Ingo Thonhauser-Jursnick Universität Graz UDK811.111'276:811.112.2'276:001.4 "MEIN BESONDERER DANK GILT..."-DAS VORWORT. STRUKTUREN WISSENSCHAFTLICHER DANKBARKEIT Vorbemerkung Zu Anfang einige Zeilen, um den etwas lang geratenen Titel und mein Vorhaben zu erläutern: Der Beitrag versteht sich als Fallanalyse auf der Basis einiger theoretischer Grundannahmen aus der Textsortenlinguistik. Jede Bearbeitung eines Themas hat eine "Entstehungsgeschichte", und ich stelle diese hier voran, da sie das Ziel der Arbeit selbst konturiert. In der Textsammlung war mein Interesse für eine Textsorte des wissenschaftlichen Alltags - das "Vorwort" - der Ausgangspunkt. In der Sichtung von Neuerscheinungen, im Überfliegen von Literatur, die zu einem bestimmten Zweck möglicherweise interessant sein könnte, suchen Leserinnen häufig im Vorwort nach Auskunft zu den Intentionen und Absichten der jeweiligen Publikation. Und man wird fündig, im besten Fall sind gar die Grundthesen kurz und überschaubar dargestellt. Manchmal jedoch auch nicht. In meiner Lektüre, die, wie erwähnt, keine systematische im Hinblick auf die Verfassung dieses Beitrags war, meinte ich, Konstanten und Variablen zu entdecken und begann, mir einzelnes zu notieren, mit einem Wort, eine Idee zu verfolgen. Mit einigem Recht kann man einwenden, daß ein solches Vorgehen wohl kaum einen brauchbaren Rahmen für eine Korpusbildung ergibt, da mein Vorgehen eher eine Art interessegeleitete Willkür war. Diesem Einwand kann ich zwei Dinge entgegenhalten: Einmal steht der theoriebezogene Aspekt für mich deutlich im Vordergrund: Es ist mir wichtig, Klarheit über eine bestimmte Klasse textueller Charakteristika zu gewinnen, die nicht nur individuelle Texte kennzeichnen, sondern die Zuordnung dieser Texte zu Textsorten erlauben oder mindestens deutlich mitbestimmen. Ich spreche hier von Merkmalen, die in der Literatur als "Textmuster", als "Makrostrukturen" u.ä. bezeichnet werden, deren Signifikanz gerade im alltäglichen Sprachgebrauch allenthalben hoch eingeschätzt wird: z.B.: "Das (intuitive) Textmusterwissen ermöglicht uns einen routinierten Alltags-Umgang mit bestimmten Textsorten" (Linke/Nussbaumer/Portmann 1991, 253). Der im Zitat in Klammer gesetzte Begriff "intuitiv" ist aus meiner Sicht wesentlicher, als die Klammern andeuten: Ich gehe im 181 folgenden von einer, wie ich denke, ebenfalls intuitiv klar faßbaren Textsorte aus, um Textmusterwissen an einem konkreten Beispiel festzumachen. Zweitens - und dies ergibt sich aus dem eben Gesagten - geht es mir eher darum, hier einen Versuch zu unternehmen und zur Diskussion zu stellen, als um eine repräsentative Textsortenuntersuchung. Das Textkorpus ist allzu limitiert. Ich bin mir bewußt, daß gerade großangelegte Untersuchungen ein Desiderat der Textsortenlinguistik sind, die Rechtfertigung einer beispielhaften Textauswahl ist allein, daß sich auf dem Wege einer solchen Vorgangsweise ein möglicher Ansatz erproben läßt, der mit Modifikationen ein größeres Unternehmen rechtfertigen könnte. Abschließend ein Geständnis: So willkürlich war die Textauswahl nicht, sie sollte einen bestimmten Fachbereich erfassen und zumindest potentiell interkulturelle Beobachtungen zulassen: Ich habe daher englischsprachige und deutschsprachige Texte ausgewählt, die alle dem Bereich der Angewandten Linguistik und hier im besonderen des Fremdsprachenerwerbs und der Fremdsprachendidaktik entstammen. Die Beispieltexte sind Reihen entnommen, die linguistische Theorie und fremdsprachendidaktische Praxis zusammenführen. 