Rüdiger Schmitt CDU 801.52 : 809.198.1-554.3 Saarbrücken ARMENISCHE GRAMMATIKER-DUALE Der erste Versuch zu einem systematischen Lehrbuch der Grammatik ist im Abendland, wohl im 2. Jahrhundert v.Chr., von Aristarchs Schüler Dionysios, der gewöhnlich "der Thraker" genannt wird, unternommen worden. Dessen als T£/vr| Ypa|i|i(mMfj /Ars grammatica bezeichnete Schrift1, die als einziges der hellenistisch-alexandrinischen Werke philologischer Natur auf uns gekommen ist, hat nicht nur im griechischen Kulturkreis und im gesamten Abendland die Grammatiktradition und den Grammatikunterricht auf zwei Jahrtausende hin beeinflußt, sondern ebenso auch im christlich geprägten Orient bei Syrern und, mehr noch, Armeniern. Ein unbekannter Anonymus, der der sogenannten "Hellenisierenden Schule" (armen. Yownaban dproc) des 6. Jahrhunderts zuzurechnen ist2, hat das kleine Buch des Dionysios - auf Armenisch heißt er Dionisios Trakac'i - in jener Zeit ins Armenische übersetzt3 und so seinen Siegeszag im mittelalterlichen Armenien erst ermöglicht. Eine ganze Reihe armenischer Gelehrter haben sich im Laufe der Zeit dann in Kommentaren und ähnlichen Schriften mit dieser "Grammatik" auseinandergesetzt, die die Grammatik schlechthin gewesen ist; ich nenne hier nur, zumal da manche älteren Schriften nicht erhalten geblieben sind, die Namen von Gregor Magistros (Grigor Pahlawowni Magistros, 985-1058), Johannes von Erzinka (Yovhannes Erznkac'i, 1230-1293), Johannes von Tsortsor (Yovhannes Corcorec'i, 1283-1340), Isaias von Nitsch (Esayi Nc ec'i, 1284-1338) und Arak'el von Siwnik' (Arak'el Siwnec'i, 13501422). Die meisten dieser Kommentare sind erst in jüngster Zeit von Levon Georgi Xac erean zum ersten Mal in kritischen Editionen veröffentlicht und damit der Forschung zugänglich gemacht worden4, so daß sich ein tieferer Einblick in die Ge- 1 Die maßgebende Ausgabe ist nach wie vor die von Gustav Uhlig: Dionysii Thracis Ars Grammatica (Lipsiae 1883) in: Grammatici Graeci I, 1 (Nachdruck Hildesheim 1965); vgl. ferner Giovan Battista Pecorella, Dionisio Trace: Téxvt| YpannottiMfj. Testo critico e commento (Bologna 1962) sowie die Übersetzung von Alan Kemp, "The Tekhnc Grammatikë of Dionysius Thrax. Translated into English", HL 13, 1986, 343-363 (auch in: The History of Linguistics in the Classical Period. Edited by Daniel J. Taylor, Amsterdam/Philadelphia 1987, 169-189). 2 Vgl. aus neuester Zeit v.a. Ch. Mercier, "L'École Hellénistique dans la littérature arménienne", REArm 13, 1978-1979, 59-75. 3 Die armenische Fassung ist am leichtesten zugänglich in der Edition von Nicolas Adontz, Denys de Thrace et les commentateurs arméniens. Traduit du russe (Louvain 1970). 4 Ich verweise auf mehrere einschlägige Kurzanzeigen in Kratylos 28, 1983 [1984], 212f.; 29, 1984 [1985], 173f.; 31, 1986, 192f.; 33, 1988, 179f. 209 schichte der Sprachwissenschaft des mittelalterlichen Armenien eigentlich erst jetzt gewinnen läßt. Ein faszinierender Forschungsgegenstand ist diese armenische Dionysios-Thrax-Rezeption allemal, denn es ist auch für den modernen Sprachwissenschaftler und Sprachwissenschaftshistoriker in höchstem Maße aufschlußreich zu beobachten, wie der anonyme Übersetzer das Grammatiksystem des Dionysios verstanden und wie er die Fakten seiner armenischen