TEKTONISCHE PROBLEME DER ÖSTLICHEN SÜDALPEN von R. W. van Bemmelen (Utrecht) mit 3 Tabellen und 4 Abbildungen Vortrag gehalten am 23. Mai 1969 beim II. Symposium über die Geologie der Karawanken in-Ljubljana INHALT Zusammenfasung.......................133 I. Einleitung.......................134 II. Relativistische Strukturanalyse...............135 III. Gravitationstektonik sensu lato...............136 IV. Rotationsenergie als Faktor in der Geodynamik........136 V. Tektogenetische Erscheinungen in den östlichen SüdaJpen.....137 VI. Klasse V (Megatektonik) während der Phasen c und e bis gf . . . . 141 VII. Klasse IV (Geotektonik) während der Phase c.........142 VIII. Klasse III (Mesotektonik) während der Phasen d und f......143 IX. Klasse II und I (Minor- und Lokaltektonik) während der Phasen f und g........................147 X. Die Kosuta-Aufwölbung..................148 Die Nordkarawanken...................149 Die Südkarawanken...................152 Die Kamniker Alpen...................154 XI. Ergebnisse der relativistischen Strukturanalyse........155 XII. Literaturangaben....................156 Zusammenfassung Die Vorstellungen vom Werden der Alpen, von denen die östlichen Südalpen nur ein Teilelement sind, sind im allgemeinen ziemlich unikausal entstanden. Man dachte an eine N—S gerichtete Zusammenpressung einer mobilen Zone (Tethys) zwischen dem europäischen Vorland und dem afrikanischen Rückland. Aus diesem einzigen, supraregionalen Spannungs- zustand versuchte man dann alle tektogenetische Erscheinungen abzuleiten. Die schnelle Zunahme der »geonomischen« Beobachtungstatsachen (der geologischen, geophysischen, geochemischen und anderen Zweigen der ErdWissenschaften) zwingen uns jedoch, nach realistischeren, der Wirk- lichkeit besser angepaßten Erklärungsmodellen zu suchen. 133 Diese Modelle sollen auf der Grundlage einer relativistischen Struktur- analyse entworfen werden. Das heißt, daß man einen Unterschied machen muß zwischen Strukturen, die durch geodynamische Prozesse verschie- dener Ausmaße entstanden sind, welche nacheinander oder zur selben Zeit in einem Gebiete stattgefunden haben, und deren tektogenetischen superponierten Ergebnissen. In dieser Weise kommt man zu einer Syn- these zwischen supraregionalen, mobilistischen Vorstellungen und regi- nalen, mehr lokal gebundenen, fixistischen Erklärungsversuchen der beobachteten Strukturen (Siehe Tabellen I und II). Die lokale und regionale Strukturbildung kann die Folge sein von fünf Größenordnungen (Kategorien, Klassen) der geodynamischen Pro- zesse: (I) Lokal-, (II) Minor-, (III) Meso-, (IV) Geo-, und (V) Megatektonik. Diese fünf Klassen spielten alle mit in der Entstehungsgeschichte der östlichen Südalpen (Siehe Tabelle III). I. Einleitung Es freut mich, hier sprechen zu können und an diesem Gedanken- austausch bezüglich unserer Kenntnisse der Karawanken teilnehnen zu dürfen. Vor allem möchte ich jedoch betonen, daß ich hier nicht als ein Geologe stehe der Ihnen etwas über die regionalgeologischen Tatsachen der Karawanken erzählen kann, da Sie darüber doch viel besser in- formiert sind als ich; sondern im Gegenteil, ich hoffe von Ihnen in dieser Hinsicht zu lernen. Jedoch habe ich als Geländegeologe nach vielen Jahren eingesehen, daß man nie zu einer funktionell richtigen Vorstellung der strukturellen Entwicklung eines Gebietes kommen kann, wenn man nicht auch Einflüsse von außerhalb des regionalen Rahmens mit in Be- tracht zieht. Und in dieser Hinsicht hoffe ich hier etwas beitragen zu können. Nach meinen indonesischen Jahren vor dem Kriege habe ich jetzt fast zwanzig Jahre in Europa, und zwar speziell in den südlichen Alpen gearbeitet. Ein Ergebnis davon war, daß ich nachträglich auch meine Vorstellungen in Bezug auf das indonesische Inselreich korrigieren mußte. Dazu hat natürlich die stürmische Entwicklung der Erdwissenschaften nach dem zweiten Weltkriege beigetragen. Z. В. ergaben Paläomagne- tismus, Ozeanographie, Seismik, Geochemie völlig neue Daten und Einsichten. Eigentlich sind die mehr als vierzig Jahre meiner beruflichen Tätig- keit ein fortwährendes Suchen gewesen nach einem synthetischen, all- gemein gültigen Modell der geologischen Entwicklung. Das ist mir aber erst in den letzten Jahren nach m. E. befriedigend gelungen. Zuerst war ich in meiner Doktorarbeit (1927) ein Nachfolger von A r g a n d (1924) und Staub (1924). Ich war also zuerst ein Mobilist, der Afrika auf den Rücken Europa's (die betische Kordillere Südspaniens) schob. Dann führten mich die Geländeerfahrungen in Indonesien und der Einfluß der Theorien von Charles Schuchert (1928) und Erich Haarmann (1930) zu einem fixistischen Standpunkt. 134 Die Tatsachen bezüglich der strukturellen Entwicklung dieses Insel- reiches ließen sich auch ohne Kontinentverschiebungen erklären, wie ich in meinem Buche »The Geology of Indonesia« (1949) darzulegen ver- suchte. Nach dem Kriege brachte speziell die Geophysik viele neue Daten und wir Geologen konnten etwas nuancierter die tieferen Prozesse im Erdmantel mit in Betracht ziehen. Das machte, daß ich nach einer Synthese zwischen den fixistischen und mobilistischen Modellen der Erdgeschichte suchen konnte. Erste Andeutungen zu einer relativistischen Synthese gab ich z. B. in meinen Arbeiten über das Karaibische Gebiet (1958), über die Alpen (1960) und über geotektonische Stockwerke (1962). Eine ausführlichere Beschreibung dieses relativistischen Prinzips der Struktur-Analyse finden Sie in den Studien über Mega-Undationen in »Tectonophysics« (1964, 1965, 1966), auch in »Geologie« (1968, S. 497—517) und in der »Geologischen Rundschau« (1968, S. 657—705). SchUeßlich werden schon im nächsten Monat die Beiträge zu einem Symposium über die Entstehung des Mittelmeeres erscheinen. II, Relativistische Strukturanalyse Das Prinzip der relativistischen Strukturanalyse bedeutet einfach, daß man bei der Erklärung der strukturellen Verhältnisse eines Gebietes damit rechnen muß, daß der strukturelle »Status quo« das Ergebnis von geodynamischen Prozessen verschiedener Ausmaße ist, die zu verschie- denen Zeiten in der geologischen Vergangenheit stattgefunden haben, und deren Wirkungen superponiert worden sind. Wenn wir also die gegenwärtigen tektonischen Verhältnisse eines Gebietes studieren, ist es nicht richtig, dabei nur ein einziges mentales Modell anzuwenden, z. B. die allgemein übliche Vorstellung der alpinen Deckenbildung durch S—N Zusammenschub der Tethys Geosynklinale. Das wäre, als ob man nur einen Schlüssel zur Erklärung aller Strukturen, von großen bis kleinen hätte. Auf den Alpenstrang haben Spannungsfelder von verschiedensten Aus- maßen eingewirkt, und zwar zu verschiedenen oder einander überlagern- den Zeiten. Diese geomechanischen Spannungsfelder werden gekenn- zeichnet durch Ausdehnung, Teufe, Größe der Gradienten in den Trajektorien der Spannungen. Die mechanischen Ursachen der regionalen tektonischen Deformationen befinden sich zum Teil weit außerhalb des Rahmens des Gebietes, das der Geländegeologe untersucht und zum Teil innerhalb seines Blickfeldes. Im ersten Fall ist er geneigt, einen mobilistischen Erklärungsschlüssel anzuwenden, z. B. Verschiebungen größerer Krustenteile in Bezug auf sein Kartengebiet; im zweiten Fall sieht er eher die tektogenetischen Folgen der lokalen Energie der Lage und gebraucht dann den fixistischen Erklärungsschlüssel der Gleittektonik. Aber der Unterschied zwischen beiden Vorstellungen, Mobilismus und Fixismus, besteht nur in der re- lativen Größenordung der geodynamischen Prozesse. Der Gegensatz zwi- schen beiden Modellen ist nur scheinbar. Es ist nicht ein Fall von ent- weder-oder, sondern von und-und ... 