1 Theoretische Überlegungen Ich beginne mit theoretischen Überlegungen, die eine Einordnung des Untersuchungsziels erlauben: Einmal stelle ich die Frage nach Klassifikationskriterien, die der Zuordnung zu Textsorten zugrunde liegen, und zweitens erscheint von Interesse, welche deskriptiven Kategorien zum Einsatz kommen? Die Relevanz der ersten Frage liegt auf der Hand: Ist das "Vorwort" bereits als eigene Textsorte anzusehen oder handelt es sich nur um den Bestandteil einer oder verschiedener Textsorten (z.B. der Textsorte "Dissertation" oder "Jahrbuch")? Die Zahl der Klassifikationsversuche von Textsorten ist Legion (vielleicht nicht ganz), und ich verzichte an dieser Stelle auf eine Darstellung und Diskussion der Problematik.1 Dennoch möchte ich der Frage nicht ganz ausweichen, sie aber hier sehr pragmatisch lösen: Elisabeth Gülich hat in ihrem Beitrag "Textsorten in der Kommunikationspraxis" (Gülich 1986) einen empirischen Zugang vorgeschlagen, der grundsätzlich von tatsächlichen Phänomenen der Kommunikation ausgeht. Dabei stellt sie eine im Grunde einfache Frage: Wie manifestiert sich Wissen über Textsorten und deren Klassifikation in der Alltagskommunikation? Sie geht dabei von konkreten Texten aus, die sie auf Äußerungen hin untersucht, aus denen sich die "Textsortenunterscheidungen der Kommunikationsteilnehmer" rekonstruieren lassen (Gülich 1986, 22). Wenn ich mich hier für eine ähnliche Vörgangsweise entscheide, ist damit systematischen, 1 Vgl. dazu etwa: von der Lage-Müller (1995, 7-19) oder Diewald (1995). Ich verweise aber auch auf die Arbeiten von Horst Isenberg (z.B. 1978), der die Grundfragen der Typologisierung auf den Punkt bringt. 182 deduktiven Klassifikationsversuchen keineswegs die Sinnhaftigkeit abgesprochen, jedoch stößt dieser Zugang an Grenzen, die, wie ich meine, nur durch empirische Forschungsaktivitäten in der Textsortenlinguistik angegangen werden können. In diesem Sinne lassen es aus meiner Sicht folgende "Signale" plausibel erscheinen, daß das "Vorwort" zumindest im wissenschaftlichen Diskurs als eigenständige Textsorte angesehen werden kann: Der Begriff "Vorwort" gehört zu jenem sprachlichen Inventar, das wir gebrauchen, um über Texte zu sprechen und gehört zu den Textklassenbezeichnungen der Alltagssprache (vgl. Dimter 1981). Zweitens sind durchaus Normen für die Gestaltung von Vorwörtern und Vorgaben darüber, welche Textstruktur zu erwarten sei, formulierbar. Dafür läßt sich nicht nur das Wissen der Sprachteilhaberlnnen anführen, sondern auch Vorgaben von Verlagen, Richtlinien, die für Reihen, Jahrbücher usf. existieren. Dies weist daraufhin, daß es sich um etwas Eigenständiges handelt. Drittens erscheinen Vorwörter in unterschiedlichsten Kontexten und erweisen so ein Maß an Unabhängigkeit, d.h. sie sind nicht so stark an bestimmte Textsorten gebunden, daß sie jeweils nur als Teilstrukturen derselben anzusehen wären. So würde ich beispielsweise ein Verzeichnis der Adressen von Beiträgerinnen als Bestandteil der Textsorte "Sammelband" ansehen. Der Behauptung, daß Vorwörtern ein eigenständiger Status zukommt, ist hinzuzufügen, daß es sich jedenfalls um eine Textsorte handelt, zu deren Konstanten es gehört, daß sie nicht für sich allein steht, sondern prinzipiell im Verbund mit anderen Texten erscheint.2 Schließlich verweise ich auf die diachrone Dimension, auf aus rhetorischen Traditionen bekannte Konventionen und die Tatsache, daß sich Textsortengeschichten des "Vorworts" (z.B. Schwitzgebel 1996) verfolgen lassen. Dies ist ein weiterer Hinweis auf mögliches Textsortenwissen der Sprachteilhaberlnnen, freilich kein letztgültiger Beweis dafür, daß das Vorwort heutzutage als unabhängige Textsorte anzusehen ist. Dieser könnte durch umfangreichere Analysen sprachlicher Interaktion in verschiedensten Kontexten abgesichert werden. Ich bin mir bewußt, daß