Nr. 6. Juni I960. m. Jahrgang. Wezugsbedingungen. Der „Stern der Neger" erscheint als illustrierte Monatschrift am Anfange jeden Monates und kostet jährlich 3 Kronen (3 Mark) mit Postversendung. Wir richten an unsere Freunde die innige Bitte, aus Liebe zum göttlichen Herzen Jesu und zu den armen Negern Centralafrikas uns unterstützen zu wollen durch Verbreitung dieser Zeitschrift in ihrem Bekanntenkreise und Werbung neuer Abnehmer. Förderer und Vertreter zur Verbreitung des „Stern der Neger" werden an allen Orten unter sehr günstigen Bedingungen gesucht. Der Ertrag des „Stern der Neger" wird zur Heranbildung von Missionären für die armen Neger in Centralafrika verwendet. Neu hinzukommende Abnehmer erhalten die bereits erschienenen Nummern nachgesandt. Adresse für Bestellung des „Stern der Neger": Missionshaus bet1 Söhne des hl st. Leezens Jesu in Mühland bei Brixen (Tirol). loitppitoii ki SlljM des heiligsten Herzens Jesu. Alissionäre für Eenlral-Ufrika ober Sudan. Bedingungen der Ausnahme. Die Congregation hat neben der Selbstheiligung der Mitglieder die Bekehrung der Neger von Centralafrika oder Sudan zum Zwecke. Sie besteht ans Ordenspriestern und Ordenslaienbrüdern. Zur Aufnahme ist für alle der Beruf zürn Ordensstande erforderlich sowie der aufrichtige Wille, sich und seine Kräfte der Bekehrung der Neger zu weihen. Außer Priestern werden aufgenommen Studenten und Laienbrüder. Für die Studenten wird die vollendete V. Gymnasialclasse verlangt. In Mühland müssen alle 2 Jahre Noviziat machen, worauf sie, wenn nach dem Urtheile der Obern kein Hindernis entgegensteht, die heiligen lebenslänglichen Gelübde der Armut, der Keuschheit und des Gehorsams ablegen. Die Studenten setzen dann ihre Studien für das Priesterthum fort. Beim Eintritt muss jeder eine bescheidene Ausstattung an Kleidung und Leibwäsche mit sich bringen und soviel Geld, als zur Rückkehr in die Heimat erforderlich ist, wenn solche ans einem triftigen Grunde sich als nöthig erweisen sollte. Nach ihrem Eintritte, seien sie Studenten oder Laien, übernimmt das Institut ihre Versorgung mit allem Nöthigen, in Gesundheit und Krankheit, wie für seine Söhne Behufs Aufnahme in die Congregation ist an die unten bezeichnete Adresse einzusenden: 1. Ein selbstgeschriebenes Aufnahmsgesuch mit kurzer Lebensbeschreibung und der Erklärung, Ordensmann und Missionär für die Sieger lebenslänglich sein zu wollen. 2. Das Zeugnis des Bischofes der eigenen Diöcese. 3. Das Tauf- und Firmungszeugnis. 4. Pfarramtliches Sittenzeuguis. 5. Aerztliches Gesundheitszeugnis. 6. - Nr- 6. Juni 1900. HI. Jahrgang. Inhalt: Zum Feste des göttlichen Herzens. — Erste Reise unserer Missionäre im wiedereroberten Sudan (Fortsetzung). — Dom afrikanischen Sclaven zum katholischen Priester (Fortsetzung). — Erinnerungen an eine Reise im Rothen Meere (Fortsetzung). — Line Palme auf das Grab unseres Knaben Matthäus Ghidei Mariam. Zum Feste des MW» fjcrjtus. 2esu-Monat und Herz Jesu^Fest nahen. Beide sind gerade in diesem Jahre recht bedeutungsvolle. Nachdem der Stellvertreter Christi auf Erden zur ersten großen Huldigung des Welterlösers an der Neige vSWx des Jahrhunderts am letzten Herz Jesu-Feste die gesammte Menschheit in feierlicher Weise dem göttlichen Herzen geweiht hatte, öffnete er in diesem heiligen Jahre die Schätze der Erlösungsfrüchte, und es ist ein ergreifendes Schauspiel, zu sehen, wie die ganze katholische Welt von allen vier Windrichtungen in Bewegung ist, um dem Erlöser zu huldigen und am Mittelpunkte der Kirche aus dem erschlossenen Gnadenborne zu schöpfen. Wahrlich ein erhebendes Schauspiel, das so recht zeigt, welche Macht und welche Anziehungskraft nach so vielen Jahrhunderten noch immer der Erlöser besitzt. Ja, mit unwiderstehlicher Gewalt zieht er die Menschen an sich, dieser Gott der Liebe und Erbarmung. Alle Züge der göttlichen Liebenswürdigkeit werden wie in einem Bilde gesammelt, gleichsam 122 Zum Feste des göttlichen Herzen?. alle Strahlen der ewigen Sonne in einem Brennpunkte vereinigt im göttlichen Herzen Jesu, dem Quell und Jntzegriff aller göttlichen Liebe. Weit und breit, wie die Welt, der Schauplatz und können! Welch erhabener Gegenstand, die Liebe Gottes, die Liebe Jesu? Um die Würde und Erhabenheit des göttlichen Herzens zu bemessen, müsste man die Liebe Gottes, dessen Sitz und Symbol dasselbe ist, in ihrem ganzen. Um- fange verstehen Aas göttliche Kerz Jesu. Gegenstand des Wirkens dieser Liebe, — lang, wie die Zeitalter, welche in langer Reihe den Ras derselben vernahmen und durch siezn ihrem Ziele gelenkt wurden, — hoch, wie die Himmel der Engel und Heiligen, bereit Seligkeit aus dem Herzen Gottes quillt, — endlich tief, wie der tiefste Abgrund eines Jammers, zu dem noch irgend göttliches Erbarmen reichen kann — lebt und wirkt die Liebe Jesu im ganzen und im einzelnen ihres Reiches. Welches sollen nun die Gesinnungen einer christlichen Seele im Monat Juni sein? Liebe verlangt Gegenliebe, Großmuth fordert Großmuth. Großmüthige Liebe zu Jesu muss unsere Gesinnung athmen! Die Gesinnungen eines Herzens, das in Wahrheit und mit feuriger Liebe Gott über alles liebt, sind die des hl. Weltapostels Paulus. Niemand hat klarer und glühender seine unbegrenzte Liebe und unbeschränkte Hingebung an Jejus ausgesprochen als der hl. Paulus: „Wer wird uns also scheiden von der Liebe Christi? Trübsal? oder Angst? oder Hunger? oder Blöße? oder Gefahr? oder Verfolgung? oder Schwert? — Aber in diesem allen überwinden wir um desjenigen willen, der uns geliebt hat. Denn ich bin versichert, dass weder Tod noch Leben, weder Engel, noch Mächte, noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Stärke, weder Höhe noch Tiefe, noch ein anderes Geschöpf es vermag, uns zu scheiden von der Liebe Gottes, die da ist in Christo Jesu, unserm Herrn". (Röm. 8, 35—39. vllc Meist mist ver M ® uti itn. Won Assuan nach Z>rnöerman urtö zurück. Von P. Wilhelm Banholzer, F. 8. C. (Fortsetzung*) user Dampfer ankert gerade unter dem Bet el Mal (Arsenal), da, wo der Chalif nach dem Falle von Kassala hoch zu Ross in den Fluss ritt, den ©einigen Muth machend unter Allah Akbarrusen (Gott verlässt die Seinen nicht.) Das Ende Omdermans ist auch von diesem Landungsplätze kaum sichtbar. Die dortigen Griechen dürfen wohl mit Recht behaupten, dass Omderman dreimal so groß als Kairo fei. Bei unserer Landung wurde eben ein Bataillon Negersoldaten für die Expedition gegen den Chalisen ausgerüstet. Es waren lauter kohlschwarze Kerle von 17 bis 40 Jahren. Ihre weißen Kittel und weißen Pumphosen mit schwarzen Gamaschen standen ihnen prächtig. Ihre martialische Haltung und die mehr als schneidigen Gesichter hätten selbst einem preußischen General imponiert. Sie sind sich aber auch wohl bewusst, dass ohne ihre Tapferkeit der Sudan noch nicht erobert wäre, und machen nicht wenig neue Ansprüche ans Lohnerhöhung. Von ihrer Wildheit und ihrem Todesmuth sprechen Engländer wie Ägypter gleich begeistert. In Omderman sind sie der Schrecken der Eingeborenen. Wir machten uns sogleich, von zwei schwarzen Gepäckträgern gefolgt, auf den Weg zum Sirdar. Er geht über Trümmer von Lehmhütten, am Grabe des Propheten und der Residenz des Chalisen vorbei und mündet in eine belebte Straße. Von hier aus sahen wir die englische und ägyptische Flagge wehen. Zwei schwarze Soldaten davor gaben zu erkennen, dass hier die Residenz des Sirdar sei. Wir wurden ohne Schwierigkeit von den Wachen durchgelassen und gelangten nach Durch-schreitung mehrerer abgeschlossener Höfe, wie es hierzulande üblich ist, vor seine Residenz, ein ganz gewöhnliches einstöckiges Haus aus Rohziegeln, mit einer kleinen Vorhalle, die durch zwei Erdsäulen getragen ist. Nur die weißgedeekte Tafel unter der Vorhalle, die Teppiche und Vorhänge unterscheiden es von den Häusern der Eingeborenen. Jakub (Bruder des Chalisen), der ehemalige Inhaber desselben, iflioiiiitc im mitlitrtrokrttn *) Siehe Nr. 4 Seite 105. setzte sein Glück in Essen und Trinken, und die Weiber machten seinen Reichthum aus. Auf schöne Paläste gaben alle die Emire nichts. Ein Adjutant führte uns beim Sirdar ein, der sehr freundlich mit uns war. In seiner Güte geruhte er sogar, uns für zwölf Uhr auf seinen Dampfer einzuladen, der jeden Tag um diese Zeit nach Chartnm hinüberfährt, um uns noch heute die Wahl des neuen Terrains vornehmen zu lassen. Vorerst erhielten wir einen Adjutanten, der unserem Verlangen gemäß uns zum Hanse des Herrn Trempa — eines Bekannten P. Ohrwalders — geleiten und dort im Auftrag des Sirdars melden musste, man möge sich unsere Verpflegung und Beherbergung aufs allerbeste angelegen sein lassen. Das musste so sein, da wir noch in Kriegszeiten waren. — Der Weg zu unserem Gastgeber gieng durch die belebtesten Straßen über den Markt. Welch ein Anblick — das Herz von Omderman! Das