den continentalen Staatsmannern freihandlerische Ideen zu verbreiten. (Siehe Edeuvertrag.) Selbst in den intelligentesten und gebildetsteu Kreisen hielt man mit Bezug auf den Kosmopolitismus den Freihandel fiir den allein seligmachendem Nun traten andere Autoritaten auf, als List, der junge Manvitz, Carey etc., und diese haben miter anderm nachgewiesen, dass die eben so geniale als schlaue kosmopolitische Theorie Adam Smith’s dazu benutzt wurde, um zum Vortheile Englands der Welt Sand in die Augen zu streuen. 1 * Es ist nicht am Platze in diesen vorliegenden wenigen Zeilen mehr dariiber zu sagen. Ich babe, wie erwahnt, mit redlichem und vorurtheilsfreiem Sinne in der Geschichte und in so verschiedenen mir zu Gebote stehenden national-Okono- mischen Werken Belehrung gesucht, und durch die anerkann- testen Autoritaten und durch meine Beobachtung und Erfah- rung im vieljahrigen praktischen Geschaftsleben als Kaufmann, ist in mir die feste Ueberzeugung herangewachsen, dass im allge- meinen osterreichischen Staatsinteresse ein zweckentsprechendes nicht zu geringes Schutzzollsjstem als unabweisbares Postulat eines osterreichisch-national-okonomischen Programms, ange- nommen werden muss. Im Jahre 1866 zum Prasidenten der krainischen Handels- und Gewerbekammer gewahlt; von der Zeit an stets vertrat ich in der Oeffentlichkeit nach allen Richtungen hin mit Wort und Schrift meine handelspolitischen Ansichten — fiir unsern osterreichischen Staat. Die lappischen Floskeln, die hie und da dariiber gemacht wurden, sind nun durch das wirklich thatsacblich eingetretene volkswirthschaftliche Elend und die Verarmung des Volkes gewiss auf das glanzendste widerlegt. Laibach im Dezember 1876. Iker Verfasser. Die Grundursache unseres volkswirthsehaftlichen Elends und der notorisch allgemeinen Verarmung unseres Volkes in Stadt und Land liegt unbedingt hauptsachlich in der fur osterreichische Verhaltnisse ganz irrthiimlichen und verfehlten, seit 1853 eingeschlagenen Handelspolitik. Die ungltickseligen internationalen Handelsvertrage, vor deren Abschluss ich in meiner Eigenschaft als gewesener Prasident der krainischen Handels- und Gewerbekammer oft und noch zur rechten Zeit mit Wort und Schrift energisch warnte und sie als unseren volkswirthschaftlichen Ruin in Voraus bezeichnete, haben ver- heerend gewirkt. Den Scblussstein bildete die Nachtragsconvention zum englischen Handelsvertrage, die ich vor dem Entschiede der Annahme im Juli 1869 als Damoklesschwert fur die Oster¬ reichische Industrie vorgefuhrt habe. *) Ueberhaupt wurde die ganz verfehlte und unrichtige Handelspolitik ofters von mir und *) In meiner Broschiire „Schutz der heimischen Arbeit“, die im Juli 1869 im Druck erschien, lautet Seite 9: „Die gegenvvartige schwebende Erage in Bezug auf die Nachtragsconvention zum englischen Handelsvertrage, was bekanntlich ein Vermachtniss des Sistirungsministers Belcredi ist, anbelangend, wird wohl, so hoffen wir, der hohe Beichsrath zvreifelsohne dieses Damolcles- schwert fiir unsere osterreichische Industrie mit geistigen Waffen entwaffnen und verwerfen.“ Seite 27 in der erwahnten Broschiire heisst es wortlich: „Dass die Nach¬ tragsconvention zum englischen Handelsvertrage uie im osterreichischen Staats- interesse, weder im Interesse der osterreichischen Staatsbiirger, noch in dem der osterreichischen Baumvroll- und Schafwollindustrie liegen kann, und wenn diese Convention, was wir nicht glauben, dennoch angenommen wird, so wird dieselbe ohne allen Zweifel von vielen Seiten als eine Concession an England betrachtet werden.“ In dem vortrefflichen Ent.vrarfe eines allgemeinen osterreichischen Zollta- rifes, ausgearbeitet vom niederosterreichischen Gewerbevereine vom Jahre 1875, also nach 6 Jahren, heisst es S. 6 wortlich: „_aus denen endlich die beriichtigte Nachtragsconvention vom 30. Hezember 1869 hervorging. Durch sie wurden zwei — 6 — auch von anderen Seiten einer ausfuhrl ichen Kritik unter- zogen und eine Wandlung derselben im schutzzollnerischen Sinne mit allem Ernste angerathen, mit dem ausdriicklichen Bedeuten, dass, wenn diess nicht geschieht, die Zeit kommen werde, wo alte Freihandler zusammen nicht im Stande sein werden, Tausende von unsern hungrigen Arheitern mit ihren freien Prinzipien satt zu machen. Kun ist es