ich mich hier auf dem Boden der Plausibilität bewege und begnüge mich an dieser Stelle mit den vorgebrachten Argumenten. Ich halte fest, daß sich Hinweise finden, die das Vorwort im wissenschaftlichen Diskurs als eigenständige Textsorte ausweisen und komme zum zweiten Punkt: Für den zweiten, den deskriptiven Bereich liegen eindeutigere Forschungsergebnisse vor. In der Frage nach den Merkmalen, nach den Kategorien der Beschreibung von Textsorten zeichnet sich immerhin ein Konsens ab: Die grobe Unterscheidung eines textinternen und textexternen "Bündels von Merkmalen" (Linke/Nussbaumer/Portmann 1991,248) ist die Grundlage vieler Untersuchungen, die dann unterschiedliche Schwerpunkte setzen und einzelnen Charakteristika ihr 2 Dies bestätigt auch Timm (1996,458): "Die Besonderheit der Textsorte 'Vorwort' besteht darin, daß sie als 'Textsorte-in-Relation' nur durch eine 'Trägertextsorte' ihre Relevanz gewinnt. 'Trägertextsorte' und 'Textsorte-in-Relation' stellen die beiden Elemente eines asymmetrischen Abhängigkeitsverhältnisses dar." 183 Hauptinteresse zuwenden. Im textinternen Bereich wurden Thema-Rhema Strukturen, der Wortschatz, Textstrukturmuster u.ä. untersucht. Ich sehe in der Konzentration auf einzelnes nicht unbedingt einen Nachteil. Je vollständiger ein Merkmal erforscht ist, desto größer und abgesicherter wird das "Handwerkszeug" der Textsortenlinguistik insgesamt. Wenn ich an dieser Stelle noch einmal auf den Untertitel dieses Vortrags ("Strukturen wissenschaftlicher Dankbarkeit") verweise, wird auch klar, daß der vorliegende Beitrag zu der eben verteidigten Reihe kleinerer Untersuchungen gehört. Im Mittelpunkt meines Interesses steht ein wesentliches Element des textinternen Bereichs: Texte weisen in unterschiedlicher Gewichtung und in mehr oder weniger klar erkennbarer Ausprägung Strukturen auf. Diese können in vielen Fällen ein distinktives Merkmal in der Textsortenbestimmung sein. Als Beispiel verweise ich auf die Struktur formeller Briefe, die auch in der Didaktik (z.B. Killinger/Blüml 21991,68) explizit Ziel der Vermittlung ist. Gleichzeitig lehrt auch ein wenige Monate dauernder Auslandsaufenthalt mit seinen verschiedenartigen bürokratischen Hürden, daß die gewohnte Struktur keineswegs die schlechtweg gültige ist, mit einem Wort: Hier zeigen sich interkulturelle Unterschiede schon auf den ersten Blick. Eine weiterführende Fragestellung in diesem Zusammenhang wäre, ob es sich hier um prototypische Strukturen handelt. In der Literatur, v.a. aus dem Bereich der Kognitiven Linguistik, sind mehrere Termini für diese Strukturen gängig, ich entscheide mich an dieser Stelle für den Terminus "Textstrukturmuster", der am klarsten zum Ausdruck bringt, was gemeint ist.3 Sprachteilhaberlnnen verfügen über eine Textsortenkompetenz, die in der sprachlichen Sozialisation erworben wurde, und diese Muster sind Teil dieser Kompetenz. Dabei ist anzunehmen, daß dieses Wissen, je nach Sprachanwendungsbereich der/des Einzelnen, unterschiedlich entwickelt ist. Textstrukturmuster sind Schemata, durch die Wissen, genauer sprachliches Wissen, repräsentiert wird. Sie bestehen aus konstanten Merkmalen, die garantieren, daß das Muster identifizierbar bleibt, und variablen Merkmalen, die nicht in jedem Fall realisiert werden müssen. Diese Merkmale kann man sich hierarchisch gegliedert vorstellen, indem die Variablen der höchsten Ebene ihrem Status nach den Konstanten schon sehr nahe sind, während variablen auf niedrigeren Ebenen austauschbar und abänderbar sind, ohne daß die Gesamtstruktur nicht mehr identifizierbar wird. Ein Hinweis, der für die Eigenständigkeit des Vorworts als Textsorte spricht, ist wie gesagt die intuitiv festlegbare Struktur. Wie kann nun ein solches Textstrukturmuster des "Vorworts" aussehen? Der folgende Abschnitt gibt die Ergebnisse einer Durchsicht der Textbeispiele wieder. 