ganze Häusermeer, die Straßen und Gassen haben eine Farbe: das Gelb des Wüstensandes. Aus Wüstensand sind die Häuser gebaut, Straßen und Plätze sind ein Theil der Wüste, aus welcher Omderman steht. — Von der senkrecht über uns stehenden Sonne vergoldet, blenden Straßen und Häuser, und wie Diamanten glänzen aus Boden und Mauern die vielen Kieselarten und metallreichen Steinchen, die mit dem goldigen Sande vermischt sind. In dieser magischen Welt bringen die in bunten, orientalischen Kleidern einherschreiteuden Eingeborenen wie tausend verschiedene Arten von Negern — vom kohlschwarzen bis zum bräunlichen — neue Farben. Der schönste Schmuck Omdermans sind aber die Negerregimenter in voller Wichs. — Die Bauart der Häuser hat nichts Auffallendes. Wie es sich ein jeder leisten kann, stellt er vier Mauern auf die Wüste, legt ein paar Dattelbalken darüber, und das Hans ist fertig. Nur die öffentlichen Gebäude und die Residenzen der Emire und Chalifen haben noch Vorhallen. — Kein Thurm, keine Moschee ragt aus dem Meer von Hütten und Häusern hervor. Nur das unregelmäßige Ab- und Ansteigen des Terrains am Ufer bringt einige Wellungen int Stadtbilde hervor. Ich hielt die Straßen für menschenvoll, wie etwa die Promenadenplütze einer großen Stadt. P. Ohr-walder versicherte mir jedoch, dass Omderman im Vergleich zu früher leer und verödet sei. Zu seiner Zeit habe man in diesen breiten Straßen kaum einen Durchgang finden können; jetzt fühle man sich einsam. — Vom alten Omderman ist der Markt noch am besten erhalten. Die Griechen haben ihn nun verschönert und Lüden, Kaffeehäuser, Clubs im Kreise herum eingerichtet, die bei Nacht durch Standlaternen von außen erleuchtet werden. — Gegen 200 Griechen leben in Omderman. Sie machen aber schlechte Geschäfte, da der Chalif den Eingeborenen außer ihrem Hemde nichts gelassen hat. — Eben auf dem Markte begegnete mir ein altes, gebücktes Männchen mit einem langen Stock. Wie er uns „Touristen" sah, blieb er forschend stehen. P. Ohrwalder löste ihm mit einem Händedruck und herzlichem Grüß Gott, Pietro, seine Zweifel. Ganz außer sich vor Schmerz und Freude sieng er nun zu klagen an: „Pater, ich bin immer noch unter den Derwischen, und niemand nimmt sich meiner an. Alle alten Bekannten giengen nach Norden in ihre Heimat — mich allein hat man mittellos hier sitzen lassen." P. Ohrwalder lud ihn ein, mitzukommen. Unter seinen Mittheilungen erreichten wir das Haus unseres Gastgebers. Auf der Schwelle erschien die Fran des Hauses. Die Freude, die sie beim Anblick P. Ohrwalders empfand, der ihr hier tausendmal Gast, Freund, Rathgeber und Tröster gewesen war, ist unbeschreiblich. — Vor allem musste der Adjutant seinen Befehl ausrichten, darauf zog er ab. Die gute Frau hatte auch die Greuel der Mahdistenherrschaft gesehen. Das Wiedersehen ans der alten Leidens-stätte war überwältigend. „Alles, was wir haben," betheuerte sie, „soll Euer sein, und meine Freude ist größer, als wenn einer unserer Todten, vom Grabe auferstanden, wiederkäme." Nicht minder glücklich war der schnell herbeigerufene Gemahl, ein einfacher, biederer Mann, welcher den gefangenen Missionsschwestern zur Zeit der ärgsten Noth große Dienste geleistet hat. Zum Leide der guten Leute konnten wir diesmal nicht lange bleiben. Die Einladung des Sirdars drängte. Schnell waren zwei Esel bei Bekannten aufgetrieben, und wir ritten im Trab durch die i. Segelboote auf dem Wik. (Originalbild des „Stern der Neger".) Straßen nach dem Landungsplatz, während inzwischen die Kunde, dass zwei Priester, unter ihnen P. Josef, angekommen seien, wie ein Lauffeuer unter den Christen sich verbreitete. — Wir galten als die ersten Touristen. Die Leute auf den Straßen standen still und sahen uns nach. — Nun kann man ruhig über den Marktplatz reiten. Zwei Jahre vorher prangten noch drei starke Galgen mitten auf dem Marktplatz, und unter dem dumpfen Rollen der Trommeln vom Hause des Chalifen her, war der auf- und abwogenden Menge angekündigt, dass ein paar „schwarze Seelen" ihren verdienten Lohn erhielten. Zahlreiche Aasgeier kreisten über dieser Stelle., Ich sah einen bis vor die Thüre eines Ladens niederfliegcn, etwas fassen und schnell wieder emporsteigen. Als P. Ohrwalder während seiner Gefangenschaft einmal über den Markt gieng, wurde eben der dem Chalifen gefährlich werdende Finanzminister Adlan aufgezogen, seine Augen schrecklich verdrehend. — Auch die Metzger sind nicht mehr da, die vom Chalifen oft mitten vom Geschäft weggerufen wurden, um ein paar armen Teufeln Hände und Füße geschickt abzuschneiden, die dann nebeiwdcn Unglücklichen liegen blieben, bis sie von den Geiern weggetragen 126 Erste Reise unserer Missionäre im wiedereroberten Sudan. wurden. Diese Greuel waren alltäglich, und niemand durfte sich daran stoßen. — In den Läden rings um den Markt herum ist alles zu haben, was man in den Bazaren von Kairo sieht. Vor den Cafös stehen weißgedeckte Tische, und an den Mauern sind Placate angeheftet, die u. a. die Anwesenheit von Pilsener und baierisch Bier verkünden. — Darauf ritten wir die Mauer des mächtigen Platzes ab, innerhalb welcher der Chalif mit seinen Soldaten logierte. Sie hat einen Meter Dicke, drei Meter Höhe und ist ganz aus Stein gebaut. Dieser ummauerte Raum war seine Festung in Omderman selbst. Von seinem schlechten Gewissen beunruhigt, wollte er nur mehr mit den Soldaten allein sein. —- Am Landungsplätze rauchte bereits das Dampfboot des Sirdars, der, militärisch pünktlich, in Begleitung eines Adjutanten und gefolgt von zwei Ulanen, erschien. Sogleich nach seinem Einstieg wurde abgefahren. — Wir sind auf dem Weißen Nil. Wenngleich schon mit seinem Bruder, dem Blauen Nil, vereinigt, hat er gar nichts Blaues, sondern ist, wie weiter oben, wo er allein fließt, weißgrau, fast kränklich und schwindsüchtig aussehend und glatt wie ein Spiegel, scheinbar ohne Strömung. Ein frischer Südwind wehte über seine Oberfläche dahin, auf dem Wege über das Wasser abgekühlt. — Unsere Aufmerksamkeit geht nach Osten, der grünen Insel Tuti zu, welche der Gemüsegarten Omdermans genannt werden kann. Omderman hat in seiner Umgegend keinen grünen Fleck. Die plötzliche Veränderung des Wasserspiegels zeigt, dass wir im Bereich des Blauen Nils sind. Dicht unter uns ist das Wasser grünschwarz, aber in der Ferne erscheint es blau wie der Himmel. Der Flussname legt sich bei diesem Anblick von selbst auf die Zunge. Die Strömung des Blauen Nilarmes ist stark, seine Breite bedeutend geringer als die des Weißen. Er macht die gesunde Seite Ehartnms aus, während sein kranker Bruder dasselbe in den Ruf eines Grabes für die Europäer gebracht hat. An schöne Landschaften von Abyssinien her gewöhnt, macht er auch aus der Nordostseite von Chartum einen Garten, so lange ihm der Weiße Nil in seiner Ueberschwemmung nicht ins Bett geräth und sein Handwerk verdirbt. Das Uebergewicht des Weißen über den Blauen Nil zur Zeit des Hochwassers ist aber so bedeutend, dass von der spitzen Halbinsel, die aus ihrem Zusammenfluss sich bildet und welche Chartum ausmacht, alljährlich ein großes Stück unter Wasser gesetzt wird. Ein Theil der Wasser des Weißen Nils geht um diese Zeit gerade über die Halbinsel in den Blauen Nil hinein. Daher kommt es, dass zur Zeit des Niederganges die ganze Spitze der Halbinsel nackt und sandig ist, und die berühmten Gärten mit ihren Dartelbäumen erst weit oben im Südosten beginnen. Welcher Gegensatz! Das grüne, dattelreiche Chartum und das gelbe, sandige Omderman — wie Tod und Leben. Und doch hat der Mahdi es vorgezogen, seinen Aufenthalt dort hinten in der Wüste aufzuschlagen. Ein jeder hat eben seinen eigenen Geschmack. Einer der ersten Gärten, und ohne Zweifel der schönste, ist der alte Garten der Mission, den nun die Regierung zu öffentlichen Zwecken gebrauchen will. Wir kommen ihm gegenüber. Seine starke Umfassungsmauer ist noch unversehrt, selbst der Eingang mit dem eisernen Thor ist noch vorhanden. Was für Gedanken erheben sich beim Anblick dieses schönen und doch so mörderischen Flecken Landes! Unter diesen Dattelkronen spielte sich ein ernstes Stück Geschichte ab. All die kühnen Missionäre von den fünfziger Jahren bis zum Ausbruch des Mahdisten-aufstandes (1884) haben hier gerastet, bevor sie nach Süden — Kondokoro — oder nach Westen, Kordofan, weiterzogen. Viele haben auch noch vor Erreichung ihres Zieles oder vor Beginn ihres Apostolates, kaum ein wenig eingelernt in Sprache und Land, ihr Grab gefunden. Gewiss dachten unter der alten, hohen Sykomore, bereit Aeste über die Straße hinreichen, viele gottbegeisterte Männer über die Bekehrung der sie umgebenden Völker nach und liehen manchen heißen Seufzer für sie zum Himmel aufsteigen. Gott hat sie gehört und die Mission weitergeprüft. Und nun sind es 18 Jahre her, dass der Rest der Missionäre mit