jetzt nicht so gekommen, wie ich es vor einem Jahrzehent prophezeit hahe, wo ich bemerkte, Oesterreich miisse, es ist meine vollste Ueherzeugung, vermoge der be- stehenden Aerhaltnisse geiviss die allergrosste Torsicht bei Abschliessung von Handelsvertragen iin Auge halten, sonst diirfte es diess spater bitter bereuen ? Denn die starkere Produktionskraft richtet gewohnlich die minder starkere zu Grande und leider ist die G-leichheit der produktiven Krafte Oesterreichs und der Westlander gegemvartig noch keine That- sache. Die grossere Produktionskraft befordert die Ansammlung grOsserer Kapitalien und dieses ist wieder ein neues hoher potenzirtes Element der Produktion und so kann die Folge- rung auf die mathematische Eichtigkeit den Anspruch machen, dass der eine Staat immer reicher und der andere immer krmer wird. Diese meine Voraussicht basirt selbstverstandlich auf einem vieljahrigen ernsten und umfassenden Studi um der politischen Oekonomie, auf Erfahrung und Kenntnissen, denn nur dadurch erschliesst sich eine richtige Anschauung fiir in Oesten-eich heimischo and in Bliithe stehende Industriozweige, die Sciiaf- wt>llwai'en- und die Baumwollwaren-Industrie, thatsachlich mit gebundeneu Amen an England ausgeliefert, gerade an jenen iibermachtigen Industriestaat, der speziell in diesen Industi’iezweigen den VVeltmarkt beherrscht. Und alles dieses geschah eigentlich ohne Enquete, ohne der Einvernahme von Sacli- verstiindigen, ohne des Einverstiindnisses der Betheiligten und aufs Tiefste be- riihrten Industriellen, ja sogar, oline irgend welcher Priifung oder Vorerhebung in Bezug auf die Prage, insoferne unsere Industrie, die ihr durch diese Nach- tragsconvention zngemuthete Coneurrenz auch auszulialten im Stande sei — alles diess geschah, ohne der Industrie die nothwendige Zeit zu gonnon, um sich auf den Eintritt der Polgen der durch die Nachtragsconvention zuge- standenen Zollermassigungen gehorig vorzuhereiten.“ — 7 - eiu wahres national-okonomisches Programm in Riicksicht auf den betreffenden Staat und das um so sicherer und fester, je grosser. die vielseitig-e Griindlichkeit der praktisch-national- okonomisehen Grundsatze, die Bildung, der Patriotismus, die Unbefangenheit und Uneigenniitzigkeit vereint vorhanden sind. Die Arbeit eines Volkes ist dessen vortheilhaftes Kapital. Ein System, welches die eigene heimische Arbeit nicht bis zur aussersten Leistungsfahigkeit ausniltzt, und sie im Gegen- theil dureti unvorsichtige, den staatlichen Verhaltnissen nicbt angepasste Handelsvertrage nach verscbiedenen Riehtungen lahmlegt, ist immer ein Ungluck fiir denselben Staat und fuhrt analog richtig aueh immer zur Verarmung des Volkes. Die Arbeit, welche als die Schopferin jedes Reichthuines zu betrachten ist, ist ein Hauptfaktor des ganzen wirtb- schaftlichen Lebens, weil die Arbeit dem Entstehen des Kapitals vorausgeht. Wenn aber in Oesterreich eine Handels- politik eingeschlagen wurde, rvelche, wie jetzt erst allgemein anerkannt worden ist, durch bedachtlose Vertrage die heimische Arbeit schadigte, so liegt darin zugleich der eklatanteste Beweis, dass in diesem Vorgehen der einzige Grund der Verarmung des Volkes zu suchen ist. Wahrend bei uns in Oesterreich die Hauszinssteuer so gewaltig ist, wie fast sonst nirgends in Europa, wahrend ali e Sorten von Steuern und offentlichen Lasten sich ver- inehrten, setzte man die am allerwenigsten driickende Be- steuerung auf die auslandischen Waaren fabellos herunter. Man schloss besonders wahrend der so langen parlaments- losen Zeit Handelsvertrage ah, welche die wiehtigsten Zweige der vaterlandischen Produktion vernichten, die nicht die Un- abhangigkeit, sondern die Abhangigkeit, nicht Reichthum, TVohlstand, Zufriedenheit, sondern Unzufriedenheit und Ver- armung des Volkes in allen Theilen des Reiches herbeifiihren. Wer braucht denn so absolut nothwendig eine Menge aus- landischer Fabrikate ? Warum? Fragen wir nun, kaufen und bezahlen wir so viele fremde Arbeit, um andere Nationen — 8 — und andere Staaten durch die von ihnen erkaufte Arbeit reich zu machen und damit wir dabei selbst zu Grande gehen ? Diess voraussehend, babe ich beim ersten Antritte meines nahezu zehnjahrigen Anites, als Prasident der Kammer, den Ruf erschallen lassen, nach grdsserem Schutz der heimischen Arbeit, das ist der Arbeit in osterr.