Muttersprache damit in Übereinstimmung gebracht hat, wie er die griechische grammatische Terminologie durch Neuprägungen, v.a. lexikalische oder syntaktische calques in das Armenische umgesetzt hat und wie er die Demonstrationsbeispiele des Dionysios einmal genau übernommen, in anderen Fällen für das Armenische abgewandelt, oft aber auch einfach übersetzt hat, etwa dort, wo er sie nicht richtig verstanden hat oder wo eine Adaptation an das Armenische nicht möglich war5. Die Arbeitsweise dieses mit dem Griechischen gut vertrauten unbekannten Übersetzers, der übrigens auch den griechischen Terminus für "Akkusativ", tctcügk; odxiaxiKri, anders als sein römischer Grammatikerkollege mit seinem schon fast sprichwörtlich gewordenen "misnomer" casus accusativus einigermaßen richtig als holov hayc'akan wiedergibt, hat jüngst Romano Sgarbi in zwei grandsoliden und wichtigen Arbeiten eingehend untersucht, die in den "Memorie" des Istituto Lombardo erschienen sind und weit über die frühere Studie von Adalbert Merx, "De artis Dionysianae interpretatione Armeniaca" (bei Uhlig, a.a.O., LVII-LXXIII), hinausfuhren: Tecnica dei calchi nella versione armena della Ypa|i|iaTtKf| T£/vr] attribuita a Dionisio Trace (MIL 39,4; Milano 1990); Studio contrastivo sull'adattamento struttu-rale armeno della "techne" dionisiana (MEL 39,7; Milano 1991). Es versteht sich von selbst, daß es bei dieser Rezeption von Dionysios' Schrift nicht mit einer bloßen Übersetzung ins Armenische getan war, sondern daß es um eine eigenständige Adaptation an das Armenische gehen mußte, allein schon deshalb, um den Divergenzen in Bestand und Umfang der grammatischen Kategorien gerecht zu werden. Ein Punkt, bei dem der unbekannte armenische Philologe notwendigerweise in gewisse Schwierigkeiten kommen mußte, ist die paradigmatische Kategorie "Dual" unter den Numeri, da das Armenische eine solche Kategorie nicht kennt und auch nur wenige formale Reste von Dualbildungen ererbt hat, die bis auf erkow "zwei" < idg. *duo gewöhnlich auch noch zu Pluralformen umgebildet sind. Aus diesen Schwierigkeiten hat sich der Dionysios-Thrax-Übersetzer dadurch befreit, daß er in recht gewaltsamer Weise einfach künstliche Dualformen ad hoc geschaffen hat. Dieses Vorgehen ist aber nicht besonders auffällig, sondern überhaupt charakteristisch für Angehörige jener "Hellenisierenden Schule", die etwa auch bei den Demonstrativpronomina, obwohl dem Armenischen doch eigentlich eine Genusunterscheidung fremd ist, künstliche Femininformen wie se oder ne (offenbar nach griech. f], eweivri usw.) verwendet haben, die der Dionysios-Übersetzer allerdings nicht kennt6. 5 Auf diese Weise wurden z.B. schon in früher Zeit auch ein paar Homerverse ins Armenische übersetzt; darüber werde ich an anderer Stelle einmal handeln. 210 Die Passagen, an denen Dionysios Thrax auf den Begriff SuÍMÓg, der im Armenischen durch erk-akan "doppelt" (Ableitung von erkow "zwei" mittels des Adjektivformans -akan1, das in ganz geläufiger Weise griech. -xhóc, entspricht) oder erkowor-akan (Ableitung von [unbelegtem] *erkowor "zwei enthaltend" mit Suffix *-wor "tragend") wiedergegeben wird, zu sprechen kommt und dafür Belege zitiert, sind folgende: 1. In § 6 riepi oxoixeiOD "Über den Buchstaben" werden drei mögliche Dualendungen aufgeführt (Uhlig 16,3f.): öc, e, cö, oíov 'AxpeíSa, "Ewxope, cpiA,co "-a, -e, -oo wie in 'AipsíSa, 'Ewxope, cpiXco". Da der Armenier den Schlußteil dieses § 6 über die im Auslaut statthaften "Buchstaben" völlig umgestalten mußte, fehlt bei diesem eine entsprechende Passage. 