den christlichen Famil'en den geliebten Garten verlassen haben, um Gut und Leben in Sicherheit zu bringen. Wenn Gott will, soll ferner nur ein bescheidenes Kirchlein die neu aufkommende Stadt zieren; die Missionäre haben hier immer tauben Ohren gepridigt. In der Zukunft wird es nur noch schlechter sein. Als Stützpunkt für weitere Unternehmungen nach dem Süden hat es für uns nur noch Beachtung. Auf dem heute zu wählenden Terrain, das nur 6000 Quadratmeter groß ist, soll außer der Kirche ein Waisenhaus gebaut werden, das man nun sofort in Angriff nehmen will. — Ein einziges fertiges Haus ist auf der ganzen Seite sichtbar: der neue Palast des Sirdars. Vom berühmten Gordon-Colleg sind erst die Grundmauern gelegt. Vom Amtsgebäude (Moderne) ist der erste Stock fertig. Die übrigen Gebäulichkeiten sind elende Erdhütten, in welchen die Pächter und Bebauer der von der Regierung vermieteten Gärten wohnen. —• Der Sirdar lässt vor seinem Palaste halten und führt uns mit sichtlichem Gefallen in den nahezu vollendeten Rohbau, der auf dem ersten Stockwerk des alten Gordonpalastes aufgebaut ist. Es ist ein Palast im besten Sinne des Wortes, ganz aus Stein, im englischen Stile gehalten, mit großen Terrassen nach Norden und Süden, herrlichen Aufstiegen und marmoreingelegten Treppen. Der Chedive hat dem Sirdar dafür bereits großartige Geschenke gemacht zur Ausrüstung und Möblierung. Hinter den Palast wird ein großer Park kommen mit der Reiterstatue Gordons. Er soll aber das Wüstenpferd erhalten, das Kameel. Die Arbeiter am Palaste sind Aegypter und Exderwische, nur wenige Europäer sind da. — Nach Besichtigung des Prachtwerkes schickte uns der Sirdar zum Vorsteher der Baucommission, welcher uns gleich die zwei in Frage kommenden Landslücke, beide hart am Blauen Nil, zeigte. Eines dieser Terrains ist neben einer Summe Geldes die Entschädigung für den Garten und die Gebäulichkeiten der alten Mission. Wir wählten das Stück nicht weit vom Palaste weg als das nähere. Darauf kehrten wir zum Sirdar zurück und baten um die Ueberlassung einiger Arbeiter zur Ausgrabung der Gebeine unserer seligen Missionsvorstände Comboni und Ryllo. Am anderen Morgen begannen wir dann die Ausgrabung. Hiermit hatten wir unsere Geschäfte mit dem Sirdar erledigt und konnten unseren „seligen Garten" ansehen. Durch das eiserne Thor treten wir ein: der alte Limonenhain, gleich dem Eingang gegenüber, ist noch unversehrt. Der Weg mitten durch den Garten mit einer dichten Reihe von Limonen hat ebenfalls die Mahdistenzeit glücklich überstanden. Nur sind die Bäumchen sehr vernachlässigt und ihre Früchte sind aus Mangel an Wasser klein und unansehnlich. Hinter den Limonen ist auf beiden Seiten Durra angepflanzt. Von den ca. 5iO Dattclkconen, dies den Garten zieren und beschatten, ist keine gebrochen im Sturme der Zeit. Die Häuser Chartnms haben die Chalifen zerstört, die Gürten wohlweislich nicht. Die Gemüse und Früchte unseres Gartens haben ihnen, nach aller Aussage, am besten geschmeckt. Auch den Limonensaft haben sie in der Wüste drüben nicht verschmäht, obwohl er von Ungläubigen kam. — Der Platz vor dem Missionsgebäude, vom Garten ans gerechnet, der die beiden Gräber unserer Bischöfe in sich schließt, ist jetzt ein baumloses, freies Feld. Der Zugang zur Kirche ist von den Derwischen durch eine lange Mauer abgesperrt worden, jedenfalls, weil darin das Pulverniagazin und die Pnlverwerkstätte Neufelds sich befand. Ein Haufen zerstreuter Backsteine zeigt das Grab Combonis an, und ein anderer das Grab Rhllos. Bon vornherein hatten wir wenig Hoffnung, die unberührten Ueberreste der beiden edlen Todten zu finden, da uns verschiedene Eingeborene gesagt hatten, die Derwische hätten die Gräber geöffnet, in der Meinung, Gold und Schmuck darin zu finden. Auch P. Ohrwalder erinnerte sich noch, am Grabe Combonis ein großes Loch gesehen zu haben, als er von El-Obeid als Gefangener nach Chartum kam, aus welchem er schon damals auf die Oeffnung desselben durch die Derwische schloss. Wenn sie dann das eine geöffnet, war das andere sicherlich nicht unverschont geblieben. Zum Besuche des Missionsgebäudes nndfder Kirche mussten wir der neuen Mauer halber den Garten verlassen und außen herumgehen. Auf der Südseite (der Frontseite des Gebäudes) war auch früher der Eingang zur Kirche. Beim Hinausgehen trafen wir die allen Freunden der Mission bekannte Halima, die aus alter Zeit links am Eingänge ihre Wohnung hatte und den Garten während der Mahdistenherrschast nie verlassen hatte. Ihr Mann Antun präsentierte sich mit einer Blechschachtel in der Hand, als wollte er vergraben gewesene Geldrollen auspacken, zog aber zu unserer Verwunderung seinen Taufschein heraus. Die guten Leutchen waren froh, dass die Missionäre wieder ins Land kamen und bedauerten nur den Verlust des schönen Gartens. Der Weg zur Südseite des Missionshauses war offen. Vor uns steht das von Monsignor Knoblecher erbaute, allen alten Wohlthätern bekannte Missionsgebäude. Die ganze Front ist noch wie aus einem Gusse; kein Stein ist herausgenommen; wie neu steht es da. Es scheint sehr niedrig zu sein, weil das Niveau von Chartum bedeutend erhöht worden ist. Die Fenster und Eingänge sind vermauert bis auf einen am südöstlichen Ende des Gebäudes; die Derwische hatten alles versucht, die dicken Mauern zu brechen, aber umsonst. — Wir traten ein. Auch hier sind die Mauern erhalten, der Säulengang, der von innen herumgeht, hat nur leichte Schäden. Die Wölbungen in den einzelnen Zimmern sind heruntergestoßen. Nach der Schlacht bei Atbara wurden auf Befehl des Chalifen die Zerstörungsversnche des Missionsgebäudes und des Gordon-Palastes, die früher schon mehreremale missglückt waren, wieder aufgenommen. Der Gordon-Palast widerstand bis auf den ersten Stock. Unserem Gebäude .konnte niemand etwas Erste Reise unserer Missionäre im wiedereroberten Sudan. 129 anhaben. Nur kleine Verzierungen, scharfe Mauerwinkel und ähnliche leicht zer-stöibare Theile wurden beschädigt. Der neuerregte Fanatismus wandte alles auf, um den Ungläubigen (Christen) ihr Heiligthum zu zerstören, aber ohne greifbaren Erfolg. Erst als ein Europäer ihnen das Geheimnis verrieth, dass sie oben über den Wölbungen vier Löcher einschlagen müssten, weil dort die Mauer am dünnsten war, konnten sie ihrer Rache Raum geben, und die meisten Gewölbe fielen herunter. — Das ganze könnte mit geringen Kosten wieder aufgebaut werden, wenn nicht die Regierung es mit Beschlag belegt hätte. Der von Comboni erbaute Flügel ist nicht mehr vorhanden. Die neue, großartig angelegte Lord-Kitchenerstraße mit doppelten Baumreihen führt jetzt an der Front der Kirche vorbei. — Die Eingeborenen heißen das ganze Missionsgebäude einfach Kirche. Sie läuft parallel mit dem noch in größerem Stile geplanten Victoria-Quai längs des Blauen Nils. MisstousgeLäude in Khartum tut Zustande der Zerstörung. (Originalbild des „Stern der Neger".) Vier Prachtbauten sind. dieser Promenadenstraße bereits gesichert, gegen Westen das englische Hotel, weiter oben das Amtshaus (Moderie), dann der Palast des Sirdars und als letztes das Gordon-Colleg. Eine dritte Straße, weiter dem Weißen Nile zu, heißt Lord Cromer. Sie läuft parallel mit den zwei ersten und noch einer vierten, der Abbasstraße. Die alte Stadt liegt noch in Ruinen. Die Häuserreste stehen noch da wie von gestern. Die Käufer der Bauplätze werden das Vergnügen haben, dieselben lvegschaffen zu müssen. — Außer Arbeitern, Aufsehern und dem Haupte der Baucommission wohnt niemand in Chartum. Der Sirdar kommt jeden Nachmittag von Omderman herüber nach seinem Palast, wo ein Zimmer für ihn eingerichtet ist. — Für den schnellen Fortgang der Bauten ist eine Kleinbahn hergestellt. Die Backsteine werden an Ort und Stelle gebrannt. Wir sahen eine ganze Reihe von Brennöfen auf dem Ufer des Blauen Nils. — Mit so großartigen Bauten, Straßenanlagen und Plänen zeigt die englische Negierung, dass es ihr mit der Anlage einer Stadt im großen Stile ernst ist. Sie macht damit großen und kleinen Unternehmern Muth, ihr Geld einzusetzen und nicht zurückhaltend zu sein. Binnen kurzem wird der Sirdar mit der ganzen Militär- und Civil-Ver-waltung nach Chartum übersiedeln. Der Regierung folgen die Beamten, Officiere, Kaufleute, Händler, Unternehmer von außen und innen. Das Militär soll nach Halfaja, Chartum gegenüber, verlegt werden. — Die Regierung wird allen Baulustigen entgegenkommen mit der kostenlosen Uebcrweisung von Grundstücken unter der Bedingung, dass sie innerhalb zwei Jahren gebaut haben. Wenn nach Verlauf dieses Termines noch nicht gebaut ist, fallen die betreffenden Bauplätze wieder der Regierung anheim. Daraus kann man schließen, was für eine Bauthätigkeit in den nächsten zwei Jahren sich hier entfalten, und wie theuer Arbeiter und Baumaterial kommen werden. — Als