"Man sieht nur, was man weiß". Völkerwanderungszeit in Schulbuch und Museum "Človek vidi samo to, kar ve". Obdobje preseljevanja ljudstev v učbenikih in muzejih Franz GLASER Izvleček Arheološke raziskave zadnjih štiridesetih let so spremenile prvotno predstavo o obdobju preseljevanja ljudstev, pozne antike in zgodnjega krščanstva v Sloveniji, Italiji in Avstriji. Arheološka izkopavanja in obdelava gradiva so finančno zahtevni, pa vendar je rezultate v avstrijskih šolskih učbenikih komaj zaznati. Tudi v muzejih so informacije pogosto skromne, občasno, kot v šolskih učbenikih, zreducirane na klišeje. V prihodnost usmerjeno delo z javnostmi in muzejska pedagogika sta zato pozvana, da se teh težav zavesta. Ključne besede: obdobje preseljevanja ljudstev, pozna antika, zgodnje krščanstvo, šolski učbeniki, delo z javnostmi, muzejska pedagogika Abstract ['One sees only what one knows.' The Migration period in textbooks and museums] The last forty years of archaeological research have changed the way we view the Migration Period, Late Antiquity and Early Christianity in Slovenia, Italy, and Austria. Excavations and the processing of finds are costly, yet the results have barely been presented in Austrian textbooks. In museums, available information is often scarce, and in textbooks it is sometimes reduced to cliches. In the future, public relation offices and educational services should be more aware of these problems. Keywords: Slovenia, Italy, Austria, Migration Period, Late Antiquity, Early Christianity, public relations, educational AUSGRABUNGEN UND VÖLKERWANDERUNGSZEIT Die Epoche der Völkerwanderungszeit wird gerne mit dem Etikett „dunkle Jahrhunderte" versehen.1 Je nach Gesichtspunkt wird die Zeit zwischen 400 und 600 entweder als Völkerwanderungszeit, als Epoche des frühen Christentums oder der Spätantike bezeichnet. Zudem prägte die Klage der römischen Schriftsteller über den Niedergang des Römischen Reiches in der Völkerwanderungszeit lange das Bild der Forschung.2 Der Begriff „Spätantike" wird leicht als Anhängsel der Antike verstanden. Tatsächlich ist sie eine Zeit des Wandels. Archäolo- Mitscha-Märheim 1963. 2 Fliehburg: Petru 1975, 17; Egger 1929, Beiblatt 189 ff. Unter dem Begriff Fliehburgen werden heute sehr heterogene, eher schlecht geschützte Anlagen betrachtet, die keine Anzeichen dauernder Besiedlung aufweisen: Ciglenečki 1987, 118-120. gische Forschungsprojekte in Slowenien, Österreich, Italien und in Deutschland haben in den letzten vier Jahrzehnten das Bild dieser Epoche deutlich verändert.3 Den Forschungen folgte die Museali-sierung von Ausgrabungen durch die Sicherung der Mauern oder durch Schutzbauten.4 In erster Linie werden in den spätantiken Höhensiedlungen meist die Ruinen frühchristlicher Kirchen sichtbar erhalten und präsentiert. Die Erhaltung von ausgegrabenen Gebäuderuinen verursacht hohe Folgekosten. Der Aufwand für die Erhaltung von Mauern entspricht den vier-bis achtfachen Kosten einer Ausgrabung. Um den Eindruck der ausgegrabenen Ruinen zu bewahren, werden die freiliegenden Mauern gefestigt. Obere Mauerscharen besitzen keine ausreichende Festigkeit und müssen ersetzt werden. Die Erhaltung von Gebäuden in steiler Hanglage ist besonders aufwändig, weil durch den Hangdruck statische Probleme auftreten. Aufgrund des Steinraubes ist manchmal nur das Fundament oder gar nur dessen Ausrissgrube erhalten. Bei der Ergänzung des Mauerwerks in Hanglage ist eine beachtliche Höhe erforderlich, um das ursprüngliche Bodenniveau zu erreichen, z. B. bei den Kirchen auf dem Tonovcov grad bei Kobarid oder Hemmaberg bei Globasnica. Der Mörtel der frühchristlichen Kirche extra muros in Teurnia / St. Peter in Holz hat nach 100 Jahren auch im Inneren des Mauerwerks seine Festigkeit völlig verloren. Ständige Ausbesserungen haben im Laufe der Zeit zur Dezimierung des Originalbestandes geführt. Die zweite, und aus der Sicht der Denkmalpflege bessere, Möglichkeit der Musealisierung stellt der Schutzbau dar, der Bau- und Wartungskosten verursacht, aber die Erhaltung des originalen Mauerwerks ermöglicht. Auf lange Sicht sind wahrscheinlich die Kosten geringer als bei freistehenden Mauern, weshalb Burgruinen in den letzten Jahrzehnten oft mit Dächern ausgestattet wurden. Dabei ist die Art des Schutzbaus für das notwendige Ausmaß von Restaurierungs- und Festigungsmaßnahmen entscheidend. Ein frei zugänglicher Bereich unter einem Schutzdach erfordert - wie in Invillino (Col di Zucca) - eine massive Befestigung der Mosaikböden. In deutlichem Gegensatz zu diesen sichtbaren Zeugnissen der Kultur der Spätantike steht die Darstellung dieser Epoche in österreichischen Schulbüchern. VÖLKERWANDERUNGSZEIT UND SCHULBÜCHER FÜR ZWÖLFJÄHRIGE Die Musealisierung der Ausgrabungen hat das Ziel, dem interessierten Besucher die Bedeutung eines Objektes in seiner natürlichen Umgebung und gleichzeitig eine Epoche näher zu bringen. Das Museum dient dabei als ein Schnittpunkt von Wissenschaft und Öffentlichkeit.5 Trotz aller Bemühungen von Wissenschaft und Museumspädagogik fließen neue Erkenntnisse kaum in den Unterricht und in die Schulbücher ein. Das dargebotene Geschichtswissen hinkt aufgrund inhaltlich veralteter Lehrbehelfe im Heimatkunde-und Geschichtsunterricht manchmal um 40 bis 50 Jahre gegenüber der Forschung nach. Wenn wir in den österreichischen Schulbüchern für Gymnasien nach der Völkerwanderungszeit suchen, finden wir wenig Information. Der Schüler kommt in der zweiten Klasse (also mit ca. 12 Jahren) und in der fünften oder sechsten Klasse (etwa 15/16-jährig) mit dem genannten Zeitraum in Berührung.6 Im Lehrplan 2004 für die zwölfjährigen Schüler wird die Zeit der Völkerwanderung nicht einmal erwähnt. Dagegen werden im Buch „ganz klar: Geschichte 2" im Rahmen der römischen Geschichte zwei Seiten der Völkerwanderungszeit gewidmet.7 Unter der Überschrift „Die Verwandlung der römischen Welt ^ Jahrhunderte des Umbruchs" werden in der vorgegebenen Kürze wesentliche Ereignisse und Entwicklungen vorzüglich aufgezeigt und die Völkerwanderung als zusammenfassender Begriff für verschiedene Phänomene erklärt. Allerdings fehlt die Tatsache, dass das Römische Reich auch eine Ansiedelungspolitik betrieben und Stämmen oder Verbänden neue Siedlungsplätze auf Reichsboden zugewiesen hat. Dies hätte auch aktuellen Bezug zu Fragen der Asylpolitik. Im römischen Reich gab es keine Asylgesetze. Die Stämme wurden in einzelnen Provinzen aufgrund des Militäreinquartierungsgesetzes angesiedelt und hatten militärische Aufgaben nach außen und exekutive Aufgaben nach innen zu übernehmen. Als Illustrationen zur Völkerwanderungszeit werden eine Karte mit den bekannten bunten Pfeilen, die Rekonstruktion eines alamannischen Kriegers (7. Jh.) und eines künstlich deformierten 3 Ciglenečki 1987; Steuer, Bierbrauer (Hg.) 2008. 