287 Alexander Rath * UDK 811.163.6'367.635 Universität Ljubljana DOI: 10.4312/linguistica.59.1.287-299 VARIETÄTENABHÄNGIGE TOPOLOGISCHE BESCHRÄNKUN- GEN DER SLOWENISCHEN PARTIKEL PA 1 AUSGANGSPUNKT Die slowenische additive und kontrastive Konnektor-, Fokus- und Modalpartikel pa ist aufgrund ihrer weitreichenden semantischen Unterspezifiziertheit und Multifunk- tionalität aus Perspektive der Sprachen der Welt als durchaus außergewöhnlich an- zusehen. Auch die Vielzahl der syntaktischen Positionen, die pa einnehmen kann, ist im Kontrast zu zahlreichen anderen Sprachen eher ungewöhnlich, was mit der Un- terspezifiziertheit und Multifunktionalität in Zusammenhang stehen dürfte. Mit der Vielzahl der syntaktischen Positionen geht auch ein weiteres Phänomen einher, das in diesem Artikel untersucht werden soll. Es besteht nämlich die begründete Annah- me, dass die topologischen Positionen, die pa einnehmen kann, variantenabhängig, also soziolinguistisch und textsortenbedingt, gewissen Beschränkungen unterliegen. Es wurden im Rahmen der Forschungsarbeit für den vorliegenden Artikel zur Über- prüfung der angestellten Vermutung zwei Textsammlungen herangezogen, die recht unterschiedlichen funktionalen Varietäten des Slowenischen angehören. Die eine Textsammlung bestand aus transkribierten Interviews im privaten Umfeld zu The- men wie der Geburt des eigenen Kindes, unangenehmen Erlebnissen auf Reisen usw., die mit Informanten und Informantinnen aus dem Großraum Ljubljana durchgeführt wurden. 1 Die andere Textsammlung beinhaltete hingegen Artikel zu politischen und kulturellen Ereignissen aus der Berichterstattung verschiedener slowenischer Tages- und Wochenzeitungen, die zum Zeitpunkt der Untersuchung ausdrücklich nicht dem Boulevard zuzurechnen waren. 1.1 Lexikologische und semantische Eckdaten zu pa Das vom Wörterbuch der slowenischen Schriftsprache SSKJ2 klassisch als Konjunk- tion und Partikel eingeordnete pa ist eines der frequentesten Lexeme des Slowenischen. Nach einer Untersuchung von Jakopin (1999: Kapitel 5.1.2., Tabelle 36) ist es das acht- häufigste. Wie der von Petrič (2005) mit dem Deutschen vorgenommene Vergleich in Tabelle 1 zeigt, wird es in seiner Konnektorfunktion sowohl additiv als auch kontrastiv verwendet. * alexander.rath@pm.me 1 Mein Dank gilt Prof. Dr. Mojca Smolej, die ihre Textsammlung für diese Untersuchung zur Verfügung gestellt hat. Linguistica_2019_FINAL.indd 287 9.10.2019 8:58:56 288 Tabelle 1: Veranschaulichung der Unterspezifizierung von pa bezüglich additiver und kontras- tiver Relationen (Petrič 2005: 202). Sprache Additive Relation Kontrastive Relation Deutsch und aber Slowenisch in toda pa Das einsprachige Wörterbuch der slowenischen Partikeln (Slovar slovenskih členkov – Žele 2014) listet einige Beispiele der Verwendung mit zumindest teilweiser Modalpartikelfunktion auf (siehe Tabelle 2). Tabelle 2: Beispiele zu pa aus dem einsprachigen Wörterbuch der slowenischen Partikeln (Žele 2014: 51) mit Übersetzungen für den vorliegenden Artikel: (1) Ne znaš. Pa znam! Du kannst’s nicht. Kann ich wohl! Ti si kriv. Pa nisem! Du bist Schuld. Bin