Baumaterial sind erlaubt: . Rohziegel mit Steineinfassung und gebrannte Ziegel. Nach der Erhöhung der ganzen in den Bauplan gezogenen Fläche wird Chartum in Zukunft nicht mehr so ungesund sein. Außerdem werden Abfuhrcanäle gegraben und eingerichtet, und die ganze Stadt durch eine Dampfmaschine mit Wasser versehen. Unter solchen Bedingungen ist zu hoffen, dass die Stadt schnell sich gestalte. Die Ende November Chartum gegenüber erscheinende Eisenbahn wird vollends allen Verkehr hierher verlegen. Die Brücke über den Blauen Nil ist noch nicht angefangen und wird erst bei weiterer Verkehrssteigerung errichtet werden. Mit der. Wiederauferstehung Chartums wird Omderman seinem unabweislichen Verfall entgegengehen. Höchstens wird es der Wohnort der untergeordneten Classen bleiben. Die bessere Classe der Eingeborenen wird nach Chartum hinübergehen. — Ganz in die Zukunft der neuen Stadt vertieft und uns nicht trennen wollend von unserer alten Kirche, vergaßen wir den Heimweg Die Sonne stand schon sehr tief hinter Omderman. — Wir marschierten in Eile ein Stück am Blauen Nil hinunter und nahmen dann auf einer Barke, die gerade des Weges kam, Platz. Ein paar prächtige Derwischburschen nahmen die schweren Ruder zur Hand, während einer, auf dem Steuerruder sitzend, seine Kameraden zur schnellen Fahrt anfeuerte. Auf die Frage, was wir bezahlen müssten, antwortete dieser ganz unverlegen: sei ma jadür galbalc (Herr, wie dein Herz es dir eingibt). Wir versprachen einen guten Backschisch (Trinkgeld) und flogen auf den von der Abendsonne gerötheten Fluten rasch dahin. Noch lauge werde ich dieser schönen Fahrt gedenken. Die Vergangenheit Chartums und Omdermans, der berüchtigte Weiße Nil, in den wir bald einfuhren, der gelobte Blaue Nil und der an meiner Seite sitzende ehemalige Gefangene des Mahdi, der 15 Jahre vorher den gleichen Weg in Ketten zurückgelegt, stürmten auf mich ein und machten mir die Fahrt furchtbar prächtig. Unterdessen landeten wir an Omderman an. — Es sind keine Esel zu finden. Darum müssen wir uns auf Schusters Rappen verlassen. Nichts geringes das in dem einförmigen Häusermeer. Kein Licht ist zu sehen in der Stadt; kein Fenster ist beleuchtet/ Wir liefen einmal auf gut Glück darauf los, immer dem Ufer entlang, zwischen einer Unmasse von Sansaren, gegen die man sich kaum erwehren konnte. Dann folgten wir dem Strom der Menge und gelangten auf den Markt. Die vor den Kaffeehäusern angezündeten Laternen leuchteten uns nur ein Stück weiter. Wie der Lichtschein aufhörte, wurden wir unsicher. Es war zu gefährlich, ohne Begleitung weiterzugehen. Erst kürzlich hatte man einen englischen Soldaten nachts in einen Brunnen geworfen. Wir bequemten uns daher, eine Flasche Bier bei einem Griechen zu trinken und ihn zn bitten, er möge uns zu seinem Landsmann Trempa geleiten. Auf diese Weise fanden wir unser Haus wieder, todmüde von dem Rennen. Viele Freunde und Bekannte P. Ohrwalders warteten hier schon stundenlang. Andere waren gleich nach 12 Uhr gekommen und hatten sich lange geduldet. Weil aber niemand kam, verschoben sie das Wiedersehen auf den Morgen. Die Negerinnen der alten Mission, die Kopten, Syrer, Griechen, alles Leidensgenossen P. Ohrwalders, waren herbeigeeilt. Kinder und Alte warfen Arbeit und Sorgen weg, um den P. Josef zn sehen, der ihnen zur Zeit der Bedrängnis ein Vater, Rathgeber und Tröster war, und von dem sie wussten, dass er alles geopfert und gethan hätte, Um ihnen ihr Leiden zu erleichtern. Eben darum ließen sich viele nicht so schnell wegschicken, obwohl wir müde waren und des Schlafes bedurften. Alle Priesen Gott, der die Welt in einem Augenblick „umgedreht habe", und der Dankesworte waren kein Ende. „Gott hat es mit angesehen, was wir litten, und hat uns trotz unserer vielen Sünden noch vom Tode in der Mahdie befreit". Das war aller Gefühl und Bekenntnis. — Aus dem Wiedersehen erkannte ich, was diese Leute ausgestanden haben mussten. Besonders am Vorabend der Schlacht, als man Haus und Hof durchsuchte, Knaben und Männer bewaffnete und in die Derwischreihen aufnahm, waren Zurückbleibende und Abziehende in Todesangst. Als die Nachricht von der Niederlage der Derwische, von dem Einmarsch der Engländer nach Omderman kam, glaubten die noch Ueberlebenden, dass ihr letztes Stündlein gekommen sei. Gott hat damals sichtbar die Armen beschützt. — Um unsere Zeit zum Schlafen zu erhalten, brauchte es das ganze Aufgebot von Schlauheit unserer Hausfrau. Die besorgte Frau schlug einfach im Angesichte der Anwesenden die Betten für uns ans im Hofe und löschte die Lichter bis auf eines aus. — Um diese Zeit schläft man in Omderman noch im Freien. Ohne Furcht und Sorgen schliefen wir ein, wiewohl es noch nicht so sicher war in der Stadt. Morgens in der Frühe brachen wir schon wieder auf nach Chartum. Man musste sich schnell aus dem Hause machen, sonst gab es keinen Ausweg mehr. Zwei Esel standen bereit. In einer Viertelstunde waren wir am Nilufer. Dort beginnt eben der Fischmarkt. Zahlreiche Negerweiber kommen vom südlichen Ufer herunter mit meterlangen Fischen auf dem Kopfe, andere mit kleinen, aber feineren in Körben. Ein Esel trug einen menschengroßen Fisch ans dem Rücken daher. Mehrere seiner Genossen folgen mit mehr oder minder großen Exemplaren. Auch die Barken brachten Fische aller Art vom gegenüberliegenden Ufer. Wer Fischliebhaber ist, hat im Winter hier reiche Auswahl und zn billigen Preisen. Ein paar Derwischjnngen nahmen uns in ihr Boot auf und brachten uns prompt eben an die Spitze Chartnms. Da waren Esel zu haben, aber ohne Staffen, ohne Zaum, mit hohen hölzernen Sitzen. Es galt da ganz ernstlich das Gleichgewicht zu behalten, um nicht in den nassen Sand zu fallen. Wir wählten die Lord Kitchener-Slraße z»m Eintritt. Sie bietet einen schönen Ansblick ans das Gebiet des Weißen Nil; allerdings kein tröstlicher. Kein Mensch, keine Hütte, kein Weg ist ans den sumpfigen Gefilden. Aasgeier sahen wir als die einzigen Bewohner darauf, in großen Gruppen unbeweglich beisammenstehend, mit dem Kopf gegen die Erde, wie in reiflicher Ueberlegung und Rath. Es ist vorbei, theure Freunde, der Mahdi ist todt; bald auch der Chalif. Für die Reinhaltung der Stadt von allem Unrath gibt es keine bessere Polizei als diese Geier. Sie räumen sauber auf. Beim Eintritt in die eigentliche Stadt verschwindet die Aussicht auf deu Weißen Nil. Ruinen starren zum Himmel, zur Rechten und zur Linken. Kein Mensch scheint sie noch angerührt zu haben. Ihre Anwesenheit vermindert sehr den Preis der Grundstücke, auf denen sie stehen, da die Wegschaffung keine geringen Kosten verursacht. — Wir reiten an der Kirche vorbei nach dem nördlichen Eingang in den Garten, um uns der alten Halima heute als Gaste anzumelden. — Die Arbeiter hatten schon früh mit der Ausgrabung begonnen. Vorerst räumten sie die Trümmer des Obelisk, der am Grabe Combonis stand, weg, weil ihr Aufseher, ein gewisser Chalil Hassantzu, der Meinung war, der Sarg befinde sich in einer Wölbung unterhalb desselben. Dieser Chalil Hnssantzn, der Aufseher Neufelds in Chartum, war einst Schreiber in Nuba und hatte die Mission beim Ausbruch der Revolution verrathen. P. Ohrwalder war eben damals in Nuba. Nichtsdestoweniger hatte dieser Judas das Herz, den P. Ohrwalder zu umarmen und zu grüßen, wie noch keiner der Freunde und Bekannten es gethan hatte. Als aber P. Josef sich einige Augenblicke weg begab, um sein Brevier zu beten, machte sich der Lump aus dem Staube mit seinem schlechten Gewissen und ließ sich nicht wiedersehen. Nach dem Falle Chartums machte ihn der Mahdi zum Emir daselbst, in welcher Eigenschaft er sich einen Bauch angegessen haben soll, wie ein Pascha. Jetzt ist der Mensch elend heruntergekommen und ist mager wie ein Schneider. Vielleicht um seinen Landsleuten zu imponieren, hat er sein arabisches Gewand abgelegt und KitteUund Hosen angezogen. Nach Abtragung des Fundamentes, den der Obelisk hatte, zeigten sich noch keine Spuren eines Sarges, wir verließen daher die Weisheit des Chalil, und ließen östlich vom Obelisk weitergraben. Ter Obelisk musste ohne Zweifel am Kopfe des Grabes gestanden haben. Inzwischen war es 12 Uhr geworden, und wir giengen zur Halima. Eine Schüssel voll saurer Geißenknöchel stand bereit, der wir uns, ein jeder auf einem Angareb sitzend, ohne Messer und Gabel entledigten. Das bekannte Kesrabrot schmeckte gut dazu. Den Antun schickte P. Ohrwalder nach Omderman, damit er den alten Maurer Pietro bringe, der genau wissen musste, nach welcher Richtung hin das Grab Combonis sich befinde. Er kam gegen Abend und wusste bestimmt, dass es gegen die Kirche hin liege. Darauf überließen wir ihm die Ausgrabungsarbeiten mit dem Austrage, uns vom Funde der Gebeine brieflich zu benachrichtigen und kehrten nach Omderman zurück. Es war wieder Abend, als wir