2. In dem sehr umfangreichen § 12 llepí óvó|J.axo<; "Über das Nomen" werden naturgemäß auch die drei Numeri behandelt (Uhlig 30, 5-31, 4): 'Apvd|ioi xpeii;' éviwóq, 5mkó<;, 7cAt|-5'1)vtimó<;' évimóí; |iév ó "0¡iripo<;, 8dím0<; 5é tg> 'Oiirjpco, ttári-dwumoq 5e oí "0|xr|poi. - Eid 5é xiveq évikoí %apamtfíp£<; nal waxá koXX&v XeTójievoi, oíov Sfíinog, %opó<;, o%Xo<;' moa rcA.r|i9wn.Moí nata evimcöv te wal Sdíhcov, évihcúv ¡j£v áx; 'A-dfjvai, Ofißat, Smncóv 8e xo<;, latein. hie)", ayd "der da (Ö5e, latein. iste)" und ayn "der dort (eweivoi;, latein. ille)"16. Diese Pronomina wer- 13 Vgl. Sgarbi, Studio (a.a.O.), 589f. § 8,4. 14 Hierzu vgl. unten. 15 Es heißt mer c'ik' beziehungsweise oc goy mer oder mez. 213 den dann korrekt in den Plural gesetzt, und die einzigen erfundenen Formen sind die des Duals ays-ow, ayd-ow und, die Parallelität sprengend, ayn-ov17. Angesichts dessen, daß das Armenische weder einen vorangestellten Artikel noch eine Genusunterscheidung noch einen Dual kennt, ist dem Übersetzer eine bemerkenswerte Transponierung der Dionysios-Passage mit ihren drei mal drei Beispielformen gelungen. 5. In § 17 riepi ávT(OVD|J,í(X<; "Über das Pronomen" werden an mehreren Stellen Dualformen angeführt, einmal für das (unabgeleitete) Personalpronomen und dann für die Flexion sowie die Stammbildung des Possessivpronomens: a. (Uhlig 66,3-67,2)' Aptö[xoi Ttpcoroxmcov jj.ev évtwcx; éycó ÍM0<; é|_LÓ acó có, 7iÄr|iih)vxiMÖ<; é|ioí coi oí. "Die Numeri der unabgeleiteten (Pronomina) sind Singular éycó [ich], ot» [du], í [er/sie], Dual vcöi [wir beide], ctpcóí [ihr beide], Plural f||i£i<; [wir], í>|j£í<; [ihr], G(pei<; [sie], die der abgeleiteten (Pronomina) Singular é|xó<; [mein], aóq [dein], ö<; [sein], Dual ¿fxcö [meine beiden], acb [deine beiden], {6 [seine/ihre beiden], Plural é|J,oí [meine], goi [deine], oí [seine/ihre]". Die armenische Übersetzung spiegelt einmal mehr und der armenischen Sprachwirklichkeit zum Trotz das griechische Original bis auf die gänzlich fiktiven Beispiele in den beiden Dualreihen getreu wider (Adontz 28, 13-20): T'iwk' naxagalap'arac'n: ezakan es, dow, na, erkoworakan monk', donk\ nonk', yognakan mek', dowk', nok'a; ew acanc'ac'n ezakan im, k'o, nora, erkakan irnen, k'ovra, novra, yognakan imk', k'oyk', norayk'. Bei den dualischen Personalpronomina veranlaßt den Übersetzer sein Drang nach Systematisierung sogar dazu, die nur zwei griechischen Formen vttä und 0(pfi>ü18 durch eine komplette Dreierreihe monk'19, donk', nonk' zu "vervollständigen". Auf die von ihm erfundenen "artificióse e insostenibili forme di 'duale'"20 ist noch zurückzukommen. b. Über die Bildung der Possessivpronomina heißt es (Uhlig 68, 4—69, 3): mpáyovTai 8é ovimq änö |isv éviwcov ai Eva KTfjiopa Sr^oíioai, á><; änö wu éjiox) ó é|ió<;' áTto 8e 8\)imö)v cd 8q änö toü fi|_ietq fipixepo^. "Sie werden folgendermaßen abgeleitet: von den Singularen die (Pronomina), die einen Besitzer bezeichnen, wie von éjioí) [meiner] ó £|ió<; [mein], von den Dualen die, die zwei bezeichnen, wie von väi [wir beide] vcúíxEpoq [unser beider], von den Pluralen die, die viele bezeichnen, wie 16 Vgl. Merx apud Uhlig, a.a.O., LXIXf. (nicht ganz korrekt); Sgarbi, Studio (aa.O.), 602 § 9. 