ich (aber) nicht! Saj nisi bil zraven. Pa sem bil! Du warst ja nicht dabei. War ich doch! (2) Kaj pa, če ga ne bo? Was dann, wenn er nicht kommt? Kaj pa kričiš?! Was schreist du denn?! Kam pa greš? Wohin gehst du denn? Nekdo prihaja. Kdo pa? Jemand kommt gerade. Wer denn? (3) Kaj takega že dolgo ne ali pa nikoli. Etwas derartiges schon lange nicht oder (aber/wohl/auch) noch nie. Zemlja je tu rodovitnejša kakor pa na Krasu. Der Boden ist hier fruchtbarer als (KONTRASTVERSTÄRKER) am Karst. Nikar mu ne povej, pa saj bo od drugih izvedel. Sag es ihm keinesfalls, denn er wird es ohnehin von den Anderen erfahren. (4) Pa se že dolgo poznata. Ihr kennt euch wohl/also schon lange. Ein ähnliches Bild wie die zuvor genannten Verwendungsweisen von pa zeigt eine slowenisch-deutsch kontrastiv angelegte Untersuchung (Rath 2018) zur möglichen syntaktischen translatorischen Interferenz (engl. shining-through, slow. presevanje) beim Übersetzen von slowenischen literarischen Texten ins Deutsche. Die von der Stu- die isolierten Übersetzungen sind in Tabelle 3 aufgelistet. Tabelle 3: In der Untersuchung von Rath (2018) isolierte Entsprechungen von pa aber, aber doch, allerdings, also gut, auch, bestimmt, da, dann, dann … eben, dass, denn, doch, eben, erst, hingegen, ja, jetzt, noch, schon, und, und … auch, vielleicht, während, wirklich, wohl, AUSLASSUNG Linguistica_2019_FINAL.indd 288 9.10.2019 8:58:56 289 Die Funktion als Fokuspartikel überwiegt häufig dann, wenn pa bei der Überset- zung ins Deutsche oder Englische ausgelassen wird. Zu erwähnen ist auch Žagar (1991), der an Beispielen gezeigt hat, dass pa nicht nur syntaktisch und semantisch, sondern auch pragmatisch-argumentativ betrachtet werden muss. Er streicht dabei hervor, dass zur argumentativen Verwendung das erste Konnekt nicht als konkreter Satz verwirklicht sein muss, sondern, dass es ge- nügt, wenn auf Textebene der entsprechende argumentative Kontrast erkennbar oder deduzierbar ist. Ein situatives Beispiel, dass diese Verwendung demonstriert, ist in Tabelle 4 angeführt. Tabelle 4: Pa als Partikel zwischen einem unausgesprochenen, situativen Sachverhalt und einer Reaktion darauf (Rath 2014: 10): Ein Professor und sein Student sitzen in der Sprechstunde. Der Professor erinnert sich plötzlich, dass er eine Einladung zu einem Vortrag bekommen hat, der für den Studenten von Interesse sein könnte. Er steht auf und bringt die Einladung zum Besprechungstisch, um dem Studenten Ort und Zeitpunkt der Veranstaltung vorzulesen. Der Student hört aufmerksam aber abwartend zu, da er sich nicht sicher ist, ob er sich das Vorgelesene wohl merken wird. Er kommt in Gedanken zum Schluss, dass er es höchstwahrscheinlich vergessen wird. Daher gibt er dem Professor subtil köpersprachlich zu verstehen, dass er zu lesen aufhören möge und sagt: »To si bom pa zapisal« »Das werd ich mir aber aufschreiben« Der Professor steht auf und holt dem Studenten einen Stift. 