4 Ruggieri Tricoli (Hg.) 2007; Glaser 2011, 379-388. 5 Glaser 2012a, 34 f. 6 Für die Überlassung der Schulbücher danke ich Prof. Mag. Reinhard Molnar, Pädagogische Hochschule Klagenfurt. 7 Gießauf et al. 2006, 54-55. Alamannenschädels beigefügt.8 Die Bedeutung für Europa wird kurz angedeutet (Seite 55): „Aus den Trümmern des Westreiches erwuchs somit eine neue Kultur mit römischen und barbarischen Wurzeln. Aus der römischen Welt wurden vor allem der christliche Glaube, Latein als Schriftsprache und Einflüsse aus dem römischen Recht übernommen." Diese Bemerkung und ein kurzer Auszug aus einem Brief des Hieronymus, der Kleriker und Kirchen erwähnt, sind Hinweise auf das Christentum,9 das im Rahmen der Österreichischen Geschichte als fünfzeiliges Kapitel „Frühes Christentum in Österreich" behandelt wird (Seite 86): Die Hinrichtung eines Christen namens Florian und die frühen Kirchenbauten werden erwähnt. Dazu gehört eine Illustration (86.3) mit der Legende „St. Peter in Holz (K). Ruinen der römischen Stadt Teurnia mit Kirchen". Auf der folgenden Seite wird eine Karte Österreichs mit Völkerbewegungen geboten und auf den heiligen Severin eingegangen. Ebenfalls für zwölfjährige Schüler ist das Buch „Durch die Vergangenheit zur Gegenwart 2" geeignet.10 Auf vier Seiten werden die Anfänge, die Verfolgung und Ausbreitung des Christentums mit Bebilderung geschildert (81-84). Unter der Überschrift „Ein Reich geht unter - die Kultur der Antike besteht weiter" werden „der Lebensraum der Germanen, der Niedergang (West-) Roms" und schließlich „das Ende des Weströmischen Reiches" auf drei Seiten (85-87) mit sechs Abbildungen behandelt. Auf Seite 86 endet das Thema mit folgenden Sätzen: „476 setzten die Germanen den letzten (west-)römischen Kaiser „Augustulus" („Kaiserlein") ab und machten einen der ihren - Odoaker - zum König der Germanen in Italien. Damit endet die Geschichte Westroms. Die Völkerwanderung führte zur weitgehenden Entvölkerung großer Gebiete Ost- und Südosteuropas. Hier siedelten im 6./7. Jahrhunderte slawische Völker. Ihre Nachkommen leben heute noch dort." Zum Text gehören die Bilder eines Hunnen mit künstlich deformiertem Schädel und eine Völkerwanderungskarte mit bunten Pfeilen. 8 Auch aus dem Boden Österreichs stehen deformierte Schädel zur Verfügung. 9 Das Mosaik mit Kaiser Justinianus und Bischof Maximianus, der die Kirche San Vitale 548 weihte, wird erst vier Seiten später (Seite 59) abgebildet als Illustration für den 420 Jahre späteren Besuch des Liutprand von Cremona am byzantinischen Kaiserhof im Jahre 968. Im Lehrerbegleitheft wird die Völkerwanderungszeit nicht mehr angesprochen. 10 Lemberger 2011. Odoaker war zwar germanischer Herkunft, diente aber im römischen Foederatenheer und wurde von Kaiser Zeno mit „Patricius" tituliert, was seiner De facto-Anerkennung als Herrscher des verbliebenen weströmischen Reiches gleichkommt. Richtigerweise müsste es daher heißen, dass Odo-aker das Weströmische Reich regierte und nicht nur ein König der Germanen in Italien war. Gerade für die Geschichte des österreichischen Raumes ist Odoaker wichtig, weil er in Ufernorikum den Abzug der römischen Bevölkerung veranlasste! Die Hunnen, die unter Attila für etwa zehn Jahre in Europa eine Rolle spielten, werden kurz behandelt, während das von den Ostgoten mehr als 50 Jahre geführte Weströmische Reich nicht einmal erwähnt wird! Das Jahr 476 ist lediglich ein juridisches Datum für das weströmische Kaisertum, bedeutet aber keinesfalls das Ende der weströmischen Geschichte! Der Ostgotenkönig Theoderich übernimmt im Auftrag des Kaisers Zeno das verbliebene Weströmische Reich. Im Abschnitt „Europäisches Mittelalter. Geschichte des Oströmischen Reiches" (Seite 92) erfahren wir: „Mit dem Ende Westroms (476) sahen sich die oströmischen Kaiser als „Erben" Roms." Der Satz bildet einen Widerspruch in sich, es müsste nämlich richtig heißen, dass sich die oströmischen Kaiser auch als „Erben" Westroms sahen. Daher kann es zu diesem Zeitpunkt kein Ende des Weströmischen Reiches gegeben haben! Diese Auffassung wurde von Theoderich formal in der Münzprägung und in der Gesetzgebung eingehalten: Auf dem Avers prägte er das Bild des oströmischen Kaisers und erließ als Herrscher in Italien nur Verordnungen, da die Gesetzgebung ausschließlich dem in Konstantinopel residierenden Kaiser zustand. Auf derselben Buchseite (92) erfahren wir, dass Kaiser Justinian viele Gebäude in Konstantinopel mit prachtvollen Mosaiken ausstatten ließ. Dabei wird auf eine Abbildung mit der Legende „Mosaik aus der Kirche San Apollinare Nuovo, 504 begonnen (Ravenna, I[talien])" verwiesen. Der Rechtschreibfehler ist auf Sant'Apollinare Nuovo zu korrigieren. Auf dem dargestellten Mosaik aus der Palastkirche des Gotenkönigs Theoderich - der im Buch allerdings nie als Herrscher im Weströmischen Reich genannt ist - sind die Heiligen Drei Könige zu sehen; die Kirche Sant'Apollinare Nuovo wurde demnach 23 Jahre vor dem Regierungsantritt Justinians I. zu bauen begonnen und ist daher als Beispiel für die Bautätigkeit des Kaisers