daselbst anlangten. Glücklich erreichten wir den Markt. Im Vertrauen auf unser Geschick bis hierher, liefen wir weiter drauf los. Unser Haus fanben_toir aber nicht; wir hatten uns verirrt. Mit dem Fragen da und dort verwickelten wir uns noch mehr. Es galt wieder den Markt aufzusuchen und einen Führer zu erkaufen. Die brennenden Laternen verriethen ihn, und wir gelangten, allerdings spät, nach Hause. Hier waren wieder viele Bekannte; größer war die Zahl derer, die den Tag über da waren und uns grüßen ließen. Der Abend vergieng mit Erzählungen aus den vergangenen grauenhaften Jahren. Man erinnerte sich, wie nian da und dort knapp am Tode vorbeigegangen sei, welches Verhör der Chalif mit den Freunden P. Ohrwalders angestellt habe nach seiner Flucht mit den Schwestern u. s. to. Alles ist nun vorbei, und man wünscht die baldige Uebersiedelung nach Chartum, um mit dem Wechsel des Ortes auch die alten Erinnerungen los zu werden. Wären uns nicht die Augen zugefallen, hätten die Besucher bis in den Morgen hinein erzählt. (Schluss folgt.) low «ftiinniischkn Stimmt jinn linll|oli|dttti Priester. Spantes portir 'UHarirn pen, Negerpriester aus dem Stamme der Dinka in Central-Afrika, zum Katholicismus bekehrt 1874, Priester seit 8. Mai 1887, gestorben 11. Jänner ltiOO. (Eine Selbstbiographie.) VII. (Fortsetzung*) (Neue Sclaventheilung. Marsch gegen die Tuitsch. ©datiern alldort. Abzug von da. Vernichtung von Gon-de-Moii.) wei Tage waren wir am See gelagert, als am dritten der Rath zusammen--berufen wurde, worin beschlossen werden sollte, dass vor dem Abzüge aus diesem Gebiete, ihrem förmlichen Jagdreviere, jene, welche Lust dazu hätten, zurückkehrten, um die Ueberbleibsel, die sich durch Flucht gerettet, aufzuspüren und einzufangen. Dieser Antrag wurde, weil zu wenig Lohn versprechend, verworfen. Hernach suchten die Anführer ihre Mordgesellen zu überzeugen, dass, wenn sie noch lange dablieben, sie Gefahr liefen, dass alle Beute ihnen durch die Tuitsch und Ruruen, welche Freunde der Dinka seien, entrissen werden könnte, da diese Dinka-Freunde leicht zu deren Befreiung anrücken könnten. Dieser Antrag verfehlte seine Wirkung nicht; doch wollten sie nur unter der Bedingung abziehen, dass die Besitzer einer größern Sclavenanzahl den Minderbesitzenden an einem bestimmten Orte solche abträten, d. h. eine Theilung zuließen, damit keiner mit leerer Hand in seine Familie zurückkehre. *) Siehe Nr. 5 Seite 114. Die Meistbesitzenden tonten Mohammed Ahmed Uad-DesLalla') und Ahmed Assemani und einige andere, deren Namen ich nicht mehr weiß. Diese ließen sich zu einer Theilung herbei und beeilten sich, ehestens von da wegzuziehen. Man zog nun nachmittags ab, und abends gelangten wir wieder zum Stromufer, too wir die Nacht verbrachten. Zwei Tage nachher erinnerten die Habgierigen die Reichen an ihr Versprechen und kamen zu Uad-DefLalla, Assemani und den andern, um die Sclaventheilung vorzunehmen, wie man übereingekommen war. Es wurden nun jene armen Schwarzen auf eine Anhöhe zusammengetrieben, es mochten bis zu dreihundert sein. Da traten auch schon die Antragsteller dieser Theilung heran, um ihr Contingent in Empfang zu nehmen. Unter diesen war auch mein Gebieter. Fünf Tage waren vorübergegangen, und ich hatte weder die Mutter, noch die Schivestern, welche schon zehn Tage von uns getrennt waren, sehen und sprechen können. Sobnld ich aber die Mutter erblickte, lies ich ihr unentwegt zu. Rechtzeitig wurde ich noch gewahr, wie ein Dschellüb (Einzahl von DschellLba) mir folgte, und ehe ich noch zur Mutter kam, hatte er mich erreicht. Im letzten Augenblicke erinnerte ich mich noch der Warnung der Mutter, dass ich nie sagen sollte, welche der Sclavinnen meine Mutter sei, damit wir nicht getrennt würden, und deshalb gieng ich, meinen Verfolger wahrnehmend, auch langsamer, damit er mich bald in Gewahrsam nehme, ohne dass ich meine Mutter irgendwie bezeichnete. Auf seine Frage, welche meine Mutter sei, deutete ich auf eine alte Sclavin. Sie glaubten mir, und da sie eine Möglichkeit zur Flucht der betreffenden Sclavin bezweifelten, so ließen sie mich auf freien Füßen, wodurch dann weder ich noch meine Mutter die Herren wechselten, was im andern Falle höchst wahrscheinlich, ja gewiss gewesen wäre. Diese zweite Theilung war geschehen, und dennoch beschwerten sich viele, dass sie zu kurz gekommen seien. Darum beschloss man einen Jagd-Marsch gegen die Tuitsch, die dort in der Nähe hausten. Nachdem alle Vorkehrungen hiezu getroffen waren, schickten sie nach einigen Tagen Kundschafter aus, die bald wieder zurückkehrten mit der Botschaft, dass sie bewohnte Tuitsch-Dörfer und Leute von hohem, starkem Wüchse getroffen hätten. Bald waren diese Menschenjäger marschbereit und schleppten den ganzen Tross ihrer armen Gefangenen mit, zu denen sich bald neue gesellten. Nach dieser zweiten Menschenjagd hielt man etwa zwei Wochen an; dann gieng'» in eine andere Provinz desselben Stammes. Dort angekommen, waren sie aber nicht wenig überrascht, die sorgfältig erhaltenen Hütten menschenleer zu finden; denn die Einwohner, welche vom Ueberfalle jener von Uen-de-Mören und Uen-de-Dil bereits Kenntnis hatten, waren von ihren Behausungen weit in ihre Steppen hinausgezogen. Diese Tiger-Menschen fahndeten nach Beute, aber vergeblich; sie konnten niemand finden, außer einige altersschwache Weiber, die sie aus Zorn darüber ermordeten. Es blieb nun nichts *) Dieser reiche Sclavenbesitzer, den die ägyptische Regierung trotz seiner Sclavenjagden ruhig bestehen ließ, stellte im Jahre 1882 als Anhänger Mahdi's alle i n 600 wohlbewaffnetc und eingeübte Sclaven gegen seine Regierung ins Feld. Vom afrikanischen Sclaven zum katholischen Priester. 136 anderes übrig, als in das Lager zurückzukehren, wo sie dann beschlossen, noch länger zu bleiben, um wenigsteus später Beute zu machen. Während dieser ihrer Lagerzeit waren sie auf beständiger Suche, wo die Tuitsch wohl ihr Getreide gelassen haben mochten, da sie dieses in der Eile unmöglich mitgenommen haben konnten. Da geschah es nun, dass sie auf einen Tuitsch-Mann stießen während ihrer Recognoscierung, der ebenfalls anskundschaften wollte, ob die Luft von den P. Hih, itmgcScn von christlichen Zieger,stnaven. (Originalbild des „Stern der Neger.") Baggärah und Dschallüba wohl rein sei. Von diesen aufgefangen, wurde der arme Mann durch Qualen jeglicher Art gezwungen, anzugeben, wo seine Stammes-genossen sich aufhielten, und unglücklicher Weise hatte er die Schwache, dies zu verrathen, und musste sofort als Wegweiser dienen. Die armen Leute flohen in ihrer Neberraschnng nach allen Richtungen, aber es war zu spät; denn die DschallLba waren schon da und stürzten sich wie hungerige Wölfe auf ihre Beute. Nach einem schauderhaften Gemetzel wurden wohl an fünfhundert Personen gebnnden abgeführt. Unter betten, welche mein Gebieter erjagt hatte, war ein Weib mit einem kleinen zarten Knaben. Dieses arme Kind litt an einem derartigen Husten, dass die andern neben ihm im Schlaf gestört wurden; deshalb befahl der Gebieter dieser Mutter, ihrem Kinde das Leben zu nehmen! Sie weigerte sich aber standhaft, einen solchen Befehl je auszuführen. Darüber erzürnt, zwang der unmenschliche Gebieter mich, den Knaben hinauszuführen, niederzuwerfen, mich auf ihn zusetzen und zu etwürgen! Ich konnte mich nicht dagegen wehren und vollzog den grausamen Auftrag, der mich zum Henker und Mörder machte, und kehrte schaudernd an meinen Platz zurück. Der Knabe war aber nur in Ohnmacht verfallen, und es dauerte nicht lange, so kam er zu aller Verwunderung und meinem Schrecken und des Herrn Staunen, der sich über den Zustand des Knaben vorher wohl überzeugt hatte, zur Mutter zurück. Rach jenem für mich so unheilvollen Abende war der Knabe merkwürdiger Weise geheilt! Die Barbarei dieser Blutmenschen hatte ihn aber nichtsdestoweniger von der Mutter getrennt! Es wurde da ungefähr einen Monat gelagert und in dieser Zwischenzeit immer neue Streifzüge gegen die bedauernswerten Tuitsch unternommen. Von jedem solcher Züge kamen sie mit einiger Beute zurück. Am Ende wurden sie doch ihres Bluthandwerkes müde und zogen mit der überreichen Menschen- und Viehbeute ab. Der Weg führte abermals durch unsere Heimat! Aus diesem Marsche streiften die BaggLrah in einem fort und hatten richtig herausgefunden, dass im nördlichen Dinka-Gebiete noch ein bewohntes Dorf sei, das früher übersehen worden und Gon-de-Moü heiße. Auf diese Freudenbotschaft wurde sogleich dahin aufgebrochen. Die unglücklichen Opfer hatten weder von dem Vorfalle im Dinka-Gebiet, noch von jenem des Tuitsch-Stammes eine Ahnung und waren sorglos in ihrem ruhigen und stillen Dorfe, als plötzlich die Dschallüba mit ihrem Anführer Uad-DefLalla, der ein wüthender Selavenjüger war, da waren. Mangel an Zeit und der unerwartete, plötzliche