135 III. Gravitationstektonik sensu lato Wenn man diese Gegensätze überblicken und in einem synthetischen Erklärungsmodell der strukturellen Entwicklung der Erde vereinigen will, ist es nötig, daß man sich zu erst klar macht, was die mechanischen Grundprinzipien der Geodynamik sind. Die Paragraphen III und IV können jedoch von jenen überschlagen werden, die sich nur für die mehr regionalen Strukturprobleme interessieren. Alle Massenverlagerungen im Erdkörper (also die ganze Geomechanik) sind die Folge von Kräften die auf diese Massen einwirken. Und welche Kräfte können das sein? Nur zwei Kategorien treten im makroskopischen Bereich der Erde hervor: Die Energie der Lage und die kinetische Energie. Die Energie der Lage hat eine Masse, wenn sie in Bezug auf ihre Umgebung entweder zu leicht oder zu schwer ist. Sie versucht dann aufzusteigen oder abzusinken; dabei verursacht sie einen Massenkreislauf, der entweder primär aufwärts gerichtet ist (diapire Kreisläufe, »buoyant circuits«) oder primär absinkend ist (Einsenkungskreisläufe, »foundering circuits«). Diese Kreisläufe ñnden im Schwerkraftfeld der Erde statt. Sie streben nach Ausgleich von anomalen Massen Verteilungen in diesem Schwerkraftfelde; diese geodynamischen Prozesse sind deshalb Äußerungen der Gravitations- tektonik sensu lato. Die Grundbedingung dieser Kreisläufe (welche ein zu- sammenhängendes geomechanisches System darstellen), ist, daß das End- ergebnis eine Anpassung an das gravitative Gleichgewicht der Erde sein soll. Massendefizite sollen sich auffüllen und Massenüberschüsse sollen abge- baut werden. In der Totalität des Systems ist es natürlich möglich, daß Teilmassen im Kreislauf mehr Energie der Lage bekommen als sie nach ihrer Position haben dürften. Solche Massen werden nach Stellen gedrückt oder gezogen, die ihnen, gravitativ betrachtet, nicht zukommen. Aber solche lokale Abweichungen im System sind im Ganzen betrachtet immer unter- geordnet, gemessen am Gewinn in der gravitativen Anpassung des Systems. Diese allgemeinen Betrachtungen über geodynamische Prozesse im Schwer- kraftfelde der Erde gelten für alle Größenordnungen. Die Gravitation ist eine überall anwesende Kraft; in jedem Massenpartikelchen verursacht sie eine potentielle Energie, »Wegefähigkeit«, infolge ihrer Energie der Lage. Faltungen infolge Schrumpfung der Erde, größerer und kleinerer Massen- kreisläufe im Mantel, Kontinentalverschiebungen, Deckenüberschiebungen im größeren und kleineren Maßstab, Gleitungserscheinungen aller Größen hängen, wenn sie tatsächlich stattfinden, zusammen mit differentiellen Vertikalbe- wegungen, von der potentiellen Energie der Lage ab. Das ist das Konzept der Gravitationstektonik sensu lato, wovon das Konzept der Gleittektonik als Gravitationstektonik sensu stricto nur ein Teil ist. IV. Rotationsenergie als Faktor in der Geodynamik Hier muß noch vollständigkeitshalber kurz eine andere Energiequelle der Geodynamik erwähnt werden, obschon diese Energie in den tektonischen Prozessen der SO-Alpen nicht erkennbar hervortritt. Nicht nur primär radiale Bewegungen spielen in der Geodynamik eine Rolle. Die Rotation der Erde liefert eine kinetische Energie der Massen, welche Ursache dafür ist, das absinkende Massen einen Überschuß an Ro- tationsenergie haben, während aufsteigende Massen zu wenig Rotationsenergie im Vergleich zu ihrer Umgebung haben. Das bewirkt, daß absinkende Massen die Neigung haben voranzueilen und aufsteigende Massen zurück bleiben. Auch Bewegungen von höherer nach niedriger Breitenlage oder umgekehrt haben solche Effekte. In dem atmospherischen Kreislauf spricht man von »Coriolis-Kräften«. Auch in den geodynamischen Kreisläufen des Erdmantels spielen solche Ro- tntionskräfte eine Rolle. Der Gegensatz zwischen dem geotektonischen Patron 136 der Westseite des Pazifiks (ost-asiatische und ost-australische Inselguirlanden) und der Ostseite (das amerikanische Kordillerensystem) ist z. B. das Ergebnis dieser Art von Coriolis-Kräften. Der Zusammenhang zwischen der Erdrotation und den geodynamischen Erscheinungen folgt auch aus der Abhängigkeit der Erdbeben von den Va- riationen der Rotationsachse,* Lieber (1968) sieht in der Erdrotation die universelle Ursache von Erdbeben, welche die geodynamischen Prozesse be- gleiten. Wir betrachten jedoch die kinetische Rotationsenergie nur als eine Kategorie von Spai"uiungen, welche Erdbeben verursachen können, während die primäre Änderungen der Energie der Lage eine andere Kategorie von Spannungen darstellt, die auch Erdbeben verursachen können. Primäre Änderungen der Energie der Lage sind die Folge von entweder unregelmäßig verteilten thermischen Prozessen welche die Dichte ändern (Heizung, Kühlung), oder unregelmäßig verteilten geochemischen Prozessen, welche die Dichte mittels Änderungen der Zusammensetzung des Materiales beinflussen (Chemische Differenziationen mittels ionare und atomare Dif- fusionen). In der Geodynamik muß man beider Kategorien von Spannungsfeldem Rechnung tragen. V. Tektogenetische Erscheinungen in den östlichen Südalpen Nach diesen einleitenden Betrachtungen kommen wir jetzt zur Frage welche Typen von tektogenetischen Erscheinungen man in den östlichen Südalpen unterscheiden kann und die Anteil haben am Strukturbild, das wir jetzt als Geländegeologen studieren können. Zuerst muß ein Unterschied gemacht werden zwischen supra-regio- nalen und intra-regionalen tektogenetischen Prozessen, da diese mobili- stische bzw. fixistische Betrachtungsweisen zur Folge haben. Größere Spannungsfeider, deren Ausdehnungen weit über das vom Geländegeologen studierten Gebiet hinaus reichen, hängen zusammen mit primären, das heißt endogenen Störungen des gravitativen Gleich- gewichtes in der Geoide (Mega-, Geo-, und größere Meso-Undationen). Dagegen hängen die kleineren Spannungsfelder, deren Reichweiten durch den Rahmen des Gebietes beschränkt sind, das vom Geländegeologen regional überblickt wird, mit primären Störungen