völlig ungeeignet. Das Mosaikbild wird auch immer wieder in der Werbung für Ravenna verwendet. Sein heutiges Aussehen Abb. 1: Ravenna, Sant'Apollinare Nuovo, Nordwand. Mosaiken aus drei verschiedenen Epochen. Sl. 1: Ravena, Sant'Apollinare Nuovo, severna stena. Mozaiki iz treh različnih obdobij. geht allerdings auf das 19. Jahrhundert und den Restaurator Felice Kibel zurück, der die drei Könige mit phrygischen Mützen ausstattete (Abb. 1)11 und damit eine ältere, barocke Restaurierung ersetzte, in der die Könige jeweils Kronen getragen hatten.12 Auf Seite 97 desselben Schulbuches lesen wir unter der Überschrift „Europäisches Mittelalter. Der Aufstieg des Frankenreiches" von den Erfolgen des Merowingerkönigs Chlodwig, einem Zeitgenossen des Gotenkönigs Theoderichs, der aber - wie schon gesagt - im Buch nie erwähnt ist. In einem neueren Schulbuch „Zeitbilder 2. Von der Urgeschichte bis zum Mittelalter" für Zwölfjährige aus dem Jahr 2012 wird „Das Christentum - eine Religion setzt sich durch" auf drei Seiten von den Anfängen bis Kaiser Theodosius behandelt.13 Im Abschnitt „Das Mittelalter. Das Werden Europas" wird in der Zeitschiene nur auf das Jahr 476 als Zeitpunkt des Unterganges des Weströmischen Reiches und den Beginn des Mittelalters hingewiesen (106). Auf Seite 108 werden unter der Überschrift „Das Frankenreich wird mächtig" ganze vier Zeilen der Völkerwanderung gewidmet und deren Beginn mit 375 n. Chr. angesetzt. Als Ende der „germanischen Völ- 11 Glaser 2012b, Taf. 13. 12 In einem Film der Reihe „Kreuz und quer" des ORF am 6. 1. 2015 wurde in einem Film über die Heiligen Drei Könige der Mosaikausschnitt für spätantik gehalten und von einem Naturwissenschaftler als Beweismittel dafür angeführt, dass die drei Magier Perser gewesen seien. Auch in Wikipedia (http://de.wikipedia.org/wiki/ HeiIige_Drei_Könige [aufgerufen 05. 6. 2015]) wird unter dem Stichwort „Heilige Drei Könige" in der Bildunterschrift der Mosaikabschnitt fälschlich ins 6. Jh. datiert. 13 Wald et al. 2012, 95-98. kerwanderung" wird der Einfall der Langobarden in Oberitalien bezeichnet. Ein Langobardenreich, das Karl der Große auf derselben Buchseite hätte erobern können, kommt nicht vor. Auf Seite 110 wird nun die Zeitangabe in der Zeitschiene erklärt: „Unter den Stürmen der Völkerwanderung brach das Römische Reich im Westen zusammen (476)." Es folgen weitere Ausführungen zur Überschrift „Das Oströmische Reich der Byzantiner" mit zwei halbseitigen Bildern zu Konstantinopel auf den beiden Seiten 110-111, zu denen noch zwei kleinere Mosaikausschnitte aus Ravenna gehören. Ein Hinweis auf die geographische Lage Ravennas, nämlich im weströmischen Reichsteil, wird dem Schüler nicht gegeben. VÖLKERWANDERUNGSZEIT UND SCHULBÜCHER FÜR FÜNFZEHNJÄHRIGE Zum Stoff im Lehrplan 2004 für die 5. und 6. Klasse der Allgemein bildenden Höheren Schulen (AHS) gehören „Expansion und Migration und deren soziokulturelle Auswirkungen (griechische und römische Expansionen; Barbarei; Völkerwanderungen; Zerfall des Römischen Reiches)". Das Schulbuch „Zeitbilder 5 & 6. Von den frühen Hochkulturen bis zum Ende des Ersten Weltkrieges" für Fünfzehnjährige erschien im Jahr 2011.14 Unter der Überschrift „Dominat - absolutes Kaisertum der Spätantike" auf zwei Seiten (44-45) wird auch sehr treffend die soziale Situation im spätrömischen Staat geschildert. „Das Mittelalter - eine 1000-jährige Epoche" beginnt Scheucher et al. 2011. 14 mit dem Kapitel „Die Umgestaltung der antiken Welt". Eine Erläuterung, welche Phänomene unter dem Begriff „Völkerwanderung" gemeint sind, wird nicht geboten (vgl. oben Seite 2, ganz klar Geschichte 2): „Die Zeit der Völkerwanderung bedeutete für die damals betroffene Bevölkerung Raub, Krieg, Verwüstung und oftmals den Tod." Die Erlösungsreligion des Christentums konnte in diesen „gewalttätigen Zeiten" Hoffnung geben. Einige Zeilen befassen sich im Anschluss daran mit der Ausbreitung des Christentums und mit der Missionierung. Der „Hunnensturm", die Ereignisse um Odoaker und Theoderich „(in der Sage: Dietrich von Bern)" werden kurz dargestellt.15 Der Abschnitt endet: „Nach dem Tod Theoderichs (526 n. Chr.) zerfiel das Ostgotenreich." Dieser Satz trifft wohl nicht die Realität eines 16 Jahre dauernden, äußerst blutigen Krieges (536-552), der von Kaiser Justinian I. gegen die Goten geführt wurde und Italien völlig zerstörte. Der Zerstörung der Landwirtschaft folgten Hungersnöte; die Bevölkerung Italiens wurde dezimiert. Verbündete Truppen der Byzantiner wollten Beute machen und ein Leben als Krieger führen. Sie hatten kein Interesse an der Wiederherstellung eines römischen Flächenstaates. Gerade diese Situation ließe sich auch mit heutigen, Jahrzehnte dauernden Konfliktherden vergleichen. Der Krieg zwischen Byzanz und Goten wird verschwiegen und nur erwähnt, dass Kaiser Justinian I. nochmals die Einheit des Imperium Romanum durch die Eroberung Italiens herstellen konnte. Dass dabei die Zerstörung Italiens in Kauf genommen wurde, wird nicht erwähnt. Am Schluss des Abschnitts wird darauf verwiesen, dass die germanische Völkerwanderung im Jahr 568 mit dem Zug der Langobarden nach Oberitalien zu Ende gegangen sei. Zum Kapitel wird die Frage an den Schüler gestellt: „Was spricht dafür, das Ende des Altertums mit 476 anzusetzen, was spricht für das Jahr 568?" 