NOTE DE LECTURE Recenzija Goranka Rocco: Textsorten der Unternehmenskommunikation aus kontrastiv-textologischer Perspektive. Eine Untersuchung der Aktionärsbriefe und Einstiegseiten der deutschen und italienischen Banken. Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien: Peter Lang, 2013. 240 S. ISBN 978-3-631-64813-1. Die vorliegende Arbeit stellt einen Beitrag zur kontrastiven Erforschung deutscher und italienischer Wirtschftstextsorten dar. Im Schwerpunkt der Studie stehen deutsche Wirtschaftstexte, die zuerst nach unterschiedlichen textologisch relevanten Kriterien analysiert und darafhin mit entsprechenden italienischen Texten kontrastiv verglichen werden. In bestimmten Punkten werden zum Vergleich bzw. zur Erweiterung des Blickwinkels auch andere Sprachen herangezogen, allem voran das Englische als lingua franca der internationalen Wirtschaftskommunikation, das Französische als eine weitere Großsprache und von den Kleinsprachen das Kroatische. Im Mittelpunkt der vorliegenden Arbeit stehen zwei Textsorten - die Einstiegseiten der größten deutschen und italienischen Geldinstitute und die Aktionärsbriefe derselben. Obwohl ein Aktionärsbrief einen in sich geschlossenen Text darstellt, so ist er gleichzeitig ein integraler Bestandteil des Geschäftsberichts. Beide Textsorten sind zugleich auch Bestandteile eines komplexen Gebildes - der Online-Unternehmens-präsenation, die aus vielen verschiedenen, durch Hyperlinks miteinander vernetzten Texten besteht und der unterschiedliche Textsorten zugeordnet werden können. Die Online-Unternehmenspräsentation wird als eine Großtextsorte definiert. Dieser Terminus bezieht sich auf größere, heterogene und komplexe Textsorten, die aus Teil- bzw. Subtexten bestehen. Obwohl einzelne Subtexte in sich abgeschlossen sind - wie etwa der Aktionärsbrief, wird ihre kommunikative Funktion dennoch wesentlich erst durch die Gesamt-Textfunktion der Großtextsorte bestimmt. Das Buch besteht aus drei Teilen: In Teil I werden Gegenstand der Studie, Forschungsstand und Untersuchungsdesign präsentiert bzw. thematisiert. Während in Kapitel 1 der Versuch unternommen wird, die Großtextsorte „Unternehmenspräsentation" als Form der institutionellen Wirtschaftskommunikation darzustellen, wird in Kapitel 3 das holistische Modell der kontrastiven Textologie detaillierter dargestellt. Das Analysemodell besteht aus sechs Ebenen und umfasst 1. pragmatisch-kommunikative und 2. thematisch-strukturelle Merkmale, 3. die sprachliche Gestaltung, 4. die visuelle Gestaltung und mediumbedingte Besonderheiten, 5. den Verbreitungs- und Standardisierungsgrad sowie 6. die interkulturellen Implikationen der ermittelten Textmerkmale. 499 Das präsentierte Modell stellt ein umfassendes Kriterienraster dar, „das ausreichend flexibel ist, um eine Vielzahl von Textsortenmerkmalen zu erfassen und zugleich zentrale Aspekte der jeweiligen Textsortenrealisierung herauszufiltern" (Rocco 2013: 63). Von der jeweiligen Textsorte hängt es ab, auf welche Forschungsfragen vertieft und weiter ausdifferenziert eingegangen werden soll und welche eher von sekundärer Bedeutung sind. Außerdem kann das Modell je nach Textsorte und den Schwerpunkten der Untersuchung um weitere Merkmalsgruppen erweitert werden. Anhand des vorgestellten Modells können Texte sowohl zweier wie auch mehrerer Sprachen miteinander verglichen werden, oder es können zwei Sprachen durchgehend und im Hinblick auf alle relevanten Merkmalsgruppen verglichen werden, wobei an bestimmten Stellen eine oder mehrere andere Sprachen in die Analyse einfließen können (was auch bei der vorliegenden Studie der Fall ist). In Teil II werden die Analyseergebnisse präsentiert. Die Geschäftsberichte, die der Großtextsorte Unternehmenspräsentation angehören, spiegeln einerseits die Globalisierung der Wirtschaft wider, werden aber andererseits auch von der landesspezifischen Bankenstruktur, der aktuellen Wirtschaftsentwicklung und der Art und Weise, wie diese in der Politik und in den Medien präsentiert werden, geprägt. Die in der vorliegenden Studie untersuchten deutschen und italienischen Bankinstitute sind Bestandteil des europäischen und internationalen Bankwesens und weisen in dieser Hinsicht zunehmend Parallelen, gleichzeitig aber auch nationalspezifische Unterschiede auf. Obwohl die Textsorte Aktionärsbrief einer Reihe von rechtlichen