3 Vgl. dazu Brown/Yule 1989, 236-255. 184 2 Textanalyse 2.1 Komponenten Wie die Formulierung des Titels zeigt, war meine intuitive Erwartung, daß sich "Strukturen wissenschaftlicher Dankbarkeit" feststellen lassen und das damit bereits ein Merkmal benannt ist. Ich schlage - mindestens in einem wissenschaftlichen Kontext - die folgenden Grundelemente vor. Vorwörter lassen einmal eine "Positionierung der Publikation im fachlichen Kontext" erwarten, zweitens "Angaben zu funktionalen Gesichtspunkten (Ziel und Zweck) und zu den intendierten Adressatinnen", als dritten Bestandteil setze ich "Aussagen zu Inhalten und Hinweise zur Strukturierung dieser Inhalte" an. Als viertes und letztes Element schließlich folgt die "Danksagung", wobei ich diesen Begriff hier weit fasse. Mitunter wird an dieser Stelle die Färbung von Vorwörtern entschieden: Hier kann kurz und bündig den geldgebenden Institutionen gedankt werden, aber ebenso, wie dies häufig bei Qualifikationsschriften (z.B. Dissertationen) zu beobachten ist, die Verknüpfung von persönlicher Biographie und Entstehungsgeschichte der Publikation zum Thema werden. Wesentlich ist, daß ich diese Aufzählung als Benennung von Konstituenten sehe, die noch keinerlei Rückschlüsse auf deren Anordnung in Vorwörtern zuläßt. Die ersten drei Bereiche dienen der "Präsentation" des Bandes, den Dank hebe ich als gesonderten Teil ab. Ich stehe mit diesem Raster nicht allein, wie ein Blick auf kürzlich erschienene Literatur zeigt. Timm (1996, 462f.) schlägt folgende Konstituenten vor: In der Grobgliederung unterscheidet er als "strukturelle Invarianten" die Überschrift, den Textköiper und den Namen des Autors. Der Bereich des "Textkörpers" wird wiederum in drei Bereiche unterteilt: "Einleitende Feststellung", "Angaben zur Publikation (Anliegen; Angaben zur Themenbehandlung)" und "Produktionsbedingungen (Quellennachweise; Dank)". Von diesen Konstituenten des "Textkörpers" wiederum seien nur die "Angaben zur Publikation" obligatorisch. Die Grobgliederung stimmt mit den oben vorgeschlagenen Kategorien durchaus überein, wobei ich die Positionierung im fachlichen Kontext nicht einfach zu den -darüberhinaus als fakultativ angesehenen - "einleitenden Feststellungen" zählen würde, sondern diese den "Angaben zur Publikation" zurechne und ihr damit größere Bedeutung zuspreche. Graphisch läßt sich somit der von Timm als "Textkörper" benannte Bereich auf folgende Weise darstellen: Abb.l 185 2.2 Quantitative Anteile Ich bin von der kursorischen Lektüre ausgegangen, die der Anstoß für die dargestellten Reflexionen war, und komme nun zur Lektüre zurück. In einer Art Probe aufs Exempel habe ich aus der Vielzahl des Gelesenen ausgewählt. Im folgenden präsentiere ich daher die Ergebnisse einer nun textsortenlinguistisch interessierten Lektüre von Vorwörtern aus einem sehr klar definierten Feld: In der Fremdsprachendidaktik werden Forschungsergebnisse der Linguistik häufig in Reihen (z.B. die "Cambridge Language Teaching Library") publiziert, die Bezüge zur Praxis des Fremdsprachenunterrichts herstellen. Ich habe fünf Beispiele der deutschsprachigen Reihe "Fremdsprachenunterricht in Theorie und Praxis (FITUP)" und ebenfalls fünf Beispiele aus englischsprachigen Reihen der Cambridge University Press und der Oxford University Press entnommen. Eine Durchsicht der Texte, die als "Vorwort", "Foreword" oder "Preface" ihre Textsortenzugehörigkeit auswiesen, ergab einige Überraschungen, die ich nun - immer vorausgesetzt, daß es sich dabei um die Erprobung einer Vermutung handelt - darstelle: Lassen sich die erwähnten Komponenten also tatsächlich wiederfinden? Ich gehe nur kurz auf die drei ersten Bereiche ein, die der Präsentation der jeweiligen Publikation dienen, besonderes Augenmerk ist dann in einem gesonderten Abschnitt dem Dank gewidmet. Meine Vorgangsweise war die, daß ich erhoben habe, ob die einzelnen Komponenten realisiert werden und welche Textanteile ihnen zukommen. 