17 Das Schwanken zwischen auslautendem -ow und -ov dürfte am ehesten der Überlieferung zuzuschreiben sein. 18 Zur Problematik der "fehlenden" Form der 3. Person Dual vgl. Uhlig, a.a.O., 66 ad loc. 19 In der unten sub Nr. 5b besprochenen Passage wird griech. vcöi anders wiedergegeben; siehe dort! 20 Vgl. Sgarbi, Studio (a.a.O.), 605 § 10,4. 214 von fijxetg [wir] fl|Jixepoi; [unser]". In der armenischen Wiedergabe dieser Passage, die trotz der elliptischen Ausdrucksweise ganz durchsichtig ist, scheint dagegen, gerade was den Dual angeht - und wie auch aus dem jeweiligen Text der alten armenischen Kommentare erhellt -, einiges in Unordnung geraten zu sein (Adontz 29, 1824): Ew acanc'in ayspes: nezakanen, or mow zstac'awtn yaytnen, orpes nimoy imn, ew nerkakanac erkow, orpisi novk' novr21, ew yognakank' en ork' bazowms, orpisi mek' mer22. Man erwartete entsprechend der nachfolgenden Phrase etwa: ew nerkakanac [en ork] erkow, orpisi novk'novr "und von den Dualen gibt es (die), die zwei (Besitzer bezeichnen), wie von novk' [vcöi] novr [vcoixepo«;]". Jedenfalls folgt der Übersetzer erneut dem Text der griechischen Vorlage, auf dessen Grundlage er die Kunstformen novk' und novr kreiert23, erstere sogar im Widerspruch zu seiner eigenen Theorie wenige Zeilen vorher, wo er doch für vcöi armen, monk' gelehrt hat (vgl. Adontz 28,15). In den als Supplement zur dionysianischen Te%vr| überlieferten Tabellen des vollständigen Verbalparadigmas (des Verbums twix©), den sogenannten canones Theodosiani, hat der armenische Übersetzer gleichfalls ein lückenloses (und mit drei [statt zwei] Dualformen24 sogar über das Griechische hinausgehendes) Konjugationsschema entworfen, das großenteils fiktive Formen enthält25, darunter wirklich monströse Formen, etwa Perfekt- und Plusquamperfektbildungen, die mittels vorangesetzten Augments e- vom Imperfekt beziehungsweise Aorist abgeleitet sind26, Optative, die von dem dazugehörigen Indikativ durch den Einschub von -a- (im Aktiv) oder -w-(im Medio-Passiv) zwischen Stammvokal und Endung charakterisiert sind27 (wie kop'e-d-m usw. von Ind. Präs. kop'e-m usw., kop'i-w-m usw. von Med.-Pass. kop'i-m usw.). Ähnlich schematisiert ist dabei auch die Dualbildung, und zwar auf der Basis des oben sub Nr. 3 dargestellten Prinzips. Die große Masse der in den Tabellen aufgelisteten Dualformen aller drei Personen werden aus den Singularformen dadurch gewonnen, daß der Vokal e durch o (und entsprechend der Diphthong e < *ey durch oy) ersetzt wird. So ergeben sich etwa: 21 Oder, wie Adontz, a.a.O., 29 ad loc. erwägt: orpes i novk' novr. 22 Adontz, a.a.O., 29 ad loc. erwägt mit guten Gründen orpes i mek' mer. 23 Vgl. Sgarbi, Studio (a.a.O.), 607 § 10,7. 24 Ausgenommen hiervon sind nur die Imperative; dort fehlen auch im Armenischen jeweils Formen der 1. Person. 