Ueberfall hatten die armen Bewohner von Gon-de-Moü rath- und sprachlos gemacht, und sofort waren sie auch schon in Reih und Glied gestellt und an den unvermeidlichen Baumstamm gebunden, während alle jene, welche nicht hatten entfliehen können, wie Greise und Schwache beiderlei Geschlechtes, unbarmherzig niedergemacht wurden. (Fortsetzung folgt.) friiiimiitgcii «it eine $cifc im llotljen Petre. Bon P. Oliver Geyer F. S. C. (Fortsetzung?) Ischeddcr. Dschedda dehnt sich unmittelbar am Meeresufer aus, das hier ^ A^\n e'ne steine Bucht bildet. Am Landungsplätze herrscht stets ein reges Leben. (Sk// Hunderte von Segelbarken liegen vor Anker, die an Freitagen mit blnt-V rothen Fähnchen geschmückt, einen malerischen Anblick bieten. Da wird den ganzen Tag über ein- und ausgeladen. Stündlich kehren Barken von der hohen See zurück, mit Perlmutter, Muscheln, Schwammkorallen und Fischen aller Art beladen. Große Kähne befördern die Waren von und zu den in ziemlicher Entfernung ankernden Schiffen. Durch ein enges Thor, unter welchem die Polizei und Zollwache postiert ist, gelangen wir in das Innere der Stadt. Zur Linken befindet sich das einfache Post-und Telegraphenamt, zur Rechten Kaffeebuden, meistens von Griechen gehalten. Dazwischen fallen einige große Schilde austauf denen die Aufschrift prangt: «Ship Dealers», von Maltesern gehaltene Buden, in denen die englischen Schiffer ihre Einkäufe besorgen, die einzigen Locale, in denen die öffentliche Ausstellung von geistigen Getränken erlaubt ist, die wohl den bedeutendsten Absatzartikel der Inhaber bilden. Sonst ist die Einfuhr von spiritushaltigen Getränken nach Dschedda, wie nach jedem anderen Hafen des heiligen Hedschaz verboten. Geradeausgehend gelangen wir zum Markt, welcher die Stadt fast in ihrer ganzen Länge von Norden nach Süden durchzieht. Die Straßen der inneren Stadt sind enge, finster und unregelmäßig. Die Häuser sind durchgängig aus Madreporenkalk mit Holzeinlagen gebaut, mit flachen Dächern und hölzernen Läden an Stelle der Fenster. Bezeichnend sind die Maschrabien (vom arabischen maschrab, Ort des Trinkens), bestehend in kastenartigem, hölzernem Vorbau an der Außenseite der Fenster. Die Maschrabien, meist mit sehr zierlichen Holzarbeiten geschmückt, umschließen einen mit Teppich und Polstern belegten Ruhesitz (Divan), auf welchem man die freie Luft athmet, Mokka trinkt und Cigarretten oder Schische (Wasserpfeife) raucht. Sie ersetzen unsere Hausbalkone. Mehrere Häuser sind dreistöckig und enthalten große, luftige Wohnungen. In der letzten Zeit haben Eingeborne schöne Wohnungen gebaut und sie an Europäer vermietet. Eines der schönsten Gebäude ist das vom österreichischen Consularver- *) Siehe Nr. 5 Seite 119. tretet bewohnte, welches 20,000 Thaler kostete. Bis jetzt besitzt kein Christ ein Grundeigenthum in Dschedda; nicht das Gesetz, sondern ein altes Widerstreben der Eingebornen gegen die feste Ansiedelung von Christen ans dem heiligen Boden von Hedschaz hindert dies. Die Straßen und engen Gassen sind belebt von spielenden Kindern, schreienden Selaven und Volk-sängern. In einzelnen Quartieren herrscht Todtenstille; unter der Hausthüre hockt ein vor sich hinbrütendes Selavenkind, eine Negerin schleicht stille um die Ecke, durch das Gitter der Fenster lugen neugierige, blasse Haremsbewohner, das heisere Gebelle eines hässlichen, huugerigen Wolfshundes unterbricht hie und da das düstere Schweigen, ein Gefühl der Furcht und der Einsamkeit überkommt den Fremden in diesen lebenslosen Gassen, dem Bilde unthätigen Lebens im Islam. Der Verkehr der Stadt hat auf dem Markte seinen Mittelpunkt. Der Markt von Dschedda ist einzig in seiner Art. Zwar mögen die Bazare von Damaskus, der Muski Chamsaui in der Pharaonenstadt Kairo reichhaltiger sein, infoferne sich dort neben den Producteu des Orientes die Consnm- und Luxusartikel des Abendlandes in größter Auswahl vereiniget finden, aber eben dieser Umstand benimmt ihnen das eigenthümliche orientalische Gepräge, das den Markt von Dschedda auszeichnet. Da ist ewiger Jahrmarkt, da herrscht den ganzen Tag über das Hin-und Herwogen einer bunten Menschenmasse. Alle Schattierungen der Hautfarbe, alle Typen und Trachten sind hier vertreten. Echte Beduineugestalten mit feuerigen Augen, welche unstät und unheimlich aus dem dicht umhüllten, sonnengebräunten Gesichte hervorleuchten, mit Lanze, Schild und Schwert bewaffnet, die Pistole im schmutzigen Gürtel, hochgewachsene Selaven von den Ufern des weißen Nil, stämmige Neger aus Darfur und Wadai, rothbraune Abyssinier und schlanke Galla-Mädchen, lumpige Derwische der Takarier aus dem Herzen des Sudan, gebräunte Magrebiner und Tunisier mit finsterem Blicke, kühnanbetende Banianeu und reichgekleidete Kaufleute aus Java und Sumatra, sparsame Aegypiier und Türken neben listigen Armeniern und ernsten Persern, dazwischen stolz und selbstgefällig hinwandelnd Hedschaz-Männer in bunten, wallenden Trachten, junge Halbneger im Adamstracht und bis an die Augen verhüllte Frauengestalten, welche einem wandelnden Kleiderberg gleichen, schreiende Köche mit wandernden, von Fett duftenden Küchen und Gemüsehändler aus Mekka; zwischen dem Gewühle drängen sich muthwillige Knaben und scheue Mädchen hindurch, betteln arme Krüppel und zottige Derwische um ihr trockenes Mittagsbrot, und umringen nackte Selaven einen Gaukler und einen Possenmacher, während Erwachsene sich um einen Koransäuger oder Romanzenleser schaaren. Neben dem afrikanischen Nomaden aus Suakin mit aufgethürmtem, von Fett triefendem Haarbusch schreitet ein weißbehelmter Sohn Englands, neben dem türkischen Seesoldaten in lässiger Haltung und schmutziger Uniform ein stets geschäftiger Grieche oder Syrier; sich brüstende Divanschreiber und Unterbeamte in tadellosem Staatsfrack, welche durch hochnäsige Haltung ihre Halbbildung zur Schau tragen, und hie und da ein Europäer mit dem verhassten Hute auf dem Haupte, vollenden dieses bunte Bild, ein Gemisch von Cham, Sem und Japhet mit ihren verschiedenen Sitten, Religionen und Sprachen. Nicht weniger reich und wechselvoll sind die zum Verkaufe ausgestellten Waren und Erzeugnisse, welche in den Fensternischen ähnlichen Läden oder auf Matten am Boden aufgestappelt sind. Da finden wir die Ausbeute des Meeresgrundes, Muscheln, Korallen, Perlen aller Größen und Farben, feine persische Teppiche und indische Stoffe und Lnxusgegenstäude, goldene und silberne Armspangen und Ringe, Schmuck aus Elfenbein, Rosenkränze aus schwarzen Korallen und Sandelholz, Perlmutter in der feinsten Verarbeitung, Geschirre mit arabischen Schnörkelverzierungen und zierlich gearbeitete durchdringliche Wasserkrüge, buntbemalte Ctühlchen und Sessel, Fächer ans Kokospalmen und kunstvolle Geflechte ans Palmsiedern, bunte Schuhe, Ketten aus Muscheln und Kaurisschnecken, mit Perlen und edlen Metallen besetzte Wasserpfeifen, kurz, Producte in reichster Auswahl aus Arabien, Persien, Syrien, Aegypten, Indien, Java, Pyramiden von #tjcs;. (Originalbild des „Stern der Neger".) Sumatra und Afrika, die hier ihre ständige Kunst- und Gewerbeausstellung veranstalten. Dazu kommen die Roherzeuguisse Asiens und Afrikas: sudanesischer Gummi und abyssinischer Honig, indischer Reis und ägyptisches Korn, Kokosnüsse, Orangen, Citronen, Wassermelonen, Datteln aus Mekka und Trauben ans El-Taif, Tamarinde, Henna und Senna, Syrupe und Süßigkeiten aller Art, Tabak der feinsten Sorte aus der osmanischen Regie und echter, unverfälschter Mokka. Am regsten ist das Treiben auf dem Markte am Freitage, dem Festtage der Muselmänner. An diesem Tage stnden auch gewöhnlich die öffentlichen Versteigerungen statt. Stoffe, Kleidungsstücke, Hauseinrichtungsgegenstände, meist abgenützte, werden von delläl (Versteigerer oder Makler) ausgerufen, wobei die religiösen Formeln, Anrufungen Gottes und Betheuerungen der Wahrheit beim Barte des Propheten nicht fehlen dürfen. Einen feenhaften Eindruck macht der Anblick des Marktes nach Eintritt der Dunkelheit. Vor jedem Laden brennt eine Pechfakel oder ein grvßes Petroleumlicht, dessen fahler Schimmer die schwarzen und braunen Gesichter geisterhaft beleuchtet. Um 8 Uhr wird es allmählig stille, die Buden werden geschlossen, die Lichter erlöschen. Gespensterartig zieht noch eine vermummte Frauengestalt, ein nackter Sclave oder ein bewaffneter Beduine durch das Dunkel hin; die wenigen Pechfakeln, die in Entfernungen noch flackern, erhöhen die Unheimlichkeit. Die Stadt ist von der Landseite von einer mäßig hohen Mauer umgeben, die an vielen Stellen durch Regengüsse baufällig geworden ist. Zwei Thore, das eine im Norden gegen Medina, das andere im Osten gegen Mekka, führen in die Wüste. Die Umgebung von Dschedda rechtfertigt vollauf den Namen der Provinz, zu welcher es gehört, nämlich Arabia petrea oder das „Steinige