Vorschriften unterliegt, die seine Struktur und Inhalte bestimmen, bleibt dennoch beim Verfassen dieser Textsorte noch viel Gestaltungsspielraum. Im Vergleich zu Aktionärsbriefen haben die Verfasser von Einstiegseiten rechtlich gesehen mehr Gestaltungsfreiheit, obwohl selbst hier zahlreiche Vorgaben, internet- und branchentypische Normen und Konventionen mitberücksichtigt werden müssen. Die Großtextsorte Unternehmenspräsentation (und somit auch die beiden untersuchten Textsorten) verfolgt drei miteinander zusammenhängende Ziele bzw. erfüllt drei Funktionen: die Funktion der positiven Selbstdarstellung, die informative Funktion (informiert über Aktivitäten, Produkte und Leistungen des Unternehmens) und die Funktion der Beziehungspflege (es wird versucht, Beziehungen zu potentiellen Partnern aufrechtzuerhalten bzw. zu potentiellen Kunden aufzubauen). Diese drei Funktionen schlagen sich nicht nur in der inhaltlichen Seite der beiden Textsorten nieder, sondern prägen auch ihre sprachliche Gestalt. Ein wichtiger Unterschied zwischen den beiden untersuchten Textsorten - dem Aktionärsbrief und der Einstiegseite - besteht auch darin, dass Einstiegseiten eine speziell für das Internet konzipierte (Teil)Textsorte sind und somit außerhalb dieses Mediums nur schwer realisierbar sind. Aktionärsbriefe waren früher nur Insidern und direkt Beteiligten vorbehalten; durch die medienbedingte Erweiterung des Adressatenkreises - Aktionärsbriefe sind heutzutage im Internet frei zugänglich - hat aber heute jeder die Möglichkeit, den Aktionärsbrief jedes beliebigen Unternehmens abzurufen. „Der Laie, der einen Aktionärsbrief, einen Geschäftsbrief oder einen Börsenbericht liest, wird sich diesen in Ermangelung der entsprechenden Fachkenntnisse interpretativ so 500 zurechtschneiden, wie er nur kann - und gerade diese Demokratisierung stellt neue Anforderungen an die sprachliche und inhaltliche Gestaltung der Wirtschaftstexte und besonders der Unternehmenstexte" (Rocco 2013: 90). Das untersuchte Korpus setzt sich aus 60 Geschäftsberichten für die Jahre 20092011, 20 Einstiegseiten und einem Zusatzkorpus aus mehreren weiteren, z. T in anderen Sprachen veröffentlichten Texten zusammen und wird aus der Perspektive der kontrastiven Textologie analysiert. Die Studie stellt einen Versuch dar, die Methodik der kontrastiven Textologie um einige Elemente zu erweitern und den - oben erwähnten - veränderten Textproduktions- und Textrezeptionsbedingungen anzupassen. Diese Zielsetzung spiegelt sich auch in der methodischen Konzeption der Untersuchung wider: Ausgehend von dem in Teil I präsentierten holistischen Modell der kontrastiv-textologischen Analyse werden die Texteigenschaften in Bezug auf unterschiedliche textologisch relevante Merkmalgruppen analysiert. In der Arbeit werden an mehreren Stellen konkrete ökonomische Umstände genannt, die einen wesentlichen Einfluss auf die Besonderheiten der Wirtschaftssprache haben, und es werden die Faktoren hervorgehoben, die Änderungen in der Kommunikation zur Folge haben. Damit werden dem Leser nicht nur die sprachlichen Eigenheiten der Wirtschaftssprache, sondern auch einige Besonderheiten des Fachbereichs näher gebracht. So wird z. B. an mehreren Stellen auf die Besonderheiten und die Kulturspezifika des deutschen und italienischen Bankensektors, auf den klar erkennbaren Globalisierungs-prozess dieser sowie auf die Eingebundenheit der beiden Systeme in das europäische und globale Bankenwesen hingewiesen, und nicht zuletzt auch auf die Wirtschaftskrise, die vor allem auf die Bankinstitute ein neues Licht geworfen hat. Zusammenfassend kann somit gesagt werden, dass die vorliegende Arbeit von Goranka Rocco sehr wohl einen bedeutenden Beitrag sowohl für den Bereich der Wirtschaftssprache als auch für die Fachsprache allgemein darstellt. Denn das verwendete Modell zum Vergleichen der ausgewählten Textsorten lässt sich mit einigen geringeren Modifikationen auch auf andere Fachgebiete bzw. auf andere Fachsprachen übertragen. Vor allem aber ist die Arbeit wegen ihres kontrastiven Ansatzes auch im Bereich der Textlinguistik zweifellos eine Bereicherung, da es hier vor allem an kontrastiven Untersuchungen mangelt. Die Monografie zeichnet sich durch ihre Übersichtlichkeit, eine dem Leser leicht zugängliche Sprache und einen klaren Stil aus. Ada Gruntar Jermol Universität Ljubljana 501