-ung. Landern*) und dieses als unabweisbares Postulat des osterreichischen national- okonomischen Programmes als richtig anerkannt und dargestellt. Das war in einer mehr als einstiindigen Kammerrede (13. September 1866) bald nach der Katastrofe von Koniggratz, als der deutsch-osterreichische Handelsvertrag unter dem Donner der Kanonen zusammenbrach, und damals gleich habe ich der Regierung den Rath ertheilt, dass sie schleunigst aus geeig- neten Mannern einen osterreichischen Handelstag in W.ien zu- sammenrufen mochte, um sofort die hochst nothwendige Modi- fizirung des deutsch-osterreichischen Handelsvertrages vorzu- nehmen. Seit jener Zeit als am 19. Februar 1853 in Berlin Otto von Manteuffel als preussischer Minister und Karl von Bruck auch als Preusse und nebenbei osterreichischer Minister die Schlussprotokolle des 1. deutsch-osterreichischen Handels¬ vertrages unterschrieben haben, seitdem namlich hatte das spe- zifisch osterreichische Elend den ersten Anlauf geuommen und in Folge des nachtraglich rapiden Eintretens in den Kreis der industriereiehsten in jeder Hinsicht so sehr vorgeschrittenen Westlander, reich an Kapital und reich an Fachbildung, und wir arm an Kapital und arm an Fachbildung, ist durch diese, wie gesagt, durchaus verfehlte Handelspolitik, mit ihren sogenannten modernen Handelsvertragen, unser osterreichischer Staat dahin gekommen, dass von ihm gelten kann, was einstens Franklin von *) Wir sind weit entfernt, in irgend einem Bigendunkel zu leben, und wir wissen daher, dass unsere Stimme gar nichts andex - es ist, als eine Stimme des Bufenden in der Wiiste, und dennoch rufen wir, bei unserer Staatsbiirger- pflicht, aus vollster osterreichischer Brust: „einen den osterreichischen Yer- haltnissen entsprechenden Schutz der heimischen Arbeit,“. Aus meiner Bro- schiire aus dem Jahre 1869. — 9 — dem Staate New-Jersey sagte: dieses Land ist ein von seinen Nachbarn iiberall an- und abgezapftes Fass. Was ein grosser Staat ist ohne ttichtige Handelspolitik und was er anderseits dureh eine verstandige, kluge, zweckent- sprechende Handelspolitik werden kann, das werde ich hier nickt erlautern, jedoeli will ich spater unter anderm auch die geschichtlichen Resultate von 3 Handelsvertragen anderer Staaten heleuchten, die ich hereits in meiner Broschiire „Schulz der heimischen Arbeit 1869“ bevor die Nachtrags- convention zum englischen Handelsvertrage angenorumen wurde, veroffentlicht habe, rvoraus klar hervorgeht, dass es von allergrosster Wichtigkeit ist, in wessen Hande die na- tional-okonomischen. Massregeln und Verfiigungen eines Staates gelegt werden, und dass davon die Starke und Macht, ja sogar oft die Existenz eines Staates abhangt. Ich ffrage jetzt hier ohne jede andere Polemik, ganz schlicht und einfach, die Anwalte freihandleriseher Grund- satze, wo sind denn die segensreichen, wohlti)nenden Nach- kliinge unserer freisinnigen Handelsvertrage bei uns in Oesterreich zu finden ? — Ja, wo sind sie denn ?! Ich rechne nur mit der Logik der Thatsachen. Sehet doch hin ihr oster- reichischen Freihandler, euere Namen in besseren Zeiten nicht gekannt! wie es mit der Terarmung unseres Yolkes aussieht, ■weil statt heimischer, die auslandische Arbeit im grossen Uebermasse bezahlt wird und bei uns die wichtigsten Pro- duktionszweige vernichtet worden sind. Werden unsere ent- lassenen und brodlosen G-eschopfe euer Andenken auch segnen ?! Je nun! sodann ihr osterreichischen Freihandler sehet jetzt zu, wie ihr mit eurem Freihandelparoxismus die entlassenen hungrigen Arbeiter satt machen werdet, welchen Ausdruck ich euch vor einem Jahrzehent bereits ins Gesicht geschleudert habe. Wer hat jetzt recht ?! Nicht als Industrieller, sondern als ein Manufakturwaaren- handler en groš, folglich als Kaufmanu, habe ich die schutz- zollnerische Fahne mit voller Ueberzeugung entfaltet, einge- 10 — denk des Motto meiner Broschure »Schutz der heimischen Arbeit “ : „dle Kraft, die auslandische Waare zu kaufen, geht mit der Kraft die eigene Waare zu verkaufen, zu Grande. K Die Arbeit ist ein gemietlieter Gebrauchsgegenstand, die Arbeit ist eine Marktwaare, die gekauft und verkauft wird. Das erste, was der Mensch verkauft, ist die Arbeit. ,>Wenn er aber seine Arbeit nicht verkaufeu