Arabien". Eine trostlose, unfruchtbare, sonnverbrannte Sandwüste dehnt sich bis zu den ebenso kahlen Bergen aus; Geröllflüchen wechseln mit gelbem Flugsande, Mimosen und Wüstengras mit einigen spärlichen Wildakazien, welche die Oede der Gegend nur noch mehr hervorheben. In einigen Niederungen in der Nähe der Stadt, in denen sich das Regenwasser sammelt, sind Versuche mit Anlegung von Gärten gemacht worden; die dortigen Dattelpalmen und Gemüse haben sich bereits entwickelt, beanspruchen aber den fortwährenden Dienst mehrerer Sclaven. Immerhin aber bilden diese Anlagen eine erfreuliche Abwechslung in der sandigen, steinigen Wüste. Infolge des Mangels ausgiebigen Pflanzenwuchses ist auch die Viehzucht eine sehr geringe. Hammel und Ziegen sind mager, viele erliegen während der trockenen Jahreszeit dem Hunger. Ich sah, dass man einen mageren Hammel für vier Piaster verkaufte. Rinder und Schafe werden von Jemen und Berbera an der afrikanischen Küste eingeführt. Von den Nutzthieren sind Pferde, Kameele und Esel zu nennen; in Mekka und Medina befinden sich Pferde echt arabischer Rasse. Das wichtigste Thier für die Wüsteubewohner ist das Kameel. Dichter und Volksmund haben der Bedeutung des Kameeles in fast zahllosen dichterischen Namen Ausdruck gegeben; in arabischen Wörterbüchern finden sich viele sinnbildliche Bezeichnungen für „Kameel", als: Tochter der Wüste (bint el-beid), Vater Jobs (abu aiüb) d. h. das Geduldige, Schiff der Wüste, Vater des Wohlstandes (abu bäim), Mutter der Saat (omm zeraa) u. s. w. Bei den Beduinen findet sich zahlreich das Laufkameel (in Arabien debil, in Afrika hedjin genanntst, eine Abart des gemeinen Kameeles (djemel genannt), von dem es sich durch längere Beine, schmächtigeren Bau, gekrümmten Rücken unterscheidet. Die Ausdauer im Marsche auf dem Wüstensande, veranlasst durch den breiten, gummiartigen Huf, die Fähigkeit, Hunger und Durst zu ertragen, geben dem Kameele den Vorzug vor dem Pferde für Reisen in der Wüste, wo es vollauf seinen Namen als Schiff der Wüste rechtfertigt. (Fortsetzung folgt.) Wine Nairne auf 8a§ Nnaö unseres Knaöen Wai-Häus SfiSei Barnarn. Assuan, 12. Jänner 1900. rlaubt mir, verehrte Leser, euch einiges zu schreiben über den erbaulichen Tod unseres /vor1 mit großem Talente begabten Knaben Matthäus. -r Er ward geboren um das Jahr 1883 in Abyssinien in der Provinz Cigre, als (g>^^/ der einzige Sohn von acht Geschwistern. Sein Vater war im Kriege unter Ras Blula. In seinem achten Lebensjahre kam Matthäus mit seiner älteren Schwester nach Asmara und von dort nach Massaua, wo ihn die Schwester in den Dienst eines Griechen gab, der eine Wirtschaft betrieb. Er musste daselbst die Küchen- und Hausarbeiten verrichten. Es dauerte aber nicht lange, da hörte unser kleiner Matthäus, dass der Gouverneur von Massaua Kinder beiderlei Geschlechtes sammelte, um sie sodann nach Europa zu schicken und sie in Instituten ausbilden zu lassen. Unser Kleiner, in welchem sich der Drang nach dem Wissen regte, um schreiben und lesen zu können, meldete sich sofort an Ort und Stelle mit der Bitte, ihn in irgend eine Schule zu schicken. Er wurde angenommen und der Tag der Abreise bestimmt. Zn Hause aber bei seiner Schwester gieng es nicht so leicht, wie er glaubte. Sie wollte durchaus nichts davon wissen, dass er in ein fremdes Land gienge, um zu studieren; und um ihm zu zeigen, dass sie es ernst meine, wurde er eingesperrt. Es gelang aber dem Knaben zu entfliehen, und er wandte sich an eine ihm bekannte Familie, wo er Aufnahme fand und bis zum Tage seiner Abreise blieb, an welchem er sich schon in früher Stunde auf dem Amte des Gouverneurs cinfand. Seine Schwester, welche ihn unterdessen vergebens gesucht hatte, erfuhr von: Tage der Abreise und fand sich eben dortselbst ein. Als sie ihren Bruder sah, umarmte sie ihn und bat ihn unter Küssen und Thränen zu bleiben. Der Knabe verblieb aber bei seinem Entschlüsse und suchte seine Schwester zu trösten mit dem Bemerken, dass er ja nur gienge, um lesen und schreiben zu lernen, und wenn er dann seinen Wissensdurst befriedigt hätte, kehre er zurück, um die arme Mutter und die Geschtvistcr nach Kräften zu unterstützen. Welch schöner Entschluss eines Kindes von ungefähr nenn Jahren, eines Afrikaners, der noch gar keine Schulbildung genossen hatte und nur in Elend und Unwissenheit aufgewachsen war! Noch auf seinem Sterbebette, sagte er mir unter Thränen, dass er nur einen Wunsch habe, nämlich nochmals seine arme Mutter zu sehen. Der liebe Gott aber hatte es anders bestimmt. Kehren wir zurück zum Zwiegespräche mit seiner Schwester. Während desselben erschien plötzlich der Gouverneur, um zu sehen, ob alle Kinder, neun Knaben und sieben Mädchen, erschienen seien, und ob alles zur Abreise bereit sei. Als er die trostlose Schwester des Matthäus sah, beruhigte er sie und gab ihr das Versprechen, dass der Knabe, sobald er genügend unterrichtet wäre, wieder zurückkehren würde, und sagte noch hiezu, dass die Kinder nicht nach Europa, sondern militari) Kairo in die dortige Mission geschickt würden, woselbst sie alle gut aufgehoben sein würden. Nach solchen Versicherungen beruhigte sich die Schwester endlich und gab ihre Einwilligung. Sie war eben der Meinung, dass ihr Bruder in einem halben Jahre alles gelernt hätte und dann wieder zurückkäme. Nun gieng es an die Abreise. Matthäus wurde mit den andern Kindern auf ein Kriegsschiff gebracht, das zur Abreise im Hafen bereit war. Die Reise verlief glücklich bis Suez, woselbst alle Kinder von einem Missionär in Empfang genommen wurden, dem heutigen General-Obern der Congregation. Derselbe brachte sie nach Kairo, wo sie am 9. Januar 1893 wohlbehalten anlangten und liebevoll aufgenommen wurden. Nun begann ein neues Leben für unseren Matthäus, da er in Wahrheit seinen Wunsch erfüllt sah, studieren zu können, was ihn allerdings im Anfang große Anstrengung kostete. Aber durch seinen guten Willen, seine Ausdauer und Geduld überwand er alle Schwierigkeiten, so dass er in verhältnismäßig kurzer Zeit ziemlich gute Fortschritte machte. Sein Eifer im Lernen des Katechismus und der Gebete, überhaupt alles dessen, was ein guter Christ wissen muss, war be-tvuuderungswürdig, und so konnte er schon im Jahre 1894 am Feste der hl. Apostel Peter und Paul in unserer Herz Jesu-Kirche in Kairo die hl. Taufe und wegen seines weitern guten Betragens am Feste Maria Himmelfahrt desselben Jahres in der Pfarrkirche unserer Negercolonie in Gesira die hl. Coinmunion empfangen. Nach seiner Taufe wurde er nämlich dorthin geschickt, um neben dem Studium auch das Schreinerhandwerk zu erlernen. Als unser Matthäus erfuhr, dass er demnächst die erste hl. Communion empfangen solle, tvurde er wahrlich ein Muster für alle Kinder des Institutes. Sein Fleiß und Eifer in der Schule und bei der Arbeit kannte keine Grenzen. Er kam so weit, dass er 10 Tage vor dein ersehnten Feste an einem heftigen Fieber erkrankte. Matthäus verlor den Muth und die Hoffnung nicht, bis zum bestimmten Tag wieder gesund zu sein. Er nahm seine Zuflucht zur Muttergottes und rief sie täglich um seine Genesung an. Nach dem Stande seiner Krankheit zu urtheilen, schien es fast unmöglich, dass er am Festtage mit den andern Kindern zusammen die hl. Communion empfangen könne. Sein Vertrauen auf die immerwährende Hilfe Mariens sollte nicht zu Schanden werden. Am Vorabend wurde ihm noch mitgetheilt, dass, wenn des Morgens das Fieber nicht nachgelassen hätte, er das Bett nicht verlassen dürfe. Bei dieser Nachricht ficng der Knabe bitterlich zu tveinen an und meinte in seiner kindlichen Einfalt, die Multergottcs müsse ihm unbedingt zum morgigen Tage die Gesundheit erwirken, da er ja so viel zu ihr gebetet habe. Und wirklich, Maria, diese liebevolle Mutter, hatte sein Flehen erhört, denn am anderen Morgen, als der Krankenbruder ihn besuchte, rief er ihm zu, dass er gesund sei. Der Bruder überzeugte sich von der Wahrheit und hieß den Knaben ausstehen. Mit welcher Freude unser Matthäus dies that, kann man sich leicht denken; tvar es ja doch schon lange sein innigster Wunsch, sich in der hl. Communion mit seinem lieben Heiland vereinigen zu können. In andächtigem Gebete wandte er sich auch zu seiner himmlischen Mutter Maria, um ihr seinen innigsten Tank ausznsprechen für die wunderbare Heilung. Bei der darauffolgenden Feier erbaute er alle durch seine tiefe Sammlung und Andacht. Er hat überhaupt in der folgenden Zeit niemals einen Tadel erhalten wegen unwürdigen Betragens in der Kirche. Seine Heilung war eine vollständige: denn am anderen Tage gieng er an seine Arbeit, gesund und munter wie zuvor. Zum bisherigen Studium und zur Schreinerei, kam nun jetzt auch die Musik, indeni er in die Knabenkapelle für Blasinstrumente eingereiht wurde. Für die Musik hatte er wie alle Neger eine ganz besondere Neigung. All sein Sinnen und Trachten Warans das Edle und Schöne gerichtet. So kam es, dass der halbwilde Knabe in 5 Jahren das Arabische, Englische, Italienische erlernte und sprach, auch schon anfieng das Deutsche und Französische zu sprechen, und außer den verschiedenen Blcchinstrumcnten auch das Harmonium spielte. In letzterem besaß er eine solche Meisterschaft, dass er alles, was man ihm vorlegte, sofort mit großer Geschicklichkeit spielte, darunter die so schönen Messen von Haller, Mitterer, Witt, u. s. w. Sein Lieblingsinstrument tvar die Mandoline, auf welcher er während der Freizeit Hymnen, Pastoralgesänge und hie und da auch einen lustigen Walzer spielte. Wenn man nun dies alles zusammenfasst, so muss man gestehen, dass dieser Knabe durch seine Anlagen und die Entwicklung derselben manches unserer Landeskinder in den Schatten stellte. Solche Früchte, die, Gott sei Dank, nicht vereinzelnd dastehen, sind für die Missionäre ein süßer Trost bei ihren Mühen und zugleich ein Beweis, dass die christliche Religion die wahre Mutter Eine Palme auf das Grab unseres Knaben Matthäus Ghidei Mariam. 