1.2 Syntaktische Positionen von pa in der slowenischen Satztopologie Wie im Deutschen hat die zweite Stelle der Satztopologie auch im Slowenischen eine besondere Rolle inne, allerdings mit dem Unterschied, dass diese nicht zuerst mit ei- nem finiten Verb befüllt wird, dem die Wackernagelposition (Wackernagel 1892) folgt, sondern dass sie selbst die Wackernagelposition ist. Diese wird in der slowenischen Terminologie naslonski niz genannt. Übliche Übersetzungen für diesen Terminus sind „Klitikareihe“, „klitische Reihung“ bzw. „Klitikakette“ – in der englischsprachigen Terminologie clitic chain bzw. clitic sequence. Grundlegende Literatur dazu ist: Ja- kobson (1935), der dieses Phänomen generell in den slawischen Sprachen festgestellt hat, Murko (1891) mit der Abhandlung Enklitike v slovenščini („Enklitika im Sloweni- schen“), der erste als normativ zu verstehende Beitrag zu diesem Thema von Škrabec (1895), die darauf aufbauende Grammatik von Breznik (1916) sowie die immer noch gültige slowenische Normgrammatik Slovenska slovnica (Toporišič 2000: 671), die mit ihrer Darstellung der Klitikakette in der Tradition von Škrabec und Breznik steht, was durch das Kapitel Besedni red v slovenskem knjižnem jeziku in der „Neuen slowe- nischen Syntax“ Nova slovenska skladnja (Toporišič 1982: 161ff.) zusätzlich bezeugt wird. Die innere Syntax der Klitikakette wird in der Slovenska slovnica folgenderma- ßen dargestellt: Linguistica_2019_FINAL.indd 289 9.10.2019 8:58:56 290 V: Konjunktion (slow. veznik) N₁: Klitisches naj G₁: Verbformen (slow. glagolske oblike) von biti „sein“ auf s- P₁: Reflexivpronomen si P₂: Reflexivpronomen se Z₁: Personalpronomen (slow. osebni zaimek) im Dativ Z₂: Personalpronomen im Akkusativ Z₃: Personalpronomen im Genitiv G₂: Verbformen von biti „sein“: je und auf b- Č: Partikeln (slow. členki) Tabelle 5: Abschrift der Reihenfolge der Klitika in der Klitikakette mitsamt Beispielen aus der Grammatik Slovenska slovnica (Toporišič 2000: 671) V N₁ G₁ P₁ P₂ Z₁ Z₂ Z₃ G₂ Č Prósi, da naj bi se mu ne smejali. Mísli, da se ji je ní treba učiti Míslim, da se ji že spi Povêj mu jo še enkrat. Učíl jo je je. Privóščil si si se smejati. Tó se mu bo pa rés poználo. Ali si si tó izmislil? Si sì? Si si se smílil? Míslil sem si, da bi jim jih ne vrnil. Míslil sem, da ne bi šèl? Aus der Tabelle 5 lässt sich ein Maximalparadigma ableiten, das in Tabelle 6 zur Gänze ausgeführt ist. Linguistica_2019_FINAL.indd 290 9.10.2019 8:58:56 291 Tabelle 6: Theoretisches vollständiges Syntagma und Paradigma der Klitikakette, wie es dem Modell bei Toporišič (2000:671) entsprechen würde. V N₁ G₁ P₁ P₂ Z₁ Z₂ Z₃ G₂ Č da naj bi si se mi me me je ne … sem ti te te bom pa si ji jo je boš že mu ga ga bo sva nama naju naju bova sta vama vaju vaju bosta sta jima ju ju bosta smo nam nas nas bomo ste vam vas vas boste so jim jih jih bodo/ bojo Das in der germanistischen Sprachwissenschaft weit verbreitete Feldermodell wur- de aufgrund der sich aus der Zweitposition ergebenden topologischen Ähnlichkeit der beiden Sprachen bereits von Petrič (2005: 201ff.) im Zusammenhang mit pa auf das Slowenische angewandt. Ein Beispiel zum Vergleich ist hier in Tabelle 7 angeführt. Tabelle 7: Eine vereinfachte Version des Feldermodells (vgl. Duden 2016: 871). 