2.2.1 Präsentation Die ersten drei Komponenten waren in den deutschsprachigen Texten in insgesamt ähnlicher Gewichtung vorhanden, es fiel nie mehr als eine Komponente vollkommen aus, immer vorhanden war der Bereich "Ziel, Zweck und Adressaten". In den englischsprachigen Texten war der Bereich "Einordnung in den fachlichen Kontext" den anderen untergeordnet, nur in einem Fall fielen jedoch Angaben zu Bereich 2 aus. Es wäre unangemessen aufgrund dieser Textbasis Konstanten und Variablen bestimmen zu wollen, zwei Beobachtungen sind jedoch mindestens aufschlußreich: Einmal finden sich intuitive Annahmen grosso modo bestätigt, die Komponenten sind in nahezu allen Texten mehr oder minder ausführlich vorhanden. Doch werden diese so "selbstverständlich" erscheinenden Bereiche nicht in jedem Fall realisiert, wie dies im strengen Sinn bei Konstanten eines Textstrukturmusters der Fall sein müßte. Ein besonderer Unterschied zwischen den englischsprachigen und den deutschsprachigen Texten liegt nur im erwähnten geringeren Anteil des Bereichs 1, aber auch hier wäre der Anspruch einer gültigen Schlußfolgerung unangebracht. Prinzipiell kann somit für die ersten drei Aspekte festgehalten werden: Die Annahme, daß sich der Textsortencharakter von Vorwörtern im akademischen Bereich schon durch klar sichtbare Komponenten eines Textstrukturmusters erweisen würde, ist wohl zumindest mit Vorsicht zu genießen. Hier muß noch mehr im Spiel sein. Zusätzlich zu Textstrukturmustern sind hier pragmatische Zusammenhänge 186 (Verlagsvorgaben, Reihen u.ä.) und individuelle abgetönte Funktionen der Vorwörter in Betracht zu ziehen. Doch wie gesagt, ich will die Folgerungen nicht zu weit treiben. 2.2.2 Dank Wie steht es aber nun um den Dank, schließlich nahm mein Interesse hier seinen Ausgangspunkt? Im wesentlichen lassen sich zwei Ergebnisse festhalten. 1. Der Dank ist beileibe nicht immer im Vorwort zu finden. Der Dankbarkeit werden gesonderte Texte gewidmet, in manchen Fällen fällt er sogar gänzlich aus.4 In englischen Texten wird häufiger und i.d.R. wesentlich ausführlicher gedankt. 2. Interessanter erscheint aber nun die Struktur dieser Dankbarkeit: Wem wird gedankt und in welcher Reihenfolge? Folgenden Personengruppen wurde in den untersuchten Texten gedankt: Mentorinnen: Mit diesem Begriff fasse ich Personen, denen Impulse zu verdanken sind, die zur Entstehung der Publikation führten. Herausgeber der Reihe: Dies erscheint eher als Charakteristikum der englischen Texte. Kolleginnen: Man dankt für fachlichen Rat und konstruktive Kritik, auch Studierende werden, v.a. in englischsprachigen Texten, genannt. Studierenden und Lehrenden: Hier handelt es sich i.d.R. um Gruppen, die bei empirischen Vorgangsweisen in die Arbeit eingebunden waren. Lektorat und Sekretariat: Dies ist in einem mitunter weit gefaßten Sinn der Personenkreis derjenigen, die mit der Fertigstellung des Manuskripts betraut waren. Lebenspartner/Familie: Der Dank im privaten Bereich erscheint im untersuchten Korpus nur in englischsprachigen Texten. Damit läßt sich im Vergleich mit den anderen Bereichen sagen, daß sich hier immerhin ein erkennbares Inventar der Dankbarkeit ergibt, eine Reihenfolge läßt sich, auch schon aufgrund der geringen Zahl der untersuchten Texte, nicht