15 Dietrich von Bern ist eine der beliebtesten Sagengestalten des deutschen Spät- und Hochmittelalters. Der Königssohn wächst in Verona (= Bern) auf, besteht Kämpfe mit einem Drachen, einem Riesen, besiegt mit einem besonderen Schwert „Mimung" Odoaker; später kommt noch der Sieg über den Zwergenkönig Laurin mit der Tarnkappe dazu. Das mittelhochdeutsche Heldenepos „Rabenschlacht" (= Ravennaschlacht) des 13. Jahrhunderts ist ebenfalls der Dietrichepik zuzuordnen. Vgl. auch Anm. 20. Auf den romanischen Reliefs an der Westwand von San Zeno in Verona (12. Jh.) wird der Ritt des arianischen Königs Theoderichs / Dietrichs in die Hölle dargestellt. Der nächste Abschnitt des Schulbuches wird mit „Erben der Antike: Byzantiner - Araber -Franken" überschrieben. Auf Seite 63 erfahren wir: „Während im westlichen Europa die antike Kultur im Laufe der Völkerwanderungszeit größtenteils unterging, blieb die griechisch-römische Zivilisation im oströmischen Bereich erhalten." Über diesem Satz findet sich das Mosaikbild des Kaisers Justinian mit seinem Hofstaat in der Kirche von San Vitale in Ravenna. Die zahlreichen, spätantiken Mosaiken der Stadt blieben erhalten, weil sich die Ravennaten erfolgreich gegen ein byzantinisches Heer am Tag der heiligen Märtyrer Johannes und Paulus (26. Juni) in einer siegreichen Schlacht zur Wehr gesetzt hatten. Der Chronist Andreas Agnellus schreibt: „^ und von da an beging man diesen Tag wie einen festlichen Ostertag."16 Die im Schulbuch verschwiegene, massive Zerstörung Italiens durch die byzantinischen Truppen und ihre Verbündeten bedeutete den wahren Einschnitt für die weströmische Kultur, nicht die Gotenherrschaft über das weströmische Reich, das angeblich „zerfiel". Das langobardische Recht wurde in lateinischer Sprache aufgezeichnet. Nach der Eroberung des Langobardenreiches bezeichnete sich Karl der Große es als König der Franken und Langobarden und ließ sich schließlich noch zum römischen Kaiser krönen. Die römische Kultur faszinierte. Zu den Wissenschaftlern an seinem Hof gehörte auch der Langobarde Paulus Diaconus. Karl der Große war ein Bewunderer des Gotenkönigs Theoderich, ließ dessen bronzene Reiterstatue von Ravenna nach Aachen bringen und die dortige Palastkapelle nach dem Vorbild von San Vitale in Ravenna errichten. Gewisse kulturelle Errungenschaften konnten sich vor allem in den mittelmeerischen Städten halten. Das Schulbuch „gestern, heute, morgen. Aus Geschichte lernen" erschien im Jahr 2003.17 Der Abschnitt „Vom Altertum zum Mittelalter" (Seite 87) beginnt mit dem „Zerfall der Mittelmeerwelt". Die Darstellung der Völkerwanderung (Seite 88-89) schildert den Vorstoß der Hunnen, beschreibt die „Wanderbewegungen" verschiedener germanischer Völkerschaften, erwähnt die Absetzung des letzten weströmischen Kaisers durch den germanischen „Söldnerführer" Odoaker und damit das „formelle Ende des Weströmischen Reiches". Der Gotenkönig 16 McCormick 1986, 257, zitiert nach Mitterauer 2000, 125. Für die antike Textstelle danke ich herzlich Prof. Dr. Carola Jäggi: Agnellus von Ravenna, Liber pontificalis, Bischofsbuch 2, 1996, 535 f. cap. 153. 17 Achs, Scheuch, Tesar 2003. Theoderich handelte im Auftrag des Oströmischen Reiches und besiegte Odoaker. Der lange blutige Krieg (536-552) zwischen Byzanz und den Goten wird nicht erwähnt, sondern nur bemerkt, dass „nach Theoderichs Tod (526) der oströmische Kaiser Justinian das Ostgotenreich (Italien)" unterwarf. In Gallien bildete sich in der zweiten Hälfte des 5. Jh. das Frankenreich heraus. Als „formaler Abschluss" wird die „Sesshaftwerdung der Langobarden in Oberitalien (586)" gesehen. Dabei hat sich ein fataler Tippfehler eingeschlichen: Die richtige Jahreszahl muss 568 lauten. Wir erfahren anschließend, dass Historiker die Völkerwanderung als eine Erscheinung sehen, „die sich über nahezu ein Jahrtausend erstreckte". Dass mit dem Begriff „Völkerwanderung" verschiedene Phänomene zusammengefasst werden, wird nicht gesagt. Auf Seite 95 werden „die Anfänge des Christentums in Österreich" behandelt und die Passio Floriani sowie die Grabinschrift für die Christin Ursa in Wels angeführt. Als zweifelhafte Bebilderung dienen der Widderträger aus Virunum und die so genannten Katakomben in Salzburg. Das Schulbuch „Durch die Vergangenheit zur Gegenwart 5" für Fünfzehnjährige aus dem Jahr 2000 (vor dem Lehrplan 2004!) ist interessant, weil darin „Die Weltreligionen" (12 Seiten) sowie „Spätantike und Frühes Mittelalter" zu den fünf Hauptkapiteln gehören.18 Dem Christentum von den Anfängen bis zu Kaiser Theodosius I. (379-395) werden immerhin sechs Seiten gewidmet (Seite 96-101). Das Christentum in der Austria Romana füllt eine weitere Seite (85), auf der Märtyrer Flori-anus und der heilige Severinus vorgestellt werden. Zum Kirchenbau wird eine Ballonaufnahme der frühchristlichen Bischofskirche von Teurnia und Luftaufnahme mit der frühchristlichen Kirche auf dem Kirchbichl von Lavant beigefügt. Lavant liegt in Osttirol wird aber in der Bildbeschriftung fälschlich nach Kärnten verlegt.19 Der Kirchbichl von Lavant wird in längst überholter Weise als „Fluchtburg des Bischofs von Aguntum" bezeichnet. Das Ende der Antike wird auf zwei Seiten (108-109) in die Kapitel „Ein Kampf um Rom" und Migratio gentium - Die „Völkerwanderung" aufgeteilt. Die knappen Texte behandeln u. a. Alarich, Attila, Aetius (fälschlich Ätius), den Westgotenkönig Theoderich20, die Vandalen, Odoaker, Romulus Augustulus und den Ostgotenkönig Theoderich mit der Hauptstadt Ravenna und der Palastkirche Sant'Apolinare21 (mit zwei Abbildungen). Die Völkerwanderungskarte mit den bunten Pfeilen wird beigefügt. Danach wird der Text noch knapper: Die Langobarden folgen den Goten in Ober- und Mittelitalien und die fränkischen Könige treten das Erbe des römischen Gallien an. Seite 109 wird hinzugefügt: „Nach der traditionellen europäischen Geschichtsauffassung begann das Mittelalter. Das Weströmische Reich erlebte seine Fortsetzung im Reich Karls des Großen." Einige Seiten später (114-115) wird unter dem Titel „Europas neue Herren" die Entstehung des Frankenreiches behandelt. GESCHICHTSBILD Die Betrachtungen der Schulbücher zeigen, dass wenig Platz für die Spätantike, Völkerwanderung und frühes Christentum bleibt. Eine deutliche Veränderung ist anscheinend mit dem Lehrplan 2004 gegeben. In manchen Büchern wird mit Bildern auf Ausgrabungen dieser Zeit und auf die bis zum Dach aufrecht stehenden Kirchen Ravennas hingewiesen. Das eine oder andere Mosaikbild aus der Metropole wird dem Text beigegeben. Überraschend sind doch die vielen Fehler auf wenigen Seiten. Wie sich in den Büchern zeigt, ist stets Kürze gefordert. Wenn die kurze Legende falsch ist, wird ein falsche Assoziation erweckt: „Die Fluchtburg des Bischofs" gibt dem Schüler ein völlig anderes Bild als die Bezeichnung „Höhensiedlung der Völkerwanderungszeit". Wichtig wäre in allen Darstellungen festzuhalten, dass die Völkerwanderungszeit verschiedene Phänomene umfasst. In keinem der Bücher wird je erwähnt, dass Rom eine Ansiedlungspolitik, aber auch eine Umsiedlungspolitik (z. B. Burgunder) 18 Pokorny, Lemberger, Lobner 2000. 