25 Merx apud Uhlig, a.a.O., LXX: "ubicumque graece ö SdImo? commemoratur, Armenius dualem fingit, ita ut in paradigmate verborum Schema coniugationis exhibuerit, quod refertum est formis omnino ficticiis, quibus graeca imitatus est"; vgl. Uhlig, a.a.O., 125, der (adl. 13) zu den Divergenzen zwischen griechischem und armenischem Text bemerkt: "etiam dualem finxit, quo Armenia lingua caret, et tres quidem huius quoque numeri personas. item ubique infra exceptis imperativis, qui apud Armenium quoque binas tantum singulorum numerorum personas habent". 26 Vgl. Merx apud Uhlig, a.a.O., LXX. 27 Vgl. Uhlig, a.a.O., 128 ad DI 30ff. 215 Indikativ Präsens Sing. kop'em, kop'es, kop'e Dual kop'om, lcop'os, kop'oy Plur. kop'emk', kopek', kop'en Imperfekt Sing. kop'ei, kopeir, kop'er Dual lcop'oyi, kop'oyir, kop'oyr Plur. kop'eak', kop'eik', kop'ein Aorist ( < e c 28 Sing. kop'ec'i, kop'ec'er, kop'eac'r Dual kop'oc'i, kop'oc'er, kop'oc'r Futur Sing. kop'ec'ic, kop'esc'es, kop'esc'e Dual kop'oc'ic', kop'osc'es, kop'osc'e Imperativ (nur 2., 3. Person) Sing. kop'ea, kop'esc'e Dual kop'ocP, kop'osc'e Optativ Präsens (vgl. oben) Sing. kop'e am, kop'e 9s, kop'ea Dual kop'odm, kop'oas, kop'oa Wenn es sich auch nicht lohnt, all diese fiktiven Formen im einzelnen durchzusprechen, so sei doch noch auf einzelne Gruppen von "Ausnahmen" hingewiesen. Da die Medio-Passiv-Formen des Präsensstammes von einer Stammbildung auf -/- ausgehen, war eine Neuschaffung der "benötigten" Formen auf der Basis der e/o-Alternation nicht möglich. Im Indikativ trat für -i- vielmehr -ov- ein, im (mittels -w [siehe oben] gebildeten) Optativ und im Imperfekt -ow30: Indikativ Präsens Sing. kop'im, kop'is, kop'i Dual kop'ovm, kop'ovs, kop'ov Optativ Präsens Sing. kop'iwm, kop'iws, kop'iw Dual kop'owm, kop'ows, kop'ow Imperfekt Sing. kop'ii, kop'iir, kop'iwr 28 Die scheinbare Alternation ea/o erklärt sich daraus, daß der Vokal o im Armenischen in betonter wie unbetonter Stellung unverändert bleibt, während unbetontes e regelgemäß mit betontem ea wechselt; vgl. Rüdiger Schmitt, Grammatik des Klassisch-Armenischen mit sprachvergleichenden Erläuterungen (Innsbruck 1981), 38f. 29 Die Alternation ea/oa entspricht nicht den Verhältnissen im Aoristindikativ; vgl. oben Anm. 28. 30 Für diesen Fall ist zu beachten, daß nach ow /u/ regelgemäß ow ausfällt: vgl. Schmitt, a.a.O., 46 § II.2.15 NoteA. 216 Dual kop'owi, kop'owir, kop'owr In den Konjunktivformen wird teilweise -e- durch -ov- vertreten, unabhängig davon, ob -e- im eigentlichen Konjunktivformans oder im Aoriststammformans enthalten ist, so daß sich auch hier letztlich wieder recht unförmige Gebilde ergeben: Konjunktiv Präsens Sing. kop'ic'em, kop'ic'es, kop'ice Dual kop'ic'ovm, kop'ic'ovs, kop'ic'ov Konjunktiv Aorist Sing. kop'ec'ic', kop'esc'es, kop'esc'é Dual kop'ovcic, kop'ovsc'es, kop'ovsc'é Insgesamt zeugt die armenische Dionysios-Thrax-Übersetzung von ganz unterschiedlichen Verfahren bei dem Versuch, eine Adaptation des Textes an die Gegebenheiten der armenischen Sprache zu erreichen. Während der Übersetzer zum Teil -besonders deutlich in § 6 Efep! 0xoi%eíod "Über den Buchstaben" - ohne Rücksicht auf "Originaltreue" an die Stelle der zitierten griechischen Fakten einfach den armenischen Tatbestand setzt und die grammatischen "Regeln" diesem entsprechend verändert oder auch kurzerhand eine ihm unpassend erscheinende Aussage wegläßt (vgl. oben sub Nr. 1), schließt er sich in anderen Fällen oft recht sklavisch an den Wortlaut des griechischen Regelwerkes