des gravitativen Gleich- gewichtes zusammen, die von den kleineren Meso-Undationen, sowie von Minor- und Lokalundationen verursacht werden. Diese verschiedenen Kategorien der geodynamischen Prozesse, welche in den Tabellen I und II unterschieden worden sind, verursachten in den östlichen Südalpen zu verschiedenen Zeiten regional-tektonische Er- scheinungen. Dadurch findet eine Strukturentwicklung statt, die sich in sukzessive Phasen einteilen läßt (Tabelle III). In den folgenden Paragraphen wird zu erläutern versucht, wie die verschiedene Kategorien der geodynamischen Prozessen in der geo- * Als Folge der sogenannten Chandler-Präzession beschreibt die Erdachse in ungefähr 14 Monaten einen unregelmäßigen Kreis in Bezug auf die Fixier- punkte am Himmel. Genaue Untersuchungen haben gezeigt, daß die Iden- tionen in diesen Kreisen von schweren Erdbeben irgendwo auf der Welt begleitet werden. Die elastischen Spannungen im Maxwellschen Endkörper erreichen durch diese Variationen der Rotation anscheinend Höhen, die zu bruchartigen Entspannungen Anlaß geben. Die Form des Präzessionskreises ist nach diesen Entspannungen etwas anders als zuvor. 137 Tabelle I Mobilistische Betrachtungsweise der alpinen Tektogenese (Spannungsfelder mit Ausdehnungen, die über die Ostalpen hinaus reichen) 138 Tabelle II Fixistische Betrachtungsweise der alpinen Tektogenese (Spannungsfelder mit Ausdehnungen, die hauptsächlich oder ganz innerhalb der Gebiete der Ostalpen liegen) 139 Tabelle III Das Prinzip der relativistischen Strukturanalyse wird am Werdegang der Kosuta-Einheit erläutert, welche als eine Teilgeantiklinale der Alpen be- trachtet wird CNordflanke- Nordkarawanken; Scheitel- Südkarawanken; Süd- flanke- Kamniker Alpen). logischen Entwicklungsgeschichte der östlichen Südalpen mitgespielt haben. Selbstverständlich ist das hier gegebene Modell nur eine Andeutung, wie das Prinzip der relativistischen Strukturanalyse auf regional-tek- tonische Verhältnisse angewendet werden könnte. In der Zukunft werden wahrscheinlich noch andere Modelle entworfen werden, oder es wird dieses Modell der Undations Theorie auf dem Grunde neuerer Erkentnisse der Tatsachen weiter ausgebaut. Betont sei hier nur, daß in allen Fällen die Methode der Strukturanalyse relativi- stisch sein soll; das heißt, man soll bei der Erklärung der tektonischen Verhältnissen immer mit Spannungsfeldern verschiedener Größen Rech- nung tragen, die zu verschiedenen Zeiten wirkten und deren geodyna- mische Folgen superponiert worden sind. 140 VI. Klase V (Megatektonik) während der Phasen c und e bis g Phase c: (Permo-Triadische O—W Seiten Verschiebungen) Während des alpinen Zykluses der Orogenese haben Kontinentver- schiebungen stattgefunden, wobei die sialische Kruste an der Nordseite des Afrikanischen Kontinentes relative laterale Bewegungen in Bezug auf Europa ausführte. Paläomagnetische Untersuchungen, sowie faziell- stratigraphische Überlegungen bestätigen diese These. Speziell im Perm fanden große O—W gerichtete relative Verlagerungen an Seitenverschie- bungen statt. Dabei entstand in erster Anlage das Peri-Adriatische Lineament, das im Strukturbild der Gegenwart die Grenze bildet zwischen den Ostalpen und Südalpen. In den östlichen Südalpen sind die O—W verlaufende Gailstörung und die O—W gerichtete Störungszone zwischen den Nord-Karawanken und den Kamniker Alpen Teilstücke dieses Permo- Triadischen Großlineamentes. Submarine, mineralführende Thermen, die an diese großen Seitenverschiebungen gebunden waren, lieferten die syn- sedimentäre Anlage des Blei-Zink Erzzuges der Karnischen Alpen und der Nord-Karawanken. Diese Permo-Triadische Megatektonik hängt nach Van Bemmelen (1965) mit der Bildung einer Mega-Undation unter dem alten Gondwanaland zusammen, deren Zentrum im Anfang etwa südlich von Madagaskar lag, wo auch die damalige Südpollage war. Phasen e bis g: (Neozoische NW—SO Seitenverschiebungen) Das Periadriatische Lineament wurde im Neozoikum wieder von dex- tralen Seiten Verschiebungen versetzt, diesmal mit NW—SO Streichen; und zwar zwischen den Gailtaler Alpen und Nordkarawanken von der Möll-Drau-Störung (Van Bemmelen und Meulenkamp, 1965) und am Ostende des Kosuta-Gewölbes von der Lavanttaler Störung (Kieslinger, 1928). Die jüngeren Seiten Verschiebungen machen aber zum Teil auch von den älteren O—W Schwächezonen des Periadriatischen Lineamentes Gebrauch. So biegt die Möll-Drau-Störung südlich von Vil- lach und Rosenbach teilweise in die O—W gestreckte zentrale Zone des Kosuta-Gewölbes ein. Teilweise quert sie die Karnische Zone in gestaf- felter Anordnung zwischen Rosenbach und Jesenice und schließt dann an die Sava-Störung an. Letztgenante Störung hat eine dextrale Lateral- komponente an der Nordseite des Kranj er Beckens, die sich z. B. in der V7est-Verschiebung der Smrekovec Tuffe in der Kranj er Beckenfüllung (um etwa 25 km, nach Hinterlechner-Ravnik und P1 e n i č a r , 1967)* zeigt. Die Sava-Störung läßt sich in östliche Richtung zwischen den Kamniker Alpen und den Trojaner Horst bei Celje verfolgen und schließt dann an die Lavanttaler-Störungzone an, von der sie eine Ab- zweigung ist. * Hinterlechner und P1 e n i č a r schreiben, daß die nördliche Ein- heit (die Kamniker Alpen) entlang der Sava-Störung um 25 km (süd)oetwärts verlagert wurde. Das Prinzip der relativistischen Strukturanalyse und ein Blick auf die Strukturkarte Zentral Europas (Abb. 1) bringen uns jedoch zur Einsicht, daß es mit Bezug auf den strukturellen Rahmen richtiger ist, zu sagen, daß die südlichen Einheiten entlang der Sava-Störung 25 km (nord)- westwärts verlagert wurden. 141 Die Sava-Störung verläuft an der Nordseite des Kranj er Beckens in NW—SO Richtung. Westwärts verzweigt sie sich in die obengenannte Möll-Drau-Störung und andere, in der Umgebung von Tarvisio mehr O—W gerichtete Störungen. Von dem O—W gerichteten Tarvisio-Paularo Graben zweigt sich bei Malborghetto-Ugovizza ein weiterer Teilgraben in NW-Richtung ab, welcher den Hochwipfel-Gartnerkoffel Komplex umfaßt (Kahler & Prey, 1964; Van Bemmelen & Meulen- kamp, 1965, Abb. 3 auf S. 253 und Abb. 4 auf S. 257). Die große laterale Komponente der Sava-Störung im Bereich des Kranj er Beckens wird (via Möll-Drau-Störung) im Tauern-Fenster und (via Hochwipfel-Störung und Gail-Störung) in den Lienzer Dolomiten amortisiert. Im zentralen Zweig des Pontebba-Paularo Grabens sind keine lateralen Verlagerungskomponenten mehr zu erkennen. Diese jüngeren Verschiebungen gehören zu einem System von NW—SO verlaufenden rechten Seitenverschiebungen in Südost Europa, zu denen auch die Idrija Seiten Verschiebung, die Vardar Zone und andere rezente, seismisch noch aktive rechte Seitenverschiebungen an der Ostseite des Adriatischen Meer gehören (Van Bemmelen, 1969a und b; Rit sema, 1969; Gospodaric, 1969). Diese