19 In Kärnten fließt die Lavant (Lavanttal), während die Ortschaft Lavant in Osttirol liegt. 20 Fälschlich wird von H. Pokorny, Lemberger, Lobner 2000 der Westgotenkönig Theo de rich mit Dietrich von Bern im Nibelungenlied gleichgesetzt. Nur weil hunnische Hilfstruppen im römischen Heer dienten, das im Jahr 436 die Burgunder von Worms vernichtend schlug, entstand in der Nibelungensage fälschlich die Verknüpfung mit dem Hunnenkönig Etzel (= Attila). Trotz der zahlreichen Differenzen in den Sagen ist mit Dietrich von Bern der Ostgotenkönig Theoderich gemeint. Bern ist der deutsche Name für Verona. Die Zeichnung einer frühmittelalterlichen Handschrift bezeichnet in einer Stadtdarstellung einen Palast des Theoderich. Raben ist der deutsche Name für Ravenna, s. Anm. 15. 21 In der Bildunterschrift fälschlich San Apollinare statt Sant'Apollinare. betrieben hat.22 Durch die Ansiedlung von Stämmen und Völkern auf römischem Reichsgebiet und die Ausbildung germanischer Geiseln (z. B. Theoderich) am Kaiserhof lernten jene einen Flächenstaat mit seiner Verwaltung neben ihren Stammesstrukturen kennen. Diese Tatsache hatte eine wesentliche Bedeutung für die europäische Entwicklung. Am Beispiel des römisch gebildeten Ostgotenkönigs Theoderich und des Hunnenkönigs Attila ließe sich der Unterschied darstellen. Auch die Zahlen von 100.000 Goten, die vom Schwarzmeergebiet, oder von 150.000 Langobarden, aus Pannonien aufbrachen, lassen sich mit Völkerbewegungen wie in der Zeit des Zweiten Weltkrieges und danach sowie mit jenen heutigen im Nahen Osten vergleichen. „Der Fremde konnte von den Römern mit verschiedenen Begriffen bezeichnet werden, so war keiner so pejorativ aufgeladen wie barbarus, und seine Verwendung gewann in den Konflikten des 3. und 4. Jahrhunderts n. Chr. an Schärfe."23 Dem abwertenden Begriff „Barbaren" ließen sich zahlreiche pejorative Völkerbezeichnungen der Gegenwart gegenüber stellen. Es ist für uns erstaunlich, dass Eugippius, ein hochgebildeter Römer und Autor der Vita S. Severini die Goten nicht beim Namen nennt, sondern sie nur als Barbaren bezeichnet. Mit dem Begriff „Barbaren" wird der römische Blickwinkel übernommen und damit werden auch zahlreiche Klischeevorstellungen verbunden. Der Titel der großen Ausstellung „Rom und die Barbaren" in Bonn und Venedig 2008 weckt natürlich die Assoziation kultureller Minderwertigkeit von Fremdvölkern,24 wenngleich im Katalog der die negative Konnotation des Barbaren-Begriffs kritisch behandelt wird. Im Handeln gotischer Könige lässt sich das Ziel des religiösen Pluralismus erkennen.25 Den Juden von Genua erklärte Theoderich:26 „Wir können keine Religion befehlen, denn niemand ist durch Zwang zum Glauben zu bringen." In einer anderen Verfügung sagt der Gotenkönig:27 „Auch solchen, die im Glauben irren, muss der 22 Moderan 2008, 146-149. 23 Chauvot 2008, 105, zitiert Dniaye 2005, 119-135. Dubuisson 2001, 9-10. 24 Diese Auffassung findet sich auch in der Inschrift des Siegesdenkmals aus der Zeit Mussolinis in Bozen: „Hier sind die Grenzen des Vaterlands. Von hier aus haben wir die anderen Sprache, Gesetze und Künste gelehrt." 25 Sotinel 2008, 235; Glaser 2008, 239; Deichmann 1974-1989, Bd. II und III. 219 ff. 26 Cassiodor, Variae 2, 27, 2. 27 Cassiodor, Variae 5, 37, 1. Staat Schutz gewähren." Mit dieser Aussage greift Theoderich ein altes römisches Herrscherideal auf. Die tolerante Haltung in religiösen Fragen wird auch beim Ostgotenkönig Theodahad deutlich, wenn er dem Kaiser Justinianus I. im Jahr 535 schreibt:28 „Wenn Gott die Existenz verschiedener Religionen zulässt, wagen wir es nicht, eine einzige vorzuschreiben." Im gleichen Jahr, kurz vor dem Ausbruch des byzantinisch-ostgotischen Krieges versichert der Senat von Rom in einem Schreiben an den oströmischen Kaiser Justinianus I., dass dieser selbst nicht mehr für Italien tun könne, weil die katholische Religion (trotz der arianischen Könige) blühe.29 Diese Überlieferungen sind deshalb interessant, weil umgekehrt byzantinische Kaiser Justinus I. im Jahre 524 alle nichtkatholischen Gottesdienste verboten hatte. Da Europa seither schon viele Religionskriege erlebte und sich derzeit mit religiöser Intoleranz auseinandersetzt, wäre die Frage religiöser Toleranz während der Völkerwanderungszeit ein interessantes Thema, für welches ein Rugierkönig oder ein Burgunderkönig ebenfalls herangezogen werden können.30 MUSEUM UND VÖLKERWANDERUNGSZEIT Klischees machen auch nicht vor Museen und Ausstellungen halt. Im Rahmen der großen Ausstellung „Rom und die Barbaren" in Bonn 2008 wurde z. B. der Thron des Hunnenkönigs Attila in Form einer Installation mit sprechendem Bildschirm gezeigt. Der Ich-Erzähler auf dem Bildschirm stellte Attila dar. Der Thron war aus schief geschnittenen Brettern („Kistenbrettern") gezimmert und daher auch etwas schief zusammengenagelt. Nur so kann man sich einen Barbarenthron vorstellen? Wir können davon ausgehen, dass Attila, der sich mit römischen Beratern und solchen aus verschiedenen Völkern umgab, einen Thron besaß, der dem des römischen Kaisers nicht nachstand. Man muss sich nur vorstellen, dass die Väter der späteren Machthaber Theoderich, Odoaker und Romulus Augustus einander am Hof des König Attila kennen und hassen lernten. Das großartige Museum in Brescia mit 13.