2 Vorfeld Linke Satzklammer oz. Verbklammer + Wackernagel Mittelfeld Rechte Satzklammer oz. Verbklammer Peter Hat ein Haus gekauft. Predpolje Levi stavčni oz. glagolski klepaj 2 (naslonski niz) Osrednje polje Desni stavčni oz. glagolski klepaj *Peter Je hišo kupil. 2 Das topologische Feldermodell ist in der slowenistischen Sprachwissenschaft noch nicht weit verbreitet. Deshalb sind auch einige theoretische Fragen noch nicht gelöst und damit einherge- hend die entsprechende Terminologie noch nicht gefestigt. Die Termini Verb(al)klammer und Satzklammer wurden von Rath (2018) aus der Tradition des Instituts für Sprachwissenschaft in Graz kommend im Kontext einer slowenistischen und translationswissenschaftlichen Studie als glagolski klepaj und stavčni klepaj übersetzt. Crnkovič (2018) hingegen stützt sich auf die Tradi- tion der slowenischen Germanistik, in der sich spätestens ab den 1980ern die Termini stavčni okvir (‚Satzrahmen‘) bzw. glagolski okvir (‚Verbalrahmen‘) durchgesetzt haben. Linguistica_2019_FINAL.indd 291 9.10.2019 8:58:56 292 Das Beispiel in Tabelle 7 zeigt, dass die slowenische Satztopologie nicht vollkom- men der deutschen entspricht, da der bei direkter Übertragung entstehende Satz zumin- dest in der Standardsprache nicht unmarkiert ist. Mit einer kleinen Anpassung ergibt sich das Modell in Tabelle 8: Tabelle 8: Beispiel eines an das Slowenische angepassten topologischen Feldermodells. Predpolje Levi stavčni oz. glagolski klepaj (naslonski niz) Osrednje polje Desni stavčni oz. glagolski klepaj Ostalo Peter je včeraj kupil hišo Für pa sind innerhalb dieses Modells die in Tabelle 9 angegebenen Positionen möglich. Tabelle 9: Topologische Positionen von pa im slowenischen Satz: Vorfeld Wackernagel Mittelfeld Rechte Verbklammer Rest {pa} {pa} {pa} {pa} {pa} {pa} 1 2 NN 3 4 5 Der Einfachheit halber wurden die Positionen durchnummeriert. Sollte pa innerhalb der Klitikakette (slow. naslonski niz) auftreten, wird dies im Weiteren mit NN bezeich- net. Für alle in Tabelle 9 definierten Positionen ist in Tabelle 10 jeweils ein Beispiel angegeben. Tabelle 10: Beispiele für die in Tabelle 9 definierten Positionen von pa: 1 Pa če bi še tako modrovala in me učila živeti. 2 Še prej pa smo vsi skupaj zaspali za tisto deko z velikimi rožami. NN Ona se pa naj za tako plačo vozi po teh blatnih cestah in voha ta smrad. 3 »Mogoče je pa čaj?« 4 »Aha,« je rekla, »ampak higienske razmere so bile pa slabe.« 5 Alberta prašiča pa najslabše. 2 VARIETÄTENLINGUISTISCHE UNTERSUCHUNG ZU PA Aufbauend auf die zuvor beschriebenen syntaktischen Eigenschaften von pa und aufgrund von Beobachtungen aus dem slowenischen Sprachalltag wird postuliert, dass einige Positionen gewissen Beschränkungen unterliegen, welche entlang einer Linguistica_2019_FINAL.indd 292 9.10.2019 8:58:56 293 angenommenen Trennlinie zwischen zwei Sprachformen verläuft, die von Maas (2010) mit dem Begriffspaar orat und literat bzw. von Lehmann 3 als Mündlichkeit und Schrift- lichkeit bezeichnet werden. Die beiden Begriffspaare leiten sich aus dem Umstand her, dass aus den unterschiedlichen Eigenschaften des auditiven Mediums Schall und des visuellen