AUS DEM JAHRBUCH FtTR ALTERTUMSKUNDE HERAUSGEGEBEN VON DER K. K. ZENTRAL- KOMMISSION FOR KUNST- UND HISTORISCHE DENKMALE BAND III 1909 0Š0Q. L t^ ( 1& Amand Rak Romische Grabsteine aus Poetovio i Anfangs Dezember 1908 hat der Marburger Musealverein seine Grabungen in Ober-Haidin wieder aufgenommen. Am 4. Dezember fand man auf dem Ackerfelde des Lipaušek 1 ) einen Grabstein und fiihrte ihn einige Tage darauf in das Marburger Museum. Der Stein lag in einer Tiefe voti 1*5 m im Schottergrunde. Es ist ein prismatischer Cippus aus weifiem Bacherer Marmor, v 12 m hoch, 071 breit, 070 dick. Die vordere, die beiden seitlichen, sowie die obere Flache sind geglattet, die untere und die Riickflache sind rauh belassen. Auf der etwas vertieften und von einer Rahmenleiste nmzoge- nen Vorderflache steht in deutlichen Buchstaben die Inschrift, die hier (Fig. 1) nach meiner Kopie gegeben wird 2 ): dis Manibus Statiniae Phoebes C(aius) Caecina Florus coniugi piissimae fecit. Apices stehen Z. 2 manibus, Z. 4 Phoebes, 1L. 5 Caecina, TL. 6 Florus, Z 7 coniugi, Z. 8 piissimae fecit. Der C(aius) Caecina Calpurnius, der einen transitus in dem einen der beiden Pettauer Mithraeen gestiftet hat, CIL III 14354, 28, hangt irgendwie mit dem Florus unserer Inschrift zusammen; und wohl ebenso wahrscheinlich der G(aius ) Caecina Faustinus, dessen Widmung an die Gottin Adsalluta CIL III 5135 sich seit fast drei Generationen im Laibacher Museum befindet, ohne dafi bis jetzt ihre Provenienz sichergestellt ware; aus Stilkriterien hat Mommsen auf Saudorfels Umgebung (siidlich von Cilli) geschlossen. Der Gentilnamen Statinia steht in den Donaulandschaften und in den Alpengebieten vor- laufig ganz vereimelt da. Erst in Aquileia kommt er wiederholt vor, dort aufierdem auch ein Gaius Caecina Fidens. Am 9. Dezember wurde in unmittelbarer Nahe dieser Fundstelle und in der gleichen Tiefe eine Grabkiste gefunden, die aus fiinf ganz roh zugerichteten Marmorplatten bestand. *) Parzelle n. oder einen Papierabklatsch fiir die Zwecke der graphischen 2 ) Es ist derzeit mir niclit moglich, eine Photographie Reproduktion beizustellen. i66 A. Rak Romische Grabsteine aus Poetovio Die Platten waren durch den Seitendruck des umgebenden Schotterbodens umgeworfen worden; die Grundplatte ist fast rechteckig, i'35Xi'i2 m, ^h\sqcm stark; in die obere Flache dieser Lagerplatte sind flache Nuten roh eingemeiflelt, so zwar, dafl die Seitenplatten bequem — ohne weiteres Bindemittel und sonst wohl nur durch den Deckel zusammengehalten — in sie eingefiigt werden konnten; diese Rillen sind je 76 und 90 cm lang, 2 bis 3 cm tief, 5 bis 6 cm breit. Die zwei langeren Seitenplatten messen o - 58Xi'28f« bei wechselnder Dicke (5 bis 6 eni). Sie tragen je zwei ahnlich beschaffene Vertik alfurchen, auf welchen also die Schmalplatten eingelassen rverden sollten; die Schmalplatten messen o - 58 X 076 m, ihre Dicke betragt durchschnittlich 4 cm. Ich habe in der Abb. 2 die einstige Art der Aufstel- lung wieder herzustellen versucht. Der Deckel zur Steinkiste fand sich nicht vor; auch wur- den weder Asche noch