Großes Jubiläum der Philharmonischen Gesellschaft in Ljubljana (Laibach) im Jahre 1902 Die Philharmonische Gesellschaft in Ljubljana (Laibach) wurde im Jahre 1794 als Nachfolgerin der Academia philharmonicorum, die schon seit 1701 bestand, gegründet. Beide Vereine gelten als die ältesten Musikvereine in der habsburgischen Monarchie.1 In den mehr als 200 Jahren ihres Bestehens hatte die Philharmonische Gesellschaft unterschiedlich große Erfolge feiern können. Ein neues Aufblühen nach den ersten zehn Jahren (1794-1804) und den napoleonischen Kriegen erlebte sie unter dem tschechischen Dirigenten Anton Nedvfd (1829-1896), der als Musikdirektor die Gesellschaft zwischen 1858 und 1883 leitete. In dieser Ära gastierten in Laibach zahlreiche Künstler: Pianisten, Sänger, Violinisten etc. In der Saison 1881/82 wurde ein junger, noch weitgehend unbekannter Kapellmeister aus Wien an das Landestheater engagiert, der durch sein Können Aufsehen erregte: Gustav Mahler. Am 5. März 1882 bewies er während des vierten Philharmonischen Konzertes sein Können als Pianist. Er spielte Werke von Mendelssohn, Schumann und Chopin, was insofern erwähnenswert ist, als dies einer seiner wenigen Auftritte in dieser Eigenschaft war. Auf Anton Nedvfd folgte der Wiener Musiker, Pianist, Komponist und Dirigent Josef Zöhrer (1841-1916), der bereits von 1865 an als Musiklehrer in Ljubljana tätig gewesen war. Zöhrer war eine überragende Künstlerpersönlichkeit, der als Musikdirektor große Aktivitäten entwickelte. Unter seiner Ägide erwarb die Gesellschaft hohes Ansehen und auch Verdienste für die Musiktradition im Lande. Nach Ljubljana konnte er zahlreiche weltbekannte Künstler verpflichten, unter ihnen Pablo de Sarasate, Leopold Godowsky, Wilhelm Backhaus, Bronislaw Hubermann, Leo Slezak, Richard Strauss, Paul Wittgenstein, Arnold Rosé, Natalie Bauer-Lechner, Georg Szell, Wilhelm Kienzl u.v.a. Besonders stolz aber war die Philharmonische Gesellschaft auf Ehrenmitglieder wie Joseph Haydn (1800), Ludwig van Beethoven (1819), Nicolo Paganini (1824), Johannes Brahms (1885) sowie andere einheimische und fremde Künstler. Ein besonderes Ereignis war die Feier des 200jährigen Jubiläums der Gesellschaft im jahre 1902. Mit den Vorbereitungen wurde schon einjahr vorher begonnen. Obwohl die Accademia philharmonicorum schon 1701 bestand, betrachtete man offiziell als Jahr der Gründung 1702, denn das erste Konzert hatte erst am 8. Januar jenes Jahres stattgefunden. Mehrere Ausschüsse entschieden über Musikveranstaltungen, Geldangelegenheiten, Piessearbeit, Inventar und Ausstattung der Räume für die geladenen Gäste. Besonders der Ausschuß für Musik, den der Dirigent und Musikdirektor Josef Zöhrer leitete, hatte während der Vorbereitungen viele neue Aufgaben zu bewältigen zusätzlich zu jenen, die in der laufenden Konzertsaison mit ihren regelmäßigen Symphonie- und Kammerkonzerten sowieso anfielen. In der Jubiläums-Saison gastierten in Laibach die Sängerin Lula Gmeiner Mysz, der Violinist Willy Burmester, der Pianist Moritz Mayr-Mahr, der 17jährige Violinist Leo Funtek, ein Laibacher Wunderkind, der später in 109 Großes Jubiläum der Philharmonischen Gesellschaft in Ljubljana (Laibach) im Jahre 1902 1 Friedlich Keesbachcr: Die Philharmonische Gesellschaft in Laibach seit dem Jahre ihrer Gründung 1702 bis zu ihrer letzten Umgestaltung 1862. Laibach 1862; Emil Bock: Die Philharmonische Gesellschaft in Laibach 1702-1902. Laibach 1902; Peter Radics: Die Geschichte der Philharmonischen Gesellschaft in Laibach, maschr. Ms. in der Nationalbibliothek Ljubljana; Primo Kuret: Glasbena Ljubljana 1899–1919 [dt.: Das Musikleben in Ljubljana 1899-1919], Ljubljana 1995; ders.: Slovenska filharmonija – Academia philharmonicorum 1701-2001, Ljubljana 2001. Leipzig studierte und eine große Karriere in Finnland