Seitenverschiebungen im Neozoikum sind Begleiterscheinungen lateraler Verlagerungen der sialischen Krüstenteile im Gebiet des Mittel- meeres und seines Rahmens. Letztgenannte Schollenverlagerungen hängen mit der Entwicklung der Afro-Arabischen Mega-Undation (Van Bem- melen, 1966) zusammen. Sie begannen schon während der Wendezeit zwischen Kreide und Neozoikum (Bildung der Gailtalergräben wegen der gestaffelten Anordnung), dauerten aber (vielleicht ruckartig) bis in die Gegenwart (Skopje-Erdbeben) an. Es sind megatektonische Prozesse, die größere Dimensionen haben als die Alpine Orogenese im engeren Sinne und von ihr unabhängig sind. Deshalb überschneiden und/oder deformieren sie die Alpinen Strukturen. Die jüngeren NW—SO Ver- schiebungen sind typische Transformierungsstörungen (»Transform faults« im Sinne von Tuzo Wilson, 1965). Sie verursachen Dehnungen an ihrer Rückseite oder bei gestaffelter Anordnung und Kompressionen dort wo sie enden: Die Möll-Drau Seiten Verschiebung wird amortisiert im Gewölbe des Tauernfensters und die Lavanttaler Zone in den nördlichen Kalkalpen. VII. Klasse IV (Geotektonik) während der Phase c Kontinentverlagerungen sind Begleiterscheinungen des Verfließens von mega-undatorischen Deformationen der Geoide. Die lateralen Bewegungen sind von dem aufsteigenden Gebiete der Megabeulen nach den absinken- den Regionen gerichtet, damit die endogenen Zunahmen und Abnahmen der Energie der Lage wieder ausgeglichen werden. Bei diesen Verlage- rungen der Krustenteile hat jedes Massenpartikelchen seine eigene Weg- fähigkeit, weil es sich im Schwerkraftfeld der Erde befindet und eine Lage anstrebt, wo die freie Energie ein Minimum hat. Es sind also aktive Driftbewegungen. 142 Dieses mechanische Bild des Prozesses der Kontinentwanderungen auf Grunde der Gravitationstektonik sensu lato — aktive Drift — ist anders als die bisher übliche Vorstellung der passiven Drift, wobei Krustenteile von Konvektionsströmungen im Untergrunde mitgeschleppt, bzw. gedrückt und/oder gezogen werden (Friktionskuppelungen und -entkuppelungen). Bei der aktiven Bildung von Großgleitbrettern im oberen Mantel und der Kruste finden in den Gebieten von Defizit an Energie der Lage durch zentropetales Zufließen Steigerungen des Druckes statt. Auch an Stellen, wo die lateralen Verlagerungen durch irgendeine megatektonische Ursache abgebremst wird, können Druckhöhungen erwartet werden. Diese Druck- höhungen haben Übergänge zu Mineralphasen höherer Packungsdichte zur Folge (Ringwood, 1969). Das morphogenetische Ergebnis ist ein langsames, epeirogenes Absinken der Lithosphäre. Solche Zonen geo- synklinaler Absenkung, die mehr als 100 Millionen Jahre anhalten können, treten speziell unter den frontalen Teilen der wandernden Kontinente auf. Die Tethys ist so eine geotektonische Absenkungszone (von mehr als 1000 km Breite) zwischen Laurasia und den Indico-fugal auseinander- treibenden Fragmenten des alten Gondwanalandes. Es ist verständlich, daß diese geosynklinalen Absenkungszonen, die eine Reaktion auf Mega- Undationen der Klasse V sind, eine Kategorie kleiner sind und zu der geotektonischen Kategorie (Klasse IV) gehören. VIII. Klasse III (Mesotektonik) während der Phasen d und / Nach einer längeren Periode der geosynklinalen Absenkungen (etwa 100—200 Millionen Jahre) sind die absinkenden Massen im oberen Mantel (wobei die Geoisothermen mit zur Tiefe abgebogen wurden) wieder so weit aufgewärmt, daß Segregationen von basaltischen Eutektika statt- finden (Van Bemmelen, 1968). Diese eutektischen magmatischen Ausscheidungen steigen auf, weil sie ein niedrigeres spezifisches Gewicht haben als die »Pyrolite«, »Eklogite«, oder »Peridotite« des oberen Mantels. Dieses diapirartige Aufsteigen von Mantelmaterial, reich an magmatischem Material, sammelt sich beim Erreichen der Moho an, da der darüber gelegene Sial ein noch niedrigeres spezifisches Gewicht hat. Unter gün- stigen Umständen, wobei das seitliche Abfließen dieser aufsteigenden Ströme entlang der Basis der Sialkruste gehindert (beinträchtigt) wird (z. B. durch ein unregelmäßigen Moho-Relief) kann sich eine Blase von basaltischen Magmen anhäufen, welche im Stande ist, ihr sialisches Dach aufzuwölben (Van Bemmelen, 1969a). Das morphogene Ergebnis ist eine Beulung oder Schwellung im geo- synklinalen Gebiet, umgeben von Ringsynklinen. In den peripheren Trögen werden Flysch Sedimente abgelagert und unter günstigen Um- ständen können an Störungen Basaltmagmen emporsteigen und sub- marine Ergüsse von Ophioliten liefern. Die Blasen von Basaltmagmen an der Basis der Sialkruste sind Asthenolite der ersten Generation und die von ihr verursachten Beulungen des geosynklinalen Untergrundes sind orogene Störungszentren mit Durchmessern von einigen hundert Kilometern. Sie haben die Größen- 143 Ordnung von großen Meso-Undationen und gehören schon zur dritten Kategorie geodynamischer Erscheinungen (Klasse III). Das Adriatische Störungszentrum entstand schon in der unteren Kreidezeit. Die Sialkruste oberhalb der Base basaltischer Magmen mit höherer Temperatur (etva 1000" bis 1200® C) wurde an ihrer Unterseite mobilisiert (Migmatisation und Anatexis mit Bildung palingener sialischer Magmen). Dieses bathydermale Material wurde zuerst vom verfließenden Gipfel in einem Kreislauf im oberen Mantel abgeführt; dabei wurden die sialischen Komponenten mit in die Tiefe abgeschleppt und fanden dort chemo-physikalische Gleichgewichtszustände in der Form von Hochdruck- Hochtemperatur Mineralphasen. Schließlich war jedoch die obenliegende Sialkruste durch diesen Prozeß so korrodiert und dünn geworden, daß nicht nur die mobilisierte Derma subkrustal abfloß, sondern auch das kristalline Grundgebirge (Derma) seitwärts mitverlagert wurde. Dabei entstanden die Großdecken des Ostalpinen Systems, die in den nördlichen Trog des Kreide Flysches hineinglitten (Siehe auch: Van Bemmelen, 1969b). Der kristalline Unterbau dieser Decken, wie das Silvretta- und ötztal- Kristallin, war also vom Anfang an nur wenige Kilometer mächtig und trug auf ihrem Rücken die Alpine Sedimenthaut (Epiderma) passiv mit nordwärts (Van Bemmelen, 1966, Abb. 6, S. 37). In einer finalen Subphase dieses Hauptaktes der Alpinen Deckenbil- dung glitten Gleitbretter der Sedimenthaut noch weiter voran in den Flyschtrog und bildeten so eine erste Anlage der nördlichen Kalkalpen (Ciar, 1965). Die alte Schwächelinie des Periadriatischen Lineamentes wurde bei diesem Pi'ozeß auch passiv mit nach Norden verfrachtet. Es ist möglich, daß diese Linie schon im Bereich der Karawanken eine vertikale kompo- nente hatte, wodurch die Alpine Sedimentserie südlich dieser Linie tiefer lag als an der Nordseite. Bei obengenanntem Dekollement der Sediment- haut zum nördlichen Flyschtrog blieb das Mesozoikum südlich der peri- adriatischen Linie