Knochen oder irgend- welche Beigaben konstatiert. Wegen der un- mittelbaren Nahe der Fundorte und wegen der gleichen — erheblichen — Niveautiefe, in der das Grab konstatiert worden ist, bin Fig. 2 ich auf den Gedanken gekommen, dafl diese Steinkiste ehedem die Aschenreste und die Sepulkralbeigaben fiir die Statinia Phoebe eingeschlossen hat, deren Grabinschrift wir ein paar Tage friiher gewonnen haben. II Der Museumsverein in Marburg fuhrt seit Oktober 1909 auf der Ackerparzelle ~ der Gemeinde Ober-Haidin Grabungen durch; diese Parzelle liegt an der von Pettau nach Pragerhof fuhrenden Bezirksstrafle. Dort rvurden mehrere bis zu 50 cm tiefe Aschengraber bloflgelegt und aus ihnen eine kleine Anzahl zumeist stark beschadigter Topfurnen mit Aschenresten, einige Kriige aus gebranntem Ton, Lampchen, Tranenflaschchen, zwei glatte Fingerringe aus Silber und einige ganz unkenntliche Bronzemiinzen gehoben. Am 7. Dezember stiefi man auf ein Grabdenkmal; es ist eine gewichtige Platte aus grob- kornigem, stellenweise etwas verwittertem, graulichweiflem Marmor, 162 cm hoch, 75 breit, 14 dick, die in einen 14 cm hohen und 30 breiten Sockelzapfen endigt. Ein Querbruch teilt die Platte in ein oberes kleineres und ein unteres grofleres Stiick. Das obere Stiick hat auflerdem einen durchgehenden Flachenbruch. Immerhin ist das Denkmal, das wie die iibrigen dort gehobenen Fundstiicke in das Marburger Vereinsmuseum gelangt ist, vor- zuglich erhalten. Die Vorderseite der stattlichen Stele zeigt den ublichen Typus der von zwei Saulen getragenen Tempelfront. Im Giebeldreieck das Medusenhaupt, von zwei emporschnellenden Schlangen umgiirtet; sie richten ihre Blicke gegen je eine Taube. In den Zwickeln iiber dem Tympanon je ein Hippokamp 1 ). Den Architravstreifen fullt eine Jagdszene; sein Hinter- grund wird durch drei Baume als Wald charakterisiert; hier \vird ein linkshin fliehender *) Von dem rechtsseitigen ist, da der Stein dort zu Schaden gekommen ist, jetzt allerdings nur nocli das Schvvanz- ende erkennbar. A. Rak Romische Grabsteine aus Poetovio 167 Hase von einem nachsetzenden doggenahnlichen Hunde verfolgt und am Riicken gefafit; ein zweiter Hund, von r. kommend, bat mit gesenktem Kopf die Špur des Wildes auf- genommen. Die glatten Saulen, auf niederer Basis, mit Blattkapital, schlieiBen das Inschrift- feld ein, von dem nur etwas mehr als die Halfte fiir den Text der Grabschrift benutzt ist. Auch in den die Front des Tempelchens tragenden Unterbau ist ein rechteckiges Feld vertieft: darin ein rechtshin gerichtetes Seeungeheuer mit spitz zulaufendem Kopf und langem, gewundenem, zu einer schaufelartigen Endflosse sich verbreiterndem Schwanze. Das Grabmal war mit abwarts gekehrter Schriftseite, an der Bruchstelle geknickt, der Lange nach von N. nach S. stark geneigt, bis 120 cm tief im Schottergrunde des Acker- feldes aufgefunden worden. Aschen- reste oder Beigaben fanden sich in der Nahe nicht vor. Die Inschrift lautet nach meiner Abschrift (Fig. 3): D M GRAV/1S‘RESTVTVS SIBI*ETPMIEA/TIJ|$ SVIS‘ETCOIVCISV E VIMARCEDLI/VE ETFIUS*G-R‘AVIO RESTVTO