kann, so kanu er auch eine andere Arbeit nicht kaufen. Verkauft, ihr freihandlerischen Kaufleute, die im Auslande gekaufte billige Waare jetzt im Innern theuer! An wen % Die heimische Arbeit wurde nicht entsprechend geschiitzt, zum grossten Theil zu Grande gerichtet, so dass das Volk entsetzlich ver- armte und jetzt beinahe keine Kraft mehr besitzt, weder die auslandische noch die inlandische Waare zu kaufen. Diess allen meinen verehrten gewesenen Kollegen, die sich seiner- zeit gar so sehr wunderten, dass ich als Kaufm anu die schutz- zOllnerischen Grundsatze so positiv entwickelte. Alles beruht j auf Grundlage einer Wissenschaft, und nur durch sie gelangt ; man zur Voraussicht. Leider wurde die wichtigste Staatsvrissenschaft, namlich die National-Oekonomie, bei uns in Oesterreich nicht in wiir- dige und erforderliche Beachtung gezogen, daher zeigt sich fast uberall der Mangel an klarer Einsicht, und die wahren volkswirthschaftlichen Begriffe sind eben dadurch nicht vor- handen. So z. B. als beim letzten Handelskammertage am 29 . Jiinner 1876 beztiglich des Zolltarifes die im schutz- zollnerischen Sinne von der Wiener Handelskammer ausgear- beitete Resolution in Debatte kam, ausserte sich ein Redner, laut dem stenografischem Protokolle, Seite 14 wortlich : „Wir diirfen jedoch nicht unberucksichtigt lassen, dass Oesterreich ausser den industriellen Bezirken und Provinzen, auch sehr viel ackerbautreibende Lander besitzt, deren Interessen nicht homogen sind “; — auf der Seite 39 desselben Protokolls heisst es wortlich: „Kur dadurch, dass man den Zank, welcher zwischen den Vertretern jener Bezirke, die Industrie betreiben, — 11 — und jener, die sich mit der LamMrthschaft beschaftigen, ent- standen ist, beseitigte“, etc. etc. Ja! um Gotteswillen, hal)en denn die Herren bei diesem Mer vorgebrachten Zank nieht bedacht, dass Handel, In¬ dustrie, Gewerbe unb Agrikultur Hand in Hand gehen und zusammenfallende, sowie zusammensteigende Faktoren sind? Haben sie nieht bedacht, dass nur eine bliihende heimische Industrie die Landwirthschaft beleben und den Grundbesitz im Preise steigern kann, weil die Bodenprodukte in der Nahe einen guten Absatzmarkt haben? Diese Aussage beweisen die statistischen Baten der industriereichsten Lander, beweist die Thatsache: auf welch’ enorme Hohe dort der Bodenwerth gestiegen ist. Ja, eine bliihende heimische Industrie tragt den Landwirthen die Reichtlitimer bei der Nacht ins Iiaus, und Fiirst Jablanowsky hat schon beim 1. Zollkongress gesagt: „Die Halfte meiner Besitzung gebe ich umsonst her, wenn die zweite Halfte an der Seite einer bllihenden Industrie ware. “ Wie weit kamen denn die blos Ackerbau und Viehzucht treibenden Nationen, man blicke nur auf die ostlichen Lander, als Polen, Ungarn etc.! Erfahrungen und Bediirfnisse mlissen unser Leitfaden sein. Unumstosslich und unbenommen bleibt es, ja es ist ein national-dkonomisches Axiom, dass nur in einem Staate, in welchem die Manufakturkraft mit der Agri- kulturkraft in seinem Innern vereinigt, der allgemeine Wohl- stand bluht. Der Grund und Buden steigt im Preise und jede Arbeit ist nutzbarer. Es ist daher tur einen National-Oekonomen sehr Iiber- raschend, dass selbst in einer rein Tolkswirthschaftlichen Yer- sammlung solehe gar so verkehrte Ansichten ausgesprochen, dass Industrie und Landwirthschaft als nieht homogen er- klart, und Stimmen dahin laut wurden, dass der Schutz des Handels und der Industrie die Agrikultur schadige ! Ebenso befremdend wirkte auf mich der erste Punkt der betreffenden Resolution des Handelskammertages, der da wortlich lautet: „Die zur Zeit bestehenden Zoll- und Handelsvertnige zwischen 12 — Oesterreich-Ungarn imd andern Staaten hab en unsere indu- strielle Entwicklung in vielen Zweigen ernstlich geschadiget und gefahrdet, andererseits fur unseren Getverbefleiss nicht jene Vortheile gebracht, die man zu hoffen und zu erwarten berechtiget tvar“. Aus dieser Erklarung auf dem letzten Handelskammer- tage im Jiinner 1876 kann man annehmen, ohne anmassend zu sein, dass in Oesterreich selbst in den intelligenteren Geschaftskreisen nur sehr sparliche weisse Raben zu finden sind, welche nicht nur keine Vortheile von diesen Handels- vertragen erhofften und erwarteten, sondern sie gerade als volkswirthschaftliches