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche integriert u. a. auch Ausgrabungen. Zur „Le domus di S. Giulia" erfahren wir aus der Beschriftung für einen Mosa- 28 Cassiodor, Variae 10, 26, 4. 29 Cassiodor, Variae 9, 13, 3. 30 Glaser 1997, 71. ikboden, dass die Häuser im 4./5. Jh. teils verlasen waren. Die Goten haben nach ihrer Ankunft in Italien auf diesem Areal schließlich ihre Häuser aus ärmlichem und vergänglichem Material errichtet. Die hölzernen Hütten haben Pfostenlöcher in den Mosaiken hinterlassen. Dieser Behauptung zufolge wäre die Holzhütte innerhalb der heute noch einen Meter hohen Steinmauern des römischen Hauses gestanden. Ein weiteres unlogisches Klischeebild, das kritiklos dem Besucher zugemutet wird! Liest man hingegen den archäologischen Führer zu Ausstellung, wird die Ausgrabung vollkommen korrekt beschrieben.31 Eine weitere wichtige Informationsquelle ist heute die große Zahl der „History-Filme". Wenn man Filme über die Völkerwanderungszeit sieht, dann ziehen die „Barbaren" meist über grüne Wiesen samt ihren Wagen, als hätte es keine römischen Straßen gegeben, die sie benützten. Dieses Klischee, das an die Siedlertrecks im „Wilden Westen" gemahnt, lässt sich selbst in qualitätvollen filmischen Dokumentationen beobachten. Da aufgrund des geringen bis falschen Informationsgehalts der Schulbücher, Schülern und damit auch Erwachsenen wesentliche Informationen zur Völkerwanderungszeit fehlen, kommt dem Museum eine besondere Aufgabe der Vermittlung zu, wenn man sich der Auffassung „Museum schafft Wissen" anschließt. Der nächste Schritt wird formuliert: „Wissen schafft Kultur." Unter diesem Titel veranstalteten die Alpen-Adria-Universität Klagenfurt, der Universitätsclub, der Wissenschaftsverein Kärnten und Lakeside Science and Technology Park eine Vorlesungsreihe im Wintersemester 2012/13. Versucht man die Römerzeit und die Völkerwanderungszeit im Museum darzustellen, dann ergibt sich ein Ungleichgewicht. Für die Römerzeit lassen sich neben der Alltagskultur anhand von attraktiven Materialien wie Reliefs, Skulpturen, Wandmalerei und Mosaiken Themen darstellen, die bei Bedarf auch in andere Epochen weitergeführt werden können. Schwieriger ist dies für die Darstellung der Völkerwanderungszeit, da im alpinen Raum in erster Linie nur Grabfunde, Skelette und Gefäßkeramik zur Verfügung stehen. Inschriften des 5. und 6. Jahrhunderts sind so selten, dass man sie im Ostalpenraum an einer Hand abzählen kann. Der Reliefdekor beschränkt sich auf frühchristliche Schrankenplatten, von denen vielfach nur Bruchstücke gefunden werden. Die spätantiken Bauwerke, fast ausschließlich frühchristliche Kirchen, sind nur in konserviertem Zustand oder im Schutzbau vor Ort zu besuchen. NEUE MUSEUMSKONZEPTE Kann das Museum das unvollständige Geschichtsbild ergänzen oder Klischees verändern? Der Österreichische Museumstag 2010 widmete sich dem Thema „Museum schafft Wissen".32 In diesem Sinne bietet die Museumsakademie Joan-neum immer wieder Veranstaltungen an. In der Ankündigung zum Workshop „Hineinlesen. Das Museum als Wissensraum" im Jahr 2011 erfahren wir: „Das Museum ist ein Speicher und Generator von Wissen. Es ist Schauplatz der Wissenschaft, Ort von Identitäts- und Orientierungswissen, von Sach- und praktisch instrumentellem Wissen."33 In Gegensatz dazu versucht das dort angesiedelte Archäologiemuseum zu vermitteln, „wie begrenzt und bruchstückhaft unser Wissen über die Vergangenheit ist - was manche Fragen offen lässt."34 Da in der Steiermark die Völkerwanderungszeit archäologisch nur wenig repräsentiert ist, sei das neue Konzept im Universalmuseum am Beispiel der Römerzeit diskutiert. Das Lapidarium zeigt neben Weihealtären Architekturteile mit Porträts und Inschriften von Grabdenkmälern aus der Steiermark und dem heutigen Slowenien. Sie werden aber weder durch Begleittexte noch zeichnerische Rekonstruktionen ergänzt. Gerade in Šempeter bei Celje (in der Untersteiermark / Štajerska) wurde der bedeutendste Bestand an römischer Grabarchitektur im ostalpinen Raum bekannt, der uns wichtige Aufschlüsse für die Zuordnung von Reliefs und Inschriften an den Bauwerken brachte. Mehrere Typen der fünf bis acht Meter hohen Monumente konnten in Šempeter rekonstruiert werden. Ein Foto der rekonstruierten Marmorgrabbauten würde dem Besucher mit einem Blick eine Grundlage für dessen Verständnis geben.35 Gianfranceschi, Lucchesi Ragni 2004, 94-111. 32 Anlässlich der Podiumsdiskussion beim Österreichischen Museumstag 2010 hat HR Dr. Wolfgang Muchitsch, Direktor des Universalmuseums Joanneum den Autor zu einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Archäologiemuseum aufgefordert, was dieser auch versprach. 33 Workshop der Museumsakademie: „Hineinlesen. Das Museum als Wissensraum" 29.-30 Juni 2011. 34 Porod 2010, 7. 35 In einer Interventionsausstellung 2014 wurden DIN A4 Tafeln zum Thema „Gewalt" angebracht. Auf einer Tafel war schließlich eine Grabädikula auf hohem Sockel zeichnerisch dargestellt: Hudeczek 2004, 83. 31 Die Objektbeschriftungen werden sehr knapp gefasst: „32. Grabporträtmedaillon für ein Ehepaar. FO: Seggauberg". Bei fast gleicher Kürze würde „Grabporträts einer Keltin und eines Römers" dem Beschauer eine weitergehende Information geben und zum genauen Beobachten anregen. Die folgende Objektbeschriftung lässt erkennen, dass eine Zeichnung des Grabbautypus zum Verständnis wichtig wäre: „96. Grabbaufrontplatte von einer Aedicula für einen Duumvir, mit Darstellung des Amtsstuhles und der Amtsdiener. FO: Seggauberg." Nicht jeder Laie weiß, was er sich ohne Zeichnung unter einer Grabbaufrontplatte und einer Aedicula vorstellen soll. Da keine erklärenden Tafeln vorhanden sind, würde statt dem Begriff „Duumvir" dem Besucher eine Übersetzung mit „Bürgermeister" helfen. Im angebotenen, sehr guten Katalog findet man unter der Nr. 96 auch die Bezeichnung „Duumvir", die ohne Querverweis im Glossarium am Schluss des Buches zu finden ist.36 Im Katalog erfahren wir die Zeitstellung, um die sich die Archäologie