an, und wenn es gar nicht anders geht, werden dafür armenische Belegbeispiele einfach "erfunden". Diesen Weg hat der unbekannte Armenier überall dort beschritten, wo er eine Aussage über die Bildung von Dualformen machen mußte. Es stellt sich deshalb ganz dringend die Frage, wie es zu diesen zitierten Dualformen, die jeder Untermauerung durch authentisch überlieferte Texte entbehren, überhaupt gekommen ist. Einfach liegen die Dinge bei dem Beispiel für nominalen (jedenfalls o-stämmi-gen) Dual auf -ow, Petrow Adontz 17, lf. (vgl. oben sub Nr. 2): Hier handelt es sich zweifellos um eine Ad-hoc-Bildung nach der einzigen armenischen Dualform, der des Zahlworts erkow "zwei"31. Insofern ist diese Form Petrow, obwohl sie nicht der Sprachwirklichkeit der uns bekannten Überlieferung angehört, in sehr angemessener Weise gebildet32. Die darüber hinaus von Sgarbi geäußerte Vermutung33, daß die aus dem Nichts geschaffene Form durch das griechische (v.a. bei den o-Stämmen auftretende) Dual-moiphem -cd beeinflußt sei, erscheint mir allerdings völlig ausgeschlossen. Sgarbi führt zu ihrer Stütze nämlich die lauthistorisch-etymologische Entsprechung von ar- 31 Vgl. Sgarbi, Studio (a.a.O.), 572 § 7e. 32 Sgarbi, Studio (a.a.O.), 573: "non sia sorto in maniera del tutto inconsulta, sebbene esso non corrisponda all'uso concreto della lingua". 33 Sgarbi, Studio (a.a.O.), 572f. § 7e. 217 men. ow [u] zu /0/ anderer indogermanischer Sprachen (u.a. griech. cd) ins Feld, stellt sich die Dualendung armen, -ow also offenbar als zu griech. (Dual) -00 nach der Proportion etwa von armen, tow-r = griech. 8cö-p-ov "Gabe, Geschenk" geschaffene Bildung vor. Gerade das hierbei für den armenischen Grammatiker vorausgesetzte Interesse an historischer Sprachvergleichung und das gleichermaßen implizierte Wissen um die sprachhistorischen Grundlagen des Armenischen stehen in Widerspruch zu allem, was sonst bekannt ist. Denkbar wäre allein eine ganz auf der synchronischen Ebene bleibende Lautsubstitution für griech. ö), für die es allem Anschein nach tatsächlich Parallelen gibt (vgl. unten), - aber dann durch armen, ov. Die gleiche Endung -ow wie beim Nomen findet sich wieder bei den fiktiven Dualformen der als Pseudo-Artikel eingeführten Demonstrativpronomina ays, ayd, ayn, nämlich ays-ow, ayd-ow, ayn-ov Adontz 27, 15f. (vgl. oben sub Nr. 4). Da die letzte dieser Formen die Parallelität innerhalb der Gesamtreihe stört, liegt es nahe, eine Emendation zu ayn-ow in Erwägung zu ziehen. Jedenfalls erscheint es mir ganz undenkbar (und unökonomisch), die überlieferten Endungen -ow und -ov als ursprungsverschieden zu interpretieren und, wie es etwa Sgarbi34 tut, für die Formen auf -ow an die Analogie zu erkow zu denken, die Form auf -ov dagegen als "meccanica riproduzione" von griech. -co nach den üblichen Substitutionsregeln zu erklären. Die Formengleichheit der hier gelehrten Dualnominative auf -ow mit den bezeugten singularischen Instrumentalformen ays-ow, ayd-ow, ayn-ow, auf die nicht erst Uhlig und Sgarbi35 hinwiesen, die vielmehr schon für Kommentatoren wie Johannes von Erzinka und Johannes von Tsortsor36 als ausreichende Erklärung diente, ist schon deshalb als rein zufällig zu betrachten, weil ein sachlicher Zusammenhang der durch Instrumental Singular