Verderhen voraus angekiindigt und vor deren Annahme gewarnt hahen. Leider waren alle Rufe nach Schutz der heimischen Arheit nur Stimmen in der Wiiste. Oesterreichs ungtiiekliche Handelspolitik hat freilich seit geraumer Zeit je nach der augenhlicklichen politischen Situatiou, nicht nach den Volks- interessen und Bediirfnissen ihre Richtung genommen. Das war. ein grosser handelspolitischer Fehler. Man sprach von der handelspolitischen Isolirung! Von welchem fremden Staate vtirde denn Oesterreich isolirt worden sein ? Nur von solchen, von deren Manufakturen sich zu isoliren fur Oesterreich eine Wohlthat und ein wahres Grltlck ware. *) *) „Das Kapital war und ist eine der ersten Lebensbedingungen einer gesunden Industrie, in keinen der grossen Industrielander, mit welehen unsere Industrie den Konkurrenzkampf aufnehmen soli, ist der Zinsfuss so hoch und theuer, wie in Oesterreich. In Deutschland und Bngland ist Kapital zu 3 bis I Prozent in hinreichender Menge angeboten, wšihrend in Oesterreich unter 8 bis 10 Prozent Kapital fiir industrielle Zwecke noch schwer zu beschaffen ist; dieser Unterschied you beiliiufig 5 Prozent ist entschieden ein Hinderniss, welches selbst durch die hochste Intelligenz, durch den rationellsten Betrieb, durch die tiichtigsten Arbeitskrafte nicht iiberwunden werden kann. Wahrlich, vergebens sucht man in den Zollgesetzgebungen anderer Staaten nach einem iihnlichen Beispiele ubersturzter Aenderungen und Herabsetzungen der Zoll- positionen, nach einem ahnlichen Beispiele der traurigen Preisgebung ganz bluliender Industriezweige, wie es Oesterreich vom Jahre 1852 bis 1869 getlian hat. —■ Leider nur zum grossten Nachtheile der heimischen Produktion und der osterreichischen Volkswirthscliaft“. (In diesemSinne spricht sich dernieder- osterreichische Gewerbeverein in seinem Bntwurfe von 1875 aus.) — IB — Mit dem. im Jahre 1853 proklamirten Tarife war der Begiun zum Ruino der osterr. Industrie und des osterr. Wohl- standes angelegt, we.il die staatswirthschaftliche Produktion als die nieversiegende Quelle des National-Reichthums zu- erst aus dem Auge gelassen wurde. Ueberhaupt kanu man durch die eingeschlagene Eandelspolitib die mit anderen Staaten abgeschlossenen modernen Handelsvertrage zu keiner Zollreform, sondern zu einer volkswirthschaftlichen Nieder- lage zahlen. Wer bei G-ott kanu sich in diesen schlimmen Zeiten wundern, dass ieh jetzt eine solche Sprache fuhre ? Ja schlimme Zeiten haben wir erlebt, das habe ich mehrere- male von den hOchsten Personlichkeiten aussprechen gehort. Wie kann Wohistand und Reichthurn in’s Lami kommen, wenn deutsehe, englische, franzosische, belgische und schweize- rische Fabrikate u. s. w. die unsrigen verdrangen?! Die Pflicht- eines jeden wahren aufrichtigen Oesterreichers ist es, selbst wenn er auch kein Mandat als Abgeordneter fur den Reichsrath besitzt, die allgemeinen Osterreichischen Staatsinteressen scha.rf in’s Auge zu fassen, und »Viribus unitis“ dahin zu wirken, dass die allgemeinen Zustande aucb in der That sich wirklich bessern, weil nur dadureh dem allgemeinen Wohlstande geholfen werden kann, und sornit auch jedem Einzelnen. Der englische Handelsvertrag hat gewissennassen zum Freihandelsystem geleitet. Diesern folgte rapid am 11. Dezember 1866 der Handelsvertrag mit Frankreich, am 23. Februar 1867 der Handels- und Schifffahrtsvertrag mit Belgien, am 27. Marž 1867 der Handels- und Schifffahrtsvertrag mit den Mederlanden, am 23. April 1867 der Handels- und Schifffahrtsvertrag mit Italien, am 9. Marž 1868 der Zoll- und Handelsvertrag mit dem deutschen Reiche, endlich am 14. Juli 1868 der Handelsvertrag mit der schweizerishen Eidgenossenschaft und schliesslich am 30. Dezember 1869 die beriichtigte Nachtragsconvention zum englischen Handelsvertrage. - 14 - Nadi dem deutsch - franzosischen Kriege wurde auch Elsass und Lothringen dem Zollvereine einverleibt, wodurch das famose Appreturverfahren Yon der riesigen Elsassischen Industrie unsere heiinische osterreichische Arbeit entsetzlich schadigte. Die Auslander haben mit ihrer in so vielfacher Beziehung potenzirten Produktionskraft seitber Millionen um Millionen aus Oesterreich bezogen. Man konnte auch hier statistische Baten angeben, allein der Zweck dieser Zeilen ist diess nicht. Es bande