festlegen. Mit Sicherheit spiegeln sich hier auch pragmatische Begebenheiten, etwa die Erwähnung von Personengruppen, die in empirische Arbeit eingebunden waren. Eines steht aber außer Frage: Wenn der familiäre Bereich genannt wird - und in den vorliegenden Texten geschieht dies nur in den englischen - dann wird der Lebenspartnerin/dem Lebenspartner am Schluß gedankt, meist mit einer Bemerkung zu den Effekten auf das Familienleben. Die Dankesworte sind der Ort, wo man die eintönig-sachlichen Bahnen des Verfassens von Vorwörtern am ehesten verlassen kann, ja es scheint - und hier stütze ich mich auch auf zusätzliche Lektüre - das der 4 Dies bestätigt Timm (1996, 462), wenn er den Dank als fakultatives Element bestimmt. 187 letztgenannte Bereich - die Familie - dem besonders dient. Sternkopf (1996, 472) bestätigt dies, wenn er in seinem Vergleich des "Vorworts" mit der "Rezension" bemerkt, daß "der Verfasser eines Vorworts auch eine größere Freiheit in der Wahl seiner sprachlichen Mittel im Sinn einer stärkeren Subjektivität" hat. Ich führe dies nicht weiter aus, sondern zitiere aus einem der untersuchten Texte: Dick Allwright und Kathleen Bailey fügen im Vorwort zu "Focus on the Language Classroom" an den Dank für familiäres Verständnis den Kommentar eines jungen Familienmitglieds und formulieren das so: We were both humbled and encouraged by Mark's comment upon seeing that the final manuscript had no colourful illustrations: "Well, it is sort of a boring book, but maybe teachers will like it." (Allwright/Bailey 1991, xii) 2.3 Schluß Die Analyse ergab, daß Vorwörter in erstaunlichem Maß variierbar sind, sodaß die Festlegung von konstanten Merkmalen auch bei Textkorpora, die in bezug auf die fachliche Domäne klar eingrenzten werden, nicht ohne weiters möglich erscheint. Dies wäre an einem größeren Texkorpus zu prüfen. Zur "wissenschaftlichen Dankbarkeit" ist festzuhalten, daß diese Komponente den breitesten Spielraum läßt. Die These, daß sich hier ein Freiraum eröffnet, der es Autorinnen gestattet, den Normierungen des wissenschaftlichen Diskurses zumindest kurzzeitig zu entkommen, erscheint plausibel und würde eine gesonderte und zudem unterhaltsame Untersuchung rechtfertigen. Zusammenfassung Der vorliegende Beitrag geht von einem Aspekt "alltäglicher Textverarbeitung" im akademischen Kontext aus: der kursorischen Lektüre von wissenschaftlichen Vorwörtern. Als These gilt, daß Vorwörter eine eigenständige Textsorte darstellen, die als Bündel von textinternen und textexternen Merkmalen zu fassen ist. Konkret wird ein wesentliches textinternes Merkmal, das zugrundeliegende Textstrukturmuster, untersucht. Hier handelt es sich um ein Muster zur Repräsentation von sprachlichem Wissen, das als Bestandteil des alltäglichen, routine-geprägten Umgangs mit Texten und Textsorten zu sehen ist. Anhand von ausgewählten englisch- und deutschsprachigen Texten wird überprüft, inwiefern sich Elemente "Positionierung des Themas in den fachlichen Kontext", "Definition von Ziel, Zweck und Adressatinnen", "Angaben zu Inhalten und zur Strukturierung" sowie "Danksagung" tatsächlich als konstante oder variable Elemente identifizieren lassen. Literatur Brown, Gillian/Yule, George (1989), Discourse Analysis. Cambridge, New York, Melbourne (=Cambridge textbooks in linguistics.). 188 Dimter, Markus (1981), Textklassenkonzepte heutiger Alltagssprache, Tübingen, (=Reihe germanistische Linguistik.32). Diewald, Gabriele (1995), "Textsortenklassifikation auf der basis kommunikativer Grundbedingungen", in: Lingüistica 35/1, 21-36. Gülich, Elisabeth (1986), "Textsorten in der Kommunikationspraxis", in: H. Kallmeyer Hrsg., Kommunikationstypologie. Handlungsmuster, Textsorten, Situationstypen.