Mediums Papier sowie aus den verschiedenen Textsorten, die diesen Medien typischerweise zugeordnet sind (interaktive gegenüber darstellenden Texten) spezifi- sche sprachliche Bedürfnisse hervorgehen. Darauf aufbauend wurden zwei Textsamm- lungen untersucht, wovon die erste Textsammlung (im Folgenden Textsammlung A) transkribierte Interviews aus einem nicht formalen Kontext enthält, in denen persön- liche Erlebnisse der Interviewten besprochen wurden. Die zweite Textsammlung (im Folgenden Textsammlung B) besteht aus publizistischen Texten aus der Online-Be- richterstattung der gehobeneren Tageszeitungen Delo und Dnevnik, dem Wochenma- gazin Mladina und dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk RTV Slovenija. Die ausge- wählten Texte behandeln Themenbereiche, die eine stark formale Sprache erwarten lassen, wie etwa Berichte von Ausstellungen, aus dem Wirtschaftsbereich sowie Be- richte zu welt- und gesellschaftspolitischen Fragestellungen. Die Texte wurden vom Autor dieses Artikels pseudozufällig ausgewählt. Lediglich zwei kürzere Texte wurden von vornherein ausgeschlossen, da diese kein pa enthielten. 2.1 Frequenzanalyse Textsammlung A Die Analyse der Textsammlung A mit einer Wortanzahl von 37.622 zeigt, dass pa, wenn es direkt an die Klitikakette angrenzt, überwiegend rechts auftritt. Tabelle 11: Rohdaten aus der Zählung von pa in der Textsammlung aus nicht formalem Kontext. Die drei Punkte in der Spaltenüberschrift stehen für die entsprechende Klitikakette: alle nicht an eine Klitikakette angrenzend pa … … pa … … pa Wörter Text 1 66 36 8 – 22 1.685 Text 2 68 45 2 – 21 1.723 Text 3 25 16 5 – 4 626 Text 4 45 24 13 – 8 607 Text 5 76 53 7 – 16 2.505 Text 6 10 6 – – 4 664 Text 7 23 14 – – 9 576 Text 8 38 18 6 – 14 1.799 Text 9 46 30 1 – 15 2.059 Text 10 25 15 3 – 7 840 Text 11 53 43 3 – 7 987 Text 12 56 48 1 – 7 2.868 Text 13 15 10 – – 5 1.389 3 https://www.christianlehmann.eu/ling/variation/muendlichkeit_schriftlichkeit.php Linguistica_2019_FINAL.indd 293 9.10.2019 8:58:56 294 alle nicht an eine Klitikakette angrenzend pa … … pa … … pa Wörter Text 14 40 30 4 – 6 895 Text 15 16 11 2 – 3 538 Text 16 222 149 27 – 46 3.504 Text 17 68 44 8 – 16 2.284 Text 18 16 9 4 – 3 485 Text 19 49 38 1 – 10 1.155 Text 20 18 13 3 – 2 341 Text 21 92 38 27 – 27 1.636 Text 22 36 22 3 – 11 1.184 Text 23 69 49 4 – 16 1.580 Text 24 30 18 1 – 11 819 Text 25 32 20 2 – 10 629 Text 26 57 38 7 – 12 1.308 Text 27 18 15 2 – 1 737 Text 28 18 16 1 – 1 597 Text 29 23 13 – – 10 629 Text 30 9 6 1 – 2 411 Text 31 6 2 1 – 3 258 Text 32 11 7 – – 4 304 ∑ aller Texte 1376 896 147 – 333 37.622 Wie aus Tabelle 11 ersichtlich, tritt pa in Textsammlung A 1.376-mal auf. Über alle Texte hinweg befindet sich pa 147-mal am linken Rand der Klitikakette, rechts dagegen 333-mal. Daraus ergibt sich, dass pa 480-mal an die Klitikakette angrenzt und abseits der Klitikakette 896-mal auftritt. Es lassen sich folgende Verhältnisse ableiten: • Von den an die Klitikakette angrenzenden pa-s sind 30,6 % links angesiedelt und 69,4 % rechts. • An der Gesamtzahl gemessen tritt pa zu 65,1 % abseits der Klitikakette auf, zu 10,7 % links an der Klitikakette und zu 24,2 % rechts an der Klitikakette. Die Relation der Häufigkeit der Positionen lässt sich durch links (10,7 %) < rechts (24,2 %) < abseits (65,1 %) charakterisieren. 