It sich hier nur um die Prinzipien- frage, namlich um den Schutz der heimischen Arbeit, nach- dern jetzt die Vertrage gekundiget und neue stipulirt werden sollten! Der nackte Zweck dieser kurzen Reflexionen ttber die osterr. Handelspolitik ist: der hohen Gesetzgebung wieder auf das Warmste anzurathen, was vor einem Jahrzehente so oft durch die krainische Handelskammer muthig und iiberzeugend angerathen wurde: „ Schutz der heimischen Arbeit. “ Ja, die Kultivirung und die Ptiege des heimischen Marktes und der heimischen Arbeit hat eine so grosse Be- deutung ftir die Steuerfahigkeit unserer verarmten Oesterreicher, dass dieselbe von der Kanzel herab gepredigt und den Kindern in der Aolksschule gelernt werden solite! Der allgemeine Geist der Unzufriedenheit und des Miss- trauens, der Terfall des Handels, der Industrie und Ge- werbe, die Werthlosigkeit des Grund und Bodens, iiberhaupt die beispiellose Entwerthung der Realitaten, das Abhanden- kommen der edlen Metalle, die Entwerthung der Valuta, die wachsende Staatsschuld, die stets zunehmenden und bald nicht mehr zu erschwingenden offentlichen Tjasten und Steuern, mit einem Worte, die allgemeine jetzt anerkannte Noth- wendigkeit eines verbesserten Staatshaushaltes bestatigen doch meine Aussage, dass Oesterreich nach allen Richtungen hin eine verfehlte und unrichtige Handelspolitik verfolgte. Wer wird etwa Aug und Ohr verschliessen, dass wir schon ganz nahe an der Hamletsfrage sind ?! Sein oder Nicht setu. ?! - 15 — Ich will nicht geradezu dem Probibitivsystem das Wort reden, daran zu erinnern aber sei mir erlaubt, in welchem Wohlstand und Grluck die osterreichischen Tol ker sich unter diesem Systeme befunden haben. Oesterreichs Handelspolitik hat zu sebnelle und zu grosse Sprunge gemacht. Erinnern muss ich, dass Frankreich durch den im Jahre 1786 mit England abgescldossenen Handelsvertrag so entsetzlich geschadigt wurde, dass es schnell wieder zum Prohibitivsystem zuriickkehrte. Ich werde diesen denkwiirdigen Edenvertrag spater sammt seinen Folgen reproduziren und in kieinen Umrissen die lduge franzosisehe Handelspolitik besprechen. Das handelspolitische System Frankreichs hat die Franzosen so reich und unsere osterreichische Handelspolitik uns Oesterreicher so arm gemacht. Die franzosischen Staats- manner, denen die Leitung der volkswirthschaftlichen Eessource anvertraut wurde, waren zum grbastem Theil tiichtige National- okonomen und hatten nicht nur den besten Willen, das Land in Wohlstand und Reichthum zu bringen, sie hatten auch dazu das richtige Verstandniss fur die Industrie und deren Bedeutung fur Frankreich. Um so tiefer aber ist es zu beklagen, dass in manchen anderen Staaten gerade das Gegentheil sich heraus stellte. Den guten Willen konnte man z\va,i- nicht bestreiten, jedoch aber, wie aus Allem hervorgeht, das Verstandniss. Die Naturkraft unseres bsterreichischen Staates ist ganz gewiss geeignet, Oesterreich machtig, reich und vom Aus- lande unabhangig zu machen. Die Geografle ist nicht im Stande einen zweiten Staat aufzuweisen mit so immensen Naturprodukten, als Oesterreich; denn wir haben ja beinahe alle unentbehrlichen Erforderaisse des Lebens, als: Brod, Fleisch, Wein, Eisen, Holz, Schafwolle, Leinen etc. etc., nur die Baumwolle und die Kolonialvaren ausgenommen. Nicht genug staunen kann man wahrhaftig, dass ein Kulturstaat dieser Art, niitten im Herzen ion Europa, einen 16 — solchen volkswirthschaftlichen Verfall erleben musste, dass sogar wegen Arbeitslosigkeit, Selbstmorder zu verzeiehnen s in d. In Wien hat man seinerzeit Wunder vom Freihandel erwartet und uns Schutzzollner formlich verlacht. Die Idee des sogenannten freihandlerischen Systems wurde vielseitig a] s die Zauberformel ausgesprochen und angeruhmt, um die materiellen und iiberhaupt die volkswirthschaftIiehen Zustande Oesterreichs auf die gewiinschte befriedigende Stufe zu bringen. — Nach der Ansicht der Freihandler ware d as System des Freihandels geeignet, Oesterreich demnachst im Welthandel allgemein konkurrenzfahig zu machen, ausgiobigen auswartigen Kapitalien den Kanal nach Oesterreich zu offnen, den Fort- schritt der heimischen Industrie durch den Wettkampf, zu welchem die freie Konkurrenz auffordert, in allen Zweigen anzubahnen und lebendig zu halten. In einer Broschure: „ Oesterreich und der Freihandel “, welche im Jahre 1865 erschien, heisst es Seite 27 wortlich: „Wir wunschen Oesterreich stark, machtig und bltihend zu sehen, und weil wir den Freihandel als eines der grossten Mittel betrachten, empfehlen wir denselben. “ *) Spater habe ich ebenfalls in meiner Broschure darauf geantwortet, Seite 2: „Auch wir wiinschen dasselbe, namlieh Oesterreich stark, machtig und bltihend zu sehen, allein den darin bezeichneten Weg halten wir vorlaufig fur einen ent- schiedenen Irrweg, so sehr wir sonst jede Anschauung mit vollem Rešpekt behandeln." — Jetzt sprechen die Thatsachen mehr als alle Worte. Nun, welclies Bild entrollt sich jetzt vor uns ? Wie hat uns der englische Handelsvertrag vom Jahre 1865 und die Nachtragsconvention vom Jahre 1869 abgezapft ? *) Dem Agitator Bichard Cobden stellten die Fabrikanten Englands mehrere Hnnderttausende zur Verfugung. Seine ungemeine Thatigkeit ist ausscliliesslich dem Zwecke der Freihandelsverbreitung gewidmet. — 17 - Die verfehlte osterreichische Handelspolitik hat uns Oesterreicher ins Herz getroffen. Man hat alle anderen Staaten gesehen, nur den eigenen nicht *) Wo man die eigene Arheit vernichtet, wo die Arheit fehlt, ist kein Verdienst uud kein Erwerb, und da ist weder Handel noeh Konsumtion, weder Wohlfahrt und Reichthum, noch Kultur und Fortschritt. Dort, wo die Arbeitslosigkeit herrseht, ist immer Elend, Missvergnugen, Yerzweifluug und Verlangen nach Brod. Die Geschicke und die Geschichte Frankreichs sind gerade fiir Oesterreich sehr lehrreich und audi in vielfacher Beziehung nachahmungswiirdig. Ich erachte es fiir sehr opportun hier an dieser Stelle in einigen ausserst kurzen Umrisseu die franzOsische Handelspolitik von der Zeit Ludwigs XIV. bis in die neueste Zeit sehr eng zusammenzufassen und den be- riichtigten Edenvertrag und dessen Kesal trite zu beleuchten. Als Colbert unter Ludwig dem XIV. im Jahre 1661 die Leitung der Finanzen Frankreichs ubernahm, fand er daselhst die Staatsguter veraussert, die Einkiinfte des Staates waren auf Jahre voraushehohen, seine Cassen waren leer. Die Regierung hefand sich in den Handen der Steuerpacliter und konnte nur mit ihrer Hilfe fortwirthschaften. Frankreich schien dem unvermeidlichen Untergange verfallen. Den noch erholte es sich in kurzer Zeit, und es hat das von Colbert eingefuhrte Schutzzollsystem dazu beigetragen, dass Frank¬ reich seine Produktion, seinen Handel, seine Macht zu friilier nie vorhandener Bluthe erhob. Die Hlanzperiode der fran- zosischen Industrie begann erst mit Colbert. Und seinen Massregeln hat Frankreich hauptsachlich zu danken, dass die *) Ein National-Oekonom eines Staates oder ein Staatsmann darf nie und nimmer Kosmopolit sein. Er muss seinen eigenen Staat fest im Auge und in Ziigeln halten, auf Jahrhunderte voraus in Berucksichtigung ziehen und die moglichst berechnende Voraussicht besizten, denn sonst ist er kein Staatsmann. Die National-Oekonomie ist von der Privat-Oekonomie zu trennen. Und was einem Staate zum Vortheile sein kann, kann einem andern sehr zum Nachtheile sein. - 18 — Landvrirthschaft, die Manufakturen und der Verkehr den grossen Fortsehritt gemacht haben. „Ludwig der XIV. “ bemerbt Tbierry „konnte mit Tollem Rechte sagen, dass Grott, indem er ihm Colbert gab, viel fur das Gliick und den Ruhm seiner Regierung gethan habe; Frankreich konnte dazufugen, dass es seinen weisen Rathschlagen die staunenswerthe Entwicklung seiner Industrie verdanke. Um die verschiedenen Industrie- Zweige wieder herzustellen, die im vorhergehenden Jahrhun- derte beinahe untergegangen waren, legte er sehvvere Zolle auf die fremden Manufaktur-VVaaren, w&hrend er sich bemiihete, die Rohstofe der Manufakturen in Frankreich selbst zur Um- wandlung in die Fabrikate zu bringen. Auf dieser Grund- lage entfaltete Colbert seine schopferische Thatigkeit und sein ganz allein richtiges staatsokonomiscbes System. Ja durcb Unterstutzung aus Staatsmitteln rief er in allen Provinzen des Landes die industrielle Thatigkeit hervor, uberall entstanden Fabriken und Manufakturen, deren Existenz er durch ent- sprechende Scbutzzolle sicberte. Ein Jahrhundert nach Colbert bat Turgot die gleichen Ansichten vertreten, allein nach ihm kamen ganz unfahige Manner ans Staatsruder und diese