-Jahrbuch 1985 des Instituts für deutsche Sprache, Düsseldorf, 15-46. Isenberg, Horst (1978), "Probleme der Texttypologie", in: Wiss. Zs. d. Karl-MarxUniversität Leipzig. Ges.-Sprachwiss. 6, 565-579. Killinger, Robert/Blüml, Karl (21991), Sprachbuch 4. Mit Computernutzung für den Deutschunterricht, Wien Linke, Angelika; Nussbaumer, Markus; Portmann, Paul R. (1991), Studienbuch Linguistik, Tübingen (=Reihe Germanistische Linguistik. 121). Schwitzgebel, Bärbel (1996), Noch nicht genug der Vorrede. Zur Vorrede volkssprachiger Sammlungen von Exempeln, Fabeln, Sprichwörtern und Schwänken des 16. Jahrhunderts, Tübingen (=Frühe Neuzeit. 28). Timm, Christian, "Das Vorwort - eine 'Textsorte in-Relation'", in: Kalverkämper, Hartwig/Baumann, Klaus-Dieter Hrsg. (1996), Fachliche Textsorten: Komponenten-Relationen-Strategien, Tübingen (=Forum Fachsprachenforschung.25), S.458-467. Sternkopf, Jochen, Vorwort und Rezension: "Nahe Textsorten für eine ferne Interaktion", in: Kalverkämper, Hartwig/Baumann, Klaus-Dieter Hrsg. (1996), Fachliche Textsorten: Komponenten-Relationen-Strategien, Tübingen (=Forum Fachsprachenforschung.25), S.458-467. von der Lage-Müller, Kathrin (1995), Text und Tod. Eine handlungstheoretisch orientierte Textsortenbeschreibung am Beispiel der Todesanzeige in der deutschsprachigen Schweiz, Tübingen (=Reihe Germanistische Linguistik. 157). Textkorpus • Dieling, Helga (1992), Phonetik im Fremdsprachenunterricht Deutsch, Berlin et.al. ^Fremdsprachenunterricht in Theorie und Praxis). • Schwerdtfeger, Inge C. (1989), Sehen und Verstehen. Arbeit mit Filmen im Unterricht Deutsch als Fremdsprache, Berlin et.al. ^Fremdsprachenunterricht in Theorie und Praxis). • Strauss, Dieter (1984), Didaktik und Methodik Deutsch als Fremdsprache, Berlin et.al. ^Fremdsprachenunterricht in Theorie und Praxis). • Neuner, Gerhard et.al. (1981), Übungstypologie zum kommunikativen Deutschunterricht, Berlin et.al. ^Fremdsprachenunterricht in Theorie und Praxis). • Meese, Herrad (1984), Systematische Grammatikvermittlung und Sprachunterricht, Berlin et.al. ^Fremdsprachenunterricht in Theorie und Praxis). • Cook, Guy (1989), Discourse, Oxford (=Language Teaching: A Scheme for Teacher Education). • Allwright, Dick/Bailey, Kathleen (1991), Focus on the Language Classroom, Cambridge (=Cambridge Language Teaching Library). 189 • Ur, Penny (1981), Discussions that work, Cambridge (=Cambridge Handbooks for Teachers). • McCarthy, Michael (1991), Discourse Analysis and Language Teaching, Cambridge (=Cambridge Language Teaching Library). • Wright, Andrew (1989), Pictures for Language Learning, Cambridge (=Cambridge Handbooks for Teachers). Povzetek "POSEBNA ZAHVALA VEUA...." - PREDGOVOR. STRUKTURE ZA IZRAŽANJE ZAHVALE V ZNANSTVENIH BESEDILIH Prispevek izhaja iz "vsakdanjega srečevanja z besedili" v akademskem kontekstu: iz kurzoričnega branja predgovorov znanstvenih člankov. Izhajamo iz teze, da predgovori predstavljajo posebno besedilno vrsto, ki jo lahko pojmujemo kot sklop znotraj- in zunajbesedilnih znančilnosti. Na konkretnem primeru obravnavamo eno od bistvenih znotrajbesedilnih značilnosti - vzorec besedilne strukture, na katerem temelji omenjena besedilna zvrst. Gre za vzorec kot odraz jezikovnega znanja, ki ga je mogoče pojmovati kot sestavni del vsakdanjega, rutinskega odnosa do besedil in besedilnih vrst. Na podlagi analize angleških in nemških besedil skušamo ugotoviti, v kolikšni meri elementi, kot so "umestitev teme v strokovno sobesedilo", "navedba cilja, namena in naslovnika/naslovnice", "podatki o vsebini in zgradbi" in "zahvala", dejansko nastopajo kot stalne ali spremenljive sestavine obravnavane besedilne vrste. 190