machte. Beginnen mußte man aber die Saison mit einem Trauerkonzert, das dem verstorbenen Präsidenten der Gesellschaft, Dr. Friedrich Keesbacher, dem langjährigen und erfolgreichen Spiritus agens der Philharmonischen Gesellschaft, gewidmet war. Auf dem Programm standen der 2. Satz aus Beethovens Eroica und Cherubinis Requiem.2 Die Vorbereitungen für die Jubiläumsfeier gingen im April 1902 ihrem Höhepunkt entgegen, wobei man mit großen Unterbringungs-Problemen zu kämpfen hatte, denn zur gleichen Zeit fand in Laibach der Slawische Journalistenkongreß mit mehr als 300 geladenen Gästen statt. Die nächste Schwierigkeit stellte sich bei den Engagements der Orchestermusiker. Man suchte in Wien beim Direktor der Hofoper, Gustav Mahler an, der ja das Landestheater in Laibach aus seiner frühen Zeit kannte, und bat um einige Instrumentalisten von der Hofoper. Doch unglücklicherweise war am selben Tag in Wien ein Konzert für den Rentnerfonds der Orchestermusiker angesetzt, so daß der neue Präsident der Gesellschaft Josef Hauffen große Mühe hatte, die notwendigen 24 Musiker nach Laibach zu holen. Trotz aller Schwierigkeiten gelang ihm jedoch dieses Kunststück mit Hilfe seiner Wiener Freunde. Es begann nun allseits eine rege Tätigkeit, fast täglich wurden Beratungen abgehalten, 3000 Exemplare des Festprogramms wurden innerhalb Österreich-Ungarns und nach Deutschland verschickt. Der Presseausschuß veröffentlichte Meldungen in in- und ausländischen Tageszeitungen und Musikblättern. Der Konzertmeister, Musikpädagoge und Leiter der Kammerkonzerte der Philharmonischen Gesellschaft, Hans Gerstner (1851-1939) war für die Leitung der Kammerkonzerte verpflichtet worden. Alle Probleme hatten die Verantwortlichen letztlich zur allseitigen Zufriedenheit lösen können, und bekannte Solisten wie die Sängerin Agnes Bricht-Pylleman, der Sänger der Wiener Hofoper Moritz Frauscher, Hofpianist Alfred Grünfeld, Konzertmeister des Orchesters der Wiener Hofoper Karl Prill, die Pianistin Paulina Prohaska-Stolz, die Sängerinnen Maria Seyff-Katzmayr und Josefine Statzer, der Tenor Josef Meyer, der Vorstand der Wiener Philharmoniker Franz Simandl fanden den Weg nach Laibach. Der Chor bestand aus 155 Sängern und Sängerinnen, die teilweise ebenfalls aus anderen Städten in der Umgebung kamen, das Orchester zählte immerhin 81 Instrumentalis teil, unter ihnen Laibacher Musiker aus dem Orchester der Philharmonischen Gesellschaft, solche aus der Wiener Konzertorchester-Vereinigung sowie die Musikkapelle des k.u.k. Infanterieregiments Nr. 27 Leopold II. der König der Belgier, die in Laibach stationiert war und daher einen besonderen Kontrakt hinsichtlich der Zusammenarbeit mit der Philharmonischen Gesellschaft hatte. Die Feier sollte ein künstlerisches »Weihefest« werden. In diesem Sinne war die gesamte Festordnung und das Musikprogramm ausgearbeitet worden. Sowohl künstlerisch als auch technisch war die Durchführung eine immense Herausforderung für die Organisatoren. Den herausragenden Anteil hatten Direktor Josef Zöhrer und Konzertmeister Hans Gerstner zu bewältigen. Letzterer war für den Kammermusikabend verantwortlich, der das Fest einleitete. Er gelang vorzüglich und stimmte alle Anwesenden auf die folgenden Ereignisse in bester Weise ein. 110 PRIMO KURET (1935) 2 Vgl. den Bericht der Philharmonischen Gesellschaft über das 200. Vereinsjahr vom 1. 10. 1901 bis 30. 9. 