beziehungsweise durch Nominativ Dual bezeichneten "Inhalte" nicht besteht. Die von dem armenischen Übersetzer in dem Abschnitt über die Bildung der Possessivpronomina (vgl. oben sub Nr. 5b) zur Wiedergabe des Personal- und Possessivpronomens der 1. Person Dual gewählten Formen nov-k' und nov-r (Adontz 29, 21f.), die sich zueinander verhalten wie me-Jc' und me-r bei der 1. Person Plural, charakterisiert Sgarbi37 nur als "formazioni artificióse e lingüísticamente insostenibili". Hieran kann natürlich kein Zweifel bestehen. Aber es scheint mir ebenso auch auf der Hand zu liegen, daß nov-k' (das gegenüber nov-r primär ist) beziehungsweise die noch nicht durch das Pluralzeichen -k' verdeutlichte Form *nov einfach mit der gewöhnli- 34 Sgarbi, Studio (a.a.O.), 602 § 9. 35 Uhlig, a.a.O., 62 ad ZI. 4; Sgarbi, Studio (a.a.O.), 602f. Anm. 107. 36 Vgl. Yovhannés Erznkac'i. Hawak'owmn meknowt'ean k'erakani. Bearbeitet von L.G. Xac'erean (Los Ancelss 1983), 254, 13-16; Yovhannés Corcorec'i. Hamarawt Tesowt'iwn K'erakani. Bearbeitet von L.G. Xaö'erean (Los Ancelas 1984), 265, 19-22. 37 Sgarbi, Studio (a.a.O.), 607 § 10,7. 218 chen Lautsubstituierung38 von armen, ov für griech. co griech. va> nachbildet, wie die gewöhnliche attische Form lautet, die homer. vcöi gegenübersteht. Wenn bei den Konjunktivformen des Verbalparadigmas (vgl. oben) der Dual zum Teil durch -ov- charakterisiert wird, so mag auch dies durch griech. -CO- nahegelegt sein, - und sei es nur in falscher Analogie zu dem "authentischeren", weil nämlich in der T£%vr|-Übersetzung selbst gelehrten Indikativ Dual auf -o-, also von -ov-m usw. zu -o-m usw., die nebeneinanderstehen wie griech. (1. Person Plural) Indikativ TÖTrc-o-|xev und Konjunktiv xmx-(ö-|J£V. Es erhebt sich dann aber sofort die weitere Frage nach der Grundlage ebendieser Dualformen des Typs ganom (usw.) Adontz 23, 19 (vgl. oben sub Nr. 3). Es handelt sich dabei nicht nur, einmal mehr, um eine grammatisch unmögliche und gänzlich fiktive Bildung39, sondern obendrein um eine Form der 1. Person Dual (wie sich spätestens aus dem tabellarisch zusammengestellten Gesamtparadigma ergibt), die hier der Form der 2./3. Person twcetov des griechischen Originals gegenübergestellt wird40 und insofern nicht deren genaues Pendant darstellt. Wenn Sgarbi (ebenda) meint, daß der Vokal -o- der armenischen Endung "probabilmente intende riprodurre approssimativamente l'analogo timbro vocalico della desinenza greca di autentico duale -xov", so übersieht er zumindest diesen funktionalen Unterschied zwischen den einander nicht parallelen Formen. Jedoch auch der Umstand, daß sich der vorgeschlagene Vergleich nur auf den Vokal der griechischen Endung beschränkt, aber die beiden Konsonanten ganz außer Betracht läßt, schwächt Sgarbis Vermutung empfindlich. Ich neige deshalb eher zu der Annahme, daß der Übersetzer zu den Dual-Ausgängen -om, -os, -oy gegriffen hat, weil es o-stämmige Verba im Armenischen praktisch nicht gibt - die einzige Ausnahme ist das defektive, auf die 3. Person Singular und Plural beschränkte "Verbum existentiae" goy, gon dieser Vokal also noch mehr oder weniger frei verfügbar war. Der "Trick", den Dual auf diese Weise durch ein eigenes Numeruszeichen zu verdeutlichen, enthob ihn zugleich der Pflicht, für die