2.2 Frequenzanalyse Textsammlung B Die Analyse der Textsammlung B mit einer Gesamtwortanzahl von 17.809 zeigt, dass pa, wenn es direkt an die Klitikakette angrenzt, überwiegend links auftritt. Linguistica_2019_FINAL.indd 294 9.10.2019 8:58:56 295 Tabelle 12: Rohdaten aus der Zählung von pa in der Textsammlung mit publizistischem Charak- ter. Die drei Punkte stehen für die entsprechende Klitikakette. alle nicht an eine Klitikakette angrenzend pa … … pa … … pa Wörter Text 1 11 8 3 – – 1.039 Text 2 12 2 10 – – 919 Text 3 1 0 1 – – 131 Text 4 7 4 3 – – 505 Text 5 2 1 1 – – 330 Text 6 5 2 3 – – 1.188 Text 7 10 4 2 – 4 1.294 Text 8 1 0 1 – – 200 Text 9 9 4 5 – – 700 Text 10 4 2 2 – – 171 Text 11 4 3 1 – – 354 Text 12 6 2 3 – 1 365 Text 13 1 0 1 – – 182 Text 14 10 6 4 – – 554 Text 15 1 0 1 – – 283 Text 16 2 1 1 – – 112 Text 17 18 9 8 – 1 2.539 Text 18 4 2 2 – – 518 Text 19 2 1 1 – – 298 Text 20 7 1 6 – – 449 Text 21 1 0 1 – – 249 Text 22 3 2 1 – – 398 Text 23 1 0 1 – – 309 Text 24 8 4 3 1 – 566 Text 25 3 2 1 – – 383 Text 26 3 1 2 – – 417 Text 27 3 0 3 – – 510 Text 28 3 3 – – – 541 Text 29 2 0 2 – – 633 Text 30 5 3 2 – – 617 Text 31 1 0 1 – – 261 Text 32 2 0 2 – – 794 ∑ aller Texte 152 67 78 1 6 17.809 Linguistica_2019_FINAL.indd 295 9.10.2019 8:58:57 296 Wie aus Tabelle 12 ersichtlich, tritt pa in Textsammlung B 152-mal auf. Über alle Texte hinweg befindet sich pa 78-mal am linken Rand der Klitikakette, rechts dagegen 6-mal. Einmal ist pa in die Klitikakette eingeschlossen. Daraus ergibt sich, dass pa 85- mal an die Klitikakette angrenzt und abseits der Klitikakette 67 mal auftritt. Es lassen sich folgende Verhältnisse ableiten: • Von den an die Klitikakette angrenzenden pa-s sind 91,8 % links angesiedelt, 7,1 % rechts und 1,2 % inmitten einer Klitikakette • An der Gesamtzahl der pa-s gemessen, tritt pa zu 44,1 % abseits der Klitikakette auf, zu 51,3 % links an der Klitikakette, zu 3,9 % rechts an der Klitikakette und zu 0,7 % inmitten einer Klitikakette auf. Die Relation der Häufigkeit der Positionen lässt sich also durch eingeschlossen (0,7 %) < rechts (3,9 %) < abseits (44,1%) < links (51,3 %) charakterisieren. 2.3 Vergleich der Frequenzanalysen und Schlussfolgerung Aus dem Vergleich der beiden Textsammlungen ist ersichtlich, dass die Verteilung von pa je nach Oratheit/Literatheit andere Präferenzen aufweist. Tabelle 13: Gegenüberstellung der Anteilsmäßigen Verteilung der Positionen von pa in Text- sammlung A und B Textsammlung A: links (10,7 %) < rechts (24,2 %) < abseits (65,1 %) Textsammlung B: eingeschlossen (0,7 %) < rechts (3,9 %) < abseits (44,1%) < links (51,3 %) Bei den Texten der Textsammlung B tritt pa überwiegend links an der Klitikakette auf. In Textsammlung A hingegen weist diese Position die relativ niedrigste Anzahl an pa-s auf. Jedoch liegt dies nicht an der Position links an der Klitikakette selbst, sondern an der Variation der anderen