1902, Laibach 1902. Die Berichterstatter aus den Ländern der Habsburger-Monarchie und dem Ausland waren voll des Lobes. Alle schriftlichen Zeugnisse aus den verschiedensten Zeitschriften wurden von der Direktion gesammelt und später zu einem stattlichen Buch gebunden, das im Archiv der Philharmonischen Gesellschaft aufbewahrt wird. Der eigentliche Beginn des Festes war auf den Pfingstsonntag, dem 18. Mai in der Tonhalle festgesetzt worden. Die Honoratioren der Stadt, ein breites, interessiertes Publikum, Gäste von nah und fern, Abordnungen befreundeter Vereine, Vertreter der Presse, bekannte Künstler und Kunstfreunde, die Mitglieder der Philharmonischen Gesellschaft gaben an diesem Tag der Gesellschaft die Ehre. Unter Leitung des Musikdirektors Josef Zöhrer spielte das Orchester zu Beginn die Ouvertüre Zur ubelfeier von Carl Reinecke. Es folgte die Festansprache des Gesellschaftsdirektors Josef Hauffen, der einen Überblick über die Geschichte der Gesellschaft gab und zudem weitreichende Aufgaben und Intentionen aufzeigte, dabei aber auch nicht vergaß, dem Publikum nachdrücklich klar zu machen, welch hervorragende Institution sich hier herausgebildet hatte. Wir besitzen in unserer Stadt ein musikalisches Publikum, das zur Erhaltung der Gesellschaft stets bereit war, die nötigen Opfer zu bringen. Wir sind aber auch in der glücklichen Lage, vom Staate, vom Lande und von der Stadt, von der Krainischen Sparkasse mit jährlichen Geldbeträgen unterstützt zu werden. [...] Mögen Laibachs Bewohner stolz darauf sein, die älteste Musikgesellschaft Österreichs zu besitzen: mögen sie aber auch stets darauf bedacht sein, dieses Kleinod in Ehren zu halten, und sich dessen immer bewußt bleiben, daß die Tonkunst in der Erziehung des Volkes einen wichtigen Faktor bildet, der berufen ist, Herz und Gemüt zu veredeln. Möge die Philharmonische Gesellschaft fortan blühen und gedeihen zum Frommen der Kunst im Lande!3 Auch die übrigen Festredner betonten die Bedeutung der Feier, die weit über die Grenzen des engeren Heimatlandes Krain reiche. Der Wiener Männergesangverein war durch den Komponisten Richard Heuberger vertreten, der dem Direktor der Laibacher Philharmonischen Gesellschaft Josef Hauffen im Namen des Wiener Männergesangvereins die Schubert-Medaille verlieh, die üblicherweise in Bronze vergeben wurde und nur in ganz besonderen Ausnahmefällen wie in diesem in Silber. Der Grazer Musikreferent Julius Schuch schloß sich den Gratulationen ebenso an wie im Namen des Grazer Orchestervereines Dr. Ernst Decsey und für die Gesellschaft der Musikfreunde in Wien Karl Prill. Die Präsentation der von Dr. Emil Bock verfaßten, geschmackvoll ausgestatteten in 1000 Exemplaren aufgelegten Festschrift beschloß die Festversammlung. Die Feierlichkeiten dauerten vier Tage. Jeweils am Abend fanden in den Gesellschaftsräumen des Kasinovereines gesellige Zusammenkünfte statt. Nach dem letzten Festkonzert gestaltete sich dieses Treffen besonders feierlich. Philharmoniker und Publikum trafen sich zu einem Festkommers im großen, prächtigen Saal des Kasinos, zu dem der Gesellschaftsdirektor geladen hatte. Die Musikkapelle des 27. Infanterieregiments unter Leitung ihres Kapellmeisters Theodor Christoph trug durch ein gut ausgewähltes Programm wesentlich zum Gelingen des Abends bei. Über 150 schriftliche und telegraphische Glückwünsche waren von befreundeten Vereinen, Gönnern und Freunden der Philharmonischen Gesellschaft zugesandt worden, 111 Großes Jubiläum der Philharmonischen Gesellschaft in Ljubljana (Laibach) im Jahre 1902 3 Bericht. a.a.O., S. 19. unter ihnen die von der Wiener Gesellschaft der Musikfreunde, den Wiener Philharmonikern, dem Wiener Sängerbund, vom Schriftstellerverein Konkordia, des steiermärkischen Tonkunstvereins, der Internationale Stiftung Mozarteum in Salzburg, dem National-Konservatorium in Budapest, der Budapester Philharmonie, von verschiedenen Musikvereinen aus Augsburg, Kaiserslautern, Hamburg, Wiesbaden, Leipzig, auch vom Dirigenten Arthur Nikisch. Kaiser Franz Josef I. verlieh dem Direktor der Philharmonischen Gesellschaft in Laibach das Ritterkreuz des Franz-Josef-Ordens, dem Musikdirektor Josef Zöhrer das goldene Verdienstkreuz mit Krone und dem Konzertmeister Hans