143 der Bildung und Civilisation ist. — Matthäus Erscheinung machte auf jeden einen guten Eindruck. Um seine Lippen spielte immer ein sanftes Lächeln, und in seinen klaren, offenen Augen las man die Unschuld und Reinheit seiner Seele. Auf sein AeüßerSs, seine Kleidung und sein ganzes Benehmen war er immer sehr bedacht, so dass ihm in dieser Beziehung niemals der geringste Tadel gcnmcht wurde Beim Spiele mit seinen Mitbrüdern war er immer zurückhaltend und achtsam, keine Veranlassung zu Zwistigkeiten zu geben. Aufrichtig in seinem Handeln, gutmüthig von Herzen, das waren seine zwei Tugenden, welche ihn so ganz besonders lieb machten bei seinen Obern und bei den Angehörigen der Mission. Wenn er wegen eines Fehlers zur Rede gestellt wurde, so bat er sofort um Verzeihung und suchte es wieder gut zu machen. Nur ein Beispiel führe ich an. Wegen einer kleinen Nachlässigkeit vom Bruder, der die Aufsicht der Kinder hatte, eines Tages zur Rede gestellt, glaubte Matthäus im ersten Augenblick, es sei ihin Unrecht geschehen. Aber am Abend (cs war gerade Samstag und wie gewöhnlich bereitete er sich ans die hl. Beichte vor, um Sonntag die hl. Communion zu empfangen) stand er plötzlich auf und sich dem betreffenden Bruder nähernd, ergriff er mit beiden Händen die Hand des Bruders und dieselbe an seine Lippen drückend, bat er unter Thränen um Verzeihung. — Man hatte die besten Hoffnungen, dass er einstens als Muster der christlichen Tugenden, seinen armen Mitbrüdcrn, die noch in der Nacht des Irrthumes leben, dienen werde Der liebe Gott hat es aber anders gewollt. Bor vier Jahren erschienen die ersten Anzeichen der Scropheln. Der Arzt erklärte, dass eine Operation nothwendig sei, welche auch wirklich von den Aerzten des österreichischen Spitals „Rudolf" in Kairo ausgeführt wurde. Matthäus heilte, aber bald darauf zeigten sie sich von neuem. Es wurde alles angewendet, um der Krankheit Einhalt zu thun, aber vergebens. In der Zeit von drei und eyt halb Jahren wurden fünf Operationen vorgenommen, und die Aerzte boten alles auf, um den Knaben zu retten. Nach der letzten Operation bestand alle Hoffnung, dass er vollständig genesen würde, aber, diese Hoffnung erwies sich als trügerisch. Die Scropheln kamen nicht mehr, aber es zeigte sich jetzt die Schwindsucht, die ihn frühzeitig ins Grab brachte. Der fürchterliche Husten ließ ihm Tag und Nacht keine Ruhe, und das Fieber zehrte ihn sozusagen ans. Fast jeden Tag hatte er ein Fieber zwischen 40 und 41 Grad. Dass der Knabe in einem solchen Krankheitszustande es nicht mehr lange aushalten könne, war klar, und auch die beiden Aerzte, welche den Kranken behandelten, waren es sich voraus bewusst, dass er im Winter sterben würde. — Am Feste Allerheiligen konnte er schon nicht mehr in die Kirche kommen, um die hl. Communion zu empfangen, weshalb ihm der liebe Heiland ans sein Zimmer gebracht wurde. Von da an gicng Matthäus mit Riesenschritten seinem Ende entgegen. Am 30. desselben Monats wurde ihm das Athemholcn immer schwerer, und da man befürchtete, dass er noch in der Nacht sterben werde, wurde er des Abends mit den hl. Sterbsacramenten versehen, welche er mit größter Andacht und Ergebung in den hl. Willen Gottes empfieng. Nach denselben wurde ihm auch noch der päpstliche Segen ertheilt, nachdem ihn der Hwste. Herr Bischof (der gerade zugegen war) ans die großen Gnaden aufmerksam gemacht hatte, welche er sich in diesem Augenblicke für das ewige Leben verdienen könne, wenn er so gut als möglich suche, einen vollkommenen Act der Reue zu erwecken. Matthäus that dies von ganzem Herzen mit vollem Bewusstsein, worauf sein Beichtvater ihm denselben ertheilte. Vereint mit seinem göttlichen Erlöser und gestärkt mit allen Tröstungen der hl. Kirche, erwartete er ganz ergeben in den Willen Gottes den Tod als Befreier von all seinen Leiden. In den unerforschlichen Rathschlüssen Gottes war es anders bestimmt. Noch vier volle Tage hatte er zu leiden und zu kämpfen, bis seine Erlösungsstunde kam. Während dieser Zeit war immer ein Priester oder Bruder bei ihm, um ihn zu trösten und zu helfen in allen seinen Nöthen. Am 4. December gieng er endlich seiner Auflösung entgegen. Den Tag über äußerte er mehrmals zu seiner Umgebung: „Es ist doch eine harte Buße, keinen Athem zu bekommen"; aber gleich war er wieder getröstet, wenn man ihn aufmerksam machte auf das Leiden unseres Heilandes am Kreuze. Am Abend sagte er ans einmal zu den beiden Brüdern, die bei ihm waren: Es ist fertig mit mir, es kommt der Tod. Sofort rief man seinen Beichtvater, welcher ihm Muth und Trost zusprach, und Matthäus machte nun seine Beichte. Nach derselben kam der Hochw. P. Banholzer, und Matthäus bat denselben um Erlaubnis, von seinen Mitbrüdern Abschied nehmen zu dürfen. Sogleich wurden sie auf das Krankenzimmer geführt, und als der sterbende Knabe dieselben sah, bat er sie alle insgesammt um Verzeihung für alle seine Fehler und Sünden, womit er irgendwie ihnen Aergcrnis gegeben hatte. Sodann rief er einen nach dem andern bei seinem Namen und sagte ihm sein letztes „Lebewohl." Hierauf wandte er sich zu seinem Krankenbruder, welcher ihn während seiner Krankheit pflegte mit den Worten: „Lieber Bruder, verzeihet mir alles und betet für mich." Der Krankenbruder, in diesem Augenblicke bis zu Thränen gerührt, beruhigte den Knaben und bat ihn, er möge sich seiner und aller Anwesenden am Throne Gottes erinnern, was Matthäus auch versprach. Nachdem nun die Kinder entfernt waren, verbrachte unser Matthäus einige Zeit im Hersagen von Stoßgebetlein, welche ihm sein Beichtvater P. Huber oder der hochw. P. Obere von Zeit zu Zeit ins Ohr flüsterten. Bei dieser Gelegenheit erinnerte sich Matthäus, wie arm und verlassen sein Erlöser am Kreuze gestorben sei, und auch .er wolle arm sterben. fieng er an, sich alles Irdischen zu entäußern, indem er dem einen sein Crucifix schenkte, dem andern seine Uhr u. s. w. Hier konnte man sehen, wie ein armer Afrikaner, der sich als Muster unseren Herrn Jesus Christus gewühlt hat, zufrieden sterbe, im Vergleich zu jenen Reichen, die als ihren Gott nur ihre Schätze kennen. Es war gegen Mitternacht, und Matthäus fühlte, dass der Tod näher kam, was er auch mehrmals mit großer Gelassenheit äußerte; er bat einen der Anwesenden, ihm das Bild «Ecce homo» zu reichen, damit er in ihm Trost im letzten Augenblicke finde. Dasselbe nahm er in die schon eiskalten Hände und küsste es mit inniger Liehe und Demuth. Eine Weile nachher sagte er: „Ach gebet mir auch noch das Herz Jesubild, ich will es küssen;" da er es aber nicht niehr mit den Händen fassen konnte,'so führte es der Krankenbrnder an seine Lippen, wobei er cs recht herzlich küsste und dabei sagte: „Mein Jesus, Barmherzigkeit!" Eine halbe Stunde nach Mitternacht, am 5. December, hauchte. Matthäus seine reine Seele aus. Der Hochwürdige P. Banholzer, der mit zwei Brüdern bei seinem Hinscheiden zugegen war, schloss ihm die Augen, verrichtete mit den Brüdern ein stilles Gebet und begab sich zur Ruhe. Am folgenden Morgen kündigte er der Gemeinschaft und den Kindern den Tod des Matthäus an. . Alle waren auf's Tiefste bewegt. Um 8 Uhr wurde in der Kirche das Todtenamt gesungen, und denselben Vormittag die Leiche begraben. Sämmtliche Kinder der Mission und andere Schulkinder, die in Matthäus ihren besten Freund verloren hatten, begleiteten ihn zum kühlen Grab. Und jetzt noch gehen sie immer gern in den Friedhof hinaus zum Grabe ihres Mitbrnders, um zu beten, und noch leben in ihrem Geiste die vielen schönen Tugend-Beispiele, die er ihnen im Leben gegeben. Br. Heinrich Blank, S. d. h. H. Für die Redaction: P. Xaver Geher F. 8.6. — Druck von A. Weger's sb. Hofbuchdruckerei, Brixen.