Positionen, wie der folgende Vergleich zeigt. Tabelle 14: Anzahl von pa und Gesamtwortanzahl der Textsammlungen A und B, Textsammlung A zum Vergleich heruntergerechnet auf Gesamtwortanzahl von Textsammlung B alle nicht an eine Klitikakette angrenzend pa … … pa … … pa Wörter Textsammlung A 1.376 896 147 – 333 37.622 Textsammlung A heruntergerechnet 652 424 70 – 158 17.809 Textsammlung B 152 67 78 1 6 17.809 Linguistica_2019_FINAL.indd 296 9.10.2019 8:58:57 297 Rechnet man die Anzahl von pa aus Textsammlung A auf die Wortanzahl von Text- sammlung B herunter, so wird ersichtlich, dass sich die Frequenz an der Position links der Klitikakette nur gering unterscheidet (70 zu 78), enorm ist jedoch der Unterschied rechts (158 zu 6) sowie abseits der Klitikakette (424 zu 67). Das legt nahe, dass sich literate und orate Texte darin unterscheiden, dass die Positionen rechts an der Klitika- kette sowie abseits der Klitikakette als weniger formal bzw. weniger literat gelten und pa daher in formalen bzw. literaten Texten seltener an solchen Positionen auftritt. Es konnte daher gezeigt werden, dass die Hypothese hinsichtlich des Auftretens von pa zutrifft. Es besteht tatsächlich ein Frequenzunterschied zwischen den syntakti- schen Positionen von pa abhängig davon, ob Schriftlichkeit bzw. ein literater Text oder Mündlichkeit bzw. ein orater Text vorliegt. Literatur BRAČIČ, Stojan/Mateja PETROVČIČ (Hrsg.) (2017) Partikeln überall. Deutsch – Slowenisch – Chinesisch. Ljubljana: Znanstvena založba Filozofske fakultete. BREZNIK, Anton (1916) Slovenska slovnica za srednje šole. Klagenfurt/Celovec: Mohorjeva. CRNKOVIČ, Jana (2018) „Slovenščina in nemščina kontrastivno: besedni red na osno- vi kontrastivnega modela.“ Jezik in slovstvo 63/2–3, 245–255. JAKOBSON, Roman O. 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Zusammenfassung V ARIETÄTENABHÄNGIGE TOPOLOGISCHE BESCHRÄNKUNGEN DER SLO- WENISCHEN PARTIKEL PA Die slowenische Partikel (und Konjunktion) pa ist eines der frequentesten Lexeme des Slowenischen. Da sie sowohl additive als auch kontrastive Relationen ausdrückt und darüber hinaus auch als Fokus- und Modalpartikel fungiert, ist sie als stark unter- spezifiziert einzustufen. Innerhalb des slowenischen Satzes, dessen Zweitposition einer Klitikakette nach Wackernagel vorbehalten ist, ist sie in der Lage, eine Vielzahl an topologischen Positionen einzunehmen: Die Vorerstposition und die Erstposition, die Einschubposition zwischen Erst- und Zweitposition, die Position zwischen der Zweit- position und dem Mittelfeld und seltener auch Positionen nach der rechten Verbklam- mer. In manchen Fällen kann sie in die Klitikakette der Wackernagelposition integriert sein. Es wurde vermutet, dass die von pa einnehmbaren Positionen varietätenlinguisti- schen Beschränkungen unterliegen, und zwar je nach Mündlichkeit und Schriftlichkeit bzw. Oratheit und Literatheit des Textes. Der vorliegende Artikel zeigt anhand einer Untersuchung von einerseits transkribierten Interviews zu persönlichen und hoch emo- tionalen Themen und andererseits weitgehend formalen publizistischen Texten, dass