sehlossen mit England einen Handelsvertrag, wobei England wie gewobnlicb den Haupttreffer gewonnen und Frankreich an den Rand des Ruins gebracbt hat. Im Jahre 178G schloss namlieh Frankreich mit Eng¬ land einen Handelsvertrag. Und diess war der sogenannte Eden-Vertrag, und die beriihinte Rede des englischen Staats- ministers Pitt, die er im Jahre 1786 im Parlamente hielt, galt weder dem englischen Parlamente noeh der englischen Nation, sondern den schwachen franzosischen Ministern, um sie fur den genannten Vertrag zu gewinnen. Und nicht um- sonst hat der schlaue Pitt in jeder seiner Rocktaschen ein Exemplar des Werkes liber den Nationalreichthum getragen. Ja, VVilliam Pitt war dor erste euglische Staatsinann, der die kosmopolitische Theorie seines Zeitgenossen Adam Smith — 19 zn so grossem Vortlieile Englands auszubeuten verstanden hat. Und was war die Fo]ge dieses Handelsvertrages ? Die englischen Fahrikate uberschwemmten den ausgedehnten fran- zosischen Markt (wie jetzt bei uns), die bliihenden eigenen Fabriken wurden ruinirt (wie bei uns), die Arbeiter entlassen, (wie jetzt bei uns). *) Die Noth und die Missstimmung stieg immer mehr (wie jetzt bei uns). Die Industrie, die man fruher mit grosster Sorgfalt grossgezogen, lag nun darnieder (wie jetzt bei uns), derVerkehr gerietli in volistandige Stockung (wie jetzt bei uns), das Volk verlangte Brod (wie jetzt bei uns); daher fiihrt Carey im Capitel XVII, §. 4, Seite 263 wortlich an: die Noth war allgemein, sie lahmte die Rogi e - rung und zwang sie zu der die Revolution eroffnenden Mass- regel der Berufung der Notablen im Jahre 1788. Nach kurzer Dauer der Konkurrenz mit England suchte die franzosische Regierung durch Aufhebimg des Vertrages dem Fortschritte des Ruins entgegen zu arbeiten und den Einhalt des Verderbens zu erwirken, und hat dabei die wichtige Erfahrung gemacht, dass es viel leichter sei, bliihetlde Fabriken in wenigen Jahren zu ruiniren, als ruinirte Fabriken in einem Menschenalter wieder empor- zubringen. Der fruher abgeschlossene Vertrag mit England erzeugte so furchtbare Konvulsionen, dass man sehnell zum Prohibi- tivsystem seme Zuflucht nehtnen musste, unter dessen Aegide von 1815 bis 1827 nach der Erklarung Dupins die Manu- fakturkraft Frankreichs verdoppelt wurde. Und erst 1861, wo Napoleon III. durch Vertrage mit Belgien und England die beiden Tarifanderungen veranlasste, wurde in das bisher starr prohibitorische Zollsystem Bresche geschossen. “ *) Ausfiihrlich sei es hier erwahnt, dass ich die Resultate dieses Eden- vertrages vor Annahnie der Nachtragsconvention zum englischen Handels- vertrage, namlich im Juli 1860, veroffentlichte. Die Verhandlungen iiher die Nachtragsconvention in den beiden Hausern des hohen Reichsrathes, vvo denk- wiirdiger Weise alle Puncte ganz ohne Debatte angenoinmen worden sind, fand erst spater statt. — 20 Die Freihandler bemuhten sich damals der Welt weiss machen zu wollen, Napoleon habe sich dadurch dem Freihandel genahert; ganz und gar nicht, er ist nur von der Prohibition zum Schutzzoll hbergetreten. Die beiden Napoleoniden fae- lachten den Freihandel und erklarten ihn als Thorheit, beide haben eine Handelspolitik streng nach dem Torbilde Colberts befolgt. Die franzOsische Regierung sorgte emsig fur die heimischen Grewerbs-Interessen, fur Burger, Landleute und Arbeiter und verkurzte ihnen keinen Produktionszweig, daher ist das Lami reich und wohlhabend. Wie hatte deti n sonst Frankreich eine so imposante Summe fur die Kriegsentschadigung so schnell zahlen kdnnen, wenn die franzOsische Arbeit nicht mit kluger Handelspolitik geschutzt worden ware. Und wenn Napoleon I. in seiner kurzfasslichen Manier seinerzeit gesagt hat: „ein Reich, dass unter den be- stehenden Weltverhaltnissen das Prinzip des freien Handels befolge, miisse zum Staub zerrieben werden“, so hat er damit, fuhrt Dr. Friedrich List (Seite 90) wOrtlich an, in Be- ziehung auf die Handelspolitik Frankreichs mehr politische Weisheit ausgesprochen, als alle gleichzeitigen Schriftsteller der politischen Oekonomie in allen ihren Werken. Die erleuchiete franzdsische Handelspolitik hat Frankreichs V/ohlstand begrundet, und die total irrige osterreichische Handelspolitik hat zu unserem Elend und zur Verarmung gefuhrt. So ist es, und nicht anders. .-r'