einzelnen Personen jeweils eigene Personalendungen zu erfinden. Im Gegensatz zu dem aus griech. vd) "wir beide" einfach ins Armenische transponierten und dann als Plural verdeutlichten dualischen Personalpronomen nov-k' (Adontz 29, 22) wird an anderer Stelle (Adontz 28, 15) desselben § 17 Efepi öcvTüWUjj.io^ "Über das Pronomen" (vgl. oben sub Nr. 5a) für ebendieses Pronomen die Form monk' "wir beide" gelehrt, die zugleich mit donk' und nonk' in eine ganz 38 Vgl. Beispiele wie armen. Movses, T'ovmas, Yakovb(os) oder ovsanna (griech. dxravvd), aber auch die Interjektion ov = griech. eil! 39 Sgarbi, Studio (a.a.O.), 590 § 8,4: "grammaticalmente insostenibile". 40 In der grammatischen Theorie und Praxis des Dionysios Thrax gibt es keine 1. Person Dual; dies spiegelt die Realität insofern wider, als das Griechische für die 1. Person Dual im Aktiv keinerlei Zeugnis und im Medium nur eine Handvoll vereinzelter Formen bietet, also grosso modo den Unterschied zwischen "ich + ein anderer" und "ich + mehrere andere" vernachlässigt. 219 reguläre Dreierreihe eingebettet erscheint. Daß diese drei fiktiven Dualformen, die nur zwei griechischen Formen gegenübergestellt sind (Vffli, Gcpcoi), im Anlaut von den Pluralformen me-k\ dow-k' und no-k'-a ausgehen, ist unbestreitbar; ebenso muß -k' selbstverständlich als das gewöhnliche Pluralzeichen aufgefaßt werden. Woher -on-genommen ist, bleibt allerdings völlig dunkel. Die Vermutung, daß dessen o-Vokal "potrebbe richiamarsi all'analogo timbro proprio dell'autentico morfemadi duale ind-europeo"41, scheitert jedenfalls daran, daß für grundsprachlich-indogermanische Dualformen höchstens *ö in Frage kommt (vgl. oben zu -ow), das im Armenischen als ow [u] vertreten sein müßte. Noch undurchsichtiger als diese Formen monk', donk', nonk' sind in derselben Textpassage (vgl. oben sub Nr. 5a) die als Duale zu den Possessivpronomina im "8|_io<;", k'o "coq" und nora "öq" (die jeweils eigentlich den Genetiv des Personalpronomens darstellen) zitierten angeblichen Formen imen, k'ovra und novra (Adontz 28, 18f.). Diese Überlieferung mag tatsächlich das Ergebnis einer Textverderbnis sein, zumal da ein solcher Verdacht dadurch weiter genährt zu werden scheint, daß etwa Johannes von Tsortsor42 (270, 18) statt dieser Triade - er zitiert allerdings novron (270, 9) statt novra - im Kommentar vielmehr im-n, k'oy-n, noray-n schreibt. Eine formale Segmentierung und Analyse dieser Bildungen imen, k'ovra, novra führt jedenfalls nur hinsichtlich des jeweiligen Stammes (im-, k'o-, no-) zu einem plausiblen Ergebnis. Und wenn Sgarbi43 in diesem Zusammenhang und ohne die mindeste Stütze den Gedanken an "un'origine dialettale" ins Spiel bringt, so wirkt dies eher wie eine Verzweiflungstat und wie der Versuch einer Erklärung des obscurum per obscurius. Povzetek DVOJINA ARMENSKIH SLOVNIČARJEV Pisec se loteva celostnega pretresa dvojinskih oblik, ki jih nahajamo v staroarmenskem prevodu dela Ts^vr) Ypap.|ia'Cixfj Dionizija Thraxa. Spričo okolnosti, da v armenščini ni paradigmatske kategorije dvojine, nam je s teh mest omogočen natančnejši vpogled v delovne navade brezimenega prevajalca in v prilagajanje armenščini. 41 So Sgarbi, Studio (a.a.O.), 605 § 10,4. 42 Vgl. oben Anm. 36. 43 Sgarbi, Studio (a.a.O.), 605 § 10,4. 220