tatsächlich eine unterschiedliche Verteilung vorliegt. Außer im Falle von verschrift- lichten Zitaten mündlicher Sprache entfallen in den publizistischen Texten nämlich sämtliche Positionen rechts der Wackernagelposition. Schlüsselwörter: Partikel, Konnektor, unterspezifiziert, Wackernagel, Varietätenlinguistik Abstract V ARIETY-BASED TOPOLOGICAL CONSTRAINTS OF THE SLOVENIAN PARTICLE PA. The Slovenian particle (and conjunction) pa is one of the most frequent lexemes of the Slovenian language. As it can express additive and contrastive relations and also has the function of a focus and modal particle, it can be considered as semantically highly underspecified. In the Slovenian sentence where the clitic sequence occupies the second position, pa can occur in a variety of positions (P), including before P1, P1 itself, the position between P1 and the clitic sequence, the position after the clitic sequence and rarely the position after the second part of the verb (participle) in the composed tenses. Sometimes pa also occurs in the middle of the clitic sequence. It was assumed that the positions pa can occupy might be governed by restrictions related to Linguistica_2019_FINAL.indd 298 9.10.2019 8:58:57 299 the spoken or written nature of a given text. On the basis of a comparison of a corpus of transcribed interviews of a highly personal and emotional nature, on the one hand, and a corpus of rather formal journalistic texts on the other hand, the present article shows that the distribution of pa indeed differs in the two corpora. With the exception of quotations from spoken language, in the journalistic texts pa does not occur at the end of a clitic sequence. Keywords: particle, connective, underspecification, clitic sequence, variety Povzetek ZVRSTNOSTNO POGOJENE TOPOLOŠKE OMEJITVE SLOVENSKE PRVINE PA Slovenski členek (in veznik) pa je eden najbolj frekventnih leksemov slovenščine. Ker izraža tako vezalna kot tudi kontrastivna razmerja in ima poleg tega tudi funkcijo poudarjalnega in naklonskega členka, ga je mogoče označiti kot manj specificiranega. Znotraj slovenskega stavka, ki ima na drugem topološkem mestu naslonski niz, lahko nastopa v različnih topoloških položajih, namreč pred prvim mestom, na prvem mestu, med prvim mestom in naslonskim nizom, tik za naslonskim nizom in redkeje tudi des- no od drugega, deležniškega dela glagola. Včasih se najde pa tudi v sredini naslonskega niza. Domnevali smo, da so položaji, na katerih se pojavlja pa, zvrstnostno omejeni, in sicer glede na to, ali gre za govorjeno ali pa za pisno besedilo. S pomočjo raziskave na podlagi besedilne zbirke zapisanih intervjujev o zelo osebnih in emocionalnih temah na eni strani in formalnih publicističnih besedilih na drugi strani pričujoči članek po- kaže, da se distribucija prvine pa med obema zbirkama besedil zares razlikuje. Razen v primeru zapisanih citatov govorjenega jezika se namreč v publicističnih besedilih vsi položaji pojavijo desno od naslonskega niza. Ključne besede: členek, povezovalec, malo specificirano, naslonski niz, variantnost Linguistica_2019_FINAL.indd 299 9.10.2019 8:58:57