Gerstner das goldene Verdienstkreuz. Josef Hauffen wurde nach dem Fest vom Kaiser in der Wiener Hofburg empfangen, der ihm persönlich seine Anerkennung aussprach. Eine Übersicht über das Festprogramm soll einen Eindruck geben über das hohe Niveau, das hier geboten wurde: Kammermusikaufführung zum Jubelfest am 16. Mai 1902 Mitwirkende Solisten: Agnes Bricht-Pyllemami; Alfred Grünfeld; Hans Gerstner; Rudolf Sajovic; Heinrich Wettach; Franz Csavojacs; Klavierbegleitung: Pauline Prohaska-Stolz Programm: Ludwig van Beethoven: Streichquartett op. 18 Franz Schubert: Wohin Robert Schumann: Waldgespräch Johannes Brahms: Ständchen W.A. Mozart: Klaviersonate A-Dur Edvard Grieg: Solveigs Lied Richard Strauss: All mein’ Gedanken Anton Rückauf: Unterm Apfelbaum Hugo Wolf: Der Gärtner Franz Schubert: Forellen-Quintett op. 114, A-Dur Erstes Festkonzert am 17. Mai 1902 Mitwirkende: Maria Seyff-Katzmayr, Konzertsängerin; Moritz Frauscher. Hofopernsänger beide aus Wien; Karl Prill, Violine; Damen- und Männerchor der Philharmonischen Gesellschaft; die Sängerrunde des Laibacher deutschen Turnvereines; Mitglieder des Männergesangvereines in Celje (Cilli), des Musikvereines in Klagenfurt und der Hofoper in Wien. Programm: Richard Wagner: Vorspiel zu den Meistersingern von Nürnberg C. M. Weber: Rezitativ und Arie des Lysiart aus der Oper Euryanthe Johannes Brahms: Violinkonzert (Erste Aufführung in Laibach) Franz Schubert: Mirjams Siegesgesang - Anton Bruckner: 4. Symphonie (»Romantische«) Zweites Festkonzert am 19. Mai 1902 Mitwirkende Solisten: Marie Seyff-Katzmayr, Josefine Statzer, Josef Emanuel Meyer, Moritz Frauscher. 112 PRIMO KURET (1935) Programm: Christoph Willibald Gluck: Ouvertüre zu Iphigenie in Aulis (in der Bearbeitung Richard Wagners) Ludwig van Beethoven: 9. Symphonie (Erste vollständige Aufführung in Laibach) Auf der Schlußversammlung des Festausschusses konnten die Mitglieder mit Genugtuung feststellen, daß es der Gesellschaft gelungen sei, »ein Musikfest würdig dem Vorbilde der mustergültigen großen deutschen Musikfeste« veranstaltet zu haben. Allerdings beliefen sich die Kosten auf 12.873,46 Kronen, die Einnahmen jedoch nur auf 5.968,30 Kronen, so daß für den beträchtlichen Fehlbetrag der krainische Landesausschuß und die Krainische Sparkasse einspringen mußten. Die Laibacher Zeitung berichtete über alle Ereignisse ausführlich. Der ständige Konzertkritiker Julius Ohm Januschowski gab in zwei Folgen in den Ausgaben vom 20. und 21. Mai ausführliche Berichte. Einige Ausschnitte sollen hier wiedergegeben werden: Mit den stolzen Klängen des Meistersingermotivs ward der zweite Festabend und das erste Festkonzert, die dem berufensten musikalischen Erzieher des Publikums, dem Orchester, das Hauptwort erteilen sollten, eröffnet. Der Saal zeigte das gleiche glänzende Bild des ersten Festabends; wieder füllte ein zahlreiches, distinguiertes Publikum im Festgewande den prächtigen Raum, wieder waren die treuen Freunde der Philharmonischen Gesellschaft erschienen und in freudiger, kunstfroher Empfänglichkeit, sah die Versammlung dem an anregenden musikalischen Genüssen reichen Abende entgegen. [...] Mit rauschendem Beifalle wurde der hochverdiente Musikdirektor und Dirigent, Herr Josef Zöhrer, den die wärmsten Sympathien mit seinen Künstlern und mit dem Publikum verbinden, zum beredten Zeichen der dankbaren Anerkennung seines erfolgreichen Wirkens empfangen, und er führte das durch auswärtige Künstler verstärkten aus 78 Instrumentalisten bestehende Orchester zu ehrlichen künstlerischen Siegen. Herr Zöhrer, der aus dem Orchester alles herauszubringen versteht, dessen es fähig ist, ist ein feinfühliger, vornehmer und auch animierender Interpret, und da durch eine ungemein gewissenhafte und fleißige Vorbereitung die Gewähr geleistet worden war, die Musiknummern