zurück. Nördlich davon wurde das Grundgebirge entblößt, abgesehen von den Nord-Karawanken, Lienzer Dolomiten, Gailtaler Alpen und den isolierten Resten, die wir jetzt noch in den Zentral-Alpen finden. Dieser Zyklus der Orogenese des Adria-Zentrums, welcher die großen ostalpinen Deckenüberschiebungen während der Flyschphase verursachte, v/urde durch die transgressive Bildung der Gösau-Schichten abgeschlossen. Es müssen hier noch einige Beti'achtungen mit Bezug auf die Dimensionen der Geodynamik in den Alpen während der Flyschphase eingefügt werden. Schon seit 1933 hat Verfasser von einem Adria Zentrum der Orogenese gesprochen, das sich innerhalb des Bereiches der Tethys Zone zu dieser Zeit entwickelt hat. Dieses Zentrum war älter (untere Kreide) als die Störungs- zentren in den westlichen mediterranen und pannonischen Gebieten, welche die O—W Ausdehnung des Adria-Gebietes später quer einengten (Van Bemme- len, 1969a). Es stellten sich jedoch zwei Fragen: a. Was war die ursprüngliche O—W Ausdehnung dieses Adria-Gebietes und b. können wir diesem Gebiet dasselbe geodynamische Modell zumessen wie den jüngeren Störungszentren im westlichen mediterranen Gebiet und in der pannonischen Senke? 144 Abb. 1. Geotektonische Karte Zentral Europas. Legende: I Gebiete, wo das Grundgebirge aes europäischen Vorlandes zu Tage tritt. II Ozeanisierte Gebiete des afrikanischen Hinterlandes. III Faltenzüge des alpinen Gebirgssystems. Die O—W Leitlinien des alpinen Systems zwischen Gibraltar und dem mesoptotamischen Abschnitt werden von dem NW-gerichteten Vorspringen des Alpen-Karpathen Bogens unterbrochen. A r g a n d (1924) hat diesen Vorsprung »promontoire africain« genannt. Verfasser zeigte, daß dieser alpine Vorsprung an seiner linken Seite (Backbord) von der großen transatlantischen, sinistralen Seitenverschiebung »Reykjaness Lineament« genannt und an der rechten Seite (Steuerbord) von einem anderen transatlantischen Lineament, dem »Jan Mayen Lineament« begrenzt wird. Zwischen diesen beiden Leitspuren ist das europäische Vorland NW-wärts ausgedehnt und an ihren Rückseite dringt das afrikanische Hinter- land lobenartig über eine Breite von mehr als 1500 km ungefähr 1000 km weit \-orwärts (zwischen den Betischen Kordilleren und dem Anatolischen Abschnitt des alpinen Systems). Diese altbekannte Deformation der alpinen Leitlinien hat eine geotekto- nische Dimension. Sie ist vergleichbar mit einem ähnlichen Vorsprung der alpinen Leitlinien in dem Himalaya-Abschnitt, wo über eine mehr als 2500 km breite Front die alpinen Ketten mehr als 1000 km nordwärts verlagert wurden (zwischen Indus und Bramaputra). Diese jüngere Deformation der O—W Leitlinien der Tethys läßt sich direkt mit der neozoischen Norddrift des indischen Subkontinentes in Verbindung bringen. Das ist also ein megatektonisches Modell (Van Bemmelen, 1965). Aber die Deformation der O—W Leitlinien der Tethys in dem europäischen Vorsprung des Alpensystems läßt sich nicht unvermittelt durch die nordwärts gerichteten Verlagerungen des afrikanischen Hinterlandes erklären. Wenn die Nordverlagerung Afrikas im Abschnitt der Alpen-Karawanken-Schlinge mehr als 1000 km betragen hat, muß auch ein gleich großer Zusammenschub in den O—W streichenden anschließenden Teilen des alpinen Systems angenommen werden (Betische Kordillere und Ketten des alpinen Systems in Anatolien). Der Betische Abschnitt läßt sich jedoch auch fixistisch erklären (Klasse III), wie Verfasser gezeigt hat (Van Bemmelen, 1952). Wenn der Zusammenschub dieses Abschnittes mit einer Nordverlagerung Afrikas von mehr als 1000 km in Verbindung stände (entsprechend einem mobilistischen Modell der Klasse V), dann müßte hier viel sialisches Material vorher durch mediterrane Ozeanisation (Van Bemmelen, 1969a) ver- schwunden sein. Das Hinterland der alpinen Schlinge wird vom ostmedliter- ranen Gebiet gebildet, wo sialisches Krustenmaterial nach geophysischen Daten zwar wohl noch anwesend ist, aber doch dünner ist als im alten Kontinent selber. Es hat hier eine Dehnung des Schildes vom Typus der atlantischen Ozeanisation oder eine Korrosion der Sialkruste vom mediterranen Typus stattgefunden. In beiden Fällen hat sich hier die sialische Kruste unter der Tethys autonom weiter vorwärts verlagert als das afrikanische Hinterland, wie auch A r g a n d (1924) schon in seinem Profil angedeutet hat. Diese Autonomie ist sogar jetzt noch in einem zentralen Keil seismisch nachweisbar. Zwischen den dextralen Seitenverschiebungen der Vardar Zone und der davon in der Richtung des Adria- und Po-Becken abzweigenden Erdbebenzone mit sinistralen Seitenverschiebungen bewegt sich der dinarische-adriatische Keil NW-wärts. Wo er die Ostalpen erreicht, verursacht er dextrale Verschiebungen an Steuerbordseite (Lavanttaler-Sava Zone) und sinistrale an Backbordseite (Vicenza-Störung, Engadin-Störung). Im Ostalpenkörper und ihrem Vorland verursacht er Kompresionserdbeben (R i t s e m a , 1969). Diese autonomen Nordverlagerungen im Bereich der Tethyszone hat Ver- fasser mit Hilfe von Massenkreisläufen im oberen Teil des Obermantels und aufsteigenden und nordwärts abfließenden Strömungen ophiolitischer Magmen (Van Bemmelen, 1966, Abb. 5, Flyschphase und Abb. 6) erklärt. Während dieser Kreisläufe der ophiolitischen Magmen, wurde die aufliegende Sialkruste schon weitgehend (bis auf wenige Kilometer Mächtigkeit) korrodiert, bevor die magmatischen Unterströmungen im Stande waren, die Sialkruste und ihre Sedimenthaut mit zu verfrachten. Die Bildung der Alpenschlinge wurde wahrscheinlich durch Dehnungs- erscheinungen im europäischen Vorland ausgelöst, aber die Verlagerungen der 10 — Geologija 13 145 residualen Kruste des afrikanischen Hinterlandes waren viel größer und ge- schahen durch einen passiven Transport auf magmatischen Unterströmungen, deren Ausdehnung auf die Tethyszone beschränkt war. Die Dimensionen dieser geodynamischen Prozese liegen im Grenzbereich der Klassen IV (Geotektonik) und III (Mesotektonik). Die Durchmesser des Adria Zentrums der alpinem Orogenese waren jedenfalls viel größer als die der jüngeren orogenen Störungs- zentren des westlichen mediterranen Gebietes und des pannonischen Beckens. Die Geodynamik des Adria-Zentrums (samt der ostalpinen Deckenbildung) braucht ein mobilistisches Erklärungsmodell; dagegen lassen sich die anderen Störungszentren im mediterranen Teil der Tethys fixistisch deuten (siehe die Entwichlung des Tyrrhenischen Zentrums in Van Bemmelen, 1969a, Abb. 9 und 10 und Van Bemmelen, 1969b). Die nächste Phase der Strukturbildung der Ostalpen wurde gekenn- zeichnet durch eine Wiederbelebung der großen Seitenverschiebungen, die zur Kategorie V gehören. Diese intermediäre Dehnungsphase gehört zur Phase e der Entwicklungsgeschichte (Tabelle III) und hängt wahrscheinlich mit der Bildung der