ETMV/VATIO ETFfLISVfVlS Fig- 3 d(is) m(anibus); C(aius) Ravi{u)s Restutus šibi et parentibus snis et coiugi sue vi(vae) Marcelline et filis G(aio ) Ravio Restuto et Munatio et f[t\lis vivis. Die Buch- staben sinken von 7 cm Hohe in Zeile 1 bis zu 27 cm in Z. 7 und 3 cm in Z. 8. Dazu bemerke ich, dafi der erste Buch- stabe von Zeile 1 aus einem O heraus- korrigiert worden ist; man fragt er- staunt, wie ein soleher Mifigriff dem Steinmetzen gleich beim ersten Buch- staben, den er schreiben solite, passieren konnte. Auch sonst ist der Text trotz aller Sorgfalt der Schriftformen an mehreren Stellen verungliickt. Am wenigsten stort, dai 3 in Zeile 1 der (offenbar ganz seltene) Gentilname Ravius in Ravis verkiirzt erscheint; denn damit diirfte blofi der volksturnlichen Aussprache Rechnung getragen worden sein, wie ja auch sonst (zumal innerhalb des griechischen Sprachgebietes) die Nominativendung -ms oft genug in -is verkiirzt wird. — Z. 5 kann ebensowohl ein Gentilname Fig. 4 Grabstein aus Oberhaidin, nach einer Photographie des Dr. Amand Rak, */ 12 n. Gr. 168 A. Rak Romische Grabsteine aus Poetovio wie Vi(biae) als — was wahrscheinlicher ist — vi(vae) gemeint sein. — et filis steht Z. 6 und anscheinend auch Z. 8; dann wiirde dieses Wortpaar an der zweiten Stelle eigentlich recht iiberfliissig sein und iiberhaupt nur unter der Bedingung erklart werden konnen, dafi et hier s. v. a. „auch“ oder „und auch“ bedeutet; dann hatte aber der Redaktor dieser Grab- schrift seinen Zweck einfacher und in besserem Latein erfiillt, wenn er parallel mit et coiugi sue vi(ve) Marcelline Z. 6 et filis vivis C. Ravio u. s. w. geschrieben hatte. — Ferner ist immerhin fraglich, ob Munatio Z. 7 wirklich als Kognomen mit C. Ravio zu verbinden ist; aber diese Interpretation hat die grofite Wahrscheinlichkeit fiir sich, und wenn Parallelen fiir die Verwendung dieses Gentilnamens als Kognomen iiberhaupt notig waren, so konnte man sie beibringen; z. B. CIL III 8220 aus Scupi, V 6541 (Novaria), VIII 3797 (Lambaesis), 6050 Arsacal); ist aber Munatius das Ko¬ gnomen des zweitgenannten Sohnes, dann hatte korrekter- weise Z. 7 C(ais) Raviis ge¬ schrieben werden sollen. Auch der Steinmetz, dessen Buch- stabenformen nicht an einem und demselben Charakter fest- halten (vgl. A und A, schlan- kes und breites V, das lie- gende /V), war seiner Aufgabe nicht gewachsen; das be\veist aufier dem wie bereits ange- fiihrt dann verbessertem O Z. 1 noch der verkehrte Ge- brauch derlnterpunktion: Z. 5 Marcel' line und Z. 6 R AVIO, wahrend Z. 4 nach VI der dort notige Punkt weggelassen ist. Ungefahr 20 m weiter gegen SO. wurde am 5. Januar 1910 aus einer Tiefe von 1 bis 1 • 1 o cm die obere Hiilfte eines zweiten Grabdenkmals geho- ben; sie gehort einer kompak¬ ten gleichfarbigen Marmor- platte von 73 cm Breite und Fig. S Grabstein aus Oberhaidin, 12 CWl Dicke an Und ist der ’ nach einer Photograpliie des Dr. Amand Rak, */ 8 n. Gr. zeit nOchlQ7 CM hoch (Abb. 5). A. Rak Romische Giabsteine aus Poetovio 169 Auch diesmal ist die Form der Aedicula angewendet. Im Tympanon das gefliigelte Haupt