seit hundert Jahren bemüht. Wenn das Museum einen Schnittpunkt zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit darstellt, dann sollte auch hier ganz deutlich betont werden, dass sich Wissen in einem prozesshaften Vorgang wandelt und erweitert. Alles zu wissen, wäre das Ende aller Wissenschaft. Nur das Ziel, Fragen zu klären, bringen die Forschung weiter. Gerade am Beispiel der Archäologie kann man das gut zeigen. Abgesehen von Rettungsgrabungen hat jeder Ausgrabung eine konkrete Fragestellung zugrunde zu liegen.37 Gleichgültig, ob die gestellte Frage durch das Ausgrabungsergebnis positiv oder negativ beantwortet wird, handelt es sich um eine historische Erkenntnis. Wichtig ist zu sagen, dass der Archäologe nicht Dinge ausgräbt, sondern Menschen.38 Es geht nicht vordergründig um die Objekte, sondern um den Menschen mit allen seinen kulturellen Äußerungen. Genau das wird aber nicht vermittelt, wie schon Christine Braunersreuther treffend bemerkt hat:39 36 Hudeczek 2004, 117. 37 Collingwood 1955, 120 f.: „Ich möchte aber darauf hinweisen, dass ich meinen archäologischen Freunden gut zehn oder zwanzig Jahre gepredigt habe, weder eine Fünftausend-Pfund-Ausgrabung noch eine Fünf-SchillingGrabung zu unternehmen, so lange sie nicht sicher wären, dass sie auf die Frage „Wozu machen Sie sich diese Arbeit?" eine befriedigende Antwort geben könnten." 38 Wheeler 1960, 7: „Wenn sich ein roter Faden [durch unser Bemühen] zieht, so das Beharren darauf, dass er Archäologe nicht Dinge ausgräbt, sondern Menschen." 39 Braunersreuther 2011, 56-65. „Denn, wie erwähnt, im Mittelpunkt stehen die Objekte, die sortiert nach sechs zentralen Fragestellungen, die als Bereichsüberschriften auf Seitenwände des 651 m^ großen, offenen Raumes projiziert sind:" Ist mein Wesen abbildbar? Brauchen wir Götter? Hat Kult mehr mit Liebe zu tun oder mit dem Tod? Dürfen wir töten? Tragen wir Schmuck, um begehrt zu werden? Seit wann essen wir nicht aus Hunger, sondern aus Genuss? Ch. Braunsteiner meint, dass die Konzeption des Museums nicht gelungen wäre, könnte man konkrete Antworten auf die sehr tiefgründigen Fragen dort finden. Um diese Fragen zwar zu stellen, aber nicht zu beantworten, hätte es nicht hundert Jahre archäologischer Forschung bedurft. Greifen wir die Frage „Darf ich töten?" heraus. Es ist die provokante und scheinbar originelle Umkehrung des „Du sollst nicht töten" im Dekalog. Grundsätzliche Fragen des menschlichen Zusammenlebens wurden bereits vor Tausenden von Jahren behandelt, die dem Besucher nicht unbedingt neu vor Augen geführt werden müssen. Bei den Griechen wurden Werte des menschlichen Zusammenlebens durch die Mythologie vermittelt. Die Frage, ob ein Mörder überhaupt entsühnt werden kann, wird im Orestes-Mythos beantwortet. Wie kann Ödipus sich von seiner Schuld des Mordes lösen? Auch den Kriegsverbrecher Aias ereilt das Schicksal. Im Alten Testament wie auch in der griechische Mythologie wird das Menschenopfer für die Gottheit abgelehnt: Es handelt sich daher im ersten Fall um den Bereich von der geplanten Opferung Isaaks und im zweiten Fall um die Erzählung von der Opferung der Iphigenie in Aulis. Das rastlose Töten der Tiere wird im Orion-Mythos thematisiert. „Wenn einer im Kampf einen Helm trug, hieß noch nicht unbedingt, dass er einen Hieb mit einer scharfen Waffe auch überlebte. Die Chancen dafür stiegen allerdings. Jedenfalls war der Helmkrieger ein Edelkrieger, der nicht von jedem dahergelaufenen Steinschleuderer eines über die Rübe bekommen konnte. Acht von 25 „Negauer Helmen" sind in Graz noch vorhanden." Neben der Vitrine gibt es eine Hörstation mit einem ORF-Bericht (ca. 20-30 Sekunden) des Journalisten Friedrich Ortner während des letzten Balkankrieges.40 Nach einer Einleitung zum Kriegsgeschehen schildert er, was er in einem verlassenen Gefechtsstand einer serbischen Einheit 40 Im September 2009 wurde eine Sequenz aus einer Reportage aus dem Balkankrieg wiedergegeben. Braunersreuther 2010, 60: Afghanistan-Krieg. Abb. 2: Archäologiemuseum am Universalmuseum Joanneum. Silberbecher aus Groß St. Florian. Sl. 2: Arheološka zbirka Univerzalnega muzeja Joanej iz Gradca. Srebrna čaša iz Sv. Florijana ob Laznici. beobachtet. Dagegen wird aber nicht gesagt, warum die Helme „Negauer Helme" heißen. Dies erfährt der Besucher nur in einem sehr schönen Katalog mit informativen Texten.41 Wenn das Museum ein Speicher oder ein Generator von Wissen sein ist, sollte dann nicht der Besucher auch die grundlegenden Informationen vor Ort bekommen? In gekürzter Form wäre der Text für die Vitrine geeignet und geht über die allgemeinen Bemerkungen der zitierten Beschriftung hinaus. Die große Herausforderung an den Ausstellungsplaner ist nicht allein die ästhetische Präsentation der Objekte, sondern die angemessene Verbindung von Präsentation und allgemein verständlicher Information. Die fast beschriftungsfreie Museumsgestaltung hatte man nach den Siebzigerjahren überwunden geglaubt. Man hat errechnet, dass der Durchschnittsbesucher in einem Museum ca. 1,5 Sekunden vor einem Objekt verweilt. Für das Archäologiemuseum mit 1.200 Objekten ergäbe sich eine Verweildauer von 30 Minuten.42 Der Umkehrschluss, deshalb die Beschriftung verkürzen zu müssen, ist ein Irrtum. Nur wenn der Beschauer dazu etwas erfährt, wird er länger verweilen, denn: „Man sieht nur, was man weiß."43 Ein interessantes Interventionsprojekt im Archäologiemuseum war vom 16. Mai 2014 bis 31. Oktober 2014 zu besichtigen. Unter dem Titel „Knochen-Code. Körper erzählen vom Krieg" wurde auf das Thema „Gewalt" hingewiesen und Beschriftungen im A4-Format neben den entsprechenden Objekten angebracht.44 In diesen Texten wurden für die eine Saison jene Informationen gegeben, die sonst mancher Besucher bei den Objekten wünscht (Abb. 2, 3).45 Der Einsatz enormer öffentlicher Mittel für Forschung und museale Präsentation verpflichtet Wissenschaft und Museen gleichermaßen zu einer tauglichen Erzählung von der Vergangenheit, in der die Besucher von Heute ihr Spiegelbild als 41 Peitler et al. 2011, 80 f. Kat. 32. 