Afro-Arabischen Mega-Undation (Van Bemme- len, 1966; Gass and Gibson, 1969) zusammen, sie wurde deshalb schon im Kapittel VI besprochen. Nach der Flyschphase d folgt dann die Molassephase wobei die Alpen als große Geantiklinale emporgewölbt wurden. Das Adriazentrum hatte einen Durchmesser von vielen hunderten Kilometern und gehört deshalb wenigstens zu den größeren Meso-Undatio- nen (Klasse Illa) wenn nicht schon zur Geotektonik (IV). Die alpine Geantiklinale in der Molassephase ist zwar lang, aber der Breite nach ist sie kleiner, nämlich nur etwa 150 km im Ostalpen Sektor. Sie gehört daher zur Mesotektonik der Klasse Illb. Diese alpine Meso-Undation verursachte ein bivergentes Abgleiten der Sedimenthaut weiter nordwärts in die Molasse-Senke von München und südwärts (das heißt rückwärts) in die Po-Senke (Van Bemmelen, 1966). Die Südgrenze der südvergenten Abgleitungen streicht O—W, von den Randketten der Bergamasker Alpen (De Jong, 1969) über die Vizen- tinischen Alpen (De Boer, 1963) und die Südkarnischen Alpen (V i n k , 1968) zu der Linie Tolmin—Ljubljana—Krško, welche etwa die Grenze zwischen den O—W streichenden alpinen Strukturen und den NW—SO streichenden Dinariden (Gospodaric, 1969) bildet. IX. Klasse II und I (Minor- und Lokaltektonik) während der Phasen / und g Minortektonik Die östlichen Südalpen, die wir in dieser Arbeit betrachten, bilden ein Teilelement der alpinen Geantiklinale, das sich zwischen dem Klagen- furter Becken und Pohorje-Gebirge im Norden und der Tolmin—Ljub- ljana—Krško Linie im Süden befindet. Abb. 2. Schematische Karte der östlichen Südalj>en (Vetter' sehe Karte 1930 als Unterlage). Legende: 1 Paläozoische, intrusive, metamorphe Gesteine, 2 Mesozoische Ge- steine, 3 Tertiäre Ablagerungen, 4 Prä-Mesozoikum in den Südalpen, 5 Meso- zoikum; a) U & M Trias (+ lokales Perm), b) O Trias, c) Jura und Kreide, 6 Tertiäre Ablagerungen. Kamniker Alpen: B: Bistrica Stock, K: Kokra Stock, G: Grintavec, O: Ojstrica. 147 Dieser Teil der Alpen besteht aus den folgenden Einheiten: a) die Julischen Alpen, b) das Kranj er Becken, c) die Nordkarawanken, d) die Südkarawanken, e) die Kamniker (Steiner-) Alpen, f) die Sava Faltenzüge und der Poljane Dom. Die Julischen Alpen bilden das Ostende der südlichen Kalkalpen. Sie gehören zur Süd-Abdachung der Alpen südlich der periadriatischen Linie. Die Schichten fallen im allgemeinen südwärts. Wichtige Falten und Über- schiebungen existieren nur am Südrande dieses Alpenteils. Das große Ausmaß der Überschiebungen in Grenzbereich der Venetianischen- Julischen Alpen ist erst im letzten Jahrzehnt als Ergebnis der Bohrungen für die Erdölforschung (Martinis, 1966) bekannt geworden. Um diese wichtige südvergente Überschiebungen erklären zu können, ist es not- wendig, eine Abscherung von mindenstens 5 bis 10 km der jüngeren Teile des Mesozoikums von dem tektonischen Sockel zu postulieren (D e Jong, 1967). ^ Auch im Bereich der Julischen Alpen ermöglichte die Abscherung von mitteltriadischen und jüngeren Schichtpaketen die Bildung von Falten und Überschiebungen am Südrande. Dort wo die Gesteinspakete unter- schiedlich weit südwärts verlagert wurden, bildeten sich transversale Blatt Verschiebungen wie die Mangart-, Mojstrovka- und Kanj avec Ver- schiebungen. Die zwei erstgenanten Brüche existierten schon während der Jurazeit als Faziesgrenzen (Winkler, 1923, Selli, 1953). Die Einheiten c, d und e bilden zusammen eine Teilgeantiklinale, die wir (nach der höchsten Kette) die Kosuta-Aufwölbung nennen. Die Kosuta-Kette im engeren Sinne gehört zu der zentralen Zone der Südkarawanken, welche die Scheitelzone dieser Aufwölbung bilden. Die Nordkarawanken bilden die Nordflanke, welche an das Klagenfurter Becken grenzt, und die Kamniker Alpen die Südflanke, welche an das Kranj er Becken grenzt. X. Die Kosuta-Aufwölbung Hier wird jetzt versucht, ein Bild der Tektogenese der Kosuta-Auf Wöl- bung nach dem Prinzip der relativistischen Strukturanalyse zu skizzieren. Die Kosuta-Teilgeantiklinale ist an ihrer Ostseite bei Jesenice nur etwa 10 km breit und hat die größte Breite in Querschnitt des alttertiären Smrekovec-Vulkans (35 km). Sie hat eine ziemlich symmetrische Struktur. Nord- und Südflanke bestehen zum größten Teil aus permo-mesozoischen Sedimenten, welche nord- bzw. südwärts abgeglitten sind, während in der zentralen Zone das Paläozoikum mit plutonischen Intrusionen zu Tage tritt. 148 Die N o r d k a r a w a n k e n Die nordvergente Überschiebung der Nordkarawanken ist speziell durch die Arbeiten von Kahler (1953, 1962), Prey und Kahler (1958) und Struci (1962, 1965) eine gut bekannte Tatsache. Nur die geomechanische Erklärung ist noch umstritten. Ist diese nordvergente Uber- schiebung das Ergebnis von Spannungsfeldern größeren Ausmaßes (Klas- sen IV oder VI), welche eine allgemeine Süd—Nord Zusammenpressung des Alpenkörpers zufolge haben? Oder ist sie eine tektonische Erscheinung beschränkter Bedeutung, das heißt nur die Folge der endogenen, primären Bildung des Kosuta-Gewölbes (Tektogenese der Klasse II)? Der westliche Teil der Nordkarawanken Das Profil des Ferlacher Horns im westlichen Teil der Nordkarawanken wurde 1958 von Prey publiziert (in Prey und Kahler, 1958), und als Ergebnis größerer Kompression gedeutet. In diesem Profil kommen jedoch Abschiebungsbrüche (das sind Dehnungserscheinungen) vor, die schwer mit einer solchen allgemeinen Zusammenpressung zu erklären sind (siehe Störungen (4) und (7) in Abbildung 3). Eine Umdeutung des Prey sehen Profiles als Ergebnis kleinerer Span- nungsfelder (Klassen II und I) wäre jedoch sehr wohl möglich. Während der Flyschphase d glitt schon die Sedimenthülle der ostalpinen Decken vorwärts, wobei das kristalline Grundgebirge der zentralen Alpenzone entblößt wurde (Ciar, 1965). Das südalpine Permo-Mesozoikum blieb dabei zurück, hauptsächlich südlich des Periadriatischen Lineamentes. Nördlich des zurückgebliebenen Teiles der Sedimenthaut entstand eine Art Abbruchzone des Schichten- paketes (Abb. 3a). Vom Gewicht des aufruhenden Mesozoikum befreit stieg das denudierte Grundgebirge aufwärts. Nachträglich werden Grund- gebirge und Mesozoikum der Nordkarawanken vom Tertiär überdeckt (Abb. 3b). Nach dem Miozän kamen die Nordkarawanken als Nordflanke der Kosuta-Einheit wieder empor (Abb. 3c). Dieser Gebirgsteil hat also zw'eimal eine Vertikalbewegung in Bezug auf ihr Vorland durchgemacht. Die erste, relative Senkung der Nordkarawanken war größer als die zweite, relative Hebung. Bei der Aufwölbung der Košuta im Jungtertiär traten die alten Schwächelinien der O—W Seitenverschiebung wieder in Erscheinung, so daß nicht eine Geantiklinale entstand, sondern eine Struktur, die aus schmalen- Grundgebirgsstreifen bestand, getrennt von normalen OW Störungen. An der Grenze zwischen den mesozoischen Horsten und