des Konzertes in möglichst vollendeter Form zu Gehör zu bringen, so übten sie durchwegs zündende Wirkung. Mit Glanz und Wärme des Tones, ein blühend klingender Streicherchor, die Bläser voll gesunder markiger Klangfarbe, gelangte das herrliche Vorspiel zu den Meistersingern, ungekünstelt in seiner ganzen natürlichen Schönheit und Genialität, überwältigend zum Ausdrucke und weckte jubelnde Begeisterung, die Herrn Zöhrer immer und immer wieder aufs Podium zwang. Als orchestrale Hauptnummer des Abends entzückte Bruckners romantische Symphonie in einer vortrefflichen Aufführung die Zuhörer. Von früheren Konzerten dem Publikum bestens bekannt, zählt sie zu den Lieblingswerken desselben, und mit der künstlerischen Interpretation des Werkes, an dem man sowohl die Größe und Tiefe der Empfindung, wie die kolossale kontrapunktische Gestaltungskraft, die reinen Freude an der Natur, der erquickend in liebenswürdigster Weise hervorquillt, wie nicht minder das tiefe religiöse Gefühl staunend bewundert leistete das Orchester ein Meisterstück. Das bald poetisch tief ergreifende, bald frisch würzige Waldesluft atmende Werk übte auf die Zuhörer tiefe Wirkung, deren Bann sich durch herzlichen Beifall nach jedem Satze löste. Die großen Ovationen, die das Publikum, dem Dirigenten brachte, mögen ihn mit freudiger Genugtuung ob der segensreichen Erfolge seiner Tätigkeit erfüllen. Gerade wie beim Orchester suggeriert Herr Zöhrer auch dem Chore seinen Willen und seine Energie und zwingt dessen ganze Kraft in den Dienst der Kunst. Der gewaltige, ungefähr 160 Stimmen zählende Chor überraschte durch die Kraft und Klangschönheit seines blühenden 113 Großes Jubiläum der Philharmonischen Gesellschaft in Ljubljana (Laibach) im Jahre 1902 Stimmaterials und die geistige Belebtheit des Vortrages. Wie packend trat die an Händel gemahnende Gewalt im Chorwerke Mirjams Siegesgesang von Schubert hervor; wie architektonisch baute sich die große Steigerung auf; wie dramatisch ergreifend klang die Tonmalerei von Pharaos Untergang; wie majestätisch kam die Fuge zur Geltung! Die Sopransolo-Partie in der Kantate stellt große Anforderungen an den Stimmumfang und die dramatische Ausdrucksfähigkeit der Sängerin gegenüber der gewaltigen Klangmasse des Chores. Frau Seyff-Katzmayr, von früheren Oratorien- Aufführungen der Gesellschaft noch im guten Angedenken, bewies sich in der Wiedergabe der schwierigen Partie wieder als Sängerin von großem, gereiften Kunstverständnisse. Herr Hofopernsänger Moriz Frauscher, mit einem prächtigen Organe ausgestattet, errang durch die dramatisch belebte Charakteristik, mit der er die reichen Wechselempfindungen in dem Vortrage des Rezitativs und der Arie des Lysiart aus der Oper Euryanthe lebenswarm und überzeugend zum Ausdrucke brachte, einen großen Erfolg und die schmeichelhafte Anerkennung. Konzertmeister Herr Karl Prill aus Wien vermittelte dem Publikum die Bekanntschaft mit dem in Laibach noch nicht aufgeführten geistestiefen Violinkonzerte von Brahms, einem der allerschwierigsten Werke dieser Gattung. Es ist natürlich, daß das Konzert das Verständnis einer musikalisch-gebildeten Zuhörer-schaft erfordert, und bei einer solchen wird es auch seines tiefen Eindrucks sicher sein, umso mehr, wenn es von einem ausgezeichneten Künstler wie Herr Prill vorgetragen wird, der Größe des Tones und Energie des Spieles, kernige Klarheit und tiefe Innerlichkeit, Blutwärme und Temperament mit allen Errun-genschaften einer vollendeten Technik vereint. Der Künstler fand die gebührende Würdigung in lebhaften Beifallsausdrücken. Die äußerst schwierige polyphone Orchesterbegleitung mit ihrem heiklen Rhythmus gelangte verdienstvoll zur Durchführung. Dem Publikum gefiel hauptsächlich das Adagio mit der wunderschönen, einschmeichelnden Melodie, die vom Herrn Felsner gesangvoll-schön