42 Karl, Modl, Porod 2009. 43 J. W. Goethe, Brief an Friedrich von Müller, 24. April 1819: „Man sieht nur, was man weiß. Eigentlich: Man erblickt nur, was man schon weiß und versteht." 44 Text anlässlich der Ausstellung: M. Mele (Kurator), Knochen-Code. Körper erzählen vom Krieg. 16. 05.-31. 10. 2014. 45 Herrn Dr. Marko Mele danke ich für seine Unterstützung während der Winterschließzeit des Museums. Herrn Direktor HR Dr. Wolfgang Muchitsch danke ich für die Genehmigung zur Publikation der Fotos. Abb. 3: Archäologiemuseum am Universalmuseum Joanneum. Römersteinsammlung, Detail. Sl. 3: Arheološka zbirka Univerzalnega muzeja Joanej iz Gradca. Rimski lapidarij, detajl. Menschen erkennen und daraus Identität ableiten können. Gerade archäologische Sammlungen haben dabei den unschätzbaren Vorteil, anhand authentischer Hinterlassenschaften die dahinter stehenden Menschen angreifbar zu machen und daraus die Spannung zwischen Vergangenheit und Gegenwart zu erzeugen.46 Die Reduktion auf Halbwahrheiten und Schlagwörter macht jedoch den immer wieder geäußerten Anspruch, dass „aus der Vergangenheit Lehren für die Gegenwart ziehen wären, zur Farce. zu Pollak 2010, 89-92. ACHS, O., M. SCHEUCH, E. TESAR 2003, Gestern, heute, morgen. Aus Geschichte lernen (Schulbuch-Nr. 110257). - Wien. BRAUNERSREUTHER, CH. 2011, Das Archäologiemuseum am Universalmuseum Joanneum Graz. 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"Človek vidi samo to, kar ve".1 Obdobje preseljevanja ljudstev v učbenikih in muzejih Povzetek V zadnjih štirih desetletjih so raziskovalci iz Nemčije, Slovenije, Avstrije in Italije vložili veliko truda v osvetljevanje obdobja preseljevanja ljudstev, pozne antike in zgodnjega krščanstva (pribl. 400-600). Ob pomoči arheologije se je spremenila podoba zatona rimskega cesarstva, kot so jo slikali rimski avtorji. Raziskavam sledi muzeološka obravnava izkopavanj s konservacijo zidov in gradnjo zaščitnih stavb. Za ohranitev izkopanin je potrebno osemkrat več denarja kot za izkopavanja. Ostaline na prostem povzročajo visoke stroške vzdrževanja, trpi pa tudi izvorna substanca prezentiranih zidov. V popolnem nasprotju s prizadevanji znanosti in spomeniške službe je predstava o preseljevanju ljudstev v avstrijskih šolskih učbenikih. Nova spoznanja kljub vsemu trudu znanosti in muzejske pedagogike za predstavitev javnosti komaj pridejo v pouk in učbenike. Tam ponujeno zgodovinsko znanje zaradi vsebinsko zastarelih učnih pripomočkov v domoznanstvu in pri pouku zgodovine včasih od 40 do 50 let zaostaja za raziskavami. 1 J. W. Goethe, pismo Friedrichu von Müllerju, 24. aprila 1819: "Človek vidi samo to, kar ve. Pravzaprav človek uzre samo to, kar že pozna in razume." Preseljevanje je v učbenikih le redko razloženo kot krovni pojem za različne fenomene. V nobeni od zgodovinskih knjig ni omenjeno, da so Rimljani uveljavili politiko naseljevanja in tujim plemenom na ozemlju imperija dodelili prostor za naselitev, včasih pa so jih tudi preselili (npr. Burgunde). Z naselitvijo plemen in ljudstev na ozemlje rimske države in z izobrazbo germanskih talcev (npr. Teoderik) na cesarskem dvoru so ta poleg svojih plemenskih struktur spoznala tudi upravljanje velike države. To je postalo eden pomembnih temeljev razvoja Evrope. V učni snovi leta 2004 so se očitno pojavile spremembe in nadaljnje krčenje. V številnih knjigah so s slikami prikazali izkopavanja najdišč tega obdobja in še do streh ohranjene cerkve v Raveni. Besedilom so dodane slike mozaikov iz prestolnice, presenečajo pa številne napake na le nekaj straneh. Iz knjige je mogoče sklepati, da morajo biti besedila kratka. Če pa je kratka legenda še polna napak, se pojavijo napačne asociacije: "zatočišče škofa" daje šolarju povsem drugačno predstavo kot "višinsko naselje iz obdobja preseljevanja ljudstev". Tudi zgodnjemu krščanstvu je namenjenega le malo prostora, čeprav je bilo prav krščanstvo -neodvisno od verske opredeljenosti - pomemben temelj evropske kulture. V enem od učbenikov je obravnavana približno desetletna oblast hunskega kralja, več kot petdesetletna oblast Vzhodnih Gotov v preostanku zahodnorimskega imperija pa sploh ni omenjena. Je k takemu neravnotežju pripomoglo srednjeveško zgodovinopisje ali film "Atila, bič božji"? "Tujce so Rimljani označevali z različnimi izrazi, nobeden pa ni bil tako slabšalen, kot je barbarus. Uporaba tega je v konfliktih 3. in 4. st. pridobivala ostrino" (Chauvot). Z zaničevalnim izrazom "barbari" lahko primerjamo številne današnje pejorativne oznake ljudstev. Z izrazom "barbari" - uporabljal ga je tudi B. Mussolini - je bil nekritično prevzet rimski zorni kot, s čimer so povezane številne klišejske predstave. Naslov velike razstave "Rim in barbari" v Bonnu in Benetkah leta 2008 vzbuja asociacijo kulturne manjvrednosti tujih ljudstev, čeprav je v katalogu negativna konotacija izraza "barbari" kritično obravnavana. V ravnanju gotskih kraljev je mogoče prepoznati cilj verskega pluralizma. To je zanimivo zaradi tega, ker je, nasprotno, na Vzhodu bizantinski cesar Justin I. leta 524 prepovedal vse nekatoliške verske obrede. Ker je Evropa doživela že veliko verskih vojn in se tudi zdaj spopada z versko nestrpnostjo, bi bilo vprašanje verske tolerance med preseljevanjem ljudstev interdisciplinarno zanimiva tema šolskega pouka. Zaradi pomanjkljive ali napačne vsebine učbenikov učencem in s tem odraslim manjkajo pomembne informacije o obdobju preseljevanja. Če se pridružimo mnenju, da "muzej ustvarja znanje", gre tako muzejem posebna naloga pri predstavljanju in posredovanju tega obdobja, šele potem lahko naredimo naslednji korak: "znanje ustvarja kulturo". Muzej pomeni presečno točko med znanostjo in javnostjo. Prevod: Tina Milavec Franz Glaser Landesmuseum fiir Karnten Museumgasse 2 A-9021 Klagenfurt franz.glaser@landesmuseum.ktn.gv.at