dem Kla- genfurter Becken verursachten die Verwerfungsstufen zuerst Abstürze von jüngeren mesozoischen Schichten. Diese Verwerfungsstufen wurden anschließend durch Gleitbretterbildung in den mesozoischen Schichten der gehobenen Scholle überkippt. Die Absturzmassen am Fuße der Verwer- fungsstufe wurden dabei zerquetscht und bilden jetzt'die von Kahler 149 unterschiedene »Sockeldecke« (zwischen la und Ib in Abbildung 3). Nachträgliche Abstürze der Nordkarawankenfront füllten das Drautal mit groben Breccien, die Prey »abgesessene Massen« nennt. Die Tektogenese des westlichen Teils der Nordkarawanken wäre in diesem Sinne fixistisch als Erscheinungen lokaler Schwerkrafttektonik zu deuten. Die »Nordkarawanken-Uberschiebung« (1 b in Abb. 3) gehört zur Klasse II, und die Abrutschungen der »Sockeldecke« la gehören zur Klasse I. Der zentrale Teil der Nordkarawanken wird vom Eisenkappier Abschnitt gebildet. Hier haben allmählich lokale Abstürze und Gleitbrettbildungen in Zusammenhang mit der Heraus- hebung der Kosuta-Einheit stattgefunden. Das kohlenführende Tertiär des Klagenfurter Beckens wurde dabei bis fast 1200 m. ü. M. gehoben (Pre- vernik). B. Bollegraaf aus Utrecht arbeitete im Eisenkappier Gebiet nach Absprache mit Kahler und unter Führung Van Bemmelen's während der Sommer von 1963 und 1964. Er kam dabei zu einem ähnlichen Bild wie hier oben für den Querschnitt des Ferlacher Horns skizziert wurde. Nachher führte auch Dr. F. Bauer von der Geologischen Bun- desanstalt Wien Geländeuntersuchungen im zentralen Teil der Nord- karawanken durch. Auch seine Karten und Profile, die er uns 1968 zeigte, können in ähnlicher Weise gedeutet werden, wie während einer gemein- samen Exkursion im Juli 1968 festgestellt werden konnte (siehe auch Bauer, 1968). Die nördlichen Karawanken bilden eine O—W Stufe des Grundgebirges zwischen dem abgesunkenen Klagenfurter Becken und dem hoch empor- gewölbten O—W Zug der südlichen Karawanken (Košuta). Diese Nord- karawanken-Scholle ist dabei in Teilschollen zerbrochen und das permo- mesozoische Schichtenpaket hat sich nordwärts in die Klagenfurter Tiefe ausgedehnt. Dabei ist die Kombination von Teilhorsten und Teilgräben entstanden, deren Bruchstufe sich an der Nordseite über das Pliozän des Vorlandes legte und jetzt als Karawanken-Nordüberschiebung ausstreicht. Abgeglittene höhere Schichten werden dabei zum Teil überfahren (Sittersdorf) und zum Teil breiteten sie sich kilometerweit in total brecciö- sem Zustand über das Vorland aus. Die glaziale Erosion hat noch einen Schwärm von Klippen zurückgelassen (Hemma, St. Stephan, u. a.). Abb. 3. Profü des Ferlacher Horns (Nach Kahler & Frey, 1959). 3abc: Schematische Darstellung der Bewegungen der Nordkarawanken. 3 a. Die N.-Karawanken blieben zurück, während die mesozoische Bedeckung des Nordkarawankenvorlandes nordwärts abglitt, wobei die Deckenüberschie- bungen der nördlichen Kalkalpen erfolgten (im Kreide?). 3 b. Das tektonisch denudierte Vorland der N.-Karawanken kam während der Absenkung des N.-Karawankenstreifens empor; beiden wurden nachträglich vom Tertiär überdeckt. 3 c. Die Hebungen und Senkungen der vorigen Phase fanden in der entgegen- gesetzten Richtung während des Jung-Miozän und Pliozän statt. 150 Der östliche Teil der Nordkarawanken östlich der Peca ändert sich aber das Bild einigermassen. Das Kla- genfurter Becken im Vorland wird an der Ostseite von einer NW—SO streichenden Störung begrenzt, die vom Krappfeld über Bleiburg verläuft und im Rischbachtal, nahe der slowenischen Grenze, bis an die Peri- adriatische Linie zu verfolgen ist. Die zerbrochene Grundgebirgsscholle die unterhalb der östlichen und zentralen Karawanken als Stufe zwischen Klagenfurter Becken und Südkarawanken auftritt, hört wahrscheinlich an dieser Bleiburgstörung auf. Die östliche Fortsetzung wird von einem abgesunkenen Grund- gebirgsstreifen gebildet, der sich zwischen dem Paläozoikum der Magda- lensberg-Serie bei Bleiburg und jenem der Südkarawanken befindet. Dieser abgesunkene Untergrundsstreifen der östlichen Nordkarawanken wird von marinen bis kohleführenden tertiären Schichten bedeckt, die schon im Rischbachtal ausstreichen und die mesozoische Gornja-Deck- schole an der Staatsgrenze unterlagern (Abb. 4). Der östliche Teil der Nordkarawanken ist weit über das Kohlentertiär nach Norden über- schoben, wie von Kieslinger (1929) und Struci (1962, 1965) gezeigt wurde. Der überschobene Streifen von Trias und Jura ist etwa 3 km breit; er-wird an der Südseite von einer komplexen Grabeneinsenkung begrenzt die zwischen Polena und Crna etwa 4 km breit ist. Letztgenannte Gra- benstruktur ist die östliche Fortsetzung ähnlicher Grabeneinsenkungen in den westlichen und zentralen Teilen der Nordkarawanken. Die Südgrenze wird von der Periadriatischen Störungslinie gebildet, die zwischen den Nord- und Südkarawanken ausstreicht. Der Dehnungscharakter dieser Grabenzone ist klar erkenntlich im schönen Tektonogramm das Struci vom Mežica Blei-Zink Bergwerk zeichnete (Struci, 1962, Abb. 6 an d. S. 51; siehe auch die Profile gegenüber S. 128 in Struci, 1965). Diese Dehnungen kompensieren den gleitbrettartigen Vorschub des nördlichen Streifens. An der Südseite der Grabenzone streichen steile untertriadische Schichten aus, die an der Periadriatischen Störung (= Eisenkappier Störung oder Javorski Prelom) emporgeschleppt worden sind. In diesem östlichen Abschnitt der Nordkarawanken sind die Verhält- nisse anders. Der 2 И km breite Crna-Block trägt Relikte von Perm, welche nach der Abgleitung der Nordkarawanken in situ zurückblieben. Zu den möglichen Herkunftsgebieten können außer dem Crna-Block auch die etwa 2 % km breiten Ausbisse herzynischer und alpiner Plutonite des zentralen Horstes gerechnet werden. Diese etwa 5 km breite zentrale Zone (Süd- karawanken) kann das Herkunftsgebiet der östlichen Nordkarawanken gewesen sein. Die S ü d k a r a w a n k e n Der zentrale Teil der Kosuta-Einheit wird von den Südkarawanken gebildet. Sie bestehen aus zahlreichen O—W streichenden schmalen Linsen, die durch subvertikale Störungen voneinander getrennt sind. Der 152 Abb. 4. Profil der Gornja Deckscholle (östliche Nordkarawanken). Nach I. Struci 1 Obermiozäne Konglomerate und Breccien, 2 Obermiozäne Tonschichten, 3 Hauptdolomit (Nor), 4 Raibier Schichten (Kam), 5 Wettersteinkalk (Ladin), 6 Wettersteindolomit (Ladin), 7 Partnachschichten (Ladin), 8 Anisschichten, 9 Permo-skytische Sedimenten, 10 paläozoische Schiefer (Silur ?), 11 Grano- diorit (variszisch), V3 Tiefbohrung, 153 Ljubelj-Querschnitt ist etwa 8 km breit und in viele Teilblöcke zer- brochen (Kahler in Prey & Kahler, 1958). Dieser Teil ist die Kosuta-Kette im engeren Sinne, welche aus Oberkarbon und Perm-Trias- Jura besteht. In westnordwestlicher Richtung wird die zentrale Zone schmäler und erreicht zwischen Rosenbach und Mittagskogel den jungen Grabeneinbruch von Villach. Diese sogenannte »Vorberg Zone« der Süd- karawanken besteht aus einer Garbe (einem Schwärm) rechter Seiten- verschiebungen, von denen auch tertiäre Schichten (Braunkohlenführende Rosenbach-Schichten) betroffen wurden. Diese Seitenverschiebungen (welche hier etwa 60" SW einfallen) schließen sich der rechten Möll- Drau-TransVersalstörung; an dieser Störung sind die Gailtaler Alpen in Bezug auf die Karawanken dextral um etwa 20 km versetzt. Die jüngeren rechten Seitenverschiebungen der zentralen Zone und der Sava-Störung treten vereinigt bei Rosenbach hervor. Sie werden via Möll-Drau-Störung weiter geleitet, um schließlich im Tauernfenster amortisiert zu werden (siehe VI, siehe auch Fig. 5 in Van Bemmelen und M e u 1 e n - kamp, 1965). Die östliche Fortsetzung der Košuta-Kette sensu stricto wird an ihrer Nordseite durch zwei schmale O—W Linsen begrenzt; nach Struci (1965) besteht die nördliche, welche durch die Periadriatische Linie von den Nordkarawanken getrennt ist, aus herzynischen Graniten (Eisen- kappler Graniten) und kontaktmetamorphen Schiefern. Südlich der Peca beträgt die maximale Breite etwa 3 km. Die zweite Linse, südlich der herzynischen Granite, besteht aus alpinen Tonaliten, welche südlich von Crna etwa 2 km breit sind und an ihrer Südseite mittels einer subverti- kalen O—W Störung von dem oligo-miozänen Smrekovec-Vulkan getrennt werden. Die Eisenkappier Linse, mit ihren herzynischen Graniten, Diabasen und Schiefern, keilt ostwärts aus und ist NE vom Orlov (1043 m) nur noch etwa 100 m breit. Sie wird dann abgelöst von einer anderen Linse, die sich nach Struci zwischen der Eisenkappier Linse und der Javorje- Störung einschaltet. Diese Linse besteht aus Schiefern, welche den Magda- lensberg-Schiefern (Silur?) sehr ähnlich sind. Es ist jene, etwa 2 K> km breite Einheit, welche noch Relikte der permo-triadischen Sedimenthaut trägt, und die wahrscheinlich das Herkunftsgebiet ist, von dem der östliche Teil der Nordkarawanken abgeglitten ist. Die Südkarawanken sind im Neozoikum von dextralen Seitenverschie- bungen der Länge nach in schmale Linsen zerteilt worden. Der Südkara- wankenzug biegt ostwärts in ESE Richtung ab, bis die Seitenverschie- bungen die Lavanttaler-Zone erreichen. Durch diese SE—NW Seitenver- schiebungen wurden die Südkarawanken in der E—W Richtung aus- gedehnt. Die Kamniker Alpen (Kamniške Alpe = Steiner Alpen = Savinjske Alpe = Sanntaler Alpen) Die Kamniker Alpen bilden die Südflanke der Košuta-Teilantiklinale. Sie bestehen aus einem Grundgebirge (»Derma«), das aus paläozoischen 154 Schichten zusammengesetzt ist, und einer Haut (»Epiderma«) alpiner Ablagerungen. Diese Sedimenthaut hat Südneigung und bildet an der Südgrenze eine asymetrische Antiklinale mit südvergenter Überschiebung auf die tertiären Sedimente des Kranj er Beckens. Diese Überschiebungen sind ein Beispiel für die Gleittektonik, wobei die älteren triadischen Mergel- und Schiefer Horizonte als schmierende Unterlage dienten. Die basale Perm-Trias Schichten der alpinen Sedimenthaut nahmen nicht an der Abgleitung teil, weil sie von den ladinischen Porphyrstöcken sozusagen am Grundgebirge verankert oder festgenagelt wurde. Der größte ist der Kokra-Stock. Nördlich von Kamnik befindet sich der Bistrica-Stock, der das dolomitische Plateau beim Abgleiten in zwei Hälften teilte, die an dieser Verankerung vorbeigeglitten sind. Der westliche Teil (Grintavec-Masse) glitt südwärts (Aufschiebungen von Stefan j a gora und Šenturška gora) und der östliche Teil (Ojstrica-Masse) SSO bis SO-wärts (Aufschiebungen bei Rudnik Crna). Durch diese Gabelung der Abgleitungsrichtung entstand oberhalb vom Bistrica-Porphyr eine Querdehnung mit grabenartiger Einsenkung. In diesem Graben findet man auf etwa 500 m Höhe marine oligozäne Tegel von denen Erosionsreste im angrenzenden Velika Planina-Plateau um tausend Meter höher liegen. Diese differentiellen Vertikalbewegungen fanden also im jüngeren Neozoikum statt und sind eine Begleiterscheinung bei der Abgleitung des obertriadischen Dolomites der Kamniker Alpen. XI. Ergebnisse der relativistischen Strukturanalyse Die vorangehende Analyse der Entstehungsgeschichte der Kosuta- Einheit hat gezeigt, daß hier geodynamische Prozesse ganz verschiedener Ausmaße mitgewirkt haben. Zum Teil reichten diese Deformationen bis weit über die Grenze des Kosuta-Gebietes hinaus, wie die große Ver- lagerungen des Grundgebirges während der ostalpinen Deckenüberschie- bungen und der großen Seitenverschiebungen, die vorher und nachher stattfanden. Solche geodynamischen Prozesse können vom Geländegeo- logen (Regionalgeologen) nicht oder nur ganz unvollkommen studiert werden. Zum Verständnis dieser Tektogenese sind mobilistische Erklä- rungsmodelle nötig. Dagegen ist dieses Gebiet im jüngeren Neozoikum auch von regional beschränkten Vertikalbewegungen betroffen worden, wodurch die Kosuta- Einheit als komplexe Aufwölbung (mit streichenden Störungen) entstand. Diese regionalen Vertikalbewegungen verursachten mehr lokale Span- nungsfelder der Energie der Lage, welche bivergente Abgleitungen zur Folge hatten (zum Klagenfurter Becken in den Nordkarawanken und zum Kranjer Becken in den Kamniker Alpen). Diese Tektogenese läßt sich also durch das fixistische Modell der regionalen Gleittektonik erklären. Diese beschränktere Gravitationstektonik (Gleittektonik sensu stricto) ist — mechanisch gesprochen — jedoch nicht verschieden von der Gravitations- tektonik sensu lato, welche auch die größeren geodynamischen Prozesse umfaßt. 155 Die relativistische Strukturanalyse führt also zu einer Synthese der mobilistischen und fixistischen Betrachtungsweisen mit Bezug auf die Entstehungsgeschichte der östlichen Südalpen. Das alpine System ist nicht aus einem Guß durch Anschub des afrikanischen Kontinentes (Mobilismus) entstanden. Es ist auch nicht nur die Folge von primären Auf- und Abbewegungen des Untergrundes (wie z. B. Haarmann und B e 1 o - u s s o v mit ihren fixistischen Erklärungsmodellen meinten). Es hängt nur von der relativen Größe des Rahmens ab, welche Betrachtungsweise in den Vordergrund tritt. Anerkennung: Der Verfasser dankt seinem wissenschaftlichen Mitarbeiter, Dr. K. A. d e Jong, für seine Hilfe bei der Vorbereitung dieser Arbeit und seine kritischen Bemerkungen. Außerdem hat Dr. de Jong den Vortrag am 23. Mai 1969 in Ljub- ljana für ihn gehalten, weil er wegen einer Krankheit nicht im Stande war persönlich dort hinzufahren. XII. LITERATURANGABEN A r g a n d , E. 1924, La Tectonique de l'Asie. XIII Int. Geol. Congr. Belgium 1922. Proc., 171—372. Bauer, F. K. 1968, Bericht zur Fazies und Tektonik des Nordstammes der Ostkarawanken. Verh. Geol. B.-A. Wien, A15—A17. 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