vorgetragen wurde. Der Autor betonte, daß seine »schwache Feder« die »stürmische Begeisterung des Publikums die nach dem unsterblichen zweiten Satz, den das Orchester hinreißend, entzückend spielte«, nicht schildern könne, denn das müsse man erlebt haben: »...dreimal mußte sich das Orchester zum Danke erheben und einen auch nur annähernden Ausbruch herzlichen Jubels, wie er nach dem letzten Satze zum Ausbruch kam, das ungezählte begeisterte Hervorrufen des Musikdirektors Zöhrer, wodurch das Publikum eine bewundernde Anerkennung in überzeugendster Weise erhärtete, wird wohl kaum die an Ehren reiche Geschichte der Philharmonische Gesellschaft zu verzeichnen haben.«4 Die slowenische Presse zeigte sich bei weitem nicht so begeistert und berichtete eher zurückhaltend. Hintergrund hierfür waren die politischen Verhältnisse. Das Fest fiel in eine Zeitspaime, in der der nationale Kampf der Slowenen für ihre Selbständigkeit besonders im kulturellen Bereich mit Vehemenz geführt wurde. Die Geschichte der Deutschen im slowenisch-deutschen Siedlungsgebiet steht in engem Kontext mit jener der Slowenen, insbesondere deren Bestrebungen nach gesellschaftlicher und kultureller Emanzipation seit 1848. Die Entwicklung des slowenischen Bürgertums, die Ausprägung der slowenischen Massenbewegung sowie die politische Machtübernahme durch die slowenische Mittelschicht war von so einschneidender Bedeutung, daß sie an dieser Stelle kurz dargestellt werden soll, um die damaligen Spannungen zwischen den beiden Völkern zu verdeutlichen. Die 114 PRIMO KURET (1935) 4 Laibacher Zeitung vom 20. und 21. Mai 1902. innerösterreichischen Deutschen orientierten sich seit den Ereignissen der Paulskirche nach Deutschland hin, sie sahen die Möglichkeit greifbar nahe, mit dem kleinen Slowenien eine »Brücke zur Adria« zu gewinnen. Viele slowenische Intellektuelle, die solche Vorstellungen naturgemäß ablehnten, wurden als »panslawistisch« Denkende bezichtigt und verhaftet, was den Graben zwischen den beiden Bevölkerungsgruppen noch vertiefte. Je eigene Organisationen wurden gegründet: gesellschaftliche Zirkel, literarische Kreise und nationalpatriotische Vereine, in denen die politische Gesinnung im Vordergrund stand. Es erschienen patriotisch gestimmte Zeitungen und Zeitschriften, nationale Programm, außerdem wurden Demonstrationen organisiert, die nach 1880 zu Agitations- und Massenbewegungen wurden. Dazu beigetragen hatte 1882 die Entscheidung, die politische Partizipation durch Herabsetzung des Wahlzensus zu erweitern sowie – 1896 – eine allgemeine Wahlkurie ins Leben zu rufen. Dieser Nationalitätenkampf – geschürt und angeführt von den nationalen Schutzvereinen – verschärfte sich durch die außenpolitischen Ereignisse von 1908 und 1914. Wechselseitige Beschuldigungen des Hochverrats nach Beginn des Ersten Weltkrieges führten zu einem ersten Höhepunkt dieser Konfrontation. Radikal ausgerichtete Vereine, wie z.B. die 1889 in Graz gegründete Südmark hatten ihren Teil dazu beigetragen. So gewährte dieser Verein Wirtschaftshilfe für »deutschstämmige« Personen, die sich an der Sprachgrenze ansiedeln wollten, errichtete Schulen und Volksbüchereien, erzwang Beteiligungen an Geldinstituten und betrieb als »nach dem Südosten vorgeschobener deutscher Vorposten« eine nationalistische Abgrenzungspolitik gegenüber den Slowenen. Letztere forderten den Zusammenschluß aller Slowenen, die in den verschiedenen österreichischen Kronländern Krain, Kärnten, Steiermark und dem Küstenland lebten zu einem selbständigen Königreich – als ein vereintes Slowenien – unter habsburgischer Oberhoheit, aber mit eigenem Landtag. Dieses Ziel freilich wurde nie erreicht. Die nationalistisch gesonnenen Deutschen in Slowenien verschafften sich hingegen immer stärkere Geltung, was sie mit der Parole einer sogenannten »Verteidigung des Deutschtums« zu rechtfertigen suchten. So reklamierten sie beispielsweise Krain, den zentralen Teil Sloweniens, als zweisprachiges Land, in dem ausnahmslos Deutsch als Unterrichts- und Behördensprache gebraucht werden sollte. Nach der Volkszählung von 1880 lebten aber in Krain nur 29.392 Deutsche, was einen Anteil von 6,15% der Gesamtbevölkerung dieses Gebietes ausmachte, zwei Drittel von ihnen waren in der Gottschee ansässig sowie in der Gemeinde Weißenfels / Bela pec (heute Italien). In Laibach / Ljubljana betrug die Zahl der deutschen Einwohner 5.967, d.h. 20% der Stadtbevölkerung, während in allen anderen Gemeinden Krains lediglich 3.897 muttersprachliche Deutsche lebten. Doch ungeachtet dieser Zahlenverhältnisse war der Druck von Seiten der Deutschen ungeheuer stark, was den slowenischen Kampf um Gleichberechtigung in alle Bereiche des öffentlichen und kulturellen Lebens hinein trug, wobei sich der kulturelle Bereich 115 Großes Jubiläum der Philharmonischen Gesellschaft in Ljubljana (Laibach) im Jahre 1902 durch verschiedenste Vereinigungen etwas abgrenzte und als gemäßigter gelten kann.5 Die kritische Berichterstattung der slowenischen Presse kam also nicht von ungefähr. Die Zeitschrift Ljubljanski zvon veröffentlichte beispielsweise einen Artikel mit dem Titel Filharmonièna druba v Ljubljani in slovenski narod (Die Philharmonische Gesellschaft in Laibach und die slowenische Nation), in dem der Autor sich mehr als skeptisch über den tatsächlichen Einfluß und die soziale Bedeutung der Gesellschaft äußert sowie über deren Geschichte. In Wahrheit sei sie lediglich ein Teil des deutschen Turnvereins gewesen, jetzt aber eine Vereinigung mit viel Geld, jedoch ohne bedeutende Erfolge: »Die Solisten kamen für großes Geld als Gäste, das Orchester ist in Wirklichkeit die Militärkapelle und die Gesellschaft hat keine eigenen Instrumentalisten erzogen. Das einzige, was sie leisten kann, sind die Kammerkonzerte«. Der zweite Vorwurf zielte darauf ab, daß auf dem Programm kein einziges slowenisches Werk zu finden war. Der Autor stellte nachfolgend einen Vergleich an zwischen den Mögliclikeiten der Philharmonischen Gesellschaft und der Glasbena matica (dem slowenischen Musikverein) und kanr zu dem Schluß, daß die finanziellen Mittel für den deutschen Verein immer großzügiger bemessen gewesen seien als für den slowenischen. Hinter diesen Äußerungen stand die Befürchtung, daß die slowenische Musik und die Entwicklung der slowenischen Kultur auch zukünftig immer weiter zurückgedrängt würden. Die künstlerischen Erfolge des Festes wurden nicht erwähnt.6 Tatsächlich wirkten im 19. Jahrhundert innerhalb der Philharmoni-schen Gesellschaft sowohl Slowenen als auch Deutsche. Später, 1872, als der Verein Glasbena matica gegründet wurde, empfanden die Slowenen die Arbeit und Bemühungen der Philharmonischen Gesellschaft als Fremdkörper in Laibach. Wie gespannt die Lage war, belegt das folgende Zitat aus einen deutschen Laibacher Zeitung aus dem Jahr 1902: »Die Erhaltung der deutschen Kunstanstalten ist aber in Laibach, diesem weit vorgeschobenen Posten des Deutschtums, von einschneidendem Einstoße auf die Erhaltung des Deutschtums selbst. Sie bilden [...] die wichtigsten Bollwerke deutscher Kultur, sie sind nicht nur der geistige, sondern auch der soziale Mittelpunkt der deutschen Gesellschaft.