der Meduse, von zwei gegen die Tauben schnellenden Schlangen umgiirtet. In den Zwickeln dariiber je ein Hippokamp. Im Architravstreifen stilisierte Ranken von Efeu. Die den Architrav stiitzenden Saulen tragen spiralige Kaneliiren und in ihrer unteren Halfte das Schuppenmotiv. Schriftflache 64 X 53'5 cm\ die Buchstaben sinken von 5-5 cm, die in den ersten drei Zeilen erreicht werden, bis zu 3'3 in Zeile 7. Leider ist die Oberflache der Inschrift korro- diert und abwarts von Zeile 6 kaum mehr Sicheres zu entziffern. Was ich lese, ist: D M IGARGILIVS- L-F O. V ! RIN A- F C LIX_ C \CAPI S-V ET IG lADJf MISSVS-MISSION& MVMMARIAAMI d(is) m{antbus) L(ucius) Gargilius L(uci) f(ilius) Quirina Felix \T]acapis, vet(eranus) leg(ionis primae) ad(iutricis) p(iae) f[idelis), missus missione nummaria , attn(orum) Fig. 6 Zur Interpretation dieser Inschrift hat Professor Kubitschek mir folgende Zeilen zur Verfugung gestellt: „Der Mann, dessen Andenken diese Stele der Nachwelt erhalten solite, stammte aus Taca- pae oder Tacapa, einer Stadt an der kleinen Syrte, die sowohl durch ihre Lage an der groflen nordafrikanischen Kiistenstrafie und als Ausgangspunkt einer vvichtigen Verbindungslinie zum Lager der Afrika beherrschenden Legion wie auch durch die erstaunliche Fruchtbar- keit ihrer Umgebung zu namhafter Bedeutung sich entwickelt hatte. Von der politischen Entwicklung der Stadt ist leider bisher wenig bekannt geworden 1 ). Ich will auch nicht unter- suchen, ob man wirklich mit Recht, Gothofredds’ Interpretation folgend, aus der Unter- schrift eines Aktenstiickes aus dem J. 364 den Rang einer Metropole fiir Tacapae er- schlossen hat; es handelt sich um ein Reskript, das von den Kaisern Valentinian und Valens am 13. September in Aquileia an den Vikar von Afrika erlassen und diesem am 14. November (also zwei Monate spater!) zu Tacapae eingehandigt wird (Cod. Theodos. XI 30, 33). Nur soviel wuflten wir bisher aus der Peutingerschen Tafel, dem Kosmographen von Ravenna und dem Itinerarium Antonii, auf ihre gemeinsame Grundlage 2 ) zuruck- schliefiend: It. Ant. 59, 6 Tacapas colonia Tab. Tacape cot. Rav. 350, 9 (im Periplus des Mittellandischen Meeres, der am strengsten seine und der Tab. gemein¬ same Vorlage wiedergibt) Tacapa ce, dati spatestens in der Zeit des Severus oder des Caracalla Tacapae den Rang einer Kolonie erworben hat. Durch den neuen Stein aus Oberhaidin erfahren wir, dafi Tacapae spatestens unter Traian in die Tribus Quirina eingereiht war, und wir durfen, da die Griindungen und Biirgerrechtsverleihungen des Kaisers Traian ausnahmslos nur mit der Tribus Papiria verbunden erscheinen, daraus schliefien, dafi es schon vor Traians Thronbesteigung lateini- sches oder romisches Gemeindestatut erhalten hat. Noch zur Zeit, da Plinius seine Natur- *) Unverstandlich ist mir, warum Dessau CIL VIII 2 ) Vgl. das einschlagige Kapitel meiner Untersuchung p. 1150 hibernis Tacapis aus den Meilensteinen VIII iiber jene antike StraSenkarte in den Archaol. Jahresheften n. 10018 und n. 10023 a ls e ' ne Einlieit exzerpiert liat. aus Osterreich V 73 ff. Jahrbuch fiir Altertumskunde IIT 1909 22 A. Rak Romische Grabsteine aus foetovio I 70 geschichte schrieb, war dies nicht der Fali, — oder Plinius hat, seiner Quelle in bequemer Lassigkeit folgend, es unterlassen, sich nach dem Rechtszustand der Gegenwart zu erkun- digen. Dann liegt aber weiter der Schlufi nahe, dessen Pramissen ich an dieser Stelle nicht weiter entwickeln kann, dafi Tacapae sein Statut einem Flavier und also am ehesten dem Kaiser Vespasian verdankt. Den gleichen Schlufi wird man ja wohl bei den verschiedenen Kiistenorten in Tacapaes Nahe und bei der ihnen vorgelagerten Insel Cercina, soweit ihre Zugehorigkeit zur Tribus Quirina nachgewiesen ist, ziehen miissen. „In Afrika ist denn auch der Gentilname Gargilius haufig; wahrend er fiir die Donau- landschaften oder fiir die Balkanhalbinsel bisher, wenn man von einem Statthalter der Provinz Thracien absieht, nicht ein einziges Mal nachgewiesen ist; also wird auch der Stammbaum unseres Gargilius Felix in der neuen Heimat sich nicht besonders ausgebreitet haben. Vor allem beliebt erscheint — aus uns unbekannter Ursache — die Verbindung mit dem Kognomen Felix, fiir die ich nach den Indices zu CIL VIII folgende Beispiele herausgeschrieben habe : Gargilius Felix 3673 Q. Gargilius Felix 2554 d 7, einer der optiones der legio III Augusta — 2565 a 11, wohl gleichfalls ein Chargierter derselben Legion; er gibt als Heimat anscheinend ca[s{tra)] an, ist also zugleich Lagerkind dieser Legion — 7104, sacerdos L. Gargilius Felix 2734, flamen perpetuus — 2879, opt(io) leg. III Ang. — 20436, sacerdos Q. Gargilius Felix 3670. Alle diese Inschriften stammen aus Lambaesis, nur 7104 aus Cirta und 20436 aus der Mauretania Sitifensis 2 ). Daran schliefie ich aus CIL X 3400° einen Soldaten der misenatischen Flotte: M. Gargilius Felix armor(um triremi) Satyra nfjatione ) Afer und aus einem Verzeichnis von Stiftungen fiir Mit- glieder einer Vereinigung in Ostia, wo alle Welt sich traf, CIL XIV 326, als Namen eines Stifters: Gargilius Felix. ') Es mogen also noch etliche in den umfangreichen Supplementa von CIL VIII stecken, fiir die die Indices noch ausstehen. 2 ) DaB der Familienname Gargilius vor allem in Afrika haufig war, hat auch Cichorius in seinem Aufsatz iiber den Schriftsteller Gargilius Martialis und die Mauren- einfalle unter der Regierung des Gallienus (Leipziger Studien X 1886) bemerkt. Es fiillt mir nicht ein, aus der Tatsaehe des haufigen Vorkommens in Afrika ohne weiteres auch schon einen SchluB auf die Heimat des Namens zu ziehen, wenn ich auch bemerken muB, daB das, was Wir.HET,M Scmjr.zE Zur Gesch. d. lat. Eigennamen p. 172, seiner etruskisierenden Art nachgebend, iiber die Heimat des Namens andeutet, mir nicht gut haltbar scheint; sein altestes Beispiel fiir das Vorkommen dieses Gentilnamens auf italischem Boden geben zwei Miinzserien, die der Zeit kurz nach dem Bundes- genossenkrieg angehiiren, Babei.on I 531; auf ihnen sind die Namen CAR oder GAR, OCV. und \£R in jener Art vonVariation der Anordnung gegeben, welche die Wahrung der Ranggleichheit beurkunden soli; also waren es Mit- glieder eines Dreierkollegiums, einer von ihnen hieB Car .... oder Gar . . . und daB dies nicht Gargilius zu heifien brauclie und nicht zu heiBen scheine, ist schon ofter ge- sagt worden. [Wahrend des Druckes erhalte ich das Bucli von Heinrich Willers Geschichte der romischen Kupfcr- wahrung (1909), in welchem S. 70 fg. alle dem Autor er- reichbaren Exemplare dieser Pragung verzeichnet vverden; er liest nur Gar, nicht Car , entscheidet sich aber ebensowenig wie der cine oder der andere vor ihm fiir eine bestimmte Er- ganzung des Namens.] Das zeitlicli nachste Beispiel gibt die Anekdote von einem Gargilius, der wie Horaz epist. I 6, 58 spottet, eine stadtbekannte Figur geworden \var: wie er olitn mit grobem Jagdapparat, aber geringer, noch dazu gekaufter Jagdbeute das Forum — wohl das von Rom — zu passieren pflegte.— Dafiir, daB die Handbiicher der romischen Literatur- geschichte, Cichorius 7 Beispiel folgend, den Schriftsteller Gargilius Martialis mit einem romischen Ritler und ehe- maligen Offizier identifizieren, der im J. 260 oder nicht lange vorher bei der Verteidigung seiner mauretanischen Vaterstadt Auzia gegen die Mauren gefallen ist (CIL VIII 9047 = 20736. 20751), habe ich kein Verstandnis. Wenn es auch richtig ist, daB derzeit kein Z\vang fiir uns besteht, „zwei gleichnamige und gleichzeitige Gargilii Martiales zu unterscheiden u (Cichortus a. O. 322), so besteht doch ebenso- « A. Rak Romische Grabsteine aus Poetovio I J I „Unser Gargilius Felix war Veteran der aller Wahrscheinlichkeit nach im J. 68 ge- schaffenen legio I adiutrix. Die auszeichnenden Beinamen p(ia) f(idelis), welche die Legion auf seinem Steine fuhrt, diirfen nach unserer Kenntnis friihestens in die ersten Jahre der traianischen Regierung eingeteilt werden, somit ungefa.hr in die Zeit der Begrundung der colonia Ulpia Traiana Poetovio, deren Entstehungszeit innerhalb der Regierung Traians genauer zu fixieren ich nicht vermag; am liebsten dachte ich an die Zeit des von Traian gefiihrten germanischen oder seines ersten dakischen Feldzuges. Weder Abklatsch x ) noch Photographie (Abb. 5) haben es bisher erlaubt, dem Steine das Geheimnis seiner Zeilen 7 und 8 zu entreifien, in denen wahrscheinlich neben der Anzahl der erreichten Lebensdauer auch die Lange der Militardienstzeit des Garg. Felix und vielleicht auch seine schliefilich erreichte Charge stecken; vielleicht fiihrt eine Nachvergleichung des Originals weiter, die aber heute fiir mich einen frommen Wunsch bedeutet, und es wird dann moglich, wenigstens ungefahr den Eintritt unseres Gargilius Felix in die romische Armee zu datieren. „Was iiber die Ansiedlung des Verstorbenen in der traianischen Kolonie Poetovio Z. 5 fg. gesagt wird, missus missione nummaria, erinnert sofort an sein Gegenstuck ebendorther CIL III 4057: C(aius) Cornelius C(ai) f(ilius) Pom(ptina) Dert(ona) Verus, vet(eranus) le- g(ionis) II adi{utricis), deduct(us) c(oloniam) U(lpiam) T(raianam) P(oetovionem) mission(e) agrartia alt er d), milit{avit ) b[eneficiarins) co(n)s(ularis); beides ist gleich singular inner¬ halb der romischen Epigraphik, aber in der Hauptsache sehr wohl verstandlich. Uber die Altersversorgung der Veteranen sei es durch eine Geld-, sei es durch eine Ackerabfindung vgl. Marquardt Staatsverwaltung I 2 122. Dazu nehme man das Kapitel 20 im VII. Buch des Codex Theodosianus: de veteranis; ich verweise auf den dritten Abschnitt, ein Dekret Konstantins d. Gr. vom J. 320: veterani iuxta nostrum praeceptum vacantes terras accipiant easque perpetuo habeant immunes et ad emenda mri necessaria pecnniae in minimum vi- ginti quinque milia follium consequantur, boum quoque par, et frugum protniscuarum mo- dios centum; qui autem negotii gerendi habuerit voluntatem, huic centimi follium summam immunem habere permittimus; in diesem Zitat ist eine genaue Scheidung der missio agraria und der missio nummaria gegeben; auf die Frage der „zweiten“ missio agraria, die uns die langst bekannte Inschrift vom Stadtturm in Pettau stellt, und die Mommsen zu erledigen sich bemiiht hat, wollen wir hier nicht eingehen. „Ob es nun gerade ein Zufall ist, dati aus dieser einzigen Ecke des romischen Reiches beide (doch anscheinend recht pragnant gewahlte) Ausdriicke 2 ) bezeugt werden, oder ob man wirklich nur hier und nur damals sich so auszudriicken beliebte, wei£S ich nicht. Denn die Vermutung, dati beide Steine der gleichen Zeit und vielleicht selbst dem gleichen Konzipisten angehoren, drangt sich von selbst auf. Da ich die Ornamentierung und Archi- vvenig Notwendigkeit oder besondere Wahrscheinliclikeit fur die Identilikation zweier gleichzeitigerGargiliiMartiales, deren Kognomen so haufig vorkommt,noch dazu wo kein Anhalt uns geboten ist, die Tdentitat ihrer Zeit und ihres Heimatlandes anzunehmen. — Es wiirde ganz niitzlich sein, das Vor- kommen von Gargilii in anderen Teilen des romischen Reiches zu kontrollieren. Fast zufallig fiel mir z. B. die Grabschrift aus Arezzo CIL XI 1871 eines L. Gargilius L. f(ilius) Quir(ina) Rufus Marianus auf, dessen Schwester Castricia Maura sich nennt; die Tribus des Verstorbenen, in der Gegend von Arezzo ganz vereinzelt und auffallig, und das Kognomen seiner Schwester weisen in dieser Ver- bindung entschieden auf eine afrikanische oder allenfalls noch siidspanische Heimat der genannten Personen hin. Der mir vorliegende war aus einer Papiersorte hergestellt, die fiir diesen Zweck zu briichig und zu dick ist. 2 ) Die uns sonst iiblichen Bezeichnungen der missio als honestci , causaria oder ignominiosa be\vegen sich auf einer anderen Gedankenlinie. 22 : 172 A. Rak Romische Grabsteine aus Poetovio tektur des Steines vom Pettauer Stadtturm zu \venig in Erinnerung hatte, habe ich mich eigens an den Konservator Herrn Viktor Skrabar um Auskunft ge\vendet, die ich rasch und ausreichend erhielt; so bestatigte sich meine Envartung, dafi auch durch Stilkriterien die Gleichzeitigkeit des Pettauer Steines mit dem Marburger — oder sagen wir lieber gleich: mit den beiden Marburger Steinen der letzten Grabungskampagne — enviesen werde. Skrabar bezeugt namlich, dafi auch der Stein am Pettauer Stadtturm die Form einer Adikula zeige, im Giebel das Medusenhaupt mit den gegen die Tau- ben ziingelnden Schlangen, in den Zwickeln dariiber die Hippokampen, auf dem Epistyl Blattranken. Im Cor- pus ist ja leider die Beschreibung der Kunstform bei den Inschriften gar zu stiefmiitterlich behandelt worden; dieses Mal stehen nur die Vermerke: oben ,Medusae caput‘, unten ,amphora intra coronam'. Letztere Angabe (,am- phora intra coronam*) erwies sich iibri- gens als nicht zutreffend; denn eine Photographie nach dem St eine, ivelche Herr Skrabar auf mein Ersuchen hin anfertigte, und nach der Fig. 7 her- gestellt worden ist, zeigt deutlich einen doppelhenkeligen Kantharos zwischen zwei Kranzen; aufierdem strebt je ein Efeublatt liber den Henkeln empor; aber die Photographie gibt in diesem Falle keinen Aufschlufi iiber den Zu- sammenhang dieser Blatter mit dem Typus, und andere Parallelen sind mir im Augenblick wenigstens nicht in Erinnerung. „Die von Herrn Skrabar einge- sandte Photographie reproduziert zu- sammen mit dem Inschriftstein dieses durch eine Landanweisung versorg- ten Veteranen ein Fragment eines zweiten Grabsteines: CIL III 4068 C(aio) Iulio Magn[o], dec(urioni) c(oloniae ) U(lpiae) T(raianae) P(oetovionis) an(norum) \L . .. ] et Ulp(iae) Matern[ae ] an(norum) L, Iulia Magna .; die Reliefs und die Architektur dieses Grabsteines geben weder Muchar in seiner Geschichte Steiermarks III 398 (aus Knabls Mitteilung) noch Mommsen im CIL wieder; aber ein Blick auf Fig. 7 zeigt, dafi es sich um die namliche Komposition wie bei allen drei bisher verwendeten Pettauer Grabsteinen handelt: wieder die Form einer von Saulen getragenen Adikula; im Giebel der Medusenkopf mit den fort- strebenden Schlangenleibern, ihnen gegenuber die Tauben (oder was da sonst fiir Vogel ge- meint sein mogen); in dem einzigen erhaltenen Zwickel iiber dem Giebel statt eines Del- Fig. 7 Zwei Grabsteine vom Stadtturm in Pettau, nach einer Photographie des Konservators Victor Skrabar A. Rak Romische Grabsteine aus Poetovio 173 phins ein Seepferd; im Friesstreifen ein Krug mit Ranken ein- oder zweimal wiederholt. Beide Steine haben das gleiche Los bei ihrer letzten Bergung erfahren; sie sind namlich 1843, nachdem sie schon seit Jahrhunderten in der nordlichen Kirchentvand der Stadtpfarr- kirche mit einwarts gekehrter Inschrift eingemauert“ gevvesen waren, „bei Erweiterung des Eingangstores entdeckt, herausgenommen und an der Ostwand des freistehenden Stadtpfarr- turmes angebracht“ worden 1 ). „Ich wiifite nicht, welches Hindernis der Annahme im Wege stiinde, dafi beide durch Fig. 7 hier vereinigte Steine ungefahr zur namlichen Zeit — beim selben Steinmetz oder nach demselben Muster — geschaffen, nebeneinander aufgestellt und dann gemeinsam aus dieser Aufstellung heraus als Baustiicke fur die nordliche Kirchenwand der Pettauer Stadt- pfarre geliolt worden sind.“ 4 ) So Knabl Mitt. hist. Vereins f. Steiermark IV CIL III 4057 miissen bericlitigt werden. — Die Angaben (1853) 209; die Angaben in der Fund- und Standnotiz zu in Knabls Sylloge babe ich nicht nachvergleichen konnen. NARODNA IN UNIVERZITETNA KNJIŽNICA