«7 Noch zugespitzter als in Krain war die politische Lage in der Südsteiermark. In der kleinen Stadt Celje (deutsch: Cilli) verschärften sich die nationalen Konfrontationen zusehends. Im 15. Jahrhundert war Celje durch die Fürsten von Cilli einst eine Metropole des mitteleuropäischen Feudalimperiums gewesen, gegen Ende des 19. Jahrhunderts aber erfuhr die Monarchie hier ernsthafte Erschütterungen, die noch geschürt wurden durch die örtliche Presse. So war in einem Zeitungsartikel zu lesen, daß in Österreich nur die deutsche Politik bestehe: »Seien wir einheitlich deutsch und treu, denn die Zukunft gehört unserer Rasse! [...] Der bloße Gedanke, mit unseren Gegnern zu paktieren, soll ins Fabelbuch geschrieben werden. Auf ihren Fanatismus kann man keine Rücksicht nehmen und keine Nachsicht erwarten. Nur ein heftiges Beharren unseres deutschen Punktes kann 116 PRIMO KURET (1935) 5 Die Donaumonarchie und die südslawische Frage von 1848 bis 1918. Erstes österreichisch-jugoslawisches Historikertreffen Gösing 1976, hg. von Adam Wandruszka, Richard G. Plaschka, Anna M. Drabek, Wien 1978: Ferdo Gestrin / Vasilij Melik: Slovenska zgodovina od konca 18. stoletja do 1918 [dt.: Die slowenische Geschichte vom Ende des 18. Jahrhunderts bis 1918], Ljubljana 1966; Vlado Valenèiè: »Etnièna struktura ljubljanskega prebivalstva po ljudskem štetju 1880« [=Die ethnische Struktur der Bevölkerung von Ljubljana nach den Volkszählungsergebnissen 1880], in: Zgodovinski èasopis [=Zeitschrift für Geschichte] XXVIII, 3–4/1972. S. 287ff.; Dragan Matiè: Nemci v Ljubljani 1861–1918 [=Die Deutschen in Ljubljana 1861-1918], Ljubljana 2002. 6 »Filharmonièna druba v Ljubljani in slovenski narod«, in: Ljubljanski Zvon 1902. S. 482-489. 7 Laibacher Zeitung vom 16. 11. 1902. der uner-müdlichen Wühlerei ein Ende machen.«8 Die Situation verschlimmerte sich noch, als die Deutschen jegliche Forderung nach Gleichheit im Gebrauch der slowenischen und der deutschen Sprache als unbegründet ablehnten und eine kulturelle Führungsrolle im Staat beanspruchten. Die halboffizielle Laibacher Leitung berichtete weiterhin über alle künstlerischen Ereignisse in Laibach: über deutsche und slowenische Konzerte, über kulturelle und musikalische Veranstaltungen beider Nationen. Die Philharmonische Gesellschaft war auch während des Ersten Weltkrieges noch ein ausschließlich deutscher Verein. Nach 1918 aber verlor sie ihrer ausgeprägt deutscher Orientierung wegen jegliche Bedeutung, insbesondere als 1919 der neue Staat aus Slowenen, Kroaten und Serben gebildet wurde. Das Fest der Philharmonischen Gesellschaft war auch im Ausland wahrgenommen worden und festigte den Ruhm Laibachs als einer musik- und kulturinteressierten Stadt im Süden der Monarchie.9 Objavljeno v: Intermedialität. Studien zur Wechselwirkung zwischen den Künsten. Günter Schnitzler, Edelgard Spaude (Hg.). Freiburg im Breisgau, Rombach Verlag, 2004. (Rombach Wissenschaften. Reihe Litterae, 126). S. 533–544. Povzetek Veliki jubilej ljubljanske Filharmoniène drube leta 1902 Izjemno slovesno in z vrsto koncertov so maja 1902 v Ljubljani proslavili 200-letnico Filharmoniène drube. Med drugim je bila ob tej prilonosti v Ljubljani prviè v celoti izvedena Beethovnova Deveta simfonija. Praznovanje èastitljive obletnice ene najstarejših filharmoniènih zdruenj v Evropi je imela tudi velik mednarodni odmev. Lahko bi rekli, da se je takrat o ljubljanski Filharmonièni drubi pisalo v vseh evropskih glasbenih èasopisih in revijah. Na Kranjsko so prišli predstavniki mnogih glasbenih ustanov, znanih in uglednih glasbenih zdruenj, s pismi èestitk so se oglasili številni znani glasbeniki. Ob tej prilonosti je izšla posebna publikacija, ki jo je po osnutkih leto dni prej umrlega Friedricha Keesbacherja napisal Emil Bock, prav tako so organizatorji pripravili spominski kovanec. Filharmonièna druba je praznovanje jubileja izpeljala z odmevnimi dogodki ter pripomogla k popularizaciji svojega dela in tudi Ljubljane. (Edo Škulj) 117 Großes Jubiläum der Philharmonischen Gesellschaft in Ljubljana (Laibach) im Jahre 1902 8 Cillier Zeitung vom 24. 11. 1881. 9 Vgl. Österreichisch-Ungarische Musik-Zeitung vom 18. 4. und 30. 5